Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 23. März 2012 - L 8 U 884/11

bei uns veröffentlicht am23.03.2012

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der 1966 geborene Kläger ist als Glaser beschäftigt. Am 18.01.2010 zog er sich eine Bizepssehnenruptur am linken Oberarm zu, als eine 120 kg schwere Sicherheitsglas-Scheibe auf das Dach einer Pergola montiert wurde.
In der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 25.01.2010 wurde angegeben, beim Anheben einer Glasscheibe sei die Sehne gerissen. Der am Unfalltag aufgesuchte Orthopäde B. diagnostizierte eine distale Bizepssehnenruptur links (H-Arzt-Bericht von Orthopäde B. vom 18.01.2010). Der arbeitsunfähige Kläger wurde stationär vom 26.01.2010 bis 03.02.2010 in der B. Unfallklinik L. (BG-Klinik) behandelt, wo am 27.01.2010 eine offene Refixation der Bizepssehne vorgenommen wurde (Berichte der BG-Klinik vom 25.01.2010 und 02.02.2010). Die bei der Operation entnommene Gewebeprobe wurde untersucht (Bericht des Instituts für Pathologie Klinikum L. vom 01.02.2010). Die BG-Klinik teilte in ihren Arztberichten mit, die Behandlung werde zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt, denn ein Sturzereignis oder ein sonstiger geeigneter Unfallmechanismus sei verneint worden. Aus ärztlicher Sicht habe es sich bei dem Anheben der 120 kg schweren Glasscheibe ohne vorgespannte Bizepssehne um eine Gelegenheitsursache gehandelt.
Mit Bescheid vom 31.03.2010 verneinte die Beklagte Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Ereignisses vom 18.01.2010 und lehnte die Feststellung eines Arbeitsunfalls ab. Der geschilderte Geschehensablauf sei nach medizinischen Erfahrungswerten nicht geeignet gewesen, eine Ruptur der Bizepssehne herbeizuführen.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Das Anheben einer 120 kg schweren Glasplatte stelle für sich betrachtet kein Ereignis dar, das das Maß alltäglicher Belastungen nicht überschreite. In dem hier interessierenden Bereich bestünden keinerlei gesundheitliche Vorschäden. Bei der Verrichtung von im Alltag üblichen Arbeiten komme es regelmäßig auch zum Anheben von Lasten im üblichen Umfang, wobei es in der Vergangenheit gerade nicht zu einer Bizepssehnenruptur gekommen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2010 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Beschwerden seien nach einer rein gewillkürten körpereigenen Bewegung aufgetreten, ohne dass ein plötzliches äußeres Ereignis mitgewirkt habe. Trete dennoch bei einem an sich ungeeigneten Hergang eine Schädigung an der Bizepssehne zutage, müsse deren Belastbarkeit infolge degenerativer Veränderungen deutlich herabgesetzt gewesen sein. Es habe bereits eine Krankheitsanlage vorgelegen, die auch ohne die berufliche Tätigkeit in naher Zukunft zu denselben Beschwerden geführt hätte.
Am 16.08.2010 erhob der Kläger vor dem Sozialgericht Mannheim Klage. Er begehrte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall, denn es sei zu bestreiten, dass es sich bei dem Anheben einer 120 kg schweren Glasplatte um einen das Maß alltäglicher Belastungen nicht überschreitenden Vorgang handele. Bis zu dem Vorfall seien keinerlei Beschwerden in diesem Bereich aufgetreten, er habe sich weder in ärztlicher Behandlung befunden noch gebe es sonstige Hinweise auf eine wie auch immer geartete Vorschädigung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei auch bei gewillkürten Handlungen die versicherte Tätigkeit wesentliche Mitursache neben konkurrierenden Ursachen, wie z.B. eine Krankheitsanlage, wenn die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung sei. Auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - („Grabsteinurteil“) werde verwiesen. Weitere Ermittlungen seien veranlasst.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Für die Zusammenhangsbeurteilung sei das Gewicht der Last nicht entscheidend, maßgebend sei die Kraft, die aufgrund der Muskelkontraktion auf die Sehne einwirke. Die Zug- und Hebefestigkeit einer Sehne liege über der Kraftbildungsfähigkeit eines Muskels. Sei die Last für den Muskel zu schwer, versage dieser. Eine Überlastung der Sehne könne nicht eintreten.
Mit Gerichtsbescheid vom 27.01.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der Kläger habe willentlich und kontrolliert eine Last angehoben. Anhaltspunkte für eine äußere plötzlich auftretende Einwirkung seien nicht vorgetragen und ersichtlich. Ein plötzlicher Schmerz beim Anheben eines Gegenstandes ohne äußere Einwirkung sei nicht geeignet, einen unfallversicherungsrechtlich relevanten Unfallmechanismus darzustellen.
Gegen den dem Klägerbevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 02.02.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 02.03.2011 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er verweist erneut auf das „Grabsteinurteil“ des Bundessozialgerichts, bei dem in Wahrheit gerade auch kein von außen einwirkendes Ereignis vorgelegen habe, sondern der Kläger im dortigen Verfahren habe versucht, einen festgefrorenen Grabstein anzuheben, was bei zutreffender Betrachtung keine Einwirkung im Sinne einer Handlung, sondern einen passiver Zustand einer Sache darstelle. Maßgebend sei, dass der Versicherte in Ausübung seiner Tätigkeit eine außergewöhnliche Kraftanstrengung unternehme und dabei einen Gesundheitsschaden erleide.
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Der Kläger beantragt,
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den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Januar 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Ereignis vom 18. Januar 2010 als Arbeitsunfall festzustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verweist zur Begründung auf ihre angefochtenen Bescheide und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids.
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Der Senat hat den Operationsbericht der BG-Klinik vom 27.01.2010 sowie deren bildgebenden Diagnosemittel (auf CD-Datenträger gespeichert) beigezogen, Dr. Z. als Praxisnachfolger des den Kläger früher behandelnden Dr. K. zu der im Leistungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers angegebenen Arbeitsunfähigkeit im Juli 1987 unter der Diagnose „Tendopathie, Tendovaginitis“ als Zeuge schriftlich gehört (Aussage vom 15.08.2011: keine Patientenunterlagen mehr vorhanden) und dem Kläger die Auflage erteilt (richterliche Verfügung vom 28.06.2011), die konkreten Umstände des streitigen Hebevorgangs vorzutragen.
16 
Der Kläger hat sich über seinen Bevollmächtigten zur richterlichen Auflage schriftlich geäußert (Schriftsatz vom 09.08.2011). Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 12.09.2011 hat der Kläger ergänzend angegeben, die 4 m x 90 cm große, 120 kg schwere Sicherheitsglasscheibe sei zu viert von einem mit Holzböcken gebauten Gerüst aus auf das Dach der Pergola angehoben worden. Er habe ganz außen gestanden und mit dem linken Arm die Hochkant gestellte Scheibe unten gefasst. Das Anheben der Scheibe sei zunächst gut gegangen, solange der Arm noch nicht angewinkelt gewesen sei. Als dann der Arm gebeugt worden sei, um die Scheibe auf das Dach aufzulegen, habe er bemerkt, dass etwas passiert sei.
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Der Senat hat von Amts wegen das Gutachten nach Aktenlage von Dr. L. vom 12.12.2011 eingeholt. Der Sachverständige hat darin ausgeführt, die Bizepssehne des Klägers sei bereits zum Zeitpunkt des Ereignisses am 18.01.2010 vorgeschädigt gewesen. Dies zeige die histologische Aufarbeitung der während der Operation entnommenen Probeexzision (pathologisch-histologischer Befundbericht vom 01.02.2010) mit Aufbraucherscheinungen, die über das altersentsprechende Maß deutlich hinausreichten. Die sonstigen aktenkundigen medizinischen Befunde, insbesondere die bildgebende Diagnostik der BG-Klinik beweise eine Rissbereitschaft der strukturveränderten distalen Bizepssehne nicht. Nach dem geschilderten Bewegungsablauf seien während des Hebevorgangs aber keine außergewöhnliche Bewegungseinflüsse oder Artefakte aufgetreten. Aus unfallchirurgischer und orthopädischer Sicht habe ein koordinierter, maximal konzentrierter und willentlich gesteuerter Bewegungsablauf vorgelegen. Grob mathematisch berechnet sei auf jeden Arbeiter eine Gewichtsbelastung von 30 kg entfallen. Gehe man davon aus, dass der Kläger einhändig gewichtsbelastend mit dem linken Arm tätig gewesen sei, entfalle eine maximale Belastung auf den linken Arm von 30 kg. Bei dem analysierten Bewegungsablauf habe die distale Bizepssehne beim Beugevorgang maximal 10 kg Belastung gehabt, da die distale Bizepssehne bei der Beugung des Ellbogengelenks mit maximal 30 % beteiligt sei. Die Belastung von 10 kg auf eine Sehne stelle keine als wesentlich zu beurteilende Ursache für eine Kontinuitätstrennung dar.
18 
Zum dem Gutachten hat der Kläger eingewandt, der Sachverständige gehe von vorbestehenden Strukturveränderungen der Bizepssehne aus, die zu einer Minderung der Zugfestigkeit der Sehne führten. Es stelle sich die Frage, weshalb in dem Gutachten mehrfach von einer maximal vorgespannten distalen Bizepssehne ausgegangen werde; dies lasse sich nicht mit einer Vorschädigung in Einklang bringen. Im übrigen werde im Entlassungsbericht der BG-Klinik von einem Vorgang ohne vorgespannte Bizepssehne ausgegangen. Außerdem werde die Beweisfrage in der Beweisanordnung des Senats, ob die Vorschädigung so weit fortgeschritten war, dass sie auch ohne das Unfallereignis bei jedem alltäglich vorkommenden Ereignis eingetreten wäre, nicht eindeutig beantwortet. Zudem basierten die Ausführungen auf der rechnerisch gleichmäßigen Belastung. Eine Veränderung der Krafteinwirkung könne sich aber auch daraus ergeben, dass bei den vier tätig gewordenen Personen unterschiedliche Körpergrößen zu Unterschieden im Neigungswinkel der Glasplatte und damit zu einer höheren Kraftanstrengung geführt haben könnte. Die These einer Gelegenheitsursache sei durch die Ausführungen des Sachverständigen nicht verlässlich zu stützen.
19 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
20 
Der Senat hat die Verwaltungsakten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die gemäß §§ 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
22 
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG auf Aufhebung der Bescheide und Verpflichtung der Beklagten, das Ereignis vom 18.01.20010 als Arbeitsunfall anzuerkennen (BSG, Urteile vom 18.01.2011 -. B 2 U 15/10 R -, Breith 2011, 1008, juris und vom 27.04.2010 - B 2 U 23/09 R -, juris) zulässig.
23 
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr, 17; -B 2 U 40/05 R - , UV-Recht Aktuell 2006, 419; - B 2 U 26/04 R- , UV-Recht Aktuell 2006, 497; alle auch veröffentlicht in Juris).
24 
Der Senat trifft anhand der Angaben des Klägers im Erörterungstermin am 12.09.2011 die Feststellung, dass der Kläger mit 3 Helfern die 4 m x 90 cm umfassende, 120 kg schwere Glasscheibe in gebückter Haltung angehoben und anschließend aufrecht stehend die Scheibe gedreht hat, um sie auf das Dach der Pergola aufzubringen. Hierbei hatte er die zunächst aufgestellte Scheibe mit beiden Händen gehalten, mit der rechten Hand war die obere Kante und mit der linken Hand die untere Kante der Scheibe umfasst. Er stand außen an einer der Seiten. Das Anheben der Scheibe bis zur Höhe des Pergoladaches war dem Kläger ohne Probleme möglich. Beim Anwinkeln des linken Arms, um die Scheibe auf das Dach aufzulegen, verspürte der Kläger eine Funktionsminderung am linken Arm.
25 
Ob bei diesem Sachverhalt nach der oben angeführten Legaldefinition des Unfalls ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis angenommen werden kann, lässt der Senat dahinstehen. Zwar hat der Senat bereits entschieden, dass die normale Fortbewegung zu Fuß ohne Hinzutreten sonstiger äußerer Einflüsse nicht das Merkmal eines von außen einwirkenden Ereignisses erfüllt, wenn es aufgrund einer anlagebedingten Gelenkinstabilität zum Umknicken im Sprunggelenk beim betrieblich bedingten Gehen kommt (Urteil vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09 - , Juris, www.Sozialgerichtsbarkeit.de). Es spricht einiges dafür, dass hiervon auch dann auszugehen ist, wenn eine sonstige willentlich ausgeführte, betriebsbedingte Handhabung vorgenommen wird, die keine - gewollte oder durch die Umstände aufgezwungene - besondere Kraftentfaltung (was der Entscheidung des Bundessozialgerichts beim „Grabsteinurteil“ aber zu Grunde lag) erfordert (vgl. hierzu zuletzt BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - , Juris). Ob die Handhabung einer anteiligen Last von 30 kg (bei einem Gesamtgewicht von 120 kg) bereits eine besondere Kraftentfaltung in diesem Sinne darstellt und dadurch das vom Bundessozialgericht in teleologisch ausweitender Subsumtion der Legaldefinition umschriebene äußere Ereignis begründet, mag offen bleiben. Zu Gunsten des Klägers wird unterstellt, dass das auf die Armmuskulatur einwirkende Eigengewicht der Glasplatte das Tatbestandsmerkmal des von außen einwirkenden Ereignisses erfüllt.
26 
Zur Überzeugung des Senats ist aber die haftungsbegründende Kausalität nicht gegeben, denn das unterstellte Unfallereignis war nicht wesentlich kausal für die eingetretene Bizepssehnenruptur.
27 
Für beide Bereiche der Kausalität (haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
28 
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache erforderlich (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
29 
Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11, 19ff m.w.N.) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl. BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten „Erfolg“ führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.; SozR 2200 § 589 Nr. 96).
30 
Gibt es neben der versicherten Ursache noch konkurrierende Ursachen, z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, solange die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war (BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO, SozR Nr. 69 zu § 542 RVO a.F.). Eine Krankheitsanlage war von überragender Bedeutung, wenn sie so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte (BSGE 62, 220 , 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10 S 30). War die Krankheitsanlage von überragender Bedeutung, so ist die versicherte naturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts aus; sie ist dann bloß eine so genannte Gelegenheitsursache (BSG Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 15).
31 
Ferner ist zu beachten, dass für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - die Wahrscheinlichkeit genügt, dass aber das Unfallereignis, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des „Vollbeweises“, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden müssen (BSG SozR 35670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 mwN).
32 
Nach diesen Grundsätzen ist zur vollen Überzeugung des Senats beim Kläger eine vorgeschädigte distale Bizepssehne am linken Arm nachgewiesen. Der Sachverständige Dr. L. hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass die aus dem pathologisch-histologischen Befund vom 01.02.2010 ersichtlichen Aufbraucherscheinungen auf degenerative Veränderungen der Bizepssehne schließen lassen, die nicht erst durch das unterstellte Unfallereignis am 18.01.2010 eingetreten sein können. Die vorbestehenden degenerativen Strukturveränderungen lassen nach den plausiblen Darlegungen des Sachverständigen auf eine Minderung der Zugfestigkeit und eine gewisse Rissbereitschaft der distalen Bizepssehne schließen. Entgegen der Auffassung des Klägers steht diese Schlussfolgerung nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des Sachverständigen, dass bei der berücksichtigten Beugung des linken Ellbogengelenkes die distale Bizepssehne maximal gespannt war. Schließlich kam es bei dem angeschuldigten Ereignis ohne die aus unfallmedizinisch-traumatologischer Sicht übliche unerwartete Einwirkung auf einen physiologischen Bewegungsablauf zu dem Einriss, was die Elastizitätsminderung der Sehne belegt. Dass die Bizepssehne bei früheren vergleichbaren Hebevorgängen nicht gerissen ist, wie der Kläger geltend macht, widerlegt eine Vorschädigung nicht.
33 
Die Vorschädigung und die - unterstellte - Unfalleinwirkung waren (Mit-)Ursachen der Bizepssehnenruptur im Sinne einer conditio sine qua non. Der Einwand der Beklagten, da die Zug- und Hebefestigkeit einer Sehne über der Kraftbildungsfähigkeit eines Muskels liege, könne eine Überlastung der Sehne nicht auftreten, trägt die Verneinung eines kausalen Zusammenhangs nicht. Dass der Hebevorgang einen Riss an einer gesunden Sehne nicht hätte hervorrufen können, ist nicht entscheidend.
34 
Der Senat geht jedoch aufgrund des überzeugenden Gutachtens von Dr. L. in wertender Betrachtung davon aus, dass die Vorschädigung der linken distalen Bizepssehne des Klägers allein wesentliche Ursache für die Bizepssehnenruptur war, weil sie ein solches Ausmaß erreicht hatte, dass die Ruptur auch jederzeit bei einer Alltagsbelastung zu annähernd dem gleichen Zeitpunkt hätte auftreten können.
35 
Zwar sind die dem Senat zugänglich gewesenen ärztlichen Befunde, insbesondere die beigezogenen bildgebenden Diagnosemittel, und die Hinweise aus dem Vorerkrankungsverzeichnis nicht so hinreichend spezifisch, dass sie dem Sachverständigen Dr. L. eine sichere Beurteilung des Ausmaßes der - nachgewiesenen - degenerativen Aufbraucherscheinungen der Bizepssehne erlaubt haben. Aber Art und Intensität der unfallbedingten Einwirkung lässt im Einzelfall nach dem medizinischen Erfahrungswissen eine hinreichende Umschreibung des Ausmaßes des zu beurteilenden Vorschadens zu. War die Unfalleinwirkung selbst ihrer Ausprägung und Art nach nicht besonders und unersetzlich, sondern erreichte nur die Intensität eines alltäglich vorkommenden Ereignisses, ist mit gutem Recht anzunehmen, dass die degenerative Vorschädigung in ihrer Ausprägung bereits so leicht ansprechbar war, dass eine rechtlich erhebliche unfallvorbestehende Sehnendegeneration im Sinne einer Gelegenheitsursache vorlag (vgl. zu dieser Voraussetzung Urteile des Senats vom 01.07.2011 - L 8 U 197/11 - und vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09 -, beide veröff. in sozialgerichtsbarkeit.de und Juris).
36 
Maßgebend zur Bewertung einer Alltagsbelastung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht das Unfallereignis als solches (z. B. die Tatsache eines Sturzes etc.) bzw. der generell zum Tragen gekommene Kraftaufwand, sondern die Intensität der Einwirkungen auf das verletzte Organ (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. stellvertretend Urteil des Senats vom 01.07.2011 - L 8 U 197/11 - , a.a.O.; so auch der 1. Senat des LSG Baden-Württemberg, vgl. Urteil vom 10.03.2008 - L 1 U 2511/07 -, veröffentlicht in Juris). Eine Alltagsbelastung ist nicht nach der individuellen Lebensführung des Versicherten zu beurteilen, sondern abstrakt danach, welche Verhaltensweisen in der Lebensführung in der Bevölkerung verbreitet vorzufinden sind und nach allgemeiner Anschauung als alltägliche, nur mäßiggradig belastende Verrichtungen gelten.
37 
Dass das Unfallereignis in seiner Intensität der Einwirkung auf die Sehne nur das Ausmaß einer Alltagsbelastung erreichte, ergibt sich aus den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. L.. Der Sachverständige hat seiner Beurteilung den vom Senat festgestellten Sachverhalt zugrundegelegt. Danach ist von der Ruptur der distalen Bizepssehne in dem Moment auszugehen, in dem das linke Ellbogengelenk gebeugt wurde, um die Scheibe in die waagerechte Position zu drehen für die Auflage auf das Dach. Nachvollziehbar hat Dr. L. dargelegt, dass anatomisch die distale Bizepssehne in diesem Moment maximale Spannung aufwies. Weshalb die diagnostizierte Minderung der Zugfestigkeit dieser anatomisch-physiologischen Beschreibung entgegen stehen soll, ist nicht ersichtlich. Ein Widerspruch zu den Ausführungen im Arztbrief der BG-Klinik vom 02.02.2010, in dem auf einen Hergang ohne vorgespannte Sehne abgestellt wird, ist nicht zwingend abzuleiten, denn in den aktenkundigen Berichten der BG-Klinik ist nicht dargelegt, von welchem Bewegungsablauf zum Zeitpunkt der Sehnenruptur hierbei ausgegangen wurde. Es ist sogar nicht ausgeschlossen, dass der Kläger während der Behandlung in der BG-Klinik den Hergang mit einem anderen Verlauf geschildert hat. Immerhin hat der Kläger erst im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vor dem Senat offengelegt, dass er die Scheibe nicht allein angehoben hat. In der schriftlichen Antwort zur richterlichen Auflage vom 28.06.2011 ist er der Frage auf Beteiligung anderer ausgewichen. Letztlich ist auch nicht ersichtlich, worin der Kläger in dieser gutachtlichen Ausgangsbeschreibung einer gespannten Sehne eine ihn benachteiligende Fehlbewertung sieht, da Dr. L. damit die in der vorliegenden Fallkonstellation (ohne überraschende Einwirkung) für eine traumatisch bedingte Ruptur erforderliche Ausgangsposition beschreibt.
38 
Überdies hat Dr. L. überzeugend dargelegt, dass der betriebsbedingte Vorgang der Scheibenmontage trotz dieser Ausgangsposition nicht wesentlich kausal für die Ruptur war. Der Kläger hat keine -nachvollziehbare- ungleiche Lastenverteilung geschildert, denn beim gleichzeitigen Anheben der Scheibe ist es belanglos, dass er nach seiner Behauptung im Erörterungstermin an der Seite mit dem weitesten Überstand der Scheibe auf den Unterleghölzern stand. Auch sonst war eine plötzliche, unerwartete zusätzliche Belastung der Sehne bei dem Arbeitsvorgang nicht aufgetreten. Die Scheibe drohte nicht zu kippen, weder durch Schwäche oder Unaufmerksamkeit der Helfer, noch ergaben sich andere unvorhergesehene Sehnenbelastungen durch zusätzliche Lasteinwirkungen auf die Arme, insbesondere sind unterschiedliche Körpergrößen nicht angegeben worden und spielen darüber hinaus auch keine Rolle. Zugunsten des Klägers hat Dr. L. den im Verhältnis zum Gesamtgewicht von 120 kg auf jeden Helfer entfallenden rechnerischen Anteil von 30 kg allein auf den linken Arm des Klägers bezogen, obwohl der Kläger die Scheibe beidhändig gedreht und das Lastgewicht sich auf beide Arme - möglicherweise nicht gleichmäßig - verteilt hat. Dr. L. führt aufgrund seiner Sachkunde aus, dass die distale Bizepssehne beim Beugen des Ellbogens nur mit 30% an der hierzu aufzuwendenden Muskelkraft beteiligt ist. Damit ist für den Senat überzeugend dargelegt, dass die linke distale Bizepssehne günstigenfalls mit ca. 10 kg bei der Armbeugung belastet war. Dies ist eine Belastung, die bei anderen Bewegungsabläufen mit Beteiligung der distalen Bizepssehne im Alltag auch vorkommt, denn Lastgewichte (z.B. Einkäufe, Getränkekiste etc.) oder sonstige Zugbelastungen (z.B. Bewegen eines Einkaufswagens) in dieser Größenordnung treten bei vielfältigen Gelegenheiten im Alltag auf.
39 
Zu weiteren Ermittlungen sah sich der Senat nicht veranlasst, da Dr. L. den Sachverhalt erschöpfend erörtert und seine gutachtlichen Schlussfolgerungen nachvollziehbar begründet hat.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
41 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
21 
Die gemäß §§ 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
22 
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG auf Aufhebung der Bescheide und Verpflichtung der Beklagten, das Ereignis vom 18.01.20010 als Arbeitsunfall anzuerkennen (BSG, Urteile vom 18.01.2011 -. B 2 U 15/10 R -, Breith 2011, 1008, juris und vom 27.04.2010 - B 2 U 23/09 R -, juris) zulässig.
23 
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr, 17; -B 2 U 40/05 R - , UV-Recht Aktuell 2006, 419; - B 2 U 26/04 R- , UV-Recht Aktuell 2006, 497; alle auch veröffentlicht in Juris).
24 
Der Senat trifft anhand der Angaben des Klägers im Erörterungstermin am 12.09.2011 die Feststellung, dass der Kläger mit 3 Helfern die 4 m x 90 cm umfassende, 120 kg schwere Glasscheibe in gebückter Haltung angehoben und anschließend aufrecht stehend die Scheibe gedreht hat, um sie auf das Dach der Pergola aufzubringen. Hierbei hatte er die zunächst aufgestellte Scheibe mit beiden Händen gehalten, mit der rechten Hand war die obere Kante und mit der linken Hand die untere Kante der Scheibe umfasst. Er stand außen an einer der Seiten. Das Anheben der Scheibe bis zur Höhe des Pergoladaches war dem Kläger ohne Probleme möglich. Beim Anwinkeln des linken Arms, um die Scheibe auf das Dach aufzulegen, verspürte der Kläger eine Funktionsminderung am linken Arm.
25 
Ob bei diesem Sachverhalt nach der oben angeführten Legaldefinition des Unfalls ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis angenommen werden kann, lässt der Senat dahinstehen. Zwar hat der Senat bereits entschieden, dass die normale Fortbewegung zu Fuß ohne Hinzutreten sonstiger äußerer Einflüsse nicht das Merkmal eines von außen einwirkenden Ereignisses erfüllt, wenn es aufgrund einer anlagebedingten Gelenkinstabilität zum Umknicken im Sprunggelenk beim betrieblich bedingten Gehen kommt (Urteil vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09 - , Juris, www.Sozialgerichtsbarkeit.de). Es spricht einiges dafür, dass hiervon auch dann auszugehen ist, wenn eine sonstige willentlich ausgeführte, betriebsbedingte Handhabung vorgenommen wird, die keine - gewollte oder durch die Umstände aufgezwungene - besondere Kraftentfaltung (was der Entscheidung des Bundessozialgerichts beim „Grabsteinurteil“ aber zu Grunde lag) erfordert (vgl. hierzu zuletzt BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - , Juris). Ob die Handhabung einer anteiligen Last von 30 kg (bei einem Gesamtgewicht von 120 kg) bereits eine besondere Kraftentfaltung in diesem Sinne darstellt und dadurch das vom Bundessozialgericht in teleologisch ausweitender Subsumtion der Legaldefinition umschriebene äußere Ereignis begründet, mag offen bleiben. Zu Gunsten des Klägers wird unterstellt, dass das auf die Armmuskulatur einwirkende Eigengewicht der Glasplatte das Tatbestandsmerkmal des von außen einwirkenden Ereignisses erfüllt.
26 
Zur Überzeugung des Senats ist aber die haftungsbegründende Kausalität nicht gegeben, denn das unterstellte Unfallereignis war nicht wesentlich kausal für die eingetretene Bizepssehnenruptur.
27 
Für beide Bereiche der Kausalität (haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
28 
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache erforderlich (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
29 
Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11, 19ff m.w.N.) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl. BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten „Erfolg“ führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.; SozR 2200 § 589 Nr. 96).
30 
Gibt es neben der versicherten Ursache noch konkurrierende Ursachen, z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, solange die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war (BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO, SozR Nr. 69 zu § 542 RVO a.F.). Eine Krankheitsanlage war von überragender Bedeutung, wenn sie so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte (BSGE 62, 220 , 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10 S 30). War die Krankheitsanlage von überragender Bedeutung, so ist die versicherte naturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts aus; sie ist dann bloß eine so genannte Gelegenheitsursache (BSG Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 15).
31 
Ferner ist zu beachten, dass für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - die Wahrscheinlichkeit genügt, dass aber das Unfallereignis, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des „Vollbeweises“, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden müssen (BSG SozR 35670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 mwN).
32 
Nach diesen Grundsätzen ist zur vollen Überzeugung des Senats beim Kläger eine vorgeschädigte distale Bizepssehne am linken Arm nachgewiesen. Der Sachverständige Dr. L. hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass die aus dem pathologisch-histologischen Befund vom 01.02.2010 ersichtlichen Aufbraucherscheinungen auf degenerative Veränderungen der Bizepssehne schließen lassen, die nicht erst durch das unterstellte Unfallereignis am 18.01.2010 eingetreten sein können. Die vorbestehenden degenerativen Strukturveränderungen lassen nach den plausiblen Darlegungen des Sachverständigen auf eine Minderung der Zugfestigkeit und eine gewisse Rissbereitschaft der distalen Bizepssehne schließen. Entgegen der Auffassung des Klägers steht diese Schlussfolgerung nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des Sachverständigen, dass bei der berücksichtigten Beugung des linken Ellbogengelenkes die distale Bizepssehne maximal gespannt war. Schließlich kam es bei dem angeschuldigten Ereignis ohne die aus unfallmedizinisch-traumatologischer Sicht übliche unerwartete Einwirkung auf einen physiologischen Bewegungsablauf zu dem Einriss, was die Elastizitätsminderung der Sehne belegt. Dass die Bizepssehne bei früheren vergleichbaren Hebevorgängen nicht gerissen ist, wie der Kläger geltend macht, widerlegt eine Vorschädigung nicht.
33 
Die Vorschädigung und die - unterstellte - Unfalleinwirkung waren (Mit-)Ursachen der Bizepssehnenruptur im Sinne einer conditio sine qua non. Der Einwand der Beklagten, da die Zug- und Hebefestigkeit einer Sehne über der Kraftbildungsfähigkeit eines Muskels liege, könne eine Überlastung der Sehne nicht auftreten, trägt die Verneinung eines kausalen Zusammenhangs nicht. Dass der Hebevorgang einen Riss an einer gesunden Sehne nicht hätte hervorrufen können, ist nicht entscheidend.
34 
Der Senat geht jedoch aufgrund des überzeugenden Gutachtens von Dr. L. in wertender Betrachtung davon aus, dass die Vorschädigung der linken distalen Bizepssehne des Klägers allein wesentliche Ursache für die Bizepssehnenruptur war, weil sie ein solches Ausmaß erreicht hatte, dass die Ruptur auch jederzeit bei einer Alltagsbelastung zu annähernd dem gleichen Zeitpunkt hätte auftreten können.
35 
Zwar sind die dem Senat zugänglich gewesenen ärztlichen Befunde, insbesondere die beigezogenen bildgebenden Diagnosemittel, und die Hinweise aus dem Vorerkrankungsverzeichnis nicht so hinreichend spezifisch, dass sie dem Sachverständigen Dr. L. eine sichere Beurteilung des Ausmaßes der - nachgewiesenen - degenerativen Aufbraucherscheinungen der Bizepssehne erlaubt haben. Aber Art und Intensität der unfallbedingten Einwirkung lässt im Einzelfall nach dem medizinischen Erfahrungswissen eine hinreichende Umschreibung des Ausmaßes des zu beurteilenden Vorschadens zu. War die Unfalleinwirkung selbst ihrer Ausprägung und Art nach nicht besonders und unersetzlich, sondern erreichte nur die Intensität eines alltäglich vorkommenden Ereignisses, ist mit gutem Recht anzunehmen, dass die degenerative Vorschädigung in ihrer Ausprägung bereits so leicht ansprechbar war, dass eine rechtlich erhebliche unfallvorbestehende Sehnendegeneration im Sinne einer Gelegenheitsursache vorlag (vgl. zu dieser Voraussetzung Urteile des Senats vom 01.07.2011 - L 8 U 197/11 - und vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09 -, beide veröff. in sozialgerichtsbarkeit.de und Juris).
36 
Maßgebend zur Bewertung einer Alltagsbelastung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht das Unfallereignis als solches (z. B. die Tatsache eines Sturzes etc.) bzw. der generell zum Tragen gekommene Kraftaufwand, sondern die Intensität der Einwirkungen auf das verletzte Organ (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. stellvertretend Urteil des Senats vom 01.07.2011 - L 8 U 197/11 - , a.a.O.; so auch der 1. Senat des LSG Baden-Württemberg, vgl. Urteil vom 10.03.2008 - L 1 U 2511/07 -, veröffentlicht in Juris). Eine Alltagsbelastung ist nicht nach der individuellen Lebensführung des Versicherten zu beurteilen, sondern abstrakt danach, welche Verhaltensweisen in der Lebensführung in der Bevölkerung verbreitet vorzufinden sind und nach allgemeiner Anschauung als alltägliche, nur mäßiggradig belastende Verrichtungen gelten.
37 
Dass das Unfallereignis in seiner Intensität der Einwirkung auf die Sehne nur das Ausmaß einer Alltagsbelastung erreichte, ergibt sich aus den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. L.. Der Sachverständige hat seiner Beurteilung den vom Senat festgestellten Sachverhalt zugrundegelegt. Danach ist von der Ruptur der distalen Bizepssehne in dem Moment auszugehen, in dem das linke Ellbogengelenk gebeugt wurde, um die Scheibe in die waagerechte Position zu drehen für die Auflage auf das Dach. Nachvollziehbar hat Dr. L. dargelegt, dass anatomisch die distale Bizepssehne in diesem Moment maximale Spannung aufwies. Weshalb die diagnostizierte Minderung der Zugfestigkeit dieser anatomisch-physiologischen Beschreibung entgegen stehen soll, ist nicht ersichtlich. Ein Widerspruch zu den Ausführungen im Arztbrief der BG-Klinik vom 02.02.2010, in dem auf einen Hergang ohne vorgespannte Sehne abgestellt wird, ist nicht zwingend abzuleiten, denn in den aktenkundigen Berichten der BG-Klinik ist nicht dargelegt, von welchem Bewegungsablauf zum Zeitpunkt der Sehnenruptur hierbei ausgegangen wurde. Es ist sogar nicht ausgeschlossen, dass der Kläger während der Behandlung in der BG-Klinik den Hergang mit einem anderen Verlauf geschildert hat. Immerhin hat der Kläger erst im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vor dem Senat offengelegt, dass er die Scheibe nicht allein angehoben hat. In der schriftlichen Antwort zur richterlichen Auflage vom 28.06.2011 ist er der Frage auf Beteiligung anderer ausgewichen. Letztlich ist auch nicht ersichtlich, worin der Kläger in dieser gutachtlichen Ausgangsbeschreibung einer gespannten Sehne eine ihn benachteiligende Fehlbewertung sieht, da Dr. L. damit die in der vorliegenden Fallkonstellation (ohne überraschende Einwirkung) für eine traumatisch bedingte Ruptur erforderliche Ausgangsposition beschreibt.
38 
Überdies hat Dr. L. überzeugend dargelegt, dass der betriebsbedingte Vorgang der Scheibenmontage trotz dieser Ausgangsposition nicht wesentlich kausal für die Ruptur war. Der Kläger hat keine -nachvollziehbare- ungleiche Lastenverteilung geschildert, denn beim gleichzeitigen Anheben der Scheibe ist es belanglos, dass er nach seiner Behauptung im Erörterungstermin an der Seite mit dem weitesten Überstand der Scheibe auf den Unterleghölzern stand. Auch sonst war eine plötzliche, unerwartete zusätzliche Belastung der Sehne bei dem Arbeitsvorgang nicht aufgetreten. Die Scheibe drohte nicht zu kippen, weder durch Schwäche oder Unaufmerksamkeit der Helfer, noch ergaben sich andere unvorhergesehene Sehnenbelastungen durch zusätzliche Lasteinwirkungen auf die Arme, insbesondere sind unterschiedliche Körpergrößen nicht angegeben worden und spielen darüber hinaus auch keine Rolle. Zugunsten des Klägers hat Dr. L. den im Verhältnis zum Gesamtgewicht von 120 kg auf jeden Helfer entfallenden rechnerischen Anteil von 30 kg allein auf den linken Arm des Klägers bezogen, obwohl der Kläger die Scheibe beidhändig gedreht und das Lastgewicht sich auf beide Arme - möglicherweise nicht gleichmäßig - verteilt hat. Dr. L. führt aufgrund seiner Sachkunde aus, dass die distale Bizepssehne beim Beugen des Ellbogens nur mit 30% an der hierzu aufzuwendenden Muskelkraft beteiligt ist. Damit ist für den Senat überzeugend dargelegt, dass die linke distale Bizepssehne günstigenfalls mit ca. 10 kg bei der Armbeugung belastet war. Dies ist eine Belastung, die bei anderen Bewegungsabläufen mit Beteiligung der distalen Bizepssehne im Alltag auch vorkommt, denn Lastgewichte (z.B. Einkäufe, Getränkekiste etc.) oder sonstige Zugbelastungen (z.B. Bewegen eines Einkaufswagens) in dieser Größenordnung treten bei vielfältigen Gelegenheiten im Alltag auf.
39 
Zu weiteren Ermittlungen sah sich der Senat nicht veranlasst, da Dr. L. den Sachverhalt erschöpfend erörtert und seine gutachtlichen Schlussfolgerungen nachvollziehbar begründet hat.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
41 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 2 Versicherung kraft Gesetzes


