Oberlandesgericht Hamm Urteil, 22. Sept. 1999 - 13 U 54/99

Gericht
Tenor
1
Tatbestand
2Die Klägerin begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 21. August 1998 in D ereignete. Bei diesem Unfall wurde ihr Pkw beschädigt. Die Einstandspflicht der Beklagten ist unstreitig. Die Klägerin verlangt Ersatz auf Neuwagenbasis. Die Beklagte zu 2) hat auf Reparaturkostenbasis abgerechnet und 19.313,24 DM gezahlt.
3Bei dem beschädigten Fahrzeug handelte es sich um einen Pkw SUBARU Impreza 2,0 GT, 5-türig, 1994 ccm, 155 kw, Farbe: calypsorot, den die Klägerin am 2. Juli 1998 als Neufahrzeug für 51.000 DM gekauft hatte. Die Erstzulassung erfolgte am 15. Juli 1998. Zum Unfallzeitpunkt hatte das Fahrzeug eine Laufleistung von mindestens 1.820 km.
4Der Sachverständige L hat in seinem Schadensgutachten vom 27. August 1998 die Reparaturkosten auf 15.773,24 DM, die Wertminderung auf 3.500 DM und den Wiederbeschaffungswert auf 47.500 DM geschätzt. In einem Nachtragsgutachten vom 27. Oktober 1998 hat der Sachverständige ausgeführt, daß zusätzlich das Bodenblech gerichtet werden müsse. Im Hinblick darauf hat er die Höhe der Reparaturkosten auf 15.863,72 DM korrigiert. Sodann heißt es in seinem Gutachten wörtlich:
5"Es verbleibt das Risiko weiterer Beschädigungen an der Hinterachse; ein Verzug von Hinterachsträger, Achsgetriebeträger ist möglich, Biegungen von Querlenkern, Schubstreben sind nicht mit Sicherheit auszuschließen. Es könnten sich hieraus Kosten ergeben von abgeschätzt in guter Näherung zwischen inkl. MWSt. DM 470,00 und 920,00 und maximal DM 3.290,00.
6Anmerkung:
7Der Anstoß war stark, der Schaden ist auch aus technischer Sicht erheblich, die Instandsetzung bringt einen deutlichen Eingriff in das Stabilitätsgefüge des Fahrzeuges."
8Die Klägerin kaufte am 1. September 1998 als Ersatz einen Neuwagen Typ SUBARU Impreza 2,0 GT Turbo, 1994 ccm, 160 kw, Farbe San Remo, Perl-Effect-Lackierung (Aufpreis: 491,38 DM netto), mit elektrischem Schiebedach (Aufpreis 862,07 DM netto), zum Preis von 52.670 DM brutto.
9In erster Instanz hat die Klägerin die Differenz zwischen dem Kaufpreis des Neufahrzeugs (zuzüglich einer Pauschale von 40 DM) und der Ersatzleistung der Beklagten Zug um Zug gegen Übergabe des beschädigten Fahrzeugs verlangt. Sie hat den Unterschiedsbetrag mit 33.396,76 DM errechnet und behauptet, der beschädigte Pkw sei serienmäßig mit einem Schiebedach ausgestattet gewesen.
10Nach Erlaß des angefochtenen Urteils, mit dem das Landgericht die Klage abgewiesen hat, hat die Klägerin den beschädigten Pkw unrepariert für 23.000 DM verkauft. Mit ihrer Berufung verlangt sie nunmehr noch 10.396,76 DM, nämlich den Kaufpreis für das Ersatzfahrzeug (52.670 DM) abzüglich bezahlter Reparaturkosten (15.773,24 DM), ersetzter Wertminderung (3.500 DM) und des Erlöses aus der Weiterveräußerung (23.000 DM). Im übrigen erklärt sie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
11Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
12Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen L. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe
14Die zulässige Berufung hat nur in sehr geringem Umfang Erfolg. Die Klage ist überwiegend unbegründet.
15I.
16Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf weiteren Schadensersatz gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 3 Nr. 1 PflVersG, 421 BGB nur in Höhe von 90,48 DM.
171.
18Die Ersatzpflicht der Beklagten für den der Klägerin entstandenen Schaden ist dem Grunde nach unstreitig.
192.
20Die Beklagte zu 2) hat der Klägerin die von dem Sachverständigen L in seinem (ersten) Gutachten mit 15.773,24 DM bezifferten Reparaturkosten, die von ihm auf 3.500 DM geschätzte Wertminderung sowie pauschale Kosten von 40 DM erstattet. Damit ist der Schadensersatzanspruch der Klägerin bis auf einen Restbetrag von 90,48 DM erfüllt, § 362 BGB.
21Wird ein Kraftfahrzeug beschädigt, so stehen dem Geschädigten zumeist zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung: Er kann den Unfallwagen reparieren lassen oder ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug anschaffen. Dabei hat er grundsätzlich diejenige der zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten zu wählen, die den geringeren Aufwand verursacht, denn nur der für diese Art der Schadensbehebung notwendige Geldbetrag ist im allgemeinen im Sinne von § 249 S. 2 BGB zur Herstellung erforderlich (OLG Hamm, DAR 1994, 400 = MDR 1995, 153 = VersR 1995, 930).
