Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 09. Dez. 2013 - VI-4 Kart 3/10 (OWi)
Tenor
Auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft vom 13. November 2013 wird gemäß §§ 46 Abs. 1, 91 OWiG, §§ 33 Abs. 4 S. 1, 111 d Abs. 1 S. 2, 111 e Abs. 1 S. 1 StPO, § 82 a GWB der
dingliche Arrest
in Höhe von 43.000.000 Euro
angeordnet in das Vermögen der Nebenbetroffenen U. GmbH
Durch Hinterlegung eines Geldbetrages in gleicher Höhe oder Vorlage einer schriftlichen, unwiderruflichen, unbedingten und unbefristeten Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts wird die Vollziehung des Arrestes gehemmt und die Nebenbetroffene berechtigt, die Aufhebung des vollzogenen Arrestes zu beantragen (§§ 111 d Abs. 2 StPO i.V.m. §§ 108 Abs. 1, 923, 934 ZPO).
1
G r ü n d e
2I.
3Das Bundeskartellamt hat mit Bescheid vom 14.12.2007 gegen die Nebenbetroffene wegen Kartellordnungswidrigkeiten eine Geldbuße in Höhe von 39,77 Mio. Euro festgesetzt. Dagegen hat die Nebenbetroffene Einspruch eingelegt. Der Senat hat im gerichtlichen Bußgeldverfahren umfangreichen Beweis erhoben. Durch Urteil vom 15.04.2013 hat er gegen die Nebenbetroffene ein Bußgeld in Höhe von 43 Mio. Euro verhängt. Dagegen hat die Nebenbetroffene Rechtsbeschwerde eingelegt. Das schriftliche Urteil ist noch nicht zugestellt.
4Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt,
5ohne vorherige Anhörung der Nebenbetroffenen zur Sicherung des staatlichen Anspruchs auf Vollstreckung des durch Urteil vom 15.04.2013 festgesetzten Bußgeldes den dinglichen Arrest in das Vermögen der Nebenbetroffenen in Höhe von 43 Mio. Euro anzuordnen,
6ferner zu beschließen, dass durch Hinterlegung eines Geldbetrages oder durch Erbringung einer unbefristeten selbstschuldnerischen Bankbürgschaft mit einem Verzicht auf die Einrede der Vorausklage nach § 771 BGB in Höhe der Arrestsumme die Vollziehung des Arrestes gehemmt und die Nebenbetroffene berechtigt wird, die Aufhebung der Arrestvollziehung zu beantragen.
7II.
8Auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ist der dingliche Arrest über das Vermögen der Arrestschuldnerin anzuordnen (§ 111 d Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 OWiG).
9Der Arrestanspruch folgt aus dem am 15.04.2013 gegen die Nebenbetroffene ergangenen Urteil des Senats auf Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 43 Mio. Euro.
10Ein Arrestgrund im Sinne von § 917 Abs. 1 ZPO ist gegeben. Es ist zu besorgen, dass ohne die Verhängung des Arrests die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert würde.
11Die Nebenbetroffene ist wegen einer von ihren Leitungspersonen begangenen schwerwiegenden Kartellordnungswidrigkeit mit erheblichen Schäden für das Gemeinwohl zu einer hohen Geldbuße von 43 Mio. Euro verurteilt worden.
12Die im selben Verfahren zu hohen Bußen verurteilten T. GmbH und U2 GmbH haben an aufwändigen Vermögensverschiebungen und Umstrukturierungen teilgenommen, um eine Bußgeldhaftung insgesamt zu vermeiden. Es ist zu befürchten, dass die Nebenbetroffene nach Vorlage der schriftlichen Urteilsgründe ähnliche Maßnahmen ergreifen wird. Entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen in Gestalt der Gründung von Vorrats- und Mantelgesellschaften hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsbegründung aufgezeigt. Die insoweit angebahnte bzw. ermöglichte Verteilung des Vermögens auf verschiedene Unternehmen und Sparten des Konzerns deutet auf die Absicht zur Vornahme von Einzelrechtsübertragungen hin. Die Anbindung der Nebenbetroffenen an den weltweit operierenden U.-Konzern eröffnet insoweit zusätzliche Möglichkeiten. Dementsprechend drohen Vermögensverschiebungen in das Ausland. Hinzu kommt, dass die Verteidiger der Nebenbetroffenen im gerichtlichen Verfahren auf die schlechte wirtschaftliche Vermögens- und Finanzlage des Unternehmens hingewiesen haben, die sich durch eine Geldbuße noch unterhalb des ausgeurteilten Betrages mit einem Schlag weiter massiv verschlechtern würde.
