Landessozialgericht NRW Urteil, 28. Jan. 2016 - L 9 AL 189/13
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 21.05.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen den von der Beklagten festgestellten Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe und die hieraus folgende Minderung der Dauer seines Arbeitslosengeldanspruches um 90 Tage.
3Der am 00.00.1971 geborene Kläger ist verheiratet und Vater von zwei minderjährigen Kindern. Er diente von 1994 bis 1999 als Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr. Danach schlossen sich einige Monate als Zimmerer bei zwei Zimmereibetrieben an. Zwischen dem 02.08.1999 und dem 30.11.2002 arbeitete der Kläger als Drucker (Maschinenführer). Im Anschluss befand er sich im Bezug von Arbeitslosengeld. Vom 01.10.2003 bis zum 10.09.2004 übte der Kläger dann eine Tätigkeit als Dachdeckerhelfer aus. Die Beklagte gewährte dem Kläger im Anschluss seinen Restanspruch auf Arbeitslosengeld und sodann Arbeitslosenhilfe bis zum 31.12.2004. Zwischen dem 01.01. und dem 30.04.2005 befand sich der Kläger im Bezug von Arbeitslosengeld II.
4Vom 01.05.2005 bis zum 31.01.2007 arbeitete der Kläger als Kraftfahrer für ein Speditionsunternehmen. Es folgte ein erneuter Bezug von Arbeitslosengeld und aufstockend von Arbeitslosengeld II. Ab dem 08.05.2007 war der Kläger wieder als Dachdeckerhelfer und vom 01.06.2007 bis zum 15.02.2009 wieder als Kraftfahrer tätig. Es folgte ein erneuter Bezug von Arbeitslosengeld und aufstockend von Arbeitslosengeld II bis zum 23.08.2009. Während dieser Zeit erwarb der Kläger auf der Basis eines von der Beklagten ausgestellten Bildungsgutscheines den Führerschein der Klassen C und CE. Der Kläger war sodann als Kraftfahrer vom 24.08.2009 bis zum 31.07.2010 bei der Fa. H mbH und ab dem 01.08.2010 (befristet bis zum 31.07.2011) bei der Fa. G Transporte beschäftigt.
5Am 19.10.2010 überschritt der Kläger als Führer eines Lkw die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 60 km/h um 22 km/h. Dies führte zur Verhängung einer Geldbuße von 160,00 Euro und Eintragung eines Punktes im Verkehrszentralregister.
6Durch Ordnungsverfügung vom 15.02.2011 entzog der Kreis H dem Kläger nach vorheriger Anhörung mit sofortiger Wirkung die Fahrerlaubnis wegen des Erreichens von 18 Punkten im Verkehrszentralregister. Ein hiergegen anhängig gemachtes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes blieb vor dem Verwaltungsgericht (VG) N (Beschluss vom 17.03.2011 zum Az. 9 L 81/11) und dem Oberverwaltungsgericht NRW (Beschluss vom 22.06.2011 zum Az. 16 B 435/11) erfolglos. Das Hauptsacheverfahren vor dem VG ist aufgrund der Rücknahme der Klage eingestellt worden (Beschluss vom 04.07.2011 zum Az. 9 K 392/11).
7Wegen des eingetretenen Verlustes der Fahrerlaubnis kündigte die Fa. G Transporte das Arbeitsverhältnis des Klägers am 16.02.2011 fristlos zum 17.02.2011. Gegen die Kündigung erhob der Kläger Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht I (Az.: 2 Ca 00/11).
8Am 21.02.2011 meldete der Kläger sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Zu den Gründen des Arbeitsplatzverlustes angehört, gab der Kläger an, sich nicht arbeitsvertragswidrig verhalten zu haben.
9Mit Sperrzeitbescheid vom 03.03.2011 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit für die Dauer von 12 Wochen für die Zeit vom 18.02.2011 bis zum 12.05.2011 und zugleich die Minderung des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld um ein Viertel (90 Tage) fest. Dies begründete sie damit, dass der Kläger seine Beschäftigung verloren habe, da er seinen Führerschein habe abgeben müssen. Da davon auszugehen sei, dass der Arbeitgeber ein solches Verhalten nicht dulde, sei der Verlust des Arbeitsplatzes für ihn abzusehen gewesen. Ein wichtiger Grund für sein Verhalten sei nicht erkennbar. Mit Bewilligungsbescheid vom 03.03.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung der Sperrzeit in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 32,36 Euro.
