Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 19. Feb. 2014 - II-8 UF 236/13
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 31.07.2013 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Vereinbarung der Beteiligten vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Villingen-Schwenningen vom 26.01.2011 (3 F 215/10) wird dahin abgeändert, dass der Antragsteller mit Wirkung ab dem 09.01.2013 an den Antragsgegner einen monatlichen Unterhalt von 353 € zu zahlen hat.
Der weitergehende Abänderungsantrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen der Antragsteller zu 90 % und der Antragsgegner zu 10 %.
Die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung wird angeordnet.
Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz: 5.226 €
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Antragsteller ist der Vater des Antragsgegners (…1986). Dieser ist behindert und steht unter der Betreuung seiner Mutter, bei der er auch wohnt; er ist in einer Behindertenwerkstatt tätig und erzielt dort ein monatliches Einkommen von ca. 249 €. Zudem bezieht der Antragsgegner nach wie vor Kindergeld von 184 € monatlich. Eine Leistungsfähigkeit der Mutter zur Zahlung von Barunterhalt ist nicht gegeben.
4Im Vorverfahren 3 F 215/10 haben sich die Beteiligten vor dem Amtsgericht in Villingen-Schwenningen am 26.01.2011 dahingehend verglichen, dass der Antragsteller an den Antragsgegner monatlichen Kindesunterhalt von (Tabellenbetrag Düsseldorfer Tabelle Einkommensgruppe 5 von 586 € - 184 € Kindergeld =) 402 € ab Februar 2011 zahlt; die damaligen Einkünfte des Antragsgegners bei der Behindertenwerkstatt in Höhe von ca. 161 € netto sind dabei nicht zur Bedarfsdeckung herangezogen worden. Die Frage möglicher Grundsicherungsleistungen an den Antragsgegner gem. SGB XII wurde im Vorverfahren nicht thematisiert.
5Im vorliegenden Abänderungsverfahren (der Antrag vom 16.11.2012 wurde dem Antragsgegner am 09.01.2013 zugestellt) begehrt der Antragsteller die Abänderung des Unterhalts auf 0 € ab November 2012. Er hatte zuvor mit Schreiben vom 31.10.2012 die Einstellung der Unterhaltszahlungen ab November 2012 angekündigt und dabei die Auffassung vertreten, dass der Antragsgegner wegen des Wegfalls des Unterhalts Grundsicherungsleistungen erhalten könne. Seit November 2012 leistet der Antragsteller seine Zahlungen i.Ü. unter Vorbehalt.
6Ein Antrag des Antragsgegners auf Grundsicherung vom 16.11.2012 wurde von der Stadt M. am 19.11.2012 abgelehnt, ein weiterer Antrag vom 08.02.2013 sodann am 13.02.2013. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Antragsgegners vom 22.02.2013 hat die Stadt am 03.04.2013 zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat daraufhin am 08.05.2013 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben (S 52 SO 240/13); dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
7Das Amtsgericht hat den Abänderungsantrag des Antragstellers, der nach seinem eigenen Vorbringen nunmehr in die Einkommensgruppe 6 der Düsseldorfer Tabelle einzuordnen ist, zurückgewiesen, da es an maßgeblichen Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse fehle, die eine Störung der Geschäftsgrundlage bedeuten könnten. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen erstinstanzlichen Abänderungsantrag weiter: Das Eigeneinkommen des Antragsgegners sei im Vergleich zum Vorverfahren auf ca. 250 € gestiegen, und der Bezug des Kindergeldes sei zu berücksichtigen. Zudem bestehe die „gesicherte Erkenntnis“, dass der Antragsgegner Leistungen der Grundsicherung erhalten werde, sobald die Unterhaltszahlungen ausblieben.
8Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Er hat i. Ü. auf Vorschlag des Senats die Erklärung abgegeben, im Falle der rechtskräftigen Verurteilung der Stadt Mülheim an der Ruhr im sozialgerichtlichen Verfahren dem Antragsteller die entsprechenden ihm zufließenden Leistungen zu erstatten.
9II.
10Die Beschwerde des Antragstellers ist nur teilweise begründet.