(1) Kraft Gesetzes sind versichert 1. Beschäftigte,2. Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,3. Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnliche

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 124


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. (3) Entscheidungen des Gerichts, d

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 8 Arbeitsunfall


(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem G

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 6 Freiwillige Versicherung


(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern 1. Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfisch

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(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf1.Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,2.Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2

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Bundessozialgericht Urteil, 18. Jan. 2011 - B 2 U 15/10 R

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 10. März 2008 - L 1 U 2511/07

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30. September 2009 und des Sozialgerichts Würzburg vom 19. Dezember 2007 insoweit geändert, dass der "Widerspruchsbescheid" der Beklagten vom 28. Juli 2006 aufgehoben wird.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob das Ereignis vom 10.8.1998 ein Arbeitsunfall war.

2

Die am 27.9.1978 geborene behinderte Klägerin nahm an einer von einer Tageseinrichtung des Vereins L. veranstalteten und organisierten Ferienfreizeit teil. Am 10.8.1998 sollte ein Grillabend stattfinden. Auf dem Weg zum Grillplatz stolperte die Klägerin und fiel zwei Stufen hinunter. Dabei erlitt sie einen Kreuzbandriss am rechten Knie.

3

Am 11.2.2005 richtete die Klägerin ein Schreiben an die Beklagte, mit dem sie um Auskunft und Überprüfung bat, ob das Ereignis vom 10.8.1998 dort bekannt sei. Die Beklagte teilte ihr daraufhin am 7.3.2005 mit, dass der Unfall nicht als Schul- bzw Tagesstättenunfall anerkannt worden und das Heilverfahren mit Schreiben vom 7.9.1998 abgebrochen worden sei. Die Klägerin sei zum Unfallzeitpunkt 19 Jahre alt und damit kein Kind iS von § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII gewesen.

4

Mit weiteren Schreiben an die Beklagte vom 15.4.2005 und 20.10.2005 erfragte die Klägerin den Sachstand und wies ua darauf hin, dass sie behindert sei, weshalb Schulpflicht für sie bis zum 21. Lebensjahr bestanden habe. Die Beklagte teilte der Klägerin am 22.6.2006 mit, dass sie das Schreiben der Klägerin vom 20.10.2005 als Widerspruch gegen das Schreiben vom 7.3.2005 werte. Sodann wies die Beklagte diesen "Widerspruch" mit Widerspruchsbescheid vom 28.7.2006 zurück.

5

Das SG Würzburg hat die Klage mit Urteil vom 19.12.2007 abgewiesen, das LSG hat mit Urteil vom 30.9.2009 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Ereignis vom 10.8.1998 habe keinen Arbeitsunfall dargestellt, denn die Verrichtung sei nicht in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erfolgt. Insbesondere sei die Klägerin mit 19 Jahren kein Kind iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII gewesen.

6

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 2 SGB VII. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Kind" in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII müsse die Systematik des Kinder- und Jugendhilferechts (SGB VIII) berücksichtigen, sodass eine feste Altersgrenze nicht angenommen werden könne. Sie habe die Schule und die Tageseinrichtung der L. besucht. Eingliederungshilfe für junge Volljährige sei "ohne weitere Altersbegrenzung" nach § 41 Abs 2 SGB VIII iVm § 35a SGB VIII auch in Tageseinrichtungen für Kinder vorgesehen. Für den Begriff des Kindes in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII sei auf den Stand der persönlichen und geistigen Entwicklung im konkreten Einzelfall abzustellen, weil der Besuch einer Tageseinrichtung auch für junge Erwachsene eine geeignete Hilfe darstelle. § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a bis c SGB VII spiegelten in ihren drei Stufen den gewöhnlichen Entwicklungsablauf eines jungen Menschen vom Kindergarten bis zur Universität wider. Wenn dieser gewöhnliche Entwicklungsablauf durch behinderungsbedingte Verzögerungen gestört sei, könne dies nicht dazu führen, dass behinderte Menschen nur wegen Überschreitens einer Altersgrenze aus dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung herausfielen.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30.9.2009 und das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 19.12.2007 sowie die Ablehnungsentscheidung im Bescheid der Beklagten vom 7.3.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28.7.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Unfall der Klägerin vom 10.8.1998 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Auf die zulässige Revision der Klägerin ist der von der Beklagten so bezeichnete "Widerspruchsbescheid" vom 28.7.2006 aufzuheben, weil ihr Schreiben vom 7.3.2005 kein Verwaltungsakt war und daher insoweit auch kein statthafter Widerspruch vorlag. Im Übrigen hatte die Revision keinen Erfolg, weil bereits die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der Klägerin nicht statthaft war.

10

1. Die Klägerin hat eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs 1 SGG auf Aufhebung der Bescheide und Verpflichtung der Beklagten, das Ereignis vom 10.8.1998 als Arbeitsunfall anzuerkennen, erhoben (zur Zulässigkeit dieses Begehrens vgl Urteil des Senats vom 27.4.2010 - B 2 U 23/09 R - RdNr 9; sowie BSG SozR 4-2700 § 2 Nr 3 RdNr 4; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 25 RdNr 8). Die Anfechtungsklage war jedoch nur statthaft, soweit sie auf die Aufhebung des "Widerspruchsbescheides" gerichtet war. Im Übrigen waren die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage nicht statthaft. Denn die Beklagte hat bisher keinen Verwaltungsakt erlassen, in dem die Feststellung eines Arbeitsunfalls abgelehnt worden wäre.

11

Die Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage setzt voraus, dass der Kläger vom Gericht die Aufhebung eines Verwaltungsakts iS des § 54 Abs 1 Satz 1 SGG begehrt, die der Verpflichtungsklage, dass er vom Gericht die Verurteilung der Beklagten zum Erlass eines Verwaltungsakts im Sinne dieser Vorschrift verlangt. Das Schreiben der Beklagten vom 7.3.2005 kann nach seinem Inhalt nicht als Verwaltungsakt iS des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 31 SGB X ausgelegt werden. Die Beklagte hat in diesem Schreiben lediglich auf die Sachstandsanfrage der Klägerin vom 11.2.2005 geantwortet, mit der diese Auskunft darüber erbeten hatte, ob der Beklagten der Vorgang aus dem Jahre 1998 bereits bekannt sei bzw ob dieser geprüft werde. Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin in dem Schreiben vom 7.3.2005 lediglich mit, ein Heilverfahren, das 1998 begonnen habe, sei zu ihren Lasten wieder abgebrochen und die Kosten der ärztlichen Behandlung seien von der AOK getragen worden. Die Beklagte hat auf das Informationsbegehren der Klägerin hin auch nicht das gemäß § 19 Satz 2 SGB IV von Amts wegen zu betreibende Verwaltungsverfahren aus dem Jahre 1998 wieder aufgegriffen bzw gemäß § 8 SGB X zu einem ordnungsgemäßen Abschluss gebracht. Vielmehr hat die Beklagte im Juni 2006 - also 15 Monate später - ihre eigene Mitteilung vom 7.3.2005 zum Verwaltungsakt erklärt und zugleich ein weiteres Schreiben der Klägerin aus dem Oktober 2005, in dem ua um "Überprüfung des Versicherungsschutzes" gebeten worden war, als "Widerspruch" betrachtet. Ein solches Vorgehen entspricht nicht den Vorgaben eines Verwaltungsverfahrens iS des § 8 SGB X und des SGB VII.

