Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 23. Sept. 2015 - I - 5 Sa 64/15
Tenor
Das Verfahren zur Bestimmung eines gemeinschaftlichen Gerichts für den Rechtsstreit wird dem Bundesgerichtshof zu Entscheidung vorgelegt.
1
I – 5 Sa 64/153 O 177/15 LG Wuppertal |
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
3BESCHLUSS
4In dem Verfahren zur Bestimmung eines gemeinschaftlichen Gerichts
5für den Rechtsstreit
6pp.
7hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht J…, die Richterin am Oberlandesgericht S… und den Richter am Landgericht S…
8am 23.09.2015
9b e s c h l o s s e n :
10Das Verfahren zur Bestimmung eines gemeinschaftlichen Gerichts für den Rechtsstreit wird dem Bundesgerichtshof zu Entscheidung vorgelegt.
11G r ü n d e
12I.
13Die Klägerin nimmt die Beklagten, die ihren allgemeinen Gerichtsstand in unterschiedlichen Gerichtsbezirken haben, gemeinschaftlich auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihr im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Beteiligung an der H… GmbH & Co. KG ( im Folgenden H…-Fonds) entstanden ist.
14Nach dem Vortrag der Klägerin sei sie seit 1963 Kundin der Beklagten zu 1). Anfang 2009 habe der zuständige Berater und Mitarbeiter der Beklagten zu 1), Herr J…, sie angerufen und ihr mitgeteilt, eine geeignete Anlage für sie zu haben. Bei einem daraufhin vereinbarten Beratungstermin in der Filiale der Beklagten zu 1 ) in Remscheid habe Herr J… ihr eine Werbebroschüre überreicht und ihr den H…-Fonds als eine lukrative und sichere Anlage vorgestellt. Aufgrund der Empfehlung der Beklagten zu 1) habe sie am 12.01.2009 die Beitrittsvereinbarung zu dem H…-Fonds mit einem Anlagebetrag von 20.000,- € unterzeichnet. Der Fondsprospekt sei ihr erst nach der Unterzeichnung der Beitrittsvereinbarung zugeschickt worden. Mit der Unterzeichnung der Beitrittsvereinbarung habe sie, die Klägerin, gleichzeitig der Beklagten zu 3) den Abschluss eines Treuhand- und Beteiligungsverwaltungsvertrages angeboten, den die Treuhänderin der Fondsgesellschaft am 06.02.2009 angenommen habe.
15Wie sich herausgestellt habe, habe ihr Ansprechpartner bei der Beklagten zu 1) sie aus unterschiedlichen Gründen nicht anleger- und anlagegerecht beraten. Sie sei weder darüber aufgeklärt worden, dass ein teilweiser oder totaler Verlust des eingesetzten Kapitals eintreten könne, die Ausschüttungen eingeschränkt oder eingestellt werden könnten noch, dass sie die Anlage nicht jederzeit wieder habe veräußern können. Auch sei von dem Mitarbeiter der Beklagten zu 1) unerwähnt geblieben, dass es im Zusammenhang mit der Errichtung des Fondsobjekts zu baurechtlichen Problemen kommen könne, da u.a. mehrere Genehmigungen nicht vorliegen würden.
16Die Beklagte zu 1) hafte aufgrund einer fehlerhaften Anlageberatung, weil sie nicht über die wirtschaftlichen Risiken der Beteiligung an dem H…-Fonds informiert, nicht auf die fehlende Plausibilität des Prospektes hingewiesen und sie nicht über die Rückvergütung aufgeklärt habe. Die Beklagte zu 2) habe nach den Grundsätzen der Prospekthaftung sowie Delikt einzustehen. Der Verkaufsprospekt belehre nur unzureichend über die Risiken des Fonds und täusche über Tatsachen. Die Beklagte zu 3) schließlich hafte als Gründungs- und Treuhandgesellschafterin des H…-Fonds ebenfalls nach den Grundsätzen der Prospekthaftung.
17Die Klägerin regt an, das Landgericht Wuppertal, bei dem ihre Klage ( 3 O 177/15 ) bereits rechtshängig ist, aus Gründen der Prozessökonomie als einheitliches Gericht zu bestimmen. Die Beklagten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
18Die Beklagte zu 1) hat mitgeteilt, dass ihrerseits keine Bedenken gegen einen Gerichtsstand in Wuppertal bestünden.
19Die Beklagten zu 2) und 3) vertreten die Auffassung, dass eine Gerichtsstandsbestimmung nicht veranlasst sei, da ein ausschließlicher Gerichtsstand gemäß § 32 b Abs. 1 ZPO beim Landgericht München I bestehe. Sollte der Senat die Voraussetzungen des § 32 b Abs. 1 ZPO nicht als gegeben ansehen, bestände Anlass für eine Vorlage an den Bundesgerichtshof.
20II.
21Der Gerichtsstandsbestimmungsantrag ist gemäß § 36 Abs. 3 ZPO dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen, weil der vorlegende Senat - in Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung - von einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 16.04.2015 (11 SV 8/15) abzuweichen beabsichtigt und anders als das OLG Frankfurt in einem vergleichbaren Fall die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als gegeben ansieht.
221.