22Diesem Wirtschaftlichkeitspostulat entsprechend kann der Geschädigte eine Abrechnung auf Neuwagenbasis nach überwiegender Rechtsprechung grundsätzlich nur dann verlangen, wenn sein Fahrzeug höchstens 1.000 km gelaufen ist. Bei einer höheren Laufleistung ist im allgemeinen eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis vorzunehmen (vgl. BGH NJW 1982, 433). Von diesem Grundsatz sind Ausnahmen nur in engen Grenzen zulässig. Bei einer Fahrleistung von 3.000 km oder einer Gebrauchsdauer von etwa einem Monat ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofes eine Abrechnung auf Neuwagenbasis nicht mehr gerechtfertigt (BGH, aaO). Sie scheidet mithin - bei strenger Anwendung dieses Maßstabs - hier schon deshalb aus, weil das Fahrzeug der Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls eine Nutzungsdauer von mehr als einem Monat hatte. Jenseits dieser Grenze kann sich eine Unzumutbarkeit der Weiterbenutzung durch den Geschädigten allenfalls aus konkreten technischen oder ästhetischen Mängeln ergeben, die durch die Reparatur nicht beseitigt werden können. In solchen Fällen ist der merkantile Minderwert einschließlich des technischen so hoch anzusetzen, daß sich eine ins Gewicht fallende Differenz der verschiedenen Berechnungsarten nicht mehr ergibt (BGH, aaO).
23Vernachlässigt man im Streitfall die - möglicherweise als geringfügig einzustufende - Überschreitung der Grenze der Gebrauchsdauer, kommt der Laufleistung entscheidende Bedeutung zu. Diese lag hier bei mindestens 1.820 km. Bei einer Fahrleistung zwischen 1.000 und 3.000 km kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes beim Vorliegen besonderer Umstände eine Abrechnung auf Neuwagenbasis in Betracht kommen. Voraussetzung dafür ist, daß bei objektiver Beurteilung der frühere Zustand durch die Reparatur auch nicht annähernd wiederhergestellt werden kann. Dies ist insbesondere der Fall, wenn entweder
24- Teile beschädigt worden sind, die für die Sicherheit des
25Fahrzeugs von Bedeutung sind und trotz Reparatur ein
26Unsicherheitsfaktor bleibt;
27- nach durchgeführter Reparatur erhebliche Schönheitsfehler
28am Pkw zurückbleiben (verzogene oder nicht mehr
29schließende Türen bzw. Kofferraum- oder Motorraumdeckel,
30sichtbare Schweißnähte, Verformungen bestimmter
31Fahrzeugteile usw.) oder
32- eine Beschädigung stattgefunden hat, welche die
33Garantieansprüche des Eigentümers zumindest beweismäßig
34gefährden kann und der Haftpflichtversicherer des
35Schädigers nicht alsbald nach dem Unfall verbindlich
36seine Einstandspflicht für einen solchen Fall anerkennt
37(BGH, aaO, S. 433 f.).
38Eine dieser Voraussetzungen ist hier nicht erfüllt. Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß eine ordnungsgemäße Reparatur dazu führt, daß keine nennenswerten ästhetischen Mängel verbleiben und daß die Sicherheit des Fahrzeugs nicht beeinträchtigt ist. Der Sachverständige L hat im Senatstermin sein im Auftrag der Klägerin erstelltes Schadensgutachten erläutert und ausgeführt, daß das Fahrzeug nach einer fachgerechten Reparatur optisch wieder in Ordnung sei, ein technischer Minderwert bei sorgfältiger Bearbeitung nicht verbleibe und Sicherheitsrisiken nicht bestünden. Wenn er in seinem schriftlichen Gutachten darauf hingewiesen habe, daß die Hinterachse geprüft werden müsse, sei das so zu verstehen, daß insoweit zum Zeitpunkt der Besichtigung ein Risiko vorgelegen habe. Dieses entfalle aber nach einer abschließenden Vermessung des Fahrzeugs, denn wenn diese ergebe, daß z.B. die Hinterachse außerhalb der Norm sei, werde der Fehler in jedem Fall behoben. Defekte Teile würden gegebenenfalls ausgetauscht.
39Verbleiben bei ordnungsgemäßer Reparatur weder nennenswerte ästhetische Mängel noch Sicherheitsbeeinträchtigungen, kommt eine Abrechnung auf Neuwagenbasis nicht in Betracht. Wie der 6. Zivilsenat mit Urteil vom 11. April 1994 (OLG Hamm, 6 O 247/93, aaO) entschieden hat, nötigt die gegenüber früher deutlich gestiegene Lebensdauer heutiger Kraftfahrzeuge nicht zu einer erweiterten Zulassung der Neuwertentschädigung. Dem schließt sich der erkennende Senat an.
4041
3.
42Ist auf Reparaturkostenbasis abzurechnen, hat die Klägerin Abspruch auf Ersatz der im Ergänzungsgutachten aufgeführten Mehraufwendungen von 90,48 DM. Daß weitere Kosten erforderlich sind, ist nicht bewiesen. Die bloße Möglichkeit begründet keine Ersatzpflicht.
43II.
44Der Zinsanspruch rechtfertigt sich gem. §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
45III.
46Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 91 a Abs.1, 92 Abs. 2 ZPO. Der Antrag der Klägerin, den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise für erledigt zu erklären, hat keinen Erfolg, da die Klage insoweit von Anfang an unbegründet gewesen ist.
47IV.
48Die Voraussetzungen für die - beantragte - Zulassung der Revision (§ 546 Abs. 1 S. 2 ZPO) sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Das Urteil weicht auch nicht von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ab.

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(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.
(3) Benutzt jemand das Kraftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters, so ist er anstelle des Halters zum Ersatz des Schadens verpflichtet; daneben bleibt der Halter zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn die Benutzung des Kraftfahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Benutzer vom Fahrzeughalter für den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt ist oder wenn ihm das Kraftfahrzeug vom Halter überlassen worden ist.
(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.
(2) Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so finden die Vorschriften des § 185 Anwendung.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
Anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung kann der Gläubiger Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte, es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.