12

Das Schreiben der Beklagten vom 7.3.2005 ist auch kein "bloß formeller Verwaltungsakt", der zwar die Kriterien des § 31 SGB X nicht erfüllt und daher materiell-rechtlich kein Verwaltungsakt ist, der aber als Verwaltungsakt nur im prozessrechtlichen Sinn des § 54 Abs 1 Satz 1 SGG, aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes(Art 19 Abs 4 Satz 1 GG; Art 6 Abs 1 EMRK) gleichfalls mit der Anfechtungsklage angegriffen werden kann. Die Beklagte hat jedoch das formlose Schreiben weder als förmlichen "Bescheid" ausgestaltet noch auch nur eine Rechtsbehelfsbelehrung angefügt.

13

Die Beklagte durfte daher am 28.7.2006 keinen "Widerspruchsbescheid" erlassen, weil mit diesem nur über die Recht- und Zweckmäßigkeit eines ergangenen Verwaltungsakts hätte befunden werden dürfen. Ein solcher Verwaltungsakt lag aber nicht vor, demgemäß auch kein "Widerspruch" dagegen. Der "Widerspruchsbescheid" der Beklagten vom 28.7.2006 war daher aufzuheben. Im Übrigen konnte die Revision aber keinen Erfolg haben, weil die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, wie ausgeführt, mangels eines das Feststellungsbegehren ablehnenden Verwaltungsakts der Beklagten nicht statthaft waren.

14

2. Im Hinblick auf den Zeitablauf und die durch das verwaltungsverfahrensrechtlich problematische Vorgehen der Beklagten bedingte Verfahrensdauer sieht sich der Senat auch unter dem Gesichtspunkt des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Satz 1 GG) verpflichtet, sich in den folgenden nicht tragenden Entscheidungsgründen (obiter dicta) zum Kindbegriff iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII iS des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII zu äußern. "Kind" im Sinne dieser Vorschrift ist jede Person, die noch nicht 14 Jahre alt ist. Damit wird über die in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII beginnende Verweisung letztlich der Kindbegriff des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII maßgeblich.

15

Nach der zum 1.1.1997 in Kraft getretenen Fassung des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII sind versichert "Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen".

16

a) Das SGB VII selbst enthält keine gesetzliche Definition des Begriffs "Kind" und auch die übrigen Bücher des SGB (außer § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII) weisen keine, jedenfalls keine auf § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII übertragbare rechtliche Festlegung eines Kindbegriffs oder eines Höchstalters für Kinder auf. Der Bedeutungsgehalt des unfallversicherungsrechtlich hier gemeinten Begriffs "Kind" ist damit bereichsspezifisch nach dem Gesetzeskontext unter Berücksichtigung von Systematik, Gesetzeszweck und Historie zu bestimmen. Eine Abgrenzung nach einem Verwandtschaftsgrad (sog Kindschaftsverhältnis) enthält § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII nicht, denn es wird im Wortlaut keine Bezugsperson für eine Verwandtschaft genannt (zB Kind des Versicherten, Kind des Berechtigten).

17

b) Aus der Gesetzgebungsgeschichte (historischen Entwicklung) ergibt sich hingegen der gesetzliche Zweck des Kindbegriffs des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII und derjenige der darin ausgesprochenen Verweisung auf ua § 45 SGB VIII. Danach sollen als Kind nur Personen in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen sein, die als Kind iS von § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII erlaubnispflichtige Tageseinrichtungen für Kinder besuchen. Wie die Vorgängerregelung (vgl BT-Drucks 13/2204 S 74 zu § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO in der bis 31.12.1996 geltenden Fassung) enthält der Begriff des Kindes in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII eine Alterskomponente und grenzt den versicherten Personenkreis nach dem Lebensalter ab.

18

aa) Nach § 539 Abs 1 Nr 14 RVO in der ab 1.4.1971 bis 31.12.1996 geltenden Fassung (des Gesetzes über Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten vom 18.3.1971 - BGBl I 237 - im Folgenden: RVO) waren ua versichert a) Kinder während des Besuchs von Kindergärten, b) Schüler während des Besuchs allgemeinbildender Schulen. Der Versicherungsschutz für Kinder während des Besuchs von Kindergärten nach § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO bezog sich nur auf Einrichtungen, die vom durchschnittlichen Alter der Kinder her auf eine vorschulische Erziehung gerichtet waren, wie sie in der Regel drei- bis sechsjährige Kinder in Kindergärten erhalten(vgl hierzu BSG SozR 1500 § 150 Nr 9 = BSGE 44, 203 - 207; BSG SozR 2200 § 1511 Nr 1 = BSGE 47, 281 - 285; BSG vom 12.5.1981 - 2 RU 49/79 -). Die Ausweitung des Unfallversicherungsschutzes auf Kinder während des Besuchs von Kindergärten war mit der Begründung (s BT-Drucks VI/1333, S 7 zu § 1) erfolgt, dass Reform und Ausbau der vorschulischen Erziehung als erste Stufe des Bildungswesens eine vordringliche bildungspolitische Aufgabe seien. Deswegen fielen jedenfalls solche Einrichtungen nicht unter den Kindergartenbegriff des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO, die vom durchschnittlichen Alter der aufzunehmenden Kinder her keine vorschulische Erziehung bieten konnten(vgl BSG SozR § 105 Nr 9 = BSGE 44, 203 - 207 - JURIS RdNr 20; BSG SozR 2200 § 1511 Nr 1 = BSGE 47, 281 - 285 - JURIS RdNr 20). Dazu gehörten etwa Einrichtungen für Säuglinge und Kleinkinder (zB sog Kinderkrippen) sowie Betreuungsstätten für schulpflichtige Kinder wie zB sog Kinderhorte (vgl BSG aaO). Maßgebend für den Begriff des Kindergartens war folglich, dass die vorschulische Erziehung der Kinder den Charakter der Einrichtung bestimmte (vgl BSG SozR 2200 § 1511 Nr 1 = BSGE 47, 281 - 285 - JURIS RdNr 20).

19

Erfasste mithin § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO Kinder während des Besuchs von Einrichtungen zur vorschulischen Erziehung und damit Kinder im "Vorschulalter", so waren Schüler während des Besuchs allgemeinbildender Schulen nach § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst b RVO in den Unfallversicherungsschutz einbezogen. Kinder, die bereits schulische Erziehung erhielten, konnten folglich keinen Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO genießen.

20

bb) § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII idF des UVEG vom 7.8.1996 erweiterte den Kindbegriff über Kinder im Vorschulalter hinaus auf Kinder im Alter von bis zu 13 Jahren (§ 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII) - allerdings nicht auf Jugendliche bzw Kinder bis zur Volljährigkeit (§ 7 Abs 2 SGB VIII) -und auch nicht auf volljährige Personen.

21

In dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum UVEG sollte in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII der Unfallversicherungsschutz "auf alle Tageseinrichtungen im Sinne des § 22 SGB VIII" erstreckt werden. Dabei war vorgesehen, wie bei den Kindergärten auch bei diesen Einrichtungen (Krippen, Horte, altersgemischte Gruppen, kindergartenähnliche Einrichtungen) "zur Abgrenzung die zum SGB VIII erlassenen landesgesetzlichen Regelungen zugrunde zu legen" (vgl BR-Drucks 265/95 S 213; BT-Drucks 13/2204 S 74). Dies wurde ua damit begründet (vgl BR-Drucks 263/95 S 213 und BT-Drucks 13/2204 S 74), dass sich seit dem Inkrafttreten des § 539 Abs 1 Nr 14 RVO im Jahre 1971 die Funktion von Kindertageseinrichtungen erheblich geändert habe. Unter Verweis auf Aussagen des 8. Jugendberichts 1990 und die seit 1991 geltenden Regelungen des SGB VIII wurde nunmehr darauf abgestellt, dass die Aufgabe aller Tageseinrichtungen nach § 22 SGB VIII die Betreuung, Bildung und Erziehung des Kindes sei. Der Hort habe inzwischen einen eigenständigen Erziehungs- und Bildungsauftrag und arbeite häufig eng mit der Schule zusammen. Außerdem wurde auf die Möglichkeit altersgemischter Gruppen und die organisatorische Einheit von Krippe, Kindergarten und Hort hingewiesen, was eine eindeutige Abgrenzung der genannten Einrichtungen nicht mehr zulasse.

22

§ 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII idF des Gesetzentwurfs vom 24.8.1995 sah Versicherungsschutz vor für "Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen im Sinne des § 22 des Achten Buches". Dabei war nach § 22 Abs 1 Nr 1 SGB VIII in der damals (seit 1.1.1991 bis 31.12.2004) geltenden Fassung (durch Art 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts vom 26.06.1990 ) unter Hort eine Tageseinrichtung für Kinder im schulpflichtigen Alter zu verstehen (vgl BT-Drucks 11/5948 S 64 zu § 21§ 22 sgb viii> zu Absatz 1). Die geplante Erweiterung des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII durch das UVEG sollte entsprechend der Gesetzesbegründung nicht nur vorschulische Tageseinrichtungen, sondern mit den Horten gerade auch Tageseinrichtungen für Schüler und damit für schulpflichtige Kinder erfassen. Dies wird unterstrichen durch einen Gesetzentwurf über eine Neufassung des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO, den der Bundesrat auf Initiative Sachsens eingebracht hatte(vgl Gesetz zur Ergänzung der Unfallversicherung für Kinder in Horten und Krippen und den übrigen Tageseinrichtungen für Kinder vom 2.2.1995 - BT-Drucks 13/373 S 4; vgl Gesetzesantrag des Freistaates Sachsen vom 14.12.1994 - BR-Drucks 248/94 vom 22.3.1994 und BR-Drucks 1124/94 vom 14.12.1994). Hintergrund für diesen Neuregelungsentwurf war, dass übergangsrechtliche Regelungen des Einigungsvertrags in den neuen Bundesländern (Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet I Abschnitt III Nr 1 des Einigungsvertrags vom 31.8.1990 iVm Einigungsvertragsgesetz vom 23.9.1990 ) zum 31.12.1991 außer Kraft getreten waren, nach der Schüler bei Teilnahme an der sog "Tageserziehung" gegen Arbeitsunfall versichert waren. Deshalb sollten Kinder in den Tageseinrichtungen iS des § 22 Abs 1 SGB VIII einheitlich unter den Schutz der GUV gestellt werden(vgl BT-Drucks 13/373 S 1). Genannt wurden neben Kindergärten Einrichtungen für Säuglinge und Kleinkinder (Tagesheime, Kinderkrippen, Krabbelstuben) Kinderspielkreise, die an einigen Stunden in der Woche stattfinden, sowie Einrichtungen, in denen Schüler betreut werden, wie Kinderhorte und Kinderheime (vgl BT-Drucks 13/373 S 5).

23

Durch den Verweis auf Tageseinrichtungen iS des § 22 SGB VIII in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII in der Entwurfsfassung vom 24.8.1995 sollten also gerade auch Tageseinrichtungen für Schüler und damit für schulpflichtige Kinder erfasst werden. Allerdings waren als Kinder nach dieser Gesetzesfassung nur Kinder iS von § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII, also Personen unter 14 Jahren, in den Schutz der GUV einbezogen. Kinder iS des § 22 SGB VIII sind nur Kinder nach § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII(vgl so Struck in Wiesner, Kommentar zum SGB VIII, 3. Aufl 2006 zu § 22 SGB VIII RdNr 4 und 5; Lakies in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 6. Aufl 2009 zu § 22 RdNr 5; Mrozynski, Kommentar zum SGB VIII, 5. Aufl 2009 zu § 22 RdNr 9), nicht hingegen Kinder iS von § 7 Abs 2 oder Abs 4 SGB VIII. Denn § 22 SGB VIII trifft weder Regelungen über das elterliche Erziehungsrecht oder das staatliche Wächteramt iS des § 1 Abs 2 SGB VIII noch über die Annahme als Kind iS von § 7 Abs 4 SGB VIII.

24

Damit war auch der Begriff "Kinder" in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII in der Entwurfsfassung des UVEG als "Kinder" iS von § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII zu verstehen. Denn da § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII in dieser Fassung Kinder einbeziehen will, die in bestimmten Einrichtungen für Kinder entsprechend betreut, gebildet und erzogen werden, wäre es sinnwidrig, auch Personen in den Versicherungsschutz einzubeziehen, die gerade nicht zum Adressatenkreis der Verweisungsnorm des § 22 SGB VIII gehören. Anhaltspunkte dafür, dass Versicherungsschutz als "Kinder" im Rechtssinne auch Jugendlichen oder Erwachsenen während des Besuchs von Tageseinrichtungen von Kindern eingeräumt werden sollte, lassen sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Insoweit wäre ein möglicher gesetzgeberischer Wille zur Erweiterung des Versicherungsschutzes über den aufgezeigten Kinderbegriff hinaus jedenfalls nicht im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck gekommen.

25

cc) Zwar ist § 2 Abs 1 Nr 8 SGB VII in der soeben dargestellten Fassung des Regierungsentwurfs nicht Gesetz geworden. Die Änderung des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII im weiteren Gesetzgebungsverfahren betraf aber lediglich die von der Norm erfassten Tageseinrichtungen und hat keine Änderung des soeben herausgearbeiteten Kindbegriffs beinhaltet, insbesondere keine Erweiterung der erfassten Altersgruppe über diejenige des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII hinaus. Nach der zum 1.1.1997 in Kraft getretenen Fassung des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII sind versichert "Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen". Versichert sind folglich Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, in denen Kinder (zu ergänzen: iS von § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII) oder Jugendliche (zu ergänzen: iS von § 7 Abs 1 Nr 2 SGB VIII) ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden.

26

Auch bei Auslegung dieser Norm gebietet es der Grundsatz der Normklarheit, zur Vermeidung von Widersprüchen den in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII verwandten Begriff "Kinder" nicht anders auszulegen als den Kinderbegriff in § 45 Abs 1 Satz 1 SGB VIII. Insbesondere ist weder aus den Materialien noch aus den Änderungen des Gesetzeswortlautes ersichtlich, dass der in den Versicherungsschutz der GUV einbezogene Personenkreis der Entwurfsfassung - Kinder iS von § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII - durch eine Änderung der Bezeichnung der erfassten Tageseinrichtungen erweitert werden sollte. Denn die abweichende Bestimmung der Tageseinrichtungen sollte lediglich die Abgrenzung der erfassten Einrichtungen sicherstellen (vgl Stellungnahme des Bundesrates in BT-Drucks 13/2333 Anlage 1 S 4; Zustimmung der BReg in Anlage 2 S 18; ebenso Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung BT-Drucks 13/4853 S 16 zu § 2 Abs 1 Nr 1 Buchst a SGB VII). Der nunmehr im Gesetzestext enthaltene Verweis auf Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 SGB VIII bedarf, wurde vom Gesetzgeber deshalb gewählt, weil Sonderkindergärten für Behinderte, die etwa im BSHG(inzwischen: §§ 53 ff SGB XII) ihre Rechtsgrundlage fanden, ansonsten nicht vom Versicherungsschutz erfasst worden wären (vgl hierzu Ausschussprotokoll des Ausschusses für Frauen und Jugend vom 28.6.1995 S 12; Ausschussprotokoll des Ausschusses Arbeit und Sozialpolitik sowie Familie und Soziales vom 20.6.1996 S 44). So erfolgt etwa auch die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern mit seelischer Behinderung in Kindertagesbetreuung nicht nach den §§ 22 ff SGB VIII, sondern § 35a SGB VIII (vgl so Meysen in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 6. Aufl 2009 zu § 35a RdNr 56; Wiesner in Wiesner, Kommentar zum SGB VIII, zu § 35a RdNr 121). Die Erstreckung der Versicherung auf Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen im Sinne landesrechtlicher Regelungen sollte vorrangig der landesrechtlichen Zuordnung des Kindergartenwesens zum Bildungsbereich (vgl § 26 Satz 2 SGB VIII) in Bayern Rechnung tragen. Andernfalls wären dort sämtliche Regelkindergärten und schulvorbereitenden Einrichtungen für behinderte Kinder dem Schutzbereich des SGB VII entzogen gewesen (vgl hierzu Ausschussprotokoll des Ausschusses für Frauen und Jugend vom 28.6.1995 S 12 f; Ausschussprotokoll des Ausschusses AS FS vom 20.6.1996 S 44). Diese Einrichtungen für Kinder entsprachen zwar grundsätzlich den Anforderungen an Tageseinrichtungen iS von § 22 SGB VIII, waren aber nicht von § 22 SGB VIII umfasst. Nicht beabsichtigt war dagegen eine Erweiterung des Versicherungsschutzes über die Altersgruppe der Kinder iS des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII hinaus.

27

c) Auch wenn junge Volljährige iS von § 7 Abs 1 Nr 3 SGB VIII Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gemäß § 41 SGB VIII erhalten, deren Ausgestaltung gemäß § 41 Abs 2 SGB VIII iVm § 35a Abs 2 Nr 2 SGB VIII "in Tageseinrichtungen für Kinder" als teilstationäre Einrichtung erfolgt, sind sie keine "Kinder" iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII. Dabei erscheint schon fraglich, ob die jungen Volljährigen tatsächlich in Tageseinrichtungen für Kinder aufgenommen werden oder ob es sich insoweit um eine Tageseinrichtung für junge Volljährige handelt, weil § 41 Abs 2 SGB VIII die entsprechende Anwendung des § 35a SGB VIII unter der Maßgabe vorsieht, dass an die Stelle des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt. Ebenso kann offenbleiben, ob besondere Gruppen der Tageseinrichtung zur Förderung junger Volljähriger (sofern solche gebildet werden) rechtlich als Teil der Tageseinrichtung für Kinder zu sehen sind.

28

Eine Einbeziehung dieser Personengruppe in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VIII idF des UVEG vom 7.8.1996 findet weder im Gesetzeswortlaut noch in den Materialien eine Stütze. Zudem legen die Normen des § 2 Abs 1 Nr 8 SGB VII, worauf bereits das LSG hingewiesen hat, als erste Tatbestandsvoraussetzungen die für die Versicherung infrage kommenden Personengruppen nach persönlichen Merkmalen fest, Schüler oder Student oder eben "Kind" zu sein. Erst dann werden jeweils die versicherten Tätigkeiten jeder einzelnen Gruppe umschrieben (zB Besuch der allgemeinbildenden Schule oder einer bestimmten Tageseinrichtung). Insoweit unterscheiden sich die Tatbestände des § 2 Abs 1 Nr 8 SGB VII gerade von denen, welche die versicherten Personen allein durch die versicherten Tätigkeiten umschreiben, wie zB § 2 Abs 1 Nr 3, 5, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16 (jeweils: Personen, die …), Nr 1 (Beschäftigte als Personen, die eine Beschäftigung verrichten) oder Nr 2 (Lernende als Personen, die lernen während …). Der Besuch einer (erlaubten) Einrichtung, die als Tageseinrichtung iS von § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII zu sehen ist, begründet Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung daher nicht unabhängig von der Eigenschaft als "Kind", sondern nur, sofern und solange die Person, die die Tageseinrichtung besucht, ein "Kind" im Sinne dieser Vorschrift ist.

29

d) Es verstößt schließlich auch nicht gegen Verfassungsrecht, dass das Gesetz als Kinder iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII nur Personen bis zu einer bestimmten Altersgrenze und nur während des Besuchs bestimmter Tageseinrichtungen in den Schutz der GUV einbezieht. Die Altersgrenze gilt für behinderte wie nichtbehinderte Kinder gleichermaßen und knüpft daher nicht verbotenerweise an die Behinderung an (vgl Art 3 Abs 3 Satz 2 GG). So entfällt der Unfallversicherungsschutz, sofern nicht § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst b SGB VII eingreift, auch für einen Jugendlichen mit Vollendung des 14. Lebensjahres während des Hortbesuchs, unabhängig davon, ob der (nicht behinderte) Jugendliche den üblichen Reifegrad eines 14-jährigen erreicht und damit diese Entwicklungsstufe abgeschlossen hat.

30

Junge geistig behinderte Volljährige fallen auch nicht aus einem "gewöhnlichen" (gleichsam lückenlos) unter Schutz der GUV stehenden Entwicklungsablauf (als Folge einer "sachwidrigen Ungleichbehandlung") heraus. Entgegen der von der Revision geäußerten Auffassung spiegelt § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a bis Buchst c SGB VII schon nicht "den" oder einen gewöhnlichen Entwicklungsablauf eines jungen Menschen wider. Denn weder ist ein Hochschulstudium die Regel, noch ist der Besuch von Tageseinrichtungen bzw Kindergärten stets zu erwarten. Überschneidungen sind gerade mit Blick auf § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a und Buchst b SGB VII denkbar, etwa bei Besuch eines Kinderhorts neben dem Schulbesuch. Dass der Gesetzgeber bei (jüngeren) Kindern bzw Kindern iS des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII einen größeren Schutzbedarf (im Sinne einer Typisierung) im Rahmen der außerschulischen Betreuung und Erziehung in bestimmten Einrichtungen gesehen hat als bei älteren Kindern, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Im Gegenteil erscheint eine Differenzierung des Unfallversicherungsschutzes je nach erreichtem individuellen Entwicklungsstand oder Reifegrad nicht praktikabel und müsste einer gesetzgeberischen Regelung vorbehalten bleiben.