23Das Oberlandegericht Düsseldorf ist vorlagebefugt, weil es auch zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO berufen wäre. Die allgemeinen Gerichtsstände der Beklagten liegen in den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte. Das Oberlandesgericht Düsseldorf ist das zuerst angerufene Oberlandesgericht, was seine Bestimmungszuständigkeit begründet (vgl. BGH, Beschluss vom 21.08.2008, X ARZ 105/08, NJW 2008, 3789).
242.
25Nach der Rechtsauffassung des vorlegenden Senats liegen die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vor, weil kein gemeinsamer ausschließlicher Gerichtsstand für alle Beklagten besteht.
26a)
27Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner und damit als einfache Streitgenossen i.S.d. §§ 59, 60 ZPO in Anspruch. Zu den Voraussetzungen der Streitgenossenschaft hat sie schlüssig vorgetragen, dass die Beklagten ihr gegenüber unter dem Aspekt der Aufklärungspflichtverletzung bzw. der Prospekthaftung zum Schadensersatz verpflichtet seien. Die Vorschrift des § 60 ZPO lässt schon die Gleichartigkeit von Ansprüchen aufgrund eines im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grundes zur Begründung der Streitgenossenschaft genügen. Auch ohne Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der geltend gemachten Ansprüche ist daher Streitgenossenschaft anzunehmen, wenn diese Ansprüche in einem inneren Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 23.05.1990, I ARZ 186/90, NJW-RR 1991, 381; BGH, Beschluss vom 06.05.2013, X ARZ 65/13, BGH MDR 2013, 805). Die gegen die Beklagten geltend gemachten Ansprüche sind im wesentliche gleichartig, weil sie auf derselben Anlageentscheidung der Klägerin gründen.
28b)
29Die Beklagte zu 1) einerseits und die Beklagten zu 2) und 3) andererseits haben ihren allgemeinen Gerichtsstand bei verschiedenen Gerichten. Ein gemeinsamer ausschließlicher Gerichtsstand für alle Beklagten gemäß § 32 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO kann nach dem Parteivortrag nicht einfach und zuverlässig festgestellt werden (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Auflage, § 36 Rd. 18).
30Nach § 32 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO in der seit 01.12.2012 geltenden Fassung gilt der besondere Gerichtsstand zwar auch für Klagen gegen Anlageberater oder –vermittler wegen Verwendung der Kapitalmarktinformation oder wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass die Information falsch oder irreführend ist. Auch nach der Neuregelung bleibt aber festzuhalten, dass der Anwendungsbereich in diesen Fällen nur dann eröffnet ist, wenn ein Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation besteht (BT-Drucks. 17/8799, Seite 16 f.).
31Der BGH hat in seinem Beschluss vom 30.07.2013 (X ARZ 320/13, NJW-RR 2013, 1302) diese Voraussetzung verneint, wenn sich aus einem dem Gerichtsstandsbestimmungsantrag beigefügten Klageentwurf nicht ergebe, dass der für den Antragsteller tätige Anlageberater bei dem Gespräch die von dem Antragsteller als zumindest irreführend angesehenen Prospektangaben verwendet oder diesbezügliche Aufklärungspflichten verletzt habe, sondern der Antragssteller nur geltend mache, der Anlageberater habe ihm das im Prospekt beschriebene Risiko eines Totalverlustes verschwiegen und der Prospekt sei ihm erst nach der Abgabe der Beitrittserklärung übersandt worden. Darin liege keine Verwendung von öffentlichen Kapitalmarktinformationen. Indem der BGH ausdrücklich auf den Bezug zu der öffentlichen Kapitalmarktinformation abstellt und insoweit auf die Bundestagsdrucksache zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kapitalanleger- Musterverfahrensgesetzes verweist, kann es nicht ausschließlich darauf ankommen, ob dem Anleger ein Prospekt übergeben worden ist. Entscheidend muss vielmehr sein, ob eine öffentliche Kapitalmarktinformation Grundlage des zwischen Anleger und Anlageberater geführten Beratungsgesprächs geworden ist.
32Die Klägerin hat in ihrer Antragsschrift und dem beigefügten Klageentwurf ausdrücklich vorgetragen, dass ihr der H…-Fonds nicht anhand des Fondsprospekts vorgestellt worden sei. Die Beratung sei auf der Grundlage einer Werbebroschüre erfolgt. Der Prospekt sei ihr erst nach der Unterzeichnung der Beitrittsvereinbarung zugeschickt worden. Dass der Emissionsprospekt Grundlage des Beratungsgesprächs zwischen der Klägerin und dem Anlageberater J… geworden ist, kann somit nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin nicht einfach und zuverlässig festgestellt werden. Gleiches gilt für die Frage, ob es sich bei der verwendeten Werbebroschüre um eine öffentliche Kapitalmarktinformation im Sinne des § 1 Abs. 2 KapMuG gehandelt hat. Eine Amtsermittlung findet nicht statt (Zöller-Volkommer, ZPO, 30. Auflage, § 36 Rd. 18).
33c)Der Senat würde daher aus Gründen der Zweckmäßigkeit das Landgericht Wuppertal als das für das gerichtliche Verfahren zuständige Gericht bestimmen. Dort liegt der Schwerpunkt des Rechtsstreits. Im Bezirk dieses Gerichts haben sowohl die Klägerin als auch die für die Klägerin zuständige Zweigstelle der Beklagten zu1) ihren Sitz. Diesem Gesichtspunkt kommt im Streitfall ein stärkeres Gewicht zu als dem Umstand, dass hinsichtlich der Beklagten zu 2) und 3) der gegen diese zusätzlich geltend gemachten Prospekthaftungsansprüche der ausschließliche Gerichtsstand des § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründet ist.
