Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 26. Apr. 2017 - L 3 RS 13/14

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2017:0426.L3RS13.14.00
bei uns veröffentlicht am26.04.2017

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung von zusätzlichen Entgelten aufgrund von Jahresendprämien sowie von Bergmannstreuegeldern bzw. zusätzlichen Belohnungen im Bergbau (im Folgenden: Bergmannsprämie) hat.

2

Der am ... 1949 geborene Kläger erhielt nach der Urkunde der Ingenieurschule für Elektro-technik und Maschinenbau E. vom 4. Oktober 1974 das Recht, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Ausweislich seines Sozialversicherungsausweises war er vom 1. Januar 1974 bis zum 30. Juni 1990 als Forschungsingenieur beim VEB M. Kombinat "W. P." beschäftigt. Der Stempelaufdruck im Sozialversicherungsausweis enthält jeweils den Zusatz "Kombinatsleitung". Unterbrochen wurde diese Tätigkeit lediglich durch die Dienstzeit bei der NVA vom 4. November 1974 bis zum 30. April 1975.

3

Mit Bescheid vom 13. November 2003 stellte die Beklagte den Monat Oktober 1974 sowie den Zeitraum vom 12. Mai 1975 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) mit den entsprechenden Entgelten fest. Am 19. September 2007 beantragte der Kläger die Berücksichtigung von weiteren Arbeitsentgelten auf der Grundlage des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. August 2007 (B 4 RS 4/06 R).

4

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Juli 2008 die Feststellung höherer Entgelte (Jahresendprämien) nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) ab. Die durch den Antrag veranlasste erneute sachliche Prüfung habe ergeben, dass der ursprüngliche Feststellungsbescheid vom 13. November 2003 rechtswidrig sei. Es habe sich herausgestellt, dass nicht lediglich zu geringe Entgelte zugrunde gelegt worden seien. Vielmehr erweise sich die Zuerkennung von Zusatzversorgungszeiten selbst als von Anfang an fehlerhaft. Denn für den VEB M. Kombinat "W. P." hätten am 30. Juni 1990 die betrieblichen Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung in die AVItech nicht vorgelegen, weil die wirtschaftliche Tätigkeit zugunsten und für Rechnung der nachfolgenden Kapitalge-sellschaft verrichtet worden sei. Der Fondsübergang sei zum 1. Juni 1990 erfolgt. Da eine Rücknahme des Bescheides vom 13. November 2003 nach § 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) nicht mehr zulässig sei, verbleibe es bei den rechtswidrig festgestellten Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG. Die Bestandskraft des Bescheides vom 13. November 2003 erstrecke sich jedoch nur auf die bereits festgestellten Tatsachen. Weitere Rechte könnten daraus nicht abgeleitet werden, denn für die Anerkennung höherer Entgelte sei keine Rechtsgrundlage vorhanden. Das BSG habe bereits mehrfach entschieden, dass aufgrund des Normzwecks der Vorschrift des § 48 Abs. 3 SGB X kein Unrecht erweitert werden dürfe. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2008 zurück.

5

Daraufhin hat der Kläger am 6. November 2008 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben. Das dortige Verfahren ruhte von Oktober 2009 bis Dezember 2011, um weitere Rechtsprechung des BSG zur fiktiven Einbeziehung in die AVItech abzuwarten. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens hat das Sozialgericht mit Urteil vom 21. Februar 2014 die auf Feststellung höherer Arbeitsentgelte gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die betrieblichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem seien nicht erfüllt. Der Kläger sei am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens im Sinne der Rechtsprechung des BSG beschäftigt gewesen. Arbeitgeber des Klägers sei der VEB M. Kombinat und nicht der VEB M. Kombinat, Stammbetrieb gewesen. Dem Beschäftigungsbetrieb des Klägers habe nicht die Sachgüterproduktion das Gepräge gegeben. Dies habe das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt in seiner Entscheidung vom 18. Oktober 2010 (L 1 R 141/09) umfassend ausgeführt.

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Gegen das ihm am 13. März 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 14. April 2014 Berufung eingelegt. Es gebe einen bestandskräftigen Bescheid vom 13. November 2003 und dort festgestellte Tatsachen. Ablehnungsgrund der Beklagten sei keinesfalls gewesen, dass der Kläger beim VEB M. Kombinat statt beim VEB M. Kombinat Stammbe-trieb beschäftigt gewesen sei. Dieser - unzutreffende - Ablehnungsgrund habe sich erst aus dem erstinstanzlichen Urteil ergeben. Er, der Kläger, sei Ingenieur im Forschungsbereich Automatisierung und Energietechnik gewesen. Seine ingenieurtechnischen Aufgaben hätten sich ausschließlich auf die Realisierung von Rationalisierungsmaßnahmen in den Produkti-onsbereichen des Stammbetriebes und der Aluminiumlinie des M. Kombinats konzentriert. Er sei im gesamten Zeitraum in den Produktionsbereichen der Rohhütte H., der Kupfer-Silber-Hütte, dem Werk Anlagenbau sowie in den M.-Produktionsabschnitten der Aluminiumlinie beschäftigt gewesen. Nach seiner Auffassung würden die realen Verhältnisse seiner Ingeni-eurtätigkeit unter Produktionsbedingungen der volkseigenen Betriebe nicht berücksichtigt. Wo er im Rahmen seiner Tätigkeit gearbeitet habe, seien die Betriebsbereiche auf industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen. Er sei an die Arbeitsordnung des Stammbetriebes gebunden gewesen. Arbeitsorte seien u.a. OBS (O.-B.-Schacht), H., S., H. und N. und nicht die Kombinatsleitung in E. gewesen. In seinem Sozialversicherungsausweis sei deshalb der Stempel der Kombinatsleitung angebracht gewesen, weil diese für die Lohn- und Gehaltsabrechnung zuständig gewesen sei. Der Stempel "Kombinatsleitung" (Lohn- und Gehaltsabrechnung) sei bei allen Mitarbeitern des gesamten Kombinates eingestempelt gewesen, unabhängig davon, wo diese Mitarbeiter konkret innerhalb des M. Kombinates - Stammbetrieb - gearbeitet hätten. In seinen Lohnbescheinigungen sei in der Kopfzeile u. a. der Beschäftigungsbetrieb mit der Kennziffer 03 angegeben. Im Gegensatz dazu habe die Kombinatsleitung die Kennziffer 01 gehabt. Seine Tätigkeit als Ingenieur habe sich auf die Realisierung ingenieurtechnischer Aufgaben vor Ort in den Produktionsbereichen zur Automatisierung technologischer Prozessabschnitte der NE-Metallurgien (geprägt durch die Produktion industrieller Sachgüter im Bergbau, der Rohhütte und den Feinhütten) im Stammbetrieb des VEB M. Kombinat "W. P." konzentriert. Dies ergebe sich aus dem Änderungs-Arbeitsvertrag vom 25. Oktober 1982. In seinen Funktionsplänen sei der operative Arbeitseinsatz vor Ort bei der Durchführung von Versuchen und Experimenten sowie bei der Montage von Geräten und Anlagen definiert. Die ingenieurtechnische Bearbeitung der Betriebsabläufe und die Überführung der Forschungs-ergebnisse in die Produktion seien mit umfangreichen Prozessanalysen bzw. Prozess-Steuerungen verbunden gewesen. Dabei sei eine Anleitung und Kontrolle der Facharbeiter in der Produktion inbegriffen gewesen. Er sei unmittelbar in der Produktion eingesetzt gewesen und habe keine Leitungs- und Koordinierungstätigkeiten in der Kombinatsleitung ausgeübt. Er sei als Mitarbeiter des Stammbetriebes der damaligen bergbaulichen Versicherung der DDR zugeordnet gewesen. In diesem Zusammenhang stehe auch die jährliche Zahlung der Bergmannsprämie. Erst 1988 sei diese auch für die Mitarbeiter der Kombinatsleitung eingeführt worden. Des Weiteren sei er mit dem Änderungsvertrag vom 28. August 1978 durch die Gewährung eines Zuschlages für ununterbrochene Beschäftigungsdauer in die Regelungen der "Fünften Durchführungsbestimmung zur Verordnung zur Entwicklung einer fortschrittlichen demokratischen Kultur vom 24. Januar 1956" einbezogen worden.

7

Der Kläger beantragt,

8

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 21. Februar 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2008 aufzuhe-ben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Feststellungsbescheid vom 13. November 2003 zu ändern und bei ihm weitere Arbeitsentgelte unter Berücksichtigung von Jahresendprämien sowie Bergmannsprämien festzustellen.

9

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

11

Sie habe bereits im erstinstanzlichen Verfahren deutlich gemacht, dass der Ablehnungsgrund für die Anerkennung von Zeiten nach dem AAÜG die fehlende betriebliche Voraussetzung gewesen sei. Der Kläger sei im VEB M. Kombinat "W. P." - Kombinatsleitung - tätig gewesen. Dieser Betrieb sei kein volkseigener Produktionsbetrieb. Eine Feststellung von weiteren Arbeitsentgelten komme daher nicht in Betracht.

12

Der Senat hat weitere betriebliche Unterlagen in das Verfahren eingeführt. Diesbezüglich wird auf Blatt 157 bis 177 der Gerichtsakten Bezug genommen. Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die gesamten Verwaltungs- und Gerichtsakten verwiesen, die bei der Entscheidungsfindung des Senats vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe

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Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

14

Der Kläger hat keinen sich aus § 44 SGB X ergebenden Anspruch auf Feststellung weiterer Entgelte in Gestalt von Jahresend- und Bergmannsprämien. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 9. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2008 die Feststellung höherer Entgelte nach dem AAÜG zu Recht mit der Begründung abgelehnt, der ursprüngliche Feststellungsbescheid vom 13. November 2003 sei rechtswidrig, weil die betrieblichen Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung in die AVItech am 30. Juni 1990 nicht vorgelegen haben. Aufgrund des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 3 SGB X besteht deshalb kein Anspruch auf die Feststellung noch höherer Verdienste. Denn dies würde eine weitere Vertiefung des Unrechts über die schon rechtswidrig festgestellten Entgelte (soweit sie nicht auf Beiträgen zur Sozialpflichtversicherung und zur FZR beruhen) hinaus bedeuten (vgl. zu diesem Rechtsgedanken auch BSG, Urteil vom 20. März 2007 - B 2 U 38/05 R -, juris).

15

Nach der Rechtsprechung des früheren 4. Senats und des jetzigen 5. Senats des BSG hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR Nr. 93, S. 844, im Folgenden: VO-AVItech) i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich am 30. Juni 1990 vorgelegen haben müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), und die entsprechende Tätigkeiten tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

16

Versorgungsrechtlich relevant ist allein die Tätigkeit in einem Produktionsdurchführungsbe-trieb der Industrie oder des Bauwesens. An dieser Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG hat der jetzt zuständige 5. Senat festgehalten (BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 7/10 R -, juris, Rn. 24; Urteil vom 9. Oktober 2012 - B 5 RS 5/12 R -, juris, Rn. 23; Urteil vom 20. März 2013 - B 5 RS 3/12 R -, juris, Rn. 24, 25).

17

Der Begriff des Produktionsbetriebs der Industrie erfasst nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gegeben hat (BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 5 RS 3/12 R -, juris, Rn. 24). Dem lag das so genannte fordistische Produktionsmodell zu Grunde, das auf stark standardisierter Massenproduktion und Konstruktion von Gütern mit Hilfe hoch spezialisierter, monofunktionaler Maschinen basierte. Der Massenausstoß standardisierter Produkte sollte hohe Produktionsgewinne nach den Bedingungen der Planwirtschaft ermöglichen. Nur eine derartige Massenproduktion im Bereich der Industrie oder des Bauwesens war für eine Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech von maßgeblicher Bedeutung (BSG, Urteile vom 23. August 2007 - B 4 RS 23/06 R -, und vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 7/10 R -, beide juris). Merkmal einer industriellen Massenproduktion ist, dass Sachgüter im Haupt-zweck industriell (d.h. serienmäßig wiederkehrend, vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 14/03 R -, juris) gefertigt werden.

18

Ob die betriebliche Voraussetzung erfüllt ist, bestimmt sich danach, wer Arbeitgeber im rechtlichen Sinn war (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 20/03 R -, SozR 4-8570, § 1 AAÜG, Nr. 2, Rn. 31). Arbeitgeber des Klägers war nach den Eintragungen in seinem Sozialversicherungsausweis durchgehend vom 1. Januar 1974 bis zum 30. Juni 1990 der VEB M. Kombinat "W. P." - Kombinatsleitung, lediglich unterbrochen durch die Dienstzeit bei der NVA vom 4. November 1974 bis zum 30. April 1975. Dem Senat ist aus anderen Verfah-ren bekannt, dass - entgegen der Behauptung des Klägers - der Stempel "Kombinatsleitung" (Lohn- und Gehaltsabrechnung) eben nicht bei allen Mitarbeitern des gesamten Kombinates eingestempelt gewesen ist, unabhängig davon, wo diese Mitarbeiter konkret innerhalb des M. Kombinates gearbeitet haben. Die Beklagte hat zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass mit Änderungsvertrag vom 12. März 1990 der bestehende Arbeitsvertrag von März 1971 zwischen dem VEB M. Kombinat "W. P.", Direktion Technik, und dem Kläger mit Wirkung vom 15. März 1990 geändert worden ist. Ab diesem Datum war der Kläger ausweislich des Vertrages als "Spezialist im Fachbereich Modellbildung und Simulation betriebswirt-schaftlicher Entscheidungsprozesse und Managementsysteme" in der Direktion Ökonomie, E., Markt 57, beschäftigt. Die Direktion Ökonomie war nach dem Organigramm der Leitungs-struktur des Kombinates dem Generaldirektor unterstellt, gehörte also - wie z.B. auch die Direktion Wissenschaft und Technik - zur Kombinatsleitung. Dafür, dass der Kläger am maßgeblichen 30. Juni 1990 Beschäftigter der Kombinatsleitung war, spricht zudem, dass in seinem Sozialversicherungsausweis über den 30. Juni 1990 hinaus die M. AG - also die Rechtsnachfolgerin der Kombinatsleitung - als Beschäftigungsbetrieb gestempelt ist. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Zeugnis über seine Tätigkeit im VEB M. Kombinat bzw. in dem Nachfolgeunternehmen, dass er ab dem 1. Juli 1990 Fachverantwortlicher für externe Statistik in der Abteilung Informationsmanagement der Konzernleitung war.

19

Der Kombinatsleitung bzw. dem Kombinat gab aber nicht die Sachgüterproduktion das Gepräge. Höchstens der Stammbetrieb und die kombinatszugehörigen Betriebe könnten, was hier aber offen bleiben kann, Sachgüter produziert haben. Nach § 1 Nr. 1 des Statuts des VEB M. Kombinat war zwar der VEB M. Kombinat eine Wirtschaftseinheit im Bereich der materiellen Produktion. Daraus folgt jedoch noch nicht, dass das Kombinat selber Sachgüter hergestellt hat. In § 1 Nr. 3 des Statuts werden der Stammbetrieb und weitere kombinatsan-gehörige Betriebe als Einheiten der materiellen Produktion bezeichnet. In § 2 Nr. 1 des Statuts wird ausgeführt, dass sich die Kombinatsbetriebe (und nicht das Kombinat) auf die Herstellung von Erzeugnissen konzentrieren. Das Kombinat hat hingegen durch den Gene-raldirektor u.a. den Plan vor dem Minister verteidigt und nicht bilanzgesicherte Entscheidun-gen auf Vorschlag der Betriebsdirektoren getroffen sowie die staatlichen Planauflagen an die Betriebsdirektoren übergeben (§ 3 Nr. 3 und 4 des Statuts). Das Kombinat hat eine Vielzahl von Aufgaben zentralisiert wahrgenommen (siehe § 4 Nr. 1 des Statuts), darunter jedoch keine Produktionsaufgaben. Auch in § 7 des Statuts werden als Aufgaben des Kombinats nur Leitungs- und Koordinationsaufgaben beschrieben.

20

Zwar ergibt sich aus dem Organigramm der Leitungsstruktur des Kombinats, dass ein Direktionsbereich Produktion existierte, jedoch waren diesem Direktionsbereich keine Abteilungen zugeordnet, die selber produziert haben könnten. Dies wird besonders deutlich, wenn man gegenüberstellend das Organigramm des Kupferbergbau- und Hüttenbetriebes, Stammbetrieb des Kombinates betrachtet. Dort werden z. B. mit den Einheiten Zink/Blei-Produktion, Nickel-Produktion, Stahlbau, Gerätebau und Montage Bereiche bezeichnet, in denen Sachgüter im Sinne der Rechtsprechung des BSG hergestellt worden sein könnten.

