Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 14. Apr. 2015 - 32 SA 11/15
Tenor
Der Senat lehnt eine Zuständigkeitsbestimmung ab.
Die Kosten des Bestimmungsverfahrens trägt der Antragsteller.
Der Gegenstandswert wird auf 9.000 € festgesetzt.
1
Gründe
2I.
3Der Antragsteller beantragt eine Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für eine Klage wegen fehlerhafter Aufklärung über die Risiken eines Beitritts zu einem geschlossenen Immobilienfonds. Die Antragsgegnerin zu 1. ist die beratende Bank, die Antragsgegnerin zu 2. die Initiatorin und Prospektherausgeberin (sowie ausweislich des mit der Klageschrift überreichten Prospekts auch Anbieterin) und die Antragsgegnerin zu 3. die Gründungs- und Treuhandkommanditistin der Fondsgesellschaft.
4Nach dem im Bestimmungsverfahren maßgeblichen Vortrag des Antragstellers zeichnete dieser im Januar 2009 nach Beratung durch eine Mitarbeiterin der Antragsgegnerin zu 1. eine Beitrittsvereinbarung zu einem geschlossenen Immobilienfonds; der Fondsprospekt wurde ihm im Anschluss an die Beratung nach Zeichnung mitgegeben. Der Antragsgegnerin zu 1. wirft er insbesondere vor, ihn nicht über bestehende Risiken und drohende Probleme im Zusammenhang mit dem Fonds beraten zu haben. Sie habe für die Beratung einen fehlerhaften Prospekt verwandt, was ihr bei einer Prüfung mit banküblichem kritischem Sachverstand hätte auffallen müssen (vgl. S. 16 f. der Klageschrift). Die Haftung der Antragsgegnerinnen zu 2. und 3. folge daraus, dass diese verschiedene Risiken der Anlage im Prospekt verschwiegen oder unzureichend dargestellt hätten.
5Der Antragsteller ist der Auffassung, dass kein gemeinsamer Gerichtsstand der Antragsgegnerinnen gem. § 32 b ZPO bestehe, da die Antragsgegnerin zu 1. ihm den Fonds nicht anhand des Prospekts vorgestellt, sondern diesen erst später übergeben habe. Unter Abstellung auf den Schwerpunkt des Rechtsstreits liege es nahe, als gemeinsamen Gerichtsstand das Landgericht Siegen zu bestimmen. Hier hat der Antragsteller auch bereits Klage eingereicht.
6Die Antragsgegnerinnen zu 2. und 3. sind der Auffassung, dass ein gemeinsamer Gerichtsstand gem. § 32 b ZPO beim Landgericht München I gegeben sei, da zumindest gegen die Antragsgegnerin zu 2. und 3. Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter öffentlicher Kapitalmarktinformation geltend gemacht werden. Sollte der Senat einen Gerichtsstand gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmen, liege eine Bestimmung des Landgerichts München I nahe, da die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers in mehr als 50 inhaltlich weitestgehend gleich gelagerten Fällen Klage erhoben hätten.
7Die Antragsgegnerin zu 1. hat sich auch innerhalb der verlängerten Stellungnahmefrist nicht zur Gerichtsstandsbestimmung geäußert.
8II.
91.
10Die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor. Zwar haben die Antragsgegnerinnen bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand und hat der Antragsteller sie als Streitgenossinnen verklagt; es besteht aber für die Antragsgegnerinnen gem. § 32 b Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 ZPO ein gemeinsamer ausschließlicher Gerichtsstand.
11Für die Antragsgegnerinnen zu 2. und 3. liegt ein ausschließlicher Gerichtsstand gem. § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO vor. Gegen sie wird ein Schadensersatzanspruch wegen falscher öffentlicher Kapitalmarktinformation geltend gemacht. Die Fondsbeteiligung ist eine Kapitalmarktanlage, der Prospekt, dessen Unzulänglichkeit der Antragsteller behauptet, eine öffentliche Kapitalmarktinformation; eine Prospektpflichtigkeit der Anlage ist nicht erforderlich. Der ausschließliche Gerichtsstand besteht unabhängig davon, auf welche konkrete Anspruchsgrundlage der Anspruch gestützt wird (vgl. zum Ganzen nur Zöller/Vollkommer, 30. Auflage, 2014, § 32 b ZPO Rn. 5). Schließlich wird die Klage mit der Antragsgegnerin zu 2. auch i.S.v. § 32b Abs. 1 a.E. ZPO gegen die Anbieterin gerichtet.