343.
35Von dieser durch den vorlegenden Senat vertretenen Auffassung weicht der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16.04.2015 ( 11 SV 8/15 ) ab. Ausweislich der Entscheidungsgründe ( Anlage zum Schriftsatz der Beklagten zu 2) und 3) vom 27.07.2015 ) komme es nicht darauf an, das im Beratungsgespräch der Prospekt übergeben worden sei. Indem der Kläger vortrage, der Mitarbeiter der Beklagten zu 1) habe in dem Beratungsgespräch seine Pflicht, auf Fehler, auf Widersprüchlichkeiten des Prospekts hinzuweisen, nicht erfüllt, komme er in der Klage selbst zu der Einschätzung, die Beklagte zu 1) habe somit für die Beratung einen fehlerhaften Prospekt verwendet. Da es für den erforderlichen Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarkinformation genüge, dass eine Aufklärung über irreführende Prospektangaben unterbleibe, komme es nicht darauf an, dass dem Kläger nach seinem Vortrag der Fondsprospekt nicht ausgehändigt worden sei.
36Ebenso wie im vorliegenden Fall lag der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt zugrunde, dass bei dem entscheidenden Beratungsgespräch der Fondsprospekt weder vorgelegen, noch übergeben worden ist und offensichtlich kein Vortrag dazu erfolgt ist, auf welche Informationsquellen der Anlageberater sein Beratungsgespräch gestützt hat.
37J… S… S…
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(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
Mehrere Personen können als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn sie hinsichtlich des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft stehen oder wenn sie aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund berechtigt oder verpflichtet sind.
Mehrere Personen können auch dann als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- I. Die Antragstellerin, die in Stuttgart wohnt, beabsichtigt, die Antragsgegnerinnen wegen einer gescheiterten Kapitalanlage aus Prospekthaftung auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Nach ihrem Vortrag beteiligte sie sich an einem in München aufgelegten geschlossenen Medienfonds. Die Antragsgegnerin zu 1 ist nach dem Vorbringen der Antragstellerin die Initiatorin und Prospektherausgeberin des Fonds, die Antragsgegnerin zu 2 die Treuhänderin, mit der Antragsgegnerin zu 3 habe sie einen obligatorischen Finanzierungsvertrag geschlossen.
- 2
- Die Antragsgegnerinnen zu 1 und zu 2 haben ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts München I, die Antragsgegnerin zu 3 ist in Irland ansässig.
- 3
- Die Antragstellerin hat beim Oberlandesgericht München beantragt, ein zuständiges Gericht zu bestimmen, ohne ein bestimmtes Gericht zu bezeichnen. Das Oberlandesgericht München hat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
- 4
- II. Die Vorlage ist gemäß § 36 Abs. 3 ZPO zulässig.
- 5
- Nach § 36 Abs. 3 ZPO hat ein Oberlandesgericht, das mit der Zuständigkeitsbestimmung befasst ist, die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen, wenn es in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Diese Voraussetzungen liegen vor.
- 6
- Das vorlegende Oberlandesgericht vertritt den Standpunkt, das Gericht sei im nationalen Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht zwingend auf das nach Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-I-VO) zuständige Gericht festgelegt. Der Anwendungsvorrang der Brüssel-I-Verordnung könne in Ausübung des im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO eingeräumten Auswahlermessens überwunden werden. Damit würde es von der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main abweichen, das der Ansicht ist, die Regelung des Art. 16 BrüsselI -VO führe bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts zu einer Beschränkung des Auswahlermessens insoweit, als die dort geregelten ausschließlichen Zuständigkeiten zwingend zu beachten seien (OLG Frankfurt am Main, ZIP 2013, 387; ebenso mit Blick auf Art. 9 Abs. 1 Buchst. b Brüssel-I-Verordnung KG, VersR 2007, 1007).
- 7
- III. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
- 8
- 1. Die Antragsgegnerinnen können als Streitgenossen im Sinne des § 60 ZPO verklagt werden. Die Norm beruht weitgehend auf Zweckmäßigkeitserwägungen und ist deshalb grundsätzlich weit auszulegen. Dies gestattet es, auch ohne Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der geltend zu machenden Ansprüche Streitgenossenschaft anzunehmen, wenn diese Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2011 - X ARZ 101/11, NJW-RR 2011, 1137 Rn. 18; BGH, Beschluss vom 23. Mai 1990 - I ARZ 186/90, MDR 1991, 222 f. = NJW-RR 1991, 381). Ein solcher Zusammenhang ist auch im Streitfall gegeben. Er ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin die Antragsgegnerinnen auf Ersatz derselben Schäden in Anspruch nimmt, die ihr im Zusammenhang mit der als einheitlichen Lebenssachverhalt zu beurteilenden Vermögensanlage entstanden sind. Dabei ist unerheblich, ob die Ansprüche gegen die Antragsgegnerin- nen auf unterschiedliche Verträge gestützt werden, die ihrerseits nicht in unmittelbarem rechtlichen Zusammenhang stehen (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2011 - X ARZ 101/11, NJW-RR 2011, 1137 Rn. 18).