21

Dafür, dass der VEB M. Kombinat selber keine Sachgüter hergestellt hat, spricht auch der Unternehmensgegenstand der M. AG, in die der VEB M. Kombinat umgewandelt worden ist (siehe Umwandlungserklärung vom 28. Mai 1990). Nach der Satzung der M. AG sollte diese als Holding tätig sein und für die zur Gruppe gehörenden Gesellschaften Dienstleistungen, vorwiegend auf den Gebieten des Finanzwesens und des Managements erbringen (§ 2 Abs. 1 der Satzung). Auch bei den durch die M. AG beispielhaft aufgezählten, zu erbringenden Leistungen findet sich keine Produktionsaufgabe (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26. Mai 2011 - L 1 R 263/08 -, juris, dort allerdings mit der falschen Jahresangabe 2012 eingestellt).

22

Der VEB M. Kombinat war auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2. DB (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26. Mai 2011, a.a.O.). Der VEB M. Kombinat war keine (in § 1 Abs. 2 der 2. DB allerdings aufgeführte) Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB). VVB wurden von den Kombinaten begrifflich und rechtlich unterschieden (siehe §§ 34 ff. der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Betriebe, Kombinate und VVB vom 28. März 1973, GBl. DDR I, S. 129). Die Unterscheidung zwischen Kombina-ten und VVB blieb auch nach Erlass der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 8. November 1979 bestehen (GBl. DDR I, S. 355, vgl. dort § 43 Abs. 2). Kombinate sind anders als VVB in § 1 Abs. 2 der 2. DB nicht genannt. Bei dem VEB M. Kombinat handelte es sich auch nicht um ein Forschungsinstitut, auch wenn der Kläger als Forschungsingenieur tätig war. Denn Forschungsinstitute waren Forschung betreibende selbstständige Einrichtungen der Wirtschaft, deren Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene wissenschaftliche Forschung und Entwicklung war (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 4 RA 40/04 R -, juris). Der Bereich, in dem der Kläger tätig gewesen ist, war schon keine selbstständige Einrichtung, sondern gehörte zum VEB M. Kombinat. Die Bezeichnung "Forschungsinstitut" trifft auf dieses Kombinat nicht zu. Die in § 1 Abs. 2 der 2. DB enthaltene Aufzählung ist aber abschließend (BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 41/01 R -, juris), so dass auch eine entsprechende Anwendung ausscheidet. Gleichgestellt sind nur solche "Einrichtungen", die in § 1 Abs. 2 der 2. DB aufgeführt sind (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 4 RA 23/04 R -, Soz-R 4-8570 § 1 AAÜG, Nr. 6, S. 31). Einer Analogie ist der Text der 2. DB nicht zugänglich.

23

Vor dem Hintergrund, dass der Bescheid vom 13. November 2003 von Anfang an für den Kläger rechtswidrig begünstigend war, fällt nicht ins Gewicht, dass das Begehren des Klägers jedenfalls im Hinblick auf die geltend gemachte Bergmannsprämie auch daran scheitert, dass diese in Anwendung der Rechtsprechung des BSG kein durch die Beklagte festzustellendes Arbeitsentgelt ist (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 29. Juni 2016 - L 3 RS 12/14 -, juris und vom 15. März 2017 - L 3 RS 27/15 -; so bereits Urteil des 1. Senats des LSG Sachsen-Anhalt vom 27. August 2015 - L 1 RS 23/13 -, juris).

24

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

25

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Der Senat hat den geltend gemachten Anspruch auf der Grundlage der gefestigten Recht-sprechung des BSG geprüft. Eine entscheidungserhebliche Abweichung von einer Entschei-dung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts liegt ebenfalls nicht vor.


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Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. August 2010 aufgehoben.

Referenzen

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. August 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 15.7.1982 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte hat.

2

Der 1943 geborene Kläger ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom der Lebensmittelindustrie" zu führen (Zeugnis der Ingenieurschule der Lebensmittelindustrie G. vom 15.7.1982). Im Anschluss an die Verleihung dieser Berechtigung war der Kläger bis 30.6.1990 beim VEB S. in folgenden Funktionen tätig:

        

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16.7.1982 bis 28.2.1983

Gruppenleiter NS-Schaltgeräte

        

-       

1.3.1983 bis 14.10.1984

Abteilungsleiter Materialplanung und Organisation

        

-       

15.10.1984 bis 31.12.1985

Abteilungsleiter KM

        

-       

1.1.1986 bis 31.12.1988

Objektingenieur

        

-       

1.1.1989 bis 30.6.1990

Abteilungsleiter Objektüberwachung.

3

Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger zur Zeit der DDR nicht. Seit dem 1.10.2003 bezieht er eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit.

4

Den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.7.2003 und Widerspruchsbescheid vom 27.11.2003).

5

Das SG Magdeburg hat die Beklagte mit Urteil vom 18.7.2007 verurteilt, die Zeit vom 15.7.1982 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG Sachsen-Anhalt mit Urteil vom 19.8.2010 das Urteil des SG Magdeburg aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe gemäß § 8 Abs 3 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets(Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz vom 25.7.1991, BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024) keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem. Er unterfalle nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der AVItech angehört habe. Dem Kläger sei weder von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt noch sei er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch habe ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft in seinem Fall nicht stattgefunden. Der Rechtsprechung des BSG, nach der die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG ebenso im Wege der Unterstellung vorliegen könne, folge der Senat nicht. Abgesehen davon lägen auch die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für eine fingierte Versorgungsanwartschaft nicht vor. Zwar erfülle der Kläger als Ingenieurökonom die persönliche Voraussetzung und sei auch entsprechend seiner erworbenen Qualifikation tätig gewesen. Zum Stichtag 30.6.1990 sei er jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Der VEB S. sei - wie der Senat bereits entschieden habe - weder ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie noch ein gleichgestellter Betrieb. Der Begriff des Produktionsbetriebs erfasse nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell gefertigt hätten. Die industrielle Serienproduktion müsse dem Betrieb das Gepräge gegeben haben. Dies sei hier nicht der Fall. Hauptzweck des VEB S. sei die Herstellung von Schaltschränken als Endprodukt gewesen. Der VEB habe pro Jahr über 10 000 Schaltschränke gefertigt. Nach den Einlassungen des Klägers im Verfahren L 1 R 400/06 habe deren Herstellung individuell nach den jeweils im Einzelfall vorgegebenen Unterlagen erfolgen müssen. Die Schaltschränke seien von ihrem Aufbau her auf die einzelne Anlage bezogen gewesen, deren Versorgung sie dienen sollten und seien deshalb "in hohem Maße den einzelnen Verhältnissen anzupassen" gewesen. Daneben habe der VEB Trafo- und Kabelkompaktstationen in geringer Stückzahl und serienmäßig Schaltschränke für den Waggonbau von ca 600 Einheiten produziert. Gehe man davon aus, dass die Produktion von Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat K. sowie von Kompaktstationen und Schwerpunktlaststationen als Serienproduktion anzusehen seien, kämen maximal 300 Einheiten dazu. Die individualisierte Schaltschrankproduktion überwiege auch dann noch deutlich. Nichts anderes ergebe sich, wenn unterstellt werde, dass die Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat E. seriell produziert worden seien. Denn diese Produktion habe einen jährlichen Warenwert von 20 bis 30 Mio Mark umfasst, also in jedem Fall weniger als 20 % des Gesamtwertes der Warenproduktion, die nach der Aussage des im Verfahren L 1 R 162/07 als Zeugen vernommenen Dr. K. Ende der 80er Jahre 160 Mio Mark betragen habe. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem VEB S. um einen gleichgestellten Betrieb gehandelt haben könnte, lägen nicht vor.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 8 iVm § 1 Abs 1 AAÜG, die unvollständige Sachverhaltsermittlung des Berufungsgerichts und eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG. Hierzu führt er im Wesentlichen aus:

7

Das LSG habe keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen erhoben, um beurteilen zu können, ob der VEB ein Produktionsbetrieb im Sinne der Rechtsprechung des BSG gewesen sei. Die vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Verfahren L 1 R 400/06 und L 1 R 162/07 enthielten widersprüchliche Sachverhalte. Im Verfahren L 1 R 162/07 sei festgestellt worden, dass im Betrieb Schienensysteme eingebaut gewesen seien, um die Produktion von Schaltschränken durchführen zu können. Die einzelnen Schaltanlagen seien an einer Taktstraße entlang bewegt und zum Schluss in eine Prüfanlage geführt worden. Die Schaltschränke seien von außen immer gleich aufgebaut gewesen, die eingesetzten Module hätten sich aber nach den Anforderungen des Kunden gerichtet. Die Schaltschränke seien dann zu Einheiten von ca 20 Schaltanlagen zusammengesetzt worden. Solche Niederspannungsschaltanlagen seien zu ca 1000 Einheiten pro Monat hergestellt worden. Andererseits habe das LSG festgestellt, dass nach der Aussage des Klägers im Verfahren L 1 R 400/06 die in Taktstraßen hergestellten Schaltschränke individuell nach den jeweils im Einzelfall vorgegebenen Unterlagen anzupassen gewesen seien. Es lasse sich nicht erkennen, welchen dieser sich widersprechenden Sachverhalte das LSG festgestellt und ob es sich einen von diesen mit dem Überzeugungsgrad des Vollbeweises zu eigen gemacht habe. Ferner habe das Berufungsgericht am Ende seiner Entscheidung festgestellt, dass die für die Herstellung der Schaltschränke erforderlichen und im Betrieb angefertigten Einzelteile den vom 4. Senat des BSG vorgegebenen Produktionsbegriff erfüllt hätten. Auch angesichts dessen hätte sich das Berufungsgericht zur weiteren Beweiserhebung gedrängt fühlen und dabei ermitteln müssen, wie sich die Herstellung von Einzelteilen und der einzelnen Schaltschränke in Taktstraßen in Zeitaufwand und Materialaufwand zu dem individuellen Zusammensetzen der Schaltschränke zur Auslieferung an den Kunden verhalten habe. Nur insoweit hätte sich der Hauptzweck des VEB S. bzw seine Prägung feststellen lassen.

8

Im Übrigen habe das LSG den Begriff "industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion (fordistisches Produktionsmodell) von Sachgütern" vollständig verkannt. Für die Qualifizierung eines Betriebs als Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung sei der Hauptzweck des Betriebs maßgeblich. Die industrielle, dh serienmäßige Produktion von Sachgütern oder Bauwerken müsse dem Betrieb das Gepräge gegeben haben. Nach den Entscheidungsgründen hätten die für die Herstellung der Schaltschränke erforderlichen und im Betrieb hergestellten Einzelteile den Produktionsbegriff in diesem Sinne erfüllt, das Endprodukt nach individueller Zusammenstellung der Schaltschränke aber nicht. Das LSG vertrete offensichtlich die unzutreffende Ansicht, die Produktion der Schaltschränke selbst habe nur eine dienende Funktion gehabt gegenüber der Zusammenstellung der Schaltschränke (individueller Ansatz) zu einer auszuliefernden Anlage. Entscheidend für die Feststellung der betrieblichen Voraussetzung seien vielmehr Materialeinsatz und Zeitanteil der seriellen Produktion der Komponenten, die für sich gesehen ein Endprodukt darstellten, auch wenn sie je nach individuellem Bedarf zu einer Anlage zusammengeschoben und verkabelt worden seien.

9

Soweit das LSG der Rechtsprechung des BSG nicht folge, sei dem nicht zuzustimmen. Die Argumente, die das Berufungsgericht gegen die Rechtsprechung des BSG einwende, griffen nicht durch.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. August 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Juli 2007 zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich sind.

14

Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 123 SGG), das Berufungsurteil aufzuheben und das Urteil des SG Magdeburg vom 18.7.2007 wieder herzustellen. Dieses Begehren hat Erfolg, wenn der Bescheid vom 25.7.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2003 aufzuheben und die Beklagte verpflichtet ist, die Beschäftigungszeit vom 15.7.1982 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech (nebst der dabei erzielten Arbeitsentgelte) festzustellen.

15

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 Satz 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG)dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

16

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anl 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

17

Aufgrund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß Satz 2 aaO innehat.

18

A. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

19

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

20

B. Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "aufgrund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt. Die Bedenken des LSG geben keinen Anlass zu einer erneuten Prüfung. Der Senat weist allerdings nochmals darauf hin, dass er § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG aus sich heraus weit auslegt, und - insofern in der Begründung anders als der 4. Senat - insbesondere nicht Satz 2 der Vorschrift heranzieht. Die diesbezüglich vom Berufungsgericht geäußerten Bedenken beziehen sich daher auf eine überholte Rechtsprechung.

21

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl I Nr 93 S 844) und die Zweite Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl Nr 62 S 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

22

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ vorliegen müssen,

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

23

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung. Er ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom" zu führen und ist am Stichtag entsprechend seiner Qualifikation tätig gewesen.

24

Ob der Kläger auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden. Aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG lässt sich nicht beurteilen, ob der VEB S. ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, die ihr Gepräge durch die Massenproduktion erhalten haben. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23) fest. Die in der Literatur teilweise erhobenen Bedenken (vgl hierzu Schmidt, Die Rentenversicherung 2011, S 141 ff) gegen den hier vertretenen Begriff des Produktionsbetriebs teilt der erkennende Senat nicht.

25

Das Verständnis der Vorschriften der VO-AVItech und der 2. DB erschließt sich stets zunächst und soweit als möglich unmittelbar aus sich heraus. Nur soweit aus bundesrechtlicher Sicht der objektivierte Wortlaut - nicht also die DDR-rechtliche Bewertung -, der interne Sinnzusammenhang und der historische Kontext noch Unklarheiten lassen, kann es zur Ergänzung der so gewonnenen Erkenntnisse und von ihnen ausgehend auf den sonstigen offiziellen Sprachgebrauch der DDR am Stichtag 30.6.1990 ankommen, soweit er einen versorgungsrechtlichen Bezug aufweist. Entwicklungen des Sprachgebrauchs sind daher nur insofern von Bedeutung, als sie sich auf Umstände beziehen, die ihrer Art nach bereits ursprünglich von den Versorgungsordnungen erfasst waren oder durch spätere Änderungen zu deren Bestandteil gemacht wurden (versorgungsrechtlicher Sprachgebrauch). Dagegen sind Entwicklungen des Sprachgebrauchs in sonstigen Bereichen, insbesondere dem Wirtschaftsrecht, ohne Bedeutung (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 67). Das bundesrechtliche Verständnis von einschlägigen Begriffen des Versorgungsrechts darf daher von vornherein nicht etwa in der Weise gewonnen werden, dass zunächst kontextunabhängig und ohne Beschränkung auf den versorgungsrechtlichen Zusammenhang nach einem offiziellen Sprachgebrauch der DDR am 30.6.1990 geforscht wird, um dann das Ergebnis dieser Bemühungen mit dem "Wortlaut" der einschlägigen versorgungsrechtlichen Regelungen gleichzusetzen und deren spezifisch versorgungsrechtlichen Anwendungsbereich hiernach zu bestimmen. Von Belang sind vielmehr allein Entwicklungen des versorgungsrechtlich relevanten Sprachgebrauchs. Einzelne Stimmen im Schrifttum basieren auf diesem methodischen Irrtum und vermögen daher auch den auf sie gestützten Revisionen nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dies gilt umso mehr, soweit dort eine Ausdehnung des Produktionsbegriffs befürwortet wird, die die versorgungsrechtliche Gleichstellung von wissenschaftlichen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Betrieben sowie wirtschaftsleitenden Organen im Ergebnis überflüssig machen würde.

26

Vorliegend könnten zwar die Überschrift der VO-AVItech vom 17.8.1950, deren Einleitung und ihr § 1 sowie § 1 Abs 1 2. DB darauf hindeuten, dass deren Voraussetzungen generell durch die einschlägige Beschäftigung von Ingenieuren in allen volkseigenen Betrieben erfüllt werden. Indessen kann der VO an diesen Stellen für den betrieblichen Anwendungsbereich einzelner Teile nichts entnommen werden. Insbesondere zeigt der Wortlaut der Gleichstellungsregelung in § 1 Abs 2 2. DB, dass generell nur volkseigene Produktionsbetriebe erfasst sind. Die "Rechtsfolge" der ausnahmsweisen Gleichstellung der dort im Einzelnen aufgeführten wissenschaftlichen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Betriebe sowie wirtschaftsleitenden Organe bestimmt logisch notwendig Inhalt und Umfang des Grundtatbestands. Versorgungsrechtlich relevant ist damit nur die Beschäftigung in einer Teilmenge der volkseigenen Betriebe.