11Der auf einen vollständigen Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung gerichtete Abänderungsantrag des Antragstellers hätte gemäß §§ 239 FamFG, 313 BGB Erfolg, wenn schwerwiegende Änderungen betreffend die Geschäftsgrundlage eingetreten wären; dies ist indes nur teilweise der Fall.
12Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann nicht davon ausgegangen werden, dass die „gesicherte Erkenntnis“ bestehe, dass der Antragsgegner Grundsicherungsleistungen erhalten werde. Die Stadt M. als Grundsicherungsträger hat dies ausdrücklich abgelehnt und den dagegen gerichteten Widerspruch des Antragsgegners zurückgewiesen. Ob das Sozialgericht im noch laufenden Verfahren zu einem abweichenden Ergebnis kommt, ist keinesfalls „gesichert“ zu erwarten.
13Der Antragsgegner war i.Ü. gem. § 19 Abs. 2 SGB XII zum Zeitpunkt der Vereinbarung vom 26.01.2011 grundsicherungsberechtigt; tatsächlich hatte der Antragsgegner bereits zuvor – bis Dezember 2009 – Grundsicherungsleistungen erhalten. Eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse iSd § 313 BGB liegt somit in diesem Zusammenhang nicht vor. Somit unterscheidet sich der vorliegende Fall von der Konstellation, mit der der BGH im Urteil vom 20.12.2006 (XII ZR 84/04 = FamRZ 2007, 1158 ff) befasst war; dort war bei Titulierung der Vorentscheidung am 12.12.2001 ein Anspruch auf Grundsicherung noch nicht gegeben – ein solcher besteht erst seit dem 01.01.2003 - und konnte mithin nicht Eingang in die Unterhaltsberechnung finden.
14Die Problematik des Falles besteht darin, dass die Frage der Bedarfsdeckung durch Grundsicherungsleistungen im Vorverfahren schlichtweg „übersehen“ wurde, so dass sich die Stadt M. bislang darauf berufen kann, dass mit dem dort titulierten Unterhalt ein eigenes Einkommen des Antragsgegners vorhanden ist; ob dies zu Recht erfolgt, wird im Verfahren vor dem Sozialgericht zu klären sein. Keinesfalls geht es an, dem Antragsgegner, der mit der entsprechenden Antragstellung seine unterhaltsrechtliche Obliegenheit gegenüber dem Antragsteller erfüllt hat, fiktiv Grundsicherungsleistungen zuzurechnen, wie es der Antragsteller erstrebt (vgl. Scholz in FamRZ 2007, 1161).
15Der Umstand, dass der Antragsteller seine Zahlungen ab November 2012 unter Vorbehalt erbringt, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Es handelt sich insoweit nicht um eine Änderung der Geschäftsgrundlage, denn der Antragsteller hätte diesen „Vorbehalt“ schon im Ausgangsverfahren – durch den Einwand vorrangiger Inanspruchnahme von SGB XII-Leistungen – geltend machen können. Im Übrigen geht es nicht an, dass der durch einen Zahlungstitel verpflichtete Unterhaltsschuldner sich dadurch einen Abänderungsgrund „verschafft“, dass er einseitig zu den von ihm zu leistenden Zahlungen einen Vorbehalt erklärt.
16Das Beschwerdevorbringen zur Berücksichtigung des Kindergeldes liegt neben der Sache, denn eine bedarfsdeckende Anrechnung des Kindergeldes in voller Höhe ist schon im Vergleich vom 26.01.2011 vorgenommen worden.