- 9
- 2. Die Antragsgegnerinnen zu 1 und zu 2 einerseits und die Antragsgegnerin zu 3 andererseits haben verschiedene allgemeine Gerichtsstände. Während die Antragsgegnerinnen zu 1 und zu 2 ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts München I haben, hat die Antragsgegnerin zu 3 keinen allgemeinen inländischen Gerichtsstand. Zudem besteht für die Antragsgegnerinnen kein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand.
- 10
- 3. Dem Antrag steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin zu 3 im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Für die in Irland ansässige Antragsgegnerin zu 3 ist ein Gerichtsstand nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 BrüsselI -VO am nach Art. 59 Abs. 1 Brüssel-I-VO in Verbindung mit § 7 BGB zu bestimmenden Wohnsitz der Antragstellerin und damit beim Landgericht Stuttgart begründet.
- 11
- a) Bei dem beabsichtigten Rechtsstreit um den obligatorischen Finanzierungsvertrag , den die Antragstellerin als Bestandteil der Vermögensanlage mit der Antragsgegnerin zu 3 geschlossen hat, handelt es sich um eine Verbrauchersache im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Brüssel-I-VO.
- 12
- Dieser Begriff ist autonom zu bestimmen. Dabei ist eine enge Auslegung geboten , weil die daran anknüpfende Zuständigkeitsregel eine Ausnahme von dem in Art. 2 Abs. 1 Brüssel-I-VO normierten Grundsatz der Zuständigkeit des Gerichts am Wohnsitz des Beklagten darstellt (EuGH, Urteil vom 20. Januar 2005 - C-464/01, Slg. I-2005, 439 Rn. 31, 32, 43 - Gruber/BayWa AG). Die Verbrauchereigenschaft ist nach der objektiven Stellung der betroffenen Person im Rahmen des konkreten Vertragsverhältnisses in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung zu bestimmen (EuGH, Urteil vom 3. Juli 1997 - C-269/95, Slg. I-1997, 3767 Rn. 16 - Benincasa; BGH, Urteil vom 28. Februar 2012 - XI ZR 9/11, WM 2012, 747 Rn. 28).
- 13
- Nach diesen Grundsätzen ist das zugrundeliegende Geschäft im Hinblick darauf , dass es sich vorliegend um eine Vermögensanlage zu privaten Zwecken han- delt, als Verbrauchersache anzusehen. Unerheblich ist insoweit, dass die konkrete Form der Vermögensanlage als Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft ausgestaltet ist. Der Abschluss eines Darlehensvertrages ist dann von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c Brüssel-I-VO erfasst, wenn der mit der Kreditaufnahme verfolgte Zweck nicht mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Darlehensnehmers zusammenhängt (EuGH, Urteil vom 20. Januar 2005 - C-464/01, Slg. I-2005, 439 Rn. 39f. - Gruber/BayWa AG; BGH, Urteil vom 28. Februar 2012 - XI ZR 9/11, WM 2012, 747 Rn. 27 ff.). Dies ist bei dem allein der Finanzierung der Beteiligung an dem Medienfonds zur privaten Vermögensanlage dienenden Darlehen der Fall (vgl. auch Kropholler /v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 15 EuGVVO Rn. 20).
- 14
- b) Die Anwendbarkeit des Art. 16 Abs. 1 Brüssel-I-VO, der in seiner zweiten Alternative nicht nur die internationale, sondern auch die örtliche Zuständigkeit regelt, schließt zudem einen Rückgriff auf Art. 6 Nr. 1 Brüssel-I-VO aus, sodass auch hieraus kein gemeinsamer Gerichtsstand für die Antragsgegnerinnen abgeleitet werden kann.
- 15
- Die Zuständigkeit für Verbrauchersachen ist in Kapitel II, Abschnitt 4 der Brüssel -I-Verordnung abschließend geregelt. Insoweit hat der Gerichtshof der Europäischen Union zu den in Kapitel II, Abschnitt 5 geregelten Zuständigkeiten für individuelle Arbeitsverträge entschieden, dass die darin aufgeführten Bestimmungen abschließenden Charakter haben und jeden Rückgriff auf Art. 6 Nr. 1 der Verordnung verbieten (EuGH, Urteil vom 22. Mai 2008 - C-462/06, Slg. I-2008, 3965 = EuZW 2008, 369 - Glaxosmithkline). Entsprechendes gilt für die in Kapitel II, Abschnitt 4 der Brüssel-I-Verordnung geregelten Zuständigkeit bei Verbrauchersachen (Kropholler/ v. Hein, aaO, Art. 16 Rn. 1; Leible in Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 6 Rn. 2; Corneloup/Althammer in Simons/Hausmann, Brüssel I-Verordnung , 2012, Art. 6 Rn. 41).
- 16
- c) § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist auch in Fällen anzuwenden, in denen hinsichtlich eines Antragsgegners im Inland lediglich ein besonderer Gerichtsstand nach den unionsrechtlichen Zuständigkeitsbestimmungen begründet ist und die anderen Antragsgegner ihren allgemeinen Gerichtsstand im Inland haben (BGH, Beschluss vom 19. März 1987 - I ARZ 903/86, NJW 1988, 646; Roth in Stein-Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 36 Rn. 25; Hausmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 36 Rn. 39; Lange in Prütting/Gehrlein, ZPO, 4. Aufl., § 36 Rn. 6). Danach ist der Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hier eröffnet.