27

Die positiven Bestimmungsmerkmale der Teilmenge "Produktionsbetriebe" ergeben sich mit hinreichender Bestimmtheit zunächst aus dem sachlichen Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Industrie, auf dessen Einvernehmen es nach § 5 der VO-AVItech vom 17.8.1950 für den Erlass von Durchführungsbestimmungen durch das Ministerium der Finanzen ua ankam. Die Beteiligung gerade dieses damals für Herstellungsvorgänge in den industriellen Fertigungsbetrieben verantwortlichen Ministeriums (so auch in der Präambel der Ersten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 26.9.1950, GBl II Nr 111 S 1043) gibt zu erkennen, dass versorgungsrechtlich grundsätzlich nur diesem Kriterium genügende VEB erfasst sein sollten. Dies wird zudem durch die historische Situation beim Aufbau einer zentralen Planwirtschaft durch das Interesse der Machthaber, qualifizierten Kräften gerade im Bereich der Industrie einen Beschäftigungsanreiz zu bieten, bestätigt. Die herausragende Bedeutung der Industrie, die auch in der DDR im Sinne der Herstellung von Erzeugnissen auf der Basis industrieller Massenproduktion verstanden wurde (vgl hierzu Abelshauser, Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, 2004, 370 ff), ist unabhängig davon, ob hierfür der (Wort-)Begriff "fordistisches Pro-duktionsmodell" gebraucht wird. Hiervon wird - ungeachtet ihrer ursprünglichen formellen Zuordnung zum Ministerium für Aufbau - der Sache nach bereits ursprünglich auch die Bauindustrie erfasst. Diese wurde in der DDR zudem in der Folgezeit durchgehend zusammen mit der Industrie den beiden führenden Produktionsbereichen zugeordnet und gemeinsam gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen abgegrenzt. Dies gilt jeweils auch und gerade noch nach dem Sprachgebrauch der am 30.6.1990 maßgeblichen Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 8.11.1979 (GBl I Nr 38 S 355).

28

Soweit der Rechtsprechung der Instanzgerichte neben dem damit primär maßgeblichen Umstand, dass die industrielle Fertigung dem VEB das Gepräge gegeben haben muss, konstitutiv auf die Frage der organisatorischen Zuordnung abstellt, ist darauf hinzuweisen, dass sich dies aus der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ergibt. Bereits im Urteil vom 9.4.2002 (B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47 f) hatte der 4. Senat des BSG eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend - nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung vom 6.5.2004 (B 4 RA 52/03 R - Juris RdNr 29) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heran (vgl Beschluss vom 13.2.2008 - B 4 RS 133/07 B - Juris RdNr 11).

29

Entsprechendes gilt, wenn ein Betrieb (auch) Montagearbeiten verrichtet hat.

30

Dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend wurde auch in der DDR unter Montage der planmäßige Zusammenbau von Bauteilen zu einem Endprodukt verstanden.

31

Fällt sie in einem Betrieb an, der die Bauteile im Wege industrieller Massenproduktion selbst herstellt, kann auch der Zusammenbau dieser Teile zum fertigen Produkt seinerseits Teil der industriellen Produktion einschließlich des Bauwesens (vgl BSG SozR 4-8570 § 1 Nr 3 RdNr 20)sein. Dies wird stets dann der Fall sein, wenn diese Produkte ihrerseits massenhaft hergestellt werden und daher ihr Zusammenbau mehr oder weniger schematisch anfällt. Unter diesen Voraussetzungen ist insbesondere auch eine größere Produktpalette oder eine Vielzahl potenziell zu verbindender Einzelteile kein Hindernis, solange das Produkt einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entspricht. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut (vgl BSG vom 24.4.2008 - B 4 RS 31/07 R - Juris) oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion. In diesem Fall ist zu prüfen, ob der Betrieb in dem gleichermaßen die industrielle Massenproduktion von Einzelteilen und der individualisierte Zusammenbau von Endprodukten anfallen, sein Gepräge durch den erstgenannten Bereich erhält.

32

Ob der VEB S. nach diesen Maßgaben sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen.

33

Nach diesen ist schon unklar, welche Produktion dem VEB das Gepräge gegeben hat. Denn das LSG wechselt bei seiner Bewertung der einzelnen Tätigkeitsbereiche die Maßstäbe, sodass deren jeweilige Bedeutung für den Betrieb nicht beurteilbar ist. Während Schaltschränke, Trafo- und Kabelkompaktstationen, Schaltschränke für den Waggonbau, Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat K., Kompaktstationen und Schwerpunktlaststationen nach Stückzahlen aufgelistet werden, erfolgt eine Betrachtung der Produktion von Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat E. unter Berücksichtigung des jährlichen Warenwerts.

34

Des Weiteren lässt sich nicht entscheiden, ob die Herstellung der Schaltschränke als Endprodukt individuell erfolgt ist. Der Senat ist insoweit an die Feststellungen des LSG nicht nach § 163 SGG gebunden. Das angefochtene Urteil gibt den Sachverhalt diesbezüglich nur undeutlich an; insbesondere wird die pauschale Aussage, die Schaltschränke seien "in hohem Maße den einzelnen Verhältnissen anzupassen" gewesen, nicht mit konkreten Tatsachenangaben untermauert, die eine Überprüfung des Ergebnisses des LSG ermöglichen (vgl BSG SozR Nr 6 zu § 163).

35

Das LSG wird nunmehr zunächst die Tätigkeitsbereiche des VEB S. am Stichtag festzustellen haben. Diese müssen anschließend nach jeweils einheitlichen Maßstäben bewertet und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Insofern bietet sich ein lediglich zahlenmäßiger Vergleich der angefallenen Vorgänge nicht an. Aussagekräftiger dürfte ein Vergleich der jeweiligen Anteile an Aufwand und Umsatz bzw Ertrag sein. Nach diesen Maßstäben wird das LSG auch die Bedeutung der Montagearbeiten zu würdigen haben. Dabei wird das LSG konkret angeben müssen, wie sich der Zusammenbau der Schaltschränke gestaltet hat, insbesondere, ob sie aus standardisierten oder individuell konzipierten Bestandteilen im oben dargelegten Sinne gefertigt worden sind.

36

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung durch das LSG vorbehalten.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. März 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 1.9.1974 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte hat.

2

Der am 1950 geborene Kläger ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen (Urkunde der Ingenieurschule für Anlagenbau G. vom 26.7.1974).

3

Im Anschluss an die Verleihung dieser Berechtigung war der Kläger nach den Feststellungen des LSG ab 1.9.1974 beim VEB Kombinat Rohrleitungen und Isolierungen, Betrieb R. , später VEB Rohrleitungsbau F., Betriebsteil A. sowie ab 1978 beim VEB Rohrleitungsbau A. bis 30.6.1990 als Produktionslenker und zuletzt als Gruppenleiter Preise bzw Leiter der Abteilung Preise und Abrechnung tätig.

4

Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger zur Zeit der DDR nicht.

5

Den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 29.1.2004, Widerspruchsbescheid vom 14.4.2004).

6

Klage und Berufung des Klägers sind ebenfalls erfolglos geblieben (Urteil des SG Magdeburg vom 24.11.2005; Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 15.3.2012). Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe gemäß § 8 Abs 3 S 1 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 S 1 AAÜG keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zum Zusatzversorgungssystem. Er unterfalle nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der AVItech angehört habe. Dem Kläger sei weder von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt noch sei er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch habe ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft in seinem Fall nicht stattgefunden. Der Rechtsprechung des BSG, nach der die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs 1 S 1 AAÜG ebenso im Wege der Unterstellung vorliegen könne, folge der Senat nicht. Abgesehen davon lägen auch die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für eine fingierte Versorgungsanwartschaft nicht vor. Zwar erfülle der Kläger als Ingenieur die persönliche Voraussetzung und sei auch als Gruppenleiter Preise bzw Leiter der Abteilung Preise und Abrechnung am Stichtag 30.6.1990 entsprechend seiner erworbenen Qualifikation tätig gewesen. Zum 30.6.1990 sei er jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Fraglich sei schon, ob es am 30.6.1990 überhaupt noch VEB gegeben habe, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR Planwirtschaft zugeordnet gewesen seien. Denn es sei zweifelhaft, ob es im Jahr 1990 eine Planwirtschaft iS des Art 9 Abs 3 der Verfassung der DDR, auf die das BSG abstelle, überhaupt noch gegeben habe. Abgesehen davon erfülle der VEB Rohrleitungsbau A. nicht die Vorgaben des BSG für einen Produktionsbetrieb iS der AVItech. Der VEB sei kein Betrieb gewesen, der Sachgüter im Hauptzweck industriell, dh serienmäßig wiederkehrend gefertigt habe. Der Tätigkeitsschwerpunkt der in der Produktion eingesetzten Beschäftigten lasse sich der Anlage 1 zur "Darstellung des Rohrleitungsbau A. " entnehmen. Danach habe sich für das 2. Halbjahr 1990 folgende Auftragslage ergeben:

-       

Stahlrohre: 16 km mit 16,3 Mio DM

-       

Rohrleitungselemente: 900 t mit 4,5 Mio DM

-       

Behälter: 0,65 Mio DM

-       

Sonstige industrielle Leistungen (Isolierarbeiten, Montagearbeiten, Serviceleistungen): 1 Mio DM.

7

Diese Zahlen verdeutlichten, dass dem VEB in erster Linie die Stahlrohrproduktion das Gepräge gegeben habe. Eine Stahlrohrproduktion von 16 km im Halbjahr bzw - entsprechend der Jahresvorgabe durch die staatliche Plankommission - von 39 km pro Jahr bedeute eine monatliche Fertigung von ca 2700 bis 3300 Metern. Angesichts dieser geringen Zahl könne von industrieller Massenfertigung in serieller Produktion keine Rede sein. Hinzu komme, dass nach Auskunft des ehemaligen Direktors für Produktion bzw für Technik und Produktion des VEB Rohrleitungsbau A. S. der Anteil der wiederholenden Fertigung zwar ca 80 % betragen habe, sich die Produkte, zB Rohre, jedoch regelmäßig in technischen Details unterschieden hätten. Dies bedeute, dass die Produktion zumindest teilweise auch von individuellen Vorgaben abhängig gewesen sein dürfte, was zusätzlich gegen eine serielle Massenproduktion spreche. Hiergegen spreche auch die ausweislich der Betriebsgeschichte offenbar Mitte der 1980er Jahre vorgenommene Fertigung einer Rauchgasanlage für Salzgitter. Dies verdeutliche, dass es nicht zuletzt im Schwerpunktbereich des Betriebes, dem Rohrleitungsbau, zumindest auch eine nennenswerte Produktion nach individuellen Kundenwünschen gegeben habe.

8

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 8 Abs 3 S 1 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 S 1 AAÜG. Hierzu trägt er im Wesentlichen vor: Nach der Rechtsprechung des BSG habe er Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz. Er erfülle nicht nur die persönliche und sachliche Voraussetzung, sondern auch die betriebliche Voraussetzung. Entgegen der Rechtsauffassung des LSG habe es im Juni 1990 noch eine Planwirtschaft iS von Art 9 Abs 3 der Verfassung der DDR gegeben. Auch sei der VEB Rohrleitungsbau A. ein volkseigener Produktionsbetrieb iS des § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl I Nr 93 S 844) iVm § 1 Abs 1 S 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl Nr 62 S 487) gewesen. Der Tätigkeitsschwerpunkt des Betriebes habe in erster Linie in der Stahlrohrproduktion gelegen. Die Schlussfolgerung des LSG, dass es sich bei einer monatlichen Fertigung von ca 2700 bis 3300 m nur um eine geringe Zahl gehandelt habe, sei nicht nachvollziehbar. Weder sei erkennbar, woraus das LSG diesen Schluss ziehe, noch welchen Maßstab es hierbei anlege. Ab welcher Fertigungsmenge die vom VEB Rohrleitungsbau A. hergestellten Rohre in den aktenkundigen Abmaßen eine Massenproduktion ergeben hätten, erläutere das LSG ebenso wenig. Aus der vom Berufungsgericht herangezogenen Anlage 1 zur "Darstellung des Rohrleitungsbau A." ergebe sich, dass im 2. Halbjahr 1990 monatlich ca 150 000 kg Stahl durch den VEB verarbeitet worden seien. Eine derartige Menge an Material könne gerade nicht ohne industrielle und insbesondere serielle Produktionsmethoden verarbeitet werden. Darüber hinaus wäre es nicht verständlich, wenn der Begriff "Massenproduktion" einzig und allein an Stückzahlen oder laufende Meter anknüpfen würde. Ebenso wenig sei die Auffassung des LSG nachvollziehbar, dass auch die im VEB Rohrleitungsbau A. zumindest teilweise von individuellen Vorgaben abhängig gewesene Produktion gegen eine serielle Massenproduktion spreche. Individuelle Vorgaben bedeuteten gerade nicht Einzelanfertigung. Es bedeute vielmehr, dass in der Produktionsvorbereitung des jeweiligen Betriebes Arbeitsschritte notwendig würden, um nach den jeweiligen Aufträgen die vorhandene Maschinerie des Betriebes auf die neue Gegebenheit anzupassen. Nichts anderes passiere, wenn ein Betrieb eine Katalogware herstelle, diese aber in unterschiedlicher Ausführung (sei es nun bezogen auf Farbe, Größe oä). Ob nun völlig kundenunabhängig Sachgüter auf Lager produziert würden oder aber daneben aufgrund besonderer Auftragsstellung die industrielle Taktstraße auftragsbezogen eingerichtet werde, könne für die Beurteilung, ob es sich um einen VEB der seriellen Massenproduktion handele, nicht ausschlaggebend sein. Ebenso wenig stütze die Betriebsgeschichte des VEB das Urteil des LSG. Bei dieser Dokumentation handele es sich um eine Art Chronik des Betriebes, in welcher selbstverständlich nur Besonderheiten Erwähnung fänden.

9

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

        

1. die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. März 2012 und des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. November 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2004 aufzuheben und

        

2. die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 1. September 1974 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Sie hält die angefochtene Entscheidung im Ergebnis für zutreffend.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich sind.

13

Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren, die Beklagte zu verurteilen, seine Beschäftigungszeit vom 1.9.1974 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech nebst der dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

14

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 S 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anl 1 Nr 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG)dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekanntzugeben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie - jedenfalls bis zum Inkrafttreten des 2. AAÜG-ÄndG zum 3.8.2001 (vgl hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 14.12.2011 - B 5 R 2/10 R - Juris) - alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

15

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 RÜG vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anl 1 und 2 im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (S 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (S 2), so dass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

16

Aufgrund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß S 2 aaO innehat.

17

1. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

18

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 S 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

19

2. Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "aufgrund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt. Die Bedenken des LSG geben keinen Anlass zu einer erneuten Prüfung.

20

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der AVItech in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben am Stichtag 30.6.1990 auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die VO-AVItech und die dazu ergangene 2. DB, soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

21
       

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ vorliegen müssen:

1. von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),
2. von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

3.  

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
22

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung. Er ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen, und am Stichtag entsprechend seiner Qualifikation tätig gewesen.

23

Ob der Kläger auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden. Aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG lässt sich nicht beurteilen, ob der VEB Rohrleitungsbau A. ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gibt. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23) fest, was er zuletzt in mehreren am 19.7.2011, 28.9.2011 und 9.5.2012 verkündeten Urteilen (ua BSGE 108, 300, 303; B 5 RS 8/10 R - Juris RdNr 19; B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 21) nochmals betont hat.

24

Für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzung ist unerheblich, ob es am Stichtag 30.6.1990 noch VEB gegeben hat, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet waren. Ob die betriebliche Voraussetzung iS der VO-AVItech iVm der 2. DB erfüllt ist, bestimmt sich nach der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung allein danach, ob der Kläger am 30.6.1990 - abgesehen von den gleichgestellten Betrieben - in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt gewesen ist, dh einem VEB, dem die industrielle Fertigung das Gepräge gegeben hat. Hingegen ist entgegen der Auffassung des LSG nicht auch konstitutiv auf seine organisatorische Zuordnung abgestellt worden (so schon Hinweis des Senats im Urteil vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 RdNr 28). Bereits im Urteil vom 9.4.2002 (B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47 f) hatte der 4. Senat des BSG eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend - nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung vom 6.5.2004 (B 4 RA 52/03 R - Juris RdNr 29) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heran (vgl BSG Beschluss vom 13.2.2008 - B 4 RS 133/07 B - Juris RdNr 11). Hat aber die Frage der organisatorischen Zuordnung keine konstitutive Bedeutung, ist unerheblich, ob es am Stichtag noch einen industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft gegeben hat. Vielmehr ist allein die Rechtsform des Betriebs als VEB sowie seine tatsächliche Produktionsweise entscheidungsrelevant.

25

Das LSG hat den Begriff des industriellen Produktionsbetriebes iS des § 1 VO-AVItech iVm § 1 Abs 1 der 2. DB im Ansatz zutreffend bestimmt und ist darüber hinaus zu Recht davon ausgegangen, dass der VEB Rohrleitungsbau A. unter Berücksichtigung der am 1.6.1990 für das 2. Halbjahr 1990 gelisteten Auftragslage hauptsächlich durch die Stahlrohrproduktion geprägt worden ist. Im Übrigen hat das LSG jedoch unrichtige Anforderungen an den industriellen Produktionsbetrieb gestellt und damit die betriebliche Voraussetzung verkannt.

26

Der Senat hat bereits entschieden (Urteil vom 9.5.2012 - B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 23), dass der versorgungsrechtliche Begriff der Massenproduktion im Sinne der AVItech auf die standardisierte Herstellung einer unbestimmten Vielzahl von Sachgütern gerichtet ist. Er ist damit in quantitativer Hinsicht allein durch die potentielle Unbegrenztheit der betrieblichen Produktion gekennzeichnet. Dagegen kommt es nicht auf das konkrete Erreichen einer bestimmten Anzahl von Gütern an, die der Betrieb insgesamt produziert oder an einzelne Kunden abgegeben hat. Ebenso wenig ist maßgeblich, welchen Anteil die Produktion des jeweiligen VEB an der DDR-Gesamtproduktion hatte. In ihrem wesentlichen qualitativen Aspekt unterscheidet sich die Massenproduktion von der auftragsbezogenen Einzelfertigung mit Bezug zu individuellen Kundenwünschen als ihrem Gegenstück (vgl BSGE 108, 300, 305) dadurch, dass der Hauptzweck des Betriebs auf eine industrielle Fertigung standardisierter Produkte in einem standardisierten und automatisierten Verfahren gerichtet ist (so grundlegend BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47; BSG vom 6.5.2004 - B 4 RA 44/03 R - Juris RdNr 17). Es ist in erster Linie diese Produktionsweise, die den Begriff der Massenproduktion im vorliegenden Zusammenhang kennzeichnet, und die inhaltliche Gesamtbetrachtung des Betriebes, die ihn zu einem Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens macht. "Standardisiert und automatisiert" in diesem Sinne ist alles hergestellt, was mit einem vom Hersteller vorgegebenen Produkt nach Art, Aussehen und Bauweise identisch ist, aber auch dasjenige Sachgut, das aus mehreren ihrerseits standardisiert und automatisiert hergestellten Einzelteilen zusammengesetzt und Teil einer einseitig und abschließend allein vom Hersteller vorgegebenen Produktpalette ist.

27

Nach Auffassung des LSG ist der VEB Rohrleitungsbau A. kein industrieller Produktionsbetrieb gewesen, weil eine Stahlrohrproduktion von 16 km im Halbjahr bzw - entsprechend der Jahresvorgabe durch die staatliche Plankommission - von 39 km pro Jahr lediglich eine monatliche Fertigung von ca 2700 bis 3300 m bedeute und angesichts dieser geringen Zahl von industrieller Massenfertigung in serieller Produktion nicht die Rede sein könne. Nach Maßgabe der oben genannten Anforderungen kommt es indes nicht darauf an, welche Anzahl von Gütern der Betrieb insgesamt produziert hat. Quantitativ maßgeblich ist vielmehr die potentielle Unbegrenztheit der betrieblichen Produktion. Ebenso wenig spricht zwingend gegen eine serielle Massenproduktion, dass sich die wiederkehrend gefertigten Produkte - zB Rohre - nach den Feststellungen des LSG regelmäßig in technischen Details unterschieden haben. Dies stünde nur dann der Annahme einer industriellen Fertigung entgegen, wenn die Produktionsweise des Betriebes von vornherein darauf angelegt war, allein den Wünschen des jeweiligen Auftraggebers entsprechend Einzelstücke herzustellen, die so vom Hersteller nicht vorgesehen waren. Kommt es dagegen zur Abgabe von nach individuellen Vorgaben gefertigten Produkten, die in der vom Hersteller vorgegebenen Produktpalette enthalten sind, ist die Eigenschaft als Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens nicht gefährdet. Zu Recht weist die Revisionsbegründung darauf hin, dass es nicht ausschlaggebend ist, ob kundenunabhängig Sachgüter auf Lager produziert werden oder aufgrund besonderer Auftragsstellung die industrielle Taktstraße auftragsbezogen aus der Palette des Herstellers eingerichtet wird.

28

Unerheblich ist schließlich, dass der VEB Rohrleitungsbau A. bzw einer seiner Vorgängerbetriebe Mitte der 1980er Jahre eine Rauchgasanlage für Salzgitter (offensichtlich als Einzelstück) hergestellt hat. Die Entscheidung, ob ein industrieller Produktionsbetrieb im Sinne der versorgungsrechtlichen Bestimmungen vorliegt, richtet sich allein nach den Produktionsbedingungen am Stichtag 30.6.1990. Unter Berücksichtigung der vom LSG festgestellten Auftragslage ist zu diesem Zeitpunkt eine individuell konzipierte Großanlage nicht gefertigt worden.

29

Das LSG wird nunmehr zunächst festzustellen haben, ob die Stahlrohrproduktion im VEB Rohrleitungsbau A. durch ihre potentielle Unbegrenztheit gekennzeichnet war. Sollte dies der Fall sein, wird das Berufungsgericht unter Beachtung der genannten Vorgaben zu prüfen haben, ob bzw in welchem Ausmaß die Stahlrohre in einem standardisierten und automatisierten Verfahren erstellt worden sind bzw wie individuelle Kundenwünsche in der Produktion umgesetzt worden sind. Sollten die Produkte teilweise im Wege der industriellen Massenproduktion und teilweise in auftrags- und kundenbezogener Einzelfertigung gefertigt worden sein, sind diese Bereiche jeweils nach einheitlichen Maßstäben zu bewerten und zueinander in Beziehung zu setzen. Insoweit bietet sich ein Vergleich der jeweiligen Anteile am Umsatz oder Ertrag an.

30

Sollte der Kläger am Stichtag 30.6.1990 auch die betriebliche Voraussetzung erfüllen, wird das LSG weiter festzustellen haben, ab welchem Zeitpunkt der Kläger als Gruppenleiter Preise bzw Leiter der Abteilung Preise und Abrechnung tätig gewesen ist und ob seine davor ausgeübte Beschäftigung ebenfalls der Tätigkeit eines Ingenieurs entsprochen hat. Ferner wird das LSG festzustellen haben, ob auch die Vorgängerbetriebe des VEB Rohrleitungsbau A. industrielle Produktionsbetriebe waren.

31

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung durch das LSG vorbehalten.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Dezember 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Zeit vom 3.5.1971 bis zum 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) einschließlich der dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

2

Der 1946 geborene Kläger erwarb an der Universität R. den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" (Urkunde vom 31.3.1971). Ab dem 3.5.1971 arbeitete er bei verschiedenen Volkseigenen Betrieben (VEB), zuletzt vom 1.2. bis 30.6.1990 beim VEB E.

3

Dort wirkte er als "Fachdirektor Ökonomie" wesentlich an der Umstrukturierung des VEB mit. Dieser produzierte im 1. Halbjahr 1990 mit 107 Arbeitnehmern Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten. Gleichzeitig beschäftigte der VEB in den Bereichen der Elektroinstallation 250, der Verwaltung 78, der Projektierung 20 und der Lagerwirtschaft 8 Mitarbeiter. Der Kläger erhielt keine Versorgungszusage, zahlte aber Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung; eine korrigierende Rehabilitierungsentscheidung wurde nicht getroffen.

4

Den Antrag des Klägers, seine Zusatzversorgungsanwartschaften festzustellen und zu überführen, lehnte die Beklagte ab, weil er die sachliche Voraussetzung nicht erfülle. Denn als "Fachdirektor Ökonomie" sei er nicht entsprechend seiner Qualifikation ingenieurtechnisch beschäftigt gewesen (Bescheid vom 12.12.2002; Widerspruchsbescheid vom 9.4.2003).

5

Das SG hat dem Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist gewährt und die Klage abgewiesen (Urteil des SG Halle vom 24.3.2005). Die Berufung ist erfolglos geblieben (Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 15.12.2011): Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 8 Abs 3 S 1 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 S 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) vom 25.7.1991 (BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024). Denn er falle nicht in den Geltungsbereich des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG, weil er der AVItech weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung angehört habe. Ihm sei weder eine Versorgung zugesagt worden noch liege eine Rehabilitierungsentscheidung oder der rechtsstaatswidrige Entzug einer Versorgungsanwartschaft vor. Die Rechtsprechung des BSG, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem auch im Wege der Unterstellung erfolgen könne, lehne der Senat ab. Abgesehen davon lägen auch die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für eine fingierte Versorgungsanwartschaft nicht vor. Zwar erfülle der Kläger als Ingenieur die persönliche und als "Fachdirektor Ökonomie" auch die sachliche Voraussetzung. Zum 30.6.1990 sei er jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Fraglich sei schon, ob es am Stichtag überhaupt noch VEB gegeben habe, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet gewesen seien. Denn es sei zweifelhaft, ob es im Juni 1990 eine Planwirtschaft iS des Art 9 Abs 3 der Verfassung der DDR überhaupt noch gegeben habe. Ungeachtet dessen sei der VEB E. kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gewesen, weil der Schwerpunkt der Betriebstätigkeit nicht in der Produktion (Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten), sondern im Bereich der Elektroinstallation gelegen habe. Denn die Zahl der Beschäftigten in der Elektroinstallation (250) übersteige die Zahl der in der Produktion eingesetzten Mitarbeiter (107) deutlich. Soweit der Senat in dem Verfahren L 1 R 105/08 von nur zehn Mitarbeitern im Bereich der Elektroinstallation ausgegangen sei, könne daran nicht mehr festgehalten werden. Bei der Elektroinstallation würden keine neuen Produkte seriell hergestellt, sondern - ggf seriell hergestellte - Sachgüter verarbeitet, indem zB Leuchten und Kabel angebracht bzw verlegt würden. Insofern könnten Installation und Montage, die den Produktionsbegriff erfüllten, keinesfalls gleichgesetzt werden. Der Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit des VEB sei nicht anhand des Gewinns zu beurteilen, der in den einzelnen Bereichen erzielt worden sei. Dies gelte jedenfalls dann, wenn sich schon anhand der Verteilung der Arbeitskräfte der Schwerpunkt des Betriebes - wie hier - deutlich herauskristallisiere. Denn auf den Aufwand lasse sich nicht zuletzt durch den jeweiligen Mitarbeitereinsatz schließen. Hingegen sei der Gewinn oder die Bilanz als Gradmesser für den betrieblichen Schwerpunkt problematisch, weil dessen Ermittlung von den systembedingten Vorgaben abhänge und häufig nicht den tatsächlichen Aufwand und Umsatz bzw Ertrag abbilde. So sei in der DDR nach den Bestimmungen der Rechnungsführung und Statistik (RuSt) bilanziert worden. Die durch die RuSt ermittelten Zahlen hätten der Leitung und Planung der Volkswirtschaft der DDR (§ 2 Abs 1 und 2 der Verordnung über Rechnungsführung und Statistik vom 11.7.1985, GBl DDR I 261) und damit einem anderen Zweck gedient als eine handelsrechtliche Bilanz. Das System der RuSt habe den Erfordernissen einer zentralgeleiteten Wirtschaft entsprochen, ein einheitliches Rechnungswesen in der gesamten Volkswirtschaft zu schaffen, das nicht nur die einzelnen Betriebe und Kombinate erfasse, sondern zugleich eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung darstelle. Eine Rechnungslegung nach den Grundsätzen der RuSt sei erforderlich gewesen, um ablesen zu können, ob ein Betrieb seine Planvorgaben erreicht habe.

6

Mit der Revision, die das LSG zugelassen hat, rügt der Kläger insbesondere die Verletzung materiellen Rechts: Soweit das LSG den Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit allein anhand der Mitarbeiterzahl pro Abteilung bestimme, verkenne es, dass es nach der Rechtsprechung des BSG allein auf die Anteile an Aufwand und Umsatz bzw Ertrag ankomme. Der VEB E. habe schwerpunktmäßig Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten produziert. Im Bereich der Elektroinstallation seien nur 10 Mitarbeiter im Außeneinsatz tätig gewesen. Die anderen hätten beispielsweise in industrieller Art und Weise Schaltschrankbau betrieben, und zwar weitestgehend aufgrund gleich gerichteter Anforderungen. Außerdem hätten sie bei der Vorinstallation für Gleich- und Wechselrichter, die im Straßenbahnbau und bei der Montage von Zügen eingesetzt worden seien, vorgefertigte Bauteile im Wege der industriellen Massenproduktion zum fertigen Produkt verbaut. Ferner seien Installationseinrichtungen für den Einsatz in Industrieanlagen vorgefertigt worden, wobei eine ausschließlich spezifische Montage für besondere Anforderungen nur im Ausnahmefall erfolgt sei. Derartige Installationsarbeiten erfüllten - ebenso wie Montagetätigkeiten - den Produktionsbegriff. Entgegen der Ansicht des LSG hätten am 30.6.1990 auch noch der DDR-Planwirtschaft zuzuordnende VEB existiert. Jede andere Auslegung führe die verfassungsgerichtlich bestätigte Rechtsprechung des BSG zur Überführung fiktiver Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen ad absurdum.

7

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

        

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 24. März 2005 und das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Dezember 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 3. Mai 1971 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Die betriebliche Voraussetzung sei nicht erfüllt. Der VEB E. sei kein Produktionsdurchführungsbetrieb gewesen, dem eine industrielle Massenproduktion von Sachgütern in Gestalt von Antennen, Heizkörpern, Plastschweißgeräten und Leuchten das Gepräge gegeben habe. Denn der überwiegende Teil der Beschäftigten sei nicht in der Sachgüterproduktion, sondern mit der Installation von Elektroanlagen beschäftigt gewesen. Elektroinstallationsarbeiten seien immer den individuellen Gegebenheiten und Vorgaben der Kunden anzupassen, weil Leitungen und Verteiler verlegt und Elemente miteinander verbunden werden müssten, was nicht seriell erfolgen könne. Damit unterscheide sich diese Art der Installation auch von der (seriellen) Industriemontage, bei der massenhaft Einzelteile zu einem grundsätzlich gleichen, nur in Details unterschiedlichen neuen industriellen Sachgut in hohen Stückzahlen zusammengesetzt würden.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG), weil weitere Tatsachenfeststellungen erforderlich sind.

11

Die Klage war zulässig. Das LSG hat zu Recht festgestellt, dass das SG verbindlich Wiedereinsetzung (§ 67 Abs 1 und 4 S 2 SGG) in die versäumte Klagefrist (§ 87 Abs 1 S 1 iVm Abs 2 SGG) gewährt hat.

12

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 S 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie - jedenfalls bis zum Inkrafttreten des 2. AAÜG-ÄndG zum 3.8.2001 (vgl hierzu Senatsurteil vom 14.12.2011 - B 5 R 2/10 R - SozR 4-8570 § 7 Nr 3) - alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

13

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung - Rentenüberleitungsgesetz - vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anlage 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (S 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (S 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

14

Auf Grund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "auf Grund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß S 2 aaO innehat.

15

Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

16

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 S 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

17

Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "auf Grund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt. Die weiterhin geäußerten Bedenken des LSG geben keinen Anlass zur nochmaligen Prüfung (s dazu bereits Senatsurteil vom 9.5.2012 - B 5 RS 7/11 R - Juris).

18

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl DDR 844) und die 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl DDR 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

19

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ am Stichtag 30.6.1990 vorliegen müssen,

        

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

        

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

        

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

20

Der Kläger erfüllt die persönliche Voraussetzung, weil er nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) berechtigt ist, den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" zu führen. Ob der Kläger auch die sachliche (nachfolgend a) und die betriebliche Voraussetzung (nachfolgend b) erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden.

21

a) Nach der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG (Urteil vom 23.8.2007 - B 4 RS 2/07 R - Juris RdNr 18; s auch Urteil vom 31.3.2004 - B 4 RA 31/03 R - Juris RdNr 19 f) und des erkennenden Senats (Urteile vom 9.10.2012 - B 5 RS 9/11 R - Juris RdNr 19 und vom 9.5.2012 - B 5 RS 7/11 R - Juris RdNr 24) erfüllen Ingenieure die sachliche Voraussetzung für eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nur dann, wenn der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit entsprechend ihrem Berufsbild im produktionsbezogenen ingenieurtechnischen Bereich lag und damit die Aufgabenerfüllung geprägt hat. Lag der Schwerpunkt dagegen in anderen Bereichen, zB im wirtschaftlichen bzw kaufmännischen Bereich, waren die Ingenieure nicht schwerpunktmäßig, dh überwiegend, entsprechend ihrem Berufsbild, sondern vielmehr berufsfremd eingesetzt. Nach der ständigen Rechtsprechung bedeutet "berufsfremd" die Ausübung einer Tätigkeit, die nicht schwerpunktmäßig durch die durchlaufene Ausbildung und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägt ist (Senatsurteile aaO).

22

Für die Prüfung der sachlichen Voraussetzung ist demnach von der erworbenen Berufsbezeichnung iS der 2. DB auszugehen und zu ermitteln, welches Berufsbild dieser unter Berücksichtigung der Ausbildung und der im späteren Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen zu Grunde liegt. Im Anschluss hieran ist festzustellen, welche Tätigkeit der Versicherte konkret ausgeübt hat und zu fragen, ob diese im Schwerpunkt dem der Berufsbezeichnung zu Grunde liegenden Berufsbild entspricht. Dies ist zu bejahen, wenn die ausgeübte Tätigkeit überwiegend durch die in der Ausbildung zu einem Beruf iS des § 1 Abs 1 der 2. DB gewonnenen Kenntnisse und Fertigkeiten und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägt ist (Senatsurteile vom 9.10.2012 - B 5 RS 9/11 R - Juris RdNr 20 und vom 9.5.2012 - B 5 RS 7/11 R - Juris RdNr 25; BSG Urteil vom 18.10.2007 - B 4 RS 17/07 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 14 RdNr 44 mwN).

23

Es fehlen hier bereits Feststellungen des LSG zum Berufsbild des "Diplom-Ingenieurs" und zur Tätigkeit, die der Kläger am Stichtag konkret ausgeübt hat. Feststellungen zum Berufsbild und der verrichteten Tätigkeit sind stets auf der Grundlage von Ermittlungen zu treffen, die die individuelle Situation des jeweiligen Anspruchstellers aufklären. Zur Feststellung des Berufsbilds des Klägers ist daher insbesondere dessen absolvierte Ausbildung im Einzelnen zu ermitteln; um das Anforderungsprofil der Tätigkeit festzustellen, die er am Stichtag ausgeübt hat, sind vor allem der einschlägige Funktionsplan heranzuziehen, soweit er noch vorhanden ist, und die dort aufgelisteten Aufgaben zu konkretisieren sowie die Aussagen des Klägers und etwaiger Zeugen auszuwerten. Die bisherigen Ausführungen des LSG erschöpfen sich darin, "dass der Kläger während seiner Beschäftigung beim VEB E. nach seinen glaubhaften Schilderungen im Berufungsverfahren nicht berufsfremd eingesetzt war". Dabei versäumt es das Berufungsgericht jedoch, das Ergebnis seiner Subsumtion unter den Rechtsbegriff "berufsfremd" mit konkreten Tatsachenangaben zu untermauern, die es ermöglichen könnten, den vorangegangenen Subsumtionsschluss (Syllogismus) nachzuvollziehen und zu überprüfen. Im Ansatz zutreffend weist das LSG darauf hin, dass "nicht die Funktionsbezeichnung entscheidend ist, sondern der tatsächliche Tätigkeitsinhalt". Es hätte jedoch - ausgehend von einer detaillierten Stellenbeschreibung - möglichst genau darstellen müssen, welche (Haupt-)Aufgaben, fachlichen Anforderungen und konkreten Verrichtungen mit der Tätigkeit des "Fachdirektors Ökonomie" tatsächlich verbunden waren und im Urteil nachvollziehbar angeben müssen, welche Tatumstände der Kläger im Berufungsverfahren geschildert hat, warum es ihn für glaubwürdig und seine Aussagen für glaubhaft hält (zu den Begriffen der Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit vgl BGH Urteil vom 13.3.1991 - IV ZR 74/90 - NJW 1991, 3284). Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das LSG daher im Rahmen der sachlichen Voraussetzung prüfen müssen, ob die am Stichtag tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als "Fachdirektor Ökonomie" mit ihrem Anforderungsprofil dem Berufsbild des Diplom-Ingenieurs schwerpunktmäßig entsprach.

24

b) Ferner lässt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG nicht beurteilen, ob der VEB E. ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gibt. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23)fest, was er zuletzt in mehreren am 19.7.2011, 28.9.2011, 9.5.2012 und 9.10.2012 verkündeten Urteilen (ua BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 24; B 5 RS 8/10 R - Juris RdNr 19; B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 21; B 5 RS 5/12 R - Juris RdNr 23) nochmals betont hat.

25

Für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzung ist unerheblich, ob es am Stichtag 30.6.1990 noch VEB gegeben hat, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet waren (dazu und zum Folgenden: Senatsurteil vom 9.10.2012 - B 5 RS 5/12 R - Juris RdNr 24). Ob die betriebliche Voraussetzung iS der VO-AVItech iVm der 2. DB erfüllt ist, bestimmt sich nach der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung allein danach, ob der Kläger am 30.6.1990 - abgesehen von den gleichgestellten Betrieben - in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt gewesen ist, dh einem VEB, dem die industrielle Fertigung das Gepräge gegeben hat. Hingegen ist entgegen der Auffassung des LSG nicht auch konstitutiv auf seine organisatorische Zuordnung abgestellt worden (so schon Hinweis im Senatsurteil vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 28). Bereits im Urteil vom 9.4.2002 (B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47 f) hatte der 4. Senat des BSG eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend - nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung vom 6.5.2004 (B 4 RA 52/03 R - Juris RdNr 29) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heran (vgl BSG Beschluss vom 13.2.2008 - B 4 RS 133/07 B - Juris RdNr 11). Hat aber die Frage der organisatorischen Zuordnung keine konstitutive Bedeutung, ist unerheblich, ob es am Stichtag noch einen industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft gegeben hat. Vielmehr ist allein die Rechtsform des Betriebs als VEB sowie seine tatsächliche Produktionsweise entscheidungsrelevant (Senatsurteil vom 9.10.2012 - B 5 RS 5/12 R - Juris RdNr 24).

26

Ob der VEB E. nach diesen Maßgaben sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Das LSG bestimmt den Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit nach der (Kopf-)Zahl der Mitarbeiter in den Tätigkeitsbereichen "Produktion" und "Elektroinstallation". Damit hat es einen einheitlichen und grundsätzlich geeigneten Maßstab für die Beurteilung der Frage gewählt, ob der VEB E. sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, wobei allerdings einschränkend zu bemerken ist, dass von der bloßen Kopfzahl der Beschäftigten nicht stets automatisch auf ein entsprechendes Arbeitsvolumen und einen entsprechenden Anteil an der Wertschöpfung geschlossen werden darf. Den Feststellungen des LSG lässt sich jedoch - was gleichzeitig unabdingbar erforderlich ist - insbesondere nicht entnehmen, womit konkret der Bereich "Elektroinstallation" (250 Mitarbeiter) befasst war, obwohl es unter anderem wegen der Frage, "ob auch die Installation (wie die Montage) den Produktionsbegriff erfüllen kann", die Revision zugelassen hat. Es unterlegt dem Begriff der "Elektroinstallation" ohne jeden Fallbezug bestenfalls aus sich heraus eine Bedeutung, wenn es ausführt: "Bei der Installation werden keine neuen Produkte seriell hergestellt, sondern es werden - ggf seriell hergestellte - Sachgüter verarbeitet, in dem zB Leuchten und Kabel angebracht bzw verlegt werden". Stattdessen hätte das Berufungsgericht konkret ermitteln und feststellen müssen, welche Aufgaben beim VEB E. im Bereich der "Elektroinstallation" genau anfielen, welche Komponenten wo (innerhalb des VEB oder außerhalb beim Kunden?) verarbeitet ("installiert", "angebracht", "verlegt" oder eingebaut) wurden und ob es sich dabei um eher handwerklich geprägte Individualarbeiten oder industriell geprägte Serienfertigung (ggf unter entsprechendem Maschineneinsatz) handelte. Soweit im Rahmen der Elektroinstallation - ggf seriell hergestellte - Komponenten (wie zB Leuchten und Kabel) angebracht, verlegt oder miteinander verbunden wurden, wird das LSG die Fertigungsart ermitteln und feststellen müssen, ob diese Aggregate mehr oder weniger schematisch nach einem im vorhinein festgelegten Plan standardisiert (zB in Fertigungsstraßen) oder nach bestimmten Kundenwünschen individuell verarbeitet wurden. Unter diesen Voraussetzungen ist insbesondere auch eine größere Produktpalette oder eine Vielzahl potenziell zu verbindender Einzelteile kein Hindernis, solange das Produkt einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entspricht. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut (vgl BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 4 RS 31/07 R - Juris RdNr 18) oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion (vgl Senatsurteile vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 31 und vom 9.10.2012 - B 5 RS 5/11 R - Juris RdNr 24).

27

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. August 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 15.7.1982 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte hat.

2

Der 1943 geborene Kläger ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom der Lebensmittelindustrie" zu führen (Zeugnis der Ingenieurschule der Lebensmittelindustrie G. vom 15.7.1982). Im Anschluss an die Verleihung dieser Berechtigung war der Kläger bis 30.6.1990 beim VEB S. in folgenden Funktionen tätig:

        

-       

16.7.1982 bis 28.2.1983

Gruppenleiter NS-Schaltgeräte

        

-       

1.3.1983 bis 14.10.1984

Abteilungsleiter Materialplanung und Organisation

        

-       

15.10.1984 bis 31.12.1985

Abteilungsleiter KM

        

-       

1.1.1986 bis 31.12.1988

Objektingenieur

        

-       

1.1.1989 bis 30.6.1990

Abteilungsleiter Objektüberwachung.

3

Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger zur Zeit der DDR nicht. Seit dem 1.10.2003 bezieht er eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit.

4

Den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.7.2003 und Widerspruchsbescheid vom 27.11.2003).

5

Das SG Magdeburg hat die Beklagte mit Urteil vom 18.7.2007 verurteilt, die Zeit vom 15.7.1982 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG Sachsen-Anhalt mit Urteil vom 19.8.2010 das Urteil des SG Magdeburg aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe gemäß § 8 Abs 3 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets(Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz vom 25.7.1991, BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024) keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem. Er unterfalle nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der AVItech angehört habe. Dem Kläger sei weder von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt noch sei er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch habe ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft in seinem Fall nicht stattgefunden. Der Rechtsprechung des BSG, nach der die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG ebenso im Wege der Unterstellung vorliegen könne, folge der Senat nicht. Abgesehen davon lägen auch die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für eine fingierte Versorgungsanwartschaft nicht vor. Zwar erfülle der Kläger als Ingenieurökonom die persönliche Voraussetzung und sei auch entsprechend seiner erworbenen Qualifikation tätig gewesen. Zum Stichtag 30.6.1990 sei er jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Der VEB S. sei - wie der Senat bereits entschieden habe - weder ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie noch ein gleichgestellter Betrieb. Der Begriff des Produktionsbetriebs erfasse nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell gefertigt hätten. Die industrielle Serienproduktion müsse dem Betrieb das Gepräge gegeben haben. Dies sei hier nicht der Fall. Hauptzweck des VEB S. sei die Herstellung von Schaltschränken als Endprodukt gewesen. Der VEB habe pro Jahr über 10 000 Schaltschränke gefertigt. Nach den Einlassungen des Klägers im Verfahren L 1 R 400/06 habe deren Herstellung individuell nach den jeweils im Einzelfall vorgegebenen Unterlagen erfolgen müssen. Die Schaltschränke seien von ihrem Aufbau her auf die einzelne Anlage bezogen gewesen, deren Versorgung sie dienen sollten und seien deshalb "in hohem Maße den einzelnen Verhältnissen anzupassen" gewesen. Daneben habe der VEB Trafo- und Kabelkompaktstationen in geringer Stückzahl und serienmäßig Schaltschränke für den Waggonbau von ca 600 Einheiten produziert. Gehe man davon aus, dass die Produktion von Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat K. sowie von Kompaktstationen und Schwerpunktlaststationen als Serienproduktion anzusehen seien, kämen maximal 300 Einheiten dazu. Die individualisierte Schaltschrankproduktion überwiege auch dann noch deutlich. Nichts anderes ergebe sich, wenn unterstellt werde, dass die Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat E. seriell produziert worden seien. Denn diese Produktion habe einen jährlichen Warenwert von 20 bis 30 Mio Mark umfasst, also in jedem Fall weniger als 20 % des Gesamtwertes der Warenproduktion, die nach der Aussage des im Verfahren L 1 R 162/07 als Zeugen vernommenen Dr. K. Ende der 80er Jahre 160 Mio Mark betragen habe. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem VEB S. um einen gleichgestellten Betrieb gehandelt haben könnte, lägen nicht vor.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 8 iVm § 1 Abs 1 AAÜG, die unvollständige Sachverhaltsermittlung des Berufungsgerichts und eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG. Hierzu führt er im Wesentlichen aus:

7

Das LSG habe keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen erhoben, um beurteilen zu können, ob der VEB ein Produktionsbetrieb im Sinne der Rechtsprechung des BSG gewesen sei. Die vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Verfahren L 1 R 400/06 und L 1 R 162/07 enthielten widersprüchliche Sachverhalte. Im Verfahren L 1 R 162/07 sei festgestellt worden, dass im Betrieb Schienensysteme eingebaut gewesen seien, um die Produktion von Schaltschränken durchführen zu können. Die einzelnen Schaltanlagen seien an einer Taktstraße entlang bewegt und zum Schluss in eine Prüfanlage geführt worden. Die Schaltschränke seien von außen immer gleich aufgebaut gewesen, die eingesetzten Module hätten sich aber nach den Anforderungen des Kunden gerichtet. Die Schaltschränke seien dann zu Einheiten von ca 20 Schaltanlagen zusammengesetzt worden. Solche Niederspannungsschaltanlagen seien zu ca 1000 Einheiten pro Monat hergestellt worden. Andererseits habe das LSG festgestellt, dass nach der Aussage des Klägers im Verfahren L 1 R 400/06 die in Taktstraßen hergestellten Schaltschränke individuell nach den jeweils im Einzelfall vorgegebenen Unterlagen anzupassen gewesen seien. Es lasse sich nicht erkennen, welchen dieser sich widersprechenden Sachverhalte das LSG festgestellt und ob es sich einen von diesen mit dem Überzeugungsgrad des Vollbeweises zu eigen gemacht habe. Ferner habe das Berufungsgericht am Ende seiner Entscheidung festgestellt, dass die für die Herstellung der Schaltschränke erforderlichen und im Betrieb angefertigten Einzelteile den vom 4. Senat des BSG vorgegebenen Produktionsbegriff erfüllt hätten. Auch angesichts dessen hätte sich das Berufungsgericht zur weiteren Beweiserhebung gedrängt fühlen und dabei ermitteln müssen, wie sich die Herstellung von Einzelteilen und der einzelnen Schaltschränke in Taktstraßen in Zeitaufwand und Materialaufwand zu dem individuellen Zusammensetzen der Schaltschränke zur Auslieferung an den Kunden verhalten habe. Nur insoweit hätte sich der Hauptzweck des VEB S. bzw seine Prägung feststellen lassen.

8

Im Übrigen habe das LSG den Begriff "industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion (fordistisches Produktionsmodell) von Sachgütern" vollständig verkannt. Für die Qualifizierung eines Betriebs als Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung sei der Hauptzweck des Betriebs maßgeblich. Die industrielle, dh serienmäßige Produktion von Sachgütern oder Bauwerken müsse dem Betrieb das Gepräge gegeben haben. Nach den Entscheidungsgründen hätten die für die Herstellung der Schaltschränke erforderlichen und im Betrieb hergestellten Einzelteile den Produktionsbegriff in diesem Sinne erfüllt, das Endprodukt nach individueller Zusammenstellung der Schaltschränke aber nicht. Das LSG vertrete offensichtlich die unzutreffende Ansicht, die Produktion der Schaltschränke selbst habe nur eine dienende Funktion gehabt gegenüber der Zusammenstellung der Schaltschränke (individueller Ansatz) zu einer auszuliefernden Anlage. Entscheidend für die Feststellung der betrieblichen Voraussetzung seien vielmehr Materialeinsatz und Zeitanteil der seriellen Produktion der Komponenten, die für sich gesehen ein Endprodukt darstellten, auch wenn sie je nach individuellem Bedarf zu einer Anlage zusammengeschoben und verkabelt worden seien.

9

Soweit das LSG der Rechtsprechung des BSG nicht folge, sei dem nicht zuzustimmen. Die Argumente, die das Berufungsgericht gegen die Rechtsprechung des BSG einwende, griffen nicht durch.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. August 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Juli 2007 zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich sind.

14

Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 123 SGG), das Berufungsurteil aufzuheben und das Urteil des SG Magdeburg vom 18.7.2007 wieder herzustellen. Dieses Begehren hat Erfolg, wenn der Bescheid vom 25.7.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2003 aufzuheben und die Beklagte verpflichtet ist, die Beschäftigungszeit vom 15.7.1982 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech (nebst der dabei erzielten Arbeitsentgelte) festzustellen.

15

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 Satz 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG)dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

16

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anl 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

17

Aufgrund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß Satz 2 aaO innehat.

18

A. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

19

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

20

B. Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "aufgrund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt. Die Bedenken des LSG geben keinen Anlass zu einer erneuten Prüfung. Der Senat weist allerdings nochmals darauf hin, dass er § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG aus sich heraus weit auslegt, und - insofern in der Begründung anders als der 4. Senat - insbesondere nicht Satz 2 der Vorschrift heranzieht. Die diesbezüglich vom Berufungsgericht geäußerten Bedenken beziehen sich daher auf eine überholte Rechtsprechung.

21

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl I Nr 93 S 844) und die Zweite Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl Nr 62 S 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

22

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ vorliegen müssen,

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

23

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung. Er ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom" zu führen und ist am Stichtag entsprechend seiner Qualifikation tätig gewesen.

24

Ob der Kläger auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden. Aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG lässt sich nicht beurteilen, ob der VEB S. ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, die ihr Gepräge durch die Massenproduktion erhalten haben. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23) fest. Die in der Literatur teilweise erhobenen Bedenken (vgl hierzu Schmidt, Die Rentenversicherung 2011, S 141 ff) gegen den hier vertretenen Begriff des Produktionsbetriebs teilt der erkennende Senat nicht.

25

Das Verständnis der Vorschriften der VO-AVItech und der 2. DB erschließt sich stets zunächst und soweit als möglich unmittelbar aus sich heraus. Nur soweit aus bundesrechtlicher Sicht der objektivierte Wortlaut - nicht also die DDR-rechtliche Bewertung -, der interne Sinnzusammenhang und der historische Kontext noch Unklarheiten lassen, kann es zur Ergänzung der so gewonnenen Erkenntnisse und von ihnen ausgehend auf den sonstigen offiziellen Sprachgebrauch der DDR am Stichtag 30.6.1990 ankommen, soweit er einen versorgungsrechtlichen Bezug aufweist. Entwicklungen des Sprachgebrauchs sind daher nur insofern von Bedeutung, als sie sich auf Umstände beziehen, die ihrer Art nach bereits ursprünglich von den Versorgungsordnungen erfasst waren oder durch spätere Änderungen zu deren Bestandteil gemacht wurden (versorgungsrechtlicher Sprachgebrauch). Dagegen sind Entwicklungen des Sprachgebrauchs in sonstigen Bereichen, insbesondere dem Wirtschaftsrecht, ohne Bedeutung (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 67). Das bundesrechtliche Verständnis von einschlägigen Begriffen des Versorgungsrechts darf daher von vornherein nicht etwa in der Weise gewonnen werden, dass zunächst kontextunabhängig und ohne Beschränkung auf den versorgungsrechtlichen Zusammenhang nach einem offiziellen Sprachgebrauch der DDR am 30.6.1990 geforscht wird, um dann das Ergebnis dieser Bemühungen mit dem "Wortlaut" der einschlägigen versorgungsrechtlichen Regelungen gleichzusetzen und deren spezifisch versorgungsrechtlichen Anwendungsbereich hiernach zu bestimmen. Von Belang sind vielmehr allein Entwicklungen des versorgungsrechtlich relevanten Sprachgebrauchs. Einzelne Stimmen im Schrifttum basieren auf diesem methodischen Irrtum und vermögen daher auch den auf sie gestützten Revisionen nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dies gilt umso mehr, soweit dort eine Ausdehnung des Produktionsbegriffs befürwortet wird, die die versorgungsrechtliche Gleichstellung von wissenschaftlichen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Betrieben sowie wirtschaftsleitenden Organen im Ergebnis überflüssig machen würde.

26

Vorliegend könnten zwar die Überschrift der VO-AVItech vom 17.8.1950, deren Einleitung und ihr § 1 sowie § 1 Abs 1 2. DB darauf hindeuten, dass deren Voraussetzungen generell durch die einschlägige Beschäftigung von Ingenieuren in allen volkseigenen Betrieben erfüllt werden. Indessen kann der VO an diesen Stellen für den betrieblichen Anwendungsbereich einzelner Teile nichts entnommen werden. Insbesondere zeigt der Wortlaut der Gleichstellungsregelung in § 1 Abs 2 2. DB, dass generell nur volkseigene Produktionsbetriebe erfasst sind. Die "Rechtsfolge" der ausnahmsweisen Gleichstellung der dort im Einzelnen aufgeführten wissenschaftlichen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Betriebe sowie wirtschaftsleitenden Organe bestimmt logisch notwendig Inhalt und Umfang des Grundtatbestands. Versorgungsrechtlich relevant ist damit nur die Beschäftigung in einer Teilmenge der volkseigenen Betriebe.

27

Die positiven Bestimmungsmerkmale der Teilmenge "Produktionsbetriebe" ergeben sich mit hinreichender Bestimmtheit zunächst aus dem sachlichen Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Industrie, auf dessen Einvernehmen es nach § 5 der VO-AVItech vom 17.8.1950 für den Erlass von Durchführungsbestimmungen durch das Ministerium der Finanzen ua ankam. Die Beteiligung gerade dieses damals für Herstellungsvorgänge in den industriellen Fertigungsbetrieben verantwortlichen Ministeriums (so auch in der Präambel der Ersten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 26.9.1950, GBl II Nr 111 S 1043) gibt zu erkennen, dass versorgungsrechtlich grundsätzlich nur diesem Kriterium genügende VEB erfasst sein sollten. Dies wird zudem durch die historische Situation beim Aufbau einer zentralen Planwirtschaft durch das Interesse der Machthaber, qualifizierten Kräften gerade im Bereich der Industrie einen Beschäftigungsanreiz zu bieten, bestätigt. Die herausragende Bedeutung der Industrie, die auch in der DDR im Sinne der Herstellung von Erzeugnissen auf der Basis industrieller Massenproduktion verstanden wurde (vgl hierzu Abelshauser, Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, 2004, 370 ff), ist unabhängig davon, ob hierfür der (Wort-)Begriff "fordistisches Pro-duktionsmodell" gebraucht wird. Hiervon wird - ungeachtet ihrer ursprünglichen formellen Zuordnung zum Ministerium für Aufbau - der Sache nach bereits ursprünglich auch die Bauindustrie erfasst. Diese wurde in der DDR zudem in der Folgezeit durchgehend zusammen mit der Industrie den beiden führenden Produktionsbereichen zugeordnet und gemeinsam gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen abgegrenzt. Dies gilt jeweils auch und gerade noch nach dem Sprachgebrauch der am 30.6.1990 maßgeblichen Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 8.11.1979 (GBl I Nr 38 S 355).

28

Soweit der Rechtsprechung der Instanzgerichte neben dem damit primär maßgeblichen Umstand, dass die industrielle Fertigung dem VEB das Gepräge gegeben haben muss, konstitutiv auf die Frage der organisatorischen Zuordnung abstellt, ist darauf hinzuweisen, dass sich dies aus der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ergibt. Bereits im Urteil vom 9.4.2002 (B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47 f) hatte der 4. Senat des BSG eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend - nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung vom 6.5.2004 (B 4 RA 52/03 R - Juris RdNr 29) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heran (vgl Beschluss vom 13.2.2008 - B 4 RS 133/07 B - Juris RdNr 11).

29

Entsprechendes gilt, wenn ein Betrieb (auch) Montagearbeiten verrichtet hat.

30

Dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend wurde auch in der DDR unter Montage der planmäßige Zusammenbau von Bauteilen zu einem Endprodukt verstanden.

31

Fällt sie in einem Betrieb an, der die Bauteile im Wege industrieller Massenproduktion selbst herstellt, kann auch der Zusammenbau dieser Teile zum fertigen Produkt seinerseits Teil der industriellen Produktion einschließlich des Bauwesens (vgl BSG SozR 4-8570 § 1 Nr 3 RdNr 20)sein. Dies wird stets dann der Fall sein, wenn diese Produkte ihrerseits massenhaft hergestellt werden und daher ihr Zusammenbau mehr oder weniger schematisch anfällt. Unter diesen Voraussetzungen ist insbesondere auch eine größere Produktpalette oder eine Vielzahl potenziell zu verbindender Einzelteile kein Hindernis, solange das Produkt einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entspricht. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut (vgl BSG vom 24.4.2008 - B 4 RS 31/07 R - Juris) oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion. In diesem Fall ist zu prüfen, ob der Betrieb in dem gleichermaßen die industrielle Massenproduktion von Einzelteilen und der individualisierte Zusammenbau von Endprodukten anfallen, sein Gepräge durch den erstgenannten Bereich erhält.

32

Ob der VEB S. nach diesen Maßgaben sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen.

33

Nach diesen ist schon unklar, welche Produktion dem VEB das Gepräge gegeben hat. Denn das LSG wechselt bei seiner Bewertung der einzelnen Tätigkeitsbereiche die Maßstäbe, sodass deren jeweilige Bedeutung für den Betrieb nicht beurteilbar ist. Während Schaltschränke, Trafo- und Kabelkompaktstationen, Schaltschränke für den Waggonbau, Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat K., Kompaktstationen und Schwerpunktlaststationen nach Stückzahlen aufgelistet werden, erfolgt eine Betrachtung der Produktion von Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat E. unter Berücksichtigung des jährlichen Warenwerts.

34

Des Weiteren lässt sich nicht entscheiden, ob die Herstellung der Schaltschränke als Endprodukt individuell erfolgt ist. Der Senat ist insoweit an die Feststellungen des LSG nicht nach § 163 SGG gebunden. Das angefochtene Urteil gibt den Sachverhalt diesbezüglich nur undeutlich an; insbesondere wird die pauschale Aussage, die Schaltschränke seien "in hohem Maße den einzelnen Verhältnissen anzupassen" gewesen, nicht mit konkreten Tatsachenangaben untermauert, die eine Überprüfung des Ergebnisses des LSG ermöglichen (vgl BSG SozR Nr 6 zu § 163).

35

Das LSG wird nunmehr zunächst die Tätigkeitsbereiche des VEB S. am Stichtag festzustellen haben. Diese müssen anschließend nach jeweils einheitlichen Maßstäben bewertet und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Insofern bietet sich ein lediglich zahlenmäßiger Vergleich der angefallenen Vorgänge nicht an. Aussagekräftiger dürfte ein Vergleich der jeweiligen Anteile an Aufwand und Umsatz bzw Ertrag sein. Nach diesen Maßstäben wird das LSG auch die Bedeutung der Montagearbeiten zu würdigen haben. Dabei wird das LSG konkret angeben müssen, wie sich der Zusammenbau der Schaltschränke gestaltet hat, insbesondere, ob sie aus standardisierten oder individuell konzipierten Bestandteilen im oben dargelegten Sinne gefertigt worden sind.

36

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung durch das LSG vorbehalten.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten.

(2) Zusatzversorgungssysteme sind die in Anlage 1 genannten Systeme.

(3) Sonderversorgungssysteme sind die in Anlage 2 genannten Systeme.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung zusätzlicher Entgelte im Rahmen des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) auf der Grundlage von zusätzlichen Belohnungen im Bergbau (im Folgenden: Bergmannsprämie) für die Kalenderjahre 1973 bis 1982 und 1984.

2

Der am ... 1942 geborene Kläger erwarb ausweislich einer Urkunde der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik B. vom 7. August 1973 die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. In den umstrittenen Jahren arbeitete er im VEB Zentralwerkstatt G. Aufgrund eines Überleitungsvertrages übernahm der Kläger am 1. Juni 1990 eine Tätigkeit im VEB Zentralwerkstatt R.

3

Mit Feststellungsbescheid vom 19. August 2002 stellte die Beklagte die Zeit vom 1. August 1973 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) mit den entsprechenden Entgelten fest. Am 22. Januar 2007 beantragte der Kläger die Feststellung von weiteren Entgelten im Rahmen des AAÜG aufgrund gezahlter Bergmannsprämien. Er legte Kopien von Bescheinigungen für zusätzliche Belohnungen für die Jahre 1983 und 1985 bis 1990 vor. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 31. Juli 2008 ab. Sie führte aus, die durch den Antrag veranlasste erneute Prüfung des Feststellungsbescheides vom 19. August 2002 habe ergeben, dass dieser rechtswidrig sei. Die Zuerkennung von Zusatzversorgungszeiten sei von Anfang an fehlerhaft gewesen. Am Stichtag des 30. Juni 1990 hätten die betrieblichen Voraussetzungen für einen fiktiven Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage zur AVItech nicht vorgelegen. Aus diesem Grunde sei der Bescheid vom 19. August 2002 fehlerhaft begünstigend und damit rechtswidrig. Eine Rücknahme dieses Bescheides sei jedoch nicht zulässig, weil die entsprechende Frist bereits abgelaufen sei. Die Bestandskraft des Bescheides vom 19. August 2002 erstrecke sich jedoch nur auf die bereits festgestellten Tatsachen. Weitere Rechte könnten daraus im Zuge eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) nicht abgeleitet werden, denn für die Anerkennung höherer Entgelte sei keine Rechtsgrundlage vorhanden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits mehrfach entschieden, dass aufgrund des Normzwecks der Vorschrift des § 48 Abs. 3 SGB X kein Unrecht erweitert werden dürfe. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2008 zurück.

4

Dagegen erhob der Kläger am 19. Dezember 2008 Klage beim Sozialgericht Dessau (S 2 R 516/08). Während des Klageverfahrens hob die Beklagte ihren Bescheid vom 31. Juli 2008 auf. Mit Feststellungsbescheid vom 14. Dezember 2010 führte sie die Zeit vom 1. August 1973 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech auf und erkannte weitere Entgelte an. In der öffentlichen Sitzung des Sozialgerichts am 14. April 2011 nahm der Kläger ein Anerkenntnis der Beklagten vom 21. Dezember 2010 an. Der Kammervorsitzende erklärte daraufhin, dass damit das Verfahren abgeschlossen sei.

5

Auf der Grundlage der in dem sozialgerichtlichen Termin vom 14. April 2011 getroffenen Vereinbarungen erließ die Beklagte einen weiteren Bescheid vom 5. Juli 2011, mit dem sie die Feststellung vom Kläger weiterhin geltend gemachter höherer Verdienste ablehnte. Hinsichtlich der Beschäftigungszeiten vom 1. September 1971 bis zum 31. Dezember 1982 und vom 1. Januar 1984 bis zum 31. Dezember 1984 verbleibe es bei der bereits erfolgten Ablehnung im Bescheid vom 14. Dezember 2010. Weitere höhere Arbeitsverdienste unter Berücksichtigung von Bergmannsprämien könnten nicht anerkannt werden. Die vom Kläger begehrten weiteren zusätzlichen Arbeitsverdienste seien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

6

Am 13. Oktober 2011 beantragte der Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See die Einbeziehung von Bergmannsprämien in die Rentenberechnung. Dieser Versicherungsträger leitete diesen Antrag an die Beklagte weiter. Diese lehnte ihn mit Bescheid vom 24. Januar 2012 ab. Sie führte erneut aus, die von dem Kläger begehrten weiteren zusätzlichen Arbeitsverdienste seien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2012 zurück.

7

Der Kläger hat am 10. Mai 2012 erneut Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben. Der Bezug der Bergmannsprämie sei zumindest als glaubhaft gemacht anzusehen. Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat sich dabei auf ein Urteil des Sozialgerichts D. vom 30. Juni 2011 (S 35 RS 2129/09, juris) bezogen. Der vom Kläger zitierten Entscheidung des BSG vom 23. August 2007 (B 4 RS 4/06 R, juris) folge es dagegen nicht. Arbeitsentgelt im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG sei mit der Maßgabe zu bestimmen, dass dabei zusätzlich zu Löhnen und Gehältern bzw. Dienstbezügen gewährte Geld- oder geldwerte Sachleistungen nicht berücksichtigungsfähig seien, auf die im Zeitpunkt des Zuflusses keine (Lohn-) Steuer gezahlt worden sei.

8

Gegen das ihm am 19. März 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. April 2014 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. In der Berufungsbegründung vom 11. Juni 2015 hat er ausgeführt, die Rechtsauffassung des Sozialgerichts überzeuge nicht. Sie stehe im Übrigen im klaren Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG, weshalb schon nicht nachvollzogen werden könne, warum das Sozialgericht in Kenntnis dieser hiervon bewusst abweiche. Die Zahlung der Bergmannsprämien sei als glaubhaft gemacht anzusehen und daher zusätzlich zu berücksichtigen. Bergmannsprämien stellten Arbeitsentgelt dar. Etwaige bundesdeutsche steuerrechtliche Beurteilungen spielten insoweit keine Rolle. Die Bergmannsprämien seien als eine zusätzliche Belohnung für die ununterbrochene Beschäftigung in einem Bergbaubetrieb gezahlt worden und hätten als Anerkennung für die geleistete Arbeit der im Bergbau Beschäftigten gedient. Auch die Bergmannsprämien stellten somit eine Gegenleistung für die im Bergbau erbrachte Arbeitsleistung des jeweiligen Beschäftigten dar und seien daher ebenso wie die Jahresendprämien lohnsteuerpflichtiges Einkommen gewesen. Grundsätzlich seien damit sowohl die Jahresendprämien als auch die Bergmannsprämien Arbeitsentgelt im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, was u.a. auch der 31. Senat des LSG B.-B. so entschieden habe (Urteil vom 22. März 2012 - L 31 R 1225/09 -, juris).

9

Der Kläger beantragt sinngemäß,

10

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 27. Februar 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Feststellungsbescheid vom 14. Dezember 2010 dahingehend zu ändern, für die Jahre 1973 bis 1982 und 1984 weitere Arbeitsentgelte wegen gezahlter Bergmannsprämien festzustellen.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Berufung zurückzuweisen.

13

Sie meint, die Entscheidung der Vorinstanz sei im Ergebnis und im Tenor richtig. Die Urteilsbegründung stehe jedoch in Divergenz zur ständigen Rechtsprechung des BSG. Der Kläger habe allerdings nicht nachgewiesen, dass er Bergmannsprämien in den streitgegenständlichen Jahren regelmäßig Jahr für Jahr wiederkehrend in einer bestimmten Höhe erhalten habe. Im Übrigen sei auf ein Urteil des 1. Senats des LSG Sachsen-Anhalt vom 27. August 2015 zu verweisen (L 1 RS 23/13, juris), wonach in der DDR gezahlte Bergmannsprämien nach anwendbarem bundesdeutschem Steuerrecht steuerfrei gewesen seien. Das bedeute im Ergebnis, dass die Bergmannsprämien kein Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG seien.

14

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägers vom 25. Februar 2016, Schriftsatz der Beklagten vom 21. Januar 2016).

15

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte verwiesen. Diese Akten haben bei der Entscheidungsfindung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

16

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2012 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat bei Erlass ihres Bescheides vom 14. Dezember 2010 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen (§ 44 SGB X). Das Urteil des Sozialgerichts ist deshalb im Ergebnis zu bestätigen und die Berufung zurückzuweisen. Das Begehren des Klägers scheitert daran, dass die geltend gemachten Bergmannsprämien nach der Rechtsprechung des BSG kein durch die Beklagte festzustellendes Arbeitsentgelt sind (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. August 2015 - L 1 RS 23/13 - juris).

17

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - RdNr. 24 ff.; Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - RdNr. 15, 16; Urteil vom 23. Juli 2015 - B 5 RS 9/14 R - RdNr. 13, 14, sämtlich juris) bestimmt sich der Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nach § 14 SGB IV. Bei einem Vorliegen von Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV ist im zweiten Prüfungsschritt festzustellen, ob sich insbesondere auf der Grundlage von § 17 SGB IV i. V. m. § 1 Arbeitsentgeltverordnung ausnahmsweise ein Ausschluss ergibt. Dieser kommt dann in Betracht, wenn u.a. "Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen" sowohl "zusätzlich" zu Löhnen oder Gehältern gezahlt werden als auch lohnsteuerfrei sind. Soweit es im letztgenannten Zusammenhang auf Vorschriften des Steuerrechts ankommt, ist das am 1. August 1991 - dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG - geltende Steuerrecht maßgeblich.

18

Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit gehören nicht solche Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn aufgrund einer Gesamtwürdigung der für die Zuwendung maßgebenden Umstände zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht. Ist aber neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht in ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers und führt zur Bewertung als Lohnzuwendung (LSG B.-B., Urteil vom 31. Januar 2013 - L 22 R 449/11 -, juris, RdNr. 89 unter Hinweis auf Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 21. Januar 2010 - VI R 51/08 -, juris).

19

Bezogen auf die Bergmannsprämie ist ein erhebliches wirtschaftliches Interesse des Arbeitnehmers erkennbar. Nach dem Recht der DDR (§ 3 Abs. 1 der Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen Personals sowie der Produktionsverhältnisse im Bergbau der DDR vom 10. August 1950 (GBl. der DDR I, S. 832) in der Fassung der Fünften Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen Personals sowie der Produktionsverhältnisse im Bergbau der DDR vom 9. April 1964 (GBl. der DDR II, S. 313, im Folgenden: Prämien-VO)) wurde die Bergmannsprämie als eine zusätzliche Belohnung für die ununterbrochene Beschäftigung in einem Bergbaubetrieb gezahlt und diente als Anerkennung für die geleistete Arbeit der im Bergbau Beschäftigten (§ 3 Abs. 18 dieser Verordnung). Der möglicherweise auch verfolgte betriebliche Zweck der Bindung von qualifizierten Arbeitskräften an den Betrieb dürfte in dem sozialistischen System der Arbeitskräftelenkung allenfalls eine untergeordnete Bedeutung gehabt haben. Die Bergmannsprämie ist also grundsätzlich als Arbeitsentgelt zu qualifizieren.

20

Diese zusätzlich zu den Löhnen bzw. Gehältern gezahlten Prämien gehörten damit gemäß § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der am 1. August 1991 geltenden Fassung (danach zählten zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit u. a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden) zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit. Sie waren jedoch steuerfrei.

21

Nach § 3 Nr. 46 EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung waren Bergmannsprämien nach dem Gesetz über Bergmannsprämien steuerfrei. Eine direkte Anwendung dieser Vorschrift scheidet aus. Denn § 3 EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung hatte als bundesdeutsches Gesetz nicht die Bergmannsprämie im Blick, die vor dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes im Beitrittsgebiet gezahlt wurde. Vielmehr betrifft § 3 Nr. 46 EStG die nach dem bundesdeutschen Gesetz über Bergmannsprämien vom 20. Dezember 1956 (BGBl I, S. 927) geregelten Zuwendungen an Bergleute im Bundesgebiet. Hinzu kommt, dass die korrekte Bezeichnung der umstrittenen Zahlungen nicht "Bergmannsprämie" ist, sondern "zusätzliche Belohnung für eine Beschäftigung im Bergbau". Außerdem war im alten Bundesgebiet nur begünstigt, wer als Arbeitnehmer des Bergbaus unter Tage beschäftigt war. Dagegen profitierten in der ehemaligen DDR auch Beschäftigte über Tage von der Bergmannsprämie (§ 3 Abs. 3 Buchst. c) Prämien-VO).

22

Nach der Konzeption des BSG kann es nur um eine sinngemäße Anwendung von § 3 Nr. 46 EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung gehen. Eine solche sinngemäße Anwendung ist hier zwingend, weil die Zielstellung der Bergmannsprämien sowohl in der alten Bundesrepublik wie auch in der ehemaligen DDR im Wesentlichen gleich war, nämlich die Kohleindustrie als Motor für einen Wirtschaftsaufschwung nach dem Krieg zu fördern. Denn in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über Bergmannsprämien in der alten Bundesrepublik ist ausdrücklich aufgeführt, dass die Bergmannsprämie eine Anerkennung für die schwere, gefahrvolle Arbeit des Bergmanns darstellen sollte. Sie sollte den Bergmannsberuf unter anderen Berufen hervorheben und ihn wieder anziehender machen (vgl. Protokoll der 128. Kabinettssitzung am 28. März 1956, Tagesordnungspunkt C.; http://www.bundesarchiv.de/cocoon/ barch/0/k/k1956k/kap1 2/kap2 20/para3 9.html.) Hintergrund war der Umstand, dass die Steinkohlenförderung in der Zeit von 1936 bis 1955 nur um 12 % gewachsen war, während die gesamte industrielle Entwicklung um mehr als 100 % zugenommen hatte. Wegen der schnelleren Ausweitung der kohlenverbrauchenden Industrie waren 1955 sieben Millionen Tonnen amerikanischer Kohle eingeführt worden, die zudem teurer war als die deutsche Kohle. Nach den Berechnungen des Bundesministers für Wirtschaft fehlten 17.000 Untertage-Bergleute. Vor diesem Hintergrund sollte der Beruf des Bergmanns, der für die wirtschaftliche Entwicklung als wichtig angesehen wurde, attraktiver gemacht werden (vgl. Protokoll der Kabinettssitzung am 8. Februar 1956, Tagesordnungspunkt 6.; http://www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0/k/k1956k/kap1 2 kap2 8/para3 8.html). Ähnlich war die Situation Anfang der Fünfzigerjahre in der ehemaligen DDR. Dies kommt in der Präambel der Prämien-VO vom 10. August 1950 anschaulich zum Ausdruck. Auch hier ist bereits im ersten Satz von der entscheidenden wirtschaftlichen Bedeutung des gesamten Bergbaus für die weitere wirtschaftliche Entwicklung die Rede. Notwendig sei die "aktivste Mitarbeit" aller in den Betrieben und Verwaltungen Beschäftigten. Als eine der bedeutsamsten Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Bergbauwirtschaft, zur Erfüllung der Pläne und zum Wirksamwerden der technischen Neuerungen war die Verbesserung der Entlohnung und der sozialen Lebensbedingungen für die im Bergbau Beschäftigten angesehen worden. Dabei sollte die Vertiefung des Verständnisses für die Bedeutung des gesamten Bergbaus in der Bevölkerung gefördert werden und es sollten geeignete Nachwuchskräfte geworben werden. § 2 Abs. 1 Prämien-VO besagte unmissverständlich, dass die in den verschiedenen Bergbaubetrieben geltenden Tarifverträge so zu verändern seien, dass die Facharbeiterlöhne und Angestelltengehälter entsprechend der Bedeutung des Bergbaus an der Spitze der Facharbeiterlöhne und Gehälter aller Industrien stehen müssten.

23

Darüber hinaus spricht auch die Konzeption der zusätzlichen Belohnung in Abhängigkeit zur Arbeitsmoral der Bergleute für eine sinngemäße Anwendung der bundesdeutschen Steuergesetze. Fehlschichten, also unentschuldigtes Fernbleiben vom Arbeitsplatz, wurden nach beiden Rechtsnormen bei der Prämienvergabe negativ berücksichtigt. Während im Bundesgebiet gemäß § 2 des Gesetzes über Bergmannsprämien die Bergmannsprämie von zehn DM nur für jede - tatsächlich - unter Tage verfahrene volle Schicht vorgesehen war, wurde die zusätzliche Belohnung im Beitrittsgebiet gemäß § 1 Abs. 8 Prämien-VO für jede unentschuldigte Fehlschicht gekürzt. Somit besteht auch insoweit - trotz unterschiedlicher Herangehensweise - eine weitgehende Identität der beiden Leistungen. Nicht die konkret am Arbeitsplatz erbrachte Arbeitsleistung, sondern die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Anwesenheitspflicht am Arbeitsplatz war entscheidend für die Frage der Gewährung der zusätzlichen Belohnung.

24

Schließlich waren nach dem Wortlaut sowohl des § 1 Abs. 17 der Prämien-VO bzw. als auch des § 4 des Gesetzes über Bergmannsprämien die zusätzlichen Leistungen ausdrücklich lohnsteuer- und auch sozialversicherungsfrei.

25

In Anwendung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - RdNr. 24 ff.; Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - RdNr. 15, 16; Urteil vom 23. Juli 2015 - B 5 RS 9/14 R - RdNr. 13, 14, juris) ist die Bergmannsprämie nach alledem kein durch die Beklagte festzustellendes Arbeitsentgelt. Der gegenteiligen Ansicht des 22. Senats des LSG B.-B. (Urteil vom 19. November 2015 - L 22 R 588/13 -, juris) folgt der Senat nicht. Der 22. Senat des LSG B.-B. meint, der entscheidende Unterschied, die bundesdeutsche Bergmannsprämie als (steuerrechtliche) Subvention einerseits und die zusätzliche Belohnung im Bergbau in der DDR als Bestandteil des Arbeitsverdienstes andererseits, werde vom 1. Senat des LSG Sachsen-Anhalt nicht berücksichtigt (Urteil vom 19. November 2015 - L 22 R 588/13 -, RdNr. 66, juris). Es ist zutreffend, dass es sich bei der bundesdeutschen Bergmannsprämie um eine steuerrechtliche Subvention handelte, diese also letztlich aus dem Staatshaushalt finanziert wurde. Die Auszahlung erfolgte aber durch den Arbeitgeber (§ 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über Bergmannsprämien). Angesichts der staatlichen Planwirtschaft der DDR vermag der Senat insoweit keinen wesentlichen Unterschied zu erkennen. Denn auch in der DDR mit ihren volkseigenen Bergbaubetrieben war die zusätzliche Belohnung im Bergbau zumindest mittelbar eine staatliche Subvention. Entscheidend ist für den Senat die dargestellte, im Wesentlichen identische Zielstellung der Zahlungen, nämlich die Kohleindustrie als Motor für einen Wirtschaftsaufschwung nach dem Krieg zu fördern. Selbst wenn die Bergmannsprämie grundsätzlich zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt wäre, ist hier der tatsächliche Zufluss an den Kläger weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

27

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung, denn der Senat hat den geltend gemachten Anspruch auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung des BSG geprüft. Eine entscheidungserhebliche Abweichung von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts liegt ebenfalls nicht vor.


Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 16. Oktober 2015 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung zusätzlicher Entgelte im Rahmen des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) auf der Grundlage von zusätzlichen Belohnungen im Bergbau (im Folgenden: Bergmannsprämie).

2

Der am ... 1939 geborene Kläger besuchte vom 1. September 1966 bis zum 31. Juli 1971 die Ingenieurschule E ... Ausweislich der Urkunde dieser Einrichtung vom 29. März 1973 erwarb er nach bestandener Prüfung die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Ingenieurökonom zu führen. Nachfolgend war er bis zum 31. März 1974 beim VEB E. und E. G. beschäftigt. Es folgten Tätigkeiten beim VEB E. S. (1. April 1974 bis 31. Juli 1975) sowie beim VEB Z. R.- und A. G. (1. August 1975 bis mindestens 30. Juni 1990). Vom 1. Januar 1972 bis zum 30. Juni 1990 zahlte er Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR).

3

Mit Bescheid vom 7. Dezember 2004 stellte die Beklagte den Zeitraum vom 1. März 1973 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) mit den entsprechenden Entgelten fest.

4

Am 6. November 2007 beantragte der Kläger die Überprüfung der festgestellten Entgelte. Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Februar 2009 fest, dass das AAÜG nach § 1 dieses Gesetzes entgegen der Aussage im Feststellungsbescheid vom 7. Dezember 2004 nicht anwendbar sei. Der Feststellungsbescheid vom 7. Dezember 2004 sei rechtswidrig, könne aber nicht mehr nach § 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) zurückgenommen werden. Ein Anspruch auf Feststellung von weiteren Pflichtbeitragszeiten bzw. höheren Entgelten nach dem AAÜG bestehe jedoch nicht. Der Feststellungsbescheid vom 7. Dezember 2004 sei deshalb rechtswidrig, weil für den VEB Z. R.- und A. G. am 30. Juni 1990 die betrieblichen Voraussetzungen im Sinne der AVItech nicht mehr vorgelegen hätten. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2009 zurück. Das anschließende Klageverfahren beim Sozialgericht Stendal (Az.: S 6 R 131/09, mit Wirkung vom 1. November 2010 in das Sozialgericht Magdeburg eingegliedert, Az.: S 46 R 90131/09) endete am 24. Januar 2011 mit einem Vergleich dahingehend, dass die Beklagte anerkannte, dass das AAÜG gemäß § 1 Abs. 1 dieser Vorschrift doch anwendbar sei. Die Beklagte verpflichtete sich zudem zu prüfen, in welchem Umfang höhere Verdienste gemäß § 6 Abs. 1 AAÜG festzustellen seien.

5

Im sich daran anschließenden Verwaltungsverfahren legte der Kläger eine Vereinbarung vom 2. Juli 1975 mit dem VEB Z. R.- und A. G. vor. Diese hatte - auszugsweise - folgenden Inhalt: "Der Kollege S. übernimmt am 1. August 1975 im VEB Z. R.- und A. G. die Funktion des Abteilungsleiters Zentraler Warenein- und -ausgang im Direktionsbereich Beschaffung und Absatz. ( ) Die Bergmannstreueprämie wird in Höhe von 10% weitergewährt, bei Erfüllung der Kennziffern wird eine Leistungsprämie in Höhe der anteiligen Jahresendprämie für das Jahr 1975 gezahlt. ( )". Auf der Grundlage einer Bescheinigung der R. vom 12. Januar 2011 mit der Anlage "Fiktiv ermittelter Auszahlbetrag "Zusätzliche Belohnung") erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Juni 2011 eine Bergmannsprämie als zusätzliches Entgelt für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 1975 in Höhe von 1.656,30 Mark an. Für die Zeit vom 1. März 1973 bis zum 31. Dezember 1974 und vom 1. August 1975 bis zum 30. Juni 1990 könne die geltend gemachte Bergmannsprämie nicht berücksichtigt werden, da diese weder durch den Kläger noch durch seinen ehemaligen Arbeitgeber habe nachgewiesen werden können. Die tatsächliche Gewährung und die Höhe der Bergmannsprämien seien von der Erfüllung vielfältiger Bedingungen abhängig gewesen. Wegen der nicht zweifelsfrei nachvollziehbaren Erfüllung dieser Bedingungen könne eine Berechnung der Bergmannsprämien durch die Beklagte nicht erfolgen. Den dagegen eingelegten - nicht näher begründeten - Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2011 im Rahmen einer Überprüfung nach Aktenlage zurück.

6

Dagegen hat der Kläger am 14. Dezember 2011 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt hat. Mit Urteil vom 16. Oktober 2015 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verpflichtet, für die Zeit von 1976 bis 1990 fünf Sechstel der Bergmannsprämie in Höhe von 10 Prozent des nachgewiesenen Bruttogehaltes des Vorjahres als erzieltes Arbeitsentgelt anzuerkennen und einen entsprechenden Feststellungsbescheid zu erteilen. Die zusätzlich zu berücksichtigenden Arbeitsentgelte hat das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen näher beziffert. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Bergmannsprämie sei Arbeitsentgelt im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG i.V.m. § 14 Abs. 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (Gemeinsame Vorschriften für Sozialversicherung - SGB IV). Der Kläger habe den Zufluss der Bergmannsprämie von 1976 bis 1990 glaubhaft gemacht. Das Sozialgericht halte es für überwiegend wahrscheinlich, dass die Beschäftigten des VEB Z. R.- und A. G. grundsätzlich einen Anspruch auf Zahlung der Bergmannsprämie gehabt hätten. Das ergebe sich aus dem Rahmenkollektivvertrag (RKV) Geologie in Verbindung mit der Staatlichen Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen Personals sowie der Produktionsverhältnisse im Bergbau der DDR. Zwar habe der RKV Geologie nur für die Beschäftigten des VEB Kombinat Erdöl-Erdgas gegolten. Der VEB Z. R.- und A. G. sei aber ein Kombinatsbetrieb des VEB Kombinat Erdöl-Erdgas gewesen. Der definierte Anwendungsbereich habe auch die Beschäftigten der jeweiligen Kombinatsbetriebe umfasst. Der Kläger habe darüber hinaus glaubhaft gemacht, dass er die persönlichen Voraussetzungen für die Zahlung der Bergmannsprämie im streitigen Zeitraum erfüllt habe. Die Höhe der für den streitgegenständlichen Zeitraum zu berücksichtigenden Bergmannsprämien habe 10 Prozent des jährlichen Bruttoverdienstes betragen, da der Kläger 1976 bereits eine zwölfjährige Beschäftigungszeit aufgewiesen habe. Maßgeblich sei das Bruttoentgelt des jeweiligen vorangegangenen Kalenderjahres gewesen. Die tatsächliche Höhe der Prämie könne gleichwohl auf der Grundlage dieser Bruttoarbeitsverdienste nicht zweifelsfrei bestimmt werden. Das nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG i.V.m. § 14 SGB IV zu bestimmende Jahresarbeitsentgelt sei nicht identisch mit dem Bruttoverdienst nach § 3 Abs. 14 der o.g. Verordnung. Nach der bundesrechtlichen Regelung seien Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen auZnetrals einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen bestehe, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet oder ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt worden seien. Demgegenüber habe der Bruttoverdienst nach § 3 Abs. 14 der o.g. Verordnung den Tariflohn oder das Tarifgehalt sowie die in den Buchstaben a bis i genannten Lohnersatz- und Ausgleichszahlungen oder Zuschläge erfasst. Das Jahresarbeitsentgelt nach § 14 SGB IV könne daher höher liegen als der Jahresbruttoverdienst im Sinne der o.g. Verordnung. Da der Kläger die Höhe der jährlichen Bergmannsprämie nicht nachgewiesen habe, seien die Prämienzahlungen gemäß § 6 Abs. 6 AAÜG auf fünf Sechstel von 10 Prozent des Bruttoentgeltes des vorhergehenden Kalenderjahres zu begrenzen. Daraus ergäben sich die näher errechneten Beträge.

7

Gegen das ihr am 20. November 2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. Dezember 2015 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Der Kläger habe die Zahlung von Bergmannsprämien nicht zumindest glaubhaft gemacht. Unabhängig davon, dass die einzelnen Kriterien für die Gewährung von Bergmannsprämien ohne das Vorliegen von konkreten Nachweisen durch den Kläger aus heutiger Sicht nicht mehr zweifelsfrei nachgewiesen werden könne, verweise sie auf die Entscheidung des 1. Senats des LSG Sachsen-Anhalt vom 27. August 2015 (L 1 RS 23/13). Danach sei die zu DDR-Zeiten gezahlte Bergmannsprämie nach bundesdeutschem Steuerrecht (§ 3 Nr. 46 des Einkommensteuergesetzes - EStG) steuerfrei gewesen. Im Ergebnis sei die Bergmannsprämie bereits aus diesem Grunde nicht Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV und zähle somit auch nicht zum tatsächlichen Arbeitsentgelt nach § 6 Abs. 1 AAÜG. Der 3. Senat des LSG Sachsen-Anhalt habe diese Auffassung in der Entscheidung vom 29. Juni 2016 (L 3 RS 12/14) bestätigt.

8

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 16. Oktober 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

10

Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und beruft sich im Hinblick auf die Steuerpflicht auf das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 19. November 2015 (L 22 R 585/13). Zur Frage der Glaubhaftmachung von Arbeitsentgelt, im Speziellen der Bergmannsprämie, halte er die Ausführungen des Sozialgerichts für überzeugend. Im Übrigen stütze er sich auf die Rechtsprechung des Sächsischen LSG im Urteil vom 5. Juli 2016 (L 5 RS 166/14) bezüglich der Glaubhaftmachung der Bergmannsprämie. Aufgrund der unterschiedlichen Rechtsauffassungen der LSG sei aus seiner Sicht in einem geeigneten Verfahren die Revision zuzulassen.

11

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz der Beklagten vom 9. Januar 2017, Schriftsatz des Klägers vom 16. Januar 2017).

12

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese Akten haben bei der Entscheidungsfindung des Senats vorgelegen.

Entscheidungsgründe

13

Der Senat konnte den Rechtsstreit gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

14

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Entgelte in Gestalt von Bergmannsprämien. Das Begehren des Klägers scheitert daran, dass die geltend gemachten Bergmannsprämien in Anwendung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kein durch die Beklagte festzustellendes Arbeitsentgelt sind (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 29. Juni 2016 - L 3 RS 12/14 - zur Veröffentlichung vorgesehen; so bereits Urteil des 1. Senats des LSG Sachsen-Anhalt vom 27. August 2015 - L 1 RS 23/13 -, juris).

15

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - RdNr. 24 ff.; Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - RdNr. 15, 16; Urteil vom 23. Juli 2015 - B 5 RS 9/14 R - RdNr. 13, 14, sämtlich juris) bestimmt sich der Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nach § 14 SGB IV. Bei einem Vorliegen von Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV ist im zweiten Prüfungsschritt festzustellen, ob sich insbesondere auf der Grundlage von § 17 SGB IV i. V. m. § 1 Arbeitsentgeltverordnung ausnahmsweise ein Ausschluss ergibt. Dieser kommt dann in Betracht, wenn u.a. "Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen" sowohl "zusätzlich" zu Löhnen oder Gehältern gezahlt werden als auch lohnsteuerfrei sind. Soweit es im letztgenannten Zusammenhang auf Vorschriften des Steuerrechts ankommt, ist das am 1. August 1991 - dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG - geltende Steuerrecht maßgeblich.

16

Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit gehören nicht solche Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinungen einer betriebsfunktionalen Zielsetzung erweisen. Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn aufgrund einer Gesamtwürdigung der für die Zuwendung maßgebenden Umstände zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht. Ist aber neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht in ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers und führt zur Bewertung als Lohnzuwendung (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2013 - L 22 R 449/11 -, juris, RdNr. 89 unter Hinweis auf Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 21. Januar 2010 - VI R 51/08 -, juris).

17

Bezogen auf die Bergmannsprämie ist ein erhebliches wirtschaftliches Interesse des Arbeitnehmers erkennbar. Nach dem Recht der DDR (§ 3 Abs. 1 der Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen Personals sowie der Produktionsverhältnisse im Bergbau der DDR vom 10. August 1950 (GBl. der DDR I, S. 832) in der Fassung der Fünften Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen Personals sowie der Produktionsverhältnisse im Bergbau der DDR vom 9. April 1964 (GBl. der DDR II, S. 313, im Folgenden: Prämien-VO)) wurde die Bergmannsprämie als eine zusätzliche Belohnung für die ununterbrochene Beschäftigung in einem Bergbaubetrieb gezahlt und diente als Anerkennung für die geleistete Arbeit der im Bergbau Beschäftigten (§ 3 Abs. 18 dieser Verordnung). Der möglicherweise auch verfolgte betriebliche Zweck der Bindung von qualifizierten Arbeitskräften an den Betrieb dürfte in dem sozialistischen System der Arbeitskräftelenkung allenfalls eine untergeordnete Bedeutung gehabt haben. Die Bergmannsprämie ist also grundsätzlich als Arbeitsentgelt zu qualifizieren.

18

Diese zusätzlich zu den Löhnen bzw. Gehältern gezahlten Prämien gehörten damit gemäß § 19 EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung (danach zählten zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit u. a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden) zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit. Sie waren jedoch steuerfrei.

19

Nach § 3 Nr. 46 EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung waren Bergmannsprämien nach dem Gesetz über Bergmannsprämien steuerfrei. Eine direkte Anwendung dieser Vorschrift scheidet aus. Denn § 3 EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung hatte als bundesdeutsches Gesetz nicht die Bergmannsprämie im Blick, die vor dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes im Beitrittsgebiet gezahlt wurde. Vielmehr betrifft § 3 Nr. 46 EStG die nach dem bundesdeutschen Gesetz über Bergmannsprämien vom 20. Dezember 1956 (BGBl I, S. 927) geregelten Zuwendungen an Bergleute im Bundesgebiet. Hinzu kommt, dass die korrekte Bezeichnung der umstrittenen Zahlungen nicht "Bergmannsprämie" ist, sondern "zusätzliche Belohnung für eine Beschäftigung im Bergbau". Außerdem war im alten Bundesgebiet nur begünstigt, wer als Arbeitnehmer des Bergbaus unter Tage beschäftigt war. Dagegen profitierten in der ehemaligen DDR auch Beschäftigte über Tage von der Bergmannsprämie (§ 3 Abs. 3 Buchst. c) Prämien-VO).

20

Nach der Konzeption des BSG kann es nur um eine sinngemäße Anwendung von § 3 Nr. 46 EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung gehen. Eine solche sinngemäße Anwendung ist hier zwingend, weil die Zielstellung der Bergmannsprämien sowohl in der alten Bundesrepublik wie auch in der ehemaligen DDR im Wesentlichen gleich war, nämlich die Kohleindustrie als Motor für einen Wirtschaftsaufschwung nach dem Krieg zu fördern. Denn in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über Bergmannsprämien in der Bundesrepublik ist ausdrücklich aufgeführt, dass die Bergmannsprämie eine Anerkennung für die schwere, gefahrvolle Arbeit des Bergmanns darstellen sollte. Sie sollte den Bergmannsberuf unter anderen Berufen hervorheben und ihn wieder anziehender machen (vgl. Protokoll der 128. Kabinettssitzung am 28. März 1956, Tagesordnungspunkt C.; http://www.bundesarchiv.de/ cocoon/barch/0/k/k1956k/kap1 2/kap2 20/para3 9.html).

21

Hintergrund war der Umstand, dass die Steinkohlenförderung in der Zeit von 1936 bis 1955 nur um 12 Prozent gewachsen war, während die gesamte industrielle Entwicklung um mehr als 100 Prozent zugenommen hatte. Wegen der schnelleren Ausweitung der kohlenverbrauchenden Industrie waren 1955 sieben Millionen Tonnen amerikanischer Kohle eingeführt worden, die zudem teurer war als die deutsche Kohle. Nach den Berechnungen des Bundesministers für Wirtschaft fehlten 17.000 Untertage-Bergleute. Vor diesem Hintergrund sollte der Beruf des Bergmanns, der für die wirtschaftliche Entwicklung als wichtig angesehen wurde, attraktiver gemacht werden (vgl. Protokoll der Kabinettssitzung am 8. Februar 1956, Tagesordnungspunkt 6.; http://www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0/k/k1956k/kap1 2 kap2 8/para3 8.html). Ähnlich war die Situation Anfang der Fünfzigerjahre in der ehemaligen DDR. Dies kommt in der Präambel der Prämien-VO vom 10. August 1950 anschaulich zum Ausdruck. Auch hier ist bereits im ersten Satz von der entscheidenden wirtschaftlichen Bedeutung des gesamten Bergbaus für die weitere wirtschaftliche Entwicklung die Rede. Notwendig sei die "aktivste Mitarbeit" aller in den Betrieben und Verwaltungen Beschäftigten. Als eine der bedeutsamsten Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Bergbauwirtschaft, zur Erfüllung der Pläne und zum Wirksamwerden der technischen Neuerungen war die Verbesserung der Entlohnung und der sozialen Lebensbedingungen für die im Bergbau Beschäftigten angesehen worden. Dabei sollte die Vertiefung des Verständnisses für die Bedeutung des gesamten Bergbaus in der Bevölkerung gefördert werden und es sollten geeignete Nachwuchskräfte geworben werden. § 2 Abs. 1 Prämien-VO besagte unmissverständlich, dass die in den verschiedenen Bergbaubetrieben geltenden Tarifverträge so zu verändern seien, dass die Facharbeiterlöhne und Angestelltengehälter entsprechend der Bedeutung des Bergbaus an der Spitze der Facharbeiterlöhne und Gehälter aller Industrien stehen müssten.

22

Darüber hinaus spricht auch die Konzeption der zusätzlichen Belohnung in Abhängigkeit zur Arbeitsmoral der Bergleute für eine sinngemäße Anwendung der bundesdeutschen Steuergesetze. Fehlschichten, also unentschuldigtes Fernbleiben vom Arbeitsplatz, wurden nach beiden Rechtsnormen bei der Prämienvergabe negativ berücksichtigt. Während im Bundesgebiet gemäß § 2 des Gesetzes über Bergmannsprämien die Bergmannsprämie von zehn DM nur für jede - tatsächlich - unter Tage verfahrene volle Schicht vorgesehen war, wurde die zusätzliche Belohnung im Beitrittsgebiet gemäß § 1 Abs. 8 Prämien-VO für jede unentschuldigte Fehlschicht gekürzt. Somit besteht auch insoweit - trotz unterschiedlicher Herangehensweise - eine weitgehende Identität der beiden Leistungen. Nicht die konkret am Arbeitsplatz erbrachte Arbeitsleistung, sondern die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Anwesenheitspflicht am Arbeitsplatz war entscheidend für die Frage der Gewährung der zusätzlichen Belohnung. Schließlich waren nach dem Wortlaut sowohl des § 1 Abs. 17 der Prämien-VO als auch des § 4 des Gesetzes über Bergmannsprämien die zusätzlichen Leistungen ausdrücklich lohnsteuer- und auch sozialversicherungsfrei.

23

In Anwendung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - RdNr. 24 ff.; Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - RdNr. 15, 16; Urteil vom 23. Juli 2015 - B 5 RS 9/14 R - RdNr. 13, 14, juris) ist die Bergmannsprämie nach alledem kein durch die Beklagte festzustellendes Arbeitsentgelt. Der gegenteiligen Ansicht des LSG Berlin-Brandenburg (z.B. Urteil vom 19. November 2015 - L 22 R 588/13 -, juris) folgt der Senat nicht. Das LSG Berlin-Brandenburg meint, der entscheidende Unterschied zwischen der bundesdeutschen Bergmannsprämie als (steuerrechtliche) Subvention einerseits und der zusätzlichen Belohnung im Bergbau in der DDR als Bestandteil des Arbeitsverdienstes andererseits werde vom 1. Senat des LSG Sachsen-Anhalt nicht berücksichtigt (Urteil vom 19. November 2015 - a.a.O. -, RdNr. 66). Es ist zutreffend, dass es sich bei der bundesdeutschen Bergmannsprämie um eine steuerrechtliche Subvention handelte, diese also letztlich aus dem Staatshaushalt finanziert wurde. Die Auszahlung erfolgte aber durch den Arbeitgeber (§ 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über Bergmannsprämien). Angesichts der staatlichen Planwirtschaft der DDR vermag der Senat insoweit keinen wesentlichen Unterschied zu erkennen. Denn auch in der DDR mit ihren volkseigenen Bergbaubetrieben war die zusätzliche Belohnung im Bergbau zumindest mittelbar eine staatliche Subvention. Entscheidend ist für den Senat die dargestellte, im Wesentlichen identische Zielstellung der Zahlungen, nämlich die Kohleindustrie als Motor für einen Wirtschaftsaufschwung nach dem Krieg zu fördern.

24

Selbst wenn die Bergmannsprämie grundsätzlich zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt wäre, ist hier der tatsächliche Zufluss an den Kläger weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat. Bereits in der Bescheinigung vom 12. Januar 2011 hatte die R. mitgeteilt, dass für die Zeit von März 1973 bis März 1974 keine Unterlagen über Entgeltzahlungen an den Kläger vorhanden seien. Mit einem weiteren Schreiben vom 24. Mai 2011 hatte sie angegeben, dass für den Kläger im Zeitraum vom 1. August 1975 bis zum 30. Juni 1990 ebenfalls keine Unterlagen für Prämienzahlungen vorhanden seien. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob der Kläger glaubhaft machen oder sogar nachweisen kann, dass er einen Anspruch auf die Zahlung von Bergmannsprämien hatte. Der Nachweis oder die Glaubhaftmachung muss sich nämlich auch darauf beziehen, dass er die geltend gemachten Bergmannsprämien tatsächlich erhalten hat. Das ist vorliegend nicht gelungen. Es liegen weder Auszahlungslisten, Quittungen, Kontoauszüge noch sonstige Beweismittel vor, die eine tatsächliche Zahlung glaubhaft machen oder sogar nachweisen könnten. Der Hinweis des Klägers auf das Urteil des Sächsischen LSG vom 5. Juli 2016 (L 5 RS 166/14, juris) führt ebenfalls nicht weiter, denn in dem dortigen Einzelfall konnte der Kläger, anders als hier, den Bezug - also die tatsächliche Auszahlung - von Bergmannsprämien nach der Auffassung des dortigen Senats zumindest glaubhaft machen (vgl. juris, a.a.O., RdNr. 67).

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Der Senat hat den geltend gemachten Anspruch auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung des BSG geprüft. Eine entscheidungserhebliche Abweichung von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts liegt ebenfalls nicht vor.


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.