Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 16. Juni 2015 - L 7 SB 92/13

Gericht
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.
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Der am ... 1969 geborene Kläger beantragte am 16. Juli 2010 beim Beklagten die Feststellung von folgenden Behinderungen: generalisierte Angststörung, phobische Störungen, Panikstörungen, Hypertonie, Stoffwechselstörungen, Schilddrüsenoperation. Der Beklagte zog einen Befundschein der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom 18. August 2010 bei, die eine generalisierte Angst- und Panikstörung diagnostizierte. Der Kläger habe Ängste beim Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel oder bei Begegnungen in Menschenmengen. Er könne teilweise die Stadt H. nicht verlassen, um seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Unter Psychopharmaka (Beruhigungsmedikation) könne er öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Auch das Autofahren sei nur unter großen Anstrengungen möglich. Der Kläger habe eine Verhaltenstherapie begonnen, sodass prognostisch von einer Verbesserung der Gesamtsituation auszugehen sei. Der Facharzt für Innere Medizin Prof. Dr. M. diagnostizierte mit Befundschein vom 28. September 2010 einen Hypogonadismus mit Hypotestosteronämie, eine Hypertonie, eine gemischtförmige Hyperlipidproteinämie, eine Hyperurikämie, einen Zustand nach Thyreoidektomie und eine psychosomatische Störung (Panikattacken). Dadurch bestünden eine signifikante Leistungsminderung und eine Störung der Befindlichkeit. In den Abendstunden bestünden Blutdruckwerte systolisch über 145 mmHg. Die diastolischen Blutdruckwerte lägen im Laufe des Tages häufig über 95 mmHg. Derzeit erhalte der Kläger folgende Medikamente: Blopress, L-Thyroxin, Testogel 20 bzw. 50 mg im täglichen Wechsel. In Anlage übersandte er eine Langzeitblutdruckmessung vom 9. Februar 2010 (Tag: 127/80 mmHg, Nacht 122/67 mmHg) sowie folgende Laborwerte: TSH vom 2. November 2009: 2,1 (Richtwert 0,4 bis 4,0); Testosteron (Richtwert 262 bis 1593) vom 3. November 2009: 216, 10. Dezember 2009: 172, 8. Februar 2010: 248. In Auswertung dieser Befunde schlug die ärztliche Gutachterin des Beklagten Dr. S. für die psychische Gesundheitsstörung einen GdB von 30 vor. Dem folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 30. November 2010 beim Kläger einen GdB von 30 fest.
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Dagegen erhob der Kläger am 17. Dezember 2010 Widerspruch, weil schon die psychische Gesundheitsstörung mit einem GdB von 50 zu bewerten sei. Es sei von einer schweren Störung mit mindestens mittelgradig schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten auszugehen. Er leide unter massiven Einschlaf- und Durchschlafstörungen, die wiederum erhebliche Konzentrationsstörungen bei den privaten und dienstlichen Tätigkeiten verursachten. Er neige zum Grübeln und Sinnieren. Folgen der Angststörungen seien auch Störungen bei der sinnlichen Wahrnehmung, die sich insbesondere durch eine Überempfindlichkeit gegenüber bestimmten Reizen (z. B. Neonlicht in Kaufhäusern oder öffentlichen Einrichtungen) äußerten. Die Panikattacken beträfen öffentliche Verkehrsmittel und auch spontane Begegnungen mit einer zufällig sich bildenden Menschenmenge. Durch die mangelnde Kontaktfähigkeit und die ausgeprägte Neigung zum sozialen Rückzug habe er langfristige soziale Störungen. Die Gefahr einer totalen sozialen Isolierung wachse. Autofahren sei ihm nur unter großen Anstrengungen möglich. Die Einnahme der Medikamente könne die Störungen nur mäßig mildern. Fülle sich die Bahn mit Fahrgästen übermäßig, sei er kaum in der Lage, die Reststrecke mit dem Verkehrsmittel zurückzulegen. Durch die Einnahme der Medikamente und die Angststörungen träten Störungen der Affekte und Gefühle auf. Er leide unter Verstimmungen und es bestehe eine erhöhte Erregbarkeit, die ihrerseits die Neigung zum sozialen Rückzug begünstige. Dadurch verliere er sein Selbstvertrauen. Außerdem sei die Hypertonie mit einem GdB von mindestens 10 zu bewerten, da trotz der Behandlung erhöhte Werte aufträten. Auch die Stoffwechselstörung sei mit einem GdB von mindestens 10 zu bewerten. Außerdem müsse er eine lebenslange Diät durch die Reduzierung einer energiereichen und lipidhaltigen Ernährung führen. So müsse er zuckerhaltige Lebensmittel und Backwaren weitgehend vermeiden. Auch müsse er auf eine erhebliche Ballaststoffzufuhr achten. Die Lebenseinschränkung durch das Einhalten einer Diät sei bei der Bemessung des GdB zu berücksichtigen. Auch die Folgen der Schilddrüsenoperation seien mindestens mit einem GdB von 10 zu bewerten. Die Schilddrüse sei entfernt worden, um die phobische Störung zu lindern. Doch hätten sich danach die Panikattacken sogar verstärkt. Daher sei von einer bedeutsamen Leistungsminderung auszugehen. Insgesamt sei daher ein GdB von 60 festzustellen. Der Kläger übersandte einen Laborbericht der Praktischen Ärztin Dipl.-Med. S., wonach am 21. April 2011 der TSH-Wert mit 2,66 und der Testosteronwert mit 2,02 (Norm 2,8 bis 8,00) festgestellt worden war. Aufgrund des erniedrigten Testosteronwerts schlug die ärztliche Gutachterin des Beklagten S.-S. für den Hypogonadismus mit Hypotestosteronanämie einen GdB von 20 ohne Erhöhung des Gesamt-GdB vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2011 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte aus: Der Zustand nach der Schilddrüsenoperation mit Substitutionsbehandlung und die Fettstoffwechselstörung bedingten keinen Einzel-GdB von mindestens 10. Der Hypogonadismus (GdB 20) und der Bluthochdruck (GdB 10) hätten keine Auswirkungen auf den Gesamt-GdB.