- 17
- IV. Als zuständiges Gericht kommen das Landgericht München I und das Landgericht Stuttgart in Betracht.
- 18
- Das dem Gericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichtes nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO eingeräumte Auswahlermessen ist jedoch insoweit eingeschränkt , als der in Art. 16 Abs. 1 Brüssel-I-Verordnung statuierte Gerichtsstand am Wohnsitz des Verbrauchers Vorrang genießt (Staudinger in Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Einl. Rn. 27; Leible, ebd., Art. 16 Rn. 1; Wagner, WM 2003, 116; s. auch KG VersR 2007, 1007, 1008 zu Art. 9 Brüssel-I-VO). Die sich aus dem europäischen Zivilverfahrensrecht ergebende abschließende Zuständigkeitsregel kann im Rahmen des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO - anders als die im nationalen Prozessrecht geregelten ausschließlichen Zuständigkeiten - nicht überwunden werden, weil ansonsten der durch den europäischen Gesetzgeber im internationalen Zuständigkeitsrecht getroffene Interessenausgleich beeinträchtigt würde. Als zuständiges Gericht ist daher das Landgericht Stuttgart zu bestimmen. Meier-Beck Mühlens Gröning Hoffmann Deichfuß
OLG München, Entscheidung vom 07.02.2013 - 34 AR 373/12 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- I. Die Antragstellerin will die Antragsgegnerinnen, die ihren allgemeinen Gerichtsstand in unterschiedlichen Gerichtsbezirken haben, gemeinschaftlich auf Ersatz des Schadens in Anspruch nehmen, der ihr durch Beteiligung an einem Filmfonds entstanden ist.
- 2
- Nach dem beabsichtigten Klagevortrag erwarben die Antragstellerin und ihr Ehemann die Beteiligung im Anschluss an ein Gespräch mit einem für die Antragsgegnerin zu 1 tätigen Anlageberater, das in ihrer Privatwohnung stattfand. Die Antragstellerin macht geltend, die Beratung sei fehlerhaft gewesen, weil der Berater die Anlage als sicher dargestellt und das Risiko des Totalverlusts verschwiegen habe. Für die fehlerhafte Beratung habe auch die Antragsgegnerin zu 2 als Gründungskommanditistin einzustehen. Diese sei ferner als Prospektverantwortliche zum Schadensersatz verpflichtet. Der Verkaufsprospekt belehre nur unzureichend über die Risiken des Fonds und sei verharmlosend.
- 3
- Alle Verfahrensbeteiligten gehen davon aus, dass die Voraussetzungen für die Bestimmung eines zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vorliegen. Sie beantragen jeweils, das Landgericht an ihrem Wohnsitz bzw. Sitz als zuständig zu bestimmen. Die Antragsgegnerin zu 1 schließt sich hilfsweise dem Begehren der Antragsgegnerin zu 2 an.
- 4
- Das Oberlandesgericht Düsseldorf möchte den Antrag auf Bestimmung eines zuständigen Gerichts zurückweisen, weil es gemäß § 32b Abs. 1 ZPO in der seit 1. Dezember 2012 geltenden Fassung einen gemeinsamen Gerichtsstand am Sitz der Antragsgegnerin zu 2 für gegeben hält, an dem auch der Fonds und die Herausgeberin des Fondsprospekts ihren Sitz haben. Es sieht sich daran durch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Beschluss vom 8. April 2013 - 32 SA 6/13, MDR 2013, 871, 872) gehindert und hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
- 5
- II. Die Vorlage ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig.
- 6
- Die vom vorlegenden Gericht beabsichtigte Entscheidung kann nach dem von ihm zugrunde gelegten und im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen rechtlichen Ausgangspunkt nur ergehen, wenn die Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1 ZPO in der seit 1. Dezember 2012 geltenden Fassung auch für eine Klage zu bejahen ist, die sich nicht (auch) gegen den Emittenten, den Anbieter oder die Zielgesellschaft richtet, sondern lediglich gegen sonstige Prospektverantwortliche , Anlageberater oder -vermittler. Diese Auffassung haben das Oberlandesgericht Hamm in der vom vorlegenden Gericht zitierten Entscheidung und mittlerweile auch das Oberlandesgericht München (Beschluss vom 28. Juni 2013 - 34 AR 205/13, juris Rn. 16) abgelehnt.
- 7
- III. Entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts sind die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erfüllt. Für die beabsichtigte Klage ist ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand - der sich allenfalls aus § 32b Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO ergeben könnte - nicht begründet.
- 8
- 1. Zu Recht ist das vorlegende Gericht allerdings davon ausgegangen, dass die Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1 ZPO im Streitfall nicht schon deshalb zu verneinen ist, weil die Antragsgegnerinnen nicht zu den Emittenten oder Anbietern der Kapitalanlage gehören. Insoweit genügt vielmehr, dass die Antragsgegnerin zu 2 jedenfalls auch als Verantwortliche für die nach dem beabsichtigten Klagevorbringen zumindest irreführenden Angaben in dem Verkaufsprospekt in Anspruch genommen wird.