31

Dass der Gesetzgeber im Übrigen die Frage des Unfallversicherungsschutzes von behinderten Menschen in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen Tageseinrichtungen übersehen hätte, kann nicht angenommen werden. Dagegen spricht schon, dass Anregungen im Gesetzgebungsverfahren zum UVEG nicht aufgegriffen wurden, behinderte Menschen in Tagesförderstätten bzw Tageseinrichtungen sowie in Tageseinrichtungen für psychisch kranke bzw seelisch behinderte Personen umfassend in den Schutz der GUV einzubeziehen (vgl Bericht zu den Beratungen im Ausschuss BT-Drucks 13/4853 S 16 unter A 4.).

32

Bei der Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG hat der Senat den verwaltungsverfahrensrechtlichen Fehler der Beklagten im Sinne des Verursacherprinzips berücksichtigt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

2

Der 1976 geborene Kläger war als Steinmetzgehilfe bei der Firma (Fa) B. GmbH in O. beschäftigt. Am 7. April 2005 trat er gegen 12:05 Uhr die 30-minütige betriebliche Mittagspause an und fuhr mit seinem Motorrad vom Betriebsgelände, auf dem er auch wohnte, auf die die Bundesstraße (B) 256, um sich nach Oberlahr zu seiner damaligen Freundin zu begeben. Auf dem Weg dorthin kollidierte er mit einem entgegenkommenden Kraftfahrzeug (Kfz) und zog sich Verletzungen an seiner linken Hand und am linken Bein zu. Für die einfache Strecke benötigte der Kläger mit dem Motorrad üblicherweise etwa neun Minuten. Nachdem der Kläger der Beklagten mitgeteilt hatte, er habe trotz der knappen Zeit dorthin fahren wollen, um bei seiner Freundin das Mittagessen einzunehmen, und ihm sei jede Minute mit ihr lieber gewesen als mit seinen Arbeitskollegen, stellte die Beklagte fest, das Ereignis vom 7. April 2005 sei kein Arbeitsunfall und Entschädigungsleistungen seien nicht zu gewähren. Es habe sich nicht um einen versicherungsrechtlich geschützten Weg zur Nahrungsaufnahme gehandelt. Im Vordergrund habe die Motivation gestanden, die Mittagspause in der Gesellschaft der Freundin zu verbringen (Bescheid vom 12. September 2005; Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2006).

3

Das Sozialgericht Koblenz (SG) hat unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Beklagte verurteilt, den Unfall des Klägers vom 7. April 2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen (Urteil vom 4. Dezember 2008). Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) hat die Berufung der Beklagten mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger habe sich auf einem nach § 8 Abs 2 Nr 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) versicherten Weg befunden(Urteil vom 10. August 2009). Die Essenseinnahme sei wesentlich mitursächlich für den unternommenen Weg gewesen.

4

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte, ein iS von § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII während der Arbeitszeit unternommener Weg sei nach der Entscheidung des BSG vom 26. April 1977 (8 RU 76/76 - SozR 2200 § 550 Nr 28) nur dann versichert, wenn die Zeit für die Erholung einschließlich Essenseinnahme den überwiegenden Teil der zur Verfügung stehenden Pause in Anspruch nehme. Die Nahrungsaufnahme während der Arbeitszeit diene der Erholung und Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit und damit der Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit. Nur wenn diese zwei betriebsbezogenen Merkmale zusammentreffen würden, bestünde ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem zur Nahrungsaufnahme zurückgelegten Weg und der betrieblichen Tätigkeit. Dem Zweck einer Pause zur Regeneration der Kräfte würde es widersprechen, wenn die zurückgelegten Wege den überwiegenden Teil der Pause in Anspruch nehmen würden, so dass zur Erholung einschließlich der Essenseinnahme nur noch der geringere Teil der Pause zur Verfügung stünde. So habe auch das BSG im Urteil vom 11. Mai 1995 (2 RU 30/94 - NJW 1995, 2942 f) ausgeführt, dass es für ein eigenwirtschaftliches Handlungsziel spreche, wenn die zurückgelegte Wegstrecke gemessen am Handlungsziel unverhältnismäßig weit oder anstrengend sei. Dann könne die Handlungstendenz der Nahrungsaufnahme eher als unwesentlich in den Hintergrund treten.

5

Die Beklagte beantragt,

        

unter Aufhebung der Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. August 2009 und des Sozialgerichts Koblenz vom 4. Dezember 2008 die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet, soweit das LSG die Berufung der Beklagten hinsichtlich deren Verurteilung durch das SG, die Beklagte zu verpflichten, den Arbeitsunfall vom 7. April 2005 als Versicherungsfall anzuerkennen, sowie zu entschädigen, zurückgewiesen hat. Im Übrigen ist die Revision unbegründet. Denn entsprechend dem Begehren des Klägers ist das Ereignis vom 7. April 2005 als Arbeitsunfall festzustellen.

8

1. Soweit das SG, auf den Antrag des Klägers hin, die Beklagte verurteilt hat, seinen Unfall vom 7. April 2005 zu entschädigen, handelt es sich um ein unzulässig unbestimmtes unechtes Grundurteil ohne einen bezüglich der "Entschädigung" vollstreckungsfähigen Inhalt (BSG vom 2. Dezember 2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 8 mwN). In diesem Umfang ist die Revision begründet.

9

Ebenfalls aufzuheben ist der durch die Zurückweisung der Berufung der Beklagten bestätigte Verpflichtungsausspruch des SG ihr gegenüber, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Denn der Kläger hat vor dem BSG klarstellend erklärt, dass er nur die Feststellung des Versicherungsfalls begehre. Die grundsätzliche prozessrechtliche Nachrangigkeit der Feststellungsklage steht der Zulässigkeit der mit der Anfechtungsklage verbundenen Feststellungsklage nach ständiger Rechtsprechung des 2. Senats des BSG in Fällen der vorliegenden Art nicht entgegen (BSG SozR 4-2700 § 2 Nr 3 RdNr 4, SozR 4-2700 § 8 Nr 25 RdNr 8). Begehrt der Versicherte nämlich allein die von dem Unfallversicherungsträger abgelehnte Feststellung des Vorliegens eines Versicherungsfalls, kann er durch die Verbindung einer Anfechtungs- mit einer Feststellungsklage unmittelbar eine rechtskräftige, von der Verwaltung nicht mehr beeinflussbare Feststellung erlangen. Damit wird in diesen Fällen sein Begehren jedenfalls genauso wirksam durchgesetzt wie mit einer (die Aufhebung des ablehnenden Verwaltungsakts umfassenden) Verpflichtungsklage, so dass die Klageart in solchen Fällen von dem Begehren des Klägers abhängt, ob er eine behördliche oder unmittelbar eine gerichtliche Feststellung des Versicherungsfalls erstrebt.

10

2. Im Übrigen ist die Revision nicht begründet. Denn das Ereignis vom 7. April 2005 ist ein Arbeitsunfall.

11

Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 10 mwN; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 30 mwN). Diese Voraussetzungen sind nach den für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG erfüllt.

12

Der Kläger war zur Zeit des Unfallereignisses als Steinmetzgehilfe Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Er hat am 7. April 2005 bei dem Zusammenstoß als Motorradfahrer mit einem Kfz, der zu Verletzungen an seiner linken Hand und am linken Bein führte, auch einen Unfall erlitten.

13

Die Verrichtung des Klägers zur Zeit des Unfalls - die Fahrt zur Freundin zum Mittagessen - stand auch im sachlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit. Zwar war die Fahrt keine Verrichtung im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zu Grunde liegenden Arbeitsverhältnisses und damit keine versicherte Tätigkeit iS des § 8 Abs 1 SGB VII. In eng begrenzten Ausnahmefällen wurde dies zwar angenommen, sofern betriebliche Interessen bzw Umstände die Essenseinnahme wesentlich beeinflussten (vgl BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 11 S 48 f mwN). Eine solche Fallgestaltung ist vorliegend schon deshalb nicht gegeben, weil deren besondere Voraussetzungen nicht festgestellt sind, der Kläger die Fahrt vielmehr in der für die Essenseinnahme vorgesehenen betrieblichen Mittagspause unternahm.

14

Die Fahrt des Klägers als Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses war jedoch eine versicherte Tätigkeit iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII. Danach sind versicherte Tätigkeit auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Wie schon in der Vorgängervorschrift des § 550 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) ist in § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII als End- bzw Ausgangspunkt des Weges nur der Ort der Tätigkeit festgelegt. Wo der Weg nach dem Ort der Tätigkeit beginnt und wo der Weg von dem Ort der Tätigkeit endet, ist nicht umschrieben. Auch regelt die Norm nicht, ob der Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit - etwa in Bezug auf § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII hinsichtlich einer zusammenhängenden Arbeitszeit (Arbeitsschicht) - jeweils nur einmal oder mehrmals täglich zurückgelegt werden kann(vgl dazu BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 23). Begründet wird der Versicherungsschutz auf dem Weg nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit damit, dass diese Wege nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit, also mit einer auf die versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz unternommen werden (vgl BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 13; BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29 RdNr 21).

15

Das Zurücklegen eines Weges durch einen in Vollzeit Beschäftigten in der betrieblichen Mittagspause mit der Handlungstendenz, sich an einem vom Ort der Tätigkeit verschiedenen Ort Nahrungsmittel für die Mittagsmahlzeit zu besorgen oder, wie vorliegend, dort das Mittagessen einzunehmen, um seine Arbeitsfähigkeit zu erhalten, ist bereits nach Einführung des (damaligen) § 545a RVO durch das Zweite Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 14. Juli 1925 (RGBl I 97) in einer Entscheidung des Reichsversicherungsamts vom 18. Oktober 1927 (EuM 21, 281 f) als eine solche regelmäßig unaufschiebbare, notwendige Handlung angesehen worden, die geeignet ist, die Arbeitskraft des Versicherten zu erhalten und ihm damit zu ermöglichen, die betriebliche Tätigkeit fortzusetzen. Diese Auffassung ist in ständiger Rechtsprechung beibehalten worden (vgl BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 15 S 55 mwN). Daran hält der Senat fest.

16

Aus dem Umstand, dass der Kläger auf dem Betriebsgelände wohnte, folgt nichts Anderes. Der zum Ort der Essenseinnahme zurückzulegende Weg ist nicht mit demjenigen von der Wohnung zur versicherten Tätigkeit zu vergleichen, weil § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII den Weg zwischen der Wohnung und dem Ort der Tätigkeit nicht privilegiert(vgl BSG SozR 2200 § 550 Nr 28 S 68). Davon abgesehen hat das BSG diesem Merkmal in der genannten Entscheidung ohnehin für die Konstellation eine untergeordnete Bedeutung beigemessen, dass der Versicherte ein danach unverhältnismäßig weit entfernt liegendes Ziel mit einem Kfz zu erreichen versucht und deswegen hierfür nur eine relativ kurze Zeit aufbringen muss. Dies gilt auch vorliegend, da der Kläger die Wohnung seiner damaligen Freundin mit dem Motorrad in etwa neun Minuten erreichen konnte.

17

Dass mit der Essenseinnahme am 7. April 2005 auch ein Besuch der Freundin und damit das Verbringen der Zeit mit ihr verbunden sein sollte, führt vorliegend nicht dazu, dass die Wesentlichkeit der durch die Beschäftigung bedingten Motivation "Mittagessen" zu verneinen ist (vgl BSG, Urteil vom 12. Mai 2009 - B 2 U 12/09 R -SozR 4-2700 § 8 Nr 33 RdNr 16). Dazu hat das LSG festgestellt, dass der Kläger nur zu seiner Freundin gefahren sei, wenn diese vorgekocht habe, und dass der wesentliche Grund für den Weg das Einnehmen des Mittagessens gewesen sei.

18

Dem sachlichen Zusammenhang steht auch nicht die Zeitdauer des Weges von zweimal neun Minuten im Verhältnis zur verbleibenden Essenszeit von zwölf Minuten entgegen. Bei seiner Erwägung, für Wege, die den überwiegenden Teil der Pause in Anspruch nehmen, den Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit nicht mehr als wesentlich zu erachten, stellte der 8. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 26. April 1977 (8 RU 76/76 - SozR 2200 § 550 Nr 28 S 68) auf den Zweck der Pause ab. Der Begriff der Ruhepause findet sich mittlerweile im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vom 6. Juni 1994 (BGBl I 1170), das aber in § 4 Satz 1 ArbZG den Begriff voraus. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sind Ruhepausen im Sinne des Arbeitszeitrechts Unterbrechungen der Arbeitszeit von bestimmter Dauer, die der Erholung dienen, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat und frei darüber entscheiden kann, wo und wie er diese Zeit verbringen will. Entscheidendes Merkmal der Ruhepause ist, dass der Arbeitnehmer von jeder Arbeitsverpflichtung und auch von jeder Verpflichtung, sich zur Arbeit bereitzuhalten, freigestellt ist (BAGE 103, 197, 201 mwN). Der Bundesgesetzgeber hat sich demzufolge dafür entschieden, die mit dem ArbZG verbundenen Zwecke allein dadurch zu erreichen, dass die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebende Hauptpflicht des Arbeitnehmers für die Zeit der Ruhepause suspendiert wird; dem Arbeitnehmer werden hingegen keine Vorgaben gemacht, durch bestimmte Verhaltensweisen hierbei mitzuwirken.

19

Bei einer Fahrzeit von 18 Minuten und einer für die Essenseinnahme zur Verfügung stehenden Zeit von zwölf Minuten führt jedenfalls ein Verhältnis von drei Fünftel (Fahrzeit) zu zwei Fünftel (Essenseinnahme) nicht zwingend dazu, dass die durch die Beschäftigung bedingte und den sachlichen Zusammenhang begründende Handlungstendenz in den Hintergrund tritt.

20

Die Kostenentscheidung beurteilt sich nach den §§ 183, 193 SGG.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 und ihre Ehegatten oder Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste,
2.
Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
3.
gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen,
4.
Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
5.
Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 kann auch die Organisation, für die die Ehrenamtsträger tätig sind, oder ein Verband, in dem die Organisation Mitglied ist, den Antrag stellen; eine namentliche Bezeichnung der Versicherten ist in diesen Fällen nicht erforderlich. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 4 und 5 gilt Satz 2 entsprechend.

(2) Die Versicherung beginnt mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuß binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuß entrichtet worden ist.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. März 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

2

Der 1955 geborene Kläger ist seit Oktober 1974 bei der S-Bahn B. als Führer von Schienenfahrzeugen beschäftigt. Er löste am 30.3.2007 vor der Einfahrt in den S-Bahnhof B. eine Notbremsung aus. Insoweit ist im Durchgangsarztbericht des Dr. M. vom 12.4.2007 vermerkt, dass der Kläger einen den Bahnübergang trotz geschlossener Schranke überquerenden Fußgänger gesehen hätte und nach einer Vollbremsung ca 2 Meter vor dem Fußgänger zum Stehen gekommen sei. Als Diagnose ist eine "posttraumatische Belastungsreaktion" angegeben.

3

Die Beklagte lehnte die Feststellung eines Arbeitsunfalls ab, weil es an einem Unfallereignis iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII fehle(Bescheid vom 20.9.2007; Widerspruchsbescheid vom 21.1.2008). Das SG Berlin hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 16.1.2009). Das LSG Berlin-Brandenburg hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 17.3.2011). Als Unfallereignis lasse sich allein die Zugbremsung feststellen, die aufgrund der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes vom 20.12.2010 lediglich 1,33 oder 2,8 Sekunden früher als notwendig ausgelöst worden sei. Dass sich eine Person auf den Gleisen befunden hätte, sei nicht nachgewiesen. Eine unwesentlich frühere Zugbremsung stelle kein außergewöhnliches Ereignis dar. Die gesetzliche Unfallversicherung schütze nicht alltägliche Geschehensabläufe, die im Rahmen der versicherten Tätigkeit üblich und selbstverständlich seien, sondern nur die sich davon abhebenden Ereignisse. Allein die Vorstellung, es hätte zu einem Personenschaden kommen können oder ein solcher sei eingetreten, genüge nicht. Die Wahrnehmung sozialadäquater Geschehensabläufe sei ein Risiko, das seine Ursache nicht in der versicherten Tätigkeit habe.

4

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 8 Abs 1 SGB VII sowie eine fehlerhafte Beweiswürdigung und einen Verstoß gegen die Pflicht zur Amtsermittlung. Zur Begründung trägt er vor, der Unfallbegriff sei allgemein und nicht berufsbezogen definiert. Er beschränke sich nicht auf Ereignisse, die über die alltäglichen beruflichen Anforderungen hinausgingen. Abgesehen davon handele es sich bei der Gefahrenbremsung zur Vermeidung einer Kollision mit einem Menschen nicht um einen alltäglichen Vorgang, sondern um einen besonderen Betriebsvorfall. Im Übrigen sei das LSG aufgrund einer fehlerhaften Beweiswürdigung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Bei der Notbremsung sei eine sich am Bahnübergang aufhaltende Person klar zu erkennen gewesen. Schließlich habe es das LSG unterlassen, Feststellungen zu den Unfallfolgen zu treffen.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. März 2011, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2009 sowie die ablehnende Entscheidung im Bescheid der Beklagten vom 20. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Januar 2008 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 30. März 2007 ein Arbeitsunfall ist.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Ein Unfallereignis sei als selbstständiges Geschehen von der bloßen Ausübung der versicherten Tätigkeit abzugrenzen. Die Zugbremsung sei hingegen schlichte Ausübung der versicherten Tätigkeit. Auch sei die Unfreiwilligkeit der Einwirkung dem Unfallbegriff immanent.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

9

Die mit der Revision verfolgte kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und § 55 Abs 1 Nr 1 SGG)ist zulässig. Der Kläger begehrt nunmehr, die Ablehnungsentscheidung der Beklagten aufzuheben und festzustellen, dass er am 30.3.2007 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Zwar hat er vor dem LSG die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung des Ereignisses vom 30.3.2007 als Arbeitsunfall beantragt. Der Übergang von der Verpflichtungs- zur Feststellungsklage ist aber eine jedenfalls bei einem Streit um die Feststellung eines Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 99 Abs 3 SGG zulässige Antragsänderung. Wegen des Interesses des Klägers an einer baldigen gerichtlichen Feststellung besteht ein Wahlrecht zwischen beiden Rechtsschutzformen (BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - Juris RdNr 12, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

10

Anfechtungs- und Feststellungsklage sind nicht begründet. Die Ablehnungsentscheidung der Beklagten im Bescheid vom 20.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.1.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls. Durch das Abbremsen der S-Bahn hat er keinen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII erlitten.

11

Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Ein Arbeitsunfall eines Versicherten setzt danach voraus, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls einen gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden unmittelbaren oder mittelbaren Unfallfolgen (vgl hierzu BSG vom 5.7.2011 aaO) aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Tatbestandsvoraussetzung eines Arbeitsunfalls (vgl BSG vom 4.9.2007 - B 2 U 24/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 24 RdNr 9 mwN).

12

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger verrichtete zwar mit dem Fahren der S-Bahn eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter. Während dieser Verrichtung hat sich aber kein Unfall ereignet.

13

Nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Zu unterscheiden ist damit zwischen dem äußeren Ereignis als Ursache (Unfallereignis) und der Körperschädigung oder dem Tod als Wirkung, die erst den Unfall im Sinne der genannten Vorschrift eintreten lässt. Ob und - wenn ja - wann der Kläger einen Gesundheitsschaden davongetragen hat, ist vom LSG nicht festgestellt worden und bedarf vorliegend auch keiner Entscheidung. Jedenfalls fehlt es an einer äußeren Einwirkung auf den Körper des Klägers.

14

Allerdings erstreckt sich das Unfallereignis entgegen der Auffassung des LSG auch auf Geschehnisse, die im Rahmen der versicherten Tätigkeit "üblich" sind. Die gesetzliche Unfallversicherung schützt gerade, aber auch nur diejenigen Verrichtungen, die in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Der Begriff des Unfallereignisses setzt auch nicht ein außergewöhnliches Geschehen voraus. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats genügt vielmehr ein alltäglicher Vorgang, wie das Stolpern über die eigenen Füße oder das Aufschlagen auf den Boden, weil auch hierdurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt (zuletzt BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31 RdNr 10). Auch durch die versicherte Tätigkeit bedingte Unfälle des täglichen Lebens sind versichert (so schon BSG vom 13.3.1959 - 2 RU 167/57 - BSGE 9, 222, 224).

15

Einen Unfall hat der Kläger aber deshalb nicht erlitten, weil sich nach den Feststellungen des LSG während der Fahrt mit der S-Bahn kein Vorgang ereignet hat, durch dessen Ablauf zeitlich begrenzt von außen auf seinen Körper eingewirkt worden wäre. Als einziger Geschehensablauf während der Bahnfahrt ist vom Berufungsgericht das Abbremsen des Zuges festgestellt worden. In diesem Bremsvorgang ist ein von außen auf den Körper des Klägers einwirkendes Ereignis nicht zu erblicken. Insofern unterscheidet sich der Rechtsstreit von dem ebenfalls am 29.11.2011 entschiedenen weiteren Rechtsstreit des Klägers (B 2 U 23/10 R), wo es an entsprechenden Feststellungen durch das LSG fehlte.