10Gegen beide Bescheide legte der Kläger am 07.03.2011 Widerspruch ein. Diesen begründete er damit, dass die Sperrzeit rechtswidrig sei. Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung hätten nicht vorgelegen, was sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren herausstellen werde.
11Mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es bleibe dabei, dass der Verlust der Fahrerlaubnis ein arbeitsvertragswidriges Verhalten darstelle und dieses für den Verlust des Arbeitsplatzes ursächlich gewesen sei. Dabei treffe den Kläger auch der Vorwurf des grob fahrlässigen Handelns. Die Voraussetzungen für eine Verkürzung der Sperrzeit wegen einer besonderen Härte lägen nicht vor.
12Hiergegen hat der Kläger am 29.03.2011 Klage zum Sozialgericht (SG) Detmold erhoben.
13Der Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht endete am 22.07.2011 durch einen Vergleich, in dem sich die Arbeitsvertragsparteien darauf einigten, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2011 durch betriebsbedingte Kündigung sein Ende gefunden und der Kläger für die Zeit vom 17.02.2011 bis zum 31.03.2011 unbezahlten Sonderurlaub erhalten hat. Weiterhin verpflichteten sie sich zum Wiederabschluss eines Arbeitsvertrages ab dem Tag der Wiedererlangung der Fahrerlaubnis.
14Der Kläger hat zur Klagebegründung sein vorheriges Vorbringen vertieft: Nach dem arbeitsgerichtlichen Vergleich liege eine betriebsbedingte Kündigung vor, so dass die Sperrzeit bereits von daher rechtswidrig sei. Er habe zudem durch die Inanspruchnahme von verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutz erfolglos versucht, den Verlust seiner Fahrerlaubnis zu verhindern. Schließlich stelle der Eintritt einer Sperrzeit für ihn eine besondere Härte dar. Denn er habe keineswegs vorsätzlich den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdet, vielmehr seien die punktbewehrten straßenverkehrsrechtlichen Verstöße überwiegend anlässlich beruflicher Fahrten erfolgt.
15Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
16die Beklagte unter Teilaufhebung des Bewilligungsbescheides vom 03.03.2011 sowie vollständiger Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2011 zu verpflichten, ihm für den Zeitraum vom 21.02.2011 bis zum 12.05.2011 Arbeitslosengeld l in Höhe von kalendertäglich 32,36 Euro zu zahlen.
17Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie hat unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen im Sperrzeitbescheid und im Widerspruchsbescheid an ihrer Ansicht festgehalten. Der Verlust der Fahrerlaubnis habe zum Verlust der Arbeit geführt. Eine besondere Härte sei nach der Weisungslage nicht anzuerkennen, da sonst verkehrswidriges Verhalten legitimiert werde. Der Ausgang des arbeitsgerichtlichen Verfahrens sei für die Feststellung der Sperrzeit irrelevant, da dort das Arbeitsverhältnis, nicht aber das Beschäftigungsverhältnis geregelt worden sei. Gerade die Regelung zur späteren Wiederaufnahme der Beschäftigung belege die Kausalität des Führerscheinverlusts für den Verlust der Beschäftigung.
20Der Kläger begründete zum 01.09.2011 mit der Fa. G Transporte ein neues, auf ein Jahr befristetes Beschäftigungsverhältnis, welches er zum 31.12.2011 selbst - aufgrund aus seiner Sicht anderweitig besserer Verdienstmöglichkeiten - kündigte.
21Nachdem die Beteiligten im Rahmen eines Erörterungstermins am 22.11.2012 ihr Einverständnis hierzu erklärt hatten, hat das SG die Klage durch Urteil vom 21.05.2013 ohne mündliche Verhandlung abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
22Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage seien sowohl der Bewilligungsbescheid vom 03.03.2011 als auch der damit eine Einheit bildende Sperrzeitbescheid vom gleichen Tage jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2011. Diese Bescheide seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten, denn die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit i. S. v. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III (a. F.) seien erfüllt. Er habe sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, durch sein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt.
23Der Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe setze ein arbeitsvertragswidriges Verhalten voraus, das in jeglichem Verstoß gegen geschriebene oder ungeschriebene Haupt- und Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag bestehen könne. Dieses Verhalten müsse kausal für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses geworden sein und eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt haben. Die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses müsse Ursache für den Eintritt der Beschäftigungslosigkeit sein. Schließlich müsse die Herbeiführung der Beschäftigungslosigkeit auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Arbeitslosen beruhen, wobei nicht von einem objektiven, sondern einem subjektiven Maßstab auszugehen sei.