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Am 4. August 2011 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben. Er hat die Feststellung eines GdB von 50 beantragt und ergänzend vorgetragen: Die Störung des Hormonhaushaltes sei mit einem GdB von 30 zu bewerten, weil der Hypogonadismus zur Abnahme der Libido bis hin zu deren Verlust und der Abnahme der Vitalität führe. Auch habe dieser eine depressive Entwicklung zur Folge und verstärke die Symptome der bestehenden Angststörung.
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Das SG hat zunächst von Dr. S. einen Befundbericht vom 12. Januar 2012 eingeholt, die eine generalisierte Angststörung mit Panikattacken diagnostiziert hat. Sie hat im Einzelnen ausgeführt: Der Kläger habe wegen seiner beruflichen Situation nur wenige verhaltenstherapeutische Sitzungen in Anspruch nehmen können. Dabei seien verhaltenstherapeutisch schützende Elemente besprochen und durch den Kläger realisiert worden. Er könne auch wieder die Strecke zwischen H. und M. selbständig mit dem Auto bewältigen. Weitere Entfernungen seien nach wie vor durch Ängste blockiert. Außerdem habe der Kläger teilweise Ängste bei Kontakten mit anderen Menschen und bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sowie teilweise Kontrollverlustängste, die unter Therapie deutlich reduziert seien. Bei überdurchschnittlicher intellektueller Befähigung bestünden keine Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen. Es liege eine ausreichende soziale Integration und eine ausreichende Tagesstrukturierung vor. Auch seien zu keinem Zeitpunkt Kontaktschwächen nachweisbar gewesen. Derzeit liege auch keine depressive Störung vor. Prof. Dr. M. hat in seinem Befundbericht vom 23. Februar 2012 auf die letzte Behandlung im Februar 2010 hingewiesen. Zu diesem Zeitpunkt habe unter Medikation eine euthyreote Schilddrüsenfunktion ohne Organkomplikationen vorgelegen. Die Blutdruckwerte lägen unter Therapie etwa im Normbereich. Die Belastungsergometrie (bis 125 Watt) habe unter antihypertensiver Therapie keinen pathologischen Blutdruckanstieg und keine pathologische Herzfrequenzsteigerung gezeigt. Der Hypogonadismus sei subklinisch.
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In Auswertung dieser Befundberichte hat der Beklagte auf die prüfärztliche Stellungnahme seiner Gutachterin S.-S. vom 15. März 2012 verwiesen, wonach unter Behandlung bereits eine partielle Besserung der psychischen Störung eingetreten sei. Der Kläger könne auch seinen beruflichen Verpflichtungen nachkommen. Die bestehenden Behandlungsoptionen seien bei Weitem noch nicht ausgeschöpft (keine voll- oder teilstationäre psychiatrische Behandlung, keine Rehabilitation, ambulante Verhaltenstherapie nur im Umfang von wenigen Stunden). Die geltend gemachten kognitiven Störungen habe die Nervenärztin nicht bestätigen können. Es sei auch nicht erkennbar, ob bei den nur subklinischen (sehr diskreten) Auswirkungen der Hypotestosteronämie überhaupt eine Substitutionsbehandlung für notwendig erachtet worden sei. Daher sei für den Hypogonadismus mit Hypotestosteronämie weiterhin ein GdB von 20 vorzuschlagen. Der Bluthochdruck ohne Folgeerkrankungen sei mit einem GdB von 10 zu bewerten. Für die Schilddrüsenerkrankung sei kein GdB festzustellen, da unter der Substitutionsbehandlung eine euthyreote (normale) Stoffwechsellage bestehe. Die Fettstoffwechselstörung ohne Folgeerkrankungen rechtfertige keinen GdB.
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Der Kläger hat einen Laborbefund vom März 2012 (Testosteronwert vom 24. Februar 2012: 2,63) und den Entlassungsbericht der Inselklinik H. vom 9. Juli 2010 über die Behandlung vom 25. Mai bis 15. Juni 2010 vorgelegt. In H. waren folgende Diagnosen gestellt worden: Spezifische Phobien, situativer Typ mit Panikattacken, arterielle Hypertonie, Zustand nach Thyreoidektomie, Hypogonadismus mit Hypotestosteronämie, gemischte Hyperlipidämie. Weiter war im Bericht ausgeführt worden: Aufgrund der medikamentösen Behandlung könne der Kläger wieder kurze Strecken bis 100 Kilometer mit dem Auto fahren. An circa zwei Tagen in der Woche nehme er vor einer längeren Autofahrt jeweils eine halbe Tablette als Bedarfsmedikation. Er habe lange unter Schlafstörungen gelitten, seitdem ihm Mirtazapin verordnet worden sei, könne er wieder gut schlafen. Bei dem ledigen und kinderlosen Kläger bestünden gute soziale Kontakte. Hinweise auf Gedächtnis-, Wahrnehmungs-, Konzentrations-, Denk- oder Merkfähigkeitsstörungen hätten nicht bestanden. Die psychologische Testdiagnostik habe keine aktuelle depressive Symptomatik gezeigt. Zeichen einer kardiopulmonalen Dekompensation hätten nicht vorgelegen.