13Die im Ermessen des Gerichts stehende Anordnung des Arrestes hält der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung stand. Das Sicherstellungsinteresse des Staates geht wegen der Schwere und Intensität der zu ahndenden Kartellordnungswidrigkeit der Eigentumsgarantie der von der Maßnahme Betroffenen vor.
14III.
15Die Anordnung des Arrestes ergeht ohne vorherige Anhörung der Nebenbetroffenen. Eine solche war untunlich (§ 33 Abs. 4 S. 1 StPO).
16Die Sache wird der Generalstaatsanwaltschaft zurückgesandt zur Zustellung und Weiterleitung an das für die Vollziehung zuständige Bundeskartellamt (§ 82 a GWB).
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(1) Für das Bußgeldverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsgesetzes.
(2) Die Verfolgungsbehörde hat, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, im Bußgeldverfahren dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten.
(3) Anstaltsunterbringung, Verhaftung und vorläufige Festnahme, Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen sowie Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, sind unzulässig. § 160 Abs. 3 Satz 2 der Strafprozeßordnung über die Gerichtshilfe ist nicht anzuwenden. Ein Klageerzwingungsverfahren findet nicht statt. Die Vorschriften über die Beteiligung des Verletzten am Verfahren und über das länderübergreifende staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister sind nicht anzuwenden; dies gilt nicht für § 406e der Strafprozeßordnung.
(4) § 81a Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung ist mit der Einschränkung anzuwenden, daß nur die Entnahme von Blutproben und andere geringfügige Eingriffe zulässig sind. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von § 81a Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist
- 1.
nach den §§ 24a und 24c des Straßenverkehrsgesetzes oder - 2.
nach § 7 Absatz 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes in Verbindung mit einer Vorschrift einer auf Grund des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes erlassenen Rechtsverordnung, sofern diese Vorschrift das Verhalten im Verkehr im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes regelt.
(4a) § 100j Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Strafprozessordnung, auch in Verbindung mit § 100j Absatz 2 der Strafprozessordnung, ist mit der Einschränkung anzuwenden, dass die Erhebung von Bestandsdaten nur zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zulässig ist, die gegenüber natürlichen Personen mit Geldbußen im Höchstmaß von mehr als fünfzehntausend Euro bedroht sind.
(5) Die Anordnung der Vorführung des Betroffenen und der Zeugen, die einer Ladung nicht nachkommen, bleibt dem Richter vorbehalten. Die Haft zur Erzwingung des Zeugnisses (§ 70 Abs. 2 der Strafprozessordnung) darf sechs Wochen nicht überschreiten.
(6) Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende kann von der Heranziehung der Jugendgerichtshilfe (§ 38 des Jugendgerichtsgesetzes) abgesehen werden, wenn ihre Mitwirkung für die sachgemäße Durchführung des Verfahrens entbehrlich ist.
(7) Im gerichtlichen Verfahren entscheiden beim Amtsgericht Abteilungen für Bußgeldsachen, beim Landgericht Kammern für Bußgeldsachen und beim Oberlandesgericht sowie beim Bundesgerichtshof Senate für Bußgeldsachen.
(8) Die Vorschriften zur Durchführung des § 191a Absatz 1 Satz 1 bis 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes im Bußgeldverfahren sind in der Rechtsverordnung nach § 191a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu bestimmen.
(1) In den Fällen der Bestellung einer prozessualen Sicherheit kann das Gericht nach freiem Ermessen bestimmen, in welcher Art und Höhe die Sicherheit zu leisten ist. Soweit das Gericht eine Bestimmung nicht getroffen hat und die Parteien ein anderes nicht vereinbart haben, ist die Sicherheitsleistung durch die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder durch Hinterlegung von Geld oder solchen Wertpapieren zu bewirken, die nach § 234 Abs. 1 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Sicherheitsleistung geeignet sind.
