Landessozialgericht NRW Beschluss, 22. Juni 2015 - L 7 AS 671/15 B

ECLI:ECLI:DE:LSGNRW:2015:0622.L7AS671.15B.00
bei uns veröffentlicht am22.06.2015

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 02.03.2015 geändert. Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin L, E, bewilligt.


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Landessozialgericht NRW Beschluss, 22. Juni 2015 - L 7 AS 671/15 B zitiert 11 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Zivilprozessordnung - ZPO | § 127 Entscheidungen


(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 115 Einsatz von Einkommen und Vermögen


(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen: 1. a) die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge;b) bei Parteien, die ein Einkommen

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 73a


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 172


(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. (2) Pro

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 43 Aufrechnung


(1) Die Jobcenter können gegen Ansprüche von leistungsberechtigten Personen auf Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufrechnen mit1.Erstattungsansprüchen nach § 50 des Zehnten Buches,2.Ersatzansprüchen nach den §§ 34 und 34a,3.Erstattun

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Bundessozialgericht Urteil, 09. Nov. 2010 - B 4 AS 27/10 R

bei uns veröffentlicht am 09.11.2010

Tenor Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Juli 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 4. September 2008 geändert.

Referenzen

(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Die Beschwerde ist ausgeschlossen

1.
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte,
2.
gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn
a)
das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint,
b)
in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder
c)
das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist,
3.
gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193,
4.
gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen:

1.
a)
die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge;
b)
bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
2.
a)
für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
b)
bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für jede unterhaltsberechtigte Person jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
3.
die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen;
4.
Mehrbedarfe nach § 21 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und nach § 30 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch;
5.
weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist; § 1610a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
Maßgeblich sind die Beträge, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gelten. Soweit am Wohnsitz der Partei aufgrund einer Neufestsetzung oder Fortschreibung nach § 29 Absatz 2 bis 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch höhere Regelsätze gelten, sind diese heranzuziehen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gibt bei jeder Neufestsetzung oder jeder Fortschreibung die maßgebenden Beträge nach Satz 3 Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 2 und nach Satz 5 im Bundesgesetzblatt bekannt. Diese Beträge sind, soweit sie nicht volle Euro ergeben, bis zu 0,49 Euro abzurunden und von 0,50 Euro an aufzurunden. Die Unterhaltsfreibeträge nach Satz 3 Nr. 2 vermindern sich um eigenes Einkommen der unterhaltsberechtigten Person. Wird eine Geldrente gezahlt, so ist sie an Stelle des Freibetrages abzusetzen, soweit dies angemessen ist.

(2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen; die Monatsraten sind auf volle Euro abzurunden. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen.

(3) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(4) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Jobcenter können gegen Ansprüche von leistungsberechtigten Personen auf Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufrechnen mit

1.
Erstattungsansprüchen nach § 50 des Zehnten Buches,
2.
Ersatzansprüchen nach den §§ 34 und 34a,
3.
Erstattungsansprüchen nach § 34b oder
4.
Erstattungsansprüchen nach § 41a Absatz 6 Satz 3.

(2) Die Höhe der Aufrechnung beträgt bei Erstattungsansprüchen, die auf § 41a oder auf § 48 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 in Verbindung mit § 50 des Zehnten Buches beruhen, 10 Prozent des für die leistungsberechtigte Person maßgebenden Regelbedarfs, in den übrigen Fällen 30 Prozent. Die Aufrechnung, die zusammen mit bereits laufenden Aufrechnungen nach Absatz 1 und nach § 42a Absatz 2 insgesamt 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs übersteigen würde, ist unzulässig.

(3) Eine Aufrechnung ist nicht zulässig für Zeiträume, in denen der Auszahlungsanspruch nach § 31b Absatz 1 Satz 1 um mindestens 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs gemindert ist. Ist die Minderung des Auszahlungsanspruchs geringer, ist die Höhe der Aufrechnung auf die Differenz zwischen dem Minderungsbetrag und 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs begrenzt.

(4) Die Aufrechnung ist gegenüber der leistungsberechtigten Person schriftlich durch Verwaltungsakt zu erklären. Sie endet spätestens drei Jahre nach dem Monat, der auf die Bestandskraft der in Absatz 1 genannten Entscheidungen folgt. Zeiten, in denen die Aufrechnung nicht vollziehbar ist, verlängern den Aufrechnungszeitraum entsprechend.

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Juli 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 4. September 2008 geändert.

Der das Meldeversäumnis vom 17. Oktober 2007 betreffende Bescheid vom 18. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2007 wird aufgehoben.

Der Bescheid vom 2. November 2007 wird geändert, soweit die Beklagte das Arbeitslosengeld II des Klägers für den Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis 29. Februar 2008 um insgesamt mehr als 30 vH der Regelleistung aufgehoben hat.

Im Übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Im Streit sind Absenkungen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wegen wiederholter Meldeversäumnisse in der Zeit vom 1.11.2007 bis 29.2.2008.

2

Der 1957 geborene Kläger bezieht seit Januar 2005 von der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, welche zuletzt für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis 30.4.2008 bewilligt wurden (Bescheid vom 10.10.2007). In der Vergangenheit war er wiederholt Meldeaufforderungen der Beklagten unter Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Nervenarztes Dr. B nicht nachgekommen. Auf den Widerspruch des Klägers gegen eine aus diesem Grund erfolgte Absenkung von SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1.10. bis 31.12.2006 (Bescheid vom 20.9.2006) teilte sie ihm mit, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen würden künftig nicht mehr akzeptiert. Er müsse ärztliche Bescheinigungen vorlegen, aus denen ersichtlich sei, dass er krankheitsbedingt nicht zu Meldeterminen erscheinen könne (Schreiben vom 27.9.2006). Dr. B teilte der Beklagten mit, er bescheinige vor Meldeterminen Arbeitsunfähigkeit, weil Schwerstgeschädigte - wie der Kläger - häufig in Angst und Panik gerieten (Schreiben vom 30.9.2006).