16

Das Erfordernis der Einwirkung von außen dient der Abgrenzung von unfallbedingten Gesundheitsschäden zu Gesundheitsbeeinträchtigungen aus inneren Ursachen sowie zu Selbstschädigungen (vgl BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, RdNr 7). Nicht geschützt sollen Unfälle sein, die auf aus dem Menschen selbst kommenden Ereignissen beruhen (vgl BSG vom 29.2.1984 - 2 RU 24/83 - Juris RdNr 15; BSG vom 18.3.1997 - 2 RU 8/96 - Juris RdNr 22, jeweils mwN). Das ist hier der Fall. Denn das Abbremsen des Zuges war eine vom Willen des Versicherten getragene und gesteuerte Eigenbewegung. Ein Unfall ist typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass ein normaler Geschehensablauf plötzlich durch einen ungewollten Vorfall unterbrochen wird. Durch die Zugbremsung wirken zwar physikalisch betrachtet Trägheits- oder Scheinkräfte auf einen Körper ein. Unabhängig davon, ob diese unsichtbare physikalische Kraftentfaltung ein Ereignis iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII darstellt, ist dadurch aber nicht von außen auf den Kläger eingewirkt worden. Der den Trägheitskräften vorausgegangene Bremsvorgang war nicht durch eine Gefahrensituation veranlasst. Dass sich eine Person auf den Gleisen befunden hätte, war für das LSG gerade nicht feststellbar. Mit dem Abbremsen ist daher nicht von einem Teil der Außenwelt auf den Körper des Klägers, sondern von diesem ist seinerseits auf die S-Bahn eingewirkt worden. Solange der Versicherte - wie hier - in seiner von ihm gewollt herbeigeführten Einwirkung und damit in seiner Eigenbewegung nicht beeinträchtigt ist, wirkt kein äußeres Ereignis auf seinen Körper ein (vgl BGH vom 23.11.1988 - IVa ZR 38/88 - NJW-RR 1989 S 217).

17

Das hier gefundene Ergebnis steht nicht im Widerspruch zum Urteil des Senats vom 12.4.2005 (B 2 U 25/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15). In dem bezeichneten Verfahren hat der Senat die äußere Einwirkung der von dem schweren und festgefrorenen Stein ausgehenden unsichtbaren Kraft sowie der mit dem beabsichtigten Anheben des Steines einhergehenden Kraftanstrengung aufgrund der mit ihr verbundenen Gegenkräfte erblickt. Eine entsprechende Kraftentfaltung ist weder festgestellt worden noch ersichtlich.

18

An die Feststellungen des LSG, dass sich während der Bahnfahrt nur das Abbremsen des Zuges ereignete, ohne dass sich eine Person auf den Gleisen befunden hätte, ist der Senat gebunden (§ 163 SGG), weil sie nicht mit zulässig erhobenen Verfahrensrügen angegriffen worden sind.

19

Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG) und aus denen die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte Verfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG vom 23.8.2007 - B 4 RS 3/06 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 31). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht.

20

Die Rüge des Klägers, das LSG habe gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) verstoßen, ist nicht ordnungsgemäß erhoben. Er hätte insoweit aufzeigen müssen, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Dabei ist darzulegen, inwiefern nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen und medizinischen Sachverhalt aus seiner rechtlichen Sicht erkennbar offengeblieben sind und damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden hat und die so zu ermittelnden Tatsachen nach der Rechtsauffassung des LSG entscheidungserheblich sind. Außerdem ist anzugeben, wann und in welcher Form die zu ermittelnden Tatsachen in der Berufungsinstanz vorgebracht wurden (BSG vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris RdNr 69 f). Weshalb das LSG Feststellungen zu den Unfallfolgen hätte treffen müssen, obwohl das Berufungsgericht bereits einen Unfall verneint hat, macht die Revision indes nicht deutlich.

21

Auch die Rüge des Klägers, das Berufungsgericht habe die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten, ist unzulässig. Die Beweiswürdigung des LSG ist nur eingeschränkt überprüfbar. Da das Tatsachengericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet, ist diese Vorschrift nur dann verletzt, wenn das Gericht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen oder das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend berücksichtigt hat. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss im Einzelnen dargelegt werden (BSG vom 31.5.2005 - B 2 U 12/04 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 2 RdNr 9). Daran fehlt es hier.

22

Der Kläger hat weder ein Denkgesetz benannt, gegen das das LSG verstoßen haben soll, noch einen vom Berufungsgericht fehlerhaft angewendeten Erfahrungssatz aufgezeigt. Aus seinem Vortrag geht auch nicht hervor, dass das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht hinreichend berücksichtigt worden wäre. Der Hinweis darauf, dass sich das LSG "umfangreich" mit den Sachverhaltsdarstellungen in den einzelnen Verfahrensstadien und der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes auseinandergesetzt habe, macht vielmehr gerade die durchgeführte Gesamtwürdigung deutlich. Im Kern setzt der Kläger seine Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG. Allein damit ist aber eine Verletzung der Grenzen des Rechts auf freie Beweiswürdigung nicht formgerecht gerügt (BSG vom 23.8.2007 - B 4 RS 3/06 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 33).