12Für die Antragsgegnerin zu 1. liegt ein ausschließlicher Gerichtsstand gem. § 32 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO vor. Gegen sie wird ein Schadensersatzanspruch wegen der Verwendung einer falschen öffentlichen Kapitalmarktanlage geltend gemacht. Eine solche Verwendung kann nicht allein durch die körperliche Vorlage des Prospekts im Beratungsgespräch erfolgen. Auch wenn der Prospekt dem Antragsteller nach seinem Vortrag erst nach Zeichnung der Beitrittserklärung vorgelegt wurde, besteht - anders als in dem vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 30.07.2013 – X ARZ 320/13 - entschiedenen Fall - auch hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1. ein hinreichender Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation. Der Antragsteller stützt die gegen die Antragsgegnerin zu 1. erhobene Klage ausdrücklich auch darauf, dass diese „für die Beratung des Klägers einen fehlerhaften Prospekt verwendet“ habe (vgl. S. 17 der Klageschrift), also darauf, dass die Antragsgegnerin zu 1. auf Grundlage eines fehlerhaften Prospekts falsch beraten habe, weil sie Fehler und Unvollständigkeit des Prospekts mangels hinreichender Prüfung nicht erkannt habe.
13Der Senat weicht mit dieser Einschätzung ebenso wenig wie die Oberlandesgerichte Hamburg (Beschl. v. 13.02.2015 - 6 AR 2/15) und Bremen (Beschl. v. 18.02.2015 – 3 AR 2/15) vom vorstehend bereits zitierten Beschluss des Bundesgerichtshofs ab. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall wurde für die beratende Bank eine Verwendung des Prospekts und damit ein Gerichtsstand gem. § 32 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO verneint, weil sie das in dem Prospekt beschriebene Risiko eines Totalverlustes verschwiegen und zugleich den Prospekt erst nach der Beitrittserklärung übersandt habe (BGH, Beschl. v. 30.07.2013 - X ARZ 320/13 - zitiert nach juris, dort Tz. 31), also gerade das Unterbleiben einer Berücksichtigung der im Prospekt beschriebenen Risiken in der Beratung gerügt.
14Die vom Antragsteller zuletzt mit Schriftsatz vom 30.03.2015 vorgelegten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Bamberg (Beschl. v. 18.03.2015 - 8 SA 5/15) und Düsseldorf (Beschl. v. 18.03.2015 – 5 SA 22/15) geben keinen Anlass zu einer anderweitigen Entscheidung oder zu einer Vorlage an den Bundesgerichtshof. Beiden Entscheidungen ist nicht zu entnehmen, dass der rechtlichen Würdigung der Vorwurf gegen die beratende Bank zugrunde gelegt wurde, diese habe für die Beratung einen fehlerhaften Prospekt verwandt. Das Oberlandesgericht Bamberg führt aus, aus der Klageschrift ergebe sich nicht, dass Prospektangaben verwandt worden seien. Das Oberlandesgericht Düsseldorf konnte nicht zuverlässig feststellen, dass der Prospekt Beratungsgrundlage gewesen sei. Dass der Senat im hier zu entscheidenden Fall eine solche Verwendung zugrunde gelegt hat, wurde vorstehend dargestellt.
152.
16Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ergeht im Falle der Antragszurückweisung eine Kostenentscheidung auch dann, wenn zwischenzeitlich Klage erhoben wurde. Es ist nicht auszuschließen, dass zumindest den Antragsgegnerinnen durch das Bestimmungsverfahren Kosten entstanden sind. Bei der Wertfestsetzung ist der Senat davon ausgegangen, dass dem Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung regelmäßig das Kosteninteresse zugrunde liegt, kein isoliertes neues Verfahren gegen den weiteren Antragsgegner führen zu müssen. Ausgehend davon wird ein geschätzter Ansatz von 20 % der Hauptsache für angemessen erachtet.
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(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- I. Die Antragstellerin will die Antragsgegnerinnen, die ihren allgemeinen Gerichtsstand in unterschiedlichen Gerichtsbezirken haben, gemeinschaftlich auf Ersatz des Schadens in Anspruch nehmen, der ihr durch Beteiligung an einem Filmfonds entstanden ist.
