Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 04. Mai 2010 - L 4 KA 49/08
Gericht
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 11. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt 9/10 der Kosten des gesamten Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über einen Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnung von Arzneimitteln im Jahr 2003.
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Der Kläger war als Internist in B zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Bescheid des Zulassungsausschusses für Ärzte in Schleswig-Holstein vom 29. Oktober 2003 wurde ihm die Zulassung entzogen. Zur Begründung bezog sich der Zulassungsausschuss insbesondere auf ein Urteil des Amtsgerichts Meldorf vom 27. März 2001 (21 Ds 315 Js 440), mit dem der Kläger wegen fahrlässiger Tötung (grob fehlerhafte Behandlung des Patienten S) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden war, auf ein Urteil des Berufsgerichts für Heilberufe vom 26. Februar 2003 (BG 29/02 - Verurteilung des Klägers zu einer Geldbuße von 2.000,00 EUR u. a. wegen des Vorwurfs, dass er ausgehend von einer gestellten Fehldiagnose unbeirrt und uneinsichtig an seiner Behandlungsmethode festgehalten habe) sowie ein zum Zeitpunkt der Zulassungsentziehung noch nicht abgeschlossenes Verfahren um die Entziehung der Approbation. Den gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Berufungsausschuss mit Bescheid vom 24. Februar 2004 zurück und ordnete die sofortige Vollziehung an. Über die dagegen beim Sozialgericht Kiel (S 15 KA 139/04) erhobene Klage wurde nicht entschieden, nachdem im Einverständnis mit dem Kläger das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden war. Mit Bescheid vom 20. August 2003 widerrief das Landesamtes für Gesundheit und Arbeitssicherheit des Landes Schleswig-Holstein die Approbation des Klägers und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung bezog sich das Landesamt auf den Sachverhalt, der der strafrechtlichen Verurteilung zu Grund lag und führte ergänzend aus, dass die vom Kläger praktizierte Behandlungsmethode zur Therapie der Herzinsuffizienz mit der Applikation hoher Dosen oraler Nitrate, meist zusätzlich zu einer Behandlung mit sog. Nachlastsenkern wie ACE-Hemmern in keiner Weise wissenschaftlich vertretbar sei und außerhalb des gesicherten ärztlichen therapeutischen Spielraums liege. Dies werde durch eine gutachtliche Stellungnahme des Prof. Dr. Sa vom 30. Juni 2003 bestätigt. Eine Häufung von offenkundig fehlerhaften Behandlungen zeige, dass es sich bei dem Fall des verstorbenen Patienten S nicht um einen tragischen Einzelfall gehandelt habe. Gegen die Anordnung des Sofortvollzugs gerichtete Anträge des Klägers blieben ohne Erfolg (Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 2. Oktober 2003 - 2 B 51/03, Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. Januar 2004 - 3 MB 25/03). Der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2004 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg (Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 15. März 2005 - 2 A 196/04; Beschlüsse des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. September 2005 und vom 30. November 2005 - 3 LA 47/05). Das Begehren des Klägers, das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren wieder aufzunehmen, ist Gegenstand eines beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 7 A 62/08 anhängigen Verfahrens.
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Mit Schreiben vom 10. Dezember 2003 beantragte die zu 1. beigeladene Krankenkasse die Feststellung eines sonstigen Schadens gemäß § 12.3 der in Schleswig-Holstein geltenden Prüfvereinbarung vom 15. März 1995 und machte zur Begründung geltend, dass Verordnungen des Klägers aus dem ersten Quartal 2003 gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie gegen die Arzneimittelrichtlinien verstoßen hätten. U. a. sei die Verordnung hoher Dosen von Nitraten für diverse Patienten aufgefallen. Neben der Verordnung von Nitraten, zu denen neben ISDN Stada, Isoket retard, Monostenase long und Isomet auch die Medikamente Tensobon und Andante gezählt wurden, machte die Beigeladene Schäden aufgrund von Verordnungen verschiedener Arzneimittel geltend, die gegen die Arzneimittelrichtlinien verstießen. Weitere entsprechende Anträge stellte die Beigeladene mit Schreiben vom 11. Dezember 2003 für das Quartal II/2003, mit Schreiben vom 13. Mai 2004 für das Quartal III/2003 und mit Schreiben vom 24. August 2004 für das Quartal IV/2003.