3

Nachdem der Kläger zu einem Meldetermin am 27.4.2007 unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. B erneut nicht erschienen war, senkte die Beklagte das Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit vom 1.6. bis 31.8.2007 um monatlich 10 vH der Regelleistung ab (Bescheid vom 2.5.2007). Sie wies ihn darauf hin, dass das Alg II bei wiederholter gleichartiger Obliegenheitsverletzung innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten nach Eintritt dieser Sanktion um den Prozentsatz der zustehenden Regelleistung abgesenkt werde, der sich aus der Summe des Prozentsatzes aus dieser Sanktion und zusätzlichen 10 vH ergebe.

4

Mit Schreiben vom 28.9.2007 forderte sie ihn erneut auf, am 9.10.2007 bei ihr zu einem Gespräch über sein Bewerberangebot bzw seine berufliche Situation vorzusprechen. Der Termin diene auch der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens. Sofern er am Meldetag arbeitsunfähig sein sollte, werde ein Attest des behandelnden Arztes benötigt, wonach er den Termin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen könne. Dem Schreiben war eine Rechtsfolgenbelehrung beigefügt. Mit einem am 8.10.2007 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben teilte der Kläger mit, er könne wegen eines wichtigen Arzttermins am 9.10.2007 nicht erscheinen. Am 10.10.2007 erhielt die Beklagte Bescheinigungen des Dr. B über eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers in der Zeit vom 9.10. bis 31.10.2007 sowie des Dr. W über einen "Kontakt" in dessen Arztpraxis am 9.10.2007. Wegen des Nichterscheinens zu dem Meldetermin am 9.10.2007 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Absenkung der Leistungen an und forderte ihn in gleicher Weise wie zuvor auf, am 17.10.2007 bei ihr vorzusprechen (Schreiben vom 9.10.2007). Nachdem der Kläger auch zu diesem Meldetermin nicht erschienen war, lud die Beklagte ihn - erneut unter Angabe derselben Meldezwecke mit inhaltsgleicher Rechtsfolgenbelehrung sowie unter Hinweis auf die Notwendigkeit eines entsprechenden Attestes des behandelnden Arztes bei Arbeitsunfähigkeit - zu einem weiteren Termin am 24.10.2007 ein. Auch diesen Termin nahm der Kläger nicht wahr.

5

Wegen des Meldeversäumnisses vom 9.10.2007 senkte die Beklagte das Alg II des Klägers für die Zeit vom 1.11.2007 bis 31.1.2008 um 20 vH der maßgebenden Regelleistung (69 Euro) ab und hob die Bewilligung für diesen Zeitraum gemäß § 48 Abs 1 SGB X "insoweit" auf(Bescheid vom 18.10.2007). Sie wies ihn darauf hin, dass der ihm zustehende Anspruch auf Leistungen bei wiederholter gleichartiger Pflichtverletzung für die Dauer von drei Monaten verschärft zu mindern sei. Sein Alg II werde dann um den Prozentsatz der ihm zustehenden Regelleistung abgesenkt, der sich aus der Summe des Prozentsatzes "aus dieser Sanktion" und zusätzlichen 10 vH ergebe. Mit weiterem Bescheid vom 18.10.2007 senkte sie das Alg II wegen des Meldeversäumnisses am 17.10.2007 für den gleichen Zeitraum (1.11.2007 bis 31.1.2008) weiter um 30 vH der maßgebenden Regelleistung (104 Euro monatlich) ab und hob auch "insoweit" die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.1.2008 auf. Schließlich minderte sie das Alg II in der Zeit vom 1.12.2007 bis 29.2.2008 um monatlich 40 vH der maßgebenden Regelleistung (139 Euro monatlich) wegen wiederholter Pflichtverletzung, hob die ursprüngliche Bewilligung "insoweit" für diesen Zeitraum auf. Wie auch bereits mit dem Bescheid vom 18.10.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ihm auf seinen Antrag in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen - insbesondere in Form von Lebensmittelgutscheinen - gewährt werden könnten (Bescheid vom 2.11.2007). Die Widersprüche des Klägers wies sie zurück (Widerspruchsbescheide vom 13.11.2007).