- 9
- a) Zutreffend hat das vorlegende Gericht angenommen, dass die Antragsgegnerin zu 2 weder Emittentin noch Anbieterin oder Zielgesellschaft der in Rede stehenden Vermögensanlage ist.
- 10
- aa) Emittent eines Wertpapiers ist derjenige, der es begibt (MünchKommZPO /Patzina, 4. Auflage, § 32b Rn. 4; Musielak/Heinrich, ZPO, 10. Auflage, § 32b Rn. 5; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Auflage, § 32b Rn. 7). Emittent einer sonstigen Vermögensanlage ist derjenige, der sie erstmals auf den Markt bringt und für seine Rechnung unmittelbar oder durch Dritte öffentlich zum Erwerb anbietet (vgl. BT-Drucks. 15/3174, S. 42).
- 11
- Diese Funktion hat die Antragsgegnerin zu 2 im Streitfall nicht wahrgenommen.
- 12
- bb) Anbieter ist derjenige, der für das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen verantwortlich ist und so auch den Anlegern gegenüber auftritt (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2007 - X ARZ 381/06, NJW 2007, 1364 Rn. 11 unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 15/3174, S. 42; Beschluss vom 30. Oktober 2008 - III ZB 92/07, NJW 2009, 513 Rn. 15). Der Anbieter muss nicht zwingend mit dem Emittenten identisch sein. Insbesondere bei Übernahmekonsortien ist als Anbieter anzusehen, wer den Anlegern gegenüber nach außen erkennbar, beispielsweise in Zeitungsanzeigen, als Anbieter auftritt. Wenn der Vertrieb über Vertriebsorganisationen, ein Netz von angestellten oder freien Vermittlern oder Untervertrieb erfolgt, ist derjenige als Anbieter anzusehen , der die Verantwortung für die Koordination der Vertriebsaktivitäten innehat (vgl. BT-Drucks. 15/4999, S. 29; Erbs/Kohlhaas/Wehowsky, Strafrechtliche Nebengesetze , 193. Ergänzungslieferung, § 2 WpPG Rn. 17; Groß, Kapitalmarktrecht , 5. Auflage, § 2 WpPG Rn. 25-28; Müller, Wertpapierprospektgesetz, § 2 Rn. 13).
- 13
- Auch diese Funktion kam der Antragsgegnerin zu 2, wie auch das vorlegende Gericht zutreffend erkannt hat, im Streitfall nicht zu.
- 14
- cc) Eine weitergehende Auslegung, etwa dahin, dass als Anbieter alle diejenigen Personen anzusehen wären, die für falsche, irreführende oder unterlassene Angaben in einem Prospekt verantwortlich sind, stünde mit dem Zweck des § 32b Abs. 1 ZPO nicht in Einklang.
- 15
- § 32b Abs. 1 ZPO soll verhindern, dass die Zuständigkeit für die Beurteilung einer bestimmten öffentlichen Kapitalmarktinformation aufgrund verschiedener Gerichtsstände zersplittert wird.
- 16
- Für den Inhalt eines Prospekts, der öffentliche Kapitalmarktinformationen enthält, kann im Einzelfall eine Vielzahl von Personen verantwortlich sein. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haben für den Inhalt des Prospekts insbesondere diejenigen Personen einstehen, die für die Geschicke des Unternehmens und damit für die Herausgabe des Prospekts verantwortlich sind. Das sind namentlich die Initiatoren, Gründer und Gestalter der Gesellschaft, soweit sie das Management der Gesellschaft bilden oder sie beherrschen , einschließlich der so genannten "Hintermänner". Darüber hinaus haften auch diejenigen, die auf Grund ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Stellung oder auf Grund ihrer Fachkunde eine Art Garantenstellung einnehmen und durch ihre Mitwirkung an der Prospektgestaltung nach außen hin in Erscheinung getreten sind (vgl. nur BGH, Urteil vom 21. Februar 2013 - III ZR 139/12, NJW 2013, 1877 Rn. 11 mwN).
- 17
- Würden alle diese Personen als Anbieter im Sinne von § 32b Abs. 1 ZPO angesehen, käme in zahlreichen Fällen eine Vielzahl von Gerichtsständen in Betracht. Dann könnte eine Zersplitterung der Zuständigkeiten nicht wirksam verhindert werden.
- 18
- b) Zu Recht hat es das vorlegende Gericht für die Begründung eines Gerichtsstandes gemäß § 32b Abs. 1 ZPO als ausreichend angesehen, dass zumindest einer der Beklagten wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation im Sinne von § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Anspruch genommen wird. Diese Voraussetzung ist im Streitfall hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2 erfüllt.
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- Nach dem Wortlaut von § 32b Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO in der seit 1. Dezember 2012 geltenden Fassung ist der besondere Gerichtsstand allerdings nur begründet, wenn die Klage auch gegen den Emittenten, den Anbieter oder die Zielgesellschaft gerichtet ist. Aus der Entstehungsgeschichte und aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt sich jedoch, dass diese neu in den Gesetzestext eingefügte Voraussetzung enger zu interpretieren ist, als dies ihr Wortlaut vorzugeben scheint.
- 20
- aa) Mit der Neufassung des § 32b Abs. 1 ZPO sollte der Anwendungsbereich der Vorschrift erweitert werden.
- 21
- Dabei sollte insbesondere dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Verwendung von öffentlichen Kapitalmarktinformationen durch einen Anlageberater oder -vermittler nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2011 - X ARZ 101/11, NJW-RR 2011, 1137 Rn. 15 mwN) nicht von § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO erfasst wird. Deshalb wurde die Vorschrift um den neu eingefügten Tatbestand in § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO ergänzt (vgl. BT-Drucks. 17/8799, S. 16 und 27).
- 22
- bb) Zugleich wurde in § 32b Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO die zusätzliche Voraussetzung aufgenommen, dass sich die Klage auch gegen den Emittenten, den Anbieter oder die Zielgesellschaft richten muss.
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- Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich der Sitz des Beklagten, etwa eines Anlageberaters oder Anlagevermittlers, in vielen Fällen in örtlicher Nähe zum Kläger befindet, so dass es nicht ohne weiteres angemessen wäre, einen ausschließlichen Gerichtsstand an einem möglicherweise weit entfernten Ort zu begründen (BT-Drucks. 17/8799, S. 27).
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- cc) Entsprechend dieser Zielsetzung ist eine Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1 ZPO zwar zu verneinen, wenn mit der Klage ausschließlich Anlageberater , Anlagevermittler oder sonstige Personen wegen der in § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO aufgeführten Handlungen in Anspruch genommen werden. Eine weitergehende Einschränkung dahin, dass die Zuständigkeit auch bei einer Klage wegen der in § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgeführten Handlungen nur noch dann zu bejahen ist, wenn der Emittent, der Anbieter oder die Zielgesellschaft zu den Beklagten gehören, stünde hingegen in Widerspruch zum Ziel der Neuregelung.
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- Für die in § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgeführten Tatbestände war der besondere Gerichtsstand des § 32b Abs. 1 ZPO nach der bis zum 30. November 2012 geltenden Fassung der Vorschrift auch dann begründet, wenn ausschließlich sonstige Prospektverantwortliche in Anspruch genommen wurden. Dass der Anwendungsbereich der Vorschrift insoweit eingeschränkt werden sollte, erscheint trotz des Wortlauts von § 32b Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO n.F. ausgeschlossen.
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- Die Neuregelung dient wie bereits dargelegt dem Zweck, Klagen gegen Anlageberater und -vermittler in den Anwendungsbereich der Vorschrift einzubeziehen , die damit einhergehende Erweiterung des Anwendungsbereichs aber gewissen Beschränkungen zu unterwerfen. Dass diese Beschränkungen auch die in der früheren Fassung aufgeführten Tatbestände betreffen sollen - mit dem Ergebnis, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift in gewisser Hinsicht eingeschränkt würde - lässt sich weder den Gesetzesmaterialien noch sonstigen Umständen entnehmen.
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- Insbesondere kann die Erwägung, dass Anlageberater oder -vermittler ihren Sitz häufig in örtlicher Nähe zum Kläger haben, nicht ohne weiteres auf den Personenkreis übertragen werden, der typischerweise wegen der in § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgeführten Handlungen in Anspruch genommen wird. Zwar ist angesichts der Vielzahl der als Prospektverantwortliche in Betracht kommenden Personen nicht damit zu rechnen, dass diese ihren Wohnsitz bzw. Sitz regelmäßig im gleichen Gerichtsbezirk haben wie der Emittent oder Anbieter. Anders als bei Anlageberatern oder -vermittlern, die typischerweise in persönlichen Kontakt zum Anleger treten, kann bei Prospektverantwortlichen aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie in vielen Fällen in örtlicher Nähe zum Kläger ansässig sind.
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- Vor diesem Hintergrund kann dem Wortlaut von § 32b Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO, der auch in dieser Konstellation eine Einbeziehung von Emittent, Anbieter oder Zielgesellschaft zu fordern scheint, keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden. Zwar hätte es der Gesetzgeber in der Hand gehabt, die mit der Neuregelung verfolgten Ziele durch eine abweichende Formulierung klarer zum Ausdruck zu bringen, etwa durch eine Regelung des Inhalts, dass der besondere Gerichtsstand in den Fällen von § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO nur dann begründet ist, wenn die Klage zumindest gegen einen Beklagten auf eine der in § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgeführten Handlungen gestützt ist. Auch wenn der Gesetzgeber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, ergibt sich aber aus der Entstehungsgeschichte und der in den Gesetzesmaterialien dokumentierten Zielsetzung der Neuregelung hinreichend deutlich, dass die ihrem Wortlaut nach weitergehende Einschränkung in § 32b Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO nur in diesem Sinne auszulegen ist.
- 29
- 2. Im Streitfall fehlt es dennoch an einem gemeinschaftlichen Gerichtsstand für beide Antragsgegnerinnen. Für die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1 sind die Voraussetzungen des § 32b Abs. 1 ZPO nicht erfüllt , weil das Klagebegehren nicht auf die Verwendung einer öffentlichen Kapitalmarktinformation gestützt wird.
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- Nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO in der seit 1. Dezember 2012 geltenden Fassung gilt der besondere Gerichtsstand zwar auch für Klagen gegen Anlageberater oder -vermittler wegen Verwendung der Kapitalmarktinformation oder wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass die Information falsch oder irreführend ist. Auch nach der Neuregelung ist der Anwendungsbereich der Vorschrift jedoch nur dann eröffnet, wenn ein Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation besteht (BT-Drucks. 17/8799, S. 16).
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- Im Streitfall ist die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1 nicht auf einen solchen Anspruch gestützt. Aus dem vorgelegten Entwurf der Klageschrift ergibt sich nicht, dass der für die Antragsgegnerin zu 1 tätige Anlageberater bei dem Gespräch mit der Antragstellerin und deren Ehemann die von der Antragstellerin als zumindest irreführend angesehenen Prospektangaben verwendet oder eine diesbezügliche Aufklärungspflicht verletzt hat. Die Antragstellerin macht vielmehr geltend, der Anlageberater habe ihr das im Prospekt beschriebene Risiko eines Totalverlusts verschwiegen und der Prospekt sei ihr erst nach Abgabe der Beitrittserklärung übersandt worden. Darin liegt keine Verwendung von öffentlichen Kapitalmarktinformationen im Sinne von § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO.
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- IV. Als zuständiges Gericht bestimmt der Senat das Landgericht Mönchengladbach.
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- Im Bezirk dieses Gerichts haben sowohl die Antragstellerin als auch der für die Antragsgegnerin zu 1 tätig gewordene Anlageberater ihren Sitz. Diesem Gesichtspunkt kommt im Streitfall ein stärkeres Gewicht zu als der Umstand, dass hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2 aufgrund der gegen diese zusätzlich geltend gemachten Prospekthaftungsansprüche der ausschließliche Gerichtsstand des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründet ist und dort nach dem Vortrag der Antragsgegnerinnen bereits eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten zu dem in Rede stehenden Fonds anhängig ist.
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- Im Streitfall liegt der Schwerpunkt des beabsichtigten Klagebegehrens auf dem Vorwurf, der für die Antragsgegnerin zu 1 tätige Anlageberater habe die Antragstellerin und ihren Ehemann nicht über die im Prospekt dargestellten Risiken aufgeklärt.
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- Dem ergänzend gegenüber der Antragsgegnerin zu 2 erhobenen Vorwurf, auch im Prospekt würden die Risiken nicht umfassend und eher verharmlosend dargestellt, kommt demgegenüber schon deshalb weniger Gewicht zu, weil die Antragstellerin nach ihrem Vortrag den Prospekt erst nach Zeichnung der Anlage erhalten hat. Zwar ist ein Prospektfehler auch dann ursächlich für die Anlageentscheidung , wenn der Prospekt nicht vor Vertragsschluss übergeben, aber entsprechend dem Vertriebskonzept der Anlagegesellschaft von den Anlagevermittlern als alleinige Arbeitsgrundlage für ihre Beratungsgespräche benutzt wird (vgl. nur BGH, Urteil vom 6. März 2012 - VI ZR 70/10, WM 2012, 646 Rn. 28). Aus dem beabsichtigten Klagevortrag ergibt sich jedoch nicht, dass der Anlageberater beim Gespräch mit der Antragstellerin und deren Ehemann unzutreffende oder irreführende Prospektangaben verwendet hat. Die Antragstellerin macht vielmehr geltend, der Anlageberater habe nur die im Prospekt aufgeführten Chancen geschildert und ihr durch die verspätete Übergabe des Prospekts die Möglichkeit genommen, sich vor Zeichnung über die erheblichen Risiken zu informieren.
Bacher Deichfuß
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 20.06.2013 - I-5 SA 51/13 -
(1) Dieses Gesetz ist anwendbar in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in denen
- 1.
ein Schadensersatzanspruch wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation, - 2.
ein Schadensersatzanspruch wegen Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, oder - 3.
ein Erfüllungsanspruch aus Vertrag, der auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, einschließlich eines Anspruchs nach § 39 Absatz 3 Satz 3 und 4 des Börsengesetzes, beruht,
(2) Öffentliche Kapitalmarktinformationen sind Informationen über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten, die für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmt sind und einen Emittenten von Wertpapieren oder einen Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen betreffen. Dies sind insbesondere Angaben in
- 1.
Prospekten nach der Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG (ABl. L 168 vom 30.6.2017, S. 12), Wertpapier-Informationsblättern nach dem Wertpapierprospektgesetz und Informationsblättern nach dem Wertpapierhandelsgesetz, - 2.
Verkaufsprospekten, Vermögensanlagen-Informationsblättern und wesentlichen Anlegerinformationen nach dem Verkaufsprospektgesetz, dem Vermögensanlagengesetz, dem Investmentgesetz in der bis zum 21. Juli 2013 geltenden Fassung sowie dem Kapitalanlagegesetzbuch, - 3.
Mitteilungen über Insiderinformationen im Sinne des Artikels 17 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung und des § 26 des Wertpapierhandelsgesetzes, - 4.
Darstellungen, Übersichten, Vorträgen und Auskünften in der Hauptversammlung über die Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen im Sinne des § 400 Absatz 1 Nummer 1 des Aktiengesetzes, - 5.
Jahresabschlüssen, Lageberichten, Konzernabschlüssen, Konzernlageberichten sowie Halbjahresfinanzberichten des Emittenten und in - 6.
Angebotsunterlagen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.