Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 27. März 2015 - I-3 Wx 197/14
Tenor
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Das Nachlassgericht wird angewiesen, der Beteiligten zu 1. auf ihren Antrag vom 12. September 2012 einen sie als Alleinerbin nach dem Erblasser ausweisenden Erbschein zu erteilen.
Geschäftswert: 32.000 €.
1
G r ü n d e :
2Das gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 2, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG als befristete Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Beteiligten zu 1., das nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen ist (§ 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. FamFG), hat auch in der Sache Erfolg. Dies führt in einem Fall unterbleibender Zulassung der Rechtsbeschwerde – wie hier – zur unmittelbaren Anweisung zur Erteilung eines dem Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1. entsprechenden Erbscheins an das Nachlassgericht (vgl. Keidel-Zimmermann, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 352 Rdnr. 157).
31.
4Der Erblasser hinterließ ein von ihm handschriftlich geschriebenes und unterschriebenes Schriftstück mit Datum vom 30. August 2012, das lautet:
5„TestamentSehr geehrte Damen und Herren,
6ich vermache sämtliche Sachgüter in dieser Wohnung K. U. H.. Mein gesamtes Bargeld ebenso. Sie weiß, wo dieses zu finden ist. Die Summe beläuft sich auf 49.000 €.“
72.
8Aufgrund dieses eigenhändigen Testaments ist die Beteiligte zu 1. Alleinerbin nach dem Erblasser geworden.
9a)
10Das Schriftstück ist gemäß § 2247 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 BGB als eigenhändiges Testament formwirksam.
11b)Nach den im Senatstermin vom 12. März 2015 zutage getretenen wahrscheinlichen Hintergründen für den Freitod des Erblassers besteht kein Anlass, in Ermittlungen hinsichtlich seiner Testierfähigkeit (§ 2229 Abs. 4 BGB) einzutreten.
12c)
13Das Testament ist als Einsetzung der Beteiligten zu 1. zur Alleinerbin auszulegen.
14aa)
15Der bloße, auf ein Vermächtnis hindeutende Wortlaut der letztwilligen Verfügung steht diesem Ergebnis nach dem Rechtsgedanken des § 2084 BGB umso weniger entgegen, als der Erblasser nicht juristisch vorgebildet war.
16bb)Die Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB findet im vorliegenden Fall keine Anwendung, weil der Erblasser den Nachlass zwar gegenständlich aufgliederte, ihn hierbei aber erschöpfte und der Beteiligten zu 1. zuwandte.
17Das bedarf für das Wohnungsinventar und das Bargeld im engen, effektiven Sinne keiner weiteren Begründung. Sodann spricht angesichts des Mietvertrages wie auch des Umstandes, dass es um einen bloßen Garagenstellplatz – nicht um ein selbständiges Garagengebäude – ging, nichts dafür, dass der Erblasser zwischen Wohnung und Unterbringungsmöglichkeit für den PKW unterschied und den Begriff „Wohnung“ nicht, wie umgangssprachlich weithin üblich, als gleichbedeutend mit dem Ort des Lebensmittelpunktes verstand; dann umfasste die Zuwendung an die Beteiligte zu 1. auch den PKW.
18Vor allem ist der Begriff „Bargeld“ im Testament des Erblassers zu verstehen als Geld oder Geldanlagen, mithin nach betriebswirtschaftlicher Sichtweise im Sinne liquider Vermögenswerte. Zwar handelte es sich bei dem Erblasser um einen Studenten der Informatik, der nach der Rechtsmittelbegründung nur über eine geringe Lebenserfahrung im allgemeinen verfügte. Die Erörterungen und Ermittlungen im Senatstermin haben indes ergeben, dass er speziell beim Umgang mit Geld und Finanzwerten eine deutliche Gewandtheit zeigte und in einem auf den Namen seiner Großmutter lautenden Depot neben Anteilen an einem offenen Immobilienfonds auch ein Finanzprodukt für eher erfahrene Anleger hielt. Darüber hinaus musste dem Erblasser bei Abfassung seiner letztwilligen Verfügung, die dem Freitod unmittelbar vorausging, klar sein, dass zwischen der von ihm ausdrücklich angegebenen Summe und dem tatsächlich vorhandenen Bargeld im engeren Sinne ein eklatanter Widerspruch bestanden hätte. Dem Umstand schließlich, dass sich nach den Ermittlungen des Senats das Geldvermögen des Erblassers – auf eigenen und auf fremden Namen lautend – eher auf 27.000 € als auf 49.000 € belaufen haben dürfte, kommt keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Zum einen bleibt nach den Erkenntnissen zum Hintergrund des Freitodes des Erblassers die Möglichkeit offen, dass er über weitere Geldwerte auf im Senatstermin nicht behandelten Konten oder Depots auf eigenen Namen verfügte. Zum anderen und vor allem muss davon ausgegangen werden, dass, wenn der Erblasser der Beteiligten zu 1. Geldwerte von knapp 50.000 € zuwenden wollte, er dies bezüglich einer Summe von unter 30.000 € „erst recht“ wollte; zweifelhaft wäre lediglich der – nicht gegebene – Fall, dass die Ermittlungen zutage gefördert hätten, der Erblasser sei Inhaber von Geldwerten deutlich über 49.000 € gewesen.