6

Nach Verbindung der gegen die Widerspruchsbescheide gerichteten Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung hat das SG die Klage abgewiesen (Urteil vom 4.9.2008). Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg (Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 23.7.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Bescheid vom 18.10.2007, mit dem die Beklagte die Regelleistung wegen des Meldeversäumnisses am 9.10.2007 für die Zeit vom 1.11.2007 bis 31.1.2008 um 20 vH abgesenkt habe, sei rechtmäßig. Der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich auf Aufforderung der Beklagten zum Zweck der Besprechung seines Bewerberangebots/seiner beruflichen Situation zu melden bzw zu einer ärztlichen Untersuchung zu erscheinen. Die Meldeverpflichtung sei auch nicht entfallen. Eine bestehende Arbeitsunfähigkeit lasse die Meldepflicht jedenfalls bei begründeten Anhaltspunkten, dass die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit nicht gleichzeitig die Unfähigkeit zur Wahrnehmung eines Meldetermins begründe und wenn der Leistungsträger den Betroffenen zuvor darauf hingewiesen habe, dass eine "Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung" nicht ausreiche, um die krankheitsbedingte Unfähigkeit zur Wahrnehmung des Meldetermins nachzuweisen, nicht entfallen. Da der Kläger zuvor bereits mehrfach Meldetermine unter Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht wahrgenommen habe, habe die Beklagte zu Recht die Vorlage einer besonderen Bescheinigung über die krankheitsbedingte Unfähigkeit zur Wahrnehmung des Meldetermins verlangt. Hierüber sowie über die Rechtsfolgen der Versäumnis des Meldetermins wegen Krankheit sei er ausreichend belehrt worden. Er habe wissen müssen, dass die Wahrnehmung eines Arzttermins grundsätzlich keine ausreichende Entschuldigung sei. Weder aus seinem Vortrag noch aus der Bestätigung des Dr. W ergäben sich Anhaltspunkte für eine Unaufschiebbarkeit des Arzttermins. Der Kläger habe keinen wichtigen Grund für sein Nichterscheinen nachgewiesen, weil er krankheitsbedingt nicht gehindert gewesen sei, die Meldetermine wahrzunehmen. Aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine Unfähigkeit, zu Meldeterminen zu erscheinen. Auch der weitere Bescheid der Beklagten vom 18.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.11.2007, mit dem die Beklagte wegen des Meldeversäumnisses am 17.10.2007 die Regelleistung um 30 vH für die Zeit vom 1.11.2007 bis 31.1.2008 abgesenkt habe, sei - wie der Bescheid vom 2.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.11.2007 - rechtmäßig. Mit dem Einladungsschreiben der Beklagten vom 17.10.2007 liege eine wirksame und rechtmäßige Meldeaufforderung vor, welcher der Kläger nicht nachgekommen sei. Die bis zum 31.10.2007 bescheinigte Arbeitsunfähigkeit lasse die Meldepflicht nicht entfallen und stelle auch keinen wichtigen Grund für deren Versäumnis dar. Die Beklagte habe unter Berücksichtigung der vorangegangenen Absenkung von 30 vH die Absenkung zutreffend auf 40 vH festgesetzt.

7

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 31 SGB II. Die Rechtsfolgenbelehrungen in den angefochtenen Bescheiden genügten nicht den Anforderungen der BSG-Rechtsprechung. Sie seien identisch, allgemein gehalten und völlig unverständlich. Er sei der festen Überzeugung gewesen, dass seine Krankmeldung durch Dr. B als wichtiger Grund anerkannt werde. Die Beklagte hätte ihn in einem individuellen Schreiben konkret belehren müssen. Eine "wiederholte Pflichtverletzung" sei nicht gegeben. Mit den angefochtenen Bescheiden sanktioniere die Beklagte Meldeversäumnisse, die in einem gewissen Zusammenhang stünden. Bei mehrfacher Verletzung derselben Obliegenheit durch bloße Bekräftigung einer bereits getätigten Handlung, die in einem Fortsetzungszusammenhang stehe, liege keine wiederholte Pflichtverletzung vor. Insofern setzte eine wiederholte Pflichtverletzung voraus, dass ein erstes Sanktionsereignis bereits feststehe. Die verschärfte Leistungsabsenkung bei wiederholter Pflichtverletzung greife das Konzept einer stufenweisen Leistungsabsenkung auf und setze erkennbar auf einen verhaltensändernden Effekt. Der erforderliche Inhalt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ergebe sich aus § 56 SGB II. Da gegenüber dem SGB II-Träger keine Verpflichtung zur Angabe einer Diagnose bestehe, könne der Leistungsträger eine solche auch nicht verlangen.

8

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Juli 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 4. September 2008 sowie die Bescheide vom 18. Oktober 2007 und 2. November 2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13. November 2007 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Die Beklagte führt aus, der Kläger könne sich nicht auf einen wichtigen Grund berufen. Er sei stets - so auch mit der Meldeaufforderung vom 28.9.2007 - darauf hingewiesen worden, dass bei Arbeitsunfähigkeit ein Attest des behandelnden Arztes benötigt werde, aus dem hervorgehe, dass er den Termin aus gesundheitlichen Gründen nicht habe wahrnehmen können. Im Übrigen habe er weder nachgewiesen, dass die Arztbesuche an den Tagen der Meldeaufforderung auf Grund von medizinischen Notfallsituationen notwendig gewesen seien noch dass überhaupt eine Behandlung stattgefunden habe.

11

Während des Revisionsverfahrens hat die Beklagte den Bescheid vom 18.10.2007 hinsichtlich des Meldeversäumnisses vom 17.10.2007 dahin abgeändert, dass sich die Sanktionshöhe von monatlich 30 vH auf 20 vH der maßgeblichen Regelleistung vermindere. Die mit Bescheid vom 2.11.2007 verhängte Sanktion für das Meldeversäumnis vom 24.10.2007 hat sie auf 30 vH der maßgeblichen Regelleistung festgesetzt (Bescheide vom 28.7.2010).

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision des Klägers ist teilweise begründet.

13

1. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide vom 18.10. und 2.11.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13.11.2007. Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wegen des in § 31 Abs 2 und Abs 3 Satz 3 SGB II geregelten Sanktionstatbestands der (wiederholten) Meldeversäumnisse für die Monate November 2007 bis Februar 2008 in unterschiedlicher Höhe - jeweils gesondert - gemäß § 48 SGB X aufgehoben. Wie der Senat bereits entschieden hat, bedarf es als Voraussetzung für die Aufhebung des Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bewilligenden Bescheids - hier also desjenigen vom 10.10.2007 - keines vorgeschalteten, zusätzlichen feststellenden Verwaltungsakts (vgl im Einzelnen BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - RdNr 14; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R; offengelassen vom BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 53/08 R - BSGE 105, 297 RdNr 16).