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Mit Bescheid vom 10. Februar 2005 setzte der Prüfungsausschuss nach Anhörung des Klägers für die Quartale I/2003 bis IV/2003 wegen unwirtschaftlicher Verordnung von Arzneimitteln (Verordnung hoher Dosen von Nitraten und Verordnungen, die gegen die Arzneimittelrichtlinien verstoßen) gegen den Kläger einen Schadensersatz in Höhe von 5.570,94 EUR fest.
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Auf den Widerspruch des Klägers änderte der Beklagte den Beschluss des Prüfungsausschusses mit Bescheid vom 1. Juni 2006 insoweit ab, als der Schadensersatz auf einen Betrag von 5.347,86 EUR reduziert wurde. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Der Kläger habe mehreren versicherten Patienten in den Quartalen I/2003 bis IV/2003 Präparate unter Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verordnet. Die verordneten Präparate ISDN Stada, Isoket retard, Monostenase long, Isomonit und Tensobon seien sämtlich Präparate, die Nitrate in verschiedenen Zusammensetzungen enthielten. Der Kläger habe dazu eine Therapie zur Behandlung der Herzinsuffizienz entwickelt. Es sei nicht bekannt, dass die Therapie des Klägers in der wissenschaftlichen Literatur anerkannt sei. Der Hinweis des Klägers, dass die Therapie im Westküstenklinikum in Heide übernommen worden sei, vermöge die Schlussfolgerung, dass die Therapie den Regeln der ärztlichen Kunst entspreche, nicht zu tragen. Es handele sich um vereinzelte Stimmen, die in die wissenschaftliche Literatur keinen Eingang gefunden hätten. Bei der Berechnung des Schadens seien zugunsten des Klägers abweichend von dem Antrag der beigeladenen Krankenkasse 200 mg Nitrate als Tageshöchstdosis angesetzt worden. Abweichend von dem angefochtenen Bescheid des Prüfungsausschusses seien die Kosten für die Verordnung des Bluthochdruckmittels Andante für den Patienten P nicht in die Berechnung des Schadens einzubeziehen, weil die Arznei bei diesem Patienten zulassungsgerecht eingesetzt worden sei. Dagegen hätte der Kläger das Medikament Thym Uvocal nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnen dürfen, weil dieses aus tierischen Thymus-Peptiden gewonnen werde und damit unter Ziffer 17.1.m der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (AMR) falle. Es handele sich um Organhydrolysat. Außerdem hätten hinsichtlich der Patienten Ba, D und H keine Diagnosen vorgelegen, die eine Verordnung dieses Präparates zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung zuließen. Die Präparate Venalot und Venalot depot hätte der Kläger in näher bezeichneten Fällen nicht verordnen dürfen. Die Präparate dürften nur unter der Voraussetzung verordnet werden, dass zuvor allgemeine, nicht medikamentöse Maßnahmen genutzt worden seien. Mangels entsprechender Stellungnahme des Klägers könne nicht auf derartige Maßnahmen geschlossen werden, sodass insoweit zu Recht Schadensersatz festgesetzt worden sei. Das Präparat NAC dürfe nur zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse verordnet werden, wenn mehr als geringfügige Gesundheitsstörungen vorlägen. Dies lasse sich bei näher bezeichneten Patienten nicht feststellen. Deswegen sei auch insoweit Schadensersatz gerechtfertigt. Das Präparat Remifemin sei der Patientin T nach einer Uterustotalextirpation und damit außerhalb des vorgesehenen Anwendungsbereichs (Regelblutung) verordnet worden. Das Präparat Magnesium ratio habe der Kläger als Antikonvulsivum für einen an Epilepsie erkrankten Patienten und damit ebenfalls außerhalb des zugelassenen Anwendungsbereichs verordnet. Entsprechendes gelte für das Präparat Neuro Stada, das das Vorliegen eines – im konkreten Fall nicht festgestellten - Vitaminmangels voraussetze. Das Mittel Hepar SL forte, das für die Behandlung dispeptischer Beschwerden besonders bei funktionellen Störungen des ableitenden Gallensystems zugelassen sei, habe der Kläger bei unklaren abdominellen Beschwerden eingesetzt. Gemäß Ziffer 17.2 der Arzneimittelrichtlinien hätte das Präparat nur unter der Voraussetzung verordnet werden dürfen, dass zuvor allgemeine nicht medikamentöse Therapien genutzt wurden, hierdurch aber das Behandlungsziel nicht erreicht werden konnte. Eine blinde Therapie, wie sie der Kläger im Widerspruchsverfahren beschrieben habe, sei weder sinnvoll noch entspreche sie dem Stand der medizinischen Erkenntnisse.