23

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.03.2007 insoweit abgeändert, als die Beklagte zur Feststellung weiterer Unfallfolgen zu den Arbeitsunfällen vom 15.10.2003 und 23.12.2004 verpflichtet wird, und die Klage wird im vollem Umfang abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen einer Rücknahmeentscheidung streitig, welche Unfallfolgen aus den Arbeitsunfällen vom 15.10.2003 und 23.12.2004 vorliegen und ob dem Kläger deswegen Verletztenrente zusteht.
Unfall am 15.10.2003
Der 1950 geborene Kläger ist als Service-Techniker beschäftigt. Am 15.10.2003 trug er zusammen mit einem Kollegen eine Messetheke, um sie auf ihrem Fahrzeug zu verladen. Nach Angaben des Klägers sei ihm die Messetheke aus der linken Hand gerutscht und nach links gekippt. Er habe daher mit der linken Hand schnell nachgefasst, dabei das Gleichgewicht verloren und sei mit verdrehter Körperhaltung mit der linken Schulter gegen den Türrahmen geprallt (Schreiben des Klägers vom 30.11.2003).
Am 16.10.2003 suchte der Kläger den Durchgangsarzt Dr. M. auf, der in seinem Durchgangsarztbericht (DAB) vom 16.10.2003 als Unfallhergang festhielt, „beim Einladen von einer Messetheke linke Schulter angeschlagen“. Er diagnostizierte eine unauffällige Kontur der linken Schulter ohne Druckschmerz über der Rotatorenmanschette. Das Röntgenbild habe keinen Hinweis für eine knöcherne Verletzung, aber nebenbefundlich diskrete Unregelmäßigkeiten des AC(Acromioclavicular) -Gelenkes (Schulter-Eck-Gelenkes) ergeben. Im DAB ist die Diagnose "Kontusion/Distorsion linke Schulter" aufgeführt (Kontusion: Prellung u. Quetschung durch direkte stumpfe Gewalteinwirkung; Distorsion: Verstauchung, Zerrung).
Wegen geklagter schmerzhafter Bewegungseinschränkung (Nachschaubericht Dr. M. vom 21.10.2003) wurde am 25.10.2003 eine Kernspintomographie der linken Schulter veranlasst, die eine subtotale, ansatznahe Ruptur der Supraspinatussehne ergab (Arztbrief von Dr. S. vom 27.10.2003). Der Kläger nahm die Arbeit am 30.10.2003 wieder auf (Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 15.12.2003).
In der eingeholten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15.01.2004 führte Dr. K. aus, als Arbeitsunfall sei nur eine Prellung, die nach wenigen Tagen, allenfalls nach einer Woche vollständig abzuheilen pflege, ohne weitergehende strukturelle Läsion anzuerkennen. Eine direkte Gewalteinwirkung könne die Rotatorenmanschette nicht belasten, da nur das massive plötzliche Rückwärtsreißen oder Heranführen des Armes, eine starke Zugbelastung oder der Sturz auf den nach hinten und innen gehaltenen Arm eine solche Belastung darstelle. Außerdem ergebe sich aus der Kernspintomographie ein isolierter Riss und damit ein verletzungsunspezifisches Schadensbild.
Die G.- und L.-Berufsgenossenschaft, eine Rechtsvorgängerin der Beklagten (im folgenden nur noch Beklagte), erkannte mit Bescheid vom 05.02.2004 den Unfall vom 15.10.2003 als Arbeitsunfall an und stellte als Unfallfolge eine folgenlos ausgeheilte Prellung der linken Schulter mit unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit für längstens eine Woche fest.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2004 zurück.
In einer Stellungnahme von Dr. B. vom 26.11.2004 wurde die derzeitige Gebrauchsminderung der linken Schulter als Folge des Arbeitsunfalls bewertet. Es sei anzunehmen, dass die Rotatorenmanschettenruptur bereits vor dem Unfall vorhanden gewesen sei, der Kläger sei aber mit dieser Schadensanlage versichert. Da vor dem Unfall keine Beeinträchtigungen bestanden hätten, sei die jetzige Unfallfolge. Gestützt auf diese Stellungnahme beantragte der Kläger am 03.12.2004 über seinen Prozessbevollmächtigten die Erteilung eines Rücknahmebescheids. Die zu zweit getragene Messetheke habe ein Gewicht von 60 bis 70 Kilogramm gehabt. Er sei mit halb verdrehter Schulter gegen den Türrahmen geprallt und habe sofort einen stechenden Schmerz verspürt. Er habe die Arbeit sofort eingestellt.
10 
Mit Bescheid vom 20.01.2005 lehnte die Beklagte die Rücknahme gem. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ab. Die Angaben zum Unfallhergang seien durch frühere Ermittlungen bekannt und seien berücksichtigt worden.
11 
Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 07.03.2005).
12 
Der Kläger hat hiergegen am 15.03.2005 beim Sozialgericht R. Klage erhoben (S 2 U 778/05).
13 
Unfall vom 23.12.2004
14 
Am 23.12.2004 rutschte der Kläger beim Schneeräumen im Hof des Arbeitgebers aus und stürzte auf das rechte Knie. Durchgangsarzt Dr. B. diagnostizierte bei unauffälliger Röntgenaufnahme des rechten Knies eine Innenbanddistorsion mit Verdacht auf Innenmeniskusriss (DAB vom 13.01.2005). Eine Kernspintomographie des rechten Kniegelenks vom 15.01.2005 ergab nach Dr. H. einen Riss im Innenmeniskus-Hinterhorn mit begleitender Distorsion des Innenbandes und einen mäßigen Gelenkerguss (Arztbrief Dr. H. und Dr. S. vom 17.1.2005). Der Kläger teilte auf Anfrage der Beklagten mit, er habe nach dem Unfall am 23.12.2004 nur leichte Schmerzen gehabt. Die Schmerzen hätten jedoch bis zum 13.01.2005 ständig zugenommen, weshalb er schließlich doch Dr. B. aufgesucht habe (Schreiben des Klägers vom 25.03. 2005).
15 
Am 01.06.2005 wurde eine arthroskopische Teilresektion des Innenmeniskus in der Gemeinschaftspraxis Dr. F. und Kollegen vorgenommen (Operationsbericht von Dr. J. vom 01.06. 2005). Im pathologischen Befundbericht von Prof. Dr. S. vom 13.06. und Nachtragsbefund vom 15.06.2005 wurde eine ausgeprägte degenerative Meniskopathie mit reparativer Entzündung diagnostiziert.
16 
In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 07.05.2005 verneinte Dr. K. einen wesentlichen Zusammenhang des Innenmeniskusschadens mit dem Unfall, dem nur der Stellenwert eines Anlassgeschehens zukomme. Nach der unfallmedizinischen Literatur könne die Kniebinnenstruktur nur unter Stress gesetzt werden, wenn durch den feststehenden Fuß oder den fixierten Oberschenkel bzw. beim Drehsturz mit fixiertem Unterschenkel der Muskelbandapparat des Knies unkontrolliert übermäßig belastet werde. Ein solcher Fall habe nicht vorgelegen. In der Kernspintomographie seien Zeichen einer Innenbanddistorsion nachgewiesen, jedoch ein Hinweis auf eine strukturelle Läsion läge nicht vor. Ein isolierter Innenmeniskushinterhorn-Schaden sei ein verletzungsunspezifisches Schadensbild. Zwischen Unfallereignis und erstmaligem Arztbesuch lägen drei Wochen, was ein weiteres Indiz gegen den Unfallzusammenhang darstelle.
17 
Mit Bescheid vom 04.08.2005 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 23.12.2004 als Arbeitsunfall an und stellte eine folgenlos verheilte Stauchung des rechten Kniegelenks mit Beteiligung des Innenbandes fest. Nicht unfallbedingt sei der Riss des Innenmeniskushinterhorns.
18 
Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 31.10.2005 zurückgewiesen.
19 
Im Januar 2006 beantragte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten ebenfalls die Erteilung eines Rücknahmebescheids gem. § 44 SGB X. Er verwies auf die ärztliche Stellungnahme von Dr. B., der im DAB vom 13.01.2005 einen Kniegelenkserguss beschrieben habe. Ein Zusammenhangsgutachten sei vom Operateur nie angefordert worden.
20 
Auf Veranlassung des Klägers führte Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 29.01.2006 aus, Dr. K. beschäftige sich ausschließlich mit dem Drehsturz als geeigneten Unfallmechanismus. Demgegenüber sei nach der unfallmedizinischen Literatur auch die plötzliche Streckung des gebeugten und rotierten Unterschenkels, wie beim Stolpern oder Ausrutschen, ein geeigneter Unfallvorgang. Die für traumatische Entstehungszusammenhänge geforderte Seiten- und Kreuzbandverletzung könnten nach neuester unfallmedizinischer Literatur auch nur gering ausgeprägt sein, was beim Kläger der Fall sei. Zu beachten sei, dass die Innenbandverletzung zum Zeitpunkt der 23 Tage nach dem Unfall gefertigten Kernspintomographie zum größten Teil bereits abgeheilt gewesen sei.
21 
Mit Bescheid vom 16.02.2006 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 04.08.2005 i. d. F. des Widerspruchsbescheids nach § 44 SGB X ab.
22 
Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 06.03.2006).
23 
Der Kläger hat hiergegen am 09.03.2006 beim Sozialgericht R. Klage erhoben (S 2 U 928/06).
24 
Mit Beschluss vom 03.05.2006 hat das Sozialgericht die Klageverfahren S 2 U 778/05 und S 2 U 928/06 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
25 
Das Sozialgericht hat noch vor der Verbindung auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das unfallchirurgische Gutachten vom 04.09.2005 mit Ergänzung vom 20.01.2005 (richtig 20.01.2006) eingeholt, in dem Dr. K. das Unfallereignis am 15.10.2003 für die Impingement-Symptomatik als Gelegenheitsursache bewertet hat. Aus der Kernspintomographie ergebe sich eine degenerative Veränderung des AC-Gelenkes sowie eine Fehlform des Acromions (Schulterhöhe), die eine Einengung des Raumes bedinge, in dem die Supraspinatussehne verlaufe. Dadurch habe eine Ausdünnung der Sehne stattgefunden, die bereits zum Zeitpunkt des Unfalls bestanden habe. Der Unfallmechanismus entspreche einer Anprallsituation - der Kläger habe ausdrücklich Beschwerden erst beim Anprall und nicht beim vorausgehenden Nachfassen angegeben -, die ungeeignet sei, eine Schädigung der Supraspinatussehne zu verursachen. Ähnliche alltägliche Mechanismen, wie z. B. das Tragen von Lasten oder auch Überkopfarbeiten, könnten aber bei vorbestehenden degenerativen Veränderungen ebenfalls die Impingement-Symptomatik auslösen. Der Kläger habe nach dem Unfall noch weitergearbeitet, was eine traumatisch bedingte Ruptur ausschließe.
26 
Der Kläger hat auf die ärztlichen Äußerungen von Dr. B. vom 05.12.2005 und 07.03.2006 verwiesen, in denen Dr. B. zum Gutachten von Dr. K. Stellung genommen hat. Danach sei die Belastung für den Kläger unvorhersehbar gewesen, weil er durch die sperrige Messetheke keinen Sichtkontakt zu seinem vorausgehenden Arbeitskollegen gehabt habe. Dadurch, dass der Kollege die Messetheke losgelassen habe, habe der weiter nach vorne gehende Kläger durch die auf die Seite zu Boden stürzende Theke einen Impuls nach vorne erhalten. Durch diese massive axiale Zugbelastung der vorgespannten Sehne habe die Schulterzerrung zur Rotatorenmanschettenruptur geführt. Die Kernspintomographie 12 Tage nach dem Unfall ergebe eine Einblutung in die Muskelfaszie des Supraspinatus. Danach hätte der Schlag von dorsal kommen müssen, bei der Untersuchung durch den Durchgangsarzt am 15.10.2003 sei aber eine ventrale Druckschmerzhaftigkeit diagnostiziert worden. Eine dorsale Prellung könne daher ausgeschlossen werden. Die Einblutung könne nur durch die Zerrung entstanden sein.
27 
Nach Verbindung der Rechtsstreitigkeiten hat das Sozialgericht auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG das Gutachten von Dr. A. vom 23.07.2006 mit ergänzender Stellungnahme vom 11.10.2006 zu beiden Unfällen eingeholt mit folgendem Ergebnis:
28 
A. Schulterverletzung
29 
Nach Angaben des Klägers bei der Untersuchung durch den Sachverständigen sei er beim Transport der Messetheke der Vordermann gewesen, sei aber rückwärts durch den Durchgang gegangen. Als der Kollege die Messetheke habe fallen lassen, sei er mit der linken Schulter gegen den Türrahmen geprallt. Diesem Mechanismus habe der Kläger größere Bedeutung für die Verletzung beigemessen als dem Längszug nach unten durch das erforderlich werdende Nachfassen. Der plötzlichen Zugbelastung durch das Nachfassen sei auch aus medizinischer Sicht keine besondere Bedeutung zuzumessen, da hieran die Supraspinatussehne nicht ausschließlich beteiligt gewesen sei. Ein kurzzeitiger, nicht kräftiger Impuls könne eine bis zu zwei Zentimeter breite und 3,3 Millimeter dicke Sehne schwerlich zum Reißen bringen. Dagegen belegten Untersuchungen im Rahmen von Sektionen, dass klinisch unauffällige Defekte bei über Fünfzigjährigen in 75% der Fälle vorlägen. Je nach Ausmaß der Degeneration reichten geringe Zugkräfte für eine Ruptur aus. Die eigenen Röntgenaufnahmen hätten eine deutliche Verschmälerung des subacromialen Raumes bestätigt, die die jetzt bestehende Symptomatik des Impingement-Syndroms erkläre. Es sei davon auszugehen, dass der Riss der Sehne bereits vor dem Unfall bestanden habe und durch den Anprall des linken Schultergelenkes das Vorleiden manifest geworden sei. Die Magnetresonanztomographie habe eine Einblutung in die Supraspinatusfaszie ergeben, was für die Prellung spreche, aus der Lokalisation der Blutung seien jedoch keine Schlüsse auf die Richtung der Gewalteinwirkung zu ziehen. Die Prellung sei abgeheilt. Eine unfallbedingte MdE liege nicht mehr vor.
30 
B. Knieverletzung
31 
Nach Angaben des Klägers sei er beim Schneeschippen mit dem linken Bein weggerutscht und habe reflektorisch eine Körperdrehung gemacht, was sich auf das rechte Kniegelenk übertragen habe. Der rechte Fuß sei am Boden fixiert gewesen. Aus medizinischer Sicht habe das Verdrehtrauma einen vorgeschädigten Innenmeniskus betroffen, der dadurch einen Einriss am Hinterhorn erlitten habe. Aus den Angaben des Klägers ergebe sich ein erhebliches Trauma und sofort auftretende Schmerzen, wobei er aufgrund der bevorstehenden Feiertage erst nach drei Wochen einen Arzt aufgesucht habe. Die histologische Aufarbeitung des Gewebes ergebe degenerative Veränderungen, eine Einblutung in das entfernte Gewebe habe sich nicht nachweisen lassen. Dies spreche nicht gegen eine traumatische Genese. Vorschaden und Trauma seien gleichwertig zu beurteilende Ursachen. Eine unfallbedingte MdE liege aber nicht vor. Unfallfolgen bestünden am rechten Kniegelenk nicht mehr. Die Retropatellararthrose sei unfallunabhängig.
32 
Der Kläger hat auf die Stellungnahmen von Dr. B. vom 25.08. und 19.11.2006 verwiesen. Danach seien im Durchgangsarztbericht nur diskrete Unregelmäßigkeiten des AC-Gelenks vermerkt, gravierende degenerative Veränderungen als Hinweis auf eine vorbestehende Degeneration der Rotatorenmanschette seien nicht beschrieben worden. Es könne zwar ein Elastizitätsverlust der Rotatorenmanschette des zum Unfallzeitpunkt dreiundfünfzigjährigen Klägers unterstellt werden, jedoch sei er mit diesem Körperzustand versichert. Der vom Durchgangsarzt erhobene klinische Befund ohne Schwellung an der Schulter passe nicht zu der erheblichen Einblutung, die 12 Tage nach dem Unfall nachgewiesen worden sei, zumal die Schulter ventral geprellt worden sei, die Supraspinatusmuskulatur aber dorsal auf dem Schulterblatt liege. Für die Einblutung komme daher nur eine Zerrung in Betracht. Es habe sich um eine frische und keine alte Ruptur gehandelt, denn bei einer alten Ruptur sei eine Muskelatrophie mit fettiger Degeneration zu erwarten. Beim Tragen von Lasten mit den Händen seit der Bizeps am meisten belastet. Ein gewichtiges Indiz für die massive, passive Traktion durch das Nachfassen sei der am Tag nach dem Unfall festgestellte Druckschmerz über der langen Bizepssehne. Die Ruptur der Rotatorenmanschette bedinge eine MdE um 20 v.H.
33 
Mit Urteil vom 27.03.2007 verpflichtete das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zur Abänderung der bestandskräftigen Bescheide vom 20.01.2005 und vom 05.02.2004 einschließlich der hierzu ergangenen Widerspruchsbescheide, beim Kläger einen Zustand nach Schulterdistorsion links als Folge des Arbeitsunfalls vom 15.10.2003 und einen Zustand nach Innenmeniskusriss als Folge des Arbeitsunfalls vom 23.12.2004 anzuerkennen. Die darüber hinausgehende Klage auf Anerkennung weiterer Unfallfolgen und auf Gewährung einer Verletztenrente hat das Sozialgericht im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Feststellung eines Zustands nach Schulterdistorsion folge aus der Diagnose des Durchgangsarztes Dr. M.. Die Rotatorenmanschettenruptur links und das Impingement-Syndrom seien nach dem überzeugenden Gutachten von Dr. A. keine Unfallfolgen, weil es bei dem Unfall nur zu einem Zusammenprall mit den Türrahmen, aber nicht zu einer Zugbelastung der Schulter gekommen sei. Eine Kontusion der Schulter sei aber nach der medizinischen Literatur und nach den Ausführungen auch von Dr. K. und Dr. A. nicht geeignet, eine Rotatorenmanschette bzw. die Supraspinatussehne zum Reißen zu bringen. Dagegen sei der Innenmeniskusriss Folge des Arbeitsunfalls vom 23.12.2004, was sich aus dem Gutachten von Dr. A. ergebe. Eine relevante MdE ergebe sich aus den beiden Unfällen nicht.
34 
Das gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil ist dem Klägerbevollmächtigten am 10.05.2007 und der Beklagten am 11.05.2007 zugegangen.
35 
Der Kläger hat am 18.05.2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Die Beklagte hat am 08.06.2007 beim Landessozialgericht ein als Anschlussberufung bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt.
36 
Der Kläger hat zur Begründung vorgetragen, ein für die Annahme einer Gelegenheitsursache relevanter Vorschaden an der Schulter habe nicht vorgelegen. Dagegen spreche zum einen, dass er von Seiten der Schulter vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen sei. Radiologisch habe zum Unfallzeitpunkt nur eine geringe Arthrose im AC-Gelenk vorgelegen. Er als Rechtshänder habe bis heute keine Rotatorenmanschettenruptur an der rechten Schulter erlitten, was gegen eine anlagebedingte Degeneration spreche. Unter Berücksichtigung, dass der Durchgang einer normalen Tür 80 Zentimeter breit sei und eine Schulterbreite von maximal 60 Zentimeter anzunehmen sei, könne er sich bei der Prellung maximal 20 Zentimeter bewegt haben. Nach Dr. B. könne er auf dieser Wegstrecke unmöglich die Energie aufgebaut haben, um eine schwere Prellung mit Einblutung zu erleiden. Maßgebend sei daher die Zugbelastung gewesen. Eine Last von 5 kg an der Hand könne mit einer Hebelkraft von 1500 Newton auf den Ansatz der Rotatorenmanschette einwirken. Die Reißfestigkeit der Rotatorenmanschette betragen maximal 1850 Newton bei Jugendlichen. Bei einem Gewicht von 60 bis 70 Kilogramm der Theken habe mit entsprechendem Drehmoment eine enorme Zugbelastung auf den linken Arm einwirkt, als er die verkippende Theke aufgefangen habe. Der Kläger hat auf die Stellungnahme von Dr. B. vom 15.07.2007 verwiesen.
37 
Der Kläger beantragt,
38 
das Urteil des Sozialgerichts R. vom 27.03.2007 abzuändern
39 
und den Bescheid der Beklagten vom 20.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2005 aufzuheben sowie den Bescheid vom 05.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2004 abzuändern und festzustellen, dass eine Rotatorenmanschettenruptur links Folge des Arbeitsunfalls vom 15.10.2003 ist, und die Beklagte zu verpflichten, Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren
40 
sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen
41 
hilfsweise von Amts wegen, hilfsweise gem. § 109 SGG
42 
eine erneute chirurgische Untersuchung und Begutachtung unter Zugrundelegung des von ihm im Termin am 02.10.2007 dargestellten Sachverhaltes dazu durchzuführen,
43 
dass die im CT Dr. S. am 27.10.2003 (AS 16) festgestellte „Ruptur der Supraspinatussehne links mit Einblutung“ und die heutigen Beschwerden „Zustand nach Schulterdistorsion links, Rotatorenmanschettenruptur links und anhaltendes Impingementsyndrom“ Folge davon sind, dass ihm beim Unfall am 15.10.2003 eine Messetheke abgerutscht ist, er nachfassen musste und mit verdrehter Körperhaltung gegen den Türrahmen links prallte
44 
und diese Funktionsstörungen mit einer MdE um mindestens 20% zu bewerten sind.
45 
Die Beklagte beantragt,
46 
das Urteil des Sozialgerichts R. vom 27.03.2007 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen
47 
sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
48 
Die Beklagte hat zur Begründung ausgeführt, es sei nicht erkennbar, weshalb das Sozialgericht die Feststellung einer verheilten Schulterprellung durch die Diagnose einer verheilten Schulterdistorsion ersetzt habe. Nach dem DAB vom 16.10.2003 sei zweifelsfrei von einer Kontusion auszugehen. Beim Unfall am 23.12.2004 sei es zu einer Stauchung des rechten Kniegelenks gekommen. Hinweise auf eine strukturelle Läsion seien nicht belegt. Ein isolierter Innenmeniskushinterhornschaden sei kein verletzungsspezifisches Schadensbild. Ein Anspruch auf Korrektur der bestandskräftigen Ablehnungsbescheide nach § 44 SGB X bestehe nicht. Neue, für den Kläger günstige Tatsachen oder Beweismittel lägen nicht vor. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass von einem falschen Sachverhalt ausgegangen oder dass das Recht unrichtig angewandt worden sei.
49 
Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 02.10.2007 hat der Kläger ergänzende Angaben zur Sache gemacht. Hierzu wird auf die gefertigte Niederschrift verwiesen. Die Beklagte hat erklärt, eine unselbstständige Berufungseinlegung sei nicht gewollt gewesen.
50 
Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Unterlagen und die im Berufungsverfahren angefallene Akte des Senats verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
51 
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten sind zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
52 
Entgegen der von der Beklagten gewählten Bezeichnung einer Anschlussberufung (§ 202 SGG i. V. m. § 524 Zivilprozessordnung) hat die Beklagte eine selbstständige Berufung erhoben. Damit ist die Beklagte auch nicht gehindert, ihren Berufungsantrag über den auf den Unfall vom 15.10.2003 begrenzten Berufungsantrag des Klägers hinaus auch auf den Unfall vom 23.12.2004 zu erstrecken.
53 
Die gewählte Bezeichnung ist nicht zwingend ausschlaggebend für das gewählte Rechtsmittel (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 8. Aufl., § 143 Rdnr. 5), zumal nach der ZPO früher zwischen selbstständiger und unselbstständiger Anschlussberufung unterschieden worden ist. Es ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob eine unselbstständige Anschlussberufung oder eine selbstständige Berufung gewollt ist (vgl. Meyer-Ladewig a. a. O.). Die Beklagte hat im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter erläutert, keine unselbstständige Berufungseinlegung beabsichtigt zu haben. Dies deckt sich mit dem Umstand, dass die Berufung der Beklagten innerhalb der mit Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 11.05.2007 beginnenden Berufungsfrist am 08.06.2007 und damit fristgerecht eingelegt worden ist. Die Notwendigkeit nur eine unselbstständige Anschlussberufung zu verfolgen, die auch noch nach Ablauf der für den Beteiligten geltenden Rechtsbehelfsfrist erhoben werden kann, bestand daher nicht.
54 
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Berufung der Beklagten ist dagegen begründet. Das Urteil des Sozialgerichts war daher insoweit abzuändern, als es die Beklagte zur Feststellung von Unfallfolgen der Unfälle vom 15.10.2003 und 23.12.2004 verpflichtet.
55 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abänderung des bestandskräftigen Bescheides vom 05.02. 2004 und des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2004 nach § 44 SGB X.
56 
Der Anspruch auf Anerkennung von Unfallfolgen ist im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X als Feststellungsklage geltend zu machen. Richtige Klageart zur Erreichung dieses angestrebten Ziels ist insoweit die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 iVm § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, bedarf es in einem Gerichtsverfahren zur Überprüfung eines Verwaltungsakts nach § 44 SGB X nicht. Dass ein Verwaltungsakt nach Eintritt der Bindungswirkung nicht mehr vor Gericht angefochten, sondern nur noch im Zugunstenverfahren zurückgenommen werden kann und dass hierüber nach § 44 Abs 3 SGB X die zuständige Verwaltungsbehörde entscheidet, rechtfertigt nicht den Schluss, dass auch im Prozess über die Ablehnung des Zugunstenantrags die Rücknahmeentscheidung nicht vom Gericht ersetzt werden kann. Wäre es anders, käme eine mit dem Verpflichtungsantrag verbundene Leistungsklage - die auch von der Gegenmeinung (vgl. u. a. SozR 3-1300 § 44 Nr 8 S 19; SozR 3-4100 § 249e Nr 7 S 52; SozR 3-3100 § 30 Nr 18 S 43; Steinwedel in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: 2006, § 44 SGB X RdNr. 16; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 54 RdNr. 20c) für zulässig gehalten wird - aus systematischen Gründen nicht in Betracht. Denn die Verwaltungsbehörde kann nicht zur Leistung verurteilt werden, ehe der entgegenstehende bestandskräftige (Ausgangs-)Bescheid beseitigt ist und solange nur die Behörde verpflichtet ist, ihn zurückzunehmen. Richtigerweise kann deshalb mit der Anfechtungsklage gegen den eine Zugunstenentscheidung ablehnenden Bescheid zugleich die Aufhebung des früheren, dem Klageanspruch entgegenstehenden (Ausgangs-)Bescheides unmittelbar durch das Gericht verlangt werden (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
57 
Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
58 
Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen. Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr 15; BSG SozR 2200 § 1268 Nr 29). Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss die Behörde in eine erneuten Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr 15; BSG SozR 3-2600 § 243 Nr 8 S 27 f; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 23 S 119 f;).
59 
Soweit die Entscheidungen des 9. und des 4. Senats des BSG (BSG vom 3. Februar 1988 - 9/9a RV 18/86 - BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 33 und BSG vom 3. April 2004 - B 4 RA 22/00 R - BSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20), die in Anlehnung an die gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahren (vgl §§ 578 ff der Zivilprozessordnung) oder an § 51 VwVfG ein abgestuftes Prüfungsverfahren (Vorlage neuer Tatsachen oder Erkenntnisse - Prüfung derselben, insbesondere ob sie erheblich sind - Prüfung, ob Rücknahme zu erfolgen hat - neue Entscheidung) fordern, folgt nichts Anderes. Unabhängig von der Frage, inwieweit der aufgezeigten Rechtsprechung zu einem abgestuften Prüfungsverfahren gefolgt werden kann, ist zu berücksichtigen, dass § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X zwei Alternativen anführt, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen sein kann: Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel und ein abgestuftes Verfahren, wie oben dargestellt, ankommen. Bei der ersten Alternative handelt es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss (vergleiche zum Vorstehenden insgesamt BSG Urt. v. 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
60 
Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger sich nicht auf die Behauptung neuer Tatsachen beschränkt. Er hat eine umfassende Überprüfung beantragt und neue Beweismittel durch die ärztlich-gutachterlichen Äußerungen von Dr. B. vorgelegt. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann eine Ablehnung des Antrags nach § 44 SGB X daher nicht auf das Fehlen der genannten formalen Voraussetzungen, dem Vorbringen eines unrichtigen oder neuen Sachverhalts, gestützt werden. Die inhaltliche Überprüfung ergibt aber keine fehlerhafte Rechtsanwendung oder die Annahme eines unrichtigen Sachverhalts hinsichtlich des Unfalls vom 15.10.2003.
61 
Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist neben dem inneren bzw. sachlichen Zusammenhang der Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls mit der versicherten Tätigkeit erforderlich, dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R).
62 
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff mwN sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.
63 
Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11, 19ff m.w.N.) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl. BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm - hier des § 56 SGB VII - zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.; SozR 2200 § 589 Nr. 96).
64 
Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76). Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (BSG SozR Nr. 69 zu § 542 aF RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; vgl. Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2006, § 8 RdNr. 314, Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Kap 1.3.6.1, S 80 f). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (BSGE 12, 242, 245 = SozR Nr 27 zu § 542 RVO; BSG SozR Nr 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr 10; BSG SozR 2200 § 548 Nr 75; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15 jeweils RdNr 11). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr 10; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15 jeweils RdNr 11; ähnlich Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO). Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen oder besonderen Problemen in der anschließenden Heilbehandlung, ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne weiteres zu unterstellen ist (vgl. insgesamt zum Vorstehenden BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R).
65 
Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (stRspr BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr 15 zu § 1263 aF RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. mH auf BSG SozR Nr. 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 aF RVO; BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO, Kap 1.8.2, S. 119 f; Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 128 RdNr. 3c). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 mwN).
66 
Nach diesen Grundsätzen ist zur Überzeugung des Senats die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und der diagnostizierten subtotalen Ruptur der Supraspinatussehne nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit belegt. Der wesentliche Zusammenhang kann nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden.
67 
Der Senat geht davon aus, dass der Kläger am 15.10.2003 mit beiden Händen und gestreckten Armen zusammen mit einem Kollegen eine 60 Kilogramm schwere, 80 cm breite und 175 Zentimeter lange Messetheke trug. Beim Durchqueren eines Durchgangs rutschte ihm als Vordermann beim Rückwärtsgehen die Theke aus der linken Hand. Beim Nachfassen mit der linken Hand war der Kläger durch das Gewicht der Theke an den Türrahmen gedrückt worden und hatte sich die linke Schulter angeschlagen. Dies ergibt sich aus den Angaben des Klägers im Erörterungstermin am 02.10.2007 und deckt sich weitgehend mit den Erstangaben, die der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 01.12.2004 zum Antrag nach § 44 SGB X hat vortragen lassen. Einen erheblichen Impuls für eine Zugbelastung der Sehne, wie dies Dr. B. in mehreren Sachverhaltsvarianten - einmal beim Vorwärtsgehen und einmal beim Rückwärtsgehen des Klägers - mit dem unerwarteten Loslassen der Theke durch den Kollegen und deren Aufprall auf dem Boden angenommen hat, kann der Senat daher nicht feststellen.
68 
Dieser Unfallhergang war nicht wesentlich kausal für den Eintritt einer Rotatorenmanschettenruptur, was der Senat den nachvollziehbaren Äußerungen der Sachverständigen Dr. K. und Dr. A. entnimmt.
69 
Aus den erhobenen medizinischen Befunden ist zur Überzeugung des Senats eine erhebliche Vorschädigung der Supraspinatussehne abzuleiten. Eine für die Zusammenhangsbeurteilung relevante Vorerkrankung des vom Unfall betroffenen Organs (Rotatorenmanschette) kann auch durch medizinische Befunde über andere, im physiologischen Zusammenhang stehende Organstrukturen und durch die nachgewiesene Intensität der unfallbedingten Einwirkung bewiesen werden.
70 
Ein Befund über den Zustand der Rotatorenmanschette bzw. der Supraspinatussehne vor dem Unfallereignis liegt nicht vor. Nach Dr. A. und Dr. K. ergeben sich aber aus der 10 Tage nach dem Unfall gefertigten Kernspintomografie des linken Schultergelenks eine angeborene Fehlform der Schulterhöhe sowie eine Spornbildung (Osteophyten) des Schultereckgelenks, die zusammen eine Einengung des Subacromialraums bedingen. Nach medizinischer Erfahrung führt dies zu einer degenerativen substanziellen Verdünnung der in diesem Raum verlaufenden Supraspinatussehne. Entgegen Dr. B. ist die vom Durchgangsarzt gefertigte Röntgenaufnahme, aus der sich nach Beurteilung des Durchgangsarztes Dr. M. nur diskrete Unregelmäßigkeiten des Gelenkes ergeben, kein überzeugender Beleg für unauffällige Gelenksverhältnisse. Die im November 2003 vom Klinikum V.-S. durchgeführte Sonografie der linken Schulter ergab in Übereinstimmung mit dem Befund aus der Kernspintomografie vielmehr eine erhebliche AC-Gelenkarthrose (Arztbrief von Dr. T. vom 19.11.2003), woraus Dr. A. sogar geschlossen hat, dass die Ruptur zum Zeitpunkt des Unfalls bereits bestanden hatte. Aus dem vom Durchgangsarzt Dr. M. erhobenen Erstbefund ergibt sich keine typische Symptomatik einer Supraspinatussehnenruptur, weshalb er auch eine solche Diagnose in seinem DAB vom 16.10.2003 nicht gestellt hatte. Es bestand kein Druckschmerz über der Rotatorenmanschette. Die Beweglichkeit des linken Arms im Schultergelenk war nicht auffallend eingeschränkt, der Schürzen- und Nackengriff war, wenn auch schmerzhaft, demonstrierbar. Ein typischer schmerzhafter Bogen wurde nicht beschrieben, insbesondere der beim unfallbedingten plötzlichen Kontinuitätsverlust typische Fallarm ist nicht dokumentiert (DAB vom 16.10.2003). Entweder bestand zu diesem Zeitpunkt kein Riss oder eine eingerissene Sehne verursachte keine Beschwerden. Für einen dann allenfalls vorbestehenden Riss könnte sprechen, dass eine mögliche Kompensation der nachlassenden Funktionalität der Supraspinatussehne durch andere Strukturen der Rotatorenmanschette, wie sie bei allmählicher degenerativer Entwicklung bis zur Teilruptur auftritt, den verletzungsuntypischen Befund erklären kann.
71 
Aus den in Betracht kommenden konkreten Einwirkungen eines Anpralls oder einer Zerrung ist der Rückschluss auf eine erheblich vorgeschädigte und eine durch jedes andere belastende Alltagsereignis ebenso leicht für Verletzungen ansprechbare Supraspinatussehne zu ziehen.
72 
In Übereinstimmung mit der unfallmedizinischen Literatur sind Dr. K. und Dr. A. davon ausgegangen, dass eine Prellung der Schulter durch den knöchernen Schutz der Schulterhöhe und des Muskelmantels grundsätzlich nicht geeignet ist, eine - gesunde - Supraspinatussehne zu zerreißen. Dr. A. hält hierbei die naturwissenschaftlich-philosophische Kausalität bereits für nicht für gegeben. Selbst wenn gleichwohl eine Kausalität im physikalischen Sinne bestünde und damit noch nicht ausgeschlossen wäre, dass durch eine erhebliche Prellung eine zwar degenerativ veränderte, aber Alltagbelastungen noch gewachsene Sehne durch die dadurch hervorgerufenen pathomechanischen Vorgänge Schaden nimmt, ist die nachgewiesene Mechanik der Prellung, die der Kläger am Unfalltag erlitten hat, bei einer vergleichenden Betrachtung nicht mit einer solchen Intensität einhergegangen, dass sie eine alltägliche Belastung überschritten hätte.
73 
Von einer Prellung mit allenfalls Alltagbelastungen gleichkommender Auswirkung sind die Sachverständigen Dr. K. und Dr. A. ausgegangen. Selbst Dr. B. hat den vom Kläger geschilderten Vorgang zum Anprall der Schulter als ungeeignet für die Verursachung der diagnostizierten Ruptur beurteilt. Der Kläger ist durch die Gewichtsverlagerung der ins Rutschen gekommenen Theke ohne zu stürzen und aufrecht stehend gegen den Türrahmen gestoßen. Die Theke ist dabei nicht zu Boden gestürzt. Der Anstoß am Türrahmen hat nach dem DAB vom 16.10.2003 kein Hämatom verursacht. Die Aufprallenergie ist bei der nur kurzen, denkbar möglichen Strecke, die vom Zeitpunkt des Verlusts des Gleichgewichts bis zum Anprall der Schulter am Türrahmen hat zurückgelegt werden können, daher nur sehr niedrig gewesen. Dr. K. hat hieraus gefolgert, dass die auf die Supraspinatussehne einwirkende Kraft, die zudem durch die Kraftrichtung nicht zu einer Zugbelastung der Sehne führte, nicht größer war als die entstehenden Belastungen, wie sie im Alltag beim Tragen von (zu ergänzen: normal schweren) Lasten oder auch bei Überkopfarbeiten (zu ergänzen: ohne besondere Gewichtsbelastung) auftreten. Dies ist für den Senat überzeugend, denn der vom Kläger zuletzt im Erörterungstermin geschilderte Vorgang entspricht durchaus vergleichbaren Alltagsituationen mit folgenlosem Anstoßen der Schulter wie es z. B. auf Veranstaltungen im Gedränge einer Menschenmenge (Volksfesten) oder in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln vorkommen kann.
74 
Von einer erheblichen Mitursächlichkeit im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne der Zerrung ist der Senat bereits deshalb nicht überzeugt, weil der Kläger in seinen ersten Angaben das Auftreten von Schulterschmerzen ganz konkret mit dem Anprall an den Türrahmen in Verbindung gebracht hat und den Bewegungsvorgang beim Nachgreifen der rutschenden Last nur als Auslöser für den Verlust des Gleichgewichts, aber nicht als Ursache der Schulterschmerzen angegeben hat. (Antragsschrift des Klägerbevollmächtigten vom 01.12.2004; Angaben des Klägers bei der Untersuchung durch Dr. K. am 25.08.2005). Unabhängig davon ist aber auch auf der zweiten Ebene der Kausalitätsprüfung eine wesentliche Mitursächlichkeit der Zerrung zu verneinen.
75 
