Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 28. Nov. 2013 - L 4 R 102/10

bei uns veröffentlicht am28.11.2013

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 23. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Witwenrente.

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Die Klägerin heiratete am ... Mai 2005 J. (Versicherter). Dieser verstarb nach einer Tumorerkrankung Oktober 2005.

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Mit Rentenantrag vom 18. Oktober 2005 begehrte die Klägerin von der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente. Zu dem Antrag legte die Klägerin der Beklagten neben der Heiratsurkunde vom ... Mai 2005 und der Sterbeurkunde vom ... Oktober 2005 ein Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 22. März 2005 und eine Lohnbescheinigung der Autohaus D. GmbH vom 15. November 2005 vor.

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Ausweislich des Urteils des Amtsgerichts Rostock vom 22. März 2005 wurde die vorherige Ehe des Versicherten an diesem Tage geschieden. Der Versorgungsausgleich wurde gemäß § 628 Nr. 4 ZPO a.F. (jetzt: § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG) abgetrennt. Das Amtsgericht hat dies damit begründet, dass der Versicherte an einem schweren Bronchialkarzinom leide. Im Hinblick auf den gesundheitlichen Zustand des Versicherten sowie die mit dem Scheidungsverfahren verbundenen psychischen Belastungen sei eine Abtrennung wegen schwerer Härte geboten gewesen.

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Nach einer Lohnbescheinigung der Autohaus D. GmbH vom 15. November 2005 war die Klägerin dort seit September 2004 beschäftigt. Ihr Bruttoarbeitsentgelt betrug im Oktober 2005 2.200,24 €‚ von September 2004 bis Dezember 2004 insgesamt 8.125,00 € und von Januar 2005 bis Oktober 2005 insgesamt 23.932,43 €. Das von der Klägerin voraussichtlich von November 2005 bis Dezember 2005 erzielte Bruttoarbeitsentgelt wurde mit insgesamt 4.400,00 € angegeben.

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Mit Bescheid vom 23. Januar 2006 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab, weil die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe und die Annahme einer Versorgungsehe nach § 46 Abs. 2 a SGB VI nicht widerlegt sei.

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Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch vom 13. Februar 2006. Zur Begründung trug sie vor, dass der Versicherte sich von seiner früheren Ehefrau bereits am 23. Januar 2004 getrennt habe und bereits im August 2004 zu ihr in ihr Haus gezogen sei. Seither habe eine eheähnliche Gemeinschaft zwischen ihnen bestanden. Eine frühere Heirat sei jedoch objektiv unmöglich gewesen, weil der Verstorbene erst habe geschieden werden müssen. Die Rechtskraft der Scheidung sei erst am 22. März 2005 eingetreten. Die Vermutung einer Versorgung könne in ihrem Fall bereits deshalb nicht greifen, weil die Klägerin aufgrund ausreichenden eigenen Einkommens auf eine Versorgung durch den Verstorbenen nicht angewiesen sei. Sie habe im April 2005 über ein Einkommen in Höhe von 1.435,31 € netto und im Mai 2005 in Höhe von 2.044,84 € netto verfügt, wozu die Klägerin entsprechende Gehaltsbescheinigungen beifügte. Demgegenüber habe der Versicherte zu dieser Zeit lediglich Krankengeld von netto 852,90 € monatlich bezogen, wozu die Klägerin eine entsprechende Bescheinigung der BKK vom 17. August 2004 beifügte. Davon habe der Versicherte noch monatlich 223,00 € Kindesunterhalt zahlen müssen.

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Die Tumorerkrankung des Versicherten sei erstmals im Juli 2004 diagnostiziert worden. Der Versicherte habe eine Chemotherapie mit fünf Zyklen durchlaufen. Danach habe sich der Zustand deutlich gebessert. Der Versicherte habe mit der Klägerin in der Zeit ab dem 19. August 2005 einen zweiwöchigen Urlaub an der polnischen Ostseeküste verbracht. Ein weiterer gemeinsamer Urlaub sei als Schiffsreise auf der “Aida“ für Januar 2006 geplant gewesen.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 01. März 2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

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Hiergegen hat die Klägerin am 19. März 2007 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen aus der Widerspruchsbegründung wiederholt und vertieft. Sie und der Versicherte hätten die Hoffnung gehegt, ein normales Leben weiterführen zu können. Zu keiner Zeit sei ihnen bewusst gewesen, dass das Leben des Versicherten so schnell enden könnte. Die unmittelbare Todesursache sei im Übrigen eine akute Lungenembolie gewesen und nicht das zuvor vorhandene Bronchialkarzinom. Nach alledem sei es weder der alleinige noch der überwiegende Zweck der Eheschließung gewesen, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Daran hätten die Eheleute weder anlässlich der Eheschließung noch danach bis zum Tod des Versicherten gedacht.

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Die Klägerin hat beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 23. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. März 2007 zu verurteilen, der Klägerin eine Witwenrente zu gewähren.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Sozialgericht hat Befundberichte der den Versicherten seinerzeit behandelnden Ärzte eingeholt.

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Dr. K. von der Klinik für Strahlentherapie des Universitätsklinikums A-Stadt vom hat am 08. August 2008 berichtet, dass sich der Versicherte dort erstmalig im Januar 2005 zur Strahlentherapie des Primärtumors im Bereich der Lunge befunden habe. Dann sei ab 30. August 2005 bei neu diagnostizierten Hirnmetastasen eine erneute Therapie erfolgt. Währenddessen habe sich eine Meningeosis carcinomatosa entwickelt. Die Bestrahlungen im thorakalen Bereich bis Mitte März 2005 seien vom Versicherten gut vertragen worden. Ein kleinzelliges Bronchialkarzinom im vorhandenen Stadium werde primär mit einer kurativen Intention, also mit dem Ziel der Heilung des Versicherten, therapiert. Die Prognose eines Versicherten mit Meningeosis carcinomatosa sei hingegen äußerst schlecht. Ziel sei dann die kurzzeitige Symptomverbesserung. Eine Heilung sei auf gar keinen Fall mehr möglich. Spätestens am 17. September 2005 seien die Ehefrau und der Sohn des Versicherten entsprechend informiert worden.

17

Der Facharzt für Innere Medizin Dr. W. hat am 07. Oktober 2008 über die Behandlung zwischen dem 28. Juli 2004 und dem 09. September 2005 berichtet. Am 29. Juli 2004 sei bei dem Versicherten ein kleinzelliges Bronchialkarzinom diagnostiziert worden. Der Versicherte sei bereits seit Juli 2004 über die schlechte Prognose informiert worden. Während der ersten Chemotherapie von August 2004 bis Januar 2005 habe sich der Zustand des Versicherten verbessert. Begründete Hoffnung auf eine dauerhafte Verbesserung oder gar Wiederherstellung des Gesundheitszustandes habe Ende Mai 2005 aber nicht mehr bestanden; vielmehr sei mit einem baldigen Ableben des Versicherten zu rechnen gewesen. Der Versicherte sei über seinen Gesundheitszustand und dessen Folgen informiert gewesen.

18

Dem Befundbericht war ein Arztbrief der Klinik für Strahlentherapie des Universitätsklinikums A-Stadt vom 30.September 2005 beigefügt. Hiernach sei der Nachweis einer Lebermetastasierung am 04. April 2005 erfolgt. Danach habe der Versicherte sich von April 2005 bis Juli 2005 einer erneuten Chemotherapie unterziehen müssen. Am 16. August 2005 seien beim Versicherten dann Hirnmetastasen nachgewiesen und ab 14.September 2005 eine simultane Radiochemotherapie begonnen worden. Diese habe nach der am 20. September 2005 diagnostizierten Meningeosis carcinomatosa abgebrochen werden müssen.

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Die Hausärztin und Fachärztin für Allgemeinmedizin DM G. hat am 01. Dezember 2008 berichtet, dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten zwischenzeitlich verbessert gehabt habe. Nach der Therapie sei es dem Versicherten sehr gut gegangen; eine Aussage über die Lebenserwartung könne grundsätzlich bei niemandem gegeben werden. Mit einem baldigen Ableben habe Ende Mai 2005 nicht gerechnet werden können.

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Das Sozialgerichts hat die Beklagte durch Urteil vom 23. Februar 2010 verpflichtet, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. März 2007 auf den Antrag vom 18. Oktober 2005 eine Witwenrente zu gewähren.

21

Die Klage habe in vollem Umfang Erfolg. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Gewährung einer Witwenrente aus § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI.

22

Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI hätten Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt habe, unter anderem Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet haben.

23

Diese Voraussetzungen lägen für die Klägerin vor. Sie sei seit dem Tode des Versicherten am 03. Oktober 2005 Witwe, habe danach nicht wieder geheiratet und das 47. Lebensjahr vollendet. Der Versicherte sei in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert gewesen und habe die allgemeine Wartezeit erfüllt. Dies stelle auch die Beklagte nicht in Abrede.

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Der Rentenanspruch der Klägerin sei nicht durch § 46 Abs. 2 a SGB VI ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift hätten Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens 1 Jahr gedauert habe, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

25

Vorliegend habe die am 26. Mai 2005 geschlossene Ehe der Klägerin mit dem am 03. Oktober 2005 verstorbenen Versicherten zwar weniger als ein Jahr gedauert. Die Kammer sei in Würdigung der besonderen Umstände des Falles aber davon überzeugt, dass für die Klägerin und ihren Ehegatten die Hinterbliebenenversorgung der Klägerin weder der alleinige noch der überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei. Vielmehr sei es nach der Überzeugung der Kammer weit überwiegender Zweck der Eheschließung gewesen, die bereits seit August 2004 zwischen der Klägerin und ihrem Versicherter praktizierte Lebensgemeinschaft möglichst zeitnah nach der vorher notwendigen Scheidung des Versicherten von seiner früheren Frau auch durch den förmlichen Akt der Eheschließung für sich zu besiegeln. Die Annahme einer alleinigen oder überwiegenden Versorgungsmotivation der Klägerin und des Versicherten liege hier nach der Überzeugung der Kammer ausgesprochen fern.

26

Bereits der objektive Verlauf der Erkrankung des Ehegatten der Klägerin und die widersprüchlichen Angaben der behandelnden Ärzte über die Prognose sprächen hier eher dagegen, dass der Klägerin und dem Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung Ende Mai 2005 bewusst war, dass der Versicherter mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb kurzer Zeit versterben würde. Das beim Versicherten am 29. Juli 2004 diagnostizierte kleinzellige Bronchialkarzinom sei zunächst zwischen August 2004 und Januar 2005 chemo- und radiotherapeutisch erfolgreich therapiert worden. Der Nachweis einer Lebermetastasierung sei erst am 04. April 2005 erfolgt. Dem habe sich von April 2005 bis Juli 2005 eine erneute Chemotherapie angeschlossen. Erst nach der Eheschließung am 26. Mai 2005 seien am 16.August 2005 dann Hirnmetastasen nachgewiesen und sei ab 14.September 2005 eine simultane Radiochemotherapie begonnen worden. Diese habe nach der am 20.September 2005 diagnostizierten Meningeosis carcinomatosa abgebrochen werden müssen.

27

Während Dr. W. in seinem Befundbericht vom 07. Oktober 2008 angebe, dass der Versicherte bereits seit Juli 2004 über die schlechte Prognose für die Erkrankung informiert gewesen sei und eine begründete Hoffnung auf eine dauerhafte Verbesserung oder gar Wiederherstellung des Gesundheitszustandes Ende Mai 2005 nicht bestanden habe, habe DM G. in ihrem Befundbericht vom 01. Dezember 2008 gemeint, mit einem baldigen Ableben des Versicherten habe Ende Mai 2005 noch nicht gerechnet werden müssen. Dem Befundbericht des Dr. K. vom 08. August 2008 habe sich hingegen entnehmen lassen, dass eine äußerst schlechte Prognose für die Erkrankung erst seit der Entwicklung der am 20. September 2005 diagnostizierten Meningeosis carcinomatosa bestanden habe. Dieser Zeitpunkt habe deutlich nach der Eheschließung am .... Mai 2005 gelegen.

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Bei dieser Sachlage und den divergierenden Einschätzungen der behandelnden Ärzte liege die Annahme äußerst fern, die behandelnden Ärzte hätten der Klägerin und des versicherten bereits vor dem 26. Mai 2009 übereinstimmend ein Bewusstsein dafür vermittelt, dass ein Ableben des Versicherten in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei. Vor diesem Hintergrund sei für die Kammer der Vortrag der Klägerin, sie und der Versicherte hätten die Hoffnung gehegt, ein weitgehend normales Leben weiterleben zu können, und ihnen sei zu keiner Zeit bewusst gewesen, dass das Leben des Versicherten so schnell enden könnte, nachvollziehbar und glaubhaft. Eine dahingehende innere Überzeugung der Klägerin und des Versicherten sei nach außen auch durch die Pläne für eine Seereise mit der “Aida“ im Januar 2006 zu Tage getreten. Zwar sei diese Seereise noch nicht durch eine verbindliche Buchung konkretisiert gewesen. Gleichwohl sehe die Kammer keinen Anlass, an dem entsprechenden Vortrag der Klägerin zu zweifeln.

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Gegen die Annahme einer alleinigen oder überwiegenden Versorgungsmotivation der Klägerin und des Versicherten sprächen zudem die zum Zeitpunkt der Eheschließung aktuellen und absehbaren Einkommensverhältnisse. Ausweislich der Lohnbescheinigung der Autohaus D. GmbH vom 15. November 2005 sei die Klägerin dort seit September 2004 beschäftigt gewesen. Ihr Bruttoarbeitsentgelt habe im Oktober 2005 2.200,24 €‚ von September 2004 bis Dezember 2004 insgesamt 8.125,00 € und von Januar 2005 bis Oktober 2005 insgesamt 23.932,43 € betragen. Das von der Klägerin voraussichtlich von November 2005 bis Dezember 2005 erzielte Bruttoarbeitsentgelt sei mit insgesamt 4.400,00 € angegeben worden. Mit diesem Einkommen sei die Klägerin - gemessen an dem durchschnittlichen Einkommen in Mecklenburg-Vorpommern - ohne Weiteres in der Lage gewesen, ihren laufenden Lebensunterhalt auf leicht überdurchschnittlichem Niveau zu bestreiten. Demgegenüber habe der Versicherte ausweislich der Bescheinigung der BKK vom 17.August 2004 zu dieser Zeit lediglich Krankengeld in Höhe von netto 852,90 € monatlich bezogen, wovon er noch monatlich 223,00 € Kindesunterhalt zu zahlen gehabt habe. Aus diesem Einkommen werde deutlich, dass - wenn man das vorhandene Vermögen außer acht lasse - zum Zeitpunkt der Eheschließung im Mai 2005 eher der Versicherte in Teilen seinen laufenden Unterhalt aus dem Einkommen der Klägerin bestritten habe, also von ihr teilweise habe versorgt werden müssen.

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Schließlich gebe es keinerlei Hinweise darauf, dass die Ehegatten zwischen der Erkrankung und der Eheschließung irgendwelche Dispositionen für eine Versorgung der Klägerin nach dem Ableben des Versicherten getroffen hätten, obwohl derartige Dispositionen angesichts der Vermögensverhältnisse durchaus nahe gelegen hätten. Eine der beiden für den Versicherten bestehenden Lebensversicherungen habe einen Sohn des Versicherten begünstigt. Die andere Lebensversicherung sei nach den Angaben der Klägerin, an denen zu zweifeln die Kammer keinen Anlass habe, erst kurz vor dem Ableben des Versicherten auf die Klägerin “umgeschrieben“ worden. Das vom Versicherter der Klägerin hinterlassene Barvermögen in Höhe von 40.000,- € sei nach den Angaben der Klägerin nach dem Ableben auf die Kinder des Versicherten aufgeteilt worden, ohne dass die Klägerin daran teilgehabt habe.

31

All diese Umstände belegten nach Auffassung der Kammer, dass für die Klägerin und ihren Ehegatten im Jahr 2005 die Dokumentierung der Zusammengehörigkeit durch die Eheschließung und der Kampf gegen die Krankheit und das Zusammenstehen während dieser Zeit deutlich höheres Gewicht gehabt hätten als die Sicherung der Versorgung der Klägerin in späterer Zeit.

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Gegen das ihr am 24. März 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12. April 2010 Berufung eingelegt.

33

Gemäß § 46 Abs. 2 a SGB VI hätten Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige Zweck der Heirat gewesen war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Vermutung könne widerlegt werden, wenn besondere Umstände vorlägen, die trotz der kurzen Ehedauer nicht auf eine „Versorgungsehe“ schließen ließen. Besondere Umstände könnten vorliegen, wenn die Heirat zur Sicherung der erforderlichen Betreuung oder Pflege des anderen Ehegatten erfolgte und dabei der Tod des Ehegatten bei Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen sei. Ferner dann, wenn die tödlichen Folgen einer Krankheit bei Eheschließung nicht vorhersehbar gewesen seien.

34

Die Klägerin habe die Ehe mit dem Versicherten am ... Mai 2005 geschlossen. Der Versicherte sei am ... Oktober 2005 verstorben. Damit sei die Mindestdauer von einem Jahr nicht erfüllt gewesen. Aus dem fachärztlichen Befundbericht der Praxis Dr. F. & Dr. W. vom 09. Juni 2005 sei zu entnehmen, dass am 29. Juli 2004 bei dem versicherten ein kleinzelliges Bronchialkarzinom diagnostiziert worden sei. Das kleinzellige Bronchialkarzinom sei erfahrungsgemäß eine prognostisch ungünstige Form einer Geschwulsterkrankung der Bronchien. Es sei zunächst eine Polychemotherapie erfolgt. Befundlich seien im April 2005 multiple Lebermetastasen festgestellt worden, die erneut mit Polychemotherapie behandelt worden seien. Nach dem o.g. Befundbericht der Praxis Dr. F. & Dr. W. vom 09. Juni 2005 sei jedoch nur eine partielle Remission erreicht worden. Todesursache sei dann eine akute Lungenembolie bei kleinzelligem Bronchialkarzinom am ... Oktober 2005 gewesen.

35

Im klinischen Verlauf zeichne sich das kleinzellige Lungenkarzinom durch eine rasche Metastasierung über Blutweg und Lymphbahnen in Skelett, Knochenmark, Leber und Gehirn aus. Daher stehe die sofortige Chemotherapie im Vordergrund der Behandlung. Hierauf reagiere das kleinzellige Lungenkarzinom empfindlich, sodass bei der Mehrzahl der Versicherten eine Schrumpfung der Geschwulst erreicht werden könne. Jedoch beginne der Tumor bei den meisten Betroffenen nach einigen Monaten erneut zu wachsen. Weitere Behandlungsversuche blieben dann wirkungslos. Dies sei die Ursache dafür, dass die meisten Erkrankten binnen zweier Jahre an der Erkrankung stürben.

36

Der Versicherte sei nach Aussage von Dr. W. bereits seit Juli 2004 über die schlechte Prognose informiert worden. Während der ersten Chemotherapie von August 2004 bis Januar 2005 habe sich sein Zustand zwischenzeitlich verbessert. Am 04. April 2005 sei eine Lebermetastasierung nachgewiesen worden. In der Folge habe sich der Versicherter erneut von April bis Juli 2005 einer Chemotherapie unterziehen müssen. Begründete Hoffnung auf eine dauerhafte Verbesserung oder gar Wiederherstellung des Gesundheitszustandes habe daher Ende Mai 2005 nicht mehr bestanden; vielmehr sei mit seinem baldigen Ableben zu rechnen gewesen. Im Zeitpunkt der Eheschließung seien der Klägerin und dem Versicherten der grundsätzliche lebensbedrohende Charakter der Erkrankung, mithin ihre tödlichen Folgen bekannt gewesen.

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Das Argument der Klägerin, sie habe den Versicherten aufgrund der noch nicht geschiedenen Ehe mit seiner 1. Frau nicht eher heiraten können, sei nicht geeignet, die Vermutung für das Vorliegen einer Versorgungsehe zu widerlegen. Ferner sei davon auszugehen, dass die Klägerin als Angestellte eines Autohauses nicht in vollem Umfang in der Lage gewesen sei, die Betreuung und Pflege des Verstorbenen zu sichern. Insgesamt sei die Beklagte daher der Auffassung, dass die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe in diesem Fall nicht widerlegt worden sei.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Rostock aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie hat sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie auf das angefochtene Urteil bezogen. Die Frage der Betreuung und Pflege des Verstorbenen habe sich bis September 2005, somit bis zur Aufnahme in das Krankenhaus nicht gestellt. Bis dahin seien Pflege und Betreuung nicht erforderlich gewesen, da der Versicherte einer Betreuung und Pflege nicht bedurft habe. Seit Beginn des Zusammenlebens im Juli/August 2004 habe er den Haushalt versorgt, sauber gemacht und gekocht, da das Kochen sein Hobby gewesen sei. Auch habe er den Garten versorgt. Zwar habe es immer mal Tage gegeben, an denen er sich nicht wohl gefühlt habe. Die Klägerin habe ihn zwar in der Regel auch zu den Arztterminen und zu den Behandlungen begleitet. Bis September 2005 sei der Versicherte jedoch in der Lage gewesen, sich selbst zu versorgen und sei ohne Pflege und Betreuung ausgekommen.

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Der Versicherte sei zudem wegen seiner vorherige Ehe gehindert gewesen, die Klägerin früher zu heiraten. Allein hierin habe ein objektiver Grund gelegen, der eine Versorgungsehe widerlege.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

45

Zu Recht hat das Sozialgericht die Beklagte zur Gewährung einer großen Witwenrente verurteilt. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. März 2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Dieser steht ein Anspruch auf große Witwenrente zu. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG den Begründungen der angegriffenen Entscheidung an und weist ergänzend auf Folgendes hin:

46

Zwar ist gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI, der mit Wirkung vom 1. Januar 2002 eingeführt worden ist und für alle seit dem 1. Januar 2002 geschlossenen Ehen gilt, § 242a Abs. 3 SGB VI, der Anspruch auf eine Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat Dies gilt indes nicht, wenn besondere Umständen des Falles die Annahme nicht rechtfertigen, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

47

Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat nur etwas mehr als 4 Monate, nämlich vom ... Mai 2005 bis zum ... Oktober 2005 dauern können, sodass der Tatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 1 SGB VI erfüllt ist. Es liegen aber besondere Umstände vor, auf Grund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme einer Versorgungsehe nicht gerechtfertigt ist.

48

Der Begriff der „besonderen Umstände“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der von den Rentenversicherungsträgern und den Sozialgerichten mit einem bestimmten Inhalt ausgefüllt werden muss und dessen Beurteilungsspielraum der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R -, juris Rn. 18).

49

Als besondere Umstände im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an (BSG, a.a.O. Rn. 21 mit weiteren Nachweisen auf seine Rechtsprechung). Die Annahme des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Die Beweggründe sind in der Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (BSG, a.a.O.). Deshalb reicht es aus, wenn lediglich für einen Ehegatten die Versorgungsabsicht nachweislich nicht maßgebend (überwiegend wichtig) gewesen ist.

50

Eine Beschränkung auf objektiv nach außen tretende Umstände bei der Ermittlung der Beweggründe für die Heirat bzw. des Zwecks der Heirat darf dabei nicht stattfinden, da dann die Möglichkeiten des hinterbliebenen Ehegatten, die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe zu entkräften, in unzulässiger Weise beschnitten würde. Eine abschließende Typisierung oder Pauschalisierung der von der Versorgungsabsicht verschiedenen Gründe im Rahmen des § 46 Abs. 2a SGB VI ist angesichts der Vielgestaltigkeit von Lebenssachverhalten nicht möglich. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Einzelfalles. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist, einzubeziehen.

51

Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand im Sinne des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten, hinsichtlich dessen bisher kein gesundheitliches Risiko eines bestehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt (plötzlich/unerwartet) eingetreten ist. Denn in diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat war, dem Ehegatten eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen (BSG, a.a.O. Rn. 26)

52

Im Gegenschluss wird bei einer Heirat zu einer Zeit, in der der Versicherte offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidet, regelmäßig der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt.

53

Der Versicherte hat vorliegend zur vollen Überzeugung des Senats am 26. Mai 2005 bereits an einer solchen Krankheit gelitten. Zu dieser Zeit waren schon Metastasen in der Leber gefunden worden. Selbst dann, wenn man bei einem kleinzelligen Bronchialkarzinom von zunächst - relativ - guten Heilungschancen ausgehen kann, weil eine Chemotherapie hier - zunächst - oft gut anschlägt (wie vorliegend auch dokumentiert), sind diese Perspektiven doch nachhaltig gerade dann verschlechtert, wenn es nach der Chemotherapie doch noch zu den vorliegenden Metastasierungen kommt.

54

Der Klägerin ist jedoch zuzugeben, dass die Hausärztin Dr. G. die Perspektiven im Zeitpunkt der Heirat optimistischer gesehen und dies dem Versicherten und der Klägerin zur Überzeugung des Senats auch mitgeteilt hat. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend geschildert, wie sie und der Versicherte sich bereits seit der ersten Diagnose auch auf hoffnungsvollere Befunde konzentriert hätten, obwohl ihnen (auch dies von Anbeginn) die Lebensbedrohlichkeit der Krankheit bewusst gewesen seien. Die Unsicherheit ihrer Prognosen wurde dabei durch weitere Widersprüche in den ärztlichen Einschätzungen gestützt. So stand der an die Hausärztin gerichtete Arztbrief des Internisten Dr. W. vom 09. Juni 2005 (deutliche Besserung trotz Lebermetastasen; dieser Befund sei mit dem Versicherten besprochen worden) in einigem Widerspruch zu dessen Befundbericht vom 07. Oktober 2008 an das Sozialgericht (bereits zum Zeitpunkt der Heirat sei mit einem baldigen Ableben zu rechnen gewesen). Die im Scheidungsverfahren von dem Versicherten offenbar vorgebrachten Gründe für eine Abtrennung des Versorgungsausgleichsverfahrens („schwere[s] Bronchialkarzinom“) legen indes wiederum nahe, dass die Klägerin und der Versicherte von Anbeginn der Krebserkrankung über den lebensbedrohlichen Charakter und die Möglichkeit auch eines baldigen Ablebens im Bilde waren, wenn sie auch - nachvollziehbar – die Hoffnung hatten, dass dies nicht eintreten würde. Das latente Wissen um eine grundsätzlich lebensbedrohliche gesundheitliche Erkrankung im Sinne einer Parallelwertung in der (medizinischen) Laiensphäre genügt aber in der Regel, um den Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI zu erfüllen.

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Jedoch ist auch bei einer solchen, nach objektiven Maßstäben schwere Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme („Vermutung“) einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden. Der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist nur dann erfüllt, wenn er gemäß § 202 SGG i. V. m. § 292 ZPO voll bewiesen ist, also in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 128 Rn. 3b). Wenn diese Überzeugung nicht vorliegt, treffen nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen denjenigen, der aus der Tatsache einen Anspruch begründen will, im vorliegenden Fall die Klägerin, da sie sich auf die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung beruft.

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Die Klägerin konnte die Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI daher nur widerlegen, wenn sie im vorgenannten Sinne des Vollbeweises nachgewiesen hat, dass ein der - vermuteten - Versorgungsabsicht zumindest gleichwertiger Heiratsgrund tragend war. Dies ist ihr gelungen.

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Denn sie konnte den Senat davon überzeugen, dass die Heirat hier in Verwirklichung einer innigen Liebesbeziehung erfolgte. Eine solche Beziehung reicht für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung für sich zwar regelmäßig noch nicht aus. Denn die Heirat muss sich darüber hinaus als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Krankheit bestehenden Entschlusses darstellen (vgl. Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 16. Oktober 2012 - L 11 R 392/11, zitiert nach Juris Randnummer 27, Urteil vom 22. Juni 2010 - L 11 R 1116/08 -). Dabei wird regelmäßig zu fragen sein, warum bei einem etwaig bereits länger bestehenden Heiratswunsch nicht früher geheiratet wurde (sondern erst nach Kenntnis der lebensbedrohlichen Krankheit). Gerade in der Beantwortung dieser Frage liegt aber eine Besonderheit des vorliegenden Falls: Denn die Klägerin und der Versicherte mussten vor ihrer Heirat die Scheidung des Versicherten abwarten. Dieser war noch im Trennungsjahr bei der Klägerin eingezogen; hierin und im Verkauf seines Hauses kann - mit dem Sozialgericht - ein hinreichendes Indiz für die behauptete ursprüngliche Heiratsabsicht gesehen werden. Beide Ereignisse standen in zeitlicher Nähe zur Erstdiagnose der Krankheit, dass sie als Resultat einer bereits vor der Erstdiagnose getroffenen Entscheidung plausibel sind; sie erfolgten jedenfalls weit vor der gravierenden Verschlimmerung durch die Lebermetastasierung. Die Heirat selbst erfolgte zwar erst nach dieser Diagnose, aber so zeitnah nach der - prozessual forcierten - Scheidung, dass sie jedenfalls aus einem bereits lange vor der Krankheitsverschlimmerung gefassten Entschluss resultieren konnte.

58

Ferner schließt sich der Senat dem Sozialgericht auch darin an, dass finanzielle Erwägungen vorliegend deshalb nicht ausschlaggebend für die Heirat gewesen seien dürften, weil die Klägerin der Hauptverdiener zu Lebzeiten des Versicherten gewesen ist. Zwar ist die Vermutung einer Versorgungsehe nicht nur dann gegeben, wenn mit der Heirat eine zukünftige Versorgung des hinterbliebenen Ehegatten beabsichtigt worden ist, sondern auch dann, wenn die spätere Versorgung nicht intendiert gewesen ist. Dem Gesetz kann nämlich nicht entnommen werden, dass die Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI nur bei solchen Witwern und Witwen gelten soll, die selbst keine eigenen ausreichenden Einkünfte haben (vgl. Urteil des Bayerischen LSG vom 18. April 2007 - L 19 R 603/04 - ). Bei der Zusammenschau möglicher Motive der Klägerin und des Versicherten für ihre Heirat ist die vorliegend auffällige Verkehrung der Einkommensverhältnisse zu Fällen (etwa dem vom BSG, a.a.O., beurteilten Fall), in denen Versicherte durch eine kurzfristige Heirat in den Genuss eines Zahlbetrages aus der Witwenrente kommen würden, nicht ohne indizielles Gewicht. Es stützt das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat anschaulich und überzeugend dargelegte Motiv, sie habe dem Versicherten durch die Verwirklichung des bereits vor der Erkrankung gemeinsam getroffenen Heiratswunsches vor allem in den sich abzeichnenden schweren Zeiten der lebensbedrohlichen Erkrankung beistehen wollen und hierdurch eine - der körperlichen Pflege äquivalente – krankheitslindernde und damit lebensverlängernde Hilfe gewähren wollen.

59

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

60

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil Gründe hierfür nicht ersichtlich sind, § 160 Abs. 2 SGG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 28. Nov. 2013 - L 4 R 102/10

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Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 28. Nov. 2013 - L 4 R 102/10 zitiert 11 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 46 Witwenrente und Witwerrente


(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht

Zivilprozessordnung - ZPO | § 292 Gesetzliche Vermutungen


Stellt das Gesetz für das Vorhandensein einer Tatsache eine Vermutung auf, so ist der Beweis des Gegenteils zulässig, sofern nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. Dieser Beweis kann auch durch den Antrag auf Parteivernehmung nach § 445 geführt we

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 140 Abtrennung


(1) Wird in einer Unterhaltsfolgesache oder Güterrechtsfolgesache außer den Ehegatten eine weitere Person Beteiligter des Verfahrens, ist die Folgesache abzutrennen. (2) Das Gericht kann eine Folgesache vom Verbund abtrennen. Dies ist nur zulässi

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 242a Witwenrente und Witwerrente


(1) Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente besteht ohne Beschränkung auf 24 Kalendermonate, wenn der Ehegatte vor dem 1. Januar 2002 verstorben ist. Dies gilt auch, wenn mindestens ein Ehegatte vor dem 2. Januar 1962 geboren ist und

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 16. Okt. 2012 - L 11 R 392/11

bei uns veröffentlicht am 16.10.2012

Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28.07.2010 wird zurückgewiesen.Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Tatbestand   1 Im Streit steht die Gewährung einer

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(1) Wird in einer Unterhaltsfolgesache oder Güterrechtsfolgesache außer den Ehegatten eine weitere Person Beteiligter des Verfahrens, ist die Folgesache abzutrennen.

(2) Das Gericht kann eine Folgesache vom Verbund abtrennen. Dies ist nur zulässig, wenn

1.
in einer Versorgungsausgleichsfolgesache oder Güterrechtsfolgesache vor der Auflösung der Ehe eine Entscheidung nicht möglich ist,
2.
in einer Versorgungsausgleichsfolgesache das Verfahren ausgesetzt ist, weil ein Rechtsstreit über den Bestand oder die Höhe eines Anrechts vor einem anderen Gericht anhängig ist,
3.
in einer Kindschaftsfolgesache das Gericht dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Verfahren ausgesetzt ist,
4.
seit der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags ein Zeitraum von drei Monaten verstrichen ist, beide Ehegatten die erforderlichen Mitwirkungshandlungen in der Versorgungsausgleichsfolgesache vorgenommen haben und beide übereinstimmend deren Abtrennung beantragen oder
5.
sich der Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass ein weiterer Aufschub unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte darstellen würde, und ein Ehegatte die Abtrennung beantragt.

(3) Im Fall des Absatzes 2 Nr. 3 kann das Gericht auf Antrag eines Ehegatten auch eine Unterhaltsfolgesache abtrennen, wenn dies wegen des Zusammenhangs mit der Kindschaftsfolgesache geboten erscheint.

(4) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 4 und 5 bleibt der vor Ablauf des ersten Jahres seit Eintritt des Getrenntlebens liegende Zeitraum außer Betracht. Dies gilt nicht, sofern die Voraussetzungen des § 1565 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen.

(5) Der Antrag auf Abtrennung kann zur Niederschrift der Geschäftstelle oder in der mündlichen Verhandlung zur Niederschrift des Gerichts gestellt werden.

(6) Die Entscheidung erfolgt durch gesonderten Beschluss; sie ist nicht selbständig anfechtbar.

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.
erwerbsgemindert sind.
Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.
erwerbsgemindert sind.
Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.

(1) Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente besteht ohne Beschränkung auf 24 Kalendermonate, wenn der Ehegatte vor dem 1. Januar 2002 verstorben ist. Dies gilt auch, wenn mindestens ein Ehegatte vor dem 2. Januar 1962 geboren ist und die Ehe vor dem 1. Januar 2002 geschlossen wurde.

(2) Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch Witwen oder Witwer, die

1.
vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig (§ 240 Abs. 2) sind oder
2.
am 31. Dezember 2000 bereits berufsunfähig oder erwerbsunfähig waren und dies ununterbrochen sind.

(3) Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch Witwen oder Witwer, die nicht mindestens ein Jahr verheiratet waren, wenn die Ehe vor dem 1. Januar 2002 geschlossen wurde.

(4) Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente besteht ab Vollendung des 45. Lebensjahres, wenn die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind und der Versicherte vor dem 1. Januar 2012 verstorben ist.

(5) Die Altersgrenze von 45 Jahren für die große Witwenrente oder große Witwerrente wird, wenn der Versicherte nach dem 31. Dezember 2011 verstorben ist, wie folgt angehoben:

Todesjahr
des Versicherten
Anhebung
um Monate
auf Alter
JahrMonat
20121451
20132452
20143453
20154454
20165455
20176456
20187457
20198458
20209459
2021104510
2022114511
202312460
202414462
202516464
202618466
202720468
2028224610
ab 202924470.

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.
erwerbsgemindert sind.
Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Stellt das Gesetz für das Vorhandensein einer Tatsache eine Vermutung auf, so ist der Beweis des Gegenteils zulässig, sofern nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. Dieser Beweis kann auch durch den Antrag auf Parteivernehmung nach § 445 geführt werden.

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.
erwerbsgemindert sind.
Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28.07.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Im Streit steht die Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung des verstorbenen A. T. (im Folgenden: Versicherter).
Die 1957 geborene Klägerin hatte den Versicherten nach ihren eigenen Angaben im Alter von 18 Jahren kennengelernt und lebte mit ihm seit 1980 in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Am 30.05.1981 wurde der Sohn, S. A. (im Folgenden: Zeuge A), geboren. Im gemeinsamen Haushalt lebte außerdem die Tochter der Klägerin, S. (im Folgenden: Zeugin S). Die Klägerin betreibt seit 1988 ein Autohaus.
Der 1945 in Tunesien geborene Versicherte hatte drei weitere Kinder, die bei ihren Müttern aufwuchsen. Er war im Autohaus der Klägerin beschäftigt. Wegen allgemeiner Mattigkeit und Atemnot suchte er im Juli 2006 seinen Hausarzt Dr. K. auf. Am 11.07.2006 wurde der Versicherte wegen starker Atemnot und Schmerzsymptomatik stationär aufgenommen. Dort wurde nach invasiver Diagnostik am 26.07.2006 ein kleinzelliges Bronchialkarzinom mit ausgeprägter Pleurakarzinose festgestellt (Tumorstadium T4 Nx M1). Der Versicherte wurde während seines Krankenhausaufenthalts vom 21.07. bis 02.08.2006 über den histologischen Befund eingehend informiert. Im Anschluss erfolgte eine ambulante Chemotherapie (insgesamt drei Zyklen vom 07.08.2006 bis 08.10.2006). Eine operative Behandlung mit der Zielsetzung einer Heilung war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich.
Am 10.10.2006 heirateten die Klägerin und der Versicherte. Mit Testament vom 24.10.2006 setzte der Versicherte die Klägerin als Alleinerbin ein. Wegen zunehmender Schmerzen begab sich der Versicherte am 03.11.2006 erneut in stationäre Behandlung, bei der eine Tumorprogression festgestellt wurde. Die Chemotherapie wurde sodann in veränderter Form fortgesetzt. Am 06.11.2006 beantragte der Versicherte bei der Beklagten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Der Antrag wurde in einen Rentenantrag umgedeutet. Die Beklagte bewilligte sodann eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.11.2006.
Nach einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Versicherten im Januar 2007 erfolgte eine Umstellung der Therapie in eine palliative Chemotherapie. Am 22.02.2007 verstarb der Versicherte.
Unter dem 20.04.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres Ehemannes. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06.06.2007 den Antrag der Klägerin ab. Es sei davon auszugehen, dass es sich um eine Versorgungsehe handele, da die tödlichen Folgen der Erkrankung des Versicherten bei der Eheschließung zu erwarten gewesen seien. Hiergegen legte die Klägerin am 19.06.2007 Widerspruch mit der Begründung ein, es habe sich nicht um eine Versorgungsehe gehandelt, da sie mit dem Versicherten einen volljährigen Sohn und seit über 25 Jahren in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt habe. Sie hätten vor vielen Jahren ein Wohnhaus gemeinsam erworben und schon seit längerer Zeit geplant zu heiraten. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 04.10.2007 hat die Klägerin beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Klägerin und der Versicherte hätten vor der Hochzeit schon seit 26 Jahren wie Ehepartner zusammengelebt. Bereits kurz nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes sei eine Hochzeit geplant gewesen. Wegen des Baus des gemeinsamen Hauses und des Baus eines weiteren Hauses in Tunesien sowie des Aufbaus des Autohauses sei die Eheschließung jedoch immer wieder aufgeschoben worden. Im Jahr 2000 seien die Heiratspläne sehr konkret geworden. Es sei ein Termin beim Standesamt vereinbart worden. Außerdem seien die erforderlichen Unterlagen (ua eine Befreiungsurkunde des OLG Stuttgart) und die finanziellen Mittel beschafft worden. Die Eheschließung sei bereits standesamtlich angemeldet, ein konkreter Termin aber noch nicht geplant gewesen. Kurz darauf sei die Klägerin erkrankt und in der Folge psychiatrisch (ua stationär) behandelt worden, weshalb die Hochzeit erneut verschoben worden sei. Die Klägerin sei dann bis 2003/2004 in Behandlung gewesen. Als der Versicherte im Juli 2006 an Krebs erkrankt sei, habe er die Art und Schwere der Krankheit seiner Ehefrau und seinen Kindern verschwiegen. Im Oktober und November 2006 sei der Versicherte wie gewohnt jeden Morgen in die Autowerkstatt gegangen. Er habe immer wieder versichert, dass seine Krankheit ausheilen werde. Erst bei seiner Einlieferung ins Krankenhaus im Februar 2007 hätten die Kinder von der Diagnose erfahren. Sie hätten beschlossen, die Diagnose vor der Klägerin zu verschweigen. Auch von Dr. K. sei die Ehefrau nicht über die Schwere der Krankheit aufgeklärt worden. Bis zu seinem Tod sei die Klägerin davon ausgegangen, dass die Krankheit heilbar sei. Im September 2006 sei der Termin für die Hochzeit vereinbart worden. Der Versicherte habe aufgrund der ungeordneten Vermögens- und Familienverhältnisse auf eine baldige Heirat gedrängt. Der Versicherte habe vermeiden wollen, dass die gemeinsam aufgebaute Werkstatt und das gemeinsame Haus an seine anderen Kinder oder seine erste Ehefrau gehen. Schon frühzeitig sei der Steuerberater E. S. (im Folgenden: Zeuge Stb) eingebunden gewesen. Es sollten hohe Pflichtteilsansprüche gegen die Klägerin sowie hohe Erbschaftssteuern verhindert werden. Auch die geplante Erbschaftssteuerreform habe dabei eine Rolle gespielt. Zudem sollte es dem gemeinsamen Sohn durch die Heirat ermöglicht werden, als sodann ehelicher Sohn das Erbe des Versicherten in Tunesien anzutreten. Der Zeuge Stb habe dem Versicherten zur sofortigen Heirat geraten. Rentenansprüche oder Versorgungsleistungen seien in diesen Gesprächen nicht diskutiert worden. Die Klägerin habe an diesen Gesprächen nicht teilgenommen. Der Versicherte habe den Zeugen Stb als seinen Freund und Vertrauten ausdrücklich darum gebeten, die Klägerin nicht über die Art und Schwere seiner Erkrankung und die erörterten Fragen zu unterrichten. Der Klägerin sei es wichtig gewesen – und habe deshalb die Hochzeitspläne unterstützt – dem Versicherten zu zeigen, dass sie gerade auch in den Zeiten einer schweren Erkrankung zu ihm stehe. Dies werde auch durch die für April 2007 geplante Hochzeitsreise nach Tunesien dokumentiert. Dort hätten die Eheleute auch die Eheringe kaufen wollen. Vor diesem Hintergrund sei eine Versorgungsehe widerlegt. Letztlich sei die Klägerin ohnehin nicht auf den Erhalt einer Hinterbliebenenrente angewiesen, da sie als Inhaberin des Autohaues ausreichende Einkünfte erziele. Die Eheleute seien wirtschaftlich voneinander unabhängig gewesen und hätten Einkünfte in derselben Größenordnung erzielt.
Das SG hat Dr. K. als sachverständigen Zeugen schriftlich befragt. Er hat angegeben, dass die im Rahmen der stationären Behandlung festgestellte Pleurakarzinose der Grund gewesen sei, warum eine operative Behandlung mit der Zielsetzung einer Heilung zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr möglich gewesen sei. Er habe schon zu diesem Zeitpunkt mit dem Versicherten über die Diagnose und die sehr fraglichen Heilungschancen gesprochen. Als Anhalt für den bereits zu diesem Zeitpunkt schlechten Allgemeinzustand und die gesamte gesundheitliche Problematik möge auch gelten, dass der Versicherte bereits während dieser Krankheitsphase stärkste Schmerzmittel (Morphinpräparate) erhalten habe. Im Januar 2007 habe er ein ausführliches Gespräch mit der Klägerin geführt.
In der mündlichen Verhandlung vom 28.07.2010 haben die Zeugen A, S und Stb uneidlich ausgesagt. Der Zeuge A hat ausgesagt, dass seine Eltern schon im Jahr 2000 geplant hatten, zu heiraten. Aufgrund der Erkrankung seiner Mutter habe die Hochzeit dann nicht stattgefunden. Es sei aber alles „unter Dach und Fach“ gewesen. Auch danach sei das Thema nie ganz aus der Welt gewesen. Die Hochzeit im Jahr 2006 habe im kleinen Kreis stattgefunden. Ein großes Fest sollte danach stattfinden. Konkrete Pläne habe es noch nicht gegeben. Eine Hochzeitsreise sei angedacht gewesen. Er habe im Sommer 2006 erfahren, dass sein Vater an Lungenkrebs erkrankt sei. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass sein Vater daran sterben könne. Die Zeugin S hat ausgesagt, man habe in der Familie immer wieder über das Thema Hochzeit gesprochen. Im Jahr 2000 seien die Papiere da gewesen. Ein konkretes Datum habe es noch nicht gegeben. Aufgrund der Erkrankung ihrer Mutter habe die Hochzeit nicht stattgefunden. Bei der Hochzeit im Jahr 2006 seien nur das Brautpaar, ihr Bruder und sie zugegen gewesen. Trauzeugen habe es nicht gegeben. Es sollte im Jahr darauf, nach der Genesung des Versicherten, groß gefeiert werden. Sie habe gewusst, dass der Versicherte an Krebs erkrankt sei. Er habe aber immer wieder gesagt, dass er schon wieder gesund werde. Sie habe natürlich gewusst, dass es schwierig werden könne. Sie habe natürlich auch mit ihrer Mutter über die Krankheit gesprochen. Man habe im Internet über die Krankheit recherchiert. Während der Behandlungen sei es dem Versicherten immer etwas schlechter gegangen, danach aber wieder ziemlich gut. Sie habe nie gedacht, dass der Versicherte sterben könne. Der Zeuge Stb hat ausgesagt, er sei seit Beginn des Betriebs des Autohauses der Steuerberater der Familie. Er habe Mitte/Ende 2006 von der Krankheit des Versicherten erfahren und immer offen mit ihm darüber gesprochen. Er sei davon ausgegangen, dass der Versicherte jedenfalls noch zwei oder drei Jahre leben werde. Im Frühjahr 2006 sei im Rahmen der Bilanzerstellung für das Autohaus über die bevorstehende Erbschaftssteuerreform gesprochen worden. Er habe ihn auf die erbrechtlichen Folgen hingewiesen, wenn er unverheiratet bliebe. Die Klägerin oder die Zeugen S und A seien nie zugegen gewesen. Unmittelbar vor der Hochzeit sei über die erbrechtlichen Angelegenheiten nicht mehr gesprochen worden. Ungefähr 10 bis 14 Tage nach der Hochzeit sei das Testament erstellt worden. Über Rentenanwartschaften oder eine sonstige Altersvorsorge der Klägerin habe er nichts gewusst. Der Versicherte sei nicht am Autohaus beteiligt gewesen.
10 
Mit Urteil vom 28.07.2010 (der Klägerin zugestellt am 10.11.2011) hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Gericht sei nicht davon überzeugt, dass die Klägerin mit dem Versicherten keine Versorgungsehe eingegangen sei. Hierfür spreche, dass der Versicherte bei der Eheschließung offenkundig an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten habe. Hieran ändere der Umstand nichts, dass der Tod nicht unmittelbar bevorgestanden habe bzw die Möglichkeit bestanden habe, dass der Versicherte das erste Ehejahr überleben werde. Sie hätten mit einem tödlichen Verlauf der Krankheit rechnen müssen. Auch der Klägerin sei die Gefährlichkeit der Erkrankung bewusst gewesen. Für den Versorgungszweck der Ehe sprächen auch die Umstände der Hochzeit ohne Trauzeugen und größere Feier. Weder die langjährige eheähnliche Lebensgemeinschaft noch die Kontaktaufnahme mit dem Standesamt im Jahr 2000 reichten aus, um die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen. Zwar könne daraus der Schluss gezogen werden, dass die eheähnliche Lebensgemeinschaft mit der Eheschließung nur ihren rechtsförmlichen Vollzug erhalten habe. Die Heiratspläne vor der Erkrankung des Versicherten hätten sich jedoch nicht wesentlich konkretisiert. Zudem sei die Versorgung der Klägerin nicht gesichert, da die Höhe des Gewinns aus ihrer selbständigen Tätigkeit Schwankungen unterlägen. Zu einem anderen Ergebnis führe auch nicht der Umstand, dass mit der Hochzeit die erbrechtliche Situation geregelt werden sollte. Weder die Zeugen noch die Klägerin hätten angegeben, dass nach den Beratungen durch den Zeugen Stb im Frühjahr 2006 schon eine Hochzeit verstärkt in Betracht gezogen worden sei. Die von der Klägerin angegebenen Motive für die Hochzeit, nämlich dem Versicherten Mut zu machen, überwiegten in der Gesamtabwägung der Umstände nicht.
11 
Am 26.01.2011 hat die Klägerin beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die vom SG vorgenommene Gesamtbetrachtung und Abwägung sei lücken- und fehlerhaft. Die Gründe für die Hochzeit überwiegten den Versorgungszweck. Jedenfalls seien die Gründe gleichwertig. Gegen eine Versorgungsehe spreche, dass das Thema einer Versorgungsrente weder vor noch nach der Hochzeit vom Versicherten angesprochen worden sei. Es sei insbesondere nicht Gegenstand der Besprechungen mit dem Zeugen Stb gewesen. Die Klägerin sei auf eine Versorgung nicht angewiesen. Der Zeuge Stb und der Versicherte seien zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin im Todesfall als testamentarische Alleinerbin unter Berücksichtigung ihres eigenen Vermögens, ihrer eigenen Einkünfte (auch aus Vermietung) und der Aussicht auf eine Lebensversicherung ausreichend versorgt sei. Die Familie sei zudem nicht über die Schwere der Erkrankung informiert gewesen. Es sei eine größere Hochzeit in Tunesien geplant gewesen. Gegen eine Versorgungsehe spreche weiter, dass die Klägerin und der Versicherte seit 26 Jahren wie ein Ehepaar zusammen lebten und schon im Jahr 2000 eine Heirat geplant hatten. Motiv des Versicherten sei es gewesen, die erbrechtlichen Folgen bei Nichtverheiratung zu vermeiden. Motiv der Klägerin sei es gewesen, den Versicherten nicht im Stich zu lassen und ihm Mut zu machen, zumal sie eine Hochzeit „immer wieder im Hinterkopf“ gehabt hätten.
12 
Die Klägerin beantragt,
13 
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28.07.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 06.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem 23.03.2007 große Witwenrente zu gewähren,
hilfsweise den Steuerberater S. dazu zu hören, dass eine Witwenrente nie Thema der Gespräche mit dem Verstorbenen gewesen sei.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Zur Begründung hat die Beklagte auf die angefochtenen Bescheide, ihren Vortrag beim SG sowie die Ausführungen im Urteil verwiesen.
17 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die nach den §§ 143, 144 Abs 1 Nr 1, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 06.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
19 
Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht entgegen, dass die Berufung noch vor Zustellung des Urteils an die Klägerin eingelegt wurde. Die Zustellung kann nachgeholt werden. Ist das – wie hier – geschehen, so hat das Rechtsmittelgericht über ein Rechtsmittel, das nach der Verkündung, aber vor der ordnungsgemäßen Zustellung des Urteils eingelegt ist, sachlich zu entscheiden (BGH 15.06.1960, IV ZR 16/60, BGHZ 32, 370).
20 
Nach § 46 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, ua dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 22.02.2007 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs 1 SGB VI erfüllt hatte. Sie hatte im Zeitpunkt des Todes des Versicherten auch das 45. Lebensjahr vollendet.
21 
Gemäß § 46 Abs 2a SGB VI, der mit Wirkung vom 01.01.2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz vom 21.03.2001 (BGBl I 403) eingeführt worden ist und für alle seit dem 01.01.2002 geschlossenen Ehen gilt (vgl § 242a Abs 3 SGB VI), ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
22 
Der Begriff der "besonderen Umstände" gemäß § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Beurteilung der richterlichen Kontrolle unterliegt (BSG 03.09.1986, 9a RV 8/84, SozR 3100 § 38 Nr 5). Was unter den "besonderen Umständen" des Falles gemäß § 46 Abs 2a SGB VI zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht näher definiert. Da die Vorschrift des § 46 Abs 2a SGB VI jedoch bewusst den entsprechenden Vorschriften in der gesetzlichen Unfallversicherung und der Kriegsopferversorgung nachgebildet ist, kann an die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Begriff der "besonderen Umstände" in diesen Bestimmungen angeknüpft werden (BSG 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, SozR 4-2600 § 46 Nr 6). Daher sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles als "besondere Umstände" im Sinne des § 46 Abs 2a SGB VI anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Maßgebend sind die Beweggründe beider Ehegatten, wobei die Annahme einer sogenannten Versorgungsehe nur dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Die Beweggründe sind in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (BSG 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, SozR 4-2600 § 46 Nr 6). Deshalb reicht es aus, wenn lediglich für einen Ehegatten die Versorgungsabsicht nachweislich nicht maßgebend gewesen ist. Eine Beschränkung auf objektiv nach außen tretende Umstände bei der Ermittlung der Beweggründe für die Heirat bzw des Zweckes der Heirat darf nicht stattfinden, da dann die Möglichkeiten des hinterbliebenen Ehegatten, die gesetzliche Annahme eine Versorgungsehe zu entkräften, in unzulässiger Weise beschnitten würden. Allerdings sind die von dem hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung einzustellen.
23 
Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung erfordert gemäß § 202 SGG iVm § 292 der Zivilprozessordnung den vollen Beweis des Gegenteils (vgl BSG 03.09.1986, 9a RV 8/84, SozR 3100 § 38 Nr 5). Der Vollbeweis erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist erst bewiesen, wenn alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon oder einen so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit zu begründen, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt (BSG 06.02.2003, B 7 AL 12/02 R, juris mwN; BSG 28.06.2000, B 9 VG 3/99 R, SozR 3-3900 § 15 Nr 3 mwN). Wenn eine solche erforderliche Überzeugung nicht vorliegt, treffen nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen denjenigen, der aus der Tatsache einen Anspruch begründen will, im vorliegenden Fall die Klägerin, da sie sich auf die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung beruft (Meyer-Ladewig/Leitherer/Keller, SGG, § 103 RdNr 6a und § 118 RdNr 6 mwN).
24 
Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert, nämlich vom 10.10.2006 bis 22.02.2007. Zur Überzeugung des Senats liegen auch keine besonderen Umstände im Sinne des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI vor.
25 
Vorliegend ist als ein die Annahme einer Versorgungsehe bestätigender äußerer Umstand anzusehen, dass der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits offenkundig an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten hat. Im Juli 2006 wurde beim Versicherten ein kleinzelliges Bronchialkarzinom mit ausgeprägter Pleurakarzinose im Tumorstadium T4 Nx M1 festgestellt. Die T-Kategorie, die die Ausdehnung des Primärtumors beschreibt, reicht von T1 bis T4. Die N-Kategorie betrifft den Lymphknotenbefall, wobei Nx bedeutet, dass eine Auswertung nicht möglich ist. Der Faktor M1 beschreibt eine Fernmetastase (zur TNM-Klassifikation: Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage). Bei den Untersuchungen während des stationären Krankenhausaufenthalts vom 21.07. bis 02.08.2006 wurde eine ausgeprägte Pleurakarzinose mit Ergussbildung festgestellt. Dies ergibt sich aus dem Arztbrief der Fachkliniken Wangen vom 07.08.2006. Das heißt, das bestehende Bronchialkarzinom hatte bereits zu einer Beteiligung des Rippen- und Lungenfells geführt. Dies war auch der Grund, weshalb eine operative Behandlung mit der Zielsetzung einer Heilung bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich war. Dies entnimmt der Senat der schriftlichen Auskunft des behandelnden Arztes vom 04.06.2008. Damit steht zweifelsfrei fest, dass der Versicherte zum Zeitpunkt der Heirat an einer lebensbedrohenden Krankheit litt. Zwar ging es dem Versicherten nach den Angaben der Zeugen nicht während, aber nach den Chemotherapie-Behandlungen immer wieder besser. Er ging auch zeitweise seiner Arbeit nach. Dies widerspricht aber nicht der hier allein maßgebenden Tatsache, dass den Eheleuten die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung bei der Heirat durchaus bewusst war. Der Versicherte wurde von seinen Ärzten umfassend aufgeklärt, drängte aufgrund seiner ungeordneten Vermögens- und Familienverhältnisse auf eine baldige Heirat und erstellte kurz nach der Hochzeit sein Testament, in dem er die Klägerin als Alleinerbin einsetzte. Dabei war auch der Klägerin die lebensbedrohliche Situation bewusst. Selbst wenn der Versicherte – wie von der Klägerin vorgetragen – nicht offen mit ihr über seine Erkrankung geredet haben sollte, war ihr jedenfalls die Diagnose bekannt. Nach Aussage der Zeugin S wurde im Internet recherchiert und in der Familie über die Krankheit gesprochen. Zudem war der Versicherte nach Aussage des Arztes Dr. K. damals schon in einem sehr schlechten Allgemeinzustand. Er nahm Morphinpräparate und wurde chemotherapeutisch behandelt. Schließlich musste der Klägerin auch aufgrund der offensichtlichen Eile, in der die Hochzeit durchgeführt wurde, der Ernst der Lage bewusst sein. Die Heirat wurde kurzfristig, ohne größere Planungen durchgeführt. Es wurden weder Trauzeugen hinzugezogen noch Eheringe ausgetauscht. Bei der standesamtlichen Hochzeit waren lediglich die Zeugen S und A zugegen. Die eigentliche Feier sollte zu einem späteren, noch unbestimmten Zeitpunkt nachgeholt werden. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass beiden Eheleuten der Ernst der Erkrankung bewusst war.
26 
Im Fall einer Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten ist der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI in der Regel nicht erfüllt. Gleichwohl ist dadurch der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dennoch - überwiegend oder zumindest gleichwertig - aus anderen als Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen inneren und äußeren Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist. Mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit der Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit dieses Umstands zum Zeitpunkt der Eheschließung steigt deshalb zugleich der Grad des Zweifels am Vorliegen solcher "besonderen Umstände", die vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisen sind (BSG 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, BSGE 103, 99; BSG 06.05.2010, B 13 R 134/08 R, juris).
27 
Die Klägerin hat hinreichend gewichtige, gegen eine Versorgungsehe sprechende Umstände nicht nachgewiesen. Das langjährige Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, der gemeinsame Sohn und die gemeinsam geschaffenen Werte bilden vorliegend keine solchen gewichtigen Umstände. Der Wunsch, der beiderseitigen Liebesbeziehung nach langjährigem eheähnlichem Zusammenleben mit dem Versicherten den "offiziellen Segen" zu geben und sie damit auch formal und rechtlich zu manifestieren, ist zwar nicht von vornherein - losgelöst von den Umständen des konkreten Einzelfalls - ungeeignet, einen besonderen Umstand anzunehmen (BSG 06.05.2010, B 13 R 134/08 R, juris). Allein das Bestehen einer innigen Liebesbeziehung und die wiederholte Äußerung von Heiratsabsichten reichen für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung jedoch nicht aus (LSG Berlin-Brandenburg 08.04.1999, L 3 U 99/97, juris). Die Heirat muss sich als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Krankheit bestehenden Entschlusses darstellen (Urteil des Senats vom 22.06.2010, L 11 R 1116/08, mit Verweis auf: Hessischer Verwaltungsgerichtshof 16.02.2007, FamRZ 2004, 1771). Hiervon konnte sich der Senat nicht überzeugen. Zwar gab es Hochzeitspläne in der Vergangenheit. Im Jahr 2000 wurden Unterlagen beschafft und das Aufgebot bestellt. Ein Termin für die Hochzeit wurde jedoch nicht vereinbart. Lediglich abstrakte Pläne zur Heirat, ohne entsprechende Vorbereitungen und ohne definitiv ins Auge gefassten Termin, reichen nicht aus, um einen bereits vor dem Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung gefassten Heiratsentschluss annehmen zu können (vgl LSG Baden-Württemberg 16.11.2010, L 11 R 1135/10, mwN). Aber selbst bei Annahme hinreichend konkreter Heiratsabsichten im Jahr 2000 fehlt es an einer konsequenten Verwirklichung der Absichten. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum die Hochzeit nicht nach Genesung der Klägerin im Jahr 2004 nachgeholt wurde. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Pläne aufgegeben wurden oder jedenfalls in Vergessenheit gerieten. Damit aber fehlt es an einer konsequenten Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von dem lebensbedrohlichen Charakter einer Erkrankung bestehenden Heiratsentschlusses.
28 
Nicht gegen den Versorgungszweck spricht außerdem, dass nach dem eigenen Vortrag der Klägerin die ungeordneten Vermögens- und Familienverhältnisse der Beweggrund des Versicherten für die Heirat waren. Die gemeinsam aufgebaute Werkstatt und das gemeinsame Haus sollten vor Zugriffen der anderen Kinder des Versicherten und der ersten Ehefrau geschützt und hohe Pflichtteilsansprüche gegen die Klägerin sowie hohe Erbschaftssteuern verhindert werden. Die erb- und steuerrechtlichen Folgen, die mit jeder Eheschließung verbunden sind, sprechen für sich genommen weder für noch gegen eine Versorgungsehe. Entscheidend kommt es auch insoweit auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die angeführten tatsächlichen Verhältnisse - ua die gemeinsam aufgebaute Werkstatt und das gemeinsame Haus - schon lange vor der Eheschließung vorgelegen hatten. Deshalb kommt es entscheidend darauf an, weshalb diese Gesichtspunkte erst so spät eine maßgebliche Rolle gespielt haben sollen. Da auch solche privatrechtlichen Ansprüche die Klägerin im weitesten Sinne „versorgen“, sprechen diese Überlegungen in der vorliegenden Konstellation nicht gegen die Vermutung einer Versorgungsehe. Wird die Ehe nach Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung auch aus erbrechtlichen und steuerrechtlichen Gründe eingegangen, spricht dies im Gegenteil vielmehr für eine Versorgungsehe.
29 
Unerheblich ist, ob bei den Gesprächen des Versicherten mit dem Steuerberater S. die Witwenrente ein Thema gewesen ist. Aus diesem Grund wird der in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellte Beweisantrag auf erneute Vernehmung des Zeugen Stb abgelehnt. Es genügt für die Annahme einer Versorgungsehe iSd § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI, wenn sich die Absicht der Versorgung des Ehegatten auch auf dessen Versorgung mit privaten Vermögenswerten bezieht und eine Versorgung mit Ansprüchen der gesetzlichen Rentenversicherung daneben nicht bedacht worden ist oder wirtschaftlich nicht ins Gewicht fällt (LSG Baden-Württemberg 12.04.2011, L 13 R 203/11, juris). Abgesehen davon, ist das finanzielle Interesse der Klägerin an der Hinterbliebenenrente trotz ihrer gegenteiligen Beteuerungen offenkundig. Sie mag zwar aufgrund ihrer Vermögensverhältnisse und als Inhaberin des Autohauses derzeit eine gewisse finanzielle Absicherung haben. Das SG hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Gewinne aus der selbständigen Tätigkeit erfahrungsgemäß Schwankungen unterliegen. Außerdem können Gewinne nur solange erzielt werden, wie die Klägerin Inhaberin des Autohauses ist. Dadurch wird das finanzielle Interesse an einer monatlichen Hinterbliebenenrente nicht gemindert. Ferner darf nicht übersehen werden, dass neben dem Gewinn, den die Klägerin erzielte, auch der Arbeitslohn des Versicherten, der nach dem Vortrag der Klägerin ebenso hoch ausfiel wie der Gewinn, dem „Familieneinkommen“ zufloss. Nach dem Tod des Versicherten wird das durch ihn erwirtschaftete Einkommen fehlen.
30 
Bei der gebotenen Gesamtabwägung tritt das von der Klägerin angegebene Motiv, dem Versicherten Mut zu machen und ihn nicht im Stich zu lassen, angesichts der Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung im Zeitpunkt der Eheschließung zur Überzeugung des Senats nicht als zumindest gleichwertiges Motiv mindestens eines Ehegatten neben das Versorgungsmotiv. Ein Anspruch auf Witwenrente scheidet daher aus.
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
32 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
18 
Die nach den §§ 143, 144 Abs 1 Nr 1, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 06.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
19 
Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht entgegen, dass die Berufung noch vor Zustellung des Urteils an die Klägerin eingelegt wurde. Die Zustellung kann nachgeholt werden. Ist das – wie hier – geschehen, so hat das Rechtsmittelgericht über ein Rechtsmittel, das nach der Verkündung, aber vor der ordnungsgemäßen Zustellung des Urteils eingelegt ist, sachlich zu entscheiden (BGH 15.06.1960, IV ZR 16/60, BGHZ 32, 370).
20 
Nach § 46 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, ua dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 22.02.2007 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs 1 SGB VI erfüllt hatte. Sie hatte im Zeitpunkt des Todes des Versicherten auch das 45. Lebensjahr vollendet.
21 
Gemäß § 46 Abs 2a SGB VI, der mit Wirkung vom 01.01.2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz vom 21.03.2001 (BGBl I 403) eingeführt worden ist und für alle seit dem 01.01.2002 geschlossenen Ehen gilt (vgl § 242a Abs 3 SGB VI), ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
22 
Der Begriff der "besonderen Umstände" gemäß § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Beurteilung der richterlichen Kontrolle unterliegt (BSG 03.09.1986, 9a RV 8/84, SozR 3100 § 38 Nr 5). Was unter den "besonderen Umständen" des Falles gemäß § 46 Abs 2a SGB VI zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht näher definiert. Da die Vorschrift des § 46 Abs 2a SGB VI jedoch bewusst den entsprechenden Vorschriften in der gesetzlichen Unfallversicherung und der Kriegsopferversorgung nachgebildet ist, kann an die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Begriff der "besonderen Umstände" in diesen Bestimmungen angeknüpft werden (BSG 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, SozR 4-2600 § 46 Nr 6). Daher sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles als "besondere Umstände" im Sinne des § 46 Abs 2a SGB VI anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Maßgebend sind die Beweggründe beider Ehegatten, wobei die Annahme einer sogenannten Versorgungsehe nur dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Die Beweggründe sind in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (BSG 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, SozR 4-2600 § 46 Nr 6). Deshalb reicht es aus, wenn lediglich für einen Ehegatten die Versorgungsabsicht nachweislich nicht maßgebend gewesen ist. Eine Beschränkung auf objektiv nach außen tretende Umstände bei der Ermittlung der Beweggründe für die Heirat bzw des Zweckes der Heirat darf nicht stattfinden, da dann die Möglichkeiten des hinterbliebenen Ehegatten, die gesetzliche Annahme eine Versorgungsehe zu entkräften, in unzulässiger Weise beschnitten würden. Allerdings sind die von dem hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung einzustellen.
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Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung erfordert gemäß § 202 SGG iVm § 292 der Zivilprozessordnung den vollen Beweis des Gegenteils (vgl BSG 03.09.1986, 9a RV 8/84, SozR 3100 § 38 Nr 5). Der Vollbeweis erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist erst bewiesen, wenn alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon oder einen so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit zu begründen, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt (BSG 06.02.2003, B 7 AL 12/02 R, juris mwN; BSG 28.06.2000, B 9 VG 3/99 R, SozR 3-3900 § 15 Nr 3 mwN). Wenn eine solche erforderliche Überzeugung nicht vorliegt, treffen nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen denjenigen, der aus der Tatsache einen Anspruch begründen will, im vorliegenden Fall die Klägerin, da sie sich auf die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung beruft (Meyer-Ladewig/Leitherer/Keller, SGG, § 103 RdNr 6a und § 118 RdNr 6 mwN).
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Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert, nämlich vom 10.10.2006 bis 22.02.2007. Zur Überzeugung des Senats liegen auch keine besonderen Umstände im Sinne des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI vor.
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Vorliegend ist als ein die Annahme einer Versorgungsehe bestätigender äußerer Umstand anzusehen, dass der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits offenkundig an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten hat. Im Juli 2006 wurde beim Versicherten ein kleinzelliges Bronchialkarzinom mit ausgeprägter Pleurakarzinose im Tumorstadium T4 Nx M1 festgestellt. Die T-Kategorie, die die Ausdehnung des Primärtumors beschreibt, reicht von T1 bis T4. Die N-Kategorie betrifft den Lymphknotenbefall, wobei Nx bedeutet, dass eine Auswertung nicht möglich ist. Der Faktor M1 beschreibt eine Fernmetastase (zur TNM-Klassifikation: Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage). Bei den Untersuchungen während des stationären Krankenhausaufenthalts vom 21.07. bis 02.08.2006 wurde eine ausgeprägte Pleurakarzinose mit Ergussbildung festgestellt. Dies ergibt sich aus dem Arztbrief der Fachkliniken Wangen vom 07.08.2006. Das heißt, das bestehende Bronchialkarzinom hatte bereits zu einer Beteiligung des Rippen- und Lungenfells geführt. Dies war auch der Grund, weshalb eine operative Behandlung mit der Zielsetzung einer Heilung bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich war. Dies entnimmt der Senat der schriftlichen Auskunft des behandelnden Arztes vom 04.06.2008. Damit steht zweifelsfrei fest, dass der Versicherte zum Zeitpunkt der Heirat an einer lebensbedrohenden Krankheit litt. Zwar ging es dem Versicherten nach den Angaben der Zeugen nicht während, aber nach den Chemotherapie-Behandlungen immer wieder besser. Er ging auch zeitweise seiner Arbeit nach. Dies widerspricht aber nicht der hier allein maßgebenden Tatsache, dass den Eheleuten die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung bei der Heirat durchaus bewusst war. Der Versicherte wurde von seinen Ärzten umfassend aufgeklärt, drängte aufgrund seiner ungeordneten Vermögens- und Familienverhältnisse auf eine baldige Heirat und erstellte kurz nach der Hochzeit sein Testament, in dem er die Klägerin als Alleinerbin einsetzte. Dabei war auch der Klägerin die lebensbedrohliche Situation bewusst. Selbst wenn der Versicherte – wie von der Klägerin vorgetragen – nicht offen mit ihr über seine Erkrankung geredet haben sollte, war ihr jedenfalls die Diagnose bekannt. Nach Aussage der Zeugin S wurde im Internet recherchiert und in der Familie über die Krankheit gesprochen. Zudem war der Versicherte nach Aussage des Arztes Dr. K. damals schon in einem sehr schlechten Allgemeinzustand. Er nahm Morphinpräparate und wurde chemotherapeutisch behandelt. Schließlich musste der Klägerin auch aufgrund der offensichtlichen Eile, in der die Hochzeit durchgeführt wurde, der Ernst der Lage bewusst sein. Die Heirat wurde kurzfristig, ohne größere Planungen durchgeführt. Es wurden weder Trauzeugen hinzugezogen noch Eheringe ausgetauscht. Bei der standesamtlichen Hochzeit waren lediglich die Zeugen S und A zugegen. Die eigentliche Feier sollte zu einem späteren, noch unbestimmten Zeitpunkt nachgeholt werden. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass beiden Eheleuten der Ernst der Erkrankung bewusst war.
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Im Fall einer Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten ist der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI in der Regel nicht erfüllt. Gleichwohl ist dadurch der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dennoch - überwiegend oder zumindest gleichwertig - aus anderen als Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen inneren und äußeren Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist. Mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit der Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit dieses Umstands zum Zeitpunkt der Eheschließung steigt deshalb zugleich der Grad des Zweifels am Vorliegen solcher "besonderen Umstände", die vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisen sind (BSG 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, BSGE 103, 99; BSG 06.05.2010, B 13 R 134/08 R, juris).
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Die Klägerin hat hinreichend gewichtige, gegen eine Versorgungsehe sprechende Umstände nicht nachgewiesen. Das langjährige Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, der gemeinsame Sohn und die gemeinsam geschaffenen Werte bilden vorliegend keine solchen gewichtigen Umstände. Der Wunsch, der beiderseitigen Liebesbeziehung nach langjährigem eheähnlichem Zusammenleben mit dem Versicherten den "offiziellen Segen" zu geben und sie damit auch formal und rechtlich zu manifestieren, ist zwar nicht von vornherein - losgelöst von den Umständen des konkreten Einzelfalls - ungeeignet, einen besonderen Umstand anzunehmen (BSG 06.05.2010, B 13 R 134/08 R, juris). Allein das Bestehen einer innigen Liebesbeziehung und die wiederholte Äußerung von Heiratsabsichten reichen für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung jedoch nicht aus (LSG Berlin-Brandenburg 08.04.1999, L 3 U 99/97, juris). Die Heirat muss sich als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Krankheit bestehenden Entschlusses darstellen (Urteil des Senats vom 22.06.2010, L 11 R 1116/08, mit Verweis auf: Hessischer Verwaltungsgerichtshof 16.02.2007, FamRZ 2004, 1771). Hiervon konnte sich der Senat nicht überzeugen. Zwar gab es Hochzeitspläne in der Vergangenheit. Im Jahr 2000 wurden Unterlagen beschafft und das Aufgebot bestellt. Ein Termin für die Hochzeit wurde jedoch nicht vereinbart. Lediglich abstrakte Pläne zur Heirat, ohne entsprechende Vorbereitungen und ohne definitiv ins Auge gefassten Termin, reichen nicht aus, um einen bereits vor dem Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung gefassten Heiratsentschluss annehmen zu können (vgl LSG Baden-Württemberg 16.11.2010, L 11 R 1135/10, mwN). Aber selbst bei Annahme hinreichend konkreter Heiratsabsichten im Jahr 2000 fehlt es an einer konsequenten Verwirklichung der Absichten. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum die Hochzeit nicht nach Genesung der Klägerin im Jahr 2004 nachgeholt wurde. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Pläne aufgegeben wurden oder jedenfalls in Vergessenheit gerieten. Damit aber fehlt es an einer konsequenten Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von dem lebensbedrohlichen Charakter einer Erkrankung bestehenden Heiratsentschlusses.
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Nicht gegen den Versorgungszweck spricht außerdem, dass nach dem eigenen Vortrag der Klägerin die ungeordneten Vermögens- und Familienverhältnisse der Beweggrund des Versicherten für die Heirat waren. Die gemeinsam aufgebaute Werkstatt und das gemeinsame Haus sollten vor Zugriffen der anderen Kinder des Versicherten und der ersten Ehefrau geschützt und hohe Pflichtteilsansprüche gegen die Klägerin sowie hohe Erbschaftssteuern verhindert werden. Die erb- und steuerrechtlichen Folgen, die mit jeder Eheschließung verbunden sind, sprechen für sich genommen weder für noch gegen eine Versorgungsehe. Entscheidend kommt es auch insoweit auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die angeführten tatsächlichen Verhältnisse - ua die gemeinsam aufgebaute Werkstatt und das gemeinsame Haus - schon lange vor der Eheschließung vorgelegen hatten. Deshalb kommt es entscheidend darauf an, weshalb diese Gesichtspunkte erst so spät eine maßgebliche Rolle gespielt haben sollen. Da auch solche privatrechtlichen Ansprüche die Klägerin im weitesten Sinne „versorgen“, sprechen diese Überlegungen in der vorliegenden Konstellation nicht gegen die Vermutung einer Versorgungsehe. Wird die Ehe nach Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung auch aus erbrechtlichen und steuerrechtlichen Gründe eingegangen, spricht dies im Gegenteil vielmehr für eine Versorgungsehe.
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Unerheblich ist, ob bei den Gesprächen des Versicherten mit dem Steuerberater S. die Witwenrente ein Thema gewesen ist. Aus diesem Grund wird der in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellte Beweisantrag auf erneute Vernehmung des Zeugen Stb abgelehnt. Es genügt für die Annahme einer Versorgungsehe iSd § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI, wenn sich die Absicht der Versorgung des Ehegatten auch auf dessen Versorgung mit privaten Vermögenswerten bezieht und eine Versorgung mit Ansprüchen der gesetzlichen Rentenversicherung daneben nicht bedacht worden ist oder wirtschaftlich nicht ins Gewicht fällt (LSG Baden-Württemberg 12.04.2011, L 13 R 203/11, juris). Abgesehen davon, ist das finanzielle Interesse der Klägerin an der Hinterbliebenenrente trotz ihrer gegenteiligen Beteuerungen offenkundig. Sie mag zwar aufgrund ihrer Vermögensverhältnisse und als Inhaberin des Autohauses derzeit eine gewisse finanzielle Absicherung haben. Das SG hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Gewinne aus der selbständigen Tätigkeit erfahrungsgemäß Schwankungen unterliegen. Außerdem können Gewinne nur solange erzielt werden, wie die Klägerin Inhaberin des Autohauses ist. Dadurch wird das finanzielle Interesse an einer monatlichen Hinterbliebenenrente nicht gemindert. Ferner darf nicht übersehen werden, dass neben dem Gewinn, den die Klägerin erzielte, auch der Arbeitslohn des Versicherten, der nach dem Vortrag der Klägerin ebenso hoch ausfiel wie der Gewinn, dem „Familieneinkommen“ zufloss. Nach dem Tod des Versicherten wird das durch ihn erwirtschaftete Einkommen fehlen.
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Bei der gebotenen Gesamtabwägung tritt das von der Klägerin angegebene Motiv, dem Versicherten Mut zu machen und ihn nicht im Stich zu lassen, angesichts der Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung im Zeitpunkt der Eheschließung zur Überzeugung des Senats nicht als zumindest gleichwertiges Motiv mindestens eines Ehegatten neben das Versorgungsmotiv. Ein Anspruch auf Witwenrente scheidet daher aus.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
32 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.
erwerbsgemindert sind.
Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.