Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts B-Stadt vom 30. Juli 2015 aufgehoben.

2. Der Beklagte wird unter Abänderung der Bewilligungsbescheide vom 5. April 2011 und 8. März 2012 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 18. Juli 2011 bzw. 5. Juli 2012 und seines Teilabhilfebescheides vom 4. Juni 2015 verurteilt, bei der Bedarfsberechnung des Klägers auch für die Zeit vom 1. April 2011 bis 31. Dezember 2012 anstelle der Regelbedarfsstufe 3 den sich nach der Regelbedarfsstufe 1 ergebenen Betrag zu berücksichtigen.

3. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig sind höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistung) nach dem Sozialgesetzbuch 12. Buch - SGB XII - für die Zeit vom 1. April 2011 bis 31. Dezember 2012.

2

Der 1985 geborene Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100 (Merkzeichen B, G, aG, H und RF). Er ist körperlich und geistig schwerstbehindert, leidet u. a. an spastischen Paresen von Armen und Beinen und einer Wirbelsäulenskoliose. Er lebt gemeinsam mit seinem Vater, der auch sein Betreuer ist, in einer Wohnung.

3

Ausweislich des Entwicklungsberichts 2016 der Lebenshilfe e.V. stellt sich sein Zustand bzw.- seine Lebensführung im Wesentlichen wie folgt dar: Er ist auf den Rollstuhl angewiesen, den er selbst nicht bewegen kann. Die Nahrungsaufnahme ist nur mit ständiger Unterstützung möglich. Er ist inkontinent. Zur Wortbildung ist er nicht fähig. Er äußert sich über Mimik und Gestik. Von sich aus kann er keinen Kontakt aufnehmen.

4

Fremden Personen ist er aufgeschlossener geworden und akzeptiert diese. Handlungsplanung bzw. Antrieb sind nicht erkennbar, Ausdauer keine oder minimal geprägt. Konzentration stark eingeschränkt. Umgang mit Werkzeug ist nicht möglich.

5

Der Kläger bezieht langjährig Leistungen nach dem SGB XII - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 18. Januar 2011 wurden zuletzt für die Zeit vom 1. Februar 2011 bis 31. Januar 2012 Leistungen in Höhe von 742,06 € bewilligt, darin ein Regelsatz in Höhe von 395 € und Mehrbedarf gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII von 61,03 €.

6

Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Änderungsbescheid vom 5. April 2011 im Hinblick auf die gesetzlich geänderten Regelbedarfsstufen unter Berücksichtigung der gesetzlich geregelten Übergangsfrist für die Zeit ab dem 1. April 2011 bis 31. Januar 2012 monatlich 668,94 € unter Zugrundelegung eines Regelbedarfs in Höhe von 291,00 € (Regelbedarfsstufe 3). Als Mehrbedarf wurde nunmehr ein Betrag in Höhe von 49,47 € bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt. Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 8. April 2011 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2011 als unbegründet zurück. Die Regelbedarfsstufe 3 sei nach der gesetzlichen Neuregelung für erwachsene leistungsberechtigte Personen vorgesehen, die weder einen eigenen Haushalt führten noch als Ehegatten, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führten. Er lebe als Erwachsener im Haushalt seines Vaters. Einen eigenen Haushalt könne er aufgrund seiner Behinderung gegenwärtig und aller Wahrscheinlichkeit nach auch zukünftig nicht führen.

7

Mit Bescheid vom 8. März 2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. Januar 2013 monatliche Leistungen in Höhe von 678,33 € unter Berücksichtigung eines nunmehr erhöhten Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 3 in Höhe von 299,00 € ab 1. Januar 2012 bzw. 306,00 € ab 1. Januar 2013. Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 10. April 2012 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2012 zurück.

8

Gegen die vorgenannten Widerspruchsbescheide hat der Kläger am 19. August 2011 (S 6 SO 39/11) und 7. August 2012 (S 6 SO 33/12) Klage beim Sozialgericht (SG) B-Stadt erhoben, welches die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem erstgenannten Aktenzeichen verbunden hat. Er hat die Verfassungswidrigkeit der Regelbedarfsstufe 3 gerügt. Für die Ermittlung der Regelbedarfsstufe 3 fehle es an der Ermittlung regelbedarfsrelevanter Verbrauchsausgaben durch den Gesetzgeber. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müsse aber zur Festsetzung der Regelbedarfsstufen ein realitäts- und bedarfsgerechtes Verfahren angewendet werden, um die Leistungsfestsetzung auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig rechtfertigen zu können (vgl. Bundesverfassungsgericht - Urteil vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09).

9

Der Kläger hat beantragt,

10

den Beklagten unter Aufhebung seiner entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, bei der Bedarfsberechnung für den Kläger hinsichtlich des Zeitraumes 1. April 2011 bis 31. Dezember 2012 die Regelbedarfsstufe 1 zugrunde zu legen.

11

Der Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass er an die Rechtsgrundlagen gebunden sei. Aufgrund dieser Gesetzesänderung sei eine Neuregelung gegenüber der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2009 erfolgt, nach der erwachsenen Behinderten der volle Regelsatz zustand. Eine Ungleichbehandlung dürfte auch gegenüber den 25jährigen Erwerbsfähigen bestehen, die im Bezug von SGB II - Leistungen stünden. Diese könnten den vollen Regelsatz beanspruchen, auch wenn sie mit weiteren erwachsenen Personen zusammen lebten. Hinzuweisen sei auf eine Verabredung im Vermittlungsverfahren zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII, wonach die Regelbedarfsstufe 3 überprüft werden solle, mit dem Ziel, Menschen mit Behinderung ab dem 25. Lebensjahr den vollen Regelsatz zu ermöglichen ( Protokollerklärung vom Bund und Ländern vom 22. Februar 2011). Ein Zeitpunkt für die Prüfung finde sich allerdings nicht. Vor Entscheidung des Gesetzgebers könne der Beklagte keine andere Entscheidung gegenwärtig treffen.