14

Die während des Revisionsverfahrens erteilten Bescheide vom 28.7.2010 gelten nach § 171 Abs 2 SGG als mit der Klage beim SG angefochten; die in § 171 Abs 2 SGG vorgesehene Ausnahme, dass der Kläger durch den neuen Verwaltungsakt (zumindest hinsichtlich eines abtrennbaren Streitgegenstandes) klaglos gestellt wird, liegt nicht vor. Die generalisierende Regelung des § 171 Abs 2 SGG ist weder dispositiv ausgestaltet noch differenziert sie danach, ob im Rahmen der Prüfung des ersetzenden Bescheids ausschließlich Rechtsfragen oder auch tatsächliche Umstände zu klären sind(BSG Urteil vom 29.8.2007 - B 6 KA 31/06 R - USK 2007-73 RdNr 17).

15

2. Gründe, die einer Sachentscheidung des Revisionsgerichts entgegenstehen könnten, liegen nicht vor. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die am 20.10.2008 gegen das Urteil des SG Trier eingelegte Berufung zulässig war. Dem steht nicht entgegen, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes mit Wirkung zum 1.4.2008 für Klagen der vorliegenden Art von bisher 500 Euro auf nunmehr 750 Euro angehoben worden ist (vgl § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG idF des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 ). Die Beschwer des Klägers durch das Urteil des SG, das nach Verbindung einheitlich über die Aufhebung des Alg II in dem gesamten Zeitraum vom 1.11.2007 bis 29.2.2008 entschieden hat, erreicht diesen Wert, weil die Beklagte die in den Bescheiden vom 18.10.2007 und 2.11.2007 enthaltenen Minderungsbeträge kumulierend berücksichtigt, also die Regelleistung in dem streitigen Zeitraum insgesamt um einen Gesamtbetrag in Höhe von 936 Euro gemindert hat. Die Berufung des Klägers richtete sich gegen dieses Urteil insgesamt.

16

3. Die Revision des Klägers ist begründet, soweit die Beklagte wegen des Meldeversäumnisses des Klägers vom 17.10.2007 mit dem weiteren Bescheid vom 18.10.2007 idF des Widerspruchsbescheids vom 13.11.2007 für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.1.2008 die Aufhebung des Alg II des Klägers um einen Betrag in Höhe von 30 vH der Regelleistung verfügt hat. Das LSG hat die Berufung des Klägers insofern zu Unrecht als unbegründet zurückgewiesen. Der dieses Meldeversäumnis betreffende Bescheid ist in vollem Umfang aufzuheben (4.). Die Revision des Klägers ist auch begründet, soweit die Beklagte sein Alg II mit Bescheid vom 2.11.2007 (betr das Meldeversäumnis vom 24.10.2007) für die Zeit vom 1.12.2007 bis 29.2.2008 um mehr als 30 vH der Regelleistung abgesenkt und den Bewilligungsbescheid vom 10.10.2007 insoweit aufgehoben hat (5.). Im Übrigen ist die Revision des Klägers nicht begründet. Die die Meldeversäumnisse vom 9.10.2007 und 24.10.2007 betreffenden Bescheide vom 18.10.2007 und 2.11.2007 sind rechtmäßig, soweit die Beklagte davon ausgegangen ist, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Absenkung des Alg II wegen der Meldeversäumnisse vorliegen (6.). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Absenkungen greifen für den hier vorliegenden Sachverhalt einer auf vier Monate begrenzten stufenweisen Absenkung wegen der Verletzung von Meldeobliegenheiten nicht durch (7.).

17

4. Der das Meldeversäumnis vom 17.10.2007 betreffende Bescheid vom 18.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.11.2007 ist in vollem Umfang aufzuheben, weil die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 10.10.2007 nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X nicht vorliegen. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Bewilligungsbescheids vorgelegen haben, ist nicht eingetreten. Die Voraussetzungen des § 31 Abs 3 Satz 3 SGB II sind schon deshalb nicht gegeben, weil es - bezogen auf das vorangegangene Meldeversäumnis vom 9.10.2007 und den die Absenkung regelnden Bescheid vom 18.10.2007 - an einer (weiteren) wiederholten Obliegenheitsverletzung fehlt.

18

Kommt der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nach und weist er keinen wichtigen Grund für sein Verhalten nach, wird das Alg II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 10 vH der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt(§ 31 Abs 2 SGB II). Bei wiederholter Pflichtverletzung nach Abs 2 wird das Alg II um den Vomhundertsatz gemindert, der sich aus der Summe des in Abs 2 genannten Vomhundertsatzes und dem der jeweils vorangegangenen Absenkung nach Abs 2 zu Grunde liegenden Vomhundertsatz ergibt (§ 31 Abs 3 Satz 3 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706).