- 2
- Nach dem beabsichtigten Klagevortrag erwarben die Antragstellerin und ihr Ehemann die Beteiligung im Anschluss an ein Gespräch mit einem für die Antragsgegnerin zu 1 tätigen Anlageberater, das in ihrer Privatwohnung stattfand. Die Antragstellerin macht geltend, die Beratung sei fehlerhaft gewesen, weil der Berater die Anlage als sicher dargestellt und das Risiko des Totalverlusts verschwiegen habe. Für die fehlerhafte Beratung habe auch die Antragsgegnerin zu 2 als Gründungskommanditistin einzustehen. Diese sei ferner als Prospektverantwortliche zum Schadensersatz verpflichtet. Der Verkaufsprospekt belehre nur unzureichend über die Risiken des Fonds und sei verharmlosend.
- 3
- Alle Verfahrensbeteiligten gehen davon aus, dass die Voraussetzungen für die Bestimmung eines zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vorliegen. Sie beantragen jeweils, das Landgericht an ihrem Wohnsitz bzw. Sitz als zuständig zu bestimmen. Die Antragsgegnerin zu 1 schließt sich hilfsweise dem Begehren der Antragsgegnerin zu 2 an.
- 4
- Das Oberlandesgericht Düsseldorf möchte den Antrag auf Bestimmung eines zuständigen Gerichts zurückweisen, weil es gemäß § 32b Abs. 1 ZPO in der seit 1. Dezember 2012 geltenden Fassung einen gemeinsamen Gerichtsstand am Sitz der Antragsgegnerin zu 2 für gegeben hält, an dem auch der Fonds und die Herausgeberin des Fondsprospekts ihren Sitz haben. Es sieht sich daran durch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Beschluss vom 8. April 2013 - 32 SA 6/13, MDR 2013, 871, 872) gehindert und hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
- 5
- II. Die Vorlage ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig.
- 6
- Die vom vorlegenden Gericht beabsichtigte Entscheidung kann nach dem von ihm zugrunde gelegten und im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen rechtlichen Ausgangspunkt nur ergehen, wenn die Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1 ZPO in der seit 1. Dezember 2012 geltenden Fassung auch für eine Klage zu bejahen ist, die sich nicht (auch) gegen den Emittenten, den Anbieter oder die Zielgesellschaft richtet, sondern lediglich gegen sonstige Prospektverantwortliche , Anlageberater oder -vermittler. Diese Auffassung haben das Oberlandesgericht Hamm in der vom vorlegenden Gericht zitierten Entscheidung und mittlerweile auch das Oberlandesgericht München (Beschluss vom 28. Juni 2013 - 34 AR 205/13, juris Rn. 16) abgelehnt.
- 7
- III. Entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts sind die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erfüllt. Für die beabsichtigte Klage ist ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand - der sich allenfalls aus § 32b Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO ergeben könnte - nicht begründet.
- 8
- 1. Zu Recht ist das vorlegende Gericht allerdings davon ausgegangen, dass die Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1 ZPO im Streitfall nicht schon deshalb zu verneinen ist, weil die Antragsgegnerinnen nicht zu den Emittenten oder Anbietern der Kapitalanlage gehören. Insoweit genügt vielmehr, dass die Antragsgegnerin zu 2 jedenfalls auch als Verantwortliche für die nach dem beabsichtigten Klagevorbringen zumindest irreführenden Angaben in dem Verkaufsprospekt in Anspruch genommen wird.
- 9
- a) Zutreffend hat das vorlegende Gericht angenommen, dass die Antragsgegnerin zu 2 weder Emittentin noch Anbieterin oder Zielgesellschaft der in Rede stehenden Vermögensanlage ist.
- 10
- aa) Emittent eines Wertpapiers ist derjenige, der es begibt (MünchKommZPO /Patzina, 4. Auflage, § 32b Rn. 4; Musielak/Heinrich, ZPO, 10. Auflage, § 32b Rn. 5; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Auflage, § 32b Rn. 7). Emittent einer sonstigen Vermögensanlage ist derjenige, der sie erstmals auf den Markt bringt und für seine Rechnung unmittelbar oder durch Dritte öffentlich zum Erwerb anbietet (vgl. BT-Drucks. 15/3174, S. 42).
- 11
- Diese Funktion hat die Antragsgegnerin zu 2 im Streitfall nicht wahrgenommen.