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Dagegen hat sich der Kläger mit der am 27. Juni 2006 erhobenen Klage gewandt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, dass unabhängig davon, dass ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht vorliege, jedenfalls ein Schaden nicht eingetreten sei, weil jede andere Behandlung mindestens zu entsprechenden Kosten geführt hätte. Ferner habe die Beklagte zu Unrecht das Medikament Tensobon zu den Nitraten gezählt. Tensobon enthalte keine Nitrate. Sein Wirkstoff sei Captopril, ein vasodilatierender Hemmstoff des Renin-Angiotensin-Systems. Die Verschreibung von Tensobon sei sachgerecht gewesen. Hinsichtlich dieses Präparates liege eine Entscheidung des Beklagten mit nachvollziehbarer Begründung nicht vor. Soweit in dem Bescheid des Beklagten ausgeführt werde, dass seine Therapie in der wissenschaftlichen Literatur nicht anerkannt worden sei, sei dies nicht maßgeblich. Jede Neuerung benötige Zeit, um bekannt zu werden. Die Therapie sei erfolgreich. Sie werde zwischenzeitlich von Kliniken und Ärzten praktiziert, auch im Rahmen der Weiterbehandlung seiner früheren Patienten. Unangemessene, unzulässige Dosierungen seien nicht gewählt worden. Von Maximaldosen sei die gewählte Dosierung weit entfernt. Es existiere auch sonst kein Therapieansatz zur Behandlung von Myokardinsuffizienz. Den Patienten sei nachhaltig geholfen worden. Dadurch seien bei weitem kostspieligere Behandlungen erspart worden. Was früher vorschnell und ohne jede weitere Prüfung als Einzelstimme von ihm abgetan worden sei, habe sich durchgesetzt. Auch der Einsatz von NAC sei gerechtfertigt gewesen. Längere bronchiale Infekte seien unbehandelt oft Ursprung einer chronischen Bronchitis mit dann erheblichen Krankheitskosten. Das Präparat Thym Uvocal sei der Patientin Ha verordnet worden, die an einer malignen multipel metastasierenden Erkrankung gelitten habe und nach mehreren Operationen nicht mehr bereit gewesen sei, sich erneut operieren zu lassen. Den Thymuspeptiden werde eine Immunstimulation zuerkannt. Sie würden so auch bei der Behandlung der Immunschwächekrankheit eingesetzt. In diesem Sinne sei der Einsatz bei der Patientin geschehen. Die Präparate Venalot und Venalot depot seien Patienten verordnet worden, die unter einer akuten Phlebitis gelitten hätten, die mit Stützverbänden behandelt worden seien. Die Verordnung des Präparats Remifemin sei ebenfalls geboten gewesen, da die Patientin Thede aufgrund der operativen Organentfernung (Uterus und Ovarien) an einer vorgezogenen Menopause mit Beschwerden gelitten habe. Entsprechendes gelte für die Verordnung des Präparats Magnesium ratio an den Patienten G, der an Epilepsie erkrankt sei. Sowohl bei Abhängigkeitserkrankungen als auch bei allen Anfallsleiden spiele die Beobachtung des Patienten eine entscheidende Rolle. So könnten auch Übelkeiten verschiedenster Genese zu konvulsiven Ereignissen führen. Auch das Präparat Neuro Stada habe er zu Recht verschrieben. Bei dem Krankheitsbild der Patientin R sei das klinische Bild therapieführend. Die zeitlich begrenzte hoch dosierte Gabe neurotropher Medikamente sei eine probate Therapie bei diesen Krankheitsbildern. Einen therapieführenden Vitaminnachweis gebe es nicht. Das von ihm verordnete Präparat Hepar SL forte sei zur Behandlung dispeptischer Beschwerden zugelassen. Lang anhaltende Dispepsien führten oft zur Arbeitsunfähigkeit, die dann den Kostenträger mehr belaste als dieses relativ preiswerte Medikament. Deshalb sei dieses Medikament so rechtzeitig eingesetzt worden.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 1. Juni 2006 aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Mit Urteil vom 11. Juli 2008 hat das Sozialgericht Kiel die Klage unter Bezugnahme auf die Begründung der angefochtenen Bescheide als unbegründet abgewiesen.
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Dagegen wendet sich der Kläger mit der am 12. September 2008 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangenen Berufung, zu deren Begründung er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt.
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In der mündlichen Verhandlung am 4. Mai 2010 hat die Beklagte den Klaganspruch teilweise anerkannt, indem sie auf die Honorarkürzung wegen der Verordnung der Medikamente Thym-Uvocal, Venalot, Venalot Depot und Remifemin plus verzichtet. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 11. Juli 2008 und den Bescheid des Beklagten vom 1. Juni 2006 aufzuheben, soweit dem Klaganspruch nicht bereits durch das Teilanerkenntnis vom heutigen Tage entsprochen worden ist.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen, soweit das Begehren des Klägers nicht mit Teilanerkenntnis vom heutigen Tage anerkannt worden ist.
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Zur Begründung trägt der Beklagte vor: Bei dem Präparat Tensobon handele es sich um ein Kombinationspräparat mit einem ACE-Hemmer und einem Diuretikum als Inhaltsstoffe. Andante enthalte den Wirkstoff Bunazosin, der ebenfalls zur Behandlung des Bluthochdrucks eingesetzt werde. Die Beanstandung der Verordnung der beiden Medikamente beziehe sich auf die Verordnungsmenge bei gleichzeitig hochdosierter Nitrattherapie. Das Medikament Venostasin dürfe als Venentherapeutikum nach Ziffer 17.2 AMR nur unter der Voraussetzung verordnet werden, dass zuvor allgemeine nicht medikamentöse Maßnahmen genutzt wurden. Für die Verordnung von Venostasin an die Patientin S habe der Kläger keine Begründung abgegeben. Im Behandlungsschein finde sich lediglich die Diagnose „Varizen der unteren Extremitäten ohne Ulzeration/Entzündung“. Das Medikament Neuro Stada sei nur zur Behandlung von Vitaminmangelzuständen oder von Krankheitsbildern, die auf einen Mangel des jeweiligen Vitamins zurückzuführen seien, zugelassen. Insofern sei ergänzend festzustellen, dass Neuro Stada hier außerhalb der Zulassung angewendet worden sei. Die neurologischen Ausfälle der behandelten Patientin seien hier am ehesten mit einer Nervenschädigung oder -irritation im Rahmen einer Operation in Verbindung zu bringen, nicht aber auf einen Vitaminmangel zurückzuführen. Bezogen auf die Medikamente NAC, Magnesium Ratio und Hepar SL Forte wiederholt die Beklagte im Wesentlichen die Begründung aus den angefochtenen Bescheiden.
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Der Senat hat die Akte des Amtsgerichts Meldorf (21 Ds 315 Js 440), die Akte des Berufsgerichts für Heilberufe (BG 29/02), die Akte des Sozialgerichts Kiel (S 15 KA 139/04), die die Entziehung der Approbation des Klägers betreffenden Verwaltungsvorgänge des Landesamtes für Gesundheit und Arbeitssicherheit des Landes Schleswig-Holstein, die Akten des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts zu den Aktenzeichen 3 MB 25/03 (2 B 51/03) und 3 LA 47/05 (2 A 196/04) und die Akte des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts zum Aktenzeichen 7 A 62/08 sowie die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen. Diese haben dem Senat in der mündlichen Verhandlung und Beratung vorgelegen. Auf ihren Inhalt wird ebenso wie auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die statthafte (§ 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG), Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist - soweit der Beklagte dem Begehren des Klägers nicht mit dem in der mündlichen Verhandlung am 4. Mai 2010 abgegebenen Teilanerkenntnis entsprochen hat - nicht zu beanstanden.
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Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V - in der hier maßgebenden Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999, BGBl. I S. 2626). Nach dieser Vorschrift wird die Wirtschaftlichkeit der Verordnung u. a. durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen entweder nach Durchschnittswerten und/oder nach Stichproben geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Da sich die Prüfung hier auf die Verordnungsweise des Klägers im Jahr 2003 bezieht, ist noch die in Schleswig-Holstein geltende Prüfvereinbarung vom 15. März 1995 maßgebend (vgl. BSG, Urt. v. 9. April 2008 - B 6 KA 34/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 18). § 12 Abs. 1 und Abs. 3 dieser Prüfvereinbarung berechtigen auch zu Einzelfallprüfungen bezogen auf die Verordnung von Arzneimitteln, die gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen bzw. deren Verordnung unzulässig ist, weil sie aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind.
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Die Anträge der zu 1. beigeladenen Krankenkasse auf Prüfung sind innerhalb der in § 12 Abs. 4 der Prüfvereinbarung geregelten Frist von neun Monaten gestellt worden. Dies ist auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogen worden. Auch dass sich der Beklagte zur Durchführung einer Einzelfallprüfung anstelle einer Prüfung nach Durchschnittswerten entschlossen hat, ist nicht zu beanstanden. Die Prüfmethode der Einzelfallprüfung kann auch gewählt werden, um die Wirtschaftlichkeit des Umfangs der Verordnung in einzelnen Behandlungsfällen zu überprüfen (BSG, Urt. v. 27. Juni 2007 – B 6 KA 44/06 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 17).
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Der angefochtene Bescheid ist bezogen auf den Regress für die Verordnung der Nitrate ISDN Stada, Isoket retard, Monostenase long und Isomet in einer die doppelte Standarddosierung übersteigenden Menge nicht zu beanstanden. Der Kläger hat seinen Patienten die genannten Nitrate in einem Umfang verordnet, der die Dosierungsempfehlungen aus der sog. roten Liste und auch aus der (u. a. im Internet in dem Arzneimittel-Informationssystem des Bundes unter www.pharmnet-bund.de abrufbaren) Fachinformation bei Weitem übersteigt. Hintergrund dieser Verordnungsweise des Klägers war ein von ihm verfolgtes und teilweise selbst entwickeltes Behandlungskonzept. Wie sich aus einem vom Kläger im Widerspruchsverfahren vorgelegten Manuskript mit der Überschrift „Therapie der Herzmuskelschwäche durch fortgesetzte Vasodilatation: Eine bisher unbekannte Möglichkeit der Behandlung von Myokardinsuffizienz und kardialen Erregungsleitungsstörungen“ ergibt, geht der Kläger davon aus, dass eine Myokardinsuffizienz mit der Applikation hoher Dosen oraler Nitrate in Kombination mit ACE-Hemmern, Alphablockern und AT1-Antagonisten erfolgreich behandelt werden könne. Der fachkundig besetzte Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass es sich dabei nicht um ein wissenschaftlich anerkanntes Behandlungskonzept handelt. Der Kläger hat zum Beleg seiner Auffassung lediglich allgemein geltend gemacht, dass derartige Behandlungen auch von anderen Ärzten durchgeführt würden und sich durchsetzen würden. Jede Neuerung benötige Zeit. Zum Beleg hat er sich im Widerspruchsverfahren auf ein Antwortschreiben des Prof. Dr. M bezogen, dem er sein Manuskript eingereicht hatte. Aus diesem Antwortschreiben geht jedoch lediglich hervor, dass Prof. Dr. M bereit ist, sich das Manuskript trotz erheblicher zeitlicher Belastung durchzusehen. Dafür, dass es auch nur zu der vom Kläger angestrebten Veröffentlichung des Manuskripts gekommen wäre, gibt es keine Anhaltspunkte. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das vom Kläger vorgelegte Manuskript keine Ergebnisse randomisierter kontrollierter Studien wiedergibt, sondern Erfahrungen aus dem beruflichen Alltag des Klägers sowie aus Tierversuchen. Aus Sicht des Senats kann dahingestellt bleiben, ob an die systematische Verordnung von Medikamenten in einem die Dosierungsempfehlungen weit übersteigenden Umfang die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie bei der Verordnung außerhalb des Indikationsgebietes, für das die Zulassung erfolgt ist (u. a. Vorliegen kontrollierter klinischer Prüfungen der Phase III, vgl. dazu z. B. BSG, Urt. v. 26. September 2006 – B 1 KR 14/06, SozR 4-2500 § 31 Nr. 6 m. w. N.). Jedenfalls genügt ein von dem die Verordnung durchführenden Arzt verfasstes, im Wesentlichen auf Erfahrungen aus eigener Tätigkeit sowie aus Tierversuchen beruhendes und soweit ersichtlich nicht veröffentlichtes Manuskript den zu stellenden Anforderungen eindeutig nicht. Zwar ist die Auffassung des Klägers, nach der jede Neuerung Zeit benötige, nicht in Zweifel zu ziehen. Die Finanzierung der in dieser Zeit durchzuführenden Forschung ist jedoch nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, sodass sie wissenschaftlich (noch) nicht anerkannte Therapieformen nicht zu finanzieren hat. Das gilt besonders, wenn von dem behandelnden Arzt - wie hier - noch nicht einmal wissenschaftlichen Standards entsprechende Studien am Menschen als Beleg für die Wirksamkeit der Behandlungsmethode benannt werden können. Daher ist es aus Sicht des Senats jedenfalls nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den die Dosierungsempfehlungen um mehr als das Doppelte übersteigenden Verordnungsumfang als unwirtschaftlich beanstandet hat. Der Senat folgt damit auch der im Verfahren um den Widerruf der Approbation des Klägers eingeholten Stellungnahme des Prof. Dr. S, der nachvollziehbar und überzeugend dargelegt hat, dass es sich bei dem vom Kläger verfolgten Behandlungskonzept nicht um eine international gesicherten Standards entsprechende geeignete Form der Therapie der Herzinsuffizienz handelt und dass die vom Kläger durchgeführten Therapien nur im Rahmen einer von einer Ethikkommission genehmigten wissenschaftlichen Studie medizinisch zu vertreten gewesen wären.
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Weder bei dem Arzneimittel Andante und noch bei Tensobon handelt es sich um Nitrate. Davon abweichende Angaben in der Begründung des angefochtenen Bescheides sind nicht zutreffend. Die Beklagte hat die Begründung des Bescheides jedoch im Berufungsverfahren in rechtlich nicht zu beanstandender Weise konkretisiert und klargestellt, dass der Regress darauf beruht, dass der Kläger auch diese beiden Blutdruck senkenden Medikamente im Rahmen des dargestellten, mit gesicherten medizinischen Standards unvereinbaren medizinischen Behandlungskonzepts und in Kombination mit hoch dosierten Nitraten in ebenfalls überhöhter Dosierung verordnet hat. Daher ist auch bezogen auf diese Arzneimittel eine unwirtschaftliche Verordnungsweise jedenfalls bezogen auf die die empfohlene Tagesdosis (1 Tablette Andante täglich entsprechend etwa 100 Tabletten pro Quartal) bzw. eine das doppelte der maximalen Tagesdosis (2 Tabletten Tensobon täglich entsprechend etwa 196 Tabletten pro Quartal) übersteigende Verordnungsmenge festzustellen.
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Die Verordnung des Venentherapeutikums Venostasin setzt nach Ziffer 17.2 j) AMR in der hier maßgebenden Fassung des Jahres 2003 voraus, dass zuvor allgemeine nicht medikamentöse Maßnahmen genutzt wurden, hierdurch aber das Behandlungsziel nicht erreicht werden konnte und eine medikamentöse Behandlung mit dem Arzneimittel zusätzlich erforderlich ist. Dazu hat der Kläger bezogen auf die Behandlung der Patientin S keine Angaben gemacht, auch nachdem der Beklagte die Begründung des angefochtenen Bescheides im Berufungsverfahren ergänzt hat, sodass der Senat das Vorliegen der in Ziffer 17.2 j) AMR genannten Voraussetzungen nicht feststellen kann. Der Senat hat auch keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der genannten einschränkenden Bestimmung in Ziffer 17.2 AMR, weil damit kein Ausschluss von Arzneimitteln aus der Krankenversicherung geregelt wird, der im Jahr 2003 dem Verordnungsgeber vorbehalten war (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 3. November 2004 - L 4 KA 27/02, NZS 2005, 596, m.w.N.), sondern die Verordnung lediglich unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht wird (zu dieser Unterscheidung vgl.: BSG, Urt. v. 10. Mai 2005 - B 1 KR 25/03, SozR 4-2500 § 34 Nr. 2 = BSGE 94, 302, juris Rz. 25).