17Die Erhöhung der Bezüge aus der Tätigkeit in der Behindertenwerkstatt rechtfertigt es jedoch, die im Zuge des Vergleichsabschlusses vorgenommene Bewertung, dass diese als überobligatorisch anzusehen sind (dazu auch Wendl/Klinkhammer Unterhaltsrecht 8. Aufl. § 2 Rn. 534), jedenfalls hinsichtlich des „Mehrverdienstes“ zu korrigieren. Die Bewertung als „überobligatorisch“ wird allgemein damit begründet, dass Einkünfte in der Behindertenwerkstatt meist nur gering sind und allenfalls zur teilweisen Deckung des Taschengeldes herangezogen werden können. Lässt sich diese Wertung – wie im Vergleich vom 26.01.2011 geschehen – bei einem Betrag von 161 € noch nachvollziehen, so erscheint es doch bei einem Einkommen von knapp 250 € geboten, dieses nicht mehr als gering zu bewerten (Eschenbruch/Schwonberg Unterhaltsprozess 6. Aufl. Kap. 2 Rn. 882); in diesem Zusammenhang ist beispielhaft darauf zu verweisen, dass sich der dem Berechtigten zustehende (dem Taschengeld entsprechende) Barbetrag gem.§ 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII auf monatlich ca. 100 € beläuft.
18Der Differenzbetrag zwischen dem im Vorverfahren von den Beteiligten als überobligatorisch bewerteten Einkommen und den jetzigen Bezügen beläuft sich auf(249 € - 161 € =) 88 € monatlich. Demgegenüber ist zu berücksichtigen, dass sich infolge der gestiegenen Einkünfte des Antragstellers der Unterhaltsanspruch des Antragsgegners von 402 € auf 441 €, mithin um 39 € monatlich erhöht hat, so dass die Differenz zur Ausgangsentscheidung (88 € - 39 €=) 49 € beträgt.
19In diesem Umfang hat die Beschwerde für die Zeit ab dem 09.01.2013 Erfolg, so dass sich der vom Antragsteller zu zahlende monatliche Unterhalt auf (402 € - 49 € =) 353 € beläuft; die Reduzierung der Unterhaltsverpflichtung um ca. 12 % ist als wesentlich iSd § 313 BGB zu bewerten (vgl. Wendl/Schmitz aao § 10 Rn. 196; Prütting/Helms/ Bömelburg FamFG 3. Aufl. § 238 Rn. 80). Im Hinblick auf § 4 der Vereinbarung vom 26.01.2011 ist die Abänderung i.Ü. erst für die Zeit ab Rechtshängigkeit des Abänderungsantrags, die am 09.01.2013 eingetreten ist, vorzunehmen.
20Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 116 Abs. 3, 243 FamFG.
21Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen; eine Rechtsmittelbelehrung ist daher nicht erforderlich.
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(1) Enthält ein Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung oder eine vollstreckbare Urkunde eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil die Abänderung beantragen. Der Antrag ist zulässig, sofern der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die die Abänderung rechtfertigen.
(2) Die weiteren Voraussetzungen und der Umfang der Abänderung richten sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts.
(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.
(2) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches ist Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor.
(3) Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.
(4) Lebt eine Person bei ihren Eltern oder einem Elternteil und ist sie schwanger oder betreut ihr leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, werden Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils nicht berücksichtigt.
(5) Ist den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen im Sinne der Absätze 1 und 2 möglich oder im Sinne des Absatzes 3 zuzumuten und sind Leistungen erbracht worden, haben sie dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen in diesem Umfang zu ersetzen. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.
(6) Der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld steht, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger begehrt Abänderung eines Urteils, nach dem er der Beklagten , seiner Tochter, monatlichen Unterhalt von 579,29 € zu zahlen hat.
- 2
- Die am 7. September 1966 geborene Beklagte leidet an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Aufgrund ihrer Erwerbsunfähigkeit bezieht sie eine Erwerbsunfähigkeitsrente, die sich bis 30. Juni 2003 auf monatlich 186,90 € belief und zum 1. Juli 2003 auf monatlich 188,85 € erhöht wurde.
- 3
- Grundlage für die Verurteilung des Klägers zur Zahlung des laufenden Unterhalts war ein Mindestbedarf der Beklagten in Höhe des notwendigen Selbstbehalts von 1.425 DM (728,59 €) sowie ein Medikamentenmehraufwand von monatlich 60 DM (30,68 €). Nach Anrechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente der Beklagten von (damals) 352 DM (179,97 €) errechnete sich ein vom Kläger zu zahlender Betrag von 1.133 DM (579,29 €).