- 12
- bb) Anbieter ist derjenige, der für das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen verantwortlich ist und so auch den Anlegern gegenüber auftritt (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2007 - X ARZ 381/06, NJW 2007, 1364 Rn. 11 unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 15/3174, S. 42; Beschluss vom 30. Oktober 2008 - III ZB 92/07, NJW 2009, 513 Rn. 15). Der Anbieter muss nicht zwingend mit dem Emittenten identisch sein. Insbesondere bei Übernahmekonsortien ist als Anbieter anzusehen, wer den Anlegern gegenüber nach außen erkennbar, beispielsweise in Zeitungsanzeigen, als Anbieter auftritt. Wenn der Vertrieb über Vertriebsorganisationen, ein Netz von angestellten oder freien Vermittlern oder Untervertrieb erfolgt, ist derjenige als Anbieter anzusehen , der die Verantwortung für die Koordination der Vertriebsaktivitäten innehat (vgl. BT-Drucks. 15/4999, S. 29; Erbs/Kohlhaas/Wehowsky, Strafrechtliche Nebengesetze , 193. Ergänzungslieferung, § 2 WpPG Rn. 17; Groß, Kapitalmarktrecht , 5. Auflage, § 2 WpPG Rn. 25-28; Müller, Wertpapierprospektgesetz, § 2 Rn. 13).
- 13
- Auch diese Funktion kam der Antragsgegnerin zu 2, wie auch das vorlegende Gericht zutreffend erkannt hat, im Streitfall nicht zu.
- 14
- cc) Eine weitergehende Auslegung, etwa dahin, dass als Anbieter alle diejenigen Personen anzusehen wären, die für falsche, irreführende oder unterlassene Angaben in einem Prospekt verantwortlich sind, stünde mit dem Zweck des § 32b Abs. 1 ZPO nicht in Einklang.
- 15
- § 32b Abs. 1 ZPO soll verhindern, dass die Zuständigkeit für die Beurteilung einer bestimmten öffentlichen Kapitalmarktinformation aufgrund verschiedener Gerichtsstände zersplittert wird.
- 16
- Für den Inhalt eines Prospekts, der öffentliche Kapitalmarktinformationen enthält, kann im Einzelfall eine Vielzahl von Personen verantwortlich sein. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haben für den Inhalt des Prospekts insbesondere diejenigen Personen einstehen, die für die Geschicke des Unternehmens und damit für die Herausgabe des Prospekts verantwortlich sind. Das sind namentlich die Initiatoren, Gründer und Gestalter der Gesellschaft, soweit sie das Management der Gesellschaft bilden oder sie beherrschen , einschließlich der so genannten "Hintermänner". Darüber hinaus haften auch diejenigen, die auf Grund ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Stellung oder auf Grund ihrer Fachkunde eine Art Garantenstellung einnehmen und durch ihre Mitwirkung an der Prospektgestaltung nach außen hin in Erscheinung getreten sind (vgl. nur BGH, Urteil vom 21. Februar 2013 - III ZR 139/12, NJW 2013, 1877 Rn. 11 mwN).
- 17
- Würden alle diese Personen als Anbieter im Sinne von § 32b Abs. 1 ZPO angesehen, käme in zahlreichen Fällen eine Vielzahl von Gerichtsständen in Betracht. Dann könnte eine Zersplitterung der Zuständigkeiten nicht wirksam verhindert werden.
- 18
- b) Zu Recht hat es das vorlegende Gericht für die Begründung eines Gerichtsstandes gemäß § 32b Abs. 1 ZPO als ausreichend angesehen, dass zumindest einer der Beklagten wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation im Sinne von § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Anspruch genommen wird. Diese Voraussetzung ist im Streitfall hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2 erfüllt.
- 19
- Nach dem Wortlaut von § 32b Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO in der seit 1. Dezember 2012 geltenden Fassung ist der besondere Gerichtsstand allerdings nur begründet, wenn die Klage auch gegen den Emittenten, den Anbieter oder die Zielgesellschaft gerichtet ist. Aus der Entstehungsgeschichte und aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt sich jedoch, dass diese neu in den Gesetzestext eingefügte Voraussetzung enger zu interpretieren ist, als dies ihr Wortlaut vorzugeben scheint.
- 20
- aa) Mit der Neufassung des § 32b Abs. 1 ZPO sollte der Anwendungsbereich der Vorschrift erweitert werden.