24Ein Berufskraftfahrer könne die von ihm arbeitsvertraglich geschuldete Arbeit nur verrichten, wenn er im Besitz einer Fahrerlaubnis sei und bleibe. Entsprechend sei das Vorhandensein einer Fahrerlaubnis zur Erfüllung der vertraglichen Arbeitspflicht Geschäftsgrundlage eines Arbeitsvertrages bei Berufskraftfahrern. Ein Arbeitnehmer, der zum Führen von Kraftfahrzeugen verpflichtet sei, habe dafür Sorge zu tragen, dass er seine straßenverkehrsrechtliche Berechtigung hierzu erhalte. Er habe daher nicht nur wie jedermann Verkehrsverstöße zu unterlassen, sondern ihn treffe gegenüber dem Arbeitgeber die Nebenpflicht, jegliche Verkehrsverstöße zu unterlassen, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen könnten.
25Die Überschreitung der Schwelle von 18 Punkten und der damit einhergehende Entzug der Fahrerlaubnis seien daher ursächlich für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses von Seiten des Arbeitgebers gewesen. Etwas anderes ergäbe sich auch nicht aus den Regelungen des arbeitsgerichtlichen Vergleichs. Ein arbeitsgerichtliches Urteil entfalte ebenso wenig wie ein arbeitsgerichtlicher Vergleich Bindungswirkung für die sozialrechtliche Klärung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Sperrzeit. Denn entscheidend seien ausschließlich die tatsächlichen Umstände, die zum Ende der Beschäftigung geführt haben. Die bloße Umbenennung einer außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung vermöge die Herbeiführung der Beschäftigungslosigkeit durch arbeitsvertragswidriges Verhalten nicht zu beseitigen. Gegen die Annahme, dass kein außerordentlicher Kündigungsgrund bestanden habe, spreche bei dem getroffenen Vergleich auch der Umstand, dass dem Kläger für die Zeit bis zum 31.03.2011 kein Lohnanspruch gegen seinen Arbeitgeber mehr zustehen sollte.
26Der Kläger habe auch grob fahrlässig seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Es hätte für ihn im Hinblick auf seinen Punktestand bereits bei einfachster Betrachtung klar sein müssen, dass ihm bei einem weiteren punktbewehrten Verstoß gegen das Straßenverkehrsrecht aufgrund der dann nicht mehr möglichen Arbeitsleistung die Kündigung drohte und dies zur Arbeitslosigkeit führen würde. Der in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III formulierte Schuldvorwurf beziehe sich nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm nur auf die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit, nicht auf das arbeitsvertragswidrige Verhalten selbst. Der Eintritt von Arbeitslosigkeit infolge vertragswidrigen Verhaltens habe im Fall des Klägers so nahe gelegen, dass diese drohende Entwicklung ihm hätte bekannt sein müssen, ihn also der Vorwurf treffe, sie nicht bedacht zu haben. Dass es dem Kläger nicht darauf angekommen sei, vorsätzlich seinen Arbeitsplatz zu gefährden, sei nicht entscheidungserheblich.
27Eine die Verkürzung der Sperrzeit rechtfertigende besondere Härte i. S. v. § 144 Abs. 3 Satz 2 SGB III liege nicht vor. Die Regeldauer von 12 Wochen sei nach den Umständen des zu beurteilenden Einzelfalls objektiv nicht als unverhältnismäßig anzusehen. Den Kläger träfen dieselben Folgen wie jeden anderen Arbeitnehmer, der aufgrund von vertragswidrigem Verhalten seine Beschäftigung verliere und hierdurch arbeitslos werde. Etwas anderes ergäbe sich auch nicht aus dem Umstand, dass er durch den Entzug der Fahrerlaubnis bereits von einer staatlichen Sanktion betroffen sei. Denn eine arbeitsförderungsrechtliche Privilegierung des Klägers dafür, dass er sich für den zur Sperrzeit führenden Umstand auch straßenverkehrsrechtlich zu verantworten gehabt habe, sei nicht gerechtfertigt.
28Gegen das ihm am 20.06.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.07.2013 Berufung eingelegt.