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Schließlich hat das SG ein Gutachten durch den Diplom-Psychologen G. vom 26. August 2012 erstatten lassen. Dieser hat eine Agoraphobie mit Panikstörung festgestellt und dafür einen GdB von 40 vorgeschlagen, weil die Teilhabe im beruflichen Bereich und im Freizeitbereich beeinträchtigt sei. Der Kläger sei beim Autofahren wesentlich eingeschränkt. Die medikamentöse Behandlung vor Benutzen des PKWs sei keine adäquate Therapie. Dadurch werde die Angst zwar reguliert und das Fahren mit dem Auto möglich, aber auch das Vermeidungsverhalten verdeckt. Außerdem sei die gesellschaftliche Teilhabe aufgrund der Angsterkrankung betroffen (z. B. Kino, Theater, soziale Kontakte). Die ebenfalls eingeschränkte Versorgung (keine großen Kaufhäuser, Meidung von Menschenansammlungen) werde teilweise kompensiert (Internet, kleine Märkte). Durch die Schlafstörungen ergäben sich als Sekundärfolgen Konzentrationsstörungen, die die Leistungsfähigkeit aber nicht wesentlich einschränkten. Insgesamt bestünden Störungen mit Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sowie leichte soziale Anpassungsschwierigkeiten. Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten lägen nicht vor. Der Kläger habe Kompensationsmöglichkeiten und es bestehe nicht die Notwendigkeit umfassender Unterstützung oder sonstiger Integrationshilfen. Es sei zu berücksichtigen, dass eine ausreichende Psychotherapie ihm berufsbedingt durch wechselnde Arbeitsorte nicht möglich sei. Eine klinisch relevante Depression liege nicht vor.
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In Auswertung des Gutachtens hat der Beklagte auf die Stellungnahme von Frau S.-S. vom 17. Oktober 2012 hingewiesen. Danach sei ein GdB von 40 nicht gerechtfertigt. Trotz der nunmehr fünfjährigen Symptomatik sei keine intensive Behandlung erfolgt, was als indirekter Hinweis auf einen sehr geringen bis fehlenden Leidensdruck zu werten sei. Mit der Berufstätigkeit vereinbare Therapieoptionen seien nie in Anspruch genommen worden.
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Schließlich hat das SG einen Befundbericht des Dr. S. (Oberarzt der Klinik für Innere Medizin II, Krankenhaus M.-M. H.-D.) vom 15. April 2013 eingeholt, der über die erstmalige Behandlung des Klägers am 9. März 2013 wegen eines obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms mit der Notwendigkeit einer nächtlichen Überdruckbeatmung (nasale Auto-CPAP) berichtet hat. Während der Behandlung habe sich eine sehr gute Einstellung ergeben. Mit Bericht vom 8. April 2013 an die Krankenkasse des Klägers hatte Dr. S. um Übernahme der Kosten für das nCPAP-Gerät gebeten.
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In Auswertung dieses Befundes hat sich der Beklagte mit Schreiben vom 23. Mai 2013 aufgrund des Schlafapnoe-Syndroms vergleichsweise bereit erklärt, ab April 2013 einen GdB von 40 festzustellen. Dieser Angebot hat der Kläger zunächst nicht angenommen und vorgetragen: Für das Schlafapnoe-Syndrom sei ein höherer GdB als 20 festzustellen, weil er mindestens zwei- bis dreimal in der Woche das Beatmungsgerät abnehmen müsse, da er andernfalls Panikattacken erleide. Ergänzend hat Dr. S. auf die gerichtliche Nachfrage am 5. August 2013 mitgeteilt, eine Unmöglichkeit der nasalen Überdruckbeatmung sei ihm nicht bekannt. Schließlich hat der Kläger eine ärztliche Bescheinigung der praktischen Ärztin Dipl.-Med. S. vom 5. September 2013 vorgelegt, wonach er unter einem chronischen Erschöpfungszustand infolge eines Schlafapnoe-Syndroms leide. Das Tragen der Sauerstoffmaske sei wesentlich unangenehmer und schwieriger als gedacht. Er habe am Morgen Druckstellen und Rötungen im Gesicht. Es träten vermehrt Rachenbeschwerden, Mundtrockenheit, Halsschmerzen und Stimmprobleme auf. Das Gerät verstärke die bereits vorhandenen Ein- und Durchschlafstörungen. Bis zu zweimal wöchentlich leide der Kläger unter psychischen Problemen wie Angstzuständen und/oder Panikattacken, so dass er die Maske nachts nicht tragen könne. Daher sei eine kontinuierliche nasale Überdruckbeatmung bei ihm nicht jeden Tag möglich. Diese Teilunverträglichkeit aufgrund der psychischen Erkrankung führe zur Müdigkeit und Leistungsminderung am Tag und sei zu berücksichtigen.
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In der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2013 hat der Kläger das Teilanerkenntnis des Beklagten vom 23. Mai 2013 angenommen. Mit Urteil vom gleichen Tag hat das SG die weitergehende Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Für die Agoraphobie mit Panikstörung sei ein GdB von 30 angemessen. Hinsichtlich der leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten bestünden Kompensationsmöglichkeiten. Der Kläger pflege durchaus soziale Kontakte und gehe einer Vollzeitbeschäftigung nach. Eine psychotherapeutische Behandlung finde nicht statt. Wegen des niedrigen Testosteronspiegels sei ein GdB von 20 angemessen, weil sich aus dem Laborbefund keine Angaben zu einer dauerhaften Hormonsubstitution ergäben. Das Schlafapnoe-Syndrom sei mit einem GdB von 20 zu bewerten, da keine Unmöglichkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung vorliege. Der Kläger könne lediglich bis zu zweimal wöchentlich die Maske nicht tragen. Für den gut eingestellten Blutdruck könne kein höherer GdB als 10 angenommen werden. Die einer Substitutionsbehandlung zugängliche Schilddrüsenerkrankung bedinge bei einer normalen Stoffwechsellage keinen GdB. Gleiches gelte für die Fettstoffwechselstörung, weil Folgeerkrankungen nicht beschrieben seien. Insgesamt sei ein GdB von 40 festzustellen. Die durch das psychische Leiden bestehenden Ein- und Durchschlafstörungen könnten nicht noch einmal bei den Folgen des Schlafapnoe-Syndroms berücksichtigt werden, da sich eine Doppelbewertung verbiete.
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Gegen das ihm am 4. November 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. November 2013 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und ergänzend vorgetragen: Die Berichte von Dr. S. und Prof. Dr. M. sowie der Entlassungsbericht der Inselklinik H. bestätigten mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Dipl.-Psychologen G. müsse mindestens ein GdB von 40 für die psychische Erkrankung angenommen werden. Im Übrigen lebe er deshalb ungewollt allein und sei kinderlos, weil er die beschriebenen Behinderungen habe. Die mangelnde Ausgleichbarkeit des Hormonhaushaltes durch Substitution sei mit einem GdB von mindestens 30 zu bewerten. Hinsichtlich des Schlafapnoe-Syndroms sei zu berücksichtigen, dass die mit der Überdruckbeatmung auftretenden Beschwerden die seelische Beeinträchtigung weiter verstärkten.
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Mit Ausführungsbescheid vom 8. November 2013 hat der Beklagte beim Kläger ab 1. April 2013 einen GdB von 40 festgestellt.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 26. September 2013 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 30. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 2011 sowie den Ausführungsbescheid vom 8. November 2013 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm ab 16. Juli 2010 einen GdB von mindestens 50 festzustellen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Nach seiner Auffassung liegen auch nach den weiteren medizinischen Ermittlungen die Voraussetzungen für einen GdB von 50 nicht vor.
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Der Senat hat weitere Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers eingeholt. Dr. S. hat am 24. Juni 2014 ergänzend mitgeteilt: Der Kläger zeige insbesondere ein Vermeidungsverhalten bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, auch könne er mit dem eigenen PKW keine größere Strecken (weitere Entfernungen als nach M. oder B.) bewältigen. Er könne zwar Auswärtstermine in Kombination von Zugfahren oder Taxibenutzung wahrnehmen. An den Tagen zuvor sei er aber angespannt, leicht erregbar, schweißig und innerlich unruhig, sodass sich eine weitere Medikation von Mirtazapin erforderlich gemacht habe. Der Kläger erhalte nunmehr eine durchgehende antidepressive Medikation. Er sei hochmotiviert und besuche regelmäßig die psychotherapeutischen Konsultationen bei Dr. J. Unter der medikamentösen und psychotherapeutischen Therapie habe das Vermeidungsverhalten deutlich reduziert werden können. Dennoch sei nach wie vor eine Beeinträchtigung der Gestaltungs- und Freizeitaktivität und auch des beruflichen Alltages durch die Angststörung vorhanden. Er habe immer wieder Umstellungsprobleme, sodass selbst kleine neue Aufgaben für ihn eine Herausforderung darstellten. Er sei aber immer nur für sehr kurze Zeit arbeitsunfähig. Wenn der Arbeitsdruck sehr stark sei, könne er Bahn- oder Autofahrten neben der bestehenden angespannten Angstsituation nicht bewältigen. Mit Befundbericht vom 22. Juni 2014 hat Prof. Dr. B., Direktor des Zentrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie des Universitätsklinikums H., mitgeteilt: Bei der Untersuchung am 17. Dezember 2013 sei ein Testosteronserumspiegel von 7,1 nmol/l (Norm &8805; 12) gemessen worden. Dem Kläger sei ein Rezept über Testogel verschrieben worden. Eine weitere Vorstellung des Klägers sei nicht erfolgt. Mit Befundbericht vom 3. November 2014 hat Dipl.-Med. S. über eine im Vordergrund stehende Angst- und Panikstörung sowie über muskuläre Verspannungen im Bereich der Wirbelsäule mit Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule (HWS) bei der Rotation und endgradigen Bewegungsschmerzen berichtet.
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Am 18. Dezember 2014 hat eine nichtöffentliche Sitzung des LSG stattgefunden, in der der Kläger erklärt hat: Seit ca. einem Jahr befinde er sich in psychotherapeutischer Behandlung bei Dr. J. Er habe sich nach der Behandlung bei Prof. Dr. B. bei seiner alten Hausärztin in M. vorgestellt. Diese habe festgestellt, dass sich der Testosteronwert trotz der eingeleiteten Behandlung nicht weiter erhöht habe. Er habe auch keine Auswirkungen verspürt und sei dann der Sache nicht weiter nachgegangen. Zurzeit nehme er auch keine Testosteronsubstitution. Wenn er einen auswärtigen Termin habe, den er nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln wahrnehmen könne, melde er sich dienstunfähig. Das nehme er circa zweimal im Jahr in Anspruch. Bei Dr. S. sei er nicht noch einmal in Behandlung gewesen.
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Mit Befundbericht vom 27. Januar 2015 hat Dr. S. ergänzend mitgeteilt: Die Psychotherapie habe dazu beigetragen, dass er zwar arbeitsfähig sei, dennoch seien weitere Einschränkungen vorhanden: Er könne selbständig einen PKW nur für 100 Kilometer führen. Dabei müsse er ein- bis zweimal pausieren. Berufsbedingt fahre er ICE in einem Umkreis von 400 bis 450 Kilometer, so bis H. oder bis M. Ohne eine Medikation sei er dazu aber nicht in der Lage. Aufgrund des Hypogonadismus zeige er ein vermindertes Selbstwerterleben und eine etwas vermehrte Selbstunsicherheit. Doch sei keinesfalls aus dieser Erkrankung ein eigenständiges psychisches Krankheitsbild abzuleiten. Jedoch werde die Angststörung, da der Kläger selbstunsicher und teilweise mit Selbstzweifeln behaftet sei, hierdurch verstärkt. Zusammenfassend sei ein GdB von 40 aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht zu gewähren.
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Ergänzend hat der Kläger den Testosteronwert (4,17) vom 14. Mai 2014 (Norm 2,49 bis 8,63) übersandt und dazu vorgetragen: Die Messungen seien jeweils in den Morgenstunden erfolgt, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Testosteronwert bei Männern ohnehin am höchsten sei. Selbst unter Medikamenten bestehe ein sehr niedriger Testosteronwert.
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Schließlich hat Dr. J. mit Befundbericht vom 27. Februar 2015 mitgeteilt: Der Kläger befinde sich seit November 2012 in seiner Behandlung. Hintergrund seien berufliche Belastungssituationen mit psychophysischer Überforderung gewesen. Derzeit lägen eine ängstlich-depressive Störung von mittelgradiger Ausprägung sowie eine Panikstörung mit spezifischer Phobie vor. Der Antrieb und die Psychomotorik seien gemindert, der Schlaf aufgrund von Durchschlafstörungen schlecht. Es bestünden ausgeprägte Ängste mit vegetativen Begleitbeschwerden und starker phobischer Komponente sowie depressiv bedingte kognitive Beeinträchtigungen in allen Vorfeldfunktionen vor. Als Folge der seelischen Erkrankung sei der Kläger nur unter extremer Willensanstrengung in der Lage, seinen beruflichen Anforderungen gerecht zu werden. Er ziehe sich zurück und sei nicht in der Lage, Dinge außerhalb der beruflichen Anforderungen zu leisten. Er wirke leer und ausgebrannt.
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In Auswertung der Unterlagen hat der Beklagte auf eine Stellungnahme seiner ärztlichen Gutachterin S.-S. vom 25. März 2015 verwiesen. Die Prüfärztin hatte vorgeschlagen, die psychische Erkrankung unverändert mit einem GdB von 30 zu beurteilen. Trotz des nunmehr achtjährigen Krankheitsverlaufs sei eine (teil-)stationäre psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung nicht erforderlich bzw. angestrebt. Ein GdB aufgrund des Hypogonadismus mit Hypotestosteronämie sei spätestens ab Mai 2014 nicht mehr vorzuschlagen. Nach dem Laborbefund vom Mai 2014 befinde sich der Testosteronbefund im Normalbereich. Zwar habe der Kläger über eine Beendigung der Substitutionsbehandlung berichtet. Da nunmehr die grundsätzliche Behandelbarkeit des Problems bewiesen sei, könne kein GdB mehr angenommen werden.
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Der Kläger hat mit Schreiben vom 18. April 2015 ergänzend ausgeführt: Da Dr. J. die Diagnose einer depressiven Störung gestellt habe, sei hierfür auch ein GdB anzunehmen. Weiterhin sei ein GdB von 20 aufgrund des Hypogonadismus und zumindest auch für das Schlafapnoe-Syndrom zu berücksichtigen, sodass in der Gesamtschau ein GdB von 50 festzustellen sei.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch statthafte Berufung des Klägers ist unbegründet.
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Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 30. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 2011 und den Ausführungsbescheid des Beklagten vom 8. November 2013 ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG statthaft. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Gesundheitszustand des Klägers im Zeitraum von der Antragstellung bis zur mündlichen Verhandlung des Senats maßgeblich. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB.
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Für den streitgegenständlichen Zeitraum gilt das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046). Rechtsgrundlage für den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung eines GdB ist § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Vorschrift knüpft materiell-rechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft vorliegen, wird nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
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§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX ist durch das insoweit am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) geändert worden. Nach der Neufassung gelten für den GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen neuen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades – dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden. Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VMG, Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte mit der rechtlichen Verbindlichkeit einer Rechtsverordnung zugrunde zu legen.
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Der hier streitigen Bemessung des GdB ist die GdS-Tabelle der VMG (Teil B) anzuwenden. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil B Nr. 1 a) sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle die Teilhabe beeinträchtigenden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Teil A Nr. 2 e genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B Nr. 1 a).
a)
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Für die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers, die dem Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" zuzuordnen sind, ist bis April 2013 ein GdB von 30 und ab April 2013 ein GdB von 40 festzustellen.
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Nach Teil B Nr. 3.7 VMG werden leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 bewertet. Für stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) ist ein Bewertungsrahmen von 30 bis 40 vorgesehen. Schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten werden mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit 80 bis 100 bewertet. Psychische Anpassungsschwierigkeiten, die einen Behinderungsgrad von 30 bis 40 rechtfertigen, sind nach dem Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirates (BMA am 18./19.03.1998 – zitiert nach Rohr/Sträßer, Teil B: GdS-Tabelle-19, 96. Lfg. – Stand Dezember 2011) durch Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße gekennzeichnet. Dieses Kriterium ist zur differenzierenden Einschätzung von Anpassungsschwierigkeiten analog auch dann heranzuziehen, wenn die Symptomatik der psychischen Störungen ganz unterschiedlich ist (Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, BMA am 8./9.11.2000, Rohr/Sträßer, a.a.O., GdS-Tabelle-18). Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten setzen neben den Auswirkungen im Berufsleben erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung voraus (Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, BMA am 18./19.03.1998 – zitiert nach Rohr/Sträßer, a.a.O., GdS-Tabelle-19).
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Der Kläger leidet an einer Angst- und Panikstörung. Darüber hinaus liegt eine depressive Symptomatik vor. Diese Diagnosen werden vom Sachverständigen Dipl.-Psychologen G., den behandelnden Ärzten Dr. S. und Dr. J. sowie durch den Entlassungsbericht der Inselklinik H. bestätigt. Die mit den Erkrankungen verbundenen Auswirkungen führen insgesamt zu einer stärker behindernden Störung mit einer wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, für die ein Bewertungsrahmen von 30 bis 40 eröffnet ist.
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Ab Antragstellung ist für die Zeit von Juli 2010 bis April 2013 zunächst von einem GdB von 30 für die psychische Erkrankung auszugehen. Insoweit folgt Senat den prüfärztlichen Stellungnahmen des Beklagten. Der Kläger war durch die Angst- und Panikstörung in seiner Lebens- und Freizeitgestaltung eingeschränkt. Er konnte nicht mehr als 100 km mit dem Auto fahren, musste sein Einkaufsverhalten anpassen (keine großen Kaufhäuser) und war in seinen sozialen Kontakten eingeschränkt, weil er Menschenansammlungen mied. Auch seine berufliche Tätigkeit war durch die Störung beeinträchtigt, weil er nur unter erheblichem Organisationsaufwand (Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln in Verbindung mit Taxifahrten bei weiteren Entfernungen bzw. vorherige Einnahme von Psychopharmaka) dieser nachgehen konnte. Bis April 2013 konnte der Bewertungsrahmen aber noch nicht mit 40 ausgeschöpft werden. Diesem Vorschlag des Dipl.-Psychologen G. steht entgegen, dass im Reha-Bericht H. und in den Berichten von Dr. S. bei dem in Vollzeit berufstätigen Kläger Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen ausgeschlossen und über eine gute soziale Integration berichtet wurde. Kontaktschwächen hätten zu keinem Zeitpunkt vorlegen. Auch Dipl.-Psychologe G. hat keine Folgen hinsichtlich der Konzentration bei bestehenden Schlafstörungen feststellen können. Zudem wurde im Zeitraum bis April 2013 eine depressive Symptomatik mehrfach (Reha-Bericht H. vom 9. Juli 2010, Bericht von Dr. S. vom 12. Januar 2012) und auch vom Dipl.-Psychologen G. verneint. Aufgrund der Erkrankungen sind auch keine längeren beruflichen Ausfallzeiten eingetreten.
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Seit April 2013 ist die psychische Erkrankung mit einem GdB von 40 zu bewerten. Im April 2013 wurde dem Kläger dauerhaft aufgrund des Schlafapnoe-Syndroms eine nächtliche Überdruckbeatmung verordnet, die seine bereits vorhandenen Ein- und Durchschlafstörungen verstärkt und zu weiteren Angst- und Panikattacken führt. Das mit der Angst- und Panikstörung verbundene Vermeidungsverhalten konnte zwar nach dem Befundbericht von Dr. S. vom Juni 2014 durch Medikamente und die Therapie bei Dr. J. reduziert werden, doch sind weiterhin die oben dargestellten Einschränkungen vorhanden. Darüber hinaus ist die Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes zu berücksichtigen, die sich aus dem Befundbericht von Dr. J. ergibt und auch durch die Befundberichte von Dr. S. deutlich wird. So befindet sich der Kläger seit November 2012 neben der Behandlung bei Dr. S. bei Dr. J. in Behandlung. Seit ca. Ende des Jahres 2013 führt er bei ihm eine Psychotherapie durch. Dieser Arzt hat in seinem Befundbericht vom 27. Februar 2015 über weitere, zuvor nicht geschilderte psychische Beeinträchtigungen (insbesondere Depressionen) berichtet. Danach seien der Antrieb und die Psychomotorik gemindert und der Schlaf aufgrund von Durchschlafstörungen schlecht. Außerdem liege eine depressiv bedingte kognitive Beeinträchtigung in allen Vorfeldfunktionen vor. Als Folge der seelischen Erkrankung sei der Kläger nur unter extremer Willensanstrengung in der Lage, seinen beruflichen Anforderungen gerecht zu werden. Er ziehe sich zurück und sei nicht in der Lage, Dinge außerhalb der beruflichen Anforderungen zu leisten. Er wirke leer und ausgebrannt. Zudem hat er nach dem Befundbericht der Dr. S. vom Juni 2014 Umstellungsprobleme, sodass selbst kleinere Aufgaben eine Herausforderung darstellten. Unter Berücksichtigung der Gesamtheit der psychischen Beeinträchtigungen erscheint es nach alledem angemessen, den Bewertungsrahmen für stärker behindernde psychische Störungen jedenfalls ab dem dauerhaften Einsatz der Schlafmaske, also ab April 2013 (Bericht des Dr. S. vom 8. April 2013) mit einem GdB von 40 auszuschöpfen. Diese Feststellung stimmt auch mit der Einschätzung der behandelnden Ärztin Dr. S. überein. Auch diese hat im Juni 2014 darüber berichtet, dass nunmehr eine durchgehende Behandlung mit Antidepressiva erforderlich und ein GdB von 40 aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht zu gewähren sei. Dafür spricht letztlich auch, dass durch die mit dem Hypogonadismus verbundene Selbstunsicherheit des Klägers die Angststörung verstärkt wird.
- 38
Da keiner der behandelnden Ärzte eine schwere psychische Störung diagnostiziert hat und keine mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten erkennbar sind, kann keine noch höhere Bewertung der psychischen Erkrankung erfolgen. Auch sind über die Behandlung mit Psychopharmaka und der ambulanten Therapie hinaus keine zumindest teilstationären Behandlungen notwendig gewesen, die bei schweren Störungen typischerweise erforderlich sind. Lediglich eine einmalige Reha-Maßnahme wurde in H. im Jahre 2010 durchgeführt. Auch die jahrelange nahezu ununterbrochene Arbeitsfähigkeit spricht gegen eine schwere psychische Störung.
b)
- 39
Der Hypogonadismus mit Hypotestosteronämie ist dem Funktionssystem Geschlechtsapparat zuzuordnen und bedingt maximal einen GdB von 20. Nach Teil B Nr. 13.2 ist bei einer Unterentwicklung, einem Verlust des Hodens oder beim vollständigen Schwund beider Hoden je nach Ausgleichbarkeit des Hormonhaushalts durch Substitution ein GdB von 20 bis 30 festzustellen. Der beim Kläger vorliegende Hypogonadismus mit Hypotestosteronämie entspricht in den Folgen diesen Erkrankungen, so dass eine entsprechende Bewertung (unabhängig von der Ursache) zu erfolgen hat. Da beim Kläger mehrfach ein erniedrigter Testosteronwert nachgewiesen wurde, allerdings bei Behandlung Normwerte erreicht werden (4,17 am 14. Mai 2014 - Norm 2,49 bis 8,63), kann allenfalls ein GdB von 20 angenommen werden. Gegen eine höhere Bewertung sprechen auch die nur unregelmäßigen Behandlungsversuche und die Einschätzung von Prof. Dr. M., wonach der Hypogonadismus subklinisch sei. Damit hat er klargestellt, dass keine relevanten Funktionseinschränkungen damit verbunden sind. Auch die psychische Komponente dieser Erkrankung ist in dem GdB von 20 bereits mit erfasst. Denn nach Teil A Nr. 2i VMG berücksichtigen die in der GdB-Tabelle niedergelegten Sätze bereits die üblichen seelischen Begleiterscheinungen. Auch Dr. S. hat ausdrücklich mitgeteilt, dass keinesfalls aus dieser Erkrankung ein eigenständiges psychisches Krankheitsbild abzuleiten sei. Zwar werde die Angststörung, da der Kläger selbstunsicher und teilweise mit Selbstzweifeln behaftet sei, hierdurch verstärkt. In dem zusammenfassend von ihr vorgeschlagenen GdB von 40 aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht ist auch diese Problematik mit eingeflossen, sodass auch der Senat diese Auswirkungen mit im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche berücksichtigt hat.
c)
- 40
Das Schlafapnoe-Syndrom des Klägers ist nach Teil B Nr. 8.7 VMG ab März 2013 mit einem GdB von 20 zu bewerten, da Dr. S. über die erstmalige Behandlung des Klägers am 9. März 2013 wegen eines obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms mit der Notwendigkeit einer nächtlichen Überdruckbeatmung (nasale Auto-CPAP) berichtet hat. Mit Bericht vom 8. April 2013 an die Krankenkasse des Klägers hatte Dr. S. um Übernahme der Kosten für das nCPAP-Gerät gebeten. Eine höhere Bewertung, insbesondere wegen einer vom Kläger vorgetragenen Unverträglichkeit kann nicht erfolgen. Dr. S. hat darüber berichtet, dass sich während der Behandlung eine sehr gute Einstellung ergeben habe. Ergänzend hat Dr. S. auf die gerichtliche Nachfrage am 5. August 2013 mitgeteilt, eine Unmöglichkeit der nasalen Überdruckbeatmung sei ihm nicht bekannt. Allein aufgrund der Berichtes der Hausärztin Dipl.-Med. S., wonach das Tragen der Sauerstoffmaske wesentlich unangenehmer und schwieriger als gedacht sei, kann keine Erhöhung des GdB erfolgen. Auch diese hat lediglich über eine Teilunverträglichkeit an bis zu zwei Tagen in der Woche aufgrund der psychischen Erkrankung berichtet, sodass daraus keinesfalls eine nicht durchführbare nasale Überdruckbeatmung abgeleitet werden kann. Die Druckstellen und Rötungen im Gesicht sowie die vermehrt auftretenden Rachenbeschwerden, die Mundtrockenheit, die Halsschmerzen und die Stimmprobleme sind typischerweise mit einer nasalen Überdruckbeatmung verbunden und bereits im GdB mit erfasst. Gegen eine zusätzliche Berücksichtigung wegen darüber hinausgehender Beeinträchtigungen spricht, dass der Kläger sich diesbezüglich nicht erneut in Behandlung bei Dr. S. begeben hat, um ggf. alternative Behandlungsmöglichkeiten (z.B. durch das Ausprobieren anderer Masken) zu finden. Die mit der Überdruckbeatmung verbundenen psychischen Probleme sind bereits im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche berücksichtigt worden und können nicht nochmals bei der GdB-Feststellung für das Schlaf-Apnoe-Syndrom bewertet werden.
d)
- 41
Die Bluthochdruckerkrankung des Klägers ist dem Funktionssystem Herz-Kreislauf zuzuordnen. Dafür ist nach Teil B Nr. 9.3 VMG als leichte Form der Hypertonie, bei der keine oder eine geringe Leistungsbeeinträchtigung und höchstens leichte Augenhintergrundsveränderungen vorliegen, ein GdB von 0 bis zu 10 anzunehmen. Nach dem Befundbericht von Prof. Dr. M. liegen die Blutdruckwerte unter Therapie etwa im Normbereich. Die Belastungsergometrie (bis 125 Watt) habe unter antihypertensiver Therapie keinen pathologischen Blutdruckanstieg und keine pathologische Herzfrequenzsteigerung gezeigt. Auch im Reha-Bericht H. wurden Zeichen kardiopulmonalen Dekompensation nicht festgestellt.
e)
- 42
Weitere Funktionseinschränkungen, für die ein GdB von mindestens 10 festgestellt werden kann, sind nicht nachgewiesen. Für die Schilddrüsenerkrankung des Klägers kann kein Behinderungsgrad festgestellt werden, da nach Teil B Nr. 15.6 VMG nur anhaltende Beeinträchtigungen trotz Behandlung Berücksichtigung finden können. Eine Schilddrüsenfunktionsstörung liegt bei dem Kläger nicht vor, da die Stoffwechsellage unter Medikation ausgeglichen ist und keine Organkomplikationen vorliegen (Befundbericht Prof. Dr. M.). Die Labordiagnosen Hyperlipidproteinanämie und Hyperurikämie sind nicht mit behinderungsgradrelevanten Funktionseinschränkungen verbunden. Insbesondere kann die Notwendigkeit einer gesunden Ernährung (Reduzierung einer energiereichen und lipidhaltigen Ernährung, weitgehende Vermeidung zuckerhaltiger Lebensmittel und Backwaren, erhebliche Ballaststoffzufuhr) nicht zur Feststellung eines GdB führen. Schließlich lassen auch die mit Befundbericht vom 3. November 2014 von Dipl.-Med. S. beschriebenen muskulären Verspannungen im Bereich der Wirbelsäule mit einer Bewegungseinschränkung der HWS bei Rotation und endgradigen Bewegungsschmerzen noch keine Bewertung mit einem Einzel-GdB zu.
f)
- 43
Da bei dem Kläger Einzelbehinderungen aus verschiedenen Funktionssystemen mit einem messbaren GdB vorliegen, ist nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der Gesamtbehinderungsgrad zu ermitteln. Dafür sind die Grundsätze nach Teil A Nr. 3 der VMG anzuwenden. Nach Nr. 3c ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad bedingt und dann zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Zehnergrad ein oder mehr Zehnergrade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden.
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Danach kommt ausgehend von dem Einzel-GdB von 30 bzw. 40 für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" keine weitere Erhöhung aufgrund der Funktionsstörungen wegen des Hypogonadismus mit Hypotestosteronämie und des Schlafapnoe-Syndroms in Betracht. Dabei ist zu beachten, dass nach Teil A Nr. 3 ee VMG auch Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 als leichte Funktionsstörungen angesehen werden, die es vielfach nicht rechtfertigen, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Nach diesem Maßstab führt die Einschränkung aufgrund des Hypogonadismus mit Hypotestosteronämie und des Schlafapnoe-Syndroms, die mit einem GdB von 20 zu bewerten sind, nicht zur Verstärkung des Gesamtausmaßes der Behinderung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die psychischen Störungen, die mit einem GdB von 40 bewertet wurden, jeweils auch die psychischen Auswirkungen des Hypogonadismus und des Schlafapnoe-Syndroms berücksichtigen. Die Auswirkungen der Erkrankungen betreffen den Schlaf, die Konzentration und die sozialen Interaktionen. Eine Doppelbewertung dieser dadurch eingeschränkten Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit kann nicht vorgenommen werden. Darüber hinausgehende organische Beeinträchtigungen, die eine Erhöhung des Gesamt-GdB rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Die mit einem Einzel-GdB von 10 bewertete Bluthochdruckerkrankung erhöht nicht das Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigung (dazu VMG, Teil A Nr. 3 ee). Für einen Ausnahmefall sind aufgrund der fehlenden kardiopulmonalen Beeinträchtigung keine Anhaltspunkte ersichtlich.
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Im Übrigen widerspräche die Feststellung der begehrten Schwerbehinderteneigenschaft dem nach Teil A 3 VMG zu berücksichtigenden Gesamtmaßstab. Die Schwerbehinderteneigenschaft kann nur angenommen werden kann, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder eine Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung beeinträchtigen. Derartig schwere Funktionsstörungen liegen bei dem Kläger nicht vor.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Beklagte hat ab April 2013 wegen der Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers ein sachgerechtes Vergleichsangebot unterbreitet. Daher waren ihm keine Verfahrenskosten aufzuerlegen.

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Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.
(1) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter wirken bei der Aufklärung, Beratung, Auskunft und Ausführung von Leistungen im Sinne des Ersten Buches sowie im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern nach § 167 darauf hin, dass der Eintritt einer Behinderung einschließlich einer chronischen Krankheit vermieden wird.
(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 und 6 und ihre Verbände wirken bei der Entwicklung und Umsetzung der Nationalen Präventionsstrategie nach den Bestimmungen der §§ 20d bis 20g des Fünften Buches mit, insbesondere mit der Zielsetzung der Vermeidung von Beeinträchtigungen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.
(3) Bei der Erbringung von Leistungen für Personen, deren berufliche Eingliederung auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen besonders erschwert ist, arbeiten die Krankenkassen mit der Bundesagentur für Arbeit und mit den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 20a des Fünften Buches eng zusammen.
Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.
(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.
(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.
(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann, - 2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder - 3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.
(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.
(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.
(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.
(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.
(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen
- 1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert, - 2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem
- 1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird, - 2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres, - 3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und - 4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.
(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.
(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.
(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.
(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.
(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:
- a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist, - b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist, - c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte, - d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden, - e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.
(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.
(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.
(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.
(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann, - 2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder - 3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.
(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.
(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.
(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.
(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.
(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen
- 1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert, - 2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem
- 1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird, - 2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres, - 3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und - 4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.
(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.
(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.
(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.
(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.
(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:
- a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist, - b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist, - c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte, - d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden, - e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.
(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.
(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.
Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.