Entgegen den Ausführungen von Dr. B. ist mit den Sachverständigen Dr. K. und Dr. A. auch eine wesentlich ursächliche Unfallmechanik durch eine Zerrung nicht festzustellen. Die Ausführungen von Dr. B. sind bereits deshalb nicht überzeugend, weil er seinen Überlegungen fälschlich zugrunde gelegt hatte, dass der Kollege des Klägers die Messetheke unerwartet hat zu Boden fallen lassen. Zwar sind Dr. K. und Dr. A. von einem vergleichbaren Geschehensablauf ausgegangen, doch haben sie überzeugend ausgeführt, dass das vom Kläger anlässlich ihrer Untersuchung geschilderte bloße Nachfassen infolge der wegkippenden Theke keine ausreichende Zugbelastung für die Supraspinatussehne darstellt. Entgegen Dr. B. haben die beiden Ärzte dem Aufschlagen der Theke auf dem Boden oder dem dadurch verursachten abrupten Abbremsen des Klägers keine Verstärkung des auf die Sehne einwirkenden Impulses beigemessen. Vielmehr hat Dr. K. für den Senat überzeugend dargelegt, dass sich das Gewicht der Theke von 60 Kilogramm bei zwei Trägern nicht nur hälftig verteilt, sondern die den Kläger treffende Belastung auch noch über die zwei Hände verteilt ist und das Nachgreifen an der verrutschenden Theke auf Grund der Masseträgheit auch nicht eine sofortige Gewichtsverlagerung allein auf die linke Seite bedingt. Diese Ausführungen gelten umso mehr, da der Kläger das Loslassen der Theke durch den Kollegen verneint hat, dieser somit weiter einen Teil der Last getragen hat. Zudem ist die plötzliche Zugbelastung der Supraspinatussehne durch das Nachfassen nicht erheblich gewesen, denn anatomisch war nach Dr. A. die Supraspinatussehne hieran nicht ausschließlich beteiligt, sondern größtenteils ist die einwirkende Kraft durch andere Strukturen wie Gelenkkapsel, andere Sehnen und gelenkumhüllende Muskulatur resorbiert worden. Diesbezüglich hat auch Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 19.11.2006 ausgeführt, dass im physiologischen Ablauf die Bizepssehne bei diesem Vorgang am meisten belastet gewesen ist. Der Senat geht deshalb bei wertender Betrachtung davon aus, dass das willentlich ausgeführte Umgreifen an der Traglast mit keiner höheren Zugbelastung der Supraspinatussehne einhergegangen ist wie sie auch beim Transport von Lasten im täglichen Leben entsteht, zum Beispiel beim Heben und Tragen von Einkäufen, Getränkekisten etc.. Für den Senat überzeugend hat Dr. A. darauf hingewiesen, dass das von Dr. B. unter Bezugnahme auf die unfallmedizinische Literatur genannte Beispiel einer schädigenden Zugbelastung durch das ungeplante Auffangen eines schweren fallenden oder stürzenden Gegenstandes nicht mit dem geplanten, wenn auch reflektorischen Nachgreifen an einer bereits getragenen Last vergleichbar ist, wobei in den Beispielsfällen aus der Literatur auch andere Kräfte zur Wirkung kommen. Wenn daher die Zugbelastung zur Läsion der Supraspinatussehne geführt haben sollte, wäre auch dies als Gelegenheitsursache beurteilen.
76 
Damit kann der Senat auch dahinstehen lassen, ob die 10 Tage nach dem Unfall diagnostizierte Teilruptur der Supraspinatussehne durch das Ereignis hervorgerufen oder bereits vorbestanden hat oder auch die vorbestehende Teilruptur hierdurch lediglich erweitert wurde. Für letzteres spräche die in der Kernspintomografie gesicherte frische Einblutung, die sich aber auch nach dem Unfallereignis hätte entwickeln können. Allein wesentliche Ursache ist aber für alle Sachverhaltsvarianten der unfallvorbestehende degenerative Zustand der Supraspinatussehne, der durch das Unfallereignis lediglich manifest wurde.
77 
Der Senat hat aufgrund der überzeugenden Gutachten von Dr. K. und Dr. A. keine Veranlassung zu weiteren medizinischen Ermittlungen gesehen, da deren Würdigung des Sachverhalts die vom Senat festgestellten - entscheidungserheblichen - Tatumstände mit umfasst. Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag des Klägers ist nicht zu entnehmen, weshalb bei der vom Senat festgestellten Ausgangslage, die auch der Beweisantrag zu Grunde legt, die vom Sozialgericht eingeholten Gutachten keine verwertbaren medizinischen Erkenntnisse vermitteln. Der hilfsweise nach § 109 SGG beantragten weiteren Beweisaufnahme hat der Senat nicht stattgegeben, denn es sind bereits die Gutachten von Dr. K. und Dr. A. auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eingeholt worden. Das Antragsrecht ist damit verbraucht. Gründe, die eine grundsätzlich nicht gebotene wiederholende Begutachtung nach § 109 SGG (vgl. Keller in Meyer-Ladewig a.a.O. § 109 RdNr. 10b) rechtfertigen, sind, wie dargelegt, nicht überzeugend vorgetragen. Zudem ist mit richterlicher Verfügung vom 28.12.2007 mitgeteilt worden, dass keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen erfolgen. Der mehr als zwei Monate danach in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag nach § 109 SGG ist daher nach Ablauf einer angemessenen Überlegungsfrist von einem Monat (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. stellvertretend Urteil vom 17.09.2007 - L 1 U 733/07 - unveröffentlicht; Keller a.a.O. RdNr. 11) verspätet. Dies beinhaltet, dass der aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebrachte Antrag den Rechtstreit verzögert hätte und der Senat auch im Rahmen seines Ermessens nach § 109 Abs. 2 SGG den Antrag abgelehnt hätte.
78 
Die Berufung des Klägers ist auch insoweit unbegründet, als er Verletztenrente begehrt.
79 
Ein Anspruch auf Verletztenrenten aus Anlass des Unfalls vom 15.10.2003 besteht nicht. Die bestandskräftig als Unfallfolge festgestellte Prellung ist nach Tagen bzw. Wochen folgenlos ausgeheilt gewesen. Fortbestehende Gesundheitsstörungen einer Prellung sind insofern von keinem Arzt diagnostiziert worden.
80 
Die Berufung der Beklagte auf Abänderung des Urteils, soweit sie zur Feststellung eines Zustands nach Schulterdistorsion links als Unfallfolge verurteilt worden ist, ist dagegen begründet. Eine unfallbedingte, durch eine Schulterdistorsion (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, online: Verstauchung, Zerrung; häufig durch indirekte Gewalteinwirkung, z. B. Supinationstrauma des Fußes, Verdrehung des Kniegelenks, Stauchung der Hand, entstehende Mikro- bis Makroläsionen im Bandapparat) verursachte Gesundheitsstörung ist nach den obigen Ausführungen nicht zu begründen. Zur Feststellung eines unfallbedingten Zustandes nach Distorsion, der auch nicht näher konkretisiert wird, konnte die Beklagte daher auch nicht verurteilt werden. Im Übrigen sind die Urteilsbegründung und der Urteilsausspruch nicht miteinander zu vereinbaren, da das Sozialgericht unter Berufung auf die Beurteilung von Dr. K. nur von einem Zusammenprall der linken Schulter des Klägers mit dem Türrahmen ausgegangen ist - insoweit ist eine Prellung als Unfallfolge bereits bestandskräftig festgestellt - und das Sozialgericht ausdrücklich eine Zugbelastung der Schulter verneint hat.
81 
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Feststellung des Innenmeniskusrisses rechts als Folge des Unfalls vom 23.12.2004 wendet.
82 
Sowohl nach Dr. B. wie auch nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. A. ist das vom Kläger geschilderte Ereignis des Ausrutschens geeignet, eine Meniskusverletzung hervorzurufen. Dies überzeugt den Senat jedoch nicht.
83 
Zwar hat der Kläger über den genauen Unfallablauf außer dem Umstand, dass er sich nach der rechten Seite während des Sturzes verdreht hat, keine genauen Angaben gemacht, auch nicht bei seiner Anhörung durch den Berichterstatter im Erörterungstermin am 02.10.2007. Er hat aber durchgehend geschildert, auf glattem Boden ausgerutscht und mit Körperschwung gestürzt zu sein. Dr. A. und Dr. B. haben für den Senat überzeugend unter Hinweis auf die unfallmedizinische Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. S. 692) ausgeführt, dass beim Stolpern und Ausrutschen die plötzliche Streckung des gebeugten und rotierten Unterschenkels zur Verletzung des Meniskus führen kann. Wenn Dr. B. aber offensichtlich meint, dass bei diesem Unfallmechanismus eine erforderliche Fixierung des Unterschenkels oder des Fußes zur plötzlichen Unterbrechung der physiologischen Schlussrotation des Kniegelenks (vgl. Schönberger u. a., a. a. O.) verzichtbar ist, die aber Dr. K. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 17.05.2005 zutreffend fordert, kann dem nicht gefolgt werden. Dr. A. hat im Einklang mit der unfallmedizinischen Literatur und daher für den Senat überzeugend für seine Beurteilung die Angabe des Klägers, sein Fuß sei fixiert gewesen, allerdings ungeprüft, zugrunde gelegt. Wie und durch was der Fuß am Boden fixiert gewesen sein soll, ist dem Gutachten nicht zu entnehmen.
84 
Der Kläger hat bei seiner Anhörung durch den Berichterstatter keine Umstände dargelegt, die unmittelbar eine Fixierung der rechten unteren Extremität in diesem Sinne ergeben haben. Er hat ausdrücklich eine unebene Bodenbeschaffenheit, in der sich der Fuß hätte verfangen können, verneint. Ein Verdrehen des rechten Fußes durch den Körperschwung beim Sturz, sodass der Standfuß der Bewegung nicht hätte folgen können bzw. ein Verdrehtrauma durch Aufprall auf dem Boden und Weiterdrehung des Rumpfes als denkbare Möglichkeiten hat der Kläger nicht geschildert; er hat nicht mehr angeben können, ob die Schmerzen im Knie während des Sturzes oder erst nach dem Sturz aufgetreten sind und wie der Sturz im Einzelnen abgelaufen ist.
85 
Dr. A. hat seine Zusammenhangsbeurteilung auch darauf gestützt, dass bereits nach dem Sturz erhebliche Schmerzen, die auf einen unmittelbar eingetretenen Meniskusriss hindeuten, aufgetreten seien. Dem steht gegenüber, dass der Kläger in seinem Schreiben vom 25.03.2005 angegeben hat, vorerst nur leichte Schmerzen gehabt zu haben, die bis zum Arztbesuch am 13.01.2005 zugenommen hätten. Wenn dagegen tatsächlich am Donnerstag, den 23.12.2004, erhebliche Schmerzen aufgetreten sind, ist es nicht verständlich, dass der Kläger nicht bereits in den verbleibenden Werktagen bis zu den Weihnachtsfeiertagen einen Arzt aufgesucht hat, sondern seit dem Unfall ca. drei Wochen sogar über die Feiertage hinaus hat verstreichen lassen.
86 
Einen Meniskusriss, zwar als Verdachtsdiagnose, hat Dr. B. erst am 13.01.2005 diagnostiziert, der dann durch die Kernspintomografie am 17.01.2005 von Dr. H. bestätigt worden ist. Hierbei zeigten sich aber Seitenbänder und Außenbandapparatur unauffällig, lediglich die von Dr. B. bereits diagnostizierte Distorsion des Innenbandes wurde zusätzlich bestätigt. Nach Dr. A. ergab aber die histologische Aufarbeitung des anlässlich der Arthroskopie am 01.06.2005 entnommenen Gewebes fortgeschrittene degenerative Veränderungen, wobei eine Einblutung in das entfernte Gewebe nicht nachgewiesen werden konnte. Ob dies darauf beruht, dass keine substanzielle traumatische Schädigung vorgelegen hat oder eine solche auf Grund des Zeitablaufs bereits weitgehend mit Abbau der Blutablagerungen verheilt war, ist nicht festzustellen. Danach spricht für einen traumatisch bedingten Meniskusriss lediglich das Indiz einer Innenbanddehnung.
87 
Da aber eine bereits fortgeschrittene Degeneration des Kniebinnengelenkes mit Knorpelschädigung dem Operationsbericht vom 01.06.2006 zu entnehmen ist und außer der Innenbanddehnung keine Hinweise auf ein geeignetes Kniebinnengelenkstrauma vorliegen, insbesondere keine adäquate Beschwerdesymptomatik am Unfalltag, ist der Senat nicht vom Vorliegen eines unfallbedingten Innenmeniskusrisses überzeugt. Vielmehr sprechen die genannten Umstände mehr gegen als für einen unfallbedingten Zusammenhang.
88 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
89 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
51 
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten sind zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
52 
Entgegen der von der Beklagten gewählten Bezeichnung einer Anschlussberufung (§ 202 SGG i. V. m. § 524 Zivilprozessordnung) hat die Beklagte eine selbstständige Berufung erhoben. Damit ist die Beklagte auch nicht gehindert, ihren Berufungsantrag über den auf den Unfall vom 15.10.2003 begrenzten Berufungsantrag des Klägers hinaus auch auf den Unfall vom 23.12.2004 zu erstrecken.
53 
Die gewählte Bezeichnung ist nicht zwingend ausschlaggebend für das gewählte Rechtsmittel (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 8. Aufl., § 143 Rdnr. 5), zumal nach der ZPO früher zwischen selbstständiger und unselbstständiger Anschlussberufung unterschieden worden ist. Es ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob eine unselbstständige Anschlussberufung oder eine selbstständige Berufung gewollt ist (vgl. Meyer-Ladewig a. a. O.). Die Beklagte hat im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter erläutert, keine unselbstständige Berufungseinlegung beabsichtigt zu haben. Dies deckt sich mit dem Umstand, dass die Berufung der Beklagten innerhalb der mit Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 11.05.2007 beginnenden Berufungsfrist am 08.06.2007 und damit fristgerecht eingelegt worden ist. Die Notwendigkeit nur eine unselbstständige Anschlussberufung zu verfolgen, die auch noch nach Ablauf der für den Beteiligten geltenden Rechtsbehelfsfrist erhoben werden kann, bestand daher nicht.
54 
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Berufung der Beklagten ist dagegen begründet. Das Urteil des Sozialgerichts war daher insoweit abzuändern, als es die Beklagte zur Feststellung von Unfallfolgen der Unfälle vom 15.10.2003 und 23.12.2004 verpflichtet.
55 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abänderung des bestandskräftigen Bescheides vom 05.02. 2004 und des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2004 nach § 44 SGB X.
56 
Der Anspruch auf Anerkennung von Unfallfolgen ist im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X als Feststellungsklage geltend zu machen. Richtige Klageart zur Erreichung dieses angestrebten Ziels ist insoweit die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 iVm § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, bedarf es in einem Gerichtsverfahren zur Überprüfung eines Verwaltungsakts nach § 44 SGB X nicht. Dass ein Verwaltungsakt nach Eintritt der Bindungswirkung nicht mehr vor Gericht angefochten, sondern nur noch im Zugunstenverfahren zurückgenommen werden kann und dass hierüber nach § 44 Abs 3 SGB X die zuständige Verwaltungsbehörde entscheidet, rechtfertigt nicht den Schluss, dass auch im Prozess über die Ablehnung des Zugunstenantrags die Rücknahmeentscheidung nicht vom Gericht ersetzt werden kann. Wäre es anders, käme eine mit dem Verpflichtungsantrag verbundene Leistungsklage - die auch von der Gegenmeinung (vgl. u. a. SozR 3-1300 § 44 Nr 8 S 19; SozR 3-4100 § 249e Nr 7 S 52; SozR 3-3100 § 30 Nr 18 S 43; Steinwedel in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: 2006, § 44 SGB X RdNr. 16; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 54 RdNr. 20c) für zulässig gehalten wird - aus systematischen Gründen nicht in Betracht. Denn die Verwaltungsbehörde kann nicht zur Leistung verurteilt werden, ehe der entgegenstehende bestandskräftige (Ausgangs-)Bescheid beseitigt ist und solange nur die Behörde verpflichtet ist, ihn zurückzunehmen. Richtigerweise kann deshalb mit der Anfechtungsklage gegen den eine Zugunstenentscheidung ablehnenden Bescheid zugleich die Aufhebung des früheren, dem Klageanspruch entgegenstehenden (Ausgangs-)Bescheides unmittelbar durch das Gericht verlangt werden (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
57 
Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
58 
Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen. Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr 15; BSG SozR 2200 § 1268 Nr 29). Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss die Behörde in eine erneuten Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr 15; BSG SozR 3-2600 § 243 Nr 8 S 27 f; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 23 S 119 f;).
59 
Soweit die Entscheidungen des 9. und des 4. Senats des BSG (BSG vom 3. Februar 1988 - 9/9a RV 18/86 - BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 33 und BSG vom 3. April 2004 - B 4 RA 22/00 R - BSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20), die in Anlehnung an die gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahren (vgl §§ 578 ff der Zivilprozessordnung) oder an § 51 VwVfG ein abgestuftes Prüfungsverfahren (Vorlage neuer Tatsachen oder Erkenntnisse - Prüfung derselben, insbesondere ob sie erheblich sind - Prüfung, ob Rücknahme zu erfolgen hat - neue Entscheidung) fordern, folgt nichts Anderes. Unabhängig von der Frage, inwieweit der aufgezeigten Rechtsprechung zu einem abgestuften Prüfungsverfahren gefolgt werden kann, ist zu berücksichtigen, dass § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X zwei Alternativen anführt, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen sein kann: Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel und ein abgestuftes Verfahren, wie oben dargestellt, ankommen. Bei der ersten Alternative handelt es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss (vergleiche zum Vorstehenden insgesamt BSG Urt. v. 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
60 
Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger sich nicht auf die Behauptung neuer Tatsachen beschränkt. Er hat eine umfassende Überprüfung beantragt und neue Beweismittel durch die ärztlich-gutachterlichen Äußerungen von Dr. B. vorgelegt. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann eine Ablehnung des Antrags nach § 44 SGB X daher nicht auf das Fehlen der genannten formalen Voraussetzungen, dem Vorbringen eines unrichtigen oder neuen Sachverhalts, gestützt werden. Die inhaltliche Überprüfung ergibt aber keine fehlerhafte Rechtsanwendung oder die Annahme eines unrichtigen Sachverhalts hinsichtlich des Unfalls vom 15.10.2003.
61 
Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist neben dem inneren bzw. sachlichen Zusammenhang der Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls mit der versicherten Tätigkeit erforderlich, dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R).
62 
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff mwN sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.
63 
Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11, 19ff m.w.N.) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl. BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm - hier des § 56 SGB VII - zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.; SozR 2200 § 589 Nr. 96).
64 
Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76). Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (BSG SozR Nr. 69 zu § 542 aF RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; vgl. Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2006, § 8 RdNr. 314, Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Kap 1.3.6.1, S 80 f). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (BSGE 12, 242, 245 = SozR Nr 27 zu § 542 RVO; BSG SozR Nr 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr 10; BSG SozR 2200 § 548 Nr 75; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15 jeweils RdNr 11). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr 10; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15 jeweils RdNr 11; ähnlich Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO). Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen oder besonderen Problemen in der anschließenden Heilbehandlung, ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne weiteres zu unterstellen ist (vgl. insgesamt zum Vorstehenden BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R).
65 
Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (stRspr BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr 15 zu § 1263 aF RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. mH auf BSG SozR Nr. 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 aF RVO; BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO, Kap 1.8.2, S. 119 f; Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 128 RdNr. 3c). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 mwN).
66 
Nach diesen Grundsätzen ist zur Überzeugung des Senats die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und der diagnostizierten subtotalen Ruptur der Supraspinatussehne nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit belegt. Der wesentliche Zusammenhang kann nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden.
67 
Der Senat geht davon aus, dass der Kläger am 15.10.2003 mit beiden Händen und gestreckten Armen zusammen mit einem Kollegen eine 60 Kilogramm schwere, 80 cm breite und 175 Zentimeter lange Messetheke trug. Beim Durchqueren eines Durchgangs rutschte ihm als Vordermann beim Rückwärtsgehen die Theke aus der linken Hand. Beim Nachfassen mit der linken Hand war der Kläger durch das Gewicht der Theke an den Türrahmen gedrückt worden und hatte sich die linke Schulter angeschlagen. Dies ergibt sich aus den Angaben des Klägers im Erörterungstermin am 02.10.2007 und deckt sich weitgehend mit den Erstangaben, die der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 01.12.2004 zum Antrag nach § 44 SGB X hat vortragen lassen. Einen erheblichen Impuls für eine Zugbelastung der Sehne, wie dies Dr. B. in mehreren Sachverhaltsvarianten - einmal beim Vorwärtsgehen und einmal beim Rückwärtsgehen des Klägers - mit dem unerwarteten Loslassen der Theke durch den Kollegen und deren Aufprall auf dem Boden angenommen hat, kann der Senat daher nicht feststellen.
68 
Dieser Unfallhergang war nicht wesentlich kausal für den Eintritt einer Rotatorenmanschettenruptur, was der Senat den nachvollziehbaren Äußerungen der Sachverständigen Dr. K. und Dr. A. entnimmt.
69 
Aus den erhobenen medizinischen Befunden ist zur Überzeugung des Senats eine erhebliche Vorschädigung der Supraspinatussehne abzuleiten. Eine für die Zusammenhangsbeurteilung relevante Vorerkrankung des vom Unfall betroffenen Organs (Rotatorenmanschette) kann auch durch medizinische Befunde über andere, im physiologischen Zusammenhang stehende Organstrukturen und durch die nachgewiesene Intensität der unfallbedingten Einwirkung bewiesen werden.
70 
Ein Befund über den Zustand der Rotatorenmanschette bzw. der Supraspinatussehne vor dem Unfallereignis liegt nicht vor. Nach Dr. A. und Dr. K. ergeben sich aber aus der 10 Tage nach dem Unfall gefertigten Kernspintomografie des linken Schultergelenks eine angeborene Fehlform der Schulterhöhe sowie eine Spornbildung (Osteophyten) des Schultereckgelenks, die zusammen eine Einengung des Subacromialraums bedingen. Nach medizinischer Erfahrung führt dies zu einer degenerativen substanziellen Verdünnung der in diesem Raum verlaufenden Supraspinatussehne. Entgegen Dr. B. ist die vom Durchgangsarzt gefertigte Röntgenaufnahme, aus der sich nach Beurteilung des Durchgangsarztes Dr. M. nur diskrete Unregelmäßigkeiten des Gelenkes ergeben, kein überzeugender Beleg für unauffällige Gelenksverhältnisse. Die im November 2003 vom Klinikum V.-S. durchgeführte Sonografie der linken Schulter ergab in Übereinstimmung mit dem Befund aus der Kernspintomografie vielmehr eine erhebliche AC-Gelenkarthrose (Arztbrief von Dr. T. vom 19.11.2003), woraus Dr. A. sogar geschlossen hat, dass die Ruptur zum Zeitpunkt des Unfalls bereits bestanden hatte. Aus dem vom Durchgangsarzt Dr. M. erhobenen Erstbefund ergibt sich keine typische Symptomatik einer Supraspinatussehnenruptur, weshalb er auch eine solche Diagnose in seinem DAB vom 16.10.2003 nicht gestellt hatte. Es bestand kein Druckschmerz über der Rotatorenmanschette. Die Beweglichkeit des linken Arms im Schultergelenk war nicht auffallend eingeschränkt, der Schürzen- und Nackengriff war, wenn auch schmerzhaft, demonstrierbar. Ein typischer schmerzhafter Bogen wurde nicht beschrieben, insbesondere der beim unfallbedingten plötzlichen Kontinuitätsverlust typische Fallarm ist nicht dokumentiert (DAB vom 16.10.2003). Entweder bestand zu diesem Zeitpunkt kein Riss oder eine eingerissene Sehne verursachte keine Beschwerden. Für einen dann allenfalls vorbestehenden Riss könnte sprechen, dass eine mögliche Kompensation der nachlassenden Funktionalität der Supraspinatussehne durch andere Strukturen der Rotatorenmanschette, wie sie bei allmählicher degenerativer Entwicklung bis zur Teilruptur auftritt, den verletzungsuntypischen Befund erklären kann.
71 
Aus den in Betracht kommenden konkreten Einwirkungen eines Anpralls oder einer Zerrung ist der Rückschluss auf eine erheblich vorgeschädigte und eine durch jedes andere belastende Alltagsereignis ebenso leicht für Verletzungen ansprechbare Supraspinatussehne zu ziehen.
72 
In Übereinstimmung mit der unfallmedizinischen Literatur sind Dr. K. und Dr. A. davon ausgegangen, dass eine Prellung der Schulter durch den knöchernen Schutz der Schulterhöhe und des Muskelmantels grundsätzlich nicht geeignet ist, eine - gesunde - Supraspinatussehne zu zerreißen. Dr. A. hält hierbei die naturwissenschaftlich-philosophische Kausalität bereits für nicht für gegeben. Selbst wenn gleichwohl eine Kausalität im physikalischen Sinne bestünde und damit noch nicht ausgeschlossen wäre, dass durch eine erhebliche Prellung eine zwar degenerativ veränderte, aber Alltagbelastungen noch gewachsene Sehne durch die dadurch hervorgerufenen pathomechanischen Vorgänge Schaden nimmt, ist die nachgewiesene Mechanik der Prellung, die der Kläger am Unfalltag erlitten hat, bei einer vergleichenden Betrachtung nicht mit einer solchen Intensität einhergegangen, dass sie eine alltägliche Belastung überschritten hätte.
73 
Von einer Prellung mit allenfalls Alltagbelastungen gleichkommender Auswirkung sind die Sachverständigen Dr. K. und Dr. A. ausgegangen. Selbst Dr. B. hat den vom Kläger geschilderten Vorgang zum Anprall der Schulter als ungeeignet für die Verursachung der diagnostizierten Ruptur beurteilt. Der Kläger ist durch die Gewichtsverlagerung der ins Rutschen gekommenen Theke ohne zu stürzen und aufrecht stehend gegen den Türrahmen gestoßen. Die Theke ist dabei nicht zu Boden gestürzt. Der Anstoß am Türrahmen hat nach dem DAB vom 16.10.2003 kein Hämatom verursacht. Die Aufprallenergie ist bei der nur kurzen, denkbar möglichen Strecke, die vom Zeitpunkt des Verlusts des Gleichgewichts bis zum Anprall der Schulter am Türrahmen hat zurückgelegt werden können, daher nur sehr niedrig gewesen. Dr. K. hat hieraus gefolgert, dass die auf die Supraspinatussehne einwirkende Kraft, die zudem durch die Kraftrichtung nicht zu einer Zugbelastung der Sehne führte, nicht größer war als die entstehenden Belastungen, wie sie im Alltag beim Tragen von (zu ergänzen: normal schweren) Lasten oder auch bei Überkopfarbeiten (zu ergänzen: ohne besondere Gewichtsbelastung) auftreten. Dies ist für den Senat überzeugend, denn der vom Kläger zuletzt im Erörterungstermin geschilderte Vorgang entspricht durchaus vergleichbaren Alltagsituationen mit folgenlosem Anstoßen der Schulter wie es z. B. auf Veranstaltungen im Gedränge einer Menschenmenge (Volksfesten) oder in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln vorkommen kann.
74 
Von einer erheblichen Mitursächlichkeit im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne der Zerrung ist der Senat bereits deshalb nicht überzeugt, weil der Kläger in seinen ersten Angaben das Auftreten von Schulterschmerzen ganz konkret mit dem Anprall an den Türrahmen in Verbindung gebracht hat und den Bewegungsvorgang beim Nachgreifen der rutschenden Last nur als Auslöser für den Verlust des Gleichgewichts, aber nicht als Ursache der Schulterschmerzen angegeben hat. (Antragsschrift des Klägerbevollmächtigten vom 01.12.2004; Angaben des Klägers bei der Untersuchung durch Dr. K. am 25.08.2005). Unabhängig davon ist aber auch auf der zweiten Ebene der Kausalitätsprüfung eine wesentliche Mitursächlichkeit der Zerrung zu verneinen.
75 
Entgegen den Ausführungen von Dr. B. ist mit den Sachverständigen Dr. K. und Dr. A. auch eine wesentlich ursächliche Unfallmechanik durch eine Zerrung nicht festzustellen. Die Ausführungen von Dr. B. sind bereits deshalb nicht überzeugend, weil er seinen Überlegungen fälschlich zugrunde gelegt hatte, dass der Kollege des Klägers die Messetheke unerwartet hat zu Boden fallen lassen. Zwar sind Dr. K. und Dr. A. von einem vergleichbaren Geschehensablauf ausgegangen, doch haben sie überzeugend ausgeführt, dass das vom Kläger anlässlich ihrer Untersuchung geschilderte bloße Nachfassen infolge der wegkippenden Theke keine ausreichende Zugbelastung für die Supraspinatussehne darstellt. Entgegen Dr. B. haben die beiden Ärzte dem Aufschlagen der Theke auf dem Boden oder dem dadurch verursachten abrupten Abbremsen des Klägers keine Verstärkung des auf die Sehne einwirkenden Impulses beigemessen. Vielmehr hat Dr. K. für den Senat überzeugend dargelegt, dass sich das Gewicht der Theke von 60 Kilogramm bei zwei Trägern nicht nur hälftig verteilt, sondern die den Kläger treffende Belastung auch noch über die zwei Hände verteilt ist und das Nachgreifen an der verrutschenden Theke auf Grund der Masseträgheit auch nicht eine sofortige Gewichtsverlagerung allein auf die linke Seite bedingt. Diese Ausführungen gelten umso mehr, da der Kläger das Loslassen der Theke durch den Kollegen verneint hat, dieser somit weiter einen Teil der Last getragen hat. Zudem ist die plötzliche Zugbelastung der Supraspinatussehne durch das Nachfassen nicht erheblich gewesen, denn anatomisch war nach Dr. A. die Supraspinatussehne hieran nicht ausschließlich beteiligt, sondern größtenteils ist die einwirkende Kraft durch andere Strukturen wie Gelenkkapsel, andere Sehnen und gelenkumhüllende Muskulatur resorbiert worden. Diesbezüglich hat auch Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 19.11.2006 ausgeführt, dass im physiologischen Ablauf die Bizepssehne bei diesem Vorgang am meisten belastet gewesen ist. Der Senat geht deshalb bei wertender Betrachtung davon aus, dass das willentlich ausgeführte Umgreifen an der Traglast mit keiner höheren Zugbelastung der Supraspinatussehne einhergegangen ist wie sie auch beim Transport von Lasten im täglichen Leben entsteht, zum Beispiel beim Heben und Tragen von Einkäufen, Getränkekisten etc.. Für den Senat überzeugend hat Dr. A. darauf hingewiesen, dass das von Dr. B. unter Bezugnahme auf die unfallmedizinische Literatur genannte Beispiel einer schädigenden Zugbelastung durch das ungeplante Auffangen eines schweren fallenden oder stürzenden Gegenstandes nicht mit dem geplanten, wenn auch reflektorischen Nachgreifen an einer bereits getragenen Last vergleichbar ist, wobei in den Beispielsfällen aus der Literatur auch andere Kräfte zur Wirkung kommen. Wenn daher die Zugbelastung zur Läsion der Supraspinatussehne geführt haben sollte, wäre auch dies als Gelegenheitsursache beurteilen.
76 
Damit kann der Senat auch dahinstehen lassen, ob die 10 Tage nach dem Unfall diagnostizierte Teilruptur der Supraspinatussehne durch das Ereignis hervorgerufen oder bereits vorbestanden hat oder auch die vorbestehende Teilruptur hierdurch lediglich erweitert wurde. Für letzteres spräche die in der Kernspintomografie gesicherte frische Einblutung, die sich aber auch nach dem Unfallereignis hätte entwickeln können. Allein wesentliche Ursache ist aber für alle Sachverhaltsvarianten der unfallvorbestehende degenerative Zustand der Supraspinatussehne, der durch das Unfallereignis lediglich manifest wurde.
77 
Der Senat hat aufgrund der überzeugenden Gutachten von Dr. K. und Dr. A. keine Veranlassung zu weiteren medizinischen Ermittlungen gesehen, da deren Würdigung des Sachverhalts die vom Senat festgestellten - entscheidungserheblichen - Tatumstände mit umfasst. Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag des Klägers ist nicht zu entnehmen, weshalb bei der vom Senat festgestellten Ausgangslage, die auch der Beweisantrag zu Grunde legt, die vom Sozialgericht eingeholten Gutachten keine verwertbaren medizinischen Erkenntnisse vermitteln. Der hilfsweise nach § 109 SGG beantragten weiteren Beweisaufnahme hat der Senat nicht stattgegeben, denn es sind bereits die Gutachten von Dr. K. und Dr. A. auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eingeholt worden. Das Antragsrecht ist damit verbraucht. Gründe, die eine grundsätzlich nicht gebotene wiederholende Begutachtung nach § 109 SGG (vgl. Keller in Meyer-Ladewig a.a.O. § 109 RdNr. 10b) rechtfertigen, sind, wie dargelegt, nicht überzeugend vorgetragen. Zudem ist mit richterlicher Verfügung vom 28.12.2007 mitgeteilt worden, dass keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen erfolgen. Der mehr als zwei Monate danach in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag nach § 109 SGG ist daher nach Ablauf einer angemessenen Überlegungsfrist von einem Monat (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. stellvertretend Urteil vom 17.09.2007 - L 1 U 733/07 - unveröffentlicht; Keller a.a.O. RdNr. 11) verspätet. Dies beinhaltet, dass der aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebrachte Antrag den Rechtstreit verzögert hätte und der Senat auch im Rahmen seines Ermessens nach § 109 Abs. 2 SGG den Antrag abgelehnt hätte.
78 
Die Berufung des Klägers ist auch insoweit unbegründet, als er Verletztenrente begehrt.
79 
Ein Anspruch auf Verletztenrenten aus Anlass des Unfalls vom 15.10.2003 besteht nicht. Die bestandskräftig als Unfallfolge festgestellte Prellung ist nach Tagen bzw. Wochen folgenlos ausgeheilt gewesen. Fortbestehende Gesundheitsstörungen einer Prellung sind insofern von keinem Arzt diagnostiziert worden.
80 
Die Berufung der Beklagte auf Abänderung des Urteils, soweit sie zur Feststellung eines Zustands nach Schulterdistorsion links als Unfallfolge verurteilt worden ist, ist dagegen begründet. Eine unfallbedingte, durch eine Schulterdistorsion (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, online: Verstauchung, Zerrung; häufig durch indirekte Gewalteinwirkung, z. B. Supinationstrauma des Fußes, Verdrehung des Kniegelenks, Stauchung der Hand, entstehende Mikro- bis Makroläsionen im Bandapparat) verursachte Gesundheitsstörung ist nach den obigen Ausführungen nicht zu begründen. Zur Feststellung eines unfallbedingten Zustandes nach Distorsion, der auch nicht näher konkretisiert wird, konnte die Beklagte daher auch nicht verurteilt werden. Im Übrigen sind die Urteilsbegründung und der Urteilsausspruch nicht miteinander zu vereinbaren, da das Sozialgericht unter Berufung auf die Beurteilung von Dr. K. nur von einem Zusammenprall der linken Schulter des Klägers mit dem Türrahmen ausgegangen ist - insoweit ist eine Prellung als Unfallfolge bereits bestandskräftig festgestellt - und das Sozialgericht ausdrücklich eine Zugbelastung der Schulter verneint hat.
81 
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Feststellung des Innenmeniskusrisses rechts als Folge des Unfalls vom 23.12.2004 wendet.
82 
Sowohl nach Dr. B. wie auch nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. A. ist das vom Kläger geschilderte Ereignis des Ausrutschens geeignet, eine Meniskusverletzung hervorzurufen. Dies überzeugt den Senat jedoch nicht.
83 
Zwar hat der Kläger über den genauen Unfallablauf außer dem Umstand, dass er sich nach der rechten Seite während des Sturzes verdreht hat, keine genauen Angaben gemacht, auch nicht bei seiner Anhörung durch den Berichterstatter im Erörterungstermin am 02.10.2007. Er hat aber durchgehend geschildert, auf glattem Boden ausgerutscht und mit Körperschwung gestürzt zu sein. Dr. A. und Dr. B. haben für den Senat überzeugend unter Hinweis auf die unfallmedizinische Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. S. 692) ausgeführt, dass beim Stolpern und Ausrutschen die plötzliche Streckung des gebeugten und rotierten Unterschenkels zur Verletzung des Meniskus führen kann. Wenn Dr. B. aber offensichtlich meint, dass bei diesem Unfallmechanismus eine erforderliche Fixierung des Unterschenkels oder des Fußes zur plötzlichen Unterbrechung der physiologischen Schlussrotation des Kniegelenks (vgl. Schönberger u. a., a. a. O.) verzichtbar ist, die aber Dr. K. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 17.05.2005 zutreffend fordert, kann dem nicht gefolgt werden. Dr. A. hat im Einklang mit der unfallmedizinischen Literatur und daher für den Senat überzeugend für seine Beurteilung die Angabe des Klägers, sein Fuß sei fixiert gewesen, allerdings ungeprüft, zugrunde gelegt. Wie und durch was der Fuß am Boden fixiert gewesen sein soll, ist dem Gutachten nicht zu entnehmen.
84 
Der Kläger hat bei seiner Anhörung durch den Berichterstatter keine Umstände dargelegt, die unmittelbar eine Fixierung der rechten unteren Extremität in diesem Sinne ergeben haben. Er hat ausdrücklich eine unebene Bodenbeschaffenheit, in der sich der Fuß hätte verfangen können, verneint. Ein Verdrehen des rechten Fußes durch den Körperschwung beim Sturz, sodass der Standfuß der Bewegung nicht hätte folgen können bzw. ein Verdrehtrauma durch Aufprall auf dem Boden und Weiterdrehung des Rumpfes als denkbare Möglichkeiten hat der Kläger nicht geschildert; er hat nicht mehr angeben können, ob die Schmerzen im Knie während des Sturzes oder erst nach dem Sturz aufgetreten sind und wie der Sturz im Einzelnen abgelaufen ist.
85 
Dr. A. hat seine Zusammenhangsbeurteilung auch darauf gestützt, dass bereits nach dem Sturz erhebliche Schmerzen, die auf einen unmittelbar eingetretenen Meniskusriss hindeuten, aufgetreten seien. Dem steht gegenüber, dass der Kläger in seinem Schreiben vom 25.03.2005 angegeben hat, vorerst nur leichte Schmerzen gehabt zu haben, die bis zum Arztbesuch am 13.01.2005 zugenommen hätten. Wenn dagegen tatsächlich am Donnerstag, den 23.12.2004, erhebliche Schmerzen aufgetreten sind, ist es nicht verständlich, dass der Kläger nicht bereits in den verbleibenden Werktagen bis zu den Weihnachtsfeiertagen einen Arzt aufgesucht hat, sondern seit dem Unfall ca. drei Wochen sogar über die Feiertage hinaus hat verstreichen lassen.
86 
Einen Meniskusriss, zwar als Verdachtsdiagnose, hat Dr. B. erst am 13.01.2005 diagnostiziert, der dann durch die Kernspintomografie am 17.01.2005 von Dr. H. bestätigt worden ist. Hierbei zeigten sich aber Seitenbänder und Außenbandapparatur unauffällig, lediglich die von Dr. B. bereits diagnostizierte Distorsion des Innenbandes wurde zusätzlich bestätigt. Nach Dr. A. ergab aber die histologische Aufarbeitung des anlässlich der Arthroskopie am 01.06.2005 entnommenen Gewebes fortgeschrittene degenerative Veränderungen, wobei eine Einblutung in das entfernte Gewebe nicht nachgewiesen werden konnte. Ob dies darauf beruht, dass keine substanzielle traumatische Schädigung vorgelegen hat oder eine solche auf Grund des Zeitablaufs bereits weitgehend mit Abbau der Blutablagerungen verheilt war, ist nicht festzustellen. Danach spricht für einen traumatisch bedingten Meniskusriss lediglich das Indiz einer Innenbanddehnung.
87 
Da aber eine bereits fortgeschrittene Degeneration des Kniebinnengelenkes mit Knorpelschädigung dem Operationsbericht vom 01.06.2006 zu entnehmen ist und außer der Innenbanddehnung keine Hinweise auf ein geeignetes Kniebinnengelenkstrauma vorliegen, insbesondere keine adäquate Beschwerdesymptomatik am Unfalltag, ist der Senat nicht vom Vorliegen eines unfallbedingten Innenmeniskusrisses überzeugt. Vielmehr sprechen die genannten Umstände mehr gegen als für einen unfallbedingten Zusammenhang.
88 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
89 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30. September 2009 und des Sozialgerichts Würzburg vom 19. Dezember 2007 insoweit geändert, dass der "Widerspruchsbescheid" der Beklagten vom 28. Juli 2006 aufgehoben wird.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob das Ereignis vom 10.8.1998 ein Arbeitsunfall war.