29Zur Begründung wiederholt und ergänzt er sein Klagevorbringen unter Bezugnahme auf Rechtsprechung anderer Landessozialgerichte. Er macht weiterhin geltend, ein arbeitsvertragswidriges Verhalten sei ihm keineswegs vorzuwerfen, erst recht habe er sich nicht grob fahrlässig verhalten. Jeder Verkehrsverstoß müsse einzeln betrachtet werden. In seinem Fall sei keiner so gravierend, dass dieser alleine schon eine Sperrzeit rechtfertige. Die Verkehrsverstöße seien zum einen nicht mit den Fällen von Trunkenheitsfahrten, Fahrerflucht oder ähnlich groben Verstößen zu vergleichen und zum anderen dadurch bedingt, dass er unter dem Druck seines Arbeitgebers bzw. des Disponenten der Fa. E stehend bei der Verrichtung seiner Tätigkeit in der Zwickmühle gesessen hätte. Wäre er vorschriftsmäßig gefahren, hätte er die von ihm verlangte Leistung nicht erbringen können, was in letzter Konsequenz auch den Arbeitsplatz gefährdet hätte. Es habe sich überdies ausschließlich um Ordnungswidrigkeiten mit beruflicher Veranlassung gehandelt. Er möge zwar zwischenzeitlich 18 Punkte im Verkehrszentralregister erreicht haben, jedoch habe zu diesem Zeitpunkt noch die Löschung von zwei Punkten durch die zuständige Verkehrsbehörde nach bereits erfolgter Ableistung einer verkehrspsychologischen Beratung ausgestanden, so dass sein Punktekonto eigentlich bei 16 Punkten hätte liegen müssen. Eben in der Vorstellung nur noch über 16 Punkte zu verfügen, habe er den letzten Punkt "kassiert".
30Der Kläger beantragt,
31das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 21.05.2013 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Sperrzeitbescheides vom 03.03.2011 und unter Abänderung ihres Bewilligungsbescheides vom 03.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2011 zu verurteilen, ihm auch für den Zeitraum vom 21.02.2011 bis zum 12.05.2011 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
32Die Beklagte beantragt,
33die Berufung zurückzuweisen.
34Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter ergänzender Bezugnahme auf ihr vorheriges Vorbringen.
35Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte des Arbeitsgerichts I (2 Ca 00/11) sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des Kreises H Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
36Entscheidungsgründe:
37Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
38I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 2 SGG). Die vollständig abgefasste Entscheidung ist dem Kläger am 20.06.2013 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist bei dem LSG am 12.07.2013 eingegangen.
39II. Die Berufung ist nicht begründet. Die von dem Kläger erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, 4, § 56 SGG) ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in seinen Rechten verletzt. Die Beklagte hat zutreffend den Eintritt einer Sperrzeit im Zeitraum vom 18.02.2011 bis zum 12.05.2011, das hierdurch bedingte Ruhen des Anspruches vom 21.02.2011 bis zum 12.05.2011 sowie die Minderung des Anspruches um 90 Tage festgestellt.
40Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage den überzeugenden Ausführungen des SG im Urteil vom 21.05.2013 an. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG abgesehen. Lediglich ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
41Auch das Berufungsvorbringen des Klägers ist nicht geeignet, seiner Klage zum Erfolg zu verhelfen.
42Soweit der Kläger meint, der Entzug der Fahrerlaubnis sei rechtswidrig erfolgt, da der hierfür zuständige Kreis H als Straßenverkehrsbehörde im Entscheidungs-zeitpunkt fehlerhafter Weise eine Reduzierung des Punktekontos um zwei Punkte aufgrund eines zwischenzeitlich durchgeführten Seminars nicht berücksichtigt hätte, so konnte dieser Vortrag schon nicht durch die in zwei Instanzen erfolgte verwaltungsgerichtliche Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bestätigt werden. Abgesehen davon, dass der Kläger im hiesigen Verfahren nicht einmal deutlich gemacht hat, welches Seminar er genau meint, ergibt sich aus der beigezogenen Akte des Kreises H, dass vor Erlass der Ordnungsverfügung vom 15.02.2011 zuletzt eine verkehrspsychologische Beratung in der Zeit vom 12.06. bis zum 26.06.2010 in Anspruch genommen worden ist. Diese konnte nicht zur Reduzierung von Punkten führen, da der Kläger noch am 12.06.2010 eine erneute Verkehrsordnungswidrigkeit begangen hatte, aus der bereits ein zwischenzeitlicher Punktestand von 18 folgte. Im Einzelnen nimmt der Senat auf die von ihm für zutreffend erachteten Ausführungen hierzu im Beschluss des VG N vom 17.03.2011 Bezug. Es verwundert, dass der Kläger das Argument der unterbliebenen Reduzierung im sozialgerichtlichen Verfahren weiter bemüht, obwohl er seine Anfechtungsklage vor dem VG zurückgenommen und nicht etwa auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt hat.