19

Zu einer (weiteren) Absenkung des Alg II bei wiederholten Meldeversäumnissen iS des § 31 Abs 3 Satz 3 SGB II mit einem jeweils erhöhten Absenkungsbetrag bedarf es einer vorangegangenen entsprechenden Feststellung eines ggf weiteren Meldeversäumnisses mit einem Absenkungsbetrag der niedrigeren Stufe. Zwar ergibt sich dies nicht bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift; jedoch sprechen der systematische Zusammenhang sowie der Sinn und Zweck der Regelung dafür, eine jeweils (weitere) wiederholte Pflichtverletzung mit einem erhöhten Absenkungsbetrag nur dann anzunehmen, wenn eine vorangegangene Pflichtverletzung jeweils mit einem Absenkungsbescheid der niedrigeren Stufe sanktioniert und dem Hilfebedürftigen zugestellt worden ist (vgl insbesondere für das Verhältnis von erstmaliger und wiederholter Obliegenheitsverletzung: LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 12.10.2007 - L 14 AS 1550/07 ER - juris RdNr 8; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 24.9.2007 - L 20 B 169/07 AS ER - NZS 2010, 230, juris RdNr 20; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 24.11.2008 - L 7 B 252/08 AS - juris RdNr 3; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 22.6.2009 - L 7 AS 266/09 B ER - NZS 2010, 230, juris RdNr 14; Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 31 RdNr 86; Valgolio in Hauck/Noftz/Voelzke, SGB II, K § 31 RdNr 99, Stand Juli 2007; Sonnhoff in JurisPK-SGB II, 2. Aufl, § 31 RdNr 211, Stand 4.5.2007; aA LSG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 8.1.2009 - L 8 AS 59/06 - juris RdNr 62; Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 31 RdNr 50d).

20

Aus der Systematik des § 31 SGB II folgt, dass die Regelung hinsichtlich des Umfangs der Sanktionierung strikt danach differenziert, ob es sich um eine erstmalige, eine erste wiederholte Obliegenheitsverletzung oder eine weitere wiederholte Obliegenheitsverletzung handelt. Die jeweiligen Obliegenheitsverletzungen sind nach § 31 Abs 3 Satz 3 SGB II mit einer Stufenfolge von Absenkungen wegen wiederholter Meldeversäumnisse verbunden. Die Sanktionierung durch Festlegung eines erhöhten Absenkungsbetrags soll erst greifen, wenn dem Hilfebedürftigen durch den vorangegangenen Sanktionsbescheid mit einer Minderung des Sanktionsbetrags in der niedrigeren Stufe die Konsequenzen seines Verhaltens vor Augen geführt worden sind. Bezogen auf den das Meldeversäumnis vom 17.10.2007 betreffenden Bescheid vom 18.10.2007 mit einer Absenkung des Alg II um 30 vH fehlte es insofern an einem diesem Bescheid vorangehenden Absenkungsbescheid mit einer Absenkung um 20 vH, weil der das Meldeversäumnis vom 9.10.2007 betreffende Bescheid ebenfalls am 18.10.2007, also am selben Tag, erlassen worden ist.

21

Der das Meldeversäumnis vom 17.10.2007 betreffende Bescheid kann auch nicht etwa mit einer Minderung des Alg II um 20 vH der Regelleistung als rechtmäßig angesehen werden, weil dies das gesetzgeberische Konzept einer stufenweisen Minderung umgehen würde. Liegt ein (weiteres) wiederholtes Meldeversäumnis nicht vor, scheidet auch eine (weitere) Erhöhung des Minderungsbetrags durch eine zeitgleiche Absenkung mittels zweier gesonderter Minderungsbescheide mit gleichem Absenkungsbetrag aus, die im Ergebnis zu einer Minderung des Alg II im gleichen oder sogar höheren Umfang führen würden (vgl Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/Asylbewerberleistungsgesetz, § 31 SGB II RdNr 52, Stand April 2010; siehe zur Unzulässigkeit einer kumulierenden Absenkung unter 5.).

22

5. Der Bescheid der Beklagten vom 2.11.2007 ist rechtswidrig, soweit die Beklagte das Alg II des Klägers in der Zeit vom 1.12.2007 bis 29.2.2008 um insgesamt mehr als 30 vH der Regelleistung abgesenkt und das ihm in dieser Zeit mit Bewilligungsbescheid vom 10.10.2007 bewilligte Alg II um insgesamt mehr als 30 vH der Regelleistung aufgehoben hat. Dies folgt zunächst daraus, dass der das Meldeversäumnis vom 17.10.2007 betreffende Bescheid aufzuheben war, das Alg II also - ausgehend von dem ersten Bescheid vom 18.10.2007 mit einer Minderung des Alg II um 20 vH der Regelleistung - in der nächstfolgenden Minderungsstufe nur um 30 vH der Regelleistung abgesenkt werden konnte. Im Tenor des Urteils hat der Senat die Absenkung jedoch auch klarstellend auf insgesamt 30 vH der Regelleistung festgelegt, weil die Beklagte mit den angefochtenen Aufhebungs- und Absenkungsbescheiden die Meldeversäumnisse jeweils gesondert sanktioniert und damit für die Zeit ab 1.12.2007 eine unzulässige "kumulierende" Absenkung des Alg II vorgenommen hat (vgl Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 31 RdNr 86). Liegt - wie hier - eine Fallgestaltung vor, in der innerhalb eines laufenden Sanktionszeitraums eine weitere Obliegenheitsverletzung gegeben ist, wird die vorangegangene Kürzungsstufe aber um die nächste Kürzungsstufe nicht durch "parallele Absenkungsbescheide" ergänzt, sondern von dieser - durch Erlass eines die neue erhöhte Sanktionsstufe regelnden Änderungsbescheids - abgelöst (vgl Schumacher in Oestreicher, SGB II/SGB X, § 31 SGB II RdNr 64, Stand Februar 2008; Sonnhoff in JurisPK-SGB II, 2. Aufl, Stand 24.8.2010, § 31 RdNr 220).

23

Bereits der Wortlaut des § 31 Abs 3 Satz 3 SGB II spricht gegen eine zeitgleiche Minderung durch mehrere parallele Absenkungsbescheide bei weiteren Meldepflichtverletzungen innerhalb eines bereits laufenden Sanktionszeitraums, weil er von einer einheitlichen Minderung, nicht jedoch von mehrfachen Absenkungen des Alg II wegen wiederholter Meldeversäumnisse ausgeht. Entsprechend sah § 31 Abs 3 Satz 1 SGB II in seiner Fassung bei Inkrafttreten des SGB II(BGBl I 2003, 2954) ausdrücklich vor, dass das Alg II bei wiederholter Pflichtverletzung "zusätzlich um jeweils den Vomhundertsatz der nach § 20 maßgebenden Regelleistung gemindert" werden sollte, um den es in der ersten Stufe gemindert worden sei. Auch in den Gesetzesmaterialien wird von dem Konzept einer Minderung um "zusätzliche" Beträge, nicht jedoch von einer Kumulation von Absenkungsbescheiden ausgegangen (vgl Entwurf eines Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch , BT-Drucks 15/2816 S 12). Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) sollte die Struktur des § 31 Abs 3 SGB II mit Wirkung zum 1.1.2007 nur insofern geändert werden, als nunmehr wiederholte Pflichtverletzungen innerhalb eines Jahres seit Beginn des vorangegangenen Absenkungszeitraums (§ 31 Abs 3 Satz 4 SGB II) neue Sanktionsereignisse darstellen, wiederholte Obliegenheitsverletzungen also nicht mehr - wie zuvor - nur dann sanktioniert werden konnten, wenn die zweite Pflichtverletzung und die daraus resultierende Absenkung des Alg II innerhalb des bereits bestehenden Sanktionszeitraums von drei Monaten liegen (BT-Drucks 16/1410 S 25). Mit der Anknüpfung an den Jahreszeitraum wollte der Gesetzgeber dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen (BT-Drucks aaO). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er - über die bisherige Rechtslage hinausgehend - Obliegenheitsverletzungen innerhalb eines bereits laufenden Sanktionszeitraums gleichzeitig in einem erhöhten Umfang sanktionieren wollte.

24

6. Im Übrigen sind die die Meldeversäumnisse vom 9.10.2007 und 24.10.2007 betreffenden Bescheide vom 18.10.2007 und 2.11.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13.11.2007 rechtmäßig, soweit die Beklagte davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 10.10.2007 nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X vorliegen. Gegenüber den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bewilligungsbescheids vom 10.10.2007 vorgelegen haben, ist eine wesentliche Änderung dadurch eingetreten, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Absenkung des Alg II wegen der Meldeversäumnisse am 9.10.2007 und 24.10.2007 gegeben sind und die Beklagte deshalb berechtigt war, das Alg II für die Zeit ab 1.11.2007 um 20 vH der Regelleistung und für die Zeit ab 1.12.2007 bis 29.2.2008 um 30 vH der Regelleistung abzusenken.

25

a) Die Schreiben der Beklagten vom 28.9.2007 und 17.10.2007, mit denen diese den Kläger unter Angabe der Meldezwecke eines Gesprächs über das Bewerberangebot/seine berufliche Situation bzw der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens zu einer Vorsprache bei ihr aufforderte, sind wirksame Meldeaufforderungen. Es liegen hinreichend bestimmte Aufforderungen vor, die es dem Kläger ermöglichten, das ihm abverlangte Verhalten zu erkennen (zu diesem Erfordernis Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 31 RdNr 26; vgl Voelzke in Hauck/Noftz/ Voelzke, SGB II, K § 59 RdNr 15, Stand August 2008). Es werden individuelle, auf den Kläger bezogene Meldezwecke (vgl hierzu Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, § 59 SGB II RdNr 12, Stand September 2007) genannt. Unschädlich ist, dass die Beklagte in ihren Einladungsschreiben neben dem Meldezweck eines Gesprächs über das Bewerberangebot/die berufliche Situation bestimmte, dass der Termin gleichzeitig der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens dienen sollte. Die dem Träger der Grundsicherung eingeräumte Möglichkeit, den Arbeitslosen aufzufordern, zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, enthält insofern keinen über die Regelung des § 59 SGB II iVm § 309 Abs 2 SGB III hinausgehenden Meldezweck, sondern stellt lediglich klar, dass zur Verwirklichung der dort genannten Zwecke ein Untersuchungstermin anberaumt werden kann(vgl Voelzke in Hauck/Noftz/Voelzke, SGB III, § 309 RdNr 29, Stand August 2008). Der Kläger konnte auf Grund der Meldeaufforderung zweifelsfrei und selbst verantwortlich darüber entscheiden, ob er der Einladung Folge leisten wollte und beurteilen, ob für ein Nichterscheinen wichtige Gründe vorliegen.

26

b) Die Meldeaufforderungen waren auch mit ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrungen versehen. Die Wirksamkeit einer solchen Rechtsfolgenbelehrung setzt nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zuständigen Senate des BSG voraus, dass sie im Einzelfall konkret, richtig und vollständig ist und zeitnah im Zusammenhang mit dem jeweils geforderten Verhalten erfolgt, sowie dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in verständlicher Form erläutert, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung des geforderten Verhaltens für ihn ergeben, wenn für diese kein wichtiger Grund vorliegt. Diese strengen Anforderungen ergeben sich aus der Funktion der Rechtsfolgenbelehrung, den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen hinreichend über die gravierenden Folgen des § 31 Abs 2 iVm Abs 3 SGB II zu informieren und ihn in allgemeiner Form vorzuwarnen; denn nur eine verständliche Rechtsfolgenbelehrung kann die mit den Sanktionen verfolgte Zweckbestimmung, das Verhalten des Hilfebedürftigen zu steuern, verwirklichen (vgl BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - RdNr 22 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen und BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 53/08 R - RdNr 19 ff, BSGE 105, 297, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, jeweils mit weiteren Nachweisen).

27

Diesen Anforderungen genügen die den Einladungsschreiben vom 28.9.2007 und 17.10.2007 beigefügten Rechtsfolgenbelehrungen unter Berücksichtigung der in den Absenkungsbescheiden vom 2.5.2007 und 18.10.2007 enthaltenen Belehrungen. Sie beziehen sich ausdrücklich nur auf die konkreten Rechtsfolgen bei Meldeversäumnis. Zwar erwähnen sie die Rechtsfolgen bei einer wiederholten Obliegenheitsverletzung dieser Art nur neben den Rechtsfolgen bei einer erstmaligen Verletzung. Der Kläger ist jedoch auch in den Absenkungsbescheiden vom 2.5.2007 und 18.10.2007 auf die konkrete Höhe der Minderung seines Anspruchs bei einer wiederholten Obliegenheitsverletzung hingewiesen worden, sodass er die Konsequenzen einer weiteren Meldeversäumnis auch hinsichtlich der Höhe der Minderung erkennen konnte.

28

c) Der Kläger hat nach den Feststellungen des LSG mit seinem Nichterscheinen am 9.10.2007 und 24.10.2007 gegen seine Obliegenheit zur Meldung bzw zum Erscheinen bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin pflichtwidrig verstoßen. Wegen der strukturellen Ähnlichkeit des § 31 SGB II zu den Sperrzeittatbeständen des § 144 Abs 1 Satz 2 SGB III ist auch im Rahmen des § 31 Abs 2 SGB II die subjektive Vorwerfbarkeit des Verhaltens als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu prüfen(Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 31 RdNr 8; vgl zum Sperrzeitenrecht des SGB III: BSGE 84, 270, 275 = SozR 3-4100 § 119 Nr 19 S 97; BSGE 93, 105 = SozR 4-4300 § 144 Nr 8, RdNr 11; BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1, RdNr 21 f; so ausdrücklich für die Sperrzeit bei Verletzung der Meldepflicht nach § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB II: Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III, § 144 RdNr 446, Stand Juni 2010). Der Verstoß gegen die Meldepflicht war dem Kläger - unbesehen der Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes für die Versäumnis des Meldetermins (vgl hierzu unter e) - nach den Feststellungen des LSG vorwerfbar, weil die Beklagte ihn mit den Einladungsschreiben vom 28.9.2007 und 17.10.2007 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass nur eine ärztliche Bescheinigung mit Angabe gesundheitlicher Gründe sein Nichterscheinen zu den Meldeterminen entschuldigen könne.

29

d) Der Kläger hatte auch keine wichtigen Gründe für sein Nichterscheinen zu den Meldeterminen am 9.10.2007 und 24.10.2007. Nach § 31 Abs 2 SGB II scheidet eine Sanktionierung wegen der Verwirklichung eines Sanktionstatbestandes aus, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten "nachweist". Wichtige Gründe iS des § 31 Abs 2 SGB II können alle Umstände des Einzelfalls sein, die unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Hilfebedürftigen in Abwägung mit etwa entgegenstehenden Belangen der Allgemeinheit das Verhalten des Hilfebedürftigen rechtfertigen.

30

Das LSG hat festgestellt, dass gesundheitliche Umstände, die einen wichtigen Grund für das Nichterscheinen des Klägers zu den Meldeterminen am 9.10.2007 und 24.10.2007 darstellen könnten, nicht gegeben seien, die vorhandenen ärztlichen Unterlagen und deren Inhalte ausgewertet und im Ergebnis den Umstand, dass der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung ein ärztliches Attest für die Unmöglichkeit des Erscheinens zu den Meldeterminen nicht vorgelegt hat, zu seinen Lasten gewertet. Der Senat ist an die Feststellungen zum gesundheitlichen Leistungsvermögen des Klägers und damit seiner Fähigkeit zur Wahrnehmung der Meldetermine gebunden, weil der Kläger insofern keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben hat (§ 163 SGG iVm § 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Soweit Verfahrensmängel gerügt werden - hier kommt eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG in Betracht - muss die Revisionsbegründung die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben(§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Erforderlich sind konkrete Angaben dazu, welche zusätzlichen Ermittlungen das Gericht hätte anstellen, welche Beweismittel es hätte einsetzen müssen und zu welchen Ergebnissen diese Ermittlungen geführt hätten (vgl zB BSG Urteil vom 24.11.1987 - 3 RK 7/87 - USK 87136, juris RdNr 15; BSG Urteil vom 26.4.2005 - B 5 RJ 6/04 R - SozR 4-2600 § 4 Nr 2 RdNr 35). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers nicht. Mit seinem Revisionsvorbringen, er sei auf Grund "seiner Krankmeldung" durch Dr. B vom Vorliegen eines wichtigen Grundes ausgegangen bzw ein wichtiger Grund sei schon wegen des anberaumten Arzttermins gegeben, stellt er auf subjektive Vorstellungen, nicht jedoch auf den rechtlich geforderten "objektiven Maßstab" für die Annahme eines wichtigen Grundes ab (vgl BSG SozR 4-4300 § 144 Nr 9 RdNr 13 mwN).

31

Soweit der Kläger geltend macht, bereits die Bescheinigungen des Dr. B über seine Arbeitsunfähigkeit begründeten den Nachweis eines wichtigen Grundes für sein Nichterscheinen zu den Meldeterminen, rügt er die rechtlichen Maßstäbe des LSG für die Ausfüllung des wichtigen Grundes iS des § 31 Abs 2 SGB II. Seine Einwände greifen jedoch nicht durch. Die von ihm herangezogene Regelung des § 309 Abs 3 Satz 3 SGB III, nach der die Meldeaufforderung auf den ersten Tag der Arbeitsfähigkeit fortwirkt, wenn der Meldepflichtige am Meldetermin arbeitsunfähig erkrankt ist und die Agentur für Arbeit dies in der Meldeaufforderung bestimmt, bewirkt nicht, dass die Meldepflicht bei Arbeitsunfähigkeit entfällt. Sie soll das Meldeverfahren für die Arbeitsverwaltung und die Leistungsberechtigten lediglich vereinfachen, Missbrauchsmöglichkeiten einschränken und der Arbeitsverwaltung die mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbundene erneute Meldung des Arbeitslosen ersparen (BT-Drucks 15/1515 S 100), wenn sie auf Grund einer Arbeitsunfähigkeit gleichzeitig einen wichtigen Termin für das Nichterscheinen zum Meldetermin annimmt. Wegen der Vorgeschichte erfolgloser Meldeaufforderungen hat die Beklagte von dieser Möglichkeit aber gerade nicht Gebrauch gemacht.

32

Macht der Arbeitslose gesundheitliche Gründe für sein Nichterscheinen geltend, kommt als Nachweis für die Unfähigkeit, aus gesundheitlichen Gründen beim Leistungsträger zu erscheinen, zwar regelmäßig die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Betracht. Arbeitsunfähigkeit ist jedoch nicht in jedem Einzelfall gleichbedeutend mit einer krankheitsbedingten Unfähigkeit, zu einem Meldetermin zu erscheinen (Sonnhoff in JurisPK-SGB II, 2. Aufl, Stand 24.8.2010, § 31 RdNr 193; A. Loose in GK-SGB II, § 31 RdNr 78, Stand Mai 2008; Düe in Brand/Niesel, SGB III, 5. Aufl 2010, § 309 RdNr 21; aA Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, § 309 SGB III Rz 21a, Stand Juni 2006). Da es sich bei dem Begriff der Arbeitsunfähigkeit zudem um einen Rechtsbegriff handelt, dessen Voraussetzungen anhand ärztlich erhobener Befunde - ggf auch durch eine ex-post-Beurteilung - festzustellen sind (BSG Urteil vom 26.2.1992 - 1/3 RK 13/90 - SozR 3-2200 § 182 Nr 12; Schmidt in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 44 SGB V RdNr 132, Stand 1.9.2008; Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 309 RdNr 64, Stand November 2004), besteht im Streitfall schon keine Bindung an den Inhalt der von dem Vertragsarzt nach § 73 Abs 2 Satz 1 Nr 9 SGB V ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Entsprechend ist auch die mit einer Arbeitsunfähigkeit regelmäßig verbundene Vermutung, dass ein Meldetermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrgenommen werden kann, im Streitfall von den Sozialgerichten zu überprüfen. An die vom LSG insoweit getroffenen Feststellungen zum Nichtvorhandensein von gesundheitlichen Gründen für die Meldeversäumnisse des Klägers ist der Senat gebunden (§ 163 SGG).

33

e) Mit den Meldeversäumnissen vom 9.10.2007 und 24.10.2007 liegen auch wiederholte Obliegenheitsverletzungen iS des § 31 Abs 3 Satz 3 SGB III vor. Ob eine wiederholte Pflichtverletzung gegeben ist, beurteilt sich vorrangig nach dem Zeitablauf zwischen dem Beginn des Sanktionszeitraums und einem weiteren Obliegenheitsverstoß, der maximal ein Jahr betragen darf (§ 31 Abs 3 Satz 4 SGB II). Mit dem Bescheid vom 2.5.2007 hat die Beklagte bereits eine erste Minderung des Alg II wegen eines Meldeversäumnisses und mit dem Bescheid vom 18.10.2007 eine (erste) wiederholte Versäumnis während dieser Zeitspanne festgestellt. Liegen verschiedene Meldetermine vor, kann nicht allein die Grundhaltung, Meldetermine wegen einer Arbeitsunfähigkeit nicht zu befolgen, einen gegen eine wiederholte Pflichtverletzung sprechenden "Fortsetzungszusammenhang" bewirken, wenn es sich um zeitlich aufeinander folgende Obliegenheitsverletzungen handelt (vgl auch Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 31 RdNr 78).

34

7. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Absenkung des Alg II für den hier auf vier Monate begrenzten Zeitraum vom 1.11.2007 bis 29.2.2008 um 20 vH bzw 30 vH der für den Kläger maßgebenden Regelleistung bestehen im hier zu entscheidenden Fall nicht. Die für eine wiederholte Verletzung der Meldepflicht vorgesehenen Sanktionen sind wegen der damit verbundenen Absenkung des Leistungsniveaus vorliegend allein an dem aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG hergeleiteten Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu messen (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, 223 = NJW 2010, 505, 508; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 7.7.2010 - 1 BvR 2556/09 - NJW 2010, 2866, 2868). Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen hier nach Überzeugung des Senats bereits deshalb nicht, weil die Beklagte dem Kläger nach dem konkreten Geschehensablauf im streitigen Zeitraum bereits mit dem Bescheid vom 2.11.2007 ergänzende Sachleistungen "in angemessenem Umfang" angeboten und der Kläger von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat. Es bedurfte vor diesem Hintergrund hier keiner Entscheidung darüber, ob die gesetzlich geregelten Absenkungsmöglichkeiten als ein dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns genügender Ausdruck der verfassungsrechtlich bestehenden Selbsthilfeobliegenheit als Kehrseite der Gewährleistungspflicht des Staates anzusehen sind.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.