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Bezogen auf den Regress wegen der Verordnung der Arzneimittel Neuro Stada, NAC, Magnesium ratio sowie Hepar SL in den vier streitgegenständlichen Quartalen folgt der Senat den Gründen des angefochtenen Bescheides und sieht insoweit gem. § 153 Abs. 1 i.V.m. § 136 Abs. 3 SGG von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Der Kläger hat dazu im Klageverfahren und im Berufungsverfahren keine Aspekte vorgetragen, die er noch nicht im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hätte und mit denen sich der Beklagte im angefochtenen Bescheid noch nicht auseinandergesetzt hätte. Lediglich bezogen auf die Verordnung des Arzneimittels Hepar SL an den Patienten D im Quartal III/2003 ist zu ergänzen, dass der Kläger dieses Medikament nach seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren probatorisch verordnet hat, bevor er dem Kläger schlackenreiche Kost empfohlen hat. Hinweise auf die Nutzung nicht medikamentöser Maßnahmen vor der Verordnung oder Gründe, davon abzusehen, sind dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen. Nach der dargestellten Regelung in Ziffer 17.2 AMR (in der Fassung des Jahres 2003), die nach Buchst. b) auch für Gallenwegs- und Lebertherapeutika und damit für die Verordnung von Hepar SL gret, hätten nichtmedikamentöse Maßnahmen wie die erfolgte Empfehlung schlackenreicher Kost der Verordnung des Medikaments zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung vorausgehen müssen und nicht erst nachträglich erfolgen dürfen.
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Der Kläger kann gegen den von der Beklagten geltend gemachten Regress auch nicht mit Erfolg einwenden, dass ein Schaden nicht vorliege, weil jede andere Behandlung mindestens zu entsprechenden Kosten geführt hätte. Der Senat geht mit der ständigen Rechtsprechung von der Geltung eines normativen Schadensbegriffs im gesamten Recht der Wirtschaftlichkeitsprüfung aus. Es entspricht dem Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung, dass eine „Vorteilsausgleichung“ nicht erfolgt, sofern Leistungen in Anspruch genommen bzw. erbracht wurden, die in dieser Form nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung hätten erbracht werden dürfen (Urt. des Senats vom 9. Mai 2006 – L 4 KA 14/04, MedR 2007, 313 m. w. N.). Die Bestimmungen des Leistungserbringungsrechts über die Erfüllung bestimmter formaler und inhaltlicher Voraussetzungen der Leistungserbringung könnten ihre Steuerungsfunktion nicht erfüllen, wenn der Vertragsarzt die rechtswidrig bewirkten Leistungen über einen Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung im Ergebnis dennoch vergütet bekäme (vgl. BSG, Urt. v. 17. März 2005 – B 3 KR 2/05 R, BSGE 94, 213 = SozR 4-5570 § 30 Nr. 1).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und berücksichtigt, dass die Verpflichtung der Beklagten, 1/10 der außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen, bereits aus dem in der mündlichen Verhandlung abgegebenen und vom Kläger angenommenen Teilanerkenntnis folgt. Ergänzend ist klarzustellen, dass die Beklagte nicht nur 1/10 der außergerichtlichen Kosten sondern auch 1/10 der Gerichtskosten zu tragen hat. Die Kosten der Beigeladenen sind gem. § 197a SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil diese sich nicht mit eigenen Anträgen am Kostenrisiko beteiligt haben.
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(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.
(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.
(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.
(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.
(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.
(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch
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arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a, - 2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.
(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.
(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.
(1) Anbieter und Mauterheber sowie die von diesen hinzugezogenen Personen und Unternehmen, insbesondere der nationale Betreiber, der den Mauterhebungsdienst im Auftrag des Mauterhebers betreibt, arbeiten während der Durchführung des Prüfverfahrens, insbesondere während des Verfahrens zur Prüfung der Erfüllung aller Vorgaben für das EETS-Gebiet BFStrMG, zusammen. Der Mauterheber stellt dem Anbieter solche Informationen zur Verfügung, die für die Vertragserfüllung erforderlich sind und seinem unmittelbaren Einwirkungsrecht unterliegen.
(2) Anbieter und Mauterheber informieren die jeweils andere Partei unverzüglich und nachvollziehbar über Störungen während der Durchführung des Prüfverfahrens. Der Mauterheber ist berechtigt, das Prüfverfahren so lange auszusetzen, bis der Anbieter nachgewiesen hat, dass nicht unerhebliche Störungen ausgeschlossen sind.
(1) Das Urteil enthält
- 1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren, - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, - 3.
den Ort und Tag der mündlichen Verhandlung, - 4.
die Urteilsformel, - 5.
die gedrängte Darstellung des Tatbestands, - 6.
die Entscheidungsgründe, - 7.
die Rechtsmittelbelehrung.
(2) Die Darstellung des Tatbestands kann durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zu Protokoll erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. In jedem Fall sind jedoch die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben.
(3) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(4) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nicht, wenn Kläger, Beklagter und sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten.
(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.
(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.
(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.