Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 11. Apr. 2017 - L 9 AS 3670/16
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23. August 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.
(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.
(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.
(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat
- 1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen, - 2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen, - 3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.
(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.
(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.
(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.
(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat
- 1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen, - 2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen, - 3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.
(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.
(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.
(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.
(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat
- 1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen, - 2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen, - 3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.
(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.
(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.
(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landes-sozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 7. März 2012 wird als unzulässig verworfen.
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Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 7. März 2012 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R P, R, zu bewilligen, wird abgelehnt.
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Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Der Kläger wendet sich gegen eine auf § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) gestützte Versagung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), die der Beklagte an die fehlende Vorlage von Unterlagen und Einkommensnachweisen der behaupteten Partnerin geknüpft hat(Bescheid vom 2.5.2007; Widerspruchsbescheid vom 7.6.2007). Seine Anfechtungs- und Leistungsklage zum Sozialgericht Rostock hatte Erfolg (Urteil vom 13.8.2009). Das Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern hat auf die Berufung des Beklagten dieses Urteil aufgehoben und die Leistungsklage als unzulässig, die Anfechtungsklage als unbegründet abgewiesen, weil zur Überzeugung des Gerichts eine Partnerschaft im Sinne einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II bestehe(Urteil vom 7.3.2012).
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde und macht grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz
) geltend.
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II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig. Der Kläger hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG entscheiden.
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Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Hierzu muss anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angegeben werden, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, dass eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Einheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; SozR 1500 § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm erstrebten Entscheidung darlegen. Diese Darlegungserfordernisse sind vorliegend nicht erfüllt.
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Hinsichtlich der ersten vom Kläger formulierten Rechtsfrage,
"Ist eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage dann statthaft, wenn der Versagung nach § 66 Abs. 1 SGB I von existenzsichernden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II wegen verweigerter Auskünfte über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse eines vermuteten Partners eindeutige Aussagen des Antragstellers und seines vermuteten Partners zum Nichtvorliegen einer Bedarfsgemeinschaft vorausgegangen sind?"
ist nicht ausreichend dargelegt, inwieweit sich die vorliegende Fallgestaltung von der Fallgestaltung unterscheidet, die der vom Kläger zitierten Entscheidung des 4. Senats (Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 78/08 R - BSGE 104, 26 = SozR 4-1200 § 66 Nr 5) zugrunde lag, und welche weitergehenden Rechtsfragen deshalb im vorliegenden Fall entscheidungserheblich sein könnten. Nach den Darlegungen des Klägers unterscheidet sich der vorliegende Fall im Ausgangssachverhalt gegenüber jenem nicht: Wie dort haben Kläger und behauptete Partnerin im Zeitpunkt des Erlasses der Versagungsentscheidung das Bestehen einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft bestritten. Auf Grundlage eines solchen Sachverhalts hat der 4. Senat erwogen, dass im Falle der (rechtswidrigen) Versagung der Übergang auf eine Leistungsklage bei Leistungen auf Grundsicherungen in Betracht kommt, wenn sich bei einer Aufhebung der Entscheidung über die Versagung wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 SGB I das bisherige Verwaltungsverfahren lediglich wiederholen würde. Bezogen auf Streitigkeiten wegen des Bestreitens einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft bedeutet dies, dass nur in solchen Fällen die Zulässigkeit der Erweiterung der Anfechtungsklage um eine Leistungsklage zu diskutieren sein kann, in denen das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass eine Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft nicht bestanden hat und die Versagung deshalb rechtswidrig war. Zu diesem Ergebnis ist das LSG - trotz der entgegenstehenden Aussagen des Klägers und der Zeugin - nach Würdigung der Gesamtumstände vorliegend gerade nicht gelangt. Gegen die entsprechenden Feststellungen hat der Kläger Verfahrensrügen nicht erhoben. Er hat überdies nicht einmal dargelegt, dass die übrigen Voraussetzungen des § 7 SGB II für einen Anspruch auf Arbeitslosgengeld II (unstreitig) geklärt gewesen wären und nicht schon deshalb weitere Rückfragen erforderlich geworden wären. Es ist nach dem von ihm dargelegten Sachverhalt damit nicht erkennbar, dass sich für den Senat im vorliegenden Verfahren entscheidungserhebliche Fragen zur Zulässigkeit einer Leistungsklage im Anschluss an eine Entscheidung über die Versagung wegen fehlender Mitwirkung stellen könnten.
- 6
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Auch wegen der weiteren Rechtsfrage,
"Darf eine Versagung nach § 66 Abs. 1 SGB I von existenzsichernden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II wegen verweigerter Auskünfte über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse eines vermuteten Partners gegenüber dem Antragsteller erfolgen, wenn der vermutete Partner eindeutig gegenüber der Behörde zum Ausdruck gebracht hat, dass keine Bedarfsgemeinschaft besteht?"
ist die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht ausreichend dargelegt. Wegen der Voraussetzungen einer Versagung nach § 66 SGB I ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) geklärt, dass zu den Mitwirkungspflichten nach § 60 Abs 1 SGB I unter Umständen auch Auskünfte gehören, die einen Dritten betreffen, soweit sie für die Gewährung der Leistung von Bedeutung sind. So hat das BSG den Empfänger von Arbeitslosenhilfe für verpflichtet gehalten, über die Einkommensverhältnisse seines Partners Auskunft zu erteilen, wenn feststeht, dass ihm diese bekannt sind (BSG SozR 1200 § 66 Nr 13 S 14), und zwar gerade auch für den Fall, dass - wie hier - davon ausgegangen werden muss, dass der behauptete Partner keine Angaben machen wird (aaO S 14/15). Ebenso ist in der Rechtsprechung geklärt, dass allein aus dem Bestehen einer Partnerschaft keine Ermittlungspflicht des Antragstellers zu Einkommens- oder Vermögensverhältnissen des Dritten erwachsen. Die Auskunftspflicht erstreckt sich vielmehr nur auf die Tatsachen, die ihm selbst bereits bekannt sind (BSGE 72, 118, 120 = SozR 3-7833 § 6 Nr 2). Vor dem Hintergrund, dass der Leistungsberechtigte unter Umständen die notwendigen Angaben selbst nicht (oder nicht vollständig) machen kann, ist auch die Regelung des § 60 Abs 4 SGB II zu verstehen. Es ist angesichts der vom Kläger zitierten Rechtsprechung der Landessozialgerichte nicht erkennbar, dass wegen dieser Fragen Klärungsbedarf besteht. Welche weitergehenden Rechtsfragen sich im vorliegenden Fall stellen sollen, ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht; eine Auseinandersetzung mit der zitierten Rechtsprechung und der Kommentarliteratur zu § 60 SGB I und § 60 Abs 4 SGB II fehlt. Ob die Feststellung des LSG, es habe eine eheähnliche Partnerschaft bestanden, zutreffend ist und ausreichende Feststellungen dazu getroffen worden sind, dass dem Kläger auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der behaupteten Partnerin bekannt sein konnten, ist eine Frage der Richtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, die die Revision nicht eröffnet.
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Nach § 73a SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier aus den dargelegten Gründen nicht der Fall.
(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.
(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.
(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.
(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.
(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.
(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat
- 1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen, - 2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen, - 3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.
(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.
(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.
(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.
(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit
- 1.
ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder - 2.
ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder - 3.
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.
(2) Behandlungen und Untersuchungen,
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bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, - 2.
die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder - 3.
die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten,
(3) Angaben, die dem Antragsteller, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.
(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.
(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.
(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 16. November 2010 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 2010 aufgehoben, soweit sie die Rücknahme der Bewilligung des Zuschusses zur Krankenversicherung und die Erstattung überzahlter Beitragszuschüsse betreffen.
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Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
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Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Rücknahme der einem Rentner bewilligten Zuschüsse zu seiner Krankenversicherung und die Erstattung überzahlter Beitragszuschüsse.
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Der 1943 geborene Kläger, der Leiter der Instandsetzung Wehrtechnik bei der D. A. S. GmbH war, stellte bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte; im Folgenden einheitlich: Beklagte) im Juli 2005 einen Rentenantrag. Bis dahin war er bei der SECURVITA BKK in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig und bei ihrer Pflegekasse in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert. Auf die "Meldung zur Krankenversicherung der Rentner" teilte ihm die SECURVITA BKK im August 2005 mit, dass er mit Beginn des Rentenbezugs der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung unterliege.
- 3
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Im Oktober 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1.12.2005 Rente nach Altersteilzeitarbeit, behielt von der Rente dessen Anteile an den Pflichtbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung ein und führte diese ab. Mit Schreiben vom 2.12.2005 teilte die SECURVITA BKK dem Kläger mit, dass mit Beginn des Rentenbezugs "die Beiträge aus der gesetzlichen Rente direkt vom Rentenversicherungsträger einbehalten" würden.
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Anfang Mai 2006 erstattete die SECURVITA BKK der Beklagten eine Fehlermeldung bezüglich des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses des Klägers ab 1.12.2005 mit dem Textinhalt: "Es liegen Zeiträume der freiwilligen Krankenversicherung ohne Anspruch auf Beitragszuschuss vor". Die Beklagte übersandte dem Kläger daraufhin einen Antragsvordruck zur Gewährung eines Zuschusses zur Krankenversicherung (§ 106 SGB VI) und teilte in einem Begleitschreiben vom 12.5.2006 hierzu mit: "… nach den hier vorliegenden Unterlagen besteht für Sie eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung … . Damit können Sie unter bestimmten Voraussetzungen zu Ihrer Rente Zuschüsse zur Krankenversicherung … erhalten."
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Auf den daraufhin gestellten Antrag des Klägers, in dem er die Frage nach dem Bestehen von Krankenversicherungspflicht für die Zeit, für die der Beitragszuschuss beansprucht werde, verneinte, berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 31.5.2006 seine Rente ab 1.12.2005 neu, ohne hierbei weitere Ermittlungen zu seinem Krankenversicherungsstatus anzustellen. Sie bewilligte ihm einen Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 89,28 Euro monatlich ab 1.5.2006 und zahlte ihm diesen laufend ab 1.7.2006; zugleich gewährte sie dem Kläger eine Nachzahlung auf den Beitragszuschuss für die Zeit vom 1.12.2005 bis 30.6.2006 in Höhe von 1047,75 Euro. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass der Anspruch auf den Beitragszuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht entfalle und der Kläger zur unverzüglichen Mitteilung von Änderungen des Krankenversicherungsverhältnisses gesetzlich verpflichtet sei.
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Nachdem die SECURVITA BKK der Beklagten im Juni 2008 mitgeteilt hatte, dass der Kläger seit 1.12.2005 (doch) der für Rentner bestehenden Krankenversicherungspflicht unterliege, berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 20.6.2008 die Rente des Klägers wieder rückwirkend ab 1.12.2005 neu. Sie hob die Zuschussbewilligung für die Zeit ab 1.7.2008 auf, behielt die Anteile des Klägers an den Pflichtbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung ab diesem Zeitpunkt ein und führte diese Anteile ab; gleichzeitig stellte sie einen Rückstand auf die Eigenbeteiligung an den Pflichtbeiträgen (Überzahlung von Rentenbeträgen) für die Zeit vom 1.12.2005 bis 30.6.2008 in Höhe von 3877,53 Euro fest und erhob diesen Betrag nach.
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Mit Bescheid vom 8.8.2008 nahm die Beklagte - nach Anhörung des Klägers - ihren Bescheid vom 31.5.2006 über die Bewilligung eines Zuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung (rückwirkend) ab 1.5.2006 zurück und ordnete die Erstattung überzahlter Beitragszuschüsse für die Zeit vom 1.5.2006 bis 30.6.2008 in Höhe von 2347,20 Euro an. Der Kläger habe die Fehlerhaftigkeit des aufgehobenen Bescheides gekannt bzw kennen müssen. Im Rahmen der Ermessensbetätigung stünden die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse des Klägers sowie im Rahmen der Anhörung vorgetragene Gründe einer Rücknahme nicht entgegen.
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Den gegen beide Bescheide erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.4.2009 zurück. Mit dem Bescheid vom 20.6.2008 seien unterbliebene Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Umfang der Eigenbeteiligung (3877,53 Euro) zu Recht nacherhoben worden und würden gegen die Rente "aufgerechnet". Zutreffend seien auch mit den Bescheiden vom 20.6. und 8.8.2008 die Bewilligung des Beitragszuschusses für die Vergangenheit zurückgenommen und die insoweit entstandene Überzahlung (2347,20 Euro) zurückgefordert worden.
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Das SG hat der Klage teilweise stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 8.8.2008 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 22.4.2009 aufgehoben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.1.2010). Das LSG hat die hiergegen eingelegten Berufungen des Klägers und der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Berufung des Klägers sei nicht begründet, weil die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 20.6.2008 rechtmäßig Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Umfang der Eigenbeteiligung nacherhoben habe und diese von der weiterhin zu zahlenden Rente einbehalte. Die Berufung der Beklagten habe keinen Erfolg, weil ihr Bescheid vom 8.8.2008 wegen unzureichender Ermessensausübung rechtswidrig sei. Sie habe bei der rückwirkenden Aufhebung des den Beitragszuschuss bewilligenden Bescheides vom 31.5.2006 nach § 45 SGB X im Rahmen ihrer Ermessensausübung nämlich nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt. Sie habe über das Mitverschulden der Krankenkasse des Klägers hinaus auch ihr eigenes Verschulden am Zustandekommen des rechtswidrigen Bescheides berücksichtigen müssen. Die Beklagte habe die in der Fehlermeldung Anfang Mai 2006 von der SECURVITA BKK mitgeteilten Tatsachen zum Krankenversicherungsstatus des Klägers nicht ohne weitere Prüfung als zutreffend unterstellen dürfen. Von einer Einbeziehung dieses Umstandes habe nicht deshalb abgesehen werden dürfen, weil eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen sei; auch sei der Ermessensfehler nicht nachträglich geheilt worden (Urteil vom 16.11.2010).
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Mit ihrer Revision rügt die Beklagte sinngemäß die Verletzung von § 45 SGB X. Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung habe sie bei der Rücknahme des Bescheides über die Bewilligung des Beitragszuschusses ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Zwar habe sie die Datenmeldung der Krankenkasse Anfang Mai 2006 nicht überprüft, obwohl sie ihren bisherigen Informationen über den Krankenversicherungsstatus des Klägers widersprochen habe. Jedoch habe sie diesen Umstand bei der Ermessensausübung nicht berücksichtigen müssen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts widerspreche insoweit bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung. Aus den Urteilen des BSG vom 21.3.1990 (SozR 3-1300 § 45 Nr 2)und 21.6.2001 (B 7 AL 6/00 R - Die Beiträge Beilage 2002, 294 = Juris) ergebe sich nämlich, dass Verwaltungsverschulden bei der Ermessensausübung im Rahmen des § 45 SGB X kein wesentlicher Umstand sei, der zwingend mitberücksichtigt werden müsse. Der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei als Begründung hierfür zu entnehmen, dass in den Fällen des § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X (normale) Verwaltungsfehler den regelmäßigen Grund für eine Rücknahme rechtswidriger begünstigender Bescheide darstellten, diese Fehler deshalb auch kein Vertrauen bei dem begünstigten Betroffenen auslösen könnten und ein Wertungswiderspruch bestünde bzw die Zielvorstellung des Gesetzes in ihr Gegenteil verkehrt würde, wenn (normale) Verwaltungsfehler gleichwohl auf der (späteren) Ebene der Ermessensprüfung zugunsten des Betroffenen beachtlich wären.
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Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 16. November 2010 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 2010 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Verwaltungsverschulden sei hier so gravierend gewesen, dass es auf sein eigenes Mitverschulden nicht mehr ankomme.
Entscheidungsgründe
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Im Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs 2 SGG).
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Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen, soweit dieses der Klage gegen ihren Bescheid vom 8.8.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.4.2009 stattgegeben und diese Bescheide aufgehoben hat. Die Bescheide sind rechtmäßig. Zutreffend hat die Beklagte darin ihren Bescheid vom 31.5.2006 im Umfang der Bewilligung eines Zuschusses zur Krankenversicherung für die Vergangenheit zurückgenommen und vom Kläger die Erstattung überzahlter Beitragszuschüsse in Höhe von 2347,20 Euro verlangt. Die vorinstanzlichen Urteile waren daher insoweit aufzuheben.
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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur der - zulässigerweise mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG) angegriffene - Bescheid der Beklagten vom 8.8.2008 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.4.2009). Nicht zu überprüfen ist demgegenüber ihr Bescheid vom 20.6.2008 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides) über die Aufhebung der Bewilligung eines Zuschusses zur Krankenversicherung mit Wirkung für die Zukunft (ab 1.7.2008) und die Feststellung eines Rückstandes auf die Eigenanteile an den (unterbliebenen) Pflichtbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 3877,53 Euro und deren Nacherhebung. Der Kläger, der insoweit mit Klage und Berufung unterlegen ist, hat nicht seinerseits Revision dagegen eingelegt.
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Der Bescheid vom 20.6.2008 ist im Revisionsverfahren auch nicht deshalb einer Prüfung zu unterziehen, weil - wovon die Beklagte in der Begründung ihres Widerspruchsbescheides vom 22.4.2009 ausgegangen ist - die Rücknahme der Bewilligung des Beitragszuschusses für die Vergangenheit auch (oder bereits) mit diesem Bescheid angeordnet wurde. Die Beklagte hatte den Kläger hierzu im Bescheid vom 20.6.2008 nur angehört; die (rückwirkende) Aufhebung selbst erfolgte erst mit ihrem - wie dargestellt - den alleinigen Überprüfungsgegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Bescheid vom 8.8.2008.
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2. Zu Recht nahm die Beklagte im Bescheid vom 8.8.2008 ihren Bescheid vom 31.5.2006 im Umfang der Bewilligung eines Zuschusses zur Krankenversicherung rückwirkend ab 1.5.2006 zurück und forderte die für die Zeit vom 1.5.2006 bis 30.6.2008 überzahlten Zuschüsse zur Krankenversicherung in Höhe von insgesamt 2347,20 Euro zurück. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der dafür allein einschlägigen Vorschriften des § 45 und § 50 Abs 1 SGB X(dazu a) waren erfüllt (dazu b). Auch hat die Beklagte bei der Rücknahme des Bescheides vom 31.5.2006 ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt (dazu c).
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a) Rechtsgrundlage für den Bescheid der Beklagten vom 8.8.2008 (in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 22.4.2009) ist - soweit es um die Rücknahme des Bescheides vom 31.5.2006 geht - § 45 SGB X in seiner ab 1.1.2001 geltenden, bis heute unveränderten Neufassung. Gemäß § 45 Abs 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, (nur) unter den Einschränkungen der Abs 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. § 45 Abs 2 SGB X enthält Bestimmungen zum Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des ursprünglichen Verwaltungsakts; Abs 2 S 3 legt hierzu fest, dass sich der Begünstigte (von vornherein) nicht auf ein Vertrauen berufen kann, wenn einer der dort genannten Tatbestände vorliegt. § 45 Abs 3 und Abs 4 S 2 SGB X enthalten Regelungen über die zeitliche Begrenzung der Rücknahmebefugnis. Die Entscheidung über die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts (auch für die Vergangenheit) steht, wenn die rechtlichen Voraussetzungen nach § 45 Abs 1 bis 4 SGB X erfüllt sind, gemäß § 45 Abs 1 SGB X ("darf") im Ermessen der zuständigen(vgl § 45 Abs 5 iVm § 44 Abs 3 SGB X) Behörde.
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Grundlage für die im Bescheid der Beklagten vom 8.8.2008 ebenfalls angeordnete Erstattung der überzahlten Beitragszuschüsse ist - entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung - § 50 Abs 1 SGB X. Nach § 50 Abs 1 SGB X - und nicht nach § 50 Abs 2 SGB X - bestimmt sich die Rückabwicklung zu Unrecht erbrachter Leistungen, wenn Rechtsgrund für diese Leistungen ein Verwaltungsakt war und dieser aufgehoben wurde.
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b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides der Beklagten vom 31.5.2006 im Umfang der Bewilligung eines Zuschusses zur Krankenversicherung mit Rückwirkung ab 1.5.2006 (bis zum 30.6.2008) lagen vor.
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aa) Der Bescheid vom 31.5.2006 über die Bewilligung eines Zuschusses zur Krankenversicherung war bereits im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig. Dem Kläger stand ab 1.5.2006 ein Anspruch auf den Beitragszuschuss nicht zu. Nach § 106 Abs 1 S 1 SGB VI erhalten (allein) Rentenbezieher, die - was hier nur in Betracht kommt - freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung … versichert sind, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung. Ein Anspruch auf einen solchen Beitragszuschuss besteht dagegen nicht, wenn der Rentenbezieher in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist. Letzteres war bei dem Kläger mit (bzw seit) dem Beginn des Rentenbezugs am 1.12.2005 der Fall. Hierüber besteht auch kein Streit.
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bb) Der Kläger kann sich gegenüber der erfolgten Rücknahme der Bewilligung der Beitragszuschüsse von vornherein nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil einer der Tatbestände des § 45 Abs 2 S 3 SGB X vorlag, die die Notwendigkeit einer Abwägung nach § 45 Abs 2 S 1 SGB X ausschließen.
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Der Senat kann dabei offenlassen, ob die Schutzwürdigkeit eines Vertrauens des Klägers - wie die Beklagte und das SG meinen - bereits (oder auch) ausgeschlossen ist, weil der Bescheid vom 31.5.2006 auf Angaben beruhte, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X). Zwar verneinte der Kläger in dem von ihm ausgefüllten Antragsvordruck zur Gewährung eines Zuschusses zur Krankenversicherung nach § 106 SGB VI, der ihm von der Beklagten überlassen worden war, die Frage nach dem Bestehen von Versicherungspflicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse für die Zeit, für die ein Beitragszuschuss beansprucht wurde bzw unterließ - in der Folgezeit - die Mitteilung des Bestehens seiner Krankenversicherungspflicht. Ob diese unrichtige oder unterlassene Angabe für den Erlass des Bescheides vom 31.5.2006 letztlich kausal ("beruht") war bzw insofern eine Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit "in wesentlicher Beziehung" gegeben war, ist jedoch zweifelhaft; denn die Beklagte wurde zu der Bewilligung eines Beitragszuschusses erkennbar (auch) durch die ihr Anfang Mai 2006 erstattete, den Krankenversicherungsstatus des Klägers betreffende Fehlermeldung der SECURVITA BKK veranlasst.
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Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger jedenfalls deshalb von vornherein nicht berufen, weil er die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 31.5.2006 kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs 2 S 3 Nr 3 1. Halbs SGB X). Wie das LSG beanstandungsfrei entschieden hat, lag bei dem Kläger mindestens eine grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Zuschussbewilligung vor. Er verletzte die gebotene Sorgfalt, die von ihm erwartet werden konnte und musste, in besonders schwerem Maße (vgl § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 2. Halbs SGB X), weil er einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellte, vielmehr davon ausging, dass die Bewilligung der Beitragszuschüsse zu Recht erfolgt war. Der Kläger hätte unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit erkennen können und müssen, dass der ihm zuerkannte Anspruch auf einen Zuschuss zu den - tatsächlich nicht entstandenen - Aufwendungen zur freiwilligen Krankenversicherung nicht bestand. Aus dem Verwaltungsverfahren bei der Beklagten, das zur Rentengewährung führte, sowie aus dem Antrag auf einen Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung, aus dem diesem Antrag beigefügten Schreiben der Beklagten vom 12.5.2006 und aus den Hinweisen im Bescheid der Beklagten vom 31.5.2006 war ihm bekannt bzw musste ihm bekannt sein, dass wesentliche Voraussetzung für die Bewilligung eines Beitragszuschusses gerade das Bestehen einer freiwilligen Krankenversicherung war und dass im Falle von Krankenversicherungspflicht eine Zuschussgewährung ausschied. Der Kläger hätte in diesem Zusammenhang unschwer erkennen können und müssen, dass er in der Krankenversicherung als Rentner der Versicherungspflicht unterlag. Zwar hatte ihm die Beklagte in ihrem Begleitschreiben vom 12.5.2006 mitgeteilt, dass nach ihren - also des Rentenversicherungsträgers - Unterlagen eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe. Indessen musste sich dem Kläger die Fehlerhaftigkeit dieser Einschätzung der Beklagten als offensichtlich aufdrängen, nachdem ihm seine Krankenkasse - als zur Beurteilung des Krankenversicherungsstatus eigentlich berufener und originär zuständiger Versicherungsträger - zuvor bereits im August 2005 und später noch einmal unter dem 2.12.2005 mitgeteilt hatte, dass er mit Beginn des Rentenbezugs nicht mehr freiwillig krankenversichert war, sondern der Krankenversicherungspflicht unterlag und dass insoweit "die Beiträge aus der gesetzlichen Rente … direkt vom Rentenversicherungsträger einbehalten" würden. Im Hinblick auf diese widersprüchlichen Mitteilungen, hier vor allem im Hinblick darauf, dass in der Folgezeit bei der Zahlung der Rente nicht - wie angekündigt - Beiträge einbehalten, sondern ihm im Gegenteil noch zusätzlich zur Rente Zuschussbeträge gewährt wurden, hätte er Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 31.5.2006 haben und diesen nachgehen, also den Bescheid einer kritischen Prüfung unterziehen müssen.
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Die Rücknahme der Zuschussbewilligung ist nicht (gleichwohl) wegen eines schutzwürdigen Vertrauens rechtswidrig, weil der Kläger - wie er bis ins Widerspruchsverfahren hinein vorgetragen hat - "die Rentenzahlungen verbraucht" hat. Ein Verbrauch der erbrachten Leistungen macht das Vertrauen nur dann iS von § 45 Abs 2 S 2 SGB X schutzwürdig, wenn dieser in gutem Glauben vorgenommen wurde(vgl zB Steinwedel in KassKomm, Stand der Einzelkommentierung Oktober 2011, § 45 SGB X RdNr 48, mwN aus der Rspr). Das war hier - wie bereits erörtert - nicht der Fall; auf den Verbrauch der Beitragszuschüsse kann sich der Kläger nicht berufen, weil er die Umstände, die zur Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 31.5.2006 führten, infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
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Eine Rücknahme dieses Bescheides ist schließlich nicht - außerhalb der in § 45 Abs 2 S 1 und 2 SGB X genannten Gründe - von vornherein als unzulässige Rechtsausübung wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben(§ 242 BGB) ausgeschlossen (zu dieser weiteren Grenze der Rücknahmebefugnis vgl Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 48 RdNr 94, 110, 137 und 173, unter Hinweis auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung). Der Kläger hat hierzu im Verwaltungs- und Klageverfahren vorgetragen, seinerzeit gerade durch die Beklagte auf die Möglichkeit eines Antrags auf einen Zuschuss zur Krankenversicherung hingewiesen worden zu sein. Ein solcher - angenommener - Verstoß der Beklagten gegen Treu und Glauben wäre jedenfalls wegen der dem Kläger anzulastenden grobfahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Zuschussbewilligung mangels schutzwürdigen Vertrauens unbeachtlich.
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cc) Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung wahrte die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 8.8.2008 auch die für die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 45 Abs 4 S 2 SGB X geltende (Ein)Jahresfrist. Die Frist beginnt mit der Kenntniserlangung von eine Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen durch die Behörde. Kenntnis von den die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 31.5.2006 begründenden Tatsachen hatte die Beklagte frühestens im Juni 2008, als ihr die Krankenkasse des Klägers mitteilte, dass dieser seit 1.12.2005 (doch) der für Rentner bestehenden Krankenversicherungspflicht unterliege. Bei der Bekanntgabe des Rücknahmebescheides war die (Ein)Jahresfrist zweifellos noch nicht abgelaufen. Ebenso wenig war bei dessen Bekanntgabe die für den Bescheid vom 31.5.2006 als Dauerverwaltungsakt nach § 45 Abs 3 SGB X geltende Rücknahmefrist verstrichen. Diese Frist betrug, weil der Tatbestand des § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X erfüllt war, zehn Jahre ab Bekanntgabe dieses Bescheides(§ 45 Abs 3 S 3 SGB X).
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c) Abweichend von der vom LSG vertretenen Rechtsansicht übte die Beklagte bei der Rücknahme ihres Bescheides vom 31.5.2006 über die Zuschussbewilligung rückwirkend ab 1.5.2006 auch ihr (Rücknahme)Ermessen fehlerfrei aus. Ein Ermessensfehler in Form eines Ermessens- bzw Abwägungsdefizits - wie von den Vorinstanzen angenommen - liegt nicht vor.
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aa) Die Beklagte sah sich nach ihrem Vorbringen im Revisionsverfahren in ihren Bescheiden nicht zu Lasten des Klägers zu einer Rücknahme des Bescheides vom 31.5.2006 gezwungen, weil eine Ermessensschrumpfung auf Null anzunehmen sei und es deshalb (überhaupt) keiner Ermessensausübung bedurft habe (vgl zu den Konsequenzen einer Ermessensschrumpfung auf Null und der Rechtsprechungsentwicklung hierzu Steinwedel in KassKomm, aaO, § 45 SGB X RdNr 58 f; 61). Sie erkannte vielmehr, dass ihr ein Rücknahmeermessen zustand und betätigte dieses auch ausdrücklich; diese Ermessensbetätigung ist gerichtlich auf Ermessensfehler hin zu kontrollieren. Insbesondere ist dabei zu prüfen, ob die Beklagte für die zur Ausschöpfung ihres Ermessensspielraums notwendige Interessenabwägung alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen (öffentlichen und privaten) Abwägungsbelange ermittelt, in diese Abwägung eingestellt, mit dem ihnen zukommenden objektiven Gewicht bewertet und bei widerstreitenden (öffentlichen und privaten) Belangen einen angemessenen Ausgleich hergestellt hat. Dabei steht es der Behörde - in den gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens - grundsätzlich frei zu entscheiden, auf welche der abwägungsrelevanten Umstände sie die zu treffende Ermessensentscheidung im Ergebnis stützen möchte (vgl Steinwedel in KassKomm, aaO, § 45 SGB X RdNr 54, sowie Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 45 RdNr 90, jeweils unter Hinweis auf Rspr des BSG).
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bb) Die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 8.8.2008 und vor allem in ihrem Widerspruchsbescheid vom 22.4.2009 bei der Einbeziehung abwägungsrelevanter Belange öffentliche und private Interessen geprüft. Hinsichtlich der individuellen Interessen des Klägers stellte sie in ihre Abwägung dessen nach Aktenlage erkennbaren wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse ein und bewertete diese so, dass sie eine Bescheidrücknahme für die Vergangenheit zuließen. Das Entstehen einer unbilligen (wirtschaftlichen) Härte als Folge der Rücknahme der Zuschussbewilligung verneinte sie, weil der Kläger bei seiner Anhörung weder geltend gemacht habe, durch die rückwirkende Bescheidkorrektur sozialhilfebedürftig zu werden, noch andere Gründe für eine unangemessene wirtschaftliche Belastung vorgetragen habe. Als - widerstreitende - öffentliche Belange ermittelte und berücksichtigte die Beklagte, dass sie zu einer gesetzmäßigen Verwaltung und als Sachwalterin der Versichertengemeinschaft zur zweckgebundenen Verwendung der Versichertenbeiträge verpflichtet sei. Des Weiteren stellte die Beklagte in ihre Interessenabwägung ein, dass sie infolge Selbstbindung durch vorangegangenes Verhalten bei Korrekturfällen mit gleicher Sachlage zur Gleichbehandlung des Klägers mit anderen Versicherten veranlasst sei. Als einer rückwirkenden Rücknahme des Bescheides vom 31.5.2006 möglicherweise (allein oder in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten) entgegenstehenden - und sich damit möglicherweise (allein oder in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten) zugunsten des Klägers auswirkenden - Umstand berücksichtigte die Beklagte bei ihrer Abwägung, dass die SECURVITA BKK die ihr nach § 201 Abs 5 SGB V obliegende Meldung des Krankenversicherungsstatus des Klägers zunächst unrichtig bzw erst mit erheblicher Verspätung richtig abgegeben hatte. Die Beklagte rechnete sich dieses "Mitverschulden" der Krankenkasse zu, weil die Aufgabenbereiche der beteiligten Versicherungsträger materiell-rechtlich miteinander verknüpft seien. Sie sah jedoch dieses "Mitverschulden" als objektiv nicht so gewichtig an, dass es ein vollständiges oder teilweises Absehen von der Rücknahme rechtfertigen konnte.