14

Mit Teilabhilfebescheid vom 4. Juni 2015 hat der Beklagte rückwirkend zum 1. Januar 2013 bei unveränderter Zuordnung des Klägers zur Regelbedarfsstufe 3 eine abweichende Regelsatzfestsetzung gewährt in Höhe des Betrages der Regelbedarfsstufe 1. Zur Begründung hat er ausgeführt, die abweichende Regelsatzfestsetzung erfolge vorübergehend bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuermittlung der Regelbedarfe. Insoweit hat der Beklagte eine bundesaufsichtliche Weisung des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 31. März 2015 zur Akte gereicht. Mit dieser Weisung hat das BMAS auf Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 23. Juli 2014 zur Höhe des Regelbedarfs für volljährige behinderte Menschen, die bei ihren Eltern oder in einer Wohngemeinschaft leben, reagiert.

15

Mit Urteil vom 30. Juli 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG unter Bezugnahme auf die Widerspruchsbescheide des Beklagten ergänzend ausgeführt, es gebe sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung der Personengruppen der Regelbedarfsstufe 1 bzw. 3. Dies gelte zunächst für die Unterscheidung von Haushaltsvorstand und Haushaltsangehöriger. Bekannterweise träten bei einem Zusammenleben von Personen in einem gemeinsamen Haushalt gegenüber zwei getrennten und eigenständig geführten Haushalten wegen der gemeinsamen Haushaltsführung nicht unerhebliche Einspareffekte auf. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unterfalle der Kläger der Regelbedarfsstufe 3, da er sich aufgrund seiner schwersten Mehrfachbehinderung nicht einmal ansatzweise an der Haushaltsführung beteiligen könne, was auch zwischen den Beteiligten unstreitig sei. Auch dürfte der schwerstbehinderte Kläger mit denjenigen Personen vergleichbar sein, die in stationären Einrichtungen lebten. Auf diese Personen fände die Regelbedarfsstufe 3 Anwendung. Auch dort trage der Leistungsberechtigte keinerlei Verantwortung für einen „Haushalt". Er trage hierfür keine „unmittelbaren" Kosten. Der von den Beteiligten zitierte Überprüfungsbeschluss des Vermittlungsausschusses vom Bundestag und Bundesrat beinhalte lediglich eine sozialpolitisch motivierte, nicht aber verfassungsrechtlich gebotenen Maßnahme.

16

Der Kläger hat gegen das am 30. September 2015 zugestellte Urteil am 23. Oktober 2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er auf die Gründe der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24. März 2015 (B 8 SO 5/14 R) verwiesen, die eine Verfassungswidrigkeit der Regelbedarfsstufe 3 nahe legten. Der Kläger sei nicht mit Personen vergleichbar, die in stationären Einrichtungen lebten. Er lebe gerade im Haushalt und trage unmittelbare Kosten für einen Haushalt. Auch das BMAS erkenne in seiner bundesaufsichtlichen Weisung an, dass es aufgrund der Schwere einer Behinderung keine unterschiedliche Bemessung des soziokulturellen Existenzminimums geben dürfe. Die Benachteiligung des Klägers könne allein dadurch ausgeglichen werden, dass ihm Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1, hilfsweise der Regelbedarfsstufe 2 erbracht würden.

17

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,

18

das Urteil des Sozialgerichts B-Stadt vom 30. Juli 2015 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seiner Bewilligungsbescheide vom 5. April 2011 und 8. März 2012 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 18. Juli 2011 bzw. 5. Juli 2012 und des Teilabhilfebescheides vom 04. Juni 2015 zu verurteilen, bei der Bedarfsberechnung für den Kläger hinsichtlich des Zeitraumes vom 1. April 2011 bis 31. Dezember 2012 die Regelbedarfsstufe 1 zugrunde zu legen.

19

Der Beklagte beantragt,

20

die Berufung zurückzuweisen.

21

Er vertritt unter Bezugnahme auf die Weisung des BMAS die Auffassung, das BSG sei zu der getroffenen Rechtsauslegung in seinen Entscheidungen vom 23. April 2014 bzw. 24. März 2015 nicht befugt gewesen. Die Entscheidungen kämen einer Normverwerfung gleich, die nur dem Bundesverfassungsgericht zustehe. Solange das Bundesverfassungsgericht die Vorschriften über die Regelbedarfsstufe 3 nicht vollständig oder nur teilweise für verfassungswidrig und deshalb für nichtig erklärt habe, würden diese in ihrer jetzigen Form weiter gelten. Abweichend von der bundesaufsichtlichen Weisung hinaus könnten höhere Leistungen bereits rückwirkend vor dem 1. Januar 2013 nicht zuerkannt werden.

Entscheidungsgründe

22

Die zulässige Berufung hat Erfolg.

23

Das Urteil des Sozialgerichts B-Stadt vom 30. Juli 2015 war aufzuheben, da die angefochtenen Bescheide des Beklagten auch nach Teilabhilfe rechtswidrig sind. Dem Kläger stehen auch für die Zeit vom 1. April 2011 bis 31. Dezember 2012 Leistungen unter Berücksichtigung des sich nach der Regelbedarfsstufe 1 ergebenden Betrages zu.

24

Der Kläger hat Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß § 19 Abs. 2 SGB XII i. V. m. § 41 Abs. 1, 3 SGB XII, wie auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Er hat das 18. Lebensjahr vollendet und ist dauerhaft voll erwerbsgemindert und bedürftig. Die Grundsicherungsleistung umfaßt die Regelsätze nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 SGB XII. Zum Zeitpunkt der zum 1. Januar 2011 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung erhält eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt, 364 € bzw. ab 1. Januar 2012 374 €; dies gilt auch dann, wenn in diesem Haushalt ein oder mehrere weitere erwachsene Personen leben, die der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen sind. Leistungen der Regelbedarfsstufe 2 in Höhe von 328 € bzw. 337 € (mithin 90 von 100 der Regelbedarfsstufe 1) erhalten jeweils zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Ehegatten, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führen. Die Regelbedarfsstufe 3 wird demgegenüber für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führen, gewährt. Sie beträgt 291 € bzw. 299 €, dass heißt 80 von 100 der Regelbedarfsstufe 1. Für Kinder und Jugendliche existieren altersabhängige weitere Regelbedarfsstufen 4 bis 6. Von der maßgeblichen Regelbedarfsstufe leitet sich die Höhe des Mehrbedarfs nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII ab.

25

Der Senat vertritt die Auffassung, dass die Regelbedarfsstufe 3 verfassungswidrig mangels Erhebung konkreter verlässlicher Zahlen und Heranziehung eines schlüssigen Berechnungsverfahrens festgesetzt worden ist (offen gelassen vom BSG, Urteil vom 24. März 2015, B 8 SO 5/14 R), weswegen der Regelbedarf des Klägers im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung unter Heranziehung der Werte der Regelbedarfsstufe 1 im streitigen Zeitraum zu bemessen ist. Der Senat vermag sich nicht der Rechtsauffassung des BSG anzuschließen (vergleiche Entscheidung vom 23. Juli 2014, B 8 SO 31/12 R; vom 24. März 2015, a. a. O.) welcher das Sozialgericht gefolgt ist, wonach die Regelbedarfsstufe 3 dann noch als verfassungskonform anzusehen sei, wenn der erwachsene behinderte Mensch überhaupt nicht zu einer eigenständigen oder zumindest nicht gänzlich unwesentlichen Beteiligung an der Haushaltsführung entsprechend seinen Fähigkeiten, gegebenenfalls nach Anleitung, in der Lage ist und damit in einem „fremden" Haushalt lebt, nicht in einem „eigenem" Haushalt. Der Regelbedarf sichert das soziokulturelle Existenzminimum des Bedürftigen sowohl in physischer wie kultureller Hinsicht. Dabei ist der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zu Verfügung stehenden Gestaltungsspielraumes gehalten, zuverlässige Zahlen zu ermitteln und im Rahmen eines schlüssigen Berechnungsverfahrens den Regelsatz zu bemessen (vergleiche BVerfG, Urteile vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09). Während der Gesetzgeber für die Bemessung der Regelbedarfsstufe 2 entsprechende Erhebungen und Berechnungen vorgenommen hat, welche die abgesenkte Bedarfsmessung für Paarhaushalte auch aus Sicht des BVerfG rechtfertigen (vgl. BVerfG, a. a. O.), fehlt es für die vom Gesetzgeber in der Regelbedarfsstufe 3 unterstellte „Ersparnis" an jeglicher statistischer Belegung. Dies ist bereits aus den gesetzgeberischen Materialien selbst zu entnehmen (vgl. BT- Drucksache 17/3404, 130 und Rundschreiben 2015/3 - Regelbedarfsstufe 3 des BMAS vom 16. Februar 2015). Eine rein pauschale Absetzung von 20 % von der Regelbedarfsstufe 1 ohne eigenständige Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) und schlüssige Berechnung kann keine verfassungsgemäße Bemessung des soziokulturellen Existenzminimums im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG darstellen. Hiervon geht inzwischen ersichtlich der Gesetzgeber selbst aus. Das BMAS hat inzwischen diese Rechtslage durch Erlass der den Beteiligten bekannten bundesaufsichtlichen Weisung nach Artikel 85 Abs. 3 GG vom 31. März 2015 de facto außer Kraft gesetzt. Eine neue gesetzgeberische Regelung ist bereits in Arbeit.

26

Der dem Kläger zuständige Regelbedarf bemisst sich auch im streitigen Zeitraum aufgrund verfassungskonformer Auslegung nach Maßgabe der Regelbedarfsstufe 1. Die Regelbedarfsstufe 2 kann nicht zur Anwendung kommen, da sie ausschließlich Anwendung findet auf Personen, die als Ehegatten, Lebenspartner in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führen. Die der Bemessung der Regelbedarfsstufe zugrundeliegenden Zahlen rechtfertigen einen abweichenden Regelbedarf nur aufgrund der Tatsache, dass erwachsene Menschen partnerschaftlich gemeinsam wirtschaften und gemeinsam gewollt und geplant den Haushalt führen, was zu entsprechenden Einspareffekten führt. Die insoweit herangezogenen Daten und ihre Auswertung können auch nicht hilfsweise auf das hier vorliegende Zusammenleben des erwachsenen Klägers mit seinem Vater herangezogen werden, da sich die Bedarfe unterscheiden dürften. Vielmehr bemisst sich der Regelbedarf des Klägers nach der Regelbedarfsstufe 1, weil er eine erwachsene leistungsberechtigte alleinstehende Person ist. Er führt auch einen eigenen Haushalt im Sinne des Gesetzes, wobei es nach Auffassung des Senats abweichend von der jüngeren BSG-Rechtsprechung nicht auf seine individuellen Fähigkeiten zur Beteiligung an der Haushaltsführung ankommt. Er lebt in einem gemeinsamen eigenen, nicht fremden Hinsicht. Geklärt ist, dass es für das Vorliegen eines eigenen Haushalts nicht von Bedeutung ist, ob und in welchem Umfang sich eine Person an den Kosten des Haushalts beteiligt (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juli 2014, a. a. O.). Es kann aber auch aus Sicht des erkennenden Senates nicht darauf ankommen, ob der erwachsene behinderte Mensch sich nach seinen Fähigkeiten überhaupt noch nicht gänzlich unwesentlich an der Haushaltsführung beteiligen kann. Diese augenscheinlich am Wortlaut des „Haushaltsführens“ anknüpfende Auslegung des BSG vermag angesichts Sinn und Zwecks der Regelbedarfsleistung und verfassungsrechtlicher Überlegungen nicht zu überzeugen. Die Bemessung des konkreten Bedarfs des Existenzminimums des erwachsenen behinderten Menschen kann nicht davon abhängen, ob der Behinderte nach seinen individuellen Fähigkeiten - zumindest unter Anleitung - noch konkrete Verrichtungen im Haushalt ausüben kann. Bedarfe bemessen sich nicht danach, ob zum Beispiel der erwachsene Behinderte unter Anleitung den Tisch decken oder den Müll raustragen kann. Das soziokulturelle Existenzminimum bemisst sich nicht nach der Fähigkeit zu bestimmten Verrichtungen, sondern nach berechtigten psychischen und kulturellen Bedürfnissen. Insoweit kann auch nicht unterstellt werden, dass der erwachsene Behinderte pauschal einen 20-prozentigen oder wie auch immer geringeren Regelbedarf beanspruchen kann. Erwachsene behinderte Menschen dürften andere Bedarfe als Nichtbehinderte bzw. wie auch leicht-/ mittelgradig Behinderte haben. Es bedarf mithin einer eigenständigen Erhebung schlüssiger Daten und eines schlüssigen Berechnungsverfahrens, um ihren Regelbedarf verfassungsgemäß zu bemessen. Insoweit ist es aus Sicht des Senats unerheblich, dass der Kläger zu keiner nennenswerten Beteiligung an der Haushaltsführung aufgrund der Schwere seiner Behinderung in der Lage ist. Dies ergibt sich bereits aus den starken körperlichen Einschränkungen des Klägers, der im Rollstuhl sitzt, sich nicht selbst bewegen kann, nur unter ständiger Unterstützung zu essen vermag und auch zu einer Wortbildung nicht fähig ist. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte überhaupt der nach Auffassung des BSG zu vermutenden Fähigkeit zur eigenständigen Haushaltführung qualifiziert entgegen getreten ist (vgl. BSG a. a. O.).

27

Soweit der Beklagte auf die begrenzte Rückwirkung der abweichenden Regelsatzfestsetzung entsprechend § 44 SGB X laut Weisung des BMAS verweist, vermag dieser Rechtsgedanke einen Anspruch des Klägers für die Zeit vor dem 01. Januar 2013 nicht auszuschließen. Überprüfungsanträge des Bürgers oder Überprüfungsanträge von Amts wegen - eine solche Überprüfung von Amts wegen ist hier im Erlass angeordnet - führen nur zu einer zeitlich begrenzten Fehlerkorrektur von grundsätzlich 4 Jahren vor der Rücknahme des bestandskräftigen Verwaltungsaktes, vgl. § 44 Absatz 4 SGB X bzw. von einem Jahr (vgl. § 116a SGB XII, § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Die streitgegenständlichen Bescheide des Klägers sind jedoch nicht bestandskräftig geworden, mithin vollumfänglich einer Korrektur zugänglich.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

29

Grund zur Zulassung der Revision hat nicht bestanden, vgl. § 160 SGG. Die BSG-Rechtsprechung ist faktisch durch die zitierte Weisung ausser Kraft gesetzt. Dieser „Altfall“ hat angesichts der anstehenden gesetzgeberischen Neuregelung auch keine grundsätzliche Bedeutung (mehr).

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Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 17. Aug. 2016 - L 9 SO 41/15 zitiert 13 §§.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 40 Anwendung von Verfahrensvorschriften


(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass1.rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 19 Leistungsberechtigte


(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. (2)

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 28 Ermittlung der Regelbedarfe


(1) Liegen die Ergebnisse einer bundesweiten neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vor, wird die Höhe der Regelbedarfe in einem Bundesgesetz neu ermittelt. (2) Bei der Ermittlung der bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen nach § 27a Abs

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 41 Leistungsberechtigte


(1) Leistungsberechtigt nach diesem Kapitel sind Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen nach § 43 bestreiten können, wenn sie die Voraussetzungen n

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(1) Für Personen, die1.die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder2.die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sindund durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunte

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§ 44 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass 1. rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind;

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Bundessozialgericht Urteil, 24. März 2015 - B 8 SO 5/14 R

bei uns veröffentlicht am 24.03.2015

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Januar 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Ger

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(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.

(2) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches ist Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor.

(3) Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.

(4) Lebt eine Person bei ihren Eltern oder einem Elternteil und ist sie schwanger oder betreut ihr leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, werden Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils nicht berücksichtigt.

(5) Ist den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen im Sinne der Absätze 1 und 2 möglich oder im Sinne des Absatzes 3 zuzumuten und sind Leistungen erbracht worden, haben sie dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen in diesem Umfang zu ersetzen. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.

(6) Der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld steht, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.

(1) Leistungsberechtigt nach diesem Kapitel sind Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen nach § 43 bestreiten können, wenn sie die Voraussetzungen nach Absatz 2, 3 oder 3a erfüllen.

(2) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1 wegen Alters, wenn sie die Altersgrenze erreicht haben. Personen, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Altersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Für Personen, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Altersgrenze wie folgt angehoben:


für den Geburtsjahrgangerfolgt eine Anhebung um Monateauf Vollendung eines Lebensalters von
1947165 Jahren und 1 Monat
1948265 Jahren und 2 Monaten
1949365 Jahren und 3 Monaten
1950465 Jahren und 4 Monaten
1951565 Jahren und 5 Monaten
1952665 Jahren und 6 Monaten
1953765 Jahren und 7 Monaten
1954865 Jahren und 8 Monaten
1955965 Jahren und 9 Monaten
19561065 Jahren und 10 Monaten
19571165 Jahren und 11 Monaten
19581266 Jahren
19591466 Jahren und 2 Monaten
19601666 Jahren und 4 Monaten
19611866 Jahren und 6 Monaten
19622066 Jahren und 8 Monaten
19632266 Jahren und 10 Monaten
ab 19642467 Jahren.

(3) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1 wegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Absatz 2 des Sechsten Buches sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.

(3a) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, für den Zeitraum, in dem sie

1.
in einer Werkstatt für behinderte Menschen (§ 57 des Neunten Buches) oder bei einem anderen Leistungsanbieter (§ 60 des Neunten Buches) das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich durchlaufen oder
2.
in einem Ausbildungsverhältnis stehen, für das sie ein Budget für Ausbildung (§ 61a des Neunten Buches) erhalten.

(4) Keinen Anspruch auf Leistungen nach diesem Kapitel hat, wer in den letzten zehn Jahren die Hilfebedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.

(1) Liegen die Ergebnisse einer bundesweiten neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vor, wird die Höhe der Regelbedarfe in einem Bundesgesetz neu ermittelt.

(2) Bei der Ermittlung der bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen nach § 27a Absatz 2 sind Stand und Entwicklung von Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen. Grundlage hierfür sind die durch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe nachgewiesenen tatsächlichen Verbrauchsausgaben unterer Einkommensgruppen.

(3) Für die Ermittlung der Regelbedarfsstufen beauftragt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Statistische Bundesamt mit Sonderauswertungen, die auf der Grundlage einer neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vorzunehmen sind. Sonderauswertungen zu den Verbrauchsausgaben von Haushalten unterer Einkommensgruppen sind zumindest für Haushalte (Referenzhaushalte) vorzunehmen, in denen nur eine erwachsene Person lebt (Einpersonenhaushalte), sowie für Haushalte, in denen Paare mit einem Kind leben (Familienhaushalte). Dabei ist festzulegen, welche Haushalte, die Leistungen nach diesem Buch und dem Zweiten Buch beziehen, nicht als Referenzhaushalte zu berücksichtigen sind. Für die Bestimmung des Anteils der Referenzhaushalte an den jeweiligen Haushalten der Sonderauswertungen ist ein für statistische Zwecke hinreichend großer Stichprobenumfang zu gewährleisten.

(4) Die in Sonderauswertungen nach Absatz 3 ausgewiesenen Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte sind für die Ermittlung der Regelbedarfsstufen als regelbedarfsrelevant zu berücksichtigen, soweit sie zur Sicherung des Existenzminimums notwendig sind und eine einfache Lebensweise ermöglichen, wie sie einkommensschwache Haushalte aufweisen, die ihren Lebensunterhalt nicht ausschließlich aus Leistungen nach diesem oder dem Zweiten Buch bestreiten. Nicht als regelbedarfsrelevant zu berücksichtigen sind Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte, wenn sie bei Leistungsberechtigten nach diesem Buch oder dem Zweiten Buch

1.
durch bundes- oder landesgesetzliche Leistungsansprüche, die der Finanzierung einzelner Verbrauchspositionen der Sonderauswertungen dienen, abgedeckt sind und diese Leistungsansprüche kein anrechenbares Einkommen nach § 82 oder § 11 des Zweiten Buches darstellen oder
2.
nicht anfallen, weil bundesweit in einheitlicher Höhe Vergünstigungen gelten.

(5) Die Summen der sich nach Absatz 4 ergebenden regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte sind Grundlage für die Prüfung der Regelbedarfsstufen, insbesondere für die Altersabgrenzungen bei Kindern und Jugendlichen. Die nach Satz 1 für die Ermittlung der Regelbedarfsstufen zugrunde zu legenden Summen der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben aus den Sonderauswertungen sind jeweils mit der sich nach § 28a Absatz 2 ergebenden Veränderungsrate entsprechend fortzuschreiben. Die sich durch die Fortschreibung nach Satz 2 ergebenden Summenbeträge sind jeweils bis unter 0,50 Euro abzurunden sowie von 0,50 Euro an aufzurunden und ergeben die Regelbedarfsstufen (Anlage).

(1) Für Personen, die

1.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 erreicht haben oder
2.
die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind
und durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 des Neunten Buches die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(2) Für werdende Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

(3) Für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist, soweit kein abweichender Bedarf besteht, ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für ein Kind unter sieben Jahren oder für zwei oder drei Kinder unter sechzehn Jahren, oder
2.
in Höhe von 12 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für jedes Kind, wenn die Voraussetzungen nach Nummer 1 nicht vorliegen, höchstens jedoch in Höhe von 60 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.

(4) § 42b Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden auf Leistungsberechtigte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, wenn deren Ernährungsbedarf aus medizinischen Gründen von allgemeinen Ernährungsempfehlungen abweicht und die Aufwendungen für die Ernährung deshalb unausweichlich und in mehr als geringem Umfang oberhalb eines durchschnittlichen Bedarfs für Ernährung liegen (ernährungsbedingter Mehrbedarf). Dies gilt entsprechend für aus medizinischen Gründen erforderliche Aufwendungen für Produkte zur erhöhten Versorgung des Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen, soweit hierfür keine vorrangigen Ansprüche bestehen. Die medizinischen Gründe nach den Sätzen 1 und 2 sind auf der Grundlage aktueller medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Dabei sind auch die durchschnittlichen Mehraufwendungen zu ermitteln, die für die Höhe des anzuerkennenden ernährungsbedingten Mehrbedarfs zugrunde zu legen sind, soweit im Einzelfall kein abweichender Bedarf besteht.

(6) Die Summe des nach den Absätzen 1 bis 5 insgesamt anzuerkennenden Mehrbedarfs darf die Höhe der maßgebenden Regelbedarfsstufe nicht übersteigen.

(7) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Wohnung, in der besonderen Wohnform oder der sonstigen Unterkunft nach § 42a Absatz 2 installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb kein Bedarf für Warmwasser nach § 35 Absatz 5 anerkannt wird. Der Mehrbedarf beträgt für jede leistungsberechtigte Person entsprechend der für sie geltenden Regelbedarfsstufe nach der Anlage zu § 28 jeweils

1.
2,3 Prozent der Regelbedarfsstufen 1 und 2,
2.
1,4 Prozent der Regelbedarfsstufe 4,
3.
1,2 Prozent der Regelbedarfsstufe 5 oder
4.
0,8 Prozent der Regelbedarfsstufe 6.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) § 42b Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(9) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(10) Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann und ein Darlehen nach § 37 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Januar 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 1.1.2011 bis 31.3.2012.

2

Die 1980 geborene Klägerin (S) ist geistig behindert (Grad der Behinderung von 100; Merkzeichen "G", "H", "RF" und "B"). Sie lebte im streitbefangenen Zeitraum mit ihrer Mutter, die auch ihre Betreuerin ist, und ihrem volljährigen, erwerbsfähigen Halbbruder in einer Wohnung in M. Die Mieterin der Wohnung ist allein die Mutter; für die Wohnung fielen 360 Euro Kaltmiete und 73 Euro Nebenkostenvorauszahlung an; die Wohnung verfügt über eine Stromheizung mit dezentraler Warmwasserversorgung. Die Stromkostenvorauszahlungen der Mutter beliefen sich zunächst auf 180 Euro und ab 30.3.2011 auf 198 Euro monatlich. Die Klägerin arbeitete in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), in der ein kostenloses Mittagessen angeboten wurde, und erzielte Einkommen aus der Werkstatttätigkeit; ihr Vater zahlte monatlichen Unterhalt. Das Kindergeld wurde nicht an sie weitergeleitet. Ihr Sparbuch wies durchgehend Vermögen von unter 900 Euro aus.

3

Die Beklagte bewilligte der Klägerin für die Zeit vom 1.4.2010 bis 31.3.2011 Grundsicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 348,76 Euro, ua unter Berücksichtigung eines monatlichen Regelsatzes für einen Haushaltsvorstand (100 %) abzüglich anzurechnenden Einkommens (Bescheid vom 10.3.2010). Für die Zeit vom 1.4.2011 bis 31.3.2012 bewilligte sie zunächst Leistungen in unveränderter Höhe (Bescheid vom 2.3.2011), hob diesen Bescheid dann jedoch mit Wirkung ab 1.1.2011 auf und setzte wegen des Inkrafttretens des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011 - BGBl I 453) für die Zeit vom 1.1. bis 31.3.2011 die Leistungen in Höhe von 358,44 Euro und ab 1.4.2011 in Höhe von nur noch 276,35 Euro unter Berücksichtigung eines Regelsatzes nach Regelbedarfsstufe 3 (80 %) fest (Bescheid vom 25.3.2011). Während des Widerspruchsverfahrens änderte sie diesen Bescheid wiederum und bewilligte monatliche Leistungen ab 1.5.2011 in Höhe von nur noch 262,68 Euro (Bescheid vom 26.4.2011). Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid unter Beteiligung sozial erfahrener Dritter vom 22.7.2011).

4

Die Klage blieb auch erstinstanzlich ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 27.10.2011). Während des Berufungsverfahrens hob die Beklagte die Bescheide vom 10.3.2010, 2.3.2011, 25.3.2011 sowie vom 26.4.2011 auf und setzte die Leistungshöhe ua für die streitbefangene Zeit neu fest (Bescheid vom 11.6.2012). Vor dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen erklärten die Beteiligten durch Teilvergleich ua unter Nr 2, den streitgegenständlichen Zeitraum auf die Zeit vom 1.1.2011 bis 31.3.2012 sowie inhaltlich auf den Regelsatz und die Höhe des monatlich anzurechnenden Einkommens zu beschränken. Die Klage blieb auch beim LSG ohne Erfolg (Urteil vom 16.1.2014). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, mit dem Inkrafttreten des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG sei eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen eingetreten, die die Beklagte berechtigt habe, die Leistungsbewilligung für die Zeit ab 1.4.2011 teilweise aufzuheben. Sie habe der Klägerin ab 1.4.2011 zu Recht nur noch Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 3 (80 %) bewilligt. Denn die Mutter der Klägerin habe ausgeführt, die Klägerin sei seit ihrer Geburt aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, ohne entsprechende Hilfe aus eigener Initiative einen Hausstand zu begründen bzw einen Haushalt zu führen oder sonst zur Haushaltsführung beizutragen. Die Mutter trage zudem alle mit der Haushaltsführung verbundenen Kosten. Die Höhe der Regelbedarfssätze sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dass Leistungsberechtigte nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) ab Vollendung des 25. Lebensjahres Anspruch auf den vollen Regelsatz hätten, beruhe auf Systemunterschieden zwischen dem SGB II und dem SGB XII.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, die Regelbedarfsstufe 3 sei verfassungswidrig. Sie verstoße insbesondere gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, weil der Regelbedarfsbemessung insoweit keine spezielle Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 zugrunde liege. Zudem sei der allgemeine Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 Grundgesetz ) dadurch verletzt, dass über-25-jährige Leistungsbezieher nach dem SGB II den vollen Regelsatz erhielten, nicht aber über-25-jährige Leistungsbezieher von Grundsicherungsleistungen in einer im Übrigen vergleichbaren Lebenssituation. Darin liege zugleich ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot behinderter Menschen.

6

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben sowie die Bescheide vom 25.3.2011 und 26.4.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.7.2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1.1.2011 bis 31.3.2012 höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu zahlen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

10

Der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nach der Zurückverweisung vom LSG noch genau zu bestimmen. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des vor dem LSG getroffenen Vergleichs. Die Beschränkung des Streitgegenstands allein auf den Regelsatz (zur Zulässigkeit insoweit vgl BSGE 112, 54 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 28 Nr 8)ist jedenfalls nach Aktenlage nicht möglich (dazu gleich), sodass nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz alle Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu überprüfen sind. Schon deshalb ist die Wirksamkeit des Vergleichs insgesamt fraglich (§ 139 Bürgerliches Gesetzbuch). Soweit sich in Nr 1 iVm Nr 2 Satz 1 des Vergleichs Ausführungen zum anzurechnenden Einkommen finden, könnte diese Regelung zwar noch als zulässig zu bewerten sein, obwohl sie (jedenfalls auch) Elemente einer (unzulässigen) Vereinbarung über die Modalitäten der Einkommensberechnung enthält; richtig wäre es gewesen, einen genauen Betrag über die Höhe des jeweils anzurechnenden Einkommens als Berechnungselement festzulegen. In zeitlicher Hinsicht ist der Streitgegenstand hingegen unabhängig vom Vergleich schon wegen des gestellten Antrags wirksam auf die Zeit vom 1.1.2011 bis 31.3.2012 begrenzt.

11

Die genaue Bestimmung des Streitgegenstands durch den Senat selbst ist jedoch untunlich, weil streitgegenständlich nur der Bescheid vom 11.6.2012 ist, mit dem die - nach den Ausführungen zum Landesrecht durch das LSG - örtlich und sachlich zuständige Beklagte ua die Bescheide vom 25.3. und 26.4.2011 aufgehoben und für die Zeit vom 1.1.2011 bis 31.3.2012 die Leistungen neu festgesetzt hat (§ 153 Abs 1, § 96 SGG); die früheren Bescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids haben sich dadurch erledigt (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -). Dieser Bescheid nimmt in seinem Verfügungssatz jedoch eine Aufteilung der der Klägerin gewährten Leistungen in Kosten der Unterkunft einerseits bzw Regelsatzleistungen sowie Mehrbedarfsleistungen andererseits nicht vor, sodass insoweit überhaupt keine eigenständige Verfügungen vorliegen. Da das LSG diesen Bescheid nicht in das Verfahren einbezogen hat und eine Verfahrensrüge nicht erhoben ist, ist der Senat gehindert, über ihn zu befinden (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 96 SGG RdNr 12a mwN).

12

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Klägerin, obwohl sich die Rechtmäßigkeit der Entscheidung an § 48 Abs 1 SGB X misst, schon deshalb zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage(§ 54 Abs 1 und 4 SGG, § 56 SGG) mit dem Ziel höherer Leistungen dem Grunde nach, weil sie nicht nur gleichhohe Leistungen fortgezahlt haben will, sondern zugleich geltend macht, Anspruch auf den ab 1.1.2011 höheren Regelsatz der Regelbedarfsstufe 1 und damit auch insgesamt einen höheren Anspruch zu haben. Dieses Ziel kann sie nicht allein mit der Anfechtung der Bescheide erreichen.

13

Ob zum 1.1.2011 oder später in den rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten ist, wie dies § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X voraussetzt, kann vom Senat nicht abschließend beurteilt werden. Gemäß § 19 Abs 2 SGB XII iVm § 41 Abs 1 und 3 SGB XII(jeweils in der Normfassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) erhalten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, auf Antrag Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, wenn sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII bestreiten können. Die Anspruchsvoraussetzungen für solche Leistungen dem Grunde nach erfüllte die Klägerin, weil sie zwar nach den Feststellungen des LSG neben dem Einkommen aus ihrer Tätigkeit in einer WfbM noch Unterhalt von ihrem Vater erhielt, das Einkommen aber nicht zur Deckung ihrer Bedarfe ausreichte; Vermögen war lediglich unterhalb der Vermögensfreigrenze (vgl § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII) vorhanden.

14

Die Höhe der Ansprüche auf Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab dem 1.1.2011 richtet sich nach § 42 Nr 1 SGB XII in der zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG, wobei sich eine Verminderung des Regelbedarfs aus Anlass der Neuregelung wegen der Übergangsregelung in § 137 SGB XII vor dem 1.4.2011 nicht zu Lasten der Klägerin auswirken kann. Danach umfassen die Grundsicherungsleistungen neben den Kosten der Unterkunft und Mehrbedarfen den Regelbedarf; ergänzend ist § 27a Abs 3 und Abs 4 Satz 1 und 2 SGB XII(in der Normfassung dieses Gesetzes) anzuwenden. Zur Deckung des Regelbedarfs sind monatliche Regelsätze zu gewähren, die sich nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 SGB XII ergeben(§ 27a Abs 3 Satz 1 SGB XII). Gemäß dieser Anlage erhält seit dem 1.1.2011 Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 in Höhe von 364 Euro eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt; dies gilt auch dann, wenn in diesem Haushalt eine oder mehrere weitere erwachsene Personen leben, die der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen sind. Leistungen der Regelbedarfsstufe 2 in Höhe von 328 Euro (mithin 90 vH der Regelbedarfsstufe 1) werden demgegenüber gewährt für jeweils zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Ehegatten, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führen. Die Regelbedarfsstufe 3, die Leistungen in Höhe von 291 Euro (80 vH der Regelbedarfsstufe 1) vorsieht, gilt für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt. Für Kinder und Jugendliche sind - abhängig von ihrem Alter - die weiteren Regelbedarfsstufen 4 bis 6 gebildet.

15

Die danach für die Zuordnung zu einer Regelbedarfsstufe maßgeblichen unbestimmten Rechtsbegriffe "eigener Haushalt" und "einen Haushalt führen" sind der Auslegung bedürftig und fähig; denn es fehlen gesetzlich ausformulierte Kriterien dafür, wann jemand in einem Mehrpersonenhaushalt einen eigenen Haushalt hat und diesen führt. Maßgeblich können auch nicht allein in sich ohnedies nicht konsistente Überlegungen des Gesetzgebers sein, die nur in die Ausschussberatungen bzw in die Gesetzesbegründung Eingang gefunden haben, weil diese zu system- und verfassungswidrigen Ergebnissen führen würden, wie der Senat ausführlich in seinen Entscheidungen vom 23.7.2014 (B 8 SO 31/12 R, B 8 SO 12/13 R und B 8 SO 14/13 R) im Einzelnen dargelegt hat. Dabei hat er die Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung (vgl dazu zuletzt BVerfG, Beschluss vom 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11) nicht überschritten; selbst die Gesetzesbegründung für sich genommen führt zu keiner klaren anderen Auslegung des § 27a Abs 3 SGB XII iVm der Anlage zu § 28 SGB XII, wie der Senat unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck der maßgeblichen Regelungen ausgeführt hat. Im Grundsatz ist deshalb davon auszugehen, dass sich der Regelbedarf einer erwachsenen, leistungsberechtigten Person nach der Regelbedarfsstufe 1 auch dann richtet, wenn sie mit einer anderen Person, die nicht ihr Partner im Sinne der Regelbedarfsstufe 2 ist, in einer Haushaltsgemeinschaft zusammenlebt; der Gesetzgeber hat typisierend gerade nicht darauf abgestellt, dass es sich bei dieser Art des Zusammenlebens für eine Person um keinen eigenen Haushalt handelt, sondern grundsätzlich um einen gemeinsamen Haushalt, der für jeden Einzelnen ein eigener Haushalt ist. Für das Vorliegen eines eigenen Haushalts ist dabei nicht von Bedeutung, ob oder in welchem Umfang sich eine Person an den Kosten des Haushalts beteiligt (Senatsentscheidungen vom 23.7.2014). Verdeutlicht wird dies durch § 39 Satz 1 1. Halbsatz SGB XII nF (ab 1.1.2011), wonach vermutet wird, dass Personen bei Zusammenleben in einer Wohnung gemeinsam einen Haushalt führen, der auf diese Weise für jede Person zu einem "eigenen" wird. Diese gesetzliche Vermutung ist, wie der Senat betont hat, nicht bereits widerlegt, wenn eine Person gegenüber einer anderen in geringerem Umfang zur Haushaltsführung beiträgt; die Regelbedarfsstufe 3 kommt vielmehr erst dann zur Anwendung, wenn keinerlei eigenständige oder eine nur gänzlich unwesentliche Beteiligung an der Haushaltsführung vorliegt. Entgegen der Ansicht des LSG ist darunter allerdings nicht eine eigeninitiative Beteiligung gemeint (hierzu im Folgenden).

16

Das Merkmal der "Eigenständigkeit" der Haushaltsführung kann nämlich nicht losgelöst von den Fähigkeiten eines behinderten Menschen beurteilt werden. Nicht erforderlich ist demnach zur Bejahung einer eigenständigen Haushaltsführung eine solche ohne jegliche Anleitung oder aus eigener Initiative heraus; es genügt vielmehr unter Berücksichtigung des Benachteiligungsverbots (Art 3 Abs 2 GG iVm der UN-Behindertenrechtskonvention iVm dem Gesetz vom 21.12.2008 - BGBl II 1419 -, in der Bundesrepublik in Kraft seit 26.3.2009 - BGBl II 812), dass der behinderte Mensch nach Aufforderung und ggf unter Anleitung und/oder Überwachung der Eltern oder eines Dritten im Rahmen des ihm behinderungsbedingt Möglichen Tätigkeiten im Haushalt verrichtet oder auf die Gestaltung der Haushaltsführung Einfluss nimmt. Insoweit ist entsprechend dem Leitbild des § 1626 Abs 2 Satz 1 BGB typisierend davon auszugehen, dass die Eltern die Persönlichkeitsentwicklung auch ihres erwachsenen behinderten Kindes durch Anleitung und Hilfestellung selbst oder unter Mithilfe Dritter fördern, den behinderten Menschen also auch tatsächlich in die Lage versetzen, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten an der Haushaltsführung zu beteiligen. Auf die Bereitschaft oder Fähigkeit der Eltern, dies zu tun, kann es vor dem Hintergrund des bezeichneten Benachteiligungsverbots ebenso wenig ankommen wie darauf, ob der behinderte Mensch sich tatsächlich im Rahmen seiner Fähigkeiten beteiligt. Dies ist ebenso wie eine Anleitung durch die Eltern typisierend zu unterstellen. Die nach § 39 SGB XII widerlegbare Vermutung der eigenen Haushaltsführung kann damit allein an den Fähigkeiten des behinderten Menschen ansetzen.

17

In die Prüfung, ob die gesetzliche Vermutung der in diesem Sinne eigenständigen Haushaltsführung widerlegt ist, hat das Gericht - im vorliegenden Fall - allerdings erst einzutreten, wenn qualifizierter Vortrag des beklagten Sozialhilfeträgers zu den Auswirkungen der Behinderung auf die Fähigkeit zur Beteiligung an der Haushaltsführung Anlass gibt; eigene Zweifel des Gerichts oder bloße Vermutungen genügen für weitere Ermittlungen zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht. Ist der behinderte Mensch insbesondere in der Lage, in einer WfbM tätig zu sein, dürfte die Vermutung angesichts des vorausgesetzten Entwicklungspotentials der behinderten Person (vgl § 39 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen -: "Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen werden erbracht, um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit der behinderten Menschen zu erhalten, zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen, die Persönlichkeit dieser Menschen weiterzuentwickeln und ihre Beschäftigung zu ermöglichen oder zu sichern") wie auch der Voraussetzung für ihre Aufnahme in den Arbeitsbereich einer Werkstatt, die sog Werkstattfähigkeit (vgl § 136 Abs 2 Satz 1 SGB IX: "Die Werkstatt steht allen behinderten Menschen iS des Abs 1 … offen, sofern erwartet werden kann, dass sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden")jedoch kaum zu widerlegen sein. Das LSG hätte deshalb gar nicht in Ermittlungen (Befragung der Mutter der Klägerin) eintreten dürfen.

18

Dies ist allerdings revisionsrechtlich ohne Bedeutung. Denn es fehlen die tatsächlichen Feststellungen des LSG, die für die Beurteilung der Eigenständigkeit im Sinne der Senatsrechtsprechung maßgeblich sind. Die Ausführungen des LSG basieren vielmehr auf der vom Senat nicht geteilten Ansicht, es müsse eine eigeninitiative Beteiligung im Sinne einer autonomen Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit des behinderten Menschen vorliegen und Eigenständigkeit könne nur bejaht werden, wenn der behinderte Mensch ohne Anleitung und ohne extrinsische Motivation (qualitativ und quantitativ) in etwa gleichwertig mit dem nichtbehinderten Menschen Tätigkeiten im Haushalt verrichtet. Wenn das LSG zudem ausführt, die Kosten der Haushaltsführung trage allein die Mutter der Klägerin, ist dies rechtlich ebenso ohne Bedeutung wie die Frage, ob ein behinderter Mensch in der Lage ist, eine Wohnung anzumieten - das LSG verneint dies und nimmt dies als weiteren Beleg für eine fehlende Eigenständigkeit in dem von ihm verstandenen Sinn. Zu den eigentlichen Voraussetzungen hat das LSG - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - keine Feststellungen getroffen.

19

Für das Verfahren beim LSG, in dem ohne neue Begrenzung des Streitgegenstands über die gesamten Grundsicherungsleistungen zu befinden sein wird, soll nur ergänzend darauf hingewiesen werden, dass die der Regelbedarfsstufe 3 zugrunde gelegte Ersparnis von 20 % in Mehrpersonenhaushalten, die keine Paarhaushalte im Sinne der Regelbedarfsstufe 2 sind, statistisch nicht belegt sind (vgl BT-Drucks 17/3404, 130, und Rundschreiben 2015/3 - Regelbedarfsstufe 3 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 16.2.2015; zu den maßgeblichen Kriterien vgl BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12). Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 23.7.2014 (1 BvL 10/12, 1 BvL 11 BvL 12/12, 1 BvR 11 BvR 1691/13 - RdNr 100 - BGBl I 1581) zur Bestimmung des Regelbedarfs zusammenlebender und gemeinsam wirtschaftender Erwachsener (90 % des im SGB II für eine alleinstehende Person geltenden Regelbedarfs) Aussagen nur für Paarhaushalte im Sinne der Regelbedarfsstufe 2, nicht aber für die hier maßgebliche Regelbedarfsstufe 3 getroffen; auf das im SGB II wegen der Besonderheit der Bedarfsgemeinschaft abweichende normative Begriffsverständnis hat der Senat im Übrigen bereits hingewiesen (Urteil vom 23.7.2014 - B 8 SO 14/13 R - RdNr 18). Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des gesetzgeberischen Vorgehens insoweit lässt der Senat gegenwärtig offen.

20

Das LSG wird ggf über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

§ 44 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraumes beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.