43Das Urteil des SG steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.2005 - B 7a AL 46/05 R -, juris Rn. 12 ff.; Urteil vom 25.08.1981 - 7 RAr 44/80 -, juris Rn. 21 ff.), der sich auch der Senat anschließt. Die von dem Kläger im Berufungsrechtszug in Bezug genommene obergerichtliche Rechtsprechung betrifft andere Sachverhaltskonstellationen. Das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 08.06.2011 (Az.: L 3 AL 1315/11) betraf eine Fahrerlaubnisentziehung in Folge einer (einzigen) Verkehrsstraftat. Das Urteil des LSG Hessen vom 21.10.2011 (Az.: L 7 AL 120/09) betraf die Erreichung von 18 Punkten durch einen privaten Verkehrsverstoß. Der Verkehrsordnungswidrigkeit am 12.06.2010 lag zwar eine Fahrt des Klägers mit dem Privat-Pkw zugrunde. Allerdings war der letzte in der Ordnungsverfügung vom 15.02.2011 aufgeführte Verstoß, an den hier anzuknüpfen ist, derjenige mit einem Lkw am 19.10.2010.
44Der Kläger kann auch nicht damit gehört werden, dass die Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung durch den Druck des Arbeitgebers bzw. des Disponenten der Fa. E bedingt waren. Seine Privatfahrten waren ebenfalls wiederholt (z. B. am 04.04.2006, 13.07.2010 und 12.06.2010) durch nicht mehr geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitungen sowie mehrfach die verbotswidrige Nutzung von Mobiltelefonen gekennzeichnet. Dies legt nahe, dass es sich um bei dem Kläger eingeschliffene Verhaltensweisen handelt. Schon das VG hat in seinem Beschluss vom 17.03.2015 zutreffend darauf hingewiesen, dass er aufgrund der Mitteilungen der Straßenverkehrsbehörde die Möglichkeit hatte, sein Verhalten im Straßenverkehr zu ändern und punktbewehrtes Verhalten zu vermeiden. Dazu war er offenbar nicht bereit.
45Der Vortrag des Klägers offenbart vielmehr ein grundlegendes Unverständnis dessen, was (straßenverkehrs)rechtskonformes Verhalten darstellt. Wenn er schriftsätzlich in euphemistischer Diktion vorgetragen hat, sich - was im Übrigen sachlich unzutreffend ist - lediglich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit durch kumulierte Verkehrsverstöße zu viele Punkte "gefangen" zu haben und in der Vorstellung, in Folge der Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung nur noch über 16 Punkte zu verfügen, den letzten Punkt "kassiert" zu haben, belegt dieses, dass er durch Tilgungen, Löschungen oder Abzüge i. S. v. § 2 Straßenverkehrsgesetz erfolgende Reduzierungen als Gelegenheit versteht, sich sodann wieder neue Verkehrsverstöße unterhalb der relevanten Grenze von 18 (bzw. seit dem 01.05.2014 8 Punkten) erlauben zu dürfen.
46III. Die Kostenentscheidung richtet sich nach den §§ 183, 193 SGG.
47IV. Gründe, gem. § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht NRW Urteil, 28. Jan. 2016 - L 9 AL 189/13
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Landessozialgericht NRW Urteil, 28. Jan. 2016 - L 9 AL 189/13
Referenzen - Gesetze
(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat auch, wer die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit allein wegen einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt.
(2) Bei einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer, die oder der vor Eintritt in die Maßnahme nicht arbeitslos war, gelten die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit als erfüllt, wenn sie oder er
- 1.
bei Eintritt in die Maßnahme einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hätte, der weder ausgeschöpft noch erloschen ist, oder - 2.
die Anwartschaftszeit im Fall von Arbeitslosigkeit am Tag des Eintritts in die Maßnahme der beruflichen Weiterbildung erfüllt hätte; insoweit gilt der Tag des Eintritts in die Maßnahme als Tag der Arbeitslosmeldung.
(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.
(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.
(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.
(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.