193.
20a)
21Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen.
22Erstinstanzlich sind Gerichtskosten allein wegen der Beantragung eines Erbscheins entstanden, und diese hätte die Beteiligte zu 1. selbst dann zu tragen, wenn ihrem Antrag niemand entgegengetreten wäre. Für das Verfahren über die erfolgreiche Beschwerde fallen Gerichtskosten nach den Vorschriften der hier noch anwendbaren Kostenordnung nicht an.
23Nach Auffassung des Senats entspricht es nicht billigem Ermessen (vgl. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG), den Beteiligten zu 3. mit einer Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1. zu belasten. Von den Sachverhaltsgestaltungen des § 81 Abs. 2 FamFG ist der vorliegende Fall deutlich entfernt. Hinzu treten die besonderen Umstände des Todes des Erblassers.
24b)
25Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO i.V.m.§ 107 Abs. 2 Satz 1 KostO analog.
26c)
27Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor, weil die entscheidungstragenden Erwägungen des Senats allein auf den gegebenen Einzelfall bezogen sind.
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(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(2) Der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegen auch die nicht selbständig anfechtbaren Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgegangen sind.
(1) Der Erblasser kann ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten.
(2) Der Erblasser soll in der Erklärung angeben, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) und an welchem Ort er sie niedergeschrieben hat.
(3) Die Unterschrift soll den Vornamen und den Familiennamen des Erblassers enthalten. Unterschreibt der Erblasser in anderer Weise und reicht diese Unterzeichnung zur Feststellung der Urheberschaft des Erblassers und der Ernstlichkeit seiner Erklärung aus, so steht eine solche Unterzeichnung der Gültigkeit des Testaments nicht entgegen.
(4) Wer minderjährig ist oder Geschriebenes nicht zu lesen vermag, kann ein Testament nicht nach obigen Vorschriften errichten.
(5) Enthält ein nach Absatz 1 errichtetes Testament keine Angabe über die Zeit der Errichtung und ergeben sich hieraus Zweifel über seine Gültigkeit, so ist das Testament nur dann als gültig anzusehen, wenn sich die notwendigen Feststellungen über die Zeit der Errichtung anderweit treffen lassen. Dasselbe gilt entsprechend für ein Testament, das keine Angabe über den Ort der Errichtung enthält.
(1) Ein Minderjähriger kann ein Testament erst errichten, wenn er das 16. Lebensjahr vollendet hat.
(2) Der Minderjährige bedarf zur Errichtung eines Testaments nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters.
(3) (weggefallen)
(4) Wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, kann ein Testament nicht errichten.
Lässt der Inhalt einer letztwilligen Verfügung verschiedene Auslegungen zu, so ist im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen, bei welcher die Verfügung Erfolg haben kann.
(1) Hat der Erblasser sein Vermögen oder einen Bruchteil seines Vermögens dem Bedachten zugewendet, so ist die Verfügung als Erbeinsetzung anzusehen, auch wenn der Bedachte nicht als Erbe bezeichnet ist.
(2) Sind dem Bedachten nur einzelne Gegenstände zugewendet, so ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass er Erbe sein soll, auch wenn er als Erbe bezeichnet ist.
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
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- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.