(2) Die Vorschriften des § 234 Abs. 2 und des § 235 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden.
Der Bürge kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange nicht der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat (Einrede der Vorausklage). Erhebt der Bürge die Einrede der Vorausklage, ist die Verjährung des Anspruchs des Gläubigers gegen den Bürgen gehemmt, bis der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat.
(1) Für das Bußgeldverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsgesetzes.
(2) Die Verfolgungsbehörde hat, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, im Bußgeldverfahren dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten.
(3) Anstaltsunterbringung, Verhaftung und vorläufige Festnahme, Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen sowie Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, sind unzulässig. § 160 Abs. 3 Satz 2 der Strafprozeßordnung über die Gerichtshilfe ist nicht anzuwenden. Ein Klageerzwingungsverfahren findet nicht statt. Die Vorschriften über die Beteiligung des Verletzten am Verfahren und über das länderübergreifende staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister sind nicht anzuwenden; dies gilt nicht für § 406e der Strafprozeßordnung.
(4) § 81a Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung ist mit der Einschränkung anzuwenden, daß nur die Entnahme von Blutproben und andere geringfügige Eingriffe zulässig sind. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von § 81a Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist
- 1.
nach den §§ 24a und 24c des Straßenverkehrsgesetzes oder - 2.
nach § 7 Absatz 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes in Verbindung mit einer Vorschrift einer auf Grund des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes erlassenen Rechtsverordnung, sofern diese Vorschrift das Verhalten im Verkehr im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes regelt.
(4a) § 100j Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Strafprozessordnung, auch in Verbindung mit § 100j Absatz 2 der Strafprozessordnung, ist mit der Einschränkung anzuwenden, dass die Erhebung von Bestandsdaten nur zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zulässig ist, die gegenüber natürlichen Personen mit Geldbußen im Höchstmaß von mehr als fünfzehntausend Euro bedroht sind.
(5) Die Anordnung der Vorführung des Betroffenen und der Zeugen, die einer Ladung nicht nachkommen, bleibt dem Richter vorbehalten. Die Haft zur Erzwingung des Zeugnisses (§ 70 Abs. 2 der Strafprozessordnung) darf sechs Wochen nicht überschreiten.
(6) Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende kann von der Heranziehung der Jugendgerichtshilfe (§ 38 des Jugendgerichtsgesetzes) abgesehen werden, wenn ihre Mitwirkung für die sachgemäße Durchführung des Verfahrens entbehrlich ist.
(7) Im gerichtlichen Verfahren entscheiden beim Amtsgericht Abteilungen für Bußgeldsachen, beim Landgericht Kammern für Bußgeldsachen und beim Oberlandesgericht sowie beim Bundesgerichtshof Senate für Bußgeldsachen.
(8) Die Vorschriften zur Durchführung des § 191a Absatz 1 Satz 1 bis 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes im Bußgeldverfahren sind in der Rechtsverordnung nach § 191a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu bestimmen.
(1) Der dingliche Arrest findet statt, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.
(2) Als ein zureichender Arrestgrund ist es anzusehen, wenn das Urteil im Ausland vollstreckt werden müsste und die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist. Eines Arrestgrundes bedarf es nicht, wenn der Arrest nur zur Sicherung der Zwangsvollstreckung in ein Schiff stattfindet.
(1) Eine Entscheidung des Gerichts, die im Laufe einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach Anhörung der Beteiligten erlassen.
(2) Eine Entscheidung des Gerichts, die außerhalb einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach schriftlicher oder mündlicher Erklärung der Staatsanwaltschaft erlassen.
(3) Bei einer in Absatz 2 bezeichneten Entscheidung ist ein anderer Beteiligter zu hören, bevor zu seinem Nachteil Tatsachen oder Beweisergebnisse, zu denen er noch nicht gehört worden ist, verwertet werden.
(4) Bei Anordnung der Untersuchungshaft, der Beschlagnahme oder anderer Maßnahmen ist Absatz 3 nicht anzuwenden, wenn die vorherige Anhörung den Zweck der Anordnung gefährden würde. Vorschriften, welche die Anhörung der Beteiligten besonders regeln, werden durch Absatz 3 nicht berührt.