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Die Beklagte hat demgegenüber - wie sie auch selbst einräumt - einen eigenen Verwaltungsfehler in die Abwägung für und gegen eine Bescheidkorrektur für die Vergangenheit sprechender Interessen bewusst nicht eingestellt. Sie sieht diesen Verwaltungsfehler darin, dass sie die ihr Anfang Mai 2006 von der SECURVITA BKK erstattete Fehlermeldung bezüglich des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses des Klägers ab 1.12.2005 nicht überprüft hatte, obwohl diese Fehlermeldung den bisherigen, bei ihr im Rahmen des Rentenverfahrens aufgelaufenen Informationen widersprach, und dass sie den Kläger infolgedessen - auf der Grundlage dieser ungeprüften Fehlermeldung - mit Schreiben vom 12.5.2006 zur Beantragung eines Zuschusses zur Krankenversicherung anregte. Die Beklagte hält einen solchen, einer Rücknahme des Bescheides vom 31.5.2006 möglicherweise (allein oder in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten) entgegenstehenden eigenen Verwaltungsfehler für keinen abwägungsrelevanten Belang. Das ist - entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen Auffassung - nicht zu beanstanden. Dass die Beklagte ihre eigenen Versäumnisse auf der Ebene der im Rahmen des Ermessens vorzunehmenden Interessenabwägung nicht als wesentlichen Abwägungsgesichtspunkt einstellte, macht ihre Ermessensausübung nicht unvollständig und stellt keinen Ermessensfehler in Form eines Ermessens- bzw Abwägungsdefizits dar. Das ergibt sich schon aus den in der bisherigen Rechtsprechung des BSG anerkannten Grundsätzen und ist auf den vorliegenden Sachverhalt zu übertragen.
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(1) Nach einem Urteil des 7. Senats des BSG vom 21.3.1990 in einem um die Erstattung von Arbeitslosenhilfe nach § 50 Abs 2 SGB X geführten Rechtsstreit ist es nicht iS von § 45 Abs 1 SGB X ermessensfehlerhaft, wenn die Behörde dem Gesichtspunkt eigenen (Verwaltungs)Verschuldens keine Bedeutung beigemessen hat(SozR 3-1300 § 45 Nr 2 S 15). Die Behörde habe dieses Verschulden bei ihrer Ermessensausübung berücksichtigen können, aber nicht müssen. Der 7. Senat hat diesen Schluss für den - dort vorliegenden - einen Ausschluss von Vertrauen anordnenden Tatbestand des § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X gezogen und zur Begründung für seine Auffassung ausgeführt, dass die Kenntnis bzw das Kennenmüssen der Rechtsgrundlosigkeit der Leistung den eigentlichen Grund dafür abgebe, dass der Begünstigte die ohne Rechtsgrund erbrachte Leistung nicht behalten dürfe; in diesen Fällen erscheine ein Verzicht auf die Erstattung allein wegen dieses Verwaltungsfehlers als sachfremd.
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(2) Mit Urteil vom 21.6.2001 hat es derselbe Senat des BSG in einem um die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld geführten Rechtsstreit nicht beanstandet, wenn die Behörde den Umstand, dass die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides auf einen eigenen Fehler zurückgehe, bei der Ermessensprüfung nicht beachtete (B 7 AL 6/00 R - Juris RdNr 27). Der Senat hat zur Erläuterung ausgeführt, dass (grobe) Fehler der Verwaltung bei der Vertrauensschutzprüfung nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie das Vertrauen des Begünstigten im Sinne der Fehlerperpetuierung nachhaltig und zusätzlich gestärkt haben. Der 7. Senat hält es insoweit für einen Wertungswiderspruch, wenn Versäumnisse, die dem Machtbereich der Behörde zuzurechnen sind, nunmehr zugunsten des ursprünglich Begünstigten in die Ermessensentscheidung einfließen. Im Rahmen seiner vorangegangenen Darlegungen zur Vertrauensschutzprüfung nach § 45 Abs 2 S 1 SGB X hat der 7. Senat eine Stärkung des Vertrauens in den Bestand einer fehlerhaften Leistungsbewilligung allenfalls dann für möglich gehalten, wenn einer Behörde über den bloßen Fehler bei der ursprünglichen Bewilligung hinaus noch weitere Fehler - mit der Folge der Vertiefung oder Perpetuierung des ursprünglich gemachten Fehlers durch zusätzliches Verwaltungshandeln - unterlaufen sind (B 7 AL 6/00 R - Juris RdNr 25).
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(3) Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsprechung des 7. Senats des BSG über die Abwägungsrelevanz von Verwaltungsfehlern bei der Betätigung des Rücknahmeermessens in einem Fall des § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X für die hier vorzunehmende Beurteilung nach eigener Überprüfung an. Dabei braucht der Senat die in der Rechtsprechung des BSG teilweise kontrovers diskutierte Frage (vgl Steinwedel in KassKomm, aaO, § 45 SGB X RdNr 53, 61, mit Nachweisen aus der Rspr des BSG) nicht zu beantworten, ob Ermessensgesichtspunkte allgemein nur solche Umstände sein können, die nicht bereits im Rahmen der Abwägung zur Schutzwürdigkeit des Vertrauens nach § 45 Abs 2 SGB X zu berücksichtigen waren bzw unter welchen - ggf einschränkenden - Voraussetzungen Umstände bei der Ermessensausübung (gleichwohl) noch eine Rolle spielen können, die bereits zur Versagung des Vertrauensschutzes geführt haben. Offenbleiben kann auch, ob ein grober Fehler der Verwaltung (allein oder in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten) ohne gleichzeitiges Verschulden des Begünstigten zu einer Vertrauensschutzabwägung und sodann Ermessensausübung zu dessen Gunsten führen kann oder sogar muss (so etwa Waschull in Diering/Timme/Waschull, SGB X, 3. Aufl 2011, § 45 RdNr 65; Schütze in von Wulffen, SGB X, aaO, § 45 RdNr 90, unter Hinweis auf BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 2; zur Berücksichtigung von groben Fehlern der Verwaltung bei der Vertrauensschutzprüfung vgl auch BSGE 81, 156, 161 = SozR 3-1300 § 45 Nr 37 S 118, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr des BSG). Denn jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem - wie die Beklagte zutreffend ausführt - im Hinblick auf die von ihr versäumte Nachprüfung der ihr Anfang Mai 2006 von der SECURVITA BKK erstatteten Meldung allenfalls ein normaler Verwaltungsfehler vorliegt und sich der Kläger außerdem vorwerfbar iS von § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X verhalten hat, stellt ein eigener Fehler der Verwaltung keinen Umstand dar, der bei der Ermessensausübung in die Interessenabwägung eingestellt (sodann zutreffend gewichtet und bei der Herstellung eines angemessenen Interessenausgleichs entsprechend berücksichtigt) werden müsste.
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Das dargestellte Ergebnis folgt - in Ergänzung der vom 7. Senat des BSG hierfür genannten Gründe - auch aus folgenden Überlegungen:
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Abgesehen von den in § 45 Abs 2 S 3 SGB X geregelten Fallkonstellationen, die generell einen Ausschluss von Vertrauensschutz wegen eines vorwerfbaren Verhaltens des Begünstigten begründen, liegt die Ursache für den Erlass eines begünstigenden rechtswidrigen Verwaltungsakts regelmäßig (allein) im Verantwortungsbereich der Verwaltung. Zutreffend weist die Beklagte deshalb - unter Bezugnahme auf das Urteil des 7. Senats des BSG vom 21.6.2001 (B 7 AL 6/00 R - Juris RdNr 24; vgl auch schon BSG SozR 3-3100 § 85 Nr 1 S 3) - darauf hin, dass Fehler der Verwaltung den Regelfall der Anwendung des § 45 SGB X darstellen und nach der Vorstellung des Gesetzgebers zu dieser Aufhebungsvorschrift ein solchermaßen von der Behörde verursachter rechtswidriger Zustand grundsätzlich - unter näher bestimmten Voraussetzungen - auch wieder beseitigt werden können soll. Würde jeder im Bereich der Verwaltung auftretende Fehler zu einem schutzwürdigen Vertrauen des durch den Verwaltungsakt Begünstigten führen, bedürfte es der Norm des § 45 SGB X letztlich gar nicht; eine solche Konstruktion liefe der Zielsetzung des § 45 SGB X, einen rechtswidrigen Zustand auch wieder beseitigen zu können, zuwider(vgl BSG Urteil vom 21.6.2001 - B 7 AL 6/00 R - Juris RdNr 24). Kann also wegen dieser Ausrichtung des § 45 SGB X ein "normaler" Fehler der Verwaltung allein in Anwendung von § 45 Abs 2 S 1 SGB X die Annahme schutzwürdigen Vertrauens des Begünstigten in den Fortbestand eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts nicht rechtfertigen, so muss das umso mehr gelten, wenn in den Fällen des § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X zu der Verantwortlichkeit der Behörde für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts eine solche des Begünstigten hinzutritt(vgl entsprechend - zu § 48 Abs 2 S 3 Nr 2 und Nr 3 BayVwVfG - BayVGH NVwZ 2001, 931, 932 f); § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X ordnet in solchen Fällen den Ausschluss von Vertrauensschutz explizit an, weil der Begünstigte (gerade) im Hinblick auf sein vorwerfbares Verhalten die ohne Rechtsgrund erbrachte Leistung nicht soll behalten dürfen. Der Senat folgt der Beklagten, wenn sie der Bestimmung im Hinblick hierauf entnimmt, dass der Gesetzgeber - bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen - auf der Ebene der Vertrauensschutzabwägung die Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts als regelmäßige Rechtsfolge bestimmt.
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Legt § 45 SGB X in Fällen wie dem vorliegenden(= normaler Fehler der Verwaltung und vorwerfbares Verhalten des Begünstigten iS von § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X) durch die Versagung von Vertrauensschutz tatbestandlich die Erreichung eines bestimmten Ergebnisses, nämlich die Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts nahe, so kann der Verwaltungsfehler nicht auf der (späteren) Ebene der Interessenabwägung im Rahmen der Ermessensausübung gleichwohl zu Gunsten des ursprünglich Begünstigten berücksichtigt werden (ähnlich Steinwedel in: KassKomm, aaO, § 45 SGB X RdNr 53
§ 45 abs 2 s 3 sgb x>) . Obwohl § 45 Abs 1 SGB X als allgemeine Ermessensermächtigung gefasst ist, wird der Ermessensspielraum der Behörde hier im Hinblick auf die Gewichtung des beschriebenen Zwecks der Vorschrift (und der Gesetzessystematik) verengt mit der Folge, dass einem Umstand - hier dem Vorliegen eines normalen Fehlers der Verwaltung - im Rahmen der Ermessensabwägung (von vornherein) keine Relevanz zukommt. Insoweit wird der Ermessensbetätigung über die im Tatbestand des § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X antizipierte Interessenbewertung des Gesetzgebers - und die (wertende) Entscheidung bei der Subsumtion unter diesen Tatbestand - in dem Umfang vorgegriffen, wie sich die jeweils zu beurteilenden Belange decken, und es wird der Abwägungsprozess hinsichtlich der einzustellenden Abwägungsbelange (für den Regelfall) in eine bestimmte Richtung festgelegt. Zwar ist der Umstand des Verwaltungsverschuldens der Ermessensabwägung hier nicht schlechthin entzogen, jedoch ist die - im Wege der Auslegung gewonnene - tatbestandliche Wertungsvorgabe zu beachten. Mit der Verengung des Ermessensspielraums reduzieren sich auch die Handlungsalternativen der Behörde bereits vor der eigentlichen (Ermessens)Abwägung (vgl insoweit auch das in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit entwickelte Institut des "intendierten Verwaltungsermessens", dazu näher zB Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 40 RdNr 28 ff; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd 1, 12. Aufl 2007, § 31 RdNr 42, jeweils mit zahlreichen Rspr-Nachweisen).
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cc) Die angefochtenen Bescheide der Beklagten über die Rücknahme der Zuschussbewilligung für die Vergangenheit leiden danach nicht an einem Ermessensfehler in Form des Ermessens- bzw Abwägungsdefizits. Andere Ermessensfehler liegen ebenfalls nicht vor. Dass etwa (andere) wesentliche Tatsachen in die Interessenabwägung nicht eingestellt oder einbezogene abwägungsrelevante Tatsachen objektiv fehlerhaft gewichtet wurden (sog Abwägungsfehleinschätzung) oder zwischen widerstreitenden Belangen kein angemessener Ausgleich hergestellt wurde (sog Abwägungsdisproportionalität), ist nicht ersichtlich und hat der Kläger auch nicht geltend gemacht.
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d) Die im Bescheid der Beklagten vom 8.8.2008 (in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 22.4.2009) auch enthaltene Erstattungsanordnung ist ebenfalls rechtmäßig. Nach § 50 Abs 1 S 1 SGB X ist Voraussetzung für die Rückforderung der für die Zeit vom 1.5.2006 bis 30.6.2008 überzahlten Zuschüsse zur Krankenversicherung in Höhe von insgesamt 2347,20 Euro lediglich, dass der sie bewilligende Verwaltungsakt (durch die Verwaltung oder die Gerichte) aufgehoben wurde und der Rechtsgrund für diese Leistungen dadurch nachträglich entfallen ist. Das ist hier der Fall.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12.12.2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab 01.08.2010.
3Der 1952 geborene Kläger bezog nach seinem Umzug von E nach H von dem Beklagten ab Oktober 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im Rahmen der Leistungsgewährung wurde er von dem Beklagten mehrfach zur Mitwirkung aufgefordert. Er sollte insbesondere vollständige Einkommensnachweise hinsichtlich der Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit mit der Firma C, einer Nachhilfetätigkeit und einer Tätigkeit als Callboy vorlegen. Diese Tätigkeiten hatte der Kläger im Internet angeboten. Der Kläger sollte außerdem Mietquittungen über geleistete Mietzahlungen vorlegen. Hintergrund dieser Aufforderung war ein Antrag der Hausverwaltung L Immobilien, die den Beklagten im Namen des Vermieters zur unmittelbare Überweisung der Miete auf ihr Treuhandkonto aufforderte, da der Kläger Mietrückstände von mehreren Monaten habe. Der Kläger teilte auf die Aufforderung des Beklagten mit, dass er die Miete regelmäßig überweise und auf die geschalteten Anzeigen keine Anfragen erhalten habe, so dass er auch keine Umsätze erzielt habe. Weitere Anzeigen habe er deshalb auch nicht mehr geschaltet. Kontoauszüge über Mietzahlungen könne er nicht vorlegen, da er kein eigenes Konto mehr habe, sondern das Konto einer Bekannte benutze.
4Mit Bescheid vom 17.06.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger letztmalig Leistungen in Höhe von 485,00 Euro monatlich für den Zeitraum 01.06.2010 bis 31.07.2010. Er forderte den Kläger dazu auf, Name und Bankverbindung seines Vermieters mitzuteilen, damit die Zahlung der laufenden Kosten der Unterkunft an den Vermieter veranlasst werden könne. Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 05.07.2010 forderte der Beklagte diesen mit Schreiben vom 08.07.2010 erneut zur Mitwirkung auf. Er benötige Kontoauszüge ab 01.12.2009 bis laufend bzw. einen Nachweis darüber, dass der Kläger nicht Kontoinhaber sei, Nachweise der Mietzahlungen an den Verwalter und Name und Bankverbindung des Vermieters. Die Unterlagen seien bis zum 20.07.2010 einzureichen. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass Geldleistungen ganz oder teilweise versagt werden können, wenn die erforderlichen Unterlagen nicht vorgelegt werden. Der Kläger hat hierauf zunächst nicht reagiert. Im Rahmen eines vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen geführten Eilverfahrens hat der Kläger mitgeteilt, zur Vorlage der Kontoauszüge müsse er zunächst Rücksprache mit der Kontoinhaberin nehmen. Er werde versuchen einen Nachweis über die ordnungsgemäße Mietzahlung zu beschaffen und auch den Steuerbescheid für 2009 vorlegen. Mit Schreiben vom 04.10.2010 hat der Kläger daraufhin den Steuerbescheid für 2009 übersandt. Danach hat er 2009 kein zu versteuerndes Einkommen erzielt.
5Mit Schreiben vom 04.10.2010 hat sich der Vermieter des Klägers an den Beklagten gewandt und mitgeteilt, dass dieser seit Januar 2010 keine Mietzahlungen mehr leiste und auch die Miete für vier Monate in 2009 noch schuldig geblieben sei. Er hat erneut die Überweisung der Miete auf das Konto der Hausverwaltung L verlangt. Mit Schreiben vom 30.11.2010 hat der Beklagte dem Kläger eine weitere Frist bis zum 17.12.2010 zur Vorlage der Unterlagen gesetzt und ihn erneut auf die Folgen einer mangelnden Mitwirkung hingewiesen. Nachdem eine Reaktion des Klägers hierauf nicht erfolgte, stellte der Beklagte mit Versagungs-/Entziehungsbescheid vom 22.12.2010 fest, dass die Leistungen ab dem 01.08.2010 ganz versagt werden. Der Kläger habe die mit Schreiben vom 08.07.2010 angeforderten Unterlagen, die für eine Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen zwingend erforderlich seien, nicht vorgelegt und sei damit seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Grundlage für die Entscheidung seien §§ 60 und 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I).
6Gegen den Bescheid legte der Kläger am 28.12.2010 mit der Begründung Widerspruch ein, die Unterlagen habe er mit Telefax vom 25.10.2010 übersandt. Der Beklagte setzte dem Kläger daraufhin zur Vorlage der Unterlagen eine weitere Frist bis zum 24.01.2011 (Schreiben vom 13.01.2011). Der Kläger hat nachfolgend Kontoauszüge der D-bank für den Zeitraum 01.12.2009 bis 30.06.2010 übersandt und erklärt, dass er diese Auszüge bereits mit Telefax vom 25.10.2010 und vom 03.01.2011 an den Beklagten übersandt habe. Name und Anschrift des Kontoinhabers habe er aus Datenschutzgründen überklebt. Das diesbezügliche Konto bei der D-bank lautet zumindest auch auf den Namen des Klägers. Neben den monatlichen Überweisungen des Beklagten an den Kläger sind auf diesem Konto keine weiteren Zahlungseingänge vorhanden. Mietzahlungen sind ausweislich der Kontoauszüge bis April 2010 geleistet worden.
7Mit Schreiben vom 18.01.2011 hat der Beklagte weitere Kontoauszüge ab dem 01.12.2009 bis laufend und einen Nachweis darüber angefordert, wer Kontoinhaber ist. Außerdem hat er Nachweise über Mietzahlungen an den Verwalter, Name und Bankverbindung des Verwalters und eine schriftliche Erklärung des Klägers darüber angefordert, wie er seit August seinen Lebensunterhalt sichergestellt habe. Der Kläger hat daraufhin ein Schreiben der D-bank vom 07.02.2011 vorgelegt, in dem diese bestätigt, dass es sich bei dem Konto Nr. 000 um ein Gemeinschaftskonto handelt. Er hat weiter erklärt, dass er weitere Kontoauszüge nicht vorlegen könne, da er nicht Kontoinhaber sei. Er könne nur die Umsätze der letzten 90 Tage online einsehen. Mietzahlungen an den Verwalter seien seit Juni 2011 nicht erfolgt, da er keine Leistungen von dem Beklagten mehr erhalten habe. Der Mietvertrag bestehe mit der Firma L Immobilien. Die Bankverbindung sei seit 2006 bekannt. Für seinen Lebensunterhalt habe er sich seit August 2010 von seiner Nachbarin monatlich ca. 500,- Euro geliehen. Sie dränge nun darauf, das Geld zurückzuerhalten.
8Am 12.01.2011 hat der Kläger einen weiteren Fortzahlungsantrag gestellt, den der Beklagte mit Versagungs-/Entziehungsbescheid vom 04.05.2011 abgelehnt hat. Der Kläger sei seinen Mitwirkungspflichten erneut nicht nachgekommen. Leistungen seien daher ab dem 01.01.2011 zu versagen.
9Im Rahmen eines Eilverfahrens beim Sozialgericht Gelsenkirchen (S 27 AS 86/11 ER) hat der Kläger erneut an ihn adressierte Kontoauszüge der D-bank für den Zeitraum Dezember 2009 bis Juni 2010 übersandt und mitgeteilt, er begehre die vorläufige Gewährung von Leistungen ab dem 01.08.2010. Mit Beschluss vom 21.02.2011 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Bis zum 11.01.2011 bestehe kein Anordnungsgrund, weil vorläufige Leistungen erst ab Eingang des Eilantrags gewährt werden können. Für die Zeit ab dem 12.01.2011 habe der Kläger seine Hilfebedürftigkeit nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Eine Eilbedürftigkeit sei zudem vor dem Hintergrund der fehlenden Mitwirkung des Klägers nicht ersichtlich. Dieser habe auf gerichtliche Verfügungen nicht reagiert. Der Kläger hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt (L 7 AS 513/11 B ER). Auf die gerichtlichen Verfügungen habe er wegen einer Erkrankung nicht reagieren können. Seit August 2010 sei er von seiner Nachbarin K unterstützt worden. Das Landessozialgericht hat den Kläger im Rahmen des Beschwerdeverfahrens mit Schreiben vom 30.05.2011 dazu aufgefordert, zur Aufklärung seiner Hilfebedürftigkeit die D-bank von der Schweigepflicht zu entbinden. Nachdem der Kläger auf diese Anfrage nicht reagiert hat, ist die Beschwerde mit Beschluss vom 20.07.2011 zurückgewiesen worden. Vor dem Hintergrund der mangelnden Mitwirkung des Klägers sei eine Eilbedürftigkeit weiterhin nicht ersichtlich.
10Der Kläger hat daraufhin mit Schreiben vom 22.08.2011 beim Sozialgericht Gelsenkirchen beantragt, nunmehr das Hauptsacheverfahren zu dem Eilverfahren durchzuführen.
11Mit Schreiben vom 20.09.2011 hat die Firma L Immobilien dem Beklagten mitgeteilt, dass die Wohnung des Klägers zwangsgeräumt worden sei. Die rückständige Miete für die Monate Januar bis Juli 2011 werde mit der Kaution verrechnet.
12Mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2011 hat der Beklagte den Widerspruch gegen den Versagungsbescheid vom 22.12.2010 zurückgewiesen. Die Entscheidung sei zu Recht erfolgt, da die Hilfebedürftigkeit des Klägers mangels Mitwirkung nicht habe festgestellt werden können.
13Das Sozialgericht hat den Kläger im Rahmen des nunmehr anhängigen Klageverfahrens dazu aufgefordert, für den Zeitraum 01.08.2010 bis 31.01.2011 Kontoauskünfte über alle von ihm genutzten Konten oder eine Schweigepflichtentbindungserklärung vorzulegen, damit das Gericht die erforderlichen Bankauskünfte einholen könne. Eine Reaktion des Klägers, der zwischenzeitlich mehrfach umgezogen ist, erfolgte nicht. Zum Verhandlungstermin beim Sozialgericht ist er nicht erschienen.
14Mit Urteil vom 12.12.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger beantrage sinngemäß, ihm unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum 01.08.2011 bis 31.01.2012 zu bewilligen. Die Klage sei als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig. Gegen die Versagung einer Leistung wegen mangelnder Mitwirkung sei zwar grundsätzlich nur die reine Anfechtungsklage zulässig, in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid habe der Beklagte aber das Bestehen eines Anspruchs mangels Hilfebedürftigkeit verneint und damit erstmals auch eine Entscheidung über das Bestehen des streitigen Anspruchs getroffen. In diesen Fällen sei die isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides ohne Durchführung eines weiteren Vorverfahrens zulässig. Die Klage sei aber unbegründet, weil weiterhin nicht festgestellt werden könne, dass der Kläger im streitigen Zeitraum hilfebedürftig gewesen sei. Die Kammer habe Zweifel daran, dass der Kläger in diesem Zeitraum über kein Einkommen verfügt habe. Dies Zweifel würden sich zunächst aus dem Umstand begründen, dass der Kläger in zeitlicher Nähe zum Bewilligungszeitraum Dienstleistungen im Internet angeboten habe und sich aus den hinsichtlich eines anderen Zeitraums vorliegenden Kontoauszügen Unklarheiten aus den dort aufgeführten Überweisungen ergeben hätten. Die angeforderten Kontoauszüge habe der Kläger nicht vorgelegt. Das Gericht könne seine Hilfebedürftigkeit daher nicht überprüfen.
15Gegen das am 15.01.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.02.2013 Berufung eingelegt. Mit seiner am 19.08.2013 vorgelegten Berufungsbegründung macht er geltend, die Vorlage der angeforderten Kontoauszüge sei ihm nicht möglich, weil er nicht Inhaber dieses Kontos sei. Er dürfe lediglich Ein- und Auszahlungen am Automaten vornehmen, Online-Überweisungen tätigen, die Kontobewegungen der letzten 90 Tage online einsehen. Gegenüber dem Beklagten habe er mitgeteilt, dass ihn die Nachbarin K in der Zeit absoluter Mittellosigkeit mit Essen und Trinken versorgt habe. Aus der Tatsache, dass er im Internet Anzeigen geschaltet habe, könne nicht auf Umsätze geschlossen werden. Tatsächlich habe er diese nur zum Spaß geschaltet bzw. auf die Angebote keine Reaktion erhalten.
16Seiner Nachbarin schulde er noch heute den den Sachleistungen entsprechenden Betrag.
17Der Senat hat den Kläger dazu aufgefordert, ihm die ladungsfähige Anschrift der Person, dessen Konto er mitbenutzt haben will, mitzuteilen. Der Kläger hat mitgeteilt, dass er hierzu nicht in der Lage sei. Im Übrigen sei er nicht dazu bereit, die angeforderten Kontoauszüge zur Verfügung zu stellen. Er habe den Nachweis erbracht, nicht Kontoinhaber zu sein. Auf Nachweise über geleistete Mietzahlungen und auf Mitteilung der Kontoaktdaten des Vermieters habe der Beklagte keinen Anspruch. Seinen Mitwirkungspflichten sei er daher hinreichend nachgekommen.
18Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
19den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2011 zu verurteilen, ihm auf seinen Antrag vom 05.07.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zzgl. Zinsen zu gewähren.
20Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Zu einem am 30.09.2014 anberaumten Verhandlungstermin ist der Kläger nicht erschienen.
23Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er die Berufung als offensichtlich unbegründet ansehe und beabsichtigte, sie durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG zurückzuweisen, wenn der Kläger die Berufung nicht zurücknehme. Die Beteiligten wurden hierzu angehört.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten. Die Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
25Entscheidungsgründe:
26Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 4 SGG nach Anhörung der Beteiligten die Berufung durch Beschluss zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
27Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
28Soweit der Kläger auch die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Leistungen ab dem 01.08.2010 begehrt, ist diese Leistungsklage bereits unzulässig. Soweit er sich gegen den Versagungsbescheid vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2011 wendet, ist die diesbezügliche Anfechtungsklage zwar zulässig, aber unbegründet.
29Streitgegenstand einer Klage gegen einen Versagungsbescheid wegen mangelnder Mitwirkung ist nicht der materielle Anspruch, sondern die Auseinandersetzung über Rechte und Pflichten der Beteiligten im Verwaltungsverfahren. Eine unmittelbare Klage auf existenzsichernde Leistungen kommt in diesen Fällen aus Gründen der Prozessökonomie nur in Betracht, wenn sich bei einer Aufhebung der Entscheidung über die Versagung wegen fehlender Mitwirkung das Verwaltungsverfahren lediglich wiederholen würde oder die anderweitige Klärung der Leistungsvoraussetzungen zwischen den Beteiligten unstreitig ist (BSG, Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 78/08 R, juris RdNrn. 14 und 16; BSG, Beschluss vom 25.02.2013 - B 14 AS 133/12 B, juris RdNr. 5). Ist Letzteres - wie hier - nicht der Fall und ist die Versagung der Leistung wegen fehlender Mitwirkung schon nicht als rechtswidrig, sondern als rechtmäßig anzusehen, ist eine Leistungsklage nicht zulässig. Soweit das Sozialgericht meint, der Beklagte habe mit dem Widerspruchsbescheid auch inhaltlich über den Anspruch entschieden, so dass aus diesem Grund auch eine isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides verbunden mit der Klage auf Leistungen zulässig sei, kann dem nicht gefolgt werden. Auch in dem Widerspruchsbescheid wird die Ablehnung der Leistungen damit begründet, dass der Anspruch des Klägers mangels Mitwirkung zu versagen ist. Allein die daran anknüpfende Feststellung, dass deshalb auch die Hilfebedürftigkeit nicht festgestellt werden konnte, kann nicht als inhaltliche Entscheidung über den Anspruch angesehen werden, sondern soll lediglich die Erforderlichkeit der angeforderten Mitwirkungshandlung darlegen, denn nach § 60 SGB I sind nur solche Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind.
30Die gegen den Versagungsbescheid gerichtete Anfechtungsklage ist demgegenüber zulässig, aber unbegründet.
31Der Bescheid vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I liegen vor. Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung ist der Erlass des Widerspruchsbescheides am 20.12.2011. Der Kläger hat zu diesem Zeitpunkt seine Mitwirkungspflichten verletzt. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Diese Mitwirkungsobliegenheiten gelten auch im Rahmen des SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 10/08 R, juris RdNr. 13).
32Der Kläger wurde mit Schreiben vom 08.07.2010 dazu aufgefordert, Kontoauszüge ab dem 01.12.2009 bis laufend bzw. einen Nachweis darüber, dass er nicht Kontoinhaber sei, vorzulegen. Er wurde außerdem dazu aufgefordert, Nachweise über Mietzahlungen an den Verwalter sowie Namen und Bankverbindung des Vermieters anzugeben. Dieser Aufforderung ist der Kläger zunächst überhaupt nicht und später nur teilweise nachgekommen. Auch eine weitere Fristsetzung mit Schreiben vom 30.11.2010 zum 17.12.2010 hat er verstreichen lassen. Erst im Januar 2011 hat der Kläger Kontoauszüge bis zum 30.06.2010 übersandt. Name und Anschrift des weiteren Kontoinhabers hat er aus Datenschutzgründen überklebt. Weitere Kontoauszüge und Nachweise über Mietzahlungen wurden nicht eingereicht. Der Kläger hat hierzu lediglich erklärt, dass er weitere Kontoauszüge nicht vorlegen könne, weil er kein Kontoinhaber sei und Mietzahlungen an den Verwalter mangels Leistungen durch den Beklagten nicht mehr erfolgt seien. Der Vortrag des Klägers, ihm sei eine Vorlage der Kontoauszüge nicht möglich, ist aber nicht glaubhaft. Hiergegen spricht bereits, dass die von ihm vorgelegten Kontoauszüge bis zum 30.06.2010 sogar an ihn adressiert waren und die D-bank ausdrücklich bestätigt hat, dass es sich bei dem Konto um ein Gemeinschaftskonto, also gerade nicht um ein vom Kläger nur mitbenutztes Konto handelt. Unklar ist auch, warum eine Vorlage der Kontoauszüge bis zum 30.06.2010 möglich war, nach diesem Zeitpunkt aber nicht mehr erfolgen konnte und warum der Kläger, der seine Umsätze nach eigenen Angaben für 90 Tage online einsehen konnte, hiervon keinen Ausdruck machen konnte. Vor dem Hintergrund der auch im weiteren Verfahren erfolgten beharrlichen Weigerung des Klägers, Kontoauszüge vorzulegen, den Namen des weiteren Kontoinhabers mitzuteilen bzw. die D-bank von der Schweigepflicht zu entbinden, muss davon ausgegangen werden, dass die fehlende Mitwirkung hinsichtlich der Vorlage der Kontoauszüge nicht auf einer Unmöglichkeit beruht, sondern der Kläger diese Auszüge schlicht und einfach nicht vorlegen wollte. Dies wird in seinen letzten Schreiben an das Gericht auch deutlich.
33Bei den geforderten Kontoauszügen handelt es sich um Beweismittel im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I, die für den Anspruch relevant sind (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 10/08 R, juris RdNr. 15). Die Vorlagepflicht war auch nicht durch § 65 SGB I begrenzt. Gegen die Forderung Kontoauszüge anzufordern bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Dies gilt jedenfalls für die Kontoauszüge der letzten drei Monate (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 10/08 R, juris RdNr. 17), die der Kläger zu keinem Zeitpunkt vorgelegt hat, und rechtfertigt in Fällen, in denen wie hier ein konkreter Verdacht des Leistungsmissbrauchs vorliegt, auch die Anforderung weiterer Kontoauszüge zur Überprüfung, ob Zahlungseingänge aufgrund der inserierten Tätigkeiten zu verzeichnen sind.
34Der Beklagte hat den Kläger in mehreren Schreiben ausdrücklich und unmissverständlich über die Rechtsfolgen der fehlenden Mitwirkung informiert und belehrt (§ 66 Abs. 3 SGB I) und ihm zudem mehrfach Gelegenheit dazu gegeben, die Mitwirkungshandlung noch nachzuholen und die angeforderten Kontoauszüge zu übersenden.
35Da infolge der fehlenden Mitwirkung des Klägers die Voraussetzungen für die Bewilligung der Leistungen, insbesondere die Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen werden konnte, ist die Ermessensentscheidung des Beklagten, die Leistungen vollständig zu versagen, auch nicht zu beanstanden, stellt sich vielmehr als eine sog. Ermessensreduzierung auf Null - Leistungenn zu versagen - dar.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
37Anlass die Revision zuzulassen, besteht nicht.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landes-sozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 7. März 2012 wird als unzulässig verworfen.
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Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 7. März 2012 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R P, R, zu bewilligen, wird abgelehnt.
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Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
- 1
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I. Der Kläger wendet sich gegen eine auf § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) gestützte Versagung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), die der Beklagte an die fehlende Vorlage von Unterlagen und Einkommensnachweisen der behaupteten Partnerin geknüpft hat(Bescheid vom 2.5.2007; Widerspruchsbescheid vom 7.6.2007). Seine Anfechtungs- und Leistungsklage zum Sozialgericht Rostock hatte Erfolg (Urteil vom 13.8.2009). Das Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern hat auf die Berufung des Beklagten dieses Urteil aufgehoben und die Leistungsklage als unzulässig, die Anfechtungsklage als unbegründet abgewiesen, weil zur Überzeugung des Gerichts eine Partnerschaft im Sinne einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II bestehe(Urteil vom 7.3.2012).
- 2
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde und macht grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz
) geltend.
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II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig. Der Kläger hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG entscheiden.
- 4
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Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Hierzu muss anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angegeben werden, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, dass eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Einheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; SozR 1500 § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm erstrebten Entscheidung darlegen. Diese Darlegungserfordernisse sind vorliegend nicht erfüllt.
- 5
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Hinsichtlich der ersten vom Kläger formulierten Rechtsfrage,
"Ist eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage dann statthaft, wenn der Versagung nach § 66 Abs. 1 SGB I von existenzsichernden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II wegen verweigerter Auskünfte über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse eines vermuteten Partners eindeutige Aussagen des Antragstellers und seines vermuteten Partners zum Nichtvorliegen einer Bedarfsgemeinschaft vorausgegangen sind?"
ist nicht ausreichend dargelegt, inwieweit sich die vorliegende Fallgestaltung von der Fallgestaltung unterscheidet, die der vom Kläger zitierten Entscheidung des 4. Senats (Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 78/08 R - BSGE 104, 26 = SozR 4-1200 § 66 Nr 5) zugrunde lag, und welche weitergehenden Rechtsfragen deshalb im vorliegenden Fall entscheidungserheblich sein könnten. Nach den Darlegungen des Klägers unterscheidet sich der vorliegende Fall im Ausgangssachverhalt gegenüber jenem nicht: Wie dort haben Kläger und behauptete Partnerin im Zeitpunkt des Erlasses der Versagungsentscheidung das Bestehen einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft bestritten. Auf Grundlage eines solchen Sachverhalts hat der 4. Senat erwogen, dass im Falle der (rechtswidrigen) Versagung der Übergang auf eine Leistungsklage bei Leistungen auf Grundsicherungen in Betracht kommt, wenn sich bei einer Aufhebung der Entscheidung über die Versagung wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 SGB I das bisherige Verwaltungsverfahren lediglich wiederholen würde. Bezogen auf Streitigkeiten wegen des Bestreitens einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft bedeutet dies, dass nur in solchen Fällen die Zulässigkeit der Erweiterung der Anfechtungsklage um eine Leistungsklage zu diskutieren sein kann, in denen das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass eine Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft nicht bestanden hat und die Versagung deshalb rechtswidrig war. Zu diesem Ergebnis ist das LSG - trotz der entgegenstehenden Aussagen des Klägers und der Zeugin - nach Würdigung der Gesamtumstände vorliegend gerade nicht gelangt. Gegen die entsprechenden Feststellungen hat der Kläger Verfahrensrügen nicht erhoben. Er hat überdies nicht einmal dargelegt, dass die übrigen Voraussetzungen des § 7 SGB II für einen Anspruch auf Arbeitslosgengeld II (unstreitig) geklärt gewesen wären und nicht schon deshalb weitere Rückfragen erforderlich geworden wären. Es ist nach dem von ihm dargelegten Sachverhalt damit nicht erkennbar, dass sich für den Senat im vorliegenden Verfahren entscheidungserhebliche Fragen zur Zulässigkeit einer Leistungsklage im Anschluss an eine Entscheidung über die Versagung wegen fehlender Mitwirkung stellen könnten.
- 6
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Auch wegen der weiteren Rechtsfrage,
"Darf eine Versagung nach § 66 Abs. 1 SGB I von existenzsichernden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II wegen verweigerter Auskünfte über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse eines vermuteten Partners gegenüber dem Antragsteller erfolgen, wenn der vermutete Partner eindeutig gegenüber der Behörde zum Ausdruck gebracht hat, dass keine Bedarfsgemeinschaft besteht?"
ist die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht ausreichend dargelegt. Wegen der Voraussetzungen einer Versagung nach § 66 SGB I ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) geklärt, dass zu den Mitwirkungspflichten nach § 60 Abs 1 SGB I unter Umständen auch Auskünfte gehören, die einen Dritten betreffen, soweit sie für die Gewährung der Leistung von Bedeutung sind. So hat das BSG den Empfänger von Arbeitslosenhilfe für verpflichtet gehalten, über die Einkommensverhältnisse seines Partners Auskunft zu erteilen, wenn feststeht, dass ihm diese bekannt sind (BSG SozR 1200 § 66 Nr 13 S 14), und zwar gerade auch für den Fall, dass - wie hier - davon ausgegangen werden muss, dass der behauptete Partner keine Angaben machen wird (aaO S 14/15). Ebenso ist in der Rechtsprechung geklärt, dass allein aus dem Bestehen einer Partnerschaft keine Ermittlungspflicht des Antragstellers zu Einkommens- oder Vermögensverhältnissen des Dritten erwachsen. Die Auskunftspflicht erstreckt sich vielmehr nur auf die Tatsachen, die ihm selbst bereits bekannt sind (BSGE 72, 118, 120 = SozR 3-7833 § 6 Nr 2). Vor dem Hintergrund, dass der Leistungsberechtigte unter Umständen die notwendigen Angaben selbst nicht (oder nicht vollständig) machen kann, ist auch die Regelung des § 60 Abs 4 SGB II zu verstehen. Es ist angesichts der vom Kläger zitierten Rechtsprechung der Landessozialgerichte nicht erkennbar, dass wegen dieser Fragen Klärungsbedarf besteht. Welche weitergehenden Rechtsfragen sich im vorliegenden Fall stellen sollen, ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht; eine Auseinandersetzung mit der zitierten Rechtsprechung und der Kommentarliteratur zu § 60 SGB I und § 60 Abs 4 SGB II fehlt. Ob die Feststellung des LSG, es habe eine eheähnliche Partnerschaft bestanden, zutreffend ist und ausreichende Feststellungen dazu getroffen worden sind, dass dem Kläger auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der behaupteten Partnerin bekannt sein konnten, ist eine Frage der Richtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, die die Revision nicht eröffnet.
- 7
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Nach § 73a SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier aus den dargelegten Gründen nicht der Fall.
(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.
(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.
(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.
(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.
(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.
(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat
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alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen, - 2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen, - 3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.
(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.
(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.
(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.
(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit
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ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder - 2.
ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder - 3.
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.
(2) Behandlungen und Untersuchungen,
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bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, - 2.
die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder - 3.
die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten,
(3) Angaben, die dem Antragsteller, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.
(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.
(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.
(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 16. November 2010 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 2010 aufgehoben, soweit sie die Rücknahme der Bewilligung des Zuschusses zur Krankenversicherung und die Erstattung überzahlter Beitragszuschüsse betreffen.
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Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
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Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Rücknahme der einem Rentner bewilligten Zuschüsse zu seiner Krankenversicherung und die Erstattung überzahlter Beitragszuschüsse.
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Der 1943 geborene Kläger, der Leiter der Instandsetzung Wehrtechnik bei der D. A. S. GmbH war, stellte bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte; im Folgenden einheitlich: Beklagte) im Juli 2005 einen Rentenantrag. Bis dahin war er bei der SECURVITA BKK in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig und bei ihrer Pflegekasse in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert. Auf die "Meldung zur Krankenversicherung der Rentner" teilte ihm die SECURVITA BKK im August 2005 mit, dass er mit Beginn des Rentenbezugs der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung unterliege.
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Im Oktober 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1.12.2005 Rente nach Altersteilzeitarbeit, behielt von der Rente dessen Anteile an den Pflichtbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung ein und führte diese ab. Mit Schreiben vom 2.12.2005 teilte die SECURVITA BKK dem Kläger mit, dass mit Beginn des Rentenbezugs "die Beiträge aus der gesetzlichen Rente direkt vom Rentenversicherungsträger einbehalten" würden.
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Anfang Mai 2006 erstattete die SECURVITA BKK der Beklagten eine Fehlermeldung bezüglich des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses des Klägers ab 1.12.2005 mit dem Textinhalt: "Es liegen Zeiträume der freiwilligen Krankenversicherung ohne Anspruch auf Beitragszuschuss vor". Die Beklagte übersandte dem Kläger daraufhin einen Antragsvordruck zur Gewährung eines Zuschusses zur Krankenversicherung (§ 106 SGB VI) und teilte in einem Begleitschreiben vom 12.5.2006 hierzu mit: "… nach den hier vorliegenden Unterlagen besteht für Sie eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung … . Damit können Sie unter bestimmten Voraussetzungen zu Ihrer Rente Zuschüsse zur Krankenversicherung … erhalten."
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Auf den daraufhin gestellten Antrag des Klägers, in dem er die Frage nach dem Bestehen von Krankenversicherungspflicht für die Zeit, für die der Beitragszuschuss beansprucht werde, verneinte, berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 31.5.2006 seine Rente ab 1.12.2005 neu, ohne hierbei weitere Ermittlungen zu seinem Krankenversicherungsstatus anzustellen. Sie bewilligte ihm einen Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 89,28 Euro monatlich ab 1.5.2006 und zahlte ihm diesen laufend ab 1.7.2006; zugleich gewährte sie dem Kläger eine Nachzahlung auf den Beitragszuschuss für die Zeit vom 1.12.2005 bis 30.6.2006 in Höhe von 1047,75 Euro. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass der Anspruch auf den Beitragszuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht entfalle und der Kläger zur unverzüglichen Mitteilung von Änderungen des Krankenversicherungsverhältnisses gesetzlich verpflichtet sei.
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Nachdem die SECURVITA BKK der Beklagten im Juni 2008 mitgeteilt hatte, dass der Kläger seit 1.12.2005 (doch) der für Rentner bestehenden Krankenversicherungspflicht unterliege, berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 20.6.2008 die Rente des Klägers wieder rückwirkend ab 1.12.2005 neu. Sie hob die Zuschussbewilligung für die Zeit ab 1.7.2008 auf, behielt die Anteile des Klägers an den Pflichtbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung ab diesem Zeitpunkt ein und führte diese Anteile ab; gleichzeitig stellte sie einen Rückstand auf die Eigenbeteiligung an den Pflichtbeiträgen (Überzahlung von Rentenbeträgen) für die Zeit vom 1.12.2005 bis 30.6.2008 in Höhe von 3877,53 Euro fest und erhob diesen Betrag nach.
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Mit Bescheid vom 8.8.2008 nahm die Beklagte - nach Anhörung des Klägers - ihren Bescheid vom 31.5.2006 über die Bewilligung eines Zuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung (rückwirkend) ab 1.5.2006 zurück und ordnete die Erstattung überzahlter Beitragszuschüsse für die Zeit vom 1.5.2006 bis 30.6.2008 in Höhe von 2347,20 Euro an. Der Kläger habe die Fehlerhaftigkeit des aufgehobenen Bescheides gekannt bzw kennen müssen. Im Rahmen der Ermessensbetätigung stünden die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse des Klägers sowie im Rahmen der Anhörung vorgetragene Gründe einer Rücknahme nicht entgegen.
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Den gegen beide Bescheide erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.4.2009 zurück. Mit dem Bescheid vom 20.6.2008 seien unterbliebene Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Umfang der Eigenbeteiligung (3877,53 Euro) zu Recht nacherhoben worden und würden gegen die Rente "aufgerechnet". Zutreffend seien auch mit den Bescheiden vom 20.6. und 8.8.2008 die Bewilligung des Beitragszuschusses für die Vergangenheit zurückgenommen und die insoweit entstandene Überzahlung (2347,20 Euro) zurückgefordert worden.
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Das SG hat der Klage teilweise stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 8.8.2008 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 22.4.2009 aufgehoben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.1.2010). Das LSG hat die hiergegen eingelegten Berufungen des Klägers und der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Berufung des Klägers sei nicht begründet, weil die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 20.6.2008 rechtmäßig Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Umfang der Eigenbeteiligung nacherhoben habe und diese von der weiterhin zu zahlenden Rente einbehalte. Die Berufung der Beklagten habe keinen Erfolg, weil ihr Bescheid vom 8.8.2008 wegen unzureichender Ermessensausübung rechtswidrig sei. Sie habe bei der rückwirkenden Aufhebung des den Beitragszuschuss bewilligenden Bescheides vom 31.5.2006 nach § 45 SGB X im Rahmen ihrer Ermessensausübung nämlich nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt. Sie habe über das Mitverschulden der Krankenkasse des Klägers hinaus auch ihr eigenes Verschulden am Zustandekommen des rechtswidrigen Bescheides berücksichtigen müssen. Die Beklagte habe die in der Fehlermeldung Anfang Mai 2006 von der SECURVITA BKK mitgeteilten Tatsachen zum Krankenversicherungsstatus des Klägers nicht ohne weitere Prüfung als zutreffend unterstellen dürfen. Von einer Einbeziehung dieses Umstandes habe nicht deshalb abgesehen werden dürfen, weil eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen sei; auch sei der Ermessensfehler nicht nachträglich geheilt worden (Urteil vom 16.11.2010).
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Mit ihrer Revision rügt die Beklagte sinngemäß die Verletzung von § 45 SGB X. Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung habe sie bei der Rücknahme des Bescheides über die Bewilligung des Beitragszuschusses ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Zwar habe sie die Datenmeldung der Krankenkasse Anfang Mai 2006 nicht überprüft, obwohl sie ihren bisherigen Informationen über den Krankenversicherungsstatus des Klägers widersprochen habe. Jedoch habe sie diesen Umstand bei der Ermessensausübung nicht berücksichtigen müssen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts widerspreche insoweit bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung. Aus den Urteilen des BSG vom 21.3.1990 (SozR 3-1300 § 45 Nr 2)und 21.6.2001 (B 7 AL 6/00 R - Die Beiträge Beilage 2002, 294 = Juris) ergebe sich nämlich, dass Verwaltungsverschulden bei der Ermessensausübung im Rahmen des § 45 SGB X kein wesentlicher Umstand sei, der zwingend mitberücksichtigt werden müsse. Der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei als Begründung hierfür zu entnehmen, dass in den Fällen des § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X (normale) Verwaltungsfehler den regelmäßigen Grund für eine Rücknahme rechtswidriger begünstigender Bescheide darstellten, diese Fehler deshalb auch kein Vertrauen bei dem begünstigten Betroffenen auslösen könnten und ein Wertungswiderspruch bestünde bzw die Zielvorstellung des Gesetzes in ihr Gegenteil verkehrt würde, wenn (normale) Verwaltungsfehler gleichwohl auf der (späteren) Ebene der Ermessensprüfung zugunsten des Betroffenen beachtlich wären.
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Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 16. November 2010 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 2010 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Verwaltungsverschulden sei hier so gravierend gewesen, dass es auf sein eigenes Mitverschulden nicht mehr ankomme.
Entscheidungsgründe
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Im Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs 2 SGG).
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Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen, soweit dieses der Klage gegen ihren Bescheid vom 8.8.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.4.2009 stattgegeben und diese Bescheide aufgehoben hat. Die Bescheide sind rechtmäßig. Zutreffend hat die Beklagte darin ihren Bescheid vom 31.5.2006 im Umfang der Bewilligung eines Zuschusses zur Krankenversicherung für die Vergangenheit zurückgenommen und vom Kläger die Erstattung überzahlter Beitragszuschüsse in Höhe von 2347,20 Euro verlangt. Die vorinstanzlichen Urteile waren daher insoweit aufzuheben.
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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur der - zulässigerweise mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG) angegriffene - Bescheid der Beklagten vom 8.8.2008 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.4.2009). Nicht zu überprüfen ist demgegenüber ihr Bescheid vom 20.6.2008 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides) über die Aufhebung der Bewilligung eines Zuschusses zur Krankenversicherung mit Wirkung für die Zukunft (ab 1.7.2008) und die Feststellung eines Rückstandes auf die Eigenanteile an den (unterbliebenen) Pflichtbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 3877,53 Euro und deren Nacherhebung. Der Kläger, der insoweit mit Klage und Berufung unterlegen ist, hat nicht seinerseits Revision dagegen eingelegt.
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Der Bescheid vom 20.6.2008 ist im Revisionsverfahren auch nicht deshalb einer Prüfung zu unterziehen, weil - wovon die Beklagte in der Begründung ihres Widerspruchsbescheides vom 22.4.2009 ausgegangen ist - die Rücknahme der Bewilligung des Beitragszuschusses für die Vergangenheit auch (oder bereits) mit diesem Bescheid angeordnet wurde. Die Beklagte hatte den Kläger hierzu im Bescheid vom 20.6.2008 nur angehört; die (rückwirkende) Aufhebung selbst erfolgte erst mit ihrem - wie dargestellt - den alleinigen Überprüfungsgegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Bescheid vom 8.8.2008.
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2. Zu Recht nahm die Beklagte im Bescheid vom 8.8.2008 ihren Bescheid vom 31.5.2006 im Umfang der Bewilligung eines Zuschusses zur Krankenversicherung rückwirkend ab 1.5.2006 zurück und forderte die für die Zeit vom 1.5.2006 bis 30.6.2008 überzahlten Zuschüsse zur Krankenversicherung in Höhe von insgesamt 2347,20 Euro zurück. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der dafür allein einschlägigen Vorschriften des § 45 und § 50 Abs 1 SGB X(dazu a) waren erfüllt (dazu b). Auch hat die Beklagte bei der Rücknahme des Bescheides vom 31.5.2006 ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt (dazu c).
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a) Rechtsgrundlage für den Bescheid der Beklagten vom 8.8.2008 (in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 22.4.2009) ist - soweit es um die Rücknahme des Bescheides vom 31.5.2006 geht - § 45 SGB X in seiner ab 1.1.2001 geltenden, bis heute unveränderten Neufassung. Gemäß § 45 Abs 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, (nur) unter den Einschränkungen der Abs 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. § 45 Abs 2 SGB X enthält Bestimmungen zum Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des ursprünglichen Verwaltungsakts; Abs 2 S 3 legt hierzu fest, dass sich der Begünstigte (von vornherein) nicht auf ein Vertrauen berufen kann, wenn einer der dort genannten Tatbestände vorliegt. § 45 Abs 3 und Abs 4 S 2 SGB X enthalten Regelungen über die zeitliche Begrenzung der Rücknahmebefugnis. Die Entscheidung über die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts (auch für die Vergangenheit) steht, wenn die rechtlichen Voraussetzungen nach § 45 Abs 1 bis 4 SGB X erfüllt sind, gemäß § 45 Abs 1 SGB X ("darf") im Ermessen der zuständigen(vgl § 45 Abs 5 iVm § 44 Abs 3 SGB X) Behörde.
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Grundlage für die im Bescheid der Beklagten vom 8.8.2008 ebenfalls angeordnete Erstattung der überzahlten Beitragszuschüsse ist - entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung - § 50 Abs 1 SGB X. Nach § 50 Abs 1 SGB X - und nicht nach § 50 Abs 2 SGB X - bestimmt sich die Rückabwicklung zu Unrecht erbrachter Leistungen, wenn Rechtsgrund für diese Leistungen ein Verwaltungsakt war und dieser aufgehoben wurde.
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b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides der Beklagten vom 31.5.2006 im Umfang der Bewilligung eines Zuschusses zur Krankenversicherung mit Rückwirkung ab 1.5.2006 (bis zum 30.6.2008) lagen vor.
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aa) Der Bescheid vom 31.5.2006 über die Bewilligung eines Zuschusses zur Krankenversicherung war bereits im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig. Dem Kläger stand ab 1.5.2006 ein Anspruch auf den Beitragszuschuss nicht zu. Nach § 106 Abs 1 S 1 SGB VI erhalten (allein) Rentenbezieher, die - was hier nur in Betracht kommt - freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung … versichert sind, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung. Ein Anspruch auf einen solchen Beitragszuschuss besteht dagegen nicht, wenn der Rentenbezieher in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist. Letzteres war bei dem Kläger mit (bzw seit) dem Beginn des Rentenbezugs am 1.12.2005 der Fall. Hierüber besteht auch kein Streit.
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bb) Der Kläger kann sich gegenüber der erfolgten Rücknahme der Bewilligung der Beitragszuschüsse von vornherein nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil einer der Tatbestände des § 45 Abs 2 S 3 SGB X vorlag, die die Notwendigkeit einer Abwägung nach § 45 Abs 2 S 1 SGB X ausschließen.
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Der Senat kann dabei offenlassen, ob die Schutzwürdigkeit eines Vertrauens des Klägers - wie die Beklagte und das SG meinen - bereits (oder auch) ausgeschlossen ist, weil der Bescheid vom 31.5.2006 auf Angaben beruhte, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X). Zwar verneinte der Kläger in dem von ihm ausgefüllten Antragsvordruck zur Gewährung eines Zuschusses zur Krankenversicherung nach § 106 SGB VI, der ihm von der Beklagten überlassen worden war, die Frage nach dem Bestehen von Versicherungspflicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse für die Zeit, für die ein Beitragszuschuss beansprucht wurde bzw unterließ - in der Folgezeit - die Mitteilung des Bestehens seiner Krankenversicherungspflicht. Ob diese unrichtige oder unterlassene Angabe für den Erlass des Bescheides vom 31.5.2006 letztlich kausal ("beruht") war bzw insofern eine Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit "in wesentlicher Beziehung" gegeben war, ist jedoch zweifelhaft; denn die Beklagte wurde zu der Bewilligung eines Beitragszuschusses erkennbar (auch) durch die ihr Anfang Mai 2006 erstattete, den Krankenversicherungsstatus des Klägers betreffende Fehlermeldung der SECURVITA BKK veranlasst.
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Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger jedenfalls deshalb von vornherein nicht berufen, weil er die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 31.5.2006 kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs 2 S 3 Nr 3 1. Halbs SGB X). Wie das LSG beanstandungsfrei entschieden hat, lag bei dem Kläger mindestens eine grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Zuschussbewilligung vor. Er verletzte die gebotene Sorgfalt, die von ihm erwartet werden konnte und musste, in besonders schwerem Maße (vgl § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 2. Halbs SGB X), weil er einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellte, vielmehr davon ausging, dass die Bewilligung der Beitragszuschüsse zu Recht erfolgt war. Der Kläger hätte unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit erkennen können und müssen, dass der ihm zuerkannte Anspruch auf einen Zuschuss zu den - tatsächlich nicht entstandenen - Aufwendungen zur freiwilligen Krankenversicherung nicht bestand. Aus dem Verwaltungsverfahren bei der Beklagten, das zur Rentengewährung führte, sowie aus dem Antrag auf einen Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung, aus dem diesem Antrag beigefügten Schreiben der Beklagten vom 12.5.2006 und aus den Hinweisen im Bescheid der Beklagten vom 31.5.2006 war ihm bekannt bzw musste ihm bekannt sein, dass wesentliche Voraussetzung für die Bewilligung eines Beitragszuschusses gerade das Bestehen einer freiwilligen Krankenversicherung war und dass im Falle von Krankenversicherungspflicht eine Zuschussgewährung ausschied. Der Kläger hätte in diesem Zusammenhang unschwer erkennen können und müssen, dass er in der Krankenversicherung als Rentner der Versicherungspflicht unterlag. Zwar hatte ihm die Beklagte in ihrem Begleitschreiben vom 12.5.2006 mitgeteilt, dass nach ihren - also des Rentenversicherungsträgers - Unterlagen eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe. Indessen musste sich dem Kläger die Fehlerhaftigkeit dieser Einschätzung der Beklagten als offensichtlich aufdrängen, nachdem ihm seine Krankenkasse - als zur Beurteilung des Krankenversicherungsstatus eigentlich berufener und originär zuständiger Versicherungsträger - zuvor bereits im August 2005 und später noch einmal unter dem 2.12.2005 mitgeteilt hatte, dass er mit Beginn des Rentenbezugs nicht mehr freiwillig krankenversichert war, sondern der Krankenversicherungspflicht unterlag und dass insoweit "die Beiträge aus der gesetzlichen Rente … direkt vom Rentenversicherungsträger einbehalten" würden. Im Hinblick auf diese widersprüchlichen Mitteilungen, hier vor allem im Hinblick darauf, dass in der Folgezeit bei der Zahlung der Rente nicht - wie angekündigt - Beiträge einbehalten, sondern ihm im Gegenteil noch zusätzlich zur Rente Zuschussbeträge gewährt wurden, hätte er Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 31.5.2006 haben und diesen nachgehen, also den Bescheid einer kritischen Prüfung unterziehen müssen.
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Die Rücknahme der Zuschussbewilligung ist nicht (gleichwohl) wegen eines schutzwürdigen Vertrauens rechtswidrig, weil der Kläger - wie er bis ins Widerspruchsverfahren hinein vorgetragen hat - "die Rentenzahlungen verbraucht" hat. Ein Verbrauch der erbrachten Leistungen macht das Vertrauen nur dann iS von § 45 Abs 2 S 2 SGB X schutzwürdig, wenn dieser in gutem Glauben vorgenommen wurde(vgl zB Steinwedel in KassKomm, Stand der Einzelkommentierung Oktober 2011, § 45 SGB X RdNr 48, mwN aus der Rspr). Das war hier - wie bereits erörtert - nicht der Fall; auf den Verbrauch der Beitragszuschüsse kann sich der Kläger nicht berufen, weil er die Umstände, die zur Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 31.5.2006 führten, infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
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Eine Rücknahme dieses Bescheides ist schließlich nicht - außerhalb der in § 45 Abs 2 S 1 und 2 SGB X genannten Gründe - von vornherein als unzulässige Rechtsausübung wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben(§ 242 BGB) ausgeschlossen (zu dieser weiteren Grenze der Rücknahmebefugnis vgl Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 48 RdNr 94, 110, 137 und 173, unter Hinweis auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung). Der Kläger hat hierzu im Verwaltungs- und Klageverfahren vorgetragen, seinerzeit gerade durch die Beklagte auf die Möglichkeit eines Antrags auf einen Zuschuss zur Krankenversicherung hingewiesen worden zu sein. Ein solcher - angenommener - Verstoß der Beklagten gegen Treu und Glauben wäre jedenfalls wegen der dem Kläger anzulastenden grobfahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Zuschussbewilligung mangels schutzwürdigen Vertrauens unbeachtlich.
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cc) Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung wahrte die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 8.8.2008 auch die für die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 45 Abs 4 S 2 SGB X geltende (Ein)Jahresfrist. Die Frist beginnt mit der Kenntniserlangung von eine Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen durch die Behörde. Kenntnis von den die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 31.5.2006 begründenden Tatsachen hatte die Beklagte frühestens im Juni 2008, als ihr die Krankenkasse des Klägers mitteilte, dass dieser seit 1.12.2005 (doch) der für Rentner bestehenden Krankenversicherungspflicht unterliege. Bei der Bekanntgabe des Rücknahmebescheides war die (Ein)Jahresfrist zweifellos noch nicht abgelaufen. Ebenso wenig war bei dessen Bekanntgabe die für den Bescheid vom 31.5.2006 als Dauerverwaltungsakt nach § 45 Abs 3 SGB X geltende Rücknahmefrist verstrichen. Diese Frist betrug, weil der Tatbestand des § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X erfüllt war, zehn Jahre ab Bekanntgabe dieses Bescheides(§ 45 Abs 3 S 3 SGB X).
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c) Abweichend von der vom LSG vertretenen Rechtsansicht übte die Beklagte bei der Rücknahme ihres Bescheides vom 31.5.2006 über die Zuschussbewilligung rückwirkend ab 1.5.2006 auch ihr (Rücknahme)Ermessen fehlerfrei aus. Ein Ermessensfehler in Form eines Ermessens- bzw Abwägungsdefizits - wie von den Vorinstanzen angenommen - liegt nicht vor.
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aa) Die Beklagte sah sich nach ihrem Vorbringen im Revisionsverfahren in ihren Bescheiden nicht zu Lasten des Klägers zu einer Rücknahme des Bescheides vom 31.5.2006 gezwungen, weil eine Ermessensschrumpfung auf Null anzunehmen sei und es deshalb (überhaupt) keiner Ermessensausübung bedurft habe (vgl zu den Konsequenzen einer Ermessensschrumpfung auf Null und der Rechtsprechungsentwicklung hierzu Steinwedel in KassKomm, aaO, § 45 SGB X RdNr 58 f; 61). Sie erkannte vielmehr, dass ihr ein Rücknahmeermessen zustand und betätigte dieses auch ausdrücklich; diese Ermessensbetätigung ist gerichtlich auf Ermessensfehler hin zu kontrollieren. Insbesondere ist dabei zu prüfen, ob die Beklagte für die zur Ausschöpfung ihres Ermessensspielraums notwendige Interessenabwägung alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen (öffentlichen und privaten) Abwägungsbelange ermittelt, in diese Abwägung eingestellt, mit dem ihnen zukommenden objektiven Gewicht bewertet und bei widerstreitenden (öffentlichen und privaten) Belangen einen angemessenen Ausgleich hergestellt hat. Dabei steht es der Behörde - in den gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens - grundsätzlich frei zu entscheiden, auf welche der abwägungsrelevanten Umstände sie die zu treffende Ermessensentscheidung im Ergebnis stützen möchte (vgl Steinwedel in KassKomm, aaO, § 45 SGB X RdNr 54, sowie Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 45 RdNr 90, jeweils unter Hinweis auf Rspr des BSG).
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bb) Die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 8.8.2008 und vor allem in ihrem Widerspruchsbescheid vom 22.4.2009 bei der Einbeziehung abwägungsrelevanter Belange öffentliche und private Interessen geprüft. Hinsichtlich der individuellen Interessen des Klägers stellte sie in ihre Abwägung dessen nach Aktenlage erkennbaren wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse ein und bewertete diese so, dass sie eine Bescheidrücknahme für die Vergangenheit zuließen. Das Entstehen einer unbilligen (wirtschaftlichen) Härte als Folge der Rücknahme der Zuschussbewilligung verneinte sie, weil der Kläger bei seiner Anhörung weder geltend gemacht habe, durch die rückwirkende Bescheidkorrektur sozialhilfebedürftig zu werden, noch andere Gründe für eine unangemessene wirtschaftliche Belastung vorgetragen habe. Als - widerstreitende - öffentliche Belange ermittelte und berücksichtigte die Beklagte, dass sie zu einer gesetzmäßigen Verwaltung und als Sachwalterin der Versichertengemeinschaft zur zweckgebundenen Verwendung der Versichertenbeiträge verpflichtet sei. Des Weiteren stellte die Beklagte in ihre Interessenabwägung ein, dass sie infolge Selbstbindung durch vorangegangenes Verhalten bei Korrekturfällen mit gleicher Sachlage zur Gleichbehandlung des Klägers mit anderen Versicherten veranlasst sei. Als einer rückwirkenden Rücknahme des Bescheides vom 31.5.2006 möglicherweise (allein oder in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten) entgegenstehenden - und sich damit möglicherweise (allein oder in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten) zugunsten des Klägers auswirkenden - Umstand berücksichtigte die Beklagte bei ihrer Abwägung, dass die SECURVITA BKK die ihr nach § 201 Abs 5 SGB V obliegende Meldung des Krankenversicherungsstatus des Klägers zunächst unrichtig bzw erst mit erheblicher Verspätung richtig abgegeben hatte. Die Beklagte rechnete sich dieses "Mitverschulden" der Krankenkasse zu, weil die Aufgabenbereiche der beteiligten Versicherungsträger materiell-rechtlich miteinander verknüpft seien. Sie sah jedoch dieses "Mitverschulden" als objektiv nicht so gewichtig an, dass es ein vollständiges oder teilweises Absehen von der Rücknahme rechtfertigen konnte.
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Die Beklagte hat demgegenüber - wie sie auch selbst einräumt - einen eigenen Verwaltungsfehler in die Abwägung für und gegen eine Bescheidkorrektur für die Vergangenheit sprechender Interessen bewusst nicht eingestellt. Sie sieht diesen Verwaltungsfehler darin, dass sie die ihr Anfang Mai 2006 von der SECURVITA BKK erstattete Fehlermeldung bezüglich des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses des Klägers ab 1.12.2005 nicht überprüft hatte, obwohl diese Fehlermeldung den bisherigen, bei ihr im Rahmen des Rentenverfahrens aufgelaufenen Informationen widersprach, und dass sie den Kläger infolgedessen - auf der Grundlage dieser ungeprüften Fehlermeldung - mit Schreiben vom 12.5.2006 zur Beantragung eines Zuschusses zur Krankenversicherung anregte. Die Beklagte hält einen solchen, einer Rücknahme des Bescheides vom 31.5.2006 möglicherweise (allein oder in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten) entgegenstehenden eigenen Verwaltungsfehler für keinen abwägungsrelevanten Belang. Das ist - entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen Auffassung - nicht zu beanstanden. Dass die Beklagte ihre eigenen Versäumnisse auf der Ebene der im Rahmen des Ermessens vorzunehmenden Interessenabwägung nicht als wesentlichen Abwägungsgesichtspunkt einstellte, macht ihre Ermessensausübung nicht unvollständig und stellt keinen Ermessensfehler in Form eines Ermessens- bzw Abwägungsdefizits dar. Das ergibt sich schon aus den in der bisherigen Rechtsprechung des BSG anerkannten Grundsätzen und ist auf den vorliegenden Sachverhalt zu übertragen.
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(1) Nach einem Urteil des 7. Senats des BSG vom 21.3.1990 in einem um die Erstattung von Arbeitslosenhilfe nach § 50 Abs 2 SGB X geführten Rechtsstreit ist es nicht iS von § 45 Abs 1 SGB X ermessensfehlerhaft, wenn die Behörde dem Gesichtspunkt eigenen (Verwaltungs)Verschuldens keine Bedeutung beigemessen hat(SozR 3-1300 § 45 Nr 2 S 15). Die Behörde habe dieses Verschulden bei ihrer Ermessensausübung berücksichtigen können, aber nicht müssen. Der 7. Senat hat diesen Schluss für den - dort vorliegenden - einen Ausschluss von Vertrauen anordnenden Tatbestand des § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X gezogen und zur Begründung für seine Auffassung ausgeführt, dass die Kenntnis bzw das Kennenmüssen der Rechtsgrundlosigkeit der Leistung den eigentlichen Grund dafür abgebe, dass der Begünstigte die ohne Rechtsgrund erbrachte Leistung nicht behalten dürfe; in diesen Fällen erscheine ein Verzicht auf die Erstattung allein wegen dieses Verwaltungsfehlers als sachfremd.
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(2) Mit Urteil vom 21.6.2001 hat es derselbe Senat des BSG in einem um die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld geführten Rechtsstreit nicht beanstandet, wenn die Behörde den Umstand, dass die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides auf einen eigenen Fehler zurückgehe, bei der Ermessensprüfung nicht beachtete (B 7 AL 6/00 R - Juris RdNr 27). Der Senat hat zur Erläuterung ausgeführt, dass (grobe) Fehler der Verwaltung bei der Vertrauensschutzprüfung nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie das Vertrauen des Begünstigten im Sinne der Fehlerperpetuierung nachhaltig und zusätzlich gestärkt haben. Der 7. Senat hält es insoweit für einen Wertungswiderspruch, wenn Versäumnisse, die dem Machtbereich der Behörde zuzurechnen sind, nunmehr zugunsten des ursprünglich Begünstigten in die Ermessensentscheidung einfließen. Im Rahmen seiner vorangegangenen Darlegungen zur Vertrauensschutzprüfung nach § 45 Abs 2 S 1 SGB X hat der 7. Senat eine Stärkung des Vertrauens in den Bestand einer fehlerhaften Leistungsbewilligung allenfalls dann für möglich gehalten, wenn einer Behörde über den bloßen Fehler bei der ursprünglichen Bewilligung hinaus noch weitere Fehler - mit der Folge der Vertiefung oder Perpetuierung des ursprünglich gemachten Fehlers durch zusätzliches Verwaltungshandeln - unterlaufen sind (B 7 AL 6/00 R - Juris RdNr 25).
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(3) Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsprechung des 7. Senats des BSG über die Abwägungsrelevanz von Verwaltungsfehlern bei der Betätigung des Rücknahmeermessens in einem Fall des § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X für die hier vorzunehmende Beurteilung nach eigener Überprüfung an. Dabei braucht der Senat die in der Rechtsprechung des BSG teilweise kontrovers diskutierte Frage (vgl Steinwedel in KassKomm, aaO, § 45 SGB X RdNr 53, 61, mit Nachweisen aus der Rspr des BSG) nicht zu beantworten, ob Ermessensgesichtspunkte allgemein nur solche Umstände sein können, die nicht bereits im Rahmen der Abwägung zur Schutzwürdigkeit des Vertrauens nach § 45 Abs 2 SGB X zu berücksichtigen waren bzw unter welchen - ggf einschränkenden - Voraussetzungen Umstände bei der Ermessensausübung (gleichwohl) noch eine Rolle spielen können, die bereits zur Versagung des Vertrauensschutzes geführt haben. Offenbleiben kann auch, ob ein grober Fehler der Verwaltung (allein oder in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten) ohne gleichzeitiges Verschulden des Begünstigten zu einer Vertrauensschutzabwägung und sodann Ermessensausübung zu dessen Gunsten führen kann oder sogar muss (so etwa Waschull in Diering/Timme/Waschull, SGB X, 3. Aufl 2011, § 45 RdNr 65; Schütze in von Wulffen, SGB X, aaO, § 45 RdNr 90, unter Hinweis auf BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 2; zur Berücksichtigung von groben Fehlern der Verwaltung bei der Vertrauensschutzprüfung vgl auch BSGE 81, 156, 161 = SozR 3-1300 § 45 Nr 37 S 118, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr des BSG). Denn jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem - wie die Beklagte zutreffend ausführt - im Hinblick auf die von ihr versäumte Nachprüfung der ihr Anfang Mai 2006 von der SECURVITA BKK erstatteten Meldung allenfalls ein normaler Verwaltungsfehler vorliegt und sich der Kläger außerdem vorwerfbar iS von § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X verhalten hat, stellt ein eigener Fehler der Verwaltung keinen Umstand dar, der bei der Ermessensausübung in die Interessenabwägung eingestellt (sodann zutreffend gewichtet und bei der Herstellung eines angemessenen Interessenausgleichs entsprechend berücksichtigt) werden müsste.
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Das dargestellte Ergebnis folgt - in Ergänzung der vom 7. Senat des BSG hierfür genannten Gründe - auch aus folgenden Überlegungen:
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Abgesehen von den in § 45 Abs 2 S 3 SGB X geregelten Fallkonstellationen, die generell einen Ausschluss von Vertrauensschutz wegen eines vorwerfbaren Verhaltens des Begünstigten begründen, liegt die Ursache für den Erlass eines begünstigenden rechtswidrigen Verwaltungsakts regelmäßig (allein) im Verantwortungsbereich der Verwaltung. Zutreffend weist die Beklagte deshalb - unter Bezugnahme auf das Urteil des 7. Senats des BSG vom 21.6.2001 (B 7 AL 6/00 R - Juris RdNr 24; vgl auch schon BSG SozR 3-3100 § 85 Nr 1 S 3) - darauf hin, dass Fehler der Verwaltung den Regelfall der Anwendung des § 45 SGB X darstellen und nach der Vorstellung des Gesetzgebers zu dieser Aufhebungsvorschrift ein solchermaßen von der Behörde verursachter rechtswidriger Zustand grundsätzlich - unter näher bestimmten Voraussetzungen - auch wieder beseitigt werden können soll. Würde jeder im Bereich der Verwaltung auftretende Fehler zu einem schutzwürdigen Vertrauen des durch den Verwaltungsakt Begünstigten führen, bedürfte es der Norm des § 45 SGB X letztlich gar nicht; eine solche Konstruktion liefe der Zielsetzung des § 45 SGB X, einen rechtswidrigen Zustand auch wieder beseitigen zu können, zuwider(vgl BSG Urteil vom 21.6.2001 - B 7 AL 6/00 R - Juris RdNr 24). Kann also wegen dieser Ausrichtung des § 45 SGB X ein "normaler" Fehler der Verwaltung allein in Anwendung von § 45 Abs 2 S 1 SGB X die Annahme schutzwürdigen Vertrauens des Begünstigten in den Fortbestand eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts nicht rechtfertigen, so muss das umso mehr gelten, wenn in den Fällen des § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X zu der Verantwortlichkeit der Behörde für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts eine solche des Begünstigten hinzutritt(vgl entsprechend - zu § 48 Abs 2 S 3 Nr 2 und Nr 3 BayVwVfG - BayVGH NVwZ 2001, 931, 932 f); § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X ordnet in solchen Fällen den Ausschluss von Vertrauensschutz explizit an, weil der Begünstigte (gerade) im Hinblick auf sein vorwerfbares Verhalten die ohne Rechtsgrund erbrachte Leistung nicht soll behalten dürfen. Der Senat folgt der Beklagten, wenn sie der Bestimmung im Hinblick hierauf entnimmt, dass der Gesetzgeber - bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen - auf der Ebene der Vertrauensschutzabwägung die Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts als regelmäßige Rechtsfolge bestimmt.
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Legt § 45 SGB X in Fällen wie dem vorliegenden(= normaler Fehler der Verwaltung und vorwerfbares Verhalten des Begünstigten iS von § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X) durch die Versagung von Vertrauensschutz tatbestandlich die Erreichung eines bestimmten Ergebnisses, nämlich die Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts nahe, so kann der Verwaltungsfehler nicht auf der (späteren) Ebene der Interessenabwägung im Rahmen der Ermessensausübung gleichwohl zu Gunsten des ursprünglich Begünstigten berücksichtigt werden (ähnlich Steinwedel in: KassKomm, aaO, § 45 SGB X RdNr 53
§ 45 abs 2 s 3 sgb x>) . Obwohl § 45 Abs 1 SGB X als allgemeine Ermessensermächtigung gefasst ist, wird der Ermessensspielraum der Behörde hier im Hinblick auf die Gewichtung des beschriebenen Zwecks der Vorschrift (und der Gesetzessystematik) verengt mit der Folge, dass einem Umstand - hier dem Vorliegen eines normalen Fehlers der Verwaltung - im Rahmen der Ermessensabwägung (von vornherein) keine Relevanz zukommt. Insoweit wird der Ermessensbetätigung über die im Tatbestand des § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X antizipierte Interessenbewertung des Gesetzgebers - und die (wertende) Entscheidung bei der Subsumtion unter diesen Tatbestand - in dem Umfang vorgegriffen, wie sich die jeweils zu beurteilenden Belange decken, und es wird der Abwägungsprozess hinsichtlich der einzustellenden Abwägungsbelange (für den Regelfall) in eine bestimmte Richtung festgelegt. Zwar ist der Umstand des Verwaltungsverschuldens der Ermessensabwägung hier nicht schlechthin entzogen, jedoch ist die - im Wege der Auslegung gewonnene - tatbestandliche Wertungsvorgabe zu beachten. Mit der Verengung des Ermessensspielraums reduzieren sich auch die Handlungsalternativen der Behörde bereits vor der eigentlichen (Ermessens)Abwägung (vgl insoweit auch das in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit entwickelte Institut des "intendierten Verwaltungsermessens", dazu näher zB Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 40 RdNr 28 ff; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd 1, 12. Aufl 2007, § 31 RdNr 42, jeweils mit zahlreichen Rspr-Nachweisen).
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cc) Die angefochtenen Bescheide der Beklagten über die Rücknahme der Zuschussbewilligung für die Vergangenheit leiden danach nicht an einem Ermessensfehler in Form des Ermessens- bzw Abwägungsdefizits. Andere Ermessensfehler liegen ebenfalls nicht vor. Dass etwa (andere) wesentliche Tatsachen in die Interessenabwägung nicht eingestellt oder einbezogene abwägungsrelevante Tatsachen objektiv fehlerhaft gewichtet wurden (sog Abwägungsfehleinschätzung) oder zwischen widerstreitenden Belangen kein angemessener Ausgleich hergestellt wurde (sog Abwägungsdisproportionalität), ist nicht ersichtlich und hat der Kläger auch nicht geltend gemacht.
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d) Die im Bescheid der Beklagten vom 8.8.2008 (in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 22.4.2009) auch enthaltene Erstattungsanordnung ist ebenfalls rechtmäßig. Nach § 50 Abs 1 S 1 SGB X ist Voraussetzung für die Rückforderung der für die Zeit vom 1.5.2006 bis 30.6.2008 überzahlten Zuschüsse zur Krankenversicherung in Höhe von insgesamt 2347,20 Euro lediglich, dass der sie bewilligende Verwaltungsakt (durch die Verwaltung oder die Gerichte) aufgehoben wurde und der Rechtsgrund für diese Leistungen dadurch nachträglich entfallen ist. Das ist hier der Fall.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12.12.2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab 01.08.2010.
3Der 1952 geborene Kläger bezog nach seinem Umzug von E nach H von dem Beklagten ab Oktober 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im Rahmen der Leistungsgewährung wurde er von dem Beklagten mehrfach zur Mitwirkung aufgefordert. Er sollte insbesondere vollständige Einkommensnachweise hinsichtlich der Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit mit der Firma C, einer Nachhilfetätigkeit und einer Tätigkeit als Callboy vorlegen. Diese Tätigkeiten hatte der Kläger im Internet angeboten. Der Kläger sollte außerdem Mietquittungen über geleistete Mietzahlungen vorlegen. Hintergrund dieser Aufforderung war ein Antrag der Hausverwaltung L Immobilien, die den Beklagten im Namen des Vermieters zur unmittelbare Überweisung der Miete auf ihr Treuhandkonto aufforderte, da der Kläger Mietrückstände von mehreren Monaten habe. Der Kläger teilte auf die Aufforderung des Beklagten mit, dass er die Miete regelmäßig überweise und auf die geschalteten Anzeigen keine Anfragen erhalten habe, so dass er auch keine Umsätze erzielt habe. Weitere Anzeigen habe er deshalb auch nicht mehr geschaltet. Kontoauszüge über Mietzahlungen könne er nicht vorlegen, da er kein eigenes Konto mehr habe, sondern das Konto einer Bekannte benutze.
4Mit Bescheid vom 17.06.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger letztmalig Leistungen in Höhe von 485,00 Euro monatlich für den Zeitraum 01.06.2010 bis 31.07.2010. Er forderte den Kläger dazu auf, Name und Bankverbindung seines Vermieters mitzuteilen, damit die Zahlung der laufenden Kosten der Unterkunft an den Vermieter veranlasst werden könne. Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 05.07.2010 forderte der Beklagte diesen mit Schreiben vom 08.07.2010 erneut zur Mitwirkung auf. Er benötige Kontoauszüge ab 01.12.2009 bis laufend bzw. einen Nachweis darüber, dass der Kläger nicht Kontoinhaber sei, Nachweise der Mietzahlungen an den Verwalter und Name und Bankverbindung des Vermieters. Die Unterlagen seien bis zum 20.07.2010 einzureichen. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass Geldleistungen ganz oder teilweise versagt werden können, wenn die erforderlichen Unterlagen nicht vorgelegt werden. Der Kläger hat hierauf zunächst nicht reagiert. Im Rahmen eines vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen geführten Eilverfahrens hat der Kläger mitgeteilt, zur Vorlage der Kontoauszüge müsse er zunächst Rücksprache mit der Kontoinhaberin nehmen. Er werde versuchen einen Nachweis über die ordnungsgemäße Mietzahlung zu beschaffen und auch den Steuerbescheid für 2009 vorlegen. Mit Schreiben vom 04.10.2010 hat der Kläger daraufhin den Steuerbescheid für 2009 übersandt. Danach hat er 2009 kein zu versteuerndes Einkommen erzielt.
5Mit Schreiben vom 04.10.2010 hat sich der Vermieter des Klägers an den Beklagten gewandt und mitgeteilt, dass dieser seit Januar 2010 keine Mietzahlungen mehr leiste und auch die Miete für vier Monate in 2009 noch schuldig geblieben sei. Er hat erneut die Überweisung der Miete auf das Konto der Hausverwaltung L verlangt. Mit Schreiben vom 30.11.2010 hat der Beklagte dem Kläger eine weitere Frist bis zum 17.12.2010 zur Vorlage der Unterlagen gesetzt und ihn erneut auf die Folgen einer mangelnden Mitwirkung hingewiesen. Nachdem eine Reaktion des Klägers hierauf nicht erfolgte, stellte der Beklagte mit Versagungs-/Entziehungsbescheid vom 22.12.2010 fest, dass die Leistungen ab dem 01.08.2010 ganz versagt werden. Der Kläger habe die mit Schreiben vom 08.07.2010 angeforderten Unterlagen, die für eine Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen zwingend erforderlich seien, nicht vorgelegt und sei damit seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Grundlage für die Entscheidung seien §§ 60 und 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I).
6Gegen den Bescheid legte der Kläger am 28.12.2010 mit der Begründung Widerspruch ein, die Unterlagen habe er mit Telefax vom 25.10.2010 übersandt. Der Beklagte setzte dem Kläger daraufhin zur Vorlage der Unterlagen eine weitere Frist bis zum 24.01.2011 (Schreiben vom 13.01.2011). Der Kläger hat nachfolgend Kontoauszüge der D-bank für den Zeitraum 01.12.2009 bis 30.06.2010 übersandt und erklärt, dass er diese Auszüge bereits mit Telefax vom 25.10.2010 und vom 03.01.2011 an den Beklagten übersandt habe. Name und Anschrift des Kontoinhabers habe er aus Datenschutzgründen überklebt. Das diesbezügliche Konto bei der D-bank lautet zumindest auch auf den Namen des Klägers. Neben den monatlichen Überweisungen des Beklagten an den Kläger sind auf diesem Konto keine weiteren Zahlungseingänge vorhanden. Mietzahlungen sind ausweislich der Kontoauszüge bis April 2010 geleistet worden.
7Mit Schreiben vom 18.01.2011 hat der Beklagte weitere Kontoauszüge ab dem 01.12.2009 bis laufend und einen Nachweis darüber angefordert, wer Kontoinhaber ist. Außerdem hat er Nachweise über Mietzahlungen an den Verwalter, Name und Bankverbindung des Verwalters und eine schriftliche Erklärung des Klägers darüber angefordert, wie er seit August seinen Lebensunterhalt sichergestellt habe. Der Kläger hat daraufhin ein Schreiben der D-bank vom 07.02.2011 vorgelegt, in dem diese bestätigt, dass es sich bei dem Konto Nr. 000 um ein Gemeinschaftskonto handelt. Er hat weiter erklärt, dass er weitere Kontoauszüge nicht vorlegen könne, da er nicht Kontoinhaber sei. Er könne nur die Umsätze der letzten 90 Tage online einsehen. Mietzahlungen an den Verwalter seien seit Juni 2011 nicht erfolgt, da er keine Leistungen von dem Beklagten mehr erhalten habe. Der Mietvertrag bestehe mit der Firma L Immobilien. Die Bankverbindung sei seit 2006 bekannt. Für seinen Lebensunterhalt habe er sich seit August 2010 von seiner Nachbarin monatlich ca. 500,- Euro geliehen. Sie dränge nun darauf, das Geld zurückzuerhalten.
8Am 12.01.2011 hat der Kläger einen weiteren Fortzahlungsantrag gestellt, den der Beklagte mit Versagungs-/Entziehungsbescheid vom 04.05.2011 abgelehnt hat. Der Kläger sei seinen Mitwirkungspflichten erneut nicht nachgekommen. Leistungen seien daher ab dem 01.01.2011 zu versagen.
9Im Rahmen eines Eilverfahrens beim Sozialgericht Gelsenkirchen (S 27 AS 86/11 ER) hat der Kläger erneut an ihn adressierte Kontoauszüge der D-bank für den Zeitraum Dezember 2009 bis Juni 2010 übersandt und mitgeteilt, er begehre die vorläufige Gewährung von Leistungen ab dem 01.08.2010. Mit Beschluss vom 21.02.2011 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Bis zum 11.01.2011 bestehe kein Anordnungsgrund, weil vorläufige Leistungen erst ab Eingang des Eilantrags gewährt werden können. Für die Zeit ab dem 12.01.2011 habe der Kläger seine Hilfebedürftigkeit nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Eine Eilbedürftigkeit sei zudem vor dem Hintergrund der fehlenden Mitwirkung des Klägers nicht ersichtlich. Dieser habe auf gerichtliche Verfügungen nicht reagiert. Der Kläger hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt (L 7 AS 513/11 B ER). Auf die gerichtlichen Verfügungen habe er wegen einer Erkrankung nicht reagieren können. Seit August 2010 sei er von seiner Nachbarin K unterstützt worden. Das Landessozialgericht hat den Kläger im Rahmen des Beschwerdeverfahrens mit Schreiben vom 30.05.2011 dazu aufgefordert, zur Aufklärung seiner Hilfebedürftigkeit die D-bank von der Schweigepflicht zu entbinden. Nachdem der Kläger auf diese Anfrage nicht reagiert hat, ist die Beschwerde mit Beschluss vom 20.07.2011 zurückgewiesen worden. Vor dem Hintergrund der mangelnden Mitwirkung des Klägers sei eine Eilbedürftigkeit weiterhin nicht ersichtlich.
10Der Kläger hat daraufhin mit Schreiben vom 22.08.2011 beim Sozialgericht Gelsenkirchen beantragt, nunmehr das Hauptsacheverfahren zu dem Eilverfahren durchzuführen.
11Mit Schreiben vom 20.09.2011 hat die Firma L Immobilien dem Beklagten mitgeteilt, dass die Wohnung des Klägers zwangsgeräumt worden sei. Die rückständige Miete für die Monate Januar bis Juli 2011 werde mit der Kaution verrechnet.
12Mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2011 hat der Beklagte den Widerspruch gegen den Versagungsbescheid vom 22.12.2010 zurückgewiesen. Die Entscheidung sei zu Recht erfolgt, da die Hilfebedürftigkeit des Klägers mangels Mitwirkung nicht habe festgestellt werden können.
13Das Sozialgericht hat den Kläger im Rahmen des nunmehr anhängigen Klageverfahrens dazu aufgefordert, für den Zeitraum 01.08.2010 bis 31.01.2011 Kontoauskünfte über alle von ihm genutzten Konten oder eine Schweigepflichtentbindungserklärung vorzulegen, damit das Gericht die erforderlichen Bankauskünfte einholen könne. Eine Reaktion des Klägers, der zwischenzeitlich mehrfach umgezogen ist, erfolgte nicht. Zum Verhandlungstermin beim Sozialgericht ist er nicht erschienen.
14Mit Urteil vom 12.12.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger beantrage sinngemäß, ihm unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum 01.08.2011 bis 31.01.2012 zu bewilligen. Die Klage sei als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig. Gegen die Versagung einer Leistung wegen mangelnder Mitwirkung sei zwar grundsätzlich nur die reine Anfechtungsklage zulässig, in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid habe der Beklagte aber das Bestehen eines Anspruchs mangels Hilfebedürftigkeit verneint und damit erstmals auch eine Entscheidung über das Bestehen des streitigen Anspruchs getroffen. In diesen Fällen sei die isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides ohne Durchführung eines weiteren Vorverfahrens zulässig. Die Klage sei aber unbegründet, weil weiterhin nicht festgestellt werden könne, dass der Kläger im streitigen Zeitraum hilfebedürftig gewesen sei. Die Kammer habe Zweifel daran, dass der Kläger in diesem Zeitraum über kein Einkommen verfügt habe. Dies Zweifel würden sich zunächst aus dem Umstand begründen, dass der Kläger in zeitlicher Nähe zum Bewilligungszeitraum Dienstleistungen im Internet angeboten habe und sich aus den hinsichtlich eines anderen Zeitraums vorliegenden Kontoauszügen Unklarheiten aus den dort aufgeführten Überweisungen ergeben hätten. Die angeforderten Kontoauszüge habe der Kläger nicht vorgelegt. Das Gericht könne seine Hilfebedürftigkeit daher nicht überprüfen.
15Gegen das am 15.01.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.02.2013 Berufung eingelegt. Mit seiner am 19.08.2013 vorgelegten Berufungsbegründung macht er geltend, die Vorlage der angeforderten Kontoauszüge sei ihm nicht möglich, weil er nicht Inhaber dieses Kontos sei. Er dürfe lediglich Ein- und Auszahlungen am Automaten vornehmen, Online-Überweisungen tätigen, die Kontobewegungen der letzten 90 Tage online einsehen. Gegenüber dem Beklagten habe er mitgeteilt, dass ihn die Nachbarin K in der Zeit absoluter Mittellosigkeit mit Essen und Trinken versorgt habe. Aus der Tatsache, dass er im Internet Anzeigen geschaltet habe, könne nicht auf Umsätze geschlossen werden. Tatsächlich habe er diese nur zum Spaß geschaltet bzw. auf die Angebote keine Reaktion erhalten.
16Seiner Nachbarin schulde er noch heute den den Sachleistungen entsprechenden Betrag.
17Der Senat hat den Kläger dazu aufgefordert, ihm die ladungsfähige Anschrift der Person, dessen Konto er mitbenutzt haben will, mitzuteilen. Der Kläger hat mitgeteilt, dass er hierzu nicht in der Lage sei. Im Übrigen sei er nicht dazu bereit, die angeforderten Kontoauszüge zur Verfügung zu stellen. Er habe den Nachweis erbracht, nicht Kontoinhaber zu sein. Auf Nachweise über geleistete Mietzahlungen und auf Mitteilung der Kontoaktdaten des Vermieters habe der Beklagte keinen Anspruch. Seinen Mitwirkungspflichten sei er daher hinreichend nachgekommen.
18Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
19den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2011 zu verurteilen, ihm auf seinen Antrag vom 05.07.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zzgl. Zinsen zu gewähren.
20Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Zu einem am 30.09.2014 anberaumten Verhandlungstermin ist der Kläger nicht erschienen.
23Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er die Berufung als offensichtlich unbegründet ansehe und beabsichtigte, sie durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG zurückzuweisen, wenn der Kläger die Berufung nicht zurücknehme. Die Beteiligten wurden hierzu angehört.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten. Die Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
25Entscheidungsgründe:
26Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 4 SGG nach Anhörung der Beteiligten die Berufung durch Beschluss zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
27Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
28Soweit der Kläger auch die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Leistungen ab dem 01.08.2010 begehrt, ist diese Leistungsklage bereits unzulässig. Soweit er sich gegen den Versagungsbescheid vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2011 wendet, ist die diesbezügliche Anfechtungsklage zwar zulässig, aber unbegründet.
29Streitgegenstand einer Klage gegen einen Versagungsbescheid wegen mangelnder Mitwirkung ist nicht der materielle Anspruch, sondern die Auseinandersetzung über Rechte und Pflichten der Beteiligten im Verwaltungsverfahren. Eine unmittelbare Klage auf existenzsichernde Leistungen kommt in diesen Fällen aus Gründen der Prozessökonomie nur in Betracht, wenn sich bei einer Aufhebung der Entscheidung über die Versagung wegen fehlender Mitwirkung das Verwaltungsverfahren lediglich wiederholen würde oder die anderweitige Klärung der Leistungsvoraussetzungen zwischen den Beteiligten unstreitig ist (BSG, Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 78/08 R, juris RdNrn. 14 und 16; BSG, Beschluss vom 25.02.2013 - B 14 AS 133/12 B, juris RdNr. 5). Ist Letzteres - wie hier - nicht der Fall und ist die Versagung der Leistung wegen fehlender Mitwirkung schon nicht als rechtswidrig, sondern als rechtmäßig anzusehen, ist eine Leistungsklage nicht zulässig. Soweit das Sozialgericht meint, der Beklagte habe mit dem Widerspruchsbescheid auch inhaltlich über den Anspruch entschieden, so dass aus diesem Grund auch eine isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides verbunden mit der Klage auf Leistungen zulässig sei, kann dem nicht gefolgt werden. Auch in dem Widerspruchsbescheid wird die Ablehnung der Leistungen damit begründet, dass der Anspruch des Klägers mangels Mitwirkung zu versagen ist. Allein die daran anknüpfende Feststellung, dass deshalb auch die Hilfebedürftigkeit nicht festgestellt werden konnte, kann nicht als inhaltliche Entscheidung über den Anspruch angesehen werden, sondern soll lediglich die Erforderlichkeit der angeforderten Mitwirkungshandlung darlegen, denn nach § 60 SGB I sind nur solche Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind.
30Die gegen den Versagungsbescheid gerichtete Anfechtungsklage ist demgegenüber zulässig, aber unbegründet.
31Der Bescheid vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I liegen vor. Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung ist der Erlass des Widerspruchsbescheides am 20.12.2011. Der Kläger hat zu diesem Zeitpunkt seine Mitwirkungspflichten verletzt. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Diese Mitwirkungsobliegenheiten gelten auch im Rahmen des SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 10/08 R, juris RdNr. 13).
32Der Kläger wurde mit Schreiben vom 08.07.2010 dazu aufgefordert, Kontoauszüge ab dem 01.12.2009 bis laufend bzw. einen Nachweis darüber, dass er nicht Kontoinhaber sei, vorzulegen. Er wurde außerdem dazu aufgefordert, Nachweise über Mietzahlungen an den Verwalter sowie Namen und Bankverbindung des Vermieters anzugeben. Dieser Aufforderung ist der Kläger zunächst überhaupt nicht und später nur teilweise nachgekommen. Auch eine weitere Fristsetzung mit Schreiben vom 30.11.2010 zum 17.12.2010 hat er verstreichen lassen. Erst im Januar 2011 hat der Kläger Kontoauszüge bis zum 30.06.2010 übersandt. Name und Anschrift des weiteren Kontoinhabers hat er aus Datenschutzgründen überklebt. Weitere Kontoauszüge und Nachweise über Mietzahlungen wurden nicht eingereicht. Der Kläger hat hierzu lediglich erklärt, dass er weitere Kontoauszüge nicht vorlegen könne, weil er kein Kontoinhaber sei und Mietzahlungen an den Verwalter mangels Leistungen durch den Beklagten nicht mehr erfolgt seien. Der Vortrag des Klägers, ihm sei eine Vorlage der Kontoauszüge nicht möglich, ist aber nicht glaubhaft. Hiergegen spricht bereits, dass die von ihm vorgelegten Kontoauszüge bis zum 30.06.2010 sogar an ihn adressiert waren und die D-bank ausdrücklich bestätigt hat, dass es sich bei dem Konto um ein Gemeinschaftskonto, also gerade nicht um ein vom Kläger nur mitbenutztes Konto handelt. Unklar ist auch, warum eine Vorlage der Kontoauszüge bis zum 30.06.2010 möglich war, nach diesem Zeitpunkt aber nicht mehr erfolgen konnte und warum der Kläger, der seine Umsätze nach eigenen Angaben für 90 Tage online einsehen konnte, hiervon keinen Ausdruck machen konnte. Vor dem Hintergrund der auch im weiteren Verfahren erfolgten beharrlichen Weigerung des Klägers, Kontoauszüge vorzulegen, den Namen des weiteren Kontoinhabers mitzuteilen bzw. die D-bank von der Schweigepflicht zu entbinden, muss davon ausgegangen werden, dass die fehlende Mitwirkung hinsichtlich der Vorlage der Kontoauszüge nicht auf einer Unmöglichkeit beruht, sondern der Kläger diese Auszüge schlicht und einfach nicht vorlegen wollte. Dies wird in seinen letzten Schreiben an das Gericht auch deutlich.
33Bei den geforderten Kontoauszügen handelt es sich um Beweismittel im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I, die für den Anspruch relevant sind (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 10/08 R, juris RdNr. 15). Die Vorlagepflicht war auch nicht durch § 65 SGB I begrenzt. Gegen die Forderung Kontoauszüge anzufordern bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Dies gilt jedenfalls für die Kontoauszüge der letzten drei Monate (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 10/08 R, juris RdNr. 17), die der Kläger zu keinem Zeitpunkt vorgelegt hat, und rechtfertigt in Fällen, in denen wie hier ein konkreter Verdacht des Leistungsmissbrauchs vorliegt, auch die Anforderung weiterer Kontoauszüge zur Überprüfung, ob Zahlungseingänge aufgrund der inserierten Tätigkeiten zu verzeichnen sind.
34Der Beklagte hat den Kläger in mehreren Schreiben ausdrücklich und unmissverständlich über die Rechtsfolgen der fehlenden Mitwirkung informiert und belehrt (§ 66 Abs. 3 SGB I) und ihm zudem mehrfach Gelegenheit dazu gegeben, die Mitwirkungshandlung noch nachzuholen und die angeforderten Kontoauszüge zu übersenden.
35Da infolge der fehlenden Mitwirkung des Klägers die Voraussetzungen für die Bewilligung der Leistungen, insbesondere die Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen werden konnte, ist die Ermessensentscheidung des Beklagten, die Leistungen vollständig zu versagen, auch nicht zu beanstanden, stellt sich vielmehr als eine sog. Ermessensreduzierung auf Null - Leistungenn zu versagen - dar.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
37Anlass die Revision zuzulassen, besteht nicht.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.