- 4
- Der Kläger vertritt die Auffassung, die Beklagte habe einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen. Mit Schreiben vom 22. Februar 2003 forderte er sie deshalb auf, solche Leistungen in Anspruch zu nehmen. Der daraufhin von der Beklagten gestellte Antrag wurde durch Bescheid vom 10. März 2002 zurückgewiesen. Der von ihr eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg. Über die erhobene Klage war zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch nicht entschieden.
- 5
- Der Kläger hat mit dem Vorbringen, der notwendige Bedarf der Beklagten werde durch die Grundsicherung in vollem Umfang gedeckt, so dass ihr kein Unterhaltsanspruch mehr zustehe, Abänderungsklage erhoben. Er macht den Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung für die Zeit ab 1. März 2003 geltend.
- 6
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Mit der - vom Oberlandesgericht zugelassenen - Revision verfolgt er sein Klagebegehren weiter. Während des Revisionsverfahrens ist über die vor dem Verwaltungsgericht erhobene Klage der Beklagten entschieden worden. Nach dem (rechtskräftigen) Urteil des Verwaltungsgerichts ist die Verwaltungsbehörde verpflichtet, der Beklagten ab 3. November 2003 Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz unter Zugrundelegung des von ihr tatsächlich erhaltenen Unterhalts zu gewähren.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Das Rechtsmittel ist teilweise begründet. Es führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit die Klage für die Zeit ab 3. November 2003 abgewiesen worden ist, und insoweit zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
- 8
- 1. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2004, 1807 ff. veröffentlicht ist, hat die Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO für zulässig gehalten, weil der Kläger mit der Behauptung, die Beklagte habe seit dem 1. Januar 2003 einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen, eine nach der letzten mündlichen Verhandlung im vorausgegangenen Verfahren (12. Dezember 2001) eingetretene neue Tatsache geltend gemacht habe. Zwar sei das Gesetz über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bereits am 29. Juni 2001 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Da das Gesetz jedoch erst am 1. Januar 2003 in Kraft getreten sei, habe die Beklagte frühestens von da an einen entsprechenden Anspruch gehabt. Dass sich dieser Anspruch bereits am 12. Dezember 2001 habe voraussehen lassen, sei unerheblich. Maßgeblich sei vielmehr, wann die wesentliche Veränderung tatsächlich eingetreten sei.
- 9
- Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, sondern entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (Senatsurteile BGHZ 80, 389, 397, vom 27. Januar 1988 - IVb ZR 14/87 - FamRZ 1988, 493, 494 und vom 9. Oktober 1991 - XII ZR 170/90 - FamRZ 1992, 162, 163).
II.
- 10
- 1. Das Berufungsgericht hat die Abänderungsklage allerdings für unbegründet gehalten, da eine wesentliche Veränderung der für die Verurteilung zur Unterhaltszahlung maßgeblichen Verhältnisse nicht eingetreten sei. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die geringfügige Erhöhung der Erwerbsunfähigkeitsrente und der zwischenzeitliche Wohngeldbezug der Beklagten in Höhe von 13 € monatlich stellten keine wesentliche Veränderung dar. Andere den Grund oder die Höhe des Unterhaltsanspruchs beeinflussende Verhältnisse, die eine von der Ausgangsentscheidung abweichende Entscheidung gebieten würden , lägen nicht vor. Insbesondere sei die Bedürftigkeit der Beklagten nicht wegen des Bezugs von Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz vermindert worden oder entfallen, da sie derartige Leistungen nicht erhalte. Solche Leistungen könnten ihr auch nicht fiktiv zugerechnet werden. Zwar müsse sich der Unterhaltsberechtigte von einem privilegierten Unterhaltspflichtigen (Verwandter in gerader Linie) grundsätzlich auf die Inanspruchnahme der Grundsicherung verweisen lassen, da die Grundsicherung im Gegensatz zur Sozialhilfe nicht nachrangig sei. Die Zurechnung fiktiver Einkünfte sei aber nur dann gerechtfertigt , wenn dem Unterhaltsberechtigten wegen Nichtinanspruchnahme der Grundsicherung ein Obliegenheitsverstoß anzulasten sei. Eine solche Obliegenheitsverletzung sei der Beklagten indessen nicht vorzuwerfen. Sie erhalte trotz Antragstellung und der gegen den ablehnenden Bescheid eingelegten Rechtsbehelfe keine Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz. Der Unter- haltsanspruch könne auch nicht für die Zukunft um Grundsicherungsleistungen gekürzt werden. Denn die Gewährung solcher Leistungen sei kein zu einem bestimmten Zeitpunkt sicher zu erwartender Umstand. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Beklagte Grundsicherungsleistungen erhalten werde, sei ungewiss. Der Unterhalt, den sie aufgrund des Urteils vom 23. Januar 2002 erhalte , sei höher als ihr Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach § 3 Abs. 1 GSiG. Die aufgrund des Urteils erbrachten Unterhaltsleistungen seien aber als zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne von § 3 Abs. 2 GSiG in Verbindung mit §§ 76 ff. BSHG auf den Anspruch auf Grundsicherungsleistung anzurechnen. Die bedarfsorientierte Grundsicherung würde für die Beklagte 587,75 € ausmachen. Hierauf müsse sie sich ihre Erwerbsunfähigkeitsrente sowie das Wohngeld anrechnen lassen, so dass der Anspruch sich auf 385,90 € beliefe. Der titulierte Unterhalt der Beklagten sei demgegenüber mit 579,29 € höher, weshalb ein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nicht bestehe. Deshalb könne die Beklagte solche Leistungen nur erhalten, wenn sie auf ihre Rechte aus dem Urteil vom 23. Januar 2002 verzichten würde. Das könne ihr indessen nicht zugemutet werden, da der titulierte Unterhaltsanspruch über denjenigen nach dem Grundsicherungsgesetz hinausgehe. Auch ein Teilverzicht in Höhe der Leistungen des Grundsicherungsgesetzes sei unzumutbar. Denn wenn der Kläger den restlichen Unterhaltsanspruch erfülle, vermindere sich gemäß § 3 Abs. 2 GSiG in Verbindung mit § 76 Abs. 1 BSHG in dieser Höhe wiederum der Anspruch der Beklagten auf Grundsicherung. Ein Teilverzicht könne von der Beklagten aber auch deshalb nicht verlangt werden, da sie dadurch ihren Grundsicherungsanspruch verlieren könne und dann weder Unterhalt noch Grundsicherungsleistungen beziehen würde.
- 11
- Dagegen wendet sich die Revision im Hinblick auf die inzwischen ergangene rechtskräftige Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juni 2004 insoweit mit Erfolg, als die Klage für die Zeit ab 3. November 2003 abgewiesen worden ist.
- 12
- 2. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass eine Abänderung allein im Hinblick auf die geringfügig gestiegene Erwerbsunfähigkeitsrente und den Wohngeldbezug der Beklagten mangels Wesentlichkeit der dadurch bedingten Veränderungen nicht in Betracht kommt. Soweit die Revision geltend macht, eine weitere Veränderung sei eingetreten, weil im Rahmen der Gesundheitsreform zum 1. Januar 2004 die Zuzahlung zu Medikamenten bei schwerwiegenden chronischen Erkrankungen auf 1 % der Jahresbruttoeinkünfte gesenkt worden sei, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Dass die Beklagte tatsächlich teilweise von den Zuzahlungen befreit worden ist, also nicht mehr den in der Ausgangsentscheidung zugrunde gelegten Mehrbedarf für Medikamente begleichen muss, hat der Kläger in den Vorinstanzen nicht dargelegt.
- 13
- 3. a) Eine Veränderung der Verhältnisse ist allerdings dadurch eingetreten , dass der Beklagten durch Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7. Juni 2004 für die Zeit ab 3. November 2003 Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz zuerkannt worden sind. Diese Leistungen sind unter Zugrundelegung des von ihr tatsächlich bezogenen Unterhalts zu gewähren. Dieser nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz eingetretene Umstand ist aus Gründen der Prozessökonomie im Revisionsverfahren zu berücksichtigen, da schützenswerte Belange der Parteien nicht entgegenstehen und sie den Ausgang des Verwaltungsrechtsstreits für und gegen sich gelten lassen müssen (vgl. Musielak/Ball ZPO 4. Aufl. § 559 Rdn. 10).
- 14
- b) Nach § 1602 Abs. 1 BGB ist unterhaltsberechtigt nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Zum unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkom- men zählen grundsätzlich sämtliche Einkünfte, wenn sie geeignet sind, den gegenwärtigen Lebensbedarf des Einkommensbeziehers sicherzustellen. Dazu können auch dem Unterhaltsgläubiger zu gewährende Grundsicherungsleistungen gehören, wenn sie - anders als etwa Sozialhilfe- und Unterhaltsvorschussleistungen - nicht subsidiär sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB XII, der der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden, inhaltlich übereinstimmenden Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 3 GSiG entspricht, bleiben Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern unberücksichtigt, sofern deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches unter einem Betrag von 100.000 € liegt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erfolgen die Grundsicherungsleistungen nicht nachrangig. Sie sind mithin als Einkommen anzusehen und reduzieren den unterhaltsrechtlichen Bedarf des Leistungsempfängers , ohne dass es darauf ankommt, ob sie zu Recht oder zu Unrecht bewilligt worden sind (Klinkhammer FamRZ 2002, 997, 1001; Günther FF 2003, 10, 14; OLG Hamm FamRZ 2004, 1061; vgl. auch Senatsurteil vom 23. Oktober 2002 - XII ZR 266/99 - FamRZ 2002, 1698, 1701).
- 15
- In Höhe der ihr ab 3. November 2003 gewährten Grundsicherungsleistungen ist die Beklagte mithin nicht mehr unterhaltsbedürftig. Dass die Leistungen zum 31. Dezember 2004 tatsächlich eingestellt worden sind, wie die Revision unter Bezugnahme auf einen Bescheid vom 18. November 2004 darlegt, kann im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden. Nach dem vorgenannten Bescheid beruht die Einstellung der Leistungen darauf, dass die Beklagte ab 15. Dezember 2004 mit ihrem Lebensgefährten zusammenleben und dieser über Arbeitslosengeld verfügen werde. Ob diese Voraussetzungen tatsächlich und dauerhaft eingetreten sind, insbesondere wie sich die finanziellen Verhältnisse des Lebensgefährten längerfristig darstellen, und ob die Grundsicherungsleistungen weggefallen sind, wird im weiteren Verfahren zu prüfen sein.
- 16
- 4. Eine über den Umfang ihrer tatsächlichen Gewährung hinausgehende Anrechnung von Grundsicherungsleistungen kommt allerdings nicht in Betracht. Deshalb liegt für die Zeit vor dem 3. November 2003 keine zur Abänderung des Unterhaltstitels führende Veränderung der Verhältnisse vor.
- 17
- a) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts wären die Leistungen der Grundsicherung geringer gewesen als der vom Kläger zu zahlende Unterhalt. Grundsicherung ist aber nur zu gewähren , soweit Leistungsberechtigte ihren Lebensunterhalt nicht aus ihrem Einkommen und Vermögen gemäß §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII beschaffen können (§ 41 Abs. 2 SGB XII). Nach § 82 SGB XII gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit gewährt werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Der Begriff des Einkommens wird näher definiert in § 1 der Verordnung zu § 82 SGB XII. Hiernach sind bei der Berechnung der Einkünfte in Geld oder Geldeswert alle Einnahmen ohne Rücksicht auf ihre Herkunft und Rechtsnatur sowie ohne Rücksicht darauf, ob sie zu den Einkunftsarten im Sinne des Einkommensteuergesetzes gehören und ob sie der Steuerpflicht unterliegen, zugrunde zu legen.
- 18
- Als solche Einkünfte sind auch Unterhaltsleistungen zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus der Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 GSiG, die dem § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB XII entspricht, kein anderes Ergebnis. Die Vorschriften stehen nur der Anrechnung von Unterhaltsansprüchen , nicht jedoch der Berücksichtigung von tatsächlich geleisteten Unterhaltszahlungen entgegen. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut der Regelung , der ausdrücklich nur Unterhaltsansprüche erfasst, als auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift. In dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung wird hierzu ausgeführt, der Zweck des Gesetzes bestehe darin, für alte Menschen bzw. in Fällen voller Erwerbsminderung eine eigenständige soziale Leistung vorzusehen, die den grundlegenden Bedarf für den Lebensunterhalt sicherstelle; durch diese Leistung solle im Regelfall die Notwendigkeit der Gewährung von Sozialhilfe vermieden werden; außerdem habe vor allem ältere Menschen die Furcht vor dem Unterhaltsrückgriff auf ihre Kinder oftmals von dem Gang zum Sozialamt abgehalten; eine dem sozialen Gedanken verpflichtete Lösung müsse hier einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz wählen, der eine würdige und unabhängige Existenz sichere (BT-Drucks. 14/5150 S. 48). Eine Privilegierung der Unterhaltsverpflichteten ist dagegen nicht bezweckt worden. Zum Einkommen des Grundsicherungsberechtigten gehören deshalb tatsächlich an ihn erbrachte Unterhaltszahlungen, selbst wenn das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten die Einkommensgrenze des § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB XII unterschreitet (Günther aaO S. 11; Klinkhammer aaO S. 999 f.; Münder NJW 2002, 3661, 3663; Schoch ZfF 2003, 1, 9; Veldtrup/Schwabe ZfF 2003, 265, 267 f.; Grube/Warendorf SGB XII § 43 Rdn. 9; Schellhorn/Schellhorn/ Hohm SGB XII § 43 Rdn. 17; Fichtner/Wenzel BSHG 2. Aufl. § 2 GSiG Rdn. 7; BayVGH München FEVS 55, 557, 562; VGH Baden-Württemberg NDV-RD 2006, 21 f.; LSG Nordrhein-Westfalen FamRZ 2006, 1566 f.; VG Karlsruhe Urteil vom 15. März 2005 - 5 K 4713/03 - Juris; VG Ansbach Urteil vom 20. Januar 2005 - AN 14 K 04.02456 - Juris; VG Aachen Beschluss vom 30. November 2004 - 2 L 1039/04 - ZFSH/SGB 2005, 169, 170 f.; VG Arnsberg ZFSH/SGB 2004, 492, 483 f.).
- 19
- b) Der Auffassung der Revision, die Regelung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung letztlich davon abhänge, ob der Unterhaltspflichtige oder der Träger der Grundsicherung zuerst zahle, ist nicht zu folgen. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit zwar nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht, wenn er eine Gruppe im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen , dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (st.Rspr. BVerfGE 112, 368, 401).
- 20
- Der Ungleichbehandlung, die darin zu sehen ist, dass Unterhaltsansprüche nicht berücksichtigt, Unterhaltsleistungen dagegen als Einkommen behandelt werden, liegt ein die Differenzierung rechtfertigender Umstand zugrunde. Durch die Einführung der Grundsicherungsleistungen soll, wie schon ausgeführt wurde, die verschämte Armut im Alter und in Fällen voller Erwerbsminderung verhindert werden. Einer solchen Hilfeleistung bedarf es nicht, wenn und soweit der Lebensbedarf durch Unterhaltsleistungen sichergestellt wird. Dem Gesetzgeber war es deshalb jedenfalls von Verfassungs wegen nicht verwehrt, diesen Personenkreis von der Leistungsgewährung ganz oder teilweise auszunehmen und nur diejenigen zu unterstützen, die der Hilfeleistung bedürfen. Dass dadurch zugleich derjenige Unterhaltspflichtige begünstigt wird, der keine Unterhaltszahlungen erbringt mit der Folge, dass der Berechtigte insoweit nicht über anzurechnendes Einkommen verfügt, mag man zwar im Ergebnis für eine befremdliche Konsequenz halten. Dies begründet für den zahlungswilligen Unterhaltspflichtigen aber noch keinen Anspruch auf Gleichbehandlung. Dem Gesetzgeber obliegt es nicht, jedwede Missbrauchsmöglichkeit zu vermeiden. Der zahlungswillige Unterhaltspflichtige kann deshalb nicht etwa verlangen, dass auch dem zahlungsunwilligen Schuldner die Möglichkeit entzogen wird, den Unterhaltsberechtigten auf Grundsicherungsleistungen zu verweisen.
- 21
- 5. Danach ist die Revision zurückzuweisen, soweit sie die Zeit vor dem 3. November 2003 betrifft. Für die Zeit nach dem 3. November 2003 kann das angefochtene Urteil dagegen keinen Bestand haben. Die Sache ist insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das festzustellen haben wird, in welchem Umfang der Beklagten Grundsicherungsleistungen gewährt worden sind.
Vorinstanzen:
AG Erlangen, Entscheidung vom 24.06.2003 - 1 F 408/03 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 21.04.2004 - 11 UF 2470/03 -
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden abweichend von Satz 1 Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; § 35a Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt nur, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem Kapitel, dem Vierten Kapitel oder dem Zweiten Buch bezogen worden sind. Bei Leistungsberechtigten, die in den letzten zwei Jahren vor dem Bezug von Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel Leistungen nach dem Zweiten Buch bezogen haben, wird die nach § 22 Absatz 1 Satz 2 bis 4 des Zweiten Buches bereits in Anspruch genommene Karenzzeit für die weitere Dauer der Karenzzeit nach den Sätzen 2 bis 5 berücksichtigt.
(2) Der Träger der Sozialhilfe prüft zu Beginn der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 6 die Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Übersteigen die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, teilt der Träger der Sozialhilfe dies den Leistungsberechtigten mit dem ersten Bewilligungsbescheid mit und unterrichtet sie über die Dauer der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 6 sowie über das Verfahren nach Ablauf der Karenzzeit nach Absatz 3 Satz 2.
(3) Übersteigen die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie in tatsächlicher Höhe als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 27 Absatz 2 zu berücksichtigen sind, anzuerkennen. Satz 1 gilt nach Ablauf der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 6 so lange, bis es diesen Personen möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Eine Absenkung der nach Absatz 1 Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Stirbt ein Mitglied der Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar.
(4) Der Träger der Sozialhilfe kann für seinen örtlichen Zuständigkeitsbereich für die Höhe der Bedarfe für Unterkunft eine monatliche Pauschale festsetzen, wenn auf dem örtlichen Wohnungsmarkt hinreichend angemessener freier Wohnraum verfügbar und in Einzelfällen die Pauschalierung nicht unzumutbar ist. Bei der Bemessung der Pauschale sind die tatsächlichen Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarkts, der örtliche Mietspiegel sowie die familiären Verhältnisse der Leistungsberechtigten, insbesondere Anzahl, Alter und Gesundheitszustand der in der Unterkunft lebenden Personen, zu berücksichtigen. Absatz 3 Satz 1 gilt entsprechend.
(5) Bedarfe für Heizung umfassen auch Aufwendungen für zentrale Warmwasserversorgung. Die Bedarfe können durch eine monatliche Pauschale festgesetzt werden. Bei der Bemessung der Pauschale sind die persönlichen und familiären Verhältnisse, insbesondere Anzahl, Alter und Gesundheitszustand der in der Unterkunft lebenden Personen, die Größe und Beschaffenheit der Wohnung, die vorhandenen Heizmöglichkeiten und die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen.
(6) Leben Leistungsberechtigte in einer Unterkunft nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3, so sind Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 42a Absatz 5 und 6 anzuerkennen. Leben Leistungsberechtigte in einer sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, so sind Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 42a Absatz 7 anzuerkennen. Für die Bedarfe nach den Sätzen 1 und 2 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 6 nicht.
(7) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 3 und § 35a Absatz 2 Satz 2 gelten entsprechend.
(8) § 22 Absatz 11 und 12 des Zweiten Buches gelten entsprechend.
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
(1) Das Gericht entscheidet in Familiensachen durch Beschluss.
(2) Endentscheidungen in Ehesachen werden mit Rechtskraft wirksam.
(3) Endentscheidungen in Familienstreitsachen werden mit Rechtskraft wirksam. Das Gericht kann die sofortige Wirksamkeit anordnen. Soweit die Endentscheidung eine Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt enthält, soll das Gericht die sofortige Wirksamkeit anordnen.