- 21
- Dabei sollte insbesondere dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Verwendung von öffentlichen Kapitalmarktinformationen durch einen Anlageberater oder -vermittler nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2011 - X ARZ 101/11, NJW-RR 2011, 1137 Rn. 15 mwN) nicht von § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO erfasst wird. Deshalb wurde die Vorschrift um den neu eingefügten Tatbestand in § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO ergänzt (vgl. BT-Drucks. 17/8799, S. 16 und 27).
- 22
- bb) Zugleich wurde in § 32b Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO die zusätzliche Voraussetzung aufgenommen, dass sich die Klage auch gegen den Emittenten, den Anbieter oder die Zielgesellschaft richten muss.
- 23
- Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich der Sitz des Beklagten, etwa eines Anlageberaters oder Anlagevermittlers, in vielen Fällen in örtlicher Nähe zum Kläger befindet, so dass es nicht ohne weiteres angemessen wäre, einen ausschließlichen Gerichtsstand an einem möglicherweise weit entfernten Ort zu begründen (BT-Drucks. 17/8799, S. 27).
- 24
- cc) Entsprechend dieser Zielsetzung ist eine Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1 ZPO zwar zu verneinen, wenn mit der Klage ausschließlich Anlageberater , Anlagevermittler oder sonstige Personen wegen der in § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO aufgeführten Handlungen in Anspruch genommen werden. Eine weitergehende Einschränkung dahin, dass die Zuständigkeit auch bei einer Klage wegen der in § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgeführten Handlungen nur noch dann zu bejahen ist, wenn der Emittent, der Anbieter oder die Zielgesellschaft zu den Beklagten gehören, stünde hingegen in Widerspruch zum Ziel der Neuregelung.
- 25
- Für die in § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgeführten Tatbestände war der besondere Gerichtsstand des § 32b Abs. 1 ZPO nach der bis zum 30. November 2012 geltenden Fassung der Vorschrift auch dann begründet, wenn ausschließlich sonstige Prospektverantwortliche in Anspruch genommen wurden. Dass der Anwendungsbereich der Vorschrift insoweit eingeschränkt werden sollte, erscheint trotz des Wortlauts von § 32b Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO n.F. ausgeschlossen.
- 26
- Die Neuregelung dient wie bereits dargelegt dem Zweck, Klagen gegen Anlageberater und -vermittler in den Anwendungsbereich der Vorschrift einzubeziehen , die damit einhergehende Erweiterung des Anwendungsbereichs aber gewissen Beschränkungen zu unterwerfen. Dass diese Beschränkungen auch die in der früheren Fassung aufgeführten Tatbestände betreffen sollen - mit dem Ergebnis, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift in gewisser Hinsicht eingeschränkt würde - lässt sich weder den Gesetzesmaterialien noch sonstigen Umständen entnehmen.
- 27
- Insbesondere kann die Erwägung, dass Anlageberater oder -vermittler ihren Sitz häufig in örtlicher Nähe zum Kläger haben, nicht ohne weiteres auf den Personenkreis übertragen werden, der typischerweise wegen der in § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgeführten Handlungen in Anspruch genommen wird. Zwar ist angesichts der Vielzahl der als Prospektverantwortliche in Betracht kommenden Personen nicht damit zu rechnen, dass diese ihren Wohnsitz bzw. Sitz regelmäßig im gleichen Gerichtsbezirk haben wie der Emittent oder Anbieter. Anders als bei Anlageberatern oder -vermittlern, die typischerweise in persönlichen Kontakt zum Anleger treten, kann bei Prospektverantwortlichen aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie in vielen Fällen in örtlicher Nähe zum Kläger ansässig sind.
- 28
- Vor diesem Hintergrund kann dem Wortlaut von § 32b Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO, der auch in dieser Konstellation eine Einbeziehung von Emittent, Anbieter oder Zielgesellschaft zu fordern scheint, keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden. Zwar hätte es der Gesetzgeber in der Hand gehabt, die mit der Neuregelung verfolgten Ziele durch eine abweichende Formulierung klarer zum Ausdruck zu bringen, etwa durch eine Regelung des Inhalts, dass der besondere Gerichtsstand in den Fällen von § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO nur dann begründet ist, wenn die Klage zumindest gegen einen Beklagten auf eine der in § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgeführten Handlungen gestützt ist. Auch wenn der Gesetzgeber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, ergibt sich aber aus der Entstehungsgeschichte und der in den Gesetzesmaterialien dokumentierten Zielsetzung der Neuregelung hinreichend deutlich, dass die ihrem Wortlaut nach weitergehende Einschränkung in § 32b Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO nur in diesem Sinne auszulegen ist.