2

Die am 27.9.1978 geborene behinderte Klägerin nahm an einer von einer Tageseinrichtung des Vereins L. veranstalteten und organisierten Ferienfreizeit teil. Am 10.8.1998 sollte ein Grillabend stattfinden. Auf dem Weg zum Grillplatz stolperte die Klägerin und fiel zwei Stufen hinunter. Dabei erlitt sie einen Kreuzbandriss am rechten Knie.

3

Am 11.2.2005 richtete die Klägerin ein Schreiben an die Beklagte, mit dem sie um Auskunft und Überprüfung bat, ob das Ereignis vom 10.8.1998 dort bekannt sei. Die Beklagte teilte ihr daraufhin am 7.3.2005 mit, dass der Unfall nicht als Schul- bzw Tagesstättenunfall anerkannt worden und das Heilverfahren mit Schreiben vom 7.9.1998 abgebrochen worden sei. Die Klägerin sei zum Unfallzeitpunkt 19 Jahre alt und damit kein Kind iS von § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII gewesen.

4

Mit weiteren Schreiben an die Beklagte vom 15.4.2005 und 20.10.2005 erfragte die Klägerin den Sachstand und wies ua darauf hin, dass sie behindert sei, weshalb Schulpflicht für sie bis zum 21. Lebensjahr bestanden habe. Die Beklagte teilte der Klägerin am 22.6.2006 mit, dass sie das Schreiben der Klägerin vom 20.10.2005 als Widerspruch gegen das Schreiben vom 7.3.2005 werte. Sodann wies die Beklagte diesen "Widerspruch" mit Widerspruchsbescheid vom 28.7.2006 zurück.

5

Das SG Würzburg hat die Klage mit Urteil vom 19.12.2007 abgewiesen, das LSG hat mit Urteil vom 30.9.2009 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Ereignis vom 10.8.1998 habe keinen Arbeitsunfall dargestellt, denn die Verrichtung sei nicht in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erfolgt. Insbesondere sei die Klägerin mit 19 Jahren kein Kind iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII gewesen.

6

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 2 SGB VII. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Kind" in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII müsse die Systematik des Kinder- und Jugendhilferechts (SGB VIII) berücksichtigen, sodass eine feste Altersgrenze nicht angenommen werden könne. Sie habe die Schule und die Tageseinrichtung der L. besucht. Eingliederungshilfe für junge Volljährige sei "ohne weitere Altersbegrenzung" nach § 41 Abs 2 SGB VIII iVm § 35a SGB VIII auch in Tageseinrichtungen für Kinder vorgesehen. Für den Begriff des Kindes in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII sei auf den Stand der persönlichen und geistigen Entwicklung im konkreten Einzelfall abzustellen, weil der Besuch einer Tageseinrichtung auch für junge Erwachsene eine geeignete Hilