Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 09. März 2016 - 2 WF 38/16

ECLI:ECLI:DE:OLGHAM:2016:0309.2WF38.16.00
bei uns veröffentlicht am09.03.2016

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Marl vom 11.12.2015 abgeändert.

Dem Kindesvater wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für seinen im Schriftsatz vom 16.11.2015 beabsichtigten Sorgerechtsantrag bewilligt.


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Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 09. März 2016 - 2 WF 38/16 zitiert 6 §§.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 76 Voraussetzungen


(1) Auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist. (2) Ein Beschluss, der im Verfahrenskosten

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1671 Übertragung der Alleinsorge bei Getrenntleben der Eltern


(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem An

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 78 Beiordnung eines Rechtsanwalts


(1) Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben, wird dem Beteiligten ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet. (2) Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben, wird dem Beteiligten au

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 59 Beurkundung


(1) Die Urkundsperson beim Jugendamt ist befugt, 1. die Erklärung, durch die die Vaterschaft anerkannt oder die Anerkennung widerrufen wird, die Zustimmungserklärung der Mutter sowie die etwa erforderliche Zustimmung des Mannes, der im Zeitpunkt der

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Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 14. Okt. 2014 - 6 WF 110/14

bei uns veröffentlicht am 14.10.2014

Tenor Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 02.04.2014 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht - Tecklenburg vom 07.03.2014 (Az. 3 F 17 / 14) wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nic

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 04. Okt. 2013 - 13 WF 119/13

bei uns veröffentlicht am 04.10.2013

Tenor Der Verfahrenskostenhilfe versagende Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meldorf vom 28. August 2013 wird wie folgt geändert: Der Antragstellerin wird für ihren Antrag gemäß Schriftsatz vom 16. Mai 2013 Verfahrenskostenhilfe b

Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 07. Aug. 2008 - 16 WF 194/08

bei uns veröffentlicht am 07.08.2008

Tenor Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts, Familiengericht, Biberach vom 13.02.2008 abgeändert.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 09. März 2016 - 2 WF 38/16.

Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 24. Mai 2016 - 3 UF 139/15

bei uns veröffentlicht am 24.05.2016

Tenor I. Die Beschwerde des Kindesvaters und Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Gelsenkirchen-Buer vom 17. Juni 2015 (Az.: 18 F 246/13) wird zurückgewiesen. II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden n

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(1) Auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.

(2) Ein Beschluss, der im Verfahrenskostenhilfeverfahren ergeht, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572, 127 Abs. 2 bis 4 der Zivilprozessordnung anfechtbar.

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 02.04.2014 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht - Tecklenburg vom 07.03.2014 (Az. 3 F 17 / 14) wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO).


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Tenor

Der Verfahrenskostenhilfe versagende Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meldorf vom 28. August 2013 wird wie folgt geändert:

Der Antragstellerin wird für ihren Antrag gemäß Schriftsatz vom 16. Mai 2013 Verfahrenskostenhilfe bewilligt.

Ihr wird Rechtsanwalt ….beigeordnet.

Eine Ratenzahlungsverpflichtung wird nicht angeordnet.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde (§ 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) hat auch in der Sache Erfolg.

2

Einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten des Verfahrens nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, ist auf Antrag Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wenn die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint (§ 76 Abs. 1FamFG i.V.m. § 114 ZPO).

3

Die Voraussetzungen sind hier erfüllt.

4

Das Verlangen der Antragstellerin (Kindesmutter), die elterliche Sorge betreffend die Kinder ..., geb….1999 und … 1996, gerichtlich zu regeln, bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Bereits vor Antragseinreichung hatte die jetzige Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners auf ein Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin mit Schreiben vom 13. Mai 2013 mitgeteilt, dass der Antragsgegner aus Kostengründen der Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter zustimme. Nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB hat das Gericht dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung der elterlichen Sorge stattzugeben, wenn der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, dass das Kind das 14. Lebensjahr vollendet hat und der Übertragung widerspricht. Letzteres ist vorliegend nicht Fall. Die Kindesmutter hat unbestritten vorgetragen, dass die Kinder die Übertragung der elterlichen Sorge - wie von ihr beantragt - wünschen.

5

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch nicht mutwillig im Sinn von § 114 ZPO. Für eine solche Annahme reicht es nicht aus, dass sich die Kindesmutter möglicherweise - entgegen ihrer Behauptung - vor Anrufung des Gerichts nicht an das Jugendamt gewandt hat.

6

Eine Rechtsverfolgung ist dann mutwillig, wenn ein verständiger, nicht hilfsbedürftiger Beteiligter seine Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde.

7

In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen eine Verpflichtung eines Beteiligten in Sorge- bzw. Umgangsrechtsverfahren besteht, vor der Anrufung des Familiengerichts das Jugendamt zum Zwecke der Vermittlung einzuschalten.

8

Teilweise wird vertreten, dass vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens stets versucht werden müsse, die Sache durch Inanspruchnahme der kompetenten Hilfe des Jugendamtes außergerichtlich zu klären. Aus der Regelung des § 156 FamFG ergebe sich, dass es das Ziel des Gesetzes sei, vorrangig einvernehmliche Regelungen und gütliche Einigungen zu erzielen. Dies könne durch Vermittlung des Jugendamtes bereits vorgerichtlich auf einer deutlich niedrigen Eskalationsstufe erfolgen (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 08. März 2011, Az. 10 WF 23/11, Quelle: juris; OLG Stuttgart, FamRZ 2009 S. 354). Dies gelte nur dann nicht, wenn die Einschaltung des Jugendamtes aussichtslos sei (vgl. OLG Saarbrücken, FamRZ 2010, S. 310).

9

Eine andere Auffassung ist der Ansicht, dass die sofortige Inanspruchnahme des Gerichtes ohne vorherige Einschaltung des Jugendamtes nicht mutwillig im Sinne der Verfahrenskostenhilfevorschriften sei, da den Eltern erlaubt sein müsse, die Erfolgsaussichten einer Vermittlung durch das Jugendamt selbst einzuschätzen. Im Übrigen gebe es keinen Erfahrungssatz dahingehend, dass eine bemittelte Partei vorher grundsätzlich eine außergerichtliche Streitschlichtung versuchen werde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 03. März 2011, Az. 8 WF 34/11, Quelle: juris; OLG München, FamRZ 2008, S. 1089).

10

Im Hinblick auf die Subsidiarität und den Sozialhilfecharakter der Verfahrenskostenhilfe vertritt der Senat grundsätzlich die Auffassung, dass dem Hilfsbedürftigen zunächst abzuverlangen ist, dass er die ihm kostenfreien Angebote zur Erreichung seines Ziels wenigstens versuchsweise wahrgenommen hat, bevor er gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt. Eine solche Verpflichtung kann aber nur angenommen werden, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Vermittlungsbemühungen des Jugendamtes in einer angemessenen Zeit zum angestrebten Erfolg geführt hätten (so bereits OLG Koblenz, FamRZ 2009, 1230; OLG Schleswig, OLGR, 2008, 107; OLG Schleswig, FamRZ 2011, 188).

11

Zwar sind die Eltern in der praktischen Gestaltung der elterlichen Sorge grundsätzlich frei, eine rechtlich verbindliche Sorgeregelungen, wie sie hier von der Antragstellerin in Form der Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge angestrebt wird, setzt jedoch eine Entscheidung des Familiengerichts voraus.

12

Ein verständiger, das Für und Wider der Rechtsverfolgung abwägender Beteiligter wird nur dann den Weg über die Vermittlung durch das Jugendamt wählen, wenn hierfür überwiegende Erfolgsaussichten bestehen. Wenn aufgrund der objektiven Umstände die Erfolgsaussichten der Zielerreichung gering oder mit Blick auf die Gesetzeslage - wie vorliegend - sogar ausgeschlossen sind, wird auch ein verständiger Beteiligter sogleich um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen. Denn bestehen keine Erfolgsaussichten für eine gütliche Einigung über das Jugendamt betreffend das angestrebte Ziel, würde diese Verfahrensweise aus der Sicht eines verständigen bemittelten Beteiligten lediglich eine Zeitverzögerung darstellen.

13

Nach erklärter Bereitschaft des Antragsgegners, einer Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter zuzustimmen, war es nur folgerichtig, einen entsprechenden Antrag bei Gericht anhängig zu machen. Die Antragstellerin muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass sie sich vorab an das Jugendamt hätte wenden müssen, um zumindest eine Vollmachtslösung anzustreben. Dies wäre mit dem verfassungsrechtlich geschützten Justizgewährungsanspruch nicht zu vereinbaren.

14

Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO; Nr. 1912 FamGKG.


Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts, Familiengericht, Biberach vom 13.02.2008

abgeändert.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug ohne Anordnung einer Ratenzahlung

bewilligt.

Ihm wird Rechtsanwältin ..., ..., beigeordnet.

Eine Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird nicht erhoben; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

 
I.
Der 15-jährige Antragsteller ist der Sohn der Antragsgegnerin und lebt bei seinem Vater, dem geschiedenen Ehemann der Mutter, die wieder verheiratet ist. Der Antragsteller ist als Folge spastischer Lähmungen schwer behindert (Behinderungsgrad 90 %). Er möchte regelmäßigen Wochenend- und Ferienumgang mit seiner Mutter, die im 200 km entfernten ... lebt und vollschichtig erwerbstätig ist.
Ohne Einschaltung des Jugendamtes beantragte das Kind folgenden Umgang:
14-tägig ab Freitag 18 h bis Sonntag 18 h,
jeweils am 2. Feiertag von Weihnachten, Ostern, Pfingsten von 9 h bis 18 h
das erste Ferienwoche in den Weihnachts-, Oster- und Pfingstferien
        
2 Wochen in den Sommerferien
        
Ausfallsregelung für den Krankheitsfall.
        
Die Mutter sieht keine Notwendigkeit für eine gerichtliche Umgangsregelung. Sie besuche das Kind regelmäßig, könne allerdings wegen der weiten Entfernung, der damit verbundenen Kosten und ihrer vollschichtigen Erwerbstätigkeit keinen Wochenendumgang wahrnehmen. Außerdem müsse sie sich um ihre krebskranke Mutter kümmern.
Durch Beschluss vom 13.2.2008 lehnte das Familiengericht den Antrag des Kindes auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen Mutwilligkeit ab. Es liege kein Regelungsinteresse vor, da der Umgang regelmäßig stattfinde. Zudem sei der Antragsteller verpflichtet gewesen, vor Einleitung des Umgangsverfahrens die Vermittlung durch das Jugendamt in Anspruch zu nehmen.
Der Antragsteller legte hiergegen sofortige Beschwerde ein und zahlte 50 EUR als Vorschuss. Schon 2006 habe das Jugendamt vermittelt. Die damals erzielte Regelung sei von der Mutter nie eingehalten worden.
In der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2008 einigten sich die Eltern auf die Regelung eines Ferienumgangs für 2008.
II.
Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den ihm die beantragte Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts Biberach vom 13.02.08 hat Erfolg.
Der Umgang war bisher nicht verbindlich geregelt und hat in der Vergangenheit teilweise unregelmäßig stattgefunden. Das Anliegen des Antragstellers ist daher gerechtfertigt.
10 
Ein Regelungsbedürfnis entfällt auch nicht als Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, nach der ein Umgang mit dem Kind, der nur mit Zwangsmitteln gegen seinen umgangsunwilligen Elternteil durchgesetzt werden kann, in der Regel nicht dem Kindeswohl dient und daher der durch die Zwangsmittelandrohung bewirkte Eingriff in das Grundrecht des Elternteils auf Schutz der Persönlichkeit nicht gerechtfertigt ist, sofern nicht hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sind, die darauf schließen lassen, dass ein erzwungener Umgang dem Kindeswohl dienen wird (vgl. BVerfG FamRZ 2008, 845-853). Die Einleitung eines Umgangsverfahrens durch das Kind wegen der Umgangspflicht der Mutter greift als solche noch nicht in deren Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein. Erst eine zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht oder deren Androhung ist - so der Bundesgerichtshof - geeignet, in unzulässiger Weise in die verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit der Antragsgegnerin einzugreifen (vgl. BGH FamRZ 2008, 1334 f.)
11 
Die weitere Frage, ob die Verweigerung der Prozesskostenhilfe auf eine unterbliebene Beratung durch das Jugendamt gestützt werden kann, ist umstritten. Nach einer Auffassung kann ein Prozesskostenhilfegesuch für ein gerichtliches Umgangsrechtsverfahren mutwillig sein, wenn der Antragsteller nicht zuvor versucht hat, das erstrebte Umgangsrecht ohne Inanspruchnahme des Gerichtes mit Hilfe des Jugendamtes zu regeln. Es sei nicht hinzunehmen, dass Einigungsversuche über die Prozesskostenhilfe als besondere Form der Sozialhilfe auf Kosten der Allgemeinheit auf das Familiengericht verlagert werden (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss vom 4.10.07. Az. 15 WF 261/07, OLGR Schleswig 2008, 107-108; Brandenburgisches Oberlandesgericht FamRZ 2003, 1760; OLG Düsseldorf, FamRZ 1998, 758).
12 
Nach einer anderen Ansicht ist es nicht mutwillig im Sinne des § 114 ZPO, wenn ein Elternteil zur Regelung des Umgangs gem. § 1684 BGB das Familiengericht anruft, ohne vorher Beratung und Hilfe des Jugendamtes in Anspruch genommen zu haben. Es gebe keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bemittelte Partei regelmäßig die außergerichtliche Streitschlichtung suchen werde (vgl. OLG Hamm FamRZ 2007, 1337; OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 1115-1116).
13 
Der Senat vertritt die erstgenannte Ansicht. Es ist auf das Verhalten einer vernünftigen Partei abzustellen, die ihren Prozess selbst finanzieren muss.
14 
Ein solche Partei wird normalerweise zuerst die ihr eröffneten Möglichkeiten einer kostenlosen Streitbeilegung nutzen, bevor sie das Gericht anruft mit der Gefahr, die Kosten aus einem Streitwert von 3.000 EUR selbst tragen zu müssen.
15 
Dass die Nutzung außergerichtlicher Vermittlungsmöglichkeiten auch dem Willen des Gesetzgebers entspricht, zeigt die Einführung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens durch § 15a EGZPO iVm. den Schlichtungsgesetzen der Länder. Zudem kann von den Parteien, die mit Mitteln der Sozialhilfe prozessieren wollen, eine Mitwirkung dahingehend erwartet werden, die entstehenden Kosten niedrig zu halten, sofern diese Mitwirkung nur mit Unbequemlichkeiten verbunden ist. Das Land Baden-Württemberg hat 2003 einen Nettoaufwand von fast 57 Mio. EUR für die Prozesskostenhilfe tragen müssen, von denen allein 70 % auf Familiensachen vor den Amtsgerichten entfielen.
16 
Der vorliegende Fall bietet nach dem inzwischen präzisierten Vortrag des Antragstellers die Besonderheit, dass sich die Eltern 2006 mit Unterstützung des Jugendamts auf eine Umgangsregelung geeinigt haben, die in der Folgezeit von der Mutter nicht eingehalten wurde. Vor diesem Hintergrund darf der Antragsteller ohne erneute Beratung durch das Jugendamt direkt eine gerichtliche Regelung beantragen, weshalb ihm - die Bedürftigkeit liegt vor - Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist.

Tenor

Der Verfahrenskostenhilfe versagende Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meldorf vom 28. August 2013 wird wie folgt geändert:

Der Antragstellerin wird für ihren Antrag gemäß Schriftsatz vom 16. Mai 2013 Verfahrenskostenhilfe bewilligt.

Ihr wird Rechtsanwalt ….beigeordnet.

Eine Ratenzahlungsverpflichtung wird nicht angeordnet.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde (§ 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) hat auch in der Sache Erfolg.

2

Einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten des Verfahrens nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, ist auf Antrag Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wenn die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint (§ 76 Abs. 1FamFG i.V.m. § 114 ZPO).

3

Die Voraussetzungen sind hier erfüllt.

4

Das Verlangen der Antragstellerin (Kindesmutter), die elterliche Sorge betreffend die Kinder ..., geb….1999 und … 1996, gerichtlich zu regeln, bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Bereits vor Antragseinreichung hatte die jetzige Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners auf ein Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin mit Schreiben vom 13. Mai 2013 mitgeteilt, dass der Antragsgegner aus Kostengründen der Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter zustimme. Nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB hat das Gericht dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung der elterlichen Sorge stattzugeben, wenn der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, dass das Kind das 14. Lebensjahr vollendet hat und der Übertragung widerspricht. Letzteres ist vorliegend nicht Fall. Die Kindesmutter hat unbestritten vorgetragen, dass die Kinder die Übertragung der elterlichen Sorge - wie von ihr beantragt - wünschen.

5

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch nicht mutwillig im Sinn von § 114 ZPO. Für eine solche Annahme reicht es nicht aus, dass sich die Kindesmutter möglicherweise - entgegen ihrer Behauptung - vor Anrufung des Gerichts nicht an das Jugendamt gewandt hat.

6

Eine Rechtsverfolgung ist dann mutwillig, wenn ein verständiger, nicht hilfsbedürftiger Beteiligter seine Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde.

7

In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen eine Verpflichtung eines Beteiligten in Sorge- bzw. Umgangsrechtsverfahren besteht, vor der Anrufung des Familiengerichts das Jugendamt zum Zwecke der Vermittlung einzuschalten.

8

Teilweise wird vertreten, dass vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens stets versucht werden müsse, die Sache durch Inanspruchnahme der kompetenten Hilfe des Jugendamtes außergerichtlich zu klären. Aus der Regelung des § 156 FamFG ergebe sich, dass es das Ziel des Gesetzes sei, vorrangig einvernehmliche Regelungen und gütliche Einigungen zu erzielen. Dies könne durch Vermittlung des Jugendamtes bereits vorgerichtlich auf einer deutlich niedrigen Eskalationsstufe erfolgen (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 08. März 2011, Az. 10 WF 23/11, Quelle: juris; OLG Stuttgart, FamRZ 2009 S. 354). Dies gelte nur dann nicht, wenn die Einschaltung des Jugendamtes aussichtslos sei (vgl. OLG Saarbrücken, FamRZ 2010, S. 310).

9

Eine andere Auffassung ist der Ansicht, dass die sofortige Inanspruchnahme des Gerichtes ohne vorherige Einschaltung des Jugendamtes nicht mutwillig im Sinne der Verfahrenskostenhilfevorschriften sei, da den Eltern erlaubt sein müsse, die Erfolgsaussichten einer Vermittlung durch das Jugendamt selbst einzuschätzen. Im Übrigen gebe es keinen Erfahrungssatz dahingehend, dass eine bemittelte Partei vorher grundsätzlich eine außergerichtliche Streitschlichtung versuchen werde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 03. März 2011, Az. 8 WF 34/11, Quelle: juris; OLG München, FamRZ 2008, S. 1089).

10

Im Hinblick auf die Subsidiarität und den Sozialhilfecharakter der Verfahrenskostenhilfe vertritt der Senat grundsätzlich die Auffassung, dass dem Hilfsbedürftigen zunächst abzuverlangen ist, dass er die ihm kostenfreien Angebote zur Erreichung seines Ziels wenigstens versuchsweise wahrgenommen hat, bevor er gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt. Eine solche Verpflichtung kann aber nur angenommen werden, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Vermittlungsbemühungen des Jugendamtes in einer angemessenen Zeit zum angestrebten Erfolg geführt hätten (so bereits OLG Koblenz, FamRZ 2009, 1230; OLG Schleswig, OLGR, 2008, 107; OLG Schleswig, FamRZ 2011, 188).

11

Zwar sind die Eltern in der praktischen Gestaltung der elterlichen Sorge grundsätzlich frei, eine rechtlich verbindliche Sorgeregelungen, wie sie hier von der Antragstellerin in Form der Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge angestrebt wird, setzt jedoch eine Entscheidung des Familiengerichts voraus.

12

Ein verständiger, das Für und Wider der Rechtsverfolgung abwägender Beteiligter wird nur dann den Weg über die Vermittlung durch das Jugendamt wählen, wenn hierfür überwiegende Erfolgsaussichten bestehen. Wenn aufgrund der objektiven Umstände die Erfolgsaussichten der Zielerreichung gering oder mit Blick auf die Gesetzeslage - wie vorliegend - sogar ausgeschlossen sind, wird auch ein verständiger Beteiligter sogleich um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen. Denn bestehen keine Erfolgsaussichten für eine gütliche Einigung über das Jugendamt betreffend das angestrebte Ziel, würde diese Verfahrensweise aus der Sicht eines verständigen bemittelten Beteiligten lediglich eine Zeitverzögerung darstellen.

13

Nach erklärter Bereitschaft des Antragsgegners, einer Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter zuzustimmen, war es nur folgerichtig, einen entsprechenden Antrag bei Gericht anhängig zu machen. Die Antragstellerin muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass sie sich vorab an das Jugendamt hätte wenden müssen, um zumindest eine Vollmachtslösung anzustreben. Dies wäre mit dem verfassungsrechtlich geschützten Justizgewährungsanspruch nicht zu vereinbaren.

14

Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO; Nr. 1912 FamGKG.


(1) Die Urkundsperson beim Jugendamt ist befugt,

1.
die Erklärung, durch die die Vaterschaft anerkannt oder die Anerkennung widerrufen wird, die Zustimmungserklärung der Mutter sowie die etwa erforderliche Zustimmung des Mannes, der im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, des Kindes, des Jugendlichen oder eines gesetzlichen Vertreters zu einer solchen Erklärung (Erklärungen über die Anerkennung der Vaterschaft) zu beurkunden,
2.
die Erklärung, durch die die Mutterschaft anerkannt wird, sowie die etwa erforderliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters der Mutter zu beurkunden (§ 44 Absatz 2 des Personenstandsgesetzes),
3.
die Verpflichtung zur Erfüllung von Unterhaltsansprüchen eines Abkömmlings oder seines gesetzlichen Rechtsnachfolgers zu beurkunden, sofern der Abkömmling zum Zeitpunkt der Beurkundung das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat,
4.
die Verpflichtung zur Erfüllung von Ansprüchen auf Unterhalt (§ 1615l des Bürgerlichen Gesetzbuchs), auch des gesetzlichen Rechtsnachfolgers, zu beurkunden,
5.
die Bereiterklärung der Adoptionsbewerber zur Annahme eines ihnen zur internationalen Adoption vorgeschlagenen Kindes (§ 7 Absatz 1 des Adoptionsübereinkommens-Ausführungsgesetzes) zu beurkunden,
6.
den Widerruf der Einwilligung des Kindes in die Annahme als Kind (§ 1746 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) zu beurkunden,
7.
die Erklärung, durch die der Vater auf die Übertragung der Sorge verzichtet (§ 1747 Absatz 3 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), zu beurkunden,
8.
die Sorgeerklärungen (§ 1626a Absatz 1 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) sowie die etwa erforderliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters eines beschränkt geschäftsfähigen Elternteils (§ 1626c Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) zu beurkunden,
9.
eine Erklärung des auf Unterhalt in Anspruch genommenen Elternteils nach § 252 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit aufzunehmen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
Die Zuständigkeit der Notare, anderer Urkundspersonen oder sonstiger Stellen für öffentliche Beurkundungen bleibt unberührt.

(2) Die Urkundsperson soll eine Beurkundung nicht vornehmen, wenn ihr in der betreffenden Angelegenheit die Vertretung eines Beteiligten obliegt.

(3) Das Jugendamt hat geeignete Beamte und Angestellte zur Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 1 zu ermächtigen. Die Länder können Näheres hinsichtlich der fachlichen Anforderungen an diese Personen regeln.

(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(2) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Absatz 3 der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(3) Ruht die elterliche Sorge der Mutter nach § 1751 Absatz 1 Satz 1, so gilt der Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Absatz 2 als Antrag nach Absatz 2. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.

(1) Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben, wird dem Beteiligten ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet.

(2) Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben, wird dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.

(3) Ein nicht in dem Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn hierdurch besondere Kosten nicht entstehen.

(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Verfahrensbevollmächtigten beigeordnet werden.

(5) Findet der Beteiligte keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihm auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.

(1) Auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.

(2) Ein Beschluss, der im Verfahrenskostenhilfeverfahren ergeht, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572, 127 Abs. 2 bis 4 der Zivilprozessordnung anfechtbar.