Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 18. Nov. 2015 - 3 Ss OWi 1218/15

published on 18/11/2015 00:00
Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 18. Nov. 2015 - 3 Ss OWi 1218/15
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Gründe

Oberlandesgericht Bamberg

3 Ss OWi 1218/15

Beschluss

vom 18.11.2015

Titel:

Normenkette:

Leitsätze:

Zum Sachverhalt:

Die Stadt Q. erließ am 26.02.2015 einen Bußgeldbescheid gegen den Betr. mit folgendem Inhalt: „Sie werden beschuldigt, folgende Ordnungswidrigkeit begangen zu haben: Am Samstag, 22.11.2014 haben in Q., in der Wohnung am D.-Wall 94 mehrere Jugendliche und Kinder im Alter zwischen 13 und 17 Jahren eine Feier veranstaltet. Sie wiesen alle einen unterschiedlichen Alkoholisierungsgrad auf. Das Bier und die Flasche Wodka haben Sie von Ihnen erhalten, obwohl die Abgabe von Alkohol (Branntwein und branntweinhaltige Getränke) an unter 18-jährigen nicht zulässig ist. Hierdurch handelten Sie ordnungswidrig nach §§ 9 Abs. 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Nr. 10 Jugendschutzgesetz (JuSchG)“. Auf seinen Einspruch verurteilte das AG den Betr. am 23.07.2015 wegen vorsätzlicher Abgabe alkoholischer Getränke zu einer Geldbuße von 300 €. Die hiergegen eingelegte, mit der Verletzung materiellen Rechts begründete Rechtsbeschwerde des Betr. führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Einstellung des Verfahrens durch das OLG.

Aus den Gründen:

I. Die nach § 79 I Nr. 1 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Es besteht ein Verfahrenshindernis, weil der Bußgeldbescheid vom 26.02.2015 unwirksam ist.

1. Ein Bußgeldbescheid muss nach § 66 I Nr. 3 OWiG - ebenso wie der Strafbefehl (§ 409 I 1 StPO), welchem er nachgebildet ist - unter anderem die Tat, die dem Betr. zur Last gelegt wird, sowie Zeit und Ort ihrer Begehung bezeichnen. Neben der sog. Informationsfunktion ist es Aufgabe eines Bußgeldbescheids, den Tatvorwurf in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Tatvorwürfen abzugrenzen (sog. Abgrenzungsfunktion). Erfüllt ein Bußgeldbescheid diese Aufgabe nicht, fehlt es an einer Prozessvoraussetzung (BGHSt 23, 336/338 ff.; OLG Bamberg, Beschl. v. 12.08.2008 - 3 Ss OWi 896/08 = DAR 2009, 155 = OLGSt OWiG § 66 Nr. 11 m. w. N.). Das Verfahren ist in einem solchen Fall einzustellen (§§ 46 I OWiG, 206a StPO).

2. Seine Abgrenzungsfunktion erfüllt der Bußgeldbescheid in sachlicher Hinsicht nur dann, wenn nach seinem Inhalt kein Zweifel über die Identität der Tat entstehen kann, wenn also zweifelsfrei feststeht, welcher Lebensvorgang erfasst und geahndet werden soll (BGH und OLG Bamberg a. a. O.; vgl. zuletzt u. a. auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.02.2014 - 2 Ss 616/13 = VerkMitt 2014, Nr. 28 = wistra 2014, 285 = VRS 126, 106 [2014] = OLGSt OWiG § 29a Nr. 11; ferner KK/Kurz OWiG 4. Aufl. § 66 Rn. 10, jeweils m. w. N.). Durch welche tatsächlichen Angaben der Tatvorgang hinreichend abgegrenzt wird, lässt sich nicht allgemein sagen, dies ist Sache des Einzelfalls. Die Frage, ob ein Bußgeldbescheid seiner Abgrenzungsfunktion gerecht wird, ist im Gegensatz zur Informationsfunktion allein aus dem Bußgeldbescheid ohne Hilfe anderer Erkenntnisquellen, wie etwa des Akteninhalts zu beantworten (BGH a. a. O.; KK/Kurz a. a. O.).

3. Nach diesem Maßstab ist der Bußgeldbescheid vom 26.02.2015 unwirksam.

a) Bußgeldbewehrt nach § 9 I JuSchG ist nicht der Konsum von Alkohol durch Kinder oder Jugendliche, sondern u. a. die Abgabe von Branntwein oder branntweinhaltigen Getränken in der Öffentlichkeit an Kinder oder Jugendliche (§ 9 I Nr. 1 JuSchG) bzw. die Abgabe anderer alkoholischer Getränke in der Öffentlichkeit an Kinder oder Jugendliche unter 16 Jahren (§ 9 I Nr. 2 JuSchG).

b) Der Bußgeldbescheid vom 26.02.2015 konkretisiert in sachlicher Hinsicht das dem Betr. zur Last gelegte Verhalten nicht. Aus ihm geht weder hervor, an welche konkreten Kinder oder Jugendliche der Betr. Alkohol abgegeben haben soll, noch grenzt er in zeitlicher Hinsicht ab, wann dies der Fall gewesen sein soll. Aus der Information, dass Jugendliche und Kinder am 22.11.2014 in der Wohnung am D.-Wall 94 in Q. eine Feier veranstalteten, folgt dies gerade nicht, da die Möglichkeit besteht, dass diese ihre Feier aus einem mehr oder weniger längere Zeit vor der Feier erworbenen Alkoholvorrat bestritten. Auch ist die konkrete, dem Betr. vorgeworfene Tat gerade nicht durch bestimmte Tatumstände so genau individualisiert, dass unabhängig von den fehlenden vorgenannten Informationen kein Zweifel über deren Identität aufkommen kann. Der Vorwurf, Kinder und Jugendliche hätten Bier und Wodka vom Betr. erhalten, ist inhaltlich so unkonkret und allgemein gehalten, dass eine Verwechslungsgefahr zwischen dem dem Betr. vorgeworfenen Sachverhalt und anderen, möglicherweise ähnlich gelagerten Sachverhalten besteht.

II. Aufgrund des aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mangels ist das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben (§ 79 IIII 1 OWiG, § 353 StPO) und das Verfahren nach §§ 46 I OWiG, § 206a StPO wegen des Vorliegens eines Verfahrenshindernisses einzustellen. […]

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(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.
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published on 26/02/2014 00:00

Tenor Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Rottweil vom 28. Januar 2013 mit den Feststellungen a u f g e h o b e n .
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

(1) Der Bußgeldbescheid enthält

1.
die Angaben zur Person des Betroffenen und etwaiger Nebenbeteiligter,
2.
den Namen und die Anschrift des Verteidigers,
3.
die Bezeichnung der Tat, die dem Betroffenen zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit und die angewendeten Bußgeldvorschriften,
4.
die Beweismittel,
5.
die Geldbuße und die Nebenfolgen.

(2) Der Bußgeldbescheid enthält ferner

1.
den Hinweis, daß
a)
der Bußgeldbescheid rechtskräftig und vollstreckbar wird, wenn kein Einspruch nach § 67 eingelegt wird,
b)
bei einem Einspruch auch eine für den Betroffenen nachteiligere Entscheidung getroffen werden kann,
2.
die Aufforderung an den Betroffenen, spätestens zwei Wochen nach Rechtskraft oder einer etwa bestimmten späteren Fälligkeit (§ 18)
a)
die Geldbuße oder die bestimmten Teilbeträge an die zuständige Kasse zu zahlen oder
b)
im Falle der Zahlungsunfähigkeit der Vollstreckungsbehörde (§ 92) schriftlich oder zur Niederschrift darzutun, warum ihm die fristgemäße Zahlung nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, und
3.
die Belehrung, daß Erzwingungshaft (§ 96) angeordnet werden kann, wenn der Betroffene seiner Pflicht nach Nummer 2 nicht genügt.

(3) Über die Angaben nach Absatz 1 Nr. 3 und 4 hinaus braucht der Bußgeldbescheid nicht begründet zu werden.

(1) Hat der Täter durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung oder für sie etwas erlangt und wird gegen ihn wegen der Handlung eine Geldbuße nicht festgesetzt, so kann gegen ihn die Einziehung eines Geldbetrages bis zu der Höhe angeordnet werden, die dem Wert des Erlangten entspricht.

(2) Die Anordnung der Einziehung eines Geldbetrages bis zu der in Absatz 1 genannten Höhe kann sich gegen einen anderen, der nicht Täter ist, richten, wenn

1.
er durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung etwas erlangt hat und der Täter für ihn gehandelt hat,
2.
ihm das Erlangte
a)
unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder
b)
übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, oder
3.
das Erlangte auf ihn
a)
als Erbe übergegangen ist oder
b)
als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist.
Satz 1 Nummer 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen wurde.

(3) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist.

(4) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden. § 18 gilt entsprechend.

(5) Wird gegen den Täter ein Bußgeldverfahren nicht eingeleitet oder wird es eingestellt, so kann die Einziehung selbständig angeordnet werden.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.