- 29
- 2. Im Streitfall fehlt es dennoch an einem gemeinschaftlichen Gerichtsstand für beide Antragsgegnerinnen. Für die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1 sind die Voraussetzungen des § 32b Abs. 1 ZPO nicht erfüllt , weil das Klagebegehren nicht auf die Verwendung einer öffentlichen Kapitalmarktinformation gestützt wird.
- 30
- Nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO in der seit 1. Dezember 2012 geltenden Fassung gilt der besondere Gerichtsstand zwar auch für Klagen gegen Anlageberater oder -vermittler wegen Verwendung der Kapitalmarktinformation oder wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass die Information falsch oder irreführend ist. Auch nach der Neuregelung ist der Anwendungsbereich der Vorschrift jedoch nur dann eröffnet, wenn ein Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation besteht (BT-Drucks. 17/8799, S. 16).
- 31
- Im Streitfall ist die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1 nicht auf einen solchen Anspruch gestützt. Aus dem vorgelegten Entwurf der Klageschrift ergibt sich nicht, dass der für die Antragsgegnerin zu 1 tätige Anlageberater bei dem Gespräch mit der Antragstellerin und deren Ehemann die von der Antragstellerin als zumindest irreführend angesehenen Prospektangaben verwendet oder eine diesbezügliche Aufklärungspflicht verletzt hat. Die Antragstellerin macht vielmehr geltend, der Anlageberater habe ihr das im Prospekt beschriebene Risiko eines Totalverlusts verschwiegen und der Prospekt sei ihr erst nach Abgabe der Beitrittserklärung übersandt worden. Darin liegt keine Verwendung von öffentlichen Kapitalmarktinformationen im Sinne von § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO.
- 32
- IV. Als zuständiges Gericht bestimmt der Senat das Landgericht Mönchengladbach.
- 33
- Im Bezirk dieses Gerichts haben sowohl die Antragstellerin als auch der für die Antragsgegnerin zu 1 tätig gewordene Anlageberater ihren Sitz. Diesem Gesichtspunkt kommt im Streitfall ein stärkeres Gewicht zu als der Umstand, dass hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2 aufgrund der gegen diese zusätzlich geltend gemachten Prospekthaftungsansprüche der ausschließliche Gerichtsstand des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründet ist und dort nach dem Vortrag der Antragsgegnerinnen bereits eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten zu dem in Rede stehenden Fonds anhängig ist.
- 34
- Im Streitfall liegt der Schwerpunkt des beabsichtigten Klagebegehrens auf dem Vorwurf, der für die Antragsgegnerin zu 1 tätige Anlageberater habe die Antragstellerin und ihren Ehemann nicht über die im Prospekt dargestellten Risiken aufgeklärt.
- 35
- Dem ergänzend gegenüber der Antragsgegnerin zu 2 erhobenen Vorwurf, auch im Prospekt würden die Risiken nicht umfassend und eher verharmlosend dargestellt, kommt demgegenüber schon deshalb weniger Gewicht zu, weil die Antragstellerin nach ihrem Vortrag den Prospekt erst nach Zeichnung der Anlage erhalten hat. Zwar ist ein Prospektfehler auch dann ursächlich für die Anlageentscheidung , wenn der Prospekt nicht vor Vertragsschluss übergeben, aber entsprechend dem Vertriebskonzept der Anlagegesellschaft von den Anlagevermittlern als alleinige Arbeitsgrundlage für ihre Beratungsgespräche benutzt wird (vgl. nur BGH, Urteil vom 6. März 2012 - VI ZR 70/10, WM 2012, 646 Rn. 28). Aus dem beabsichtigten Klagevortrag ergibt sich jedoch nicht, dass der Anlageberater beim Gespräch mit der Antragstellerin und deren Ehemann unzutreffende oder irreführende Prospektangaben verwendet hat. Die Antragstellerin macht vielmehr geltend, der Anlageberater habe nur die im Prospekt aufgeführten Chancen geschildert und ihr durch die verspätete Übergabe des Prospekts die Möglichkeit genommen, sich vor Zeichnung über die erheblichen Risiken zu informieren.
Bacher Deichfuß
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 20.06.2013 - I-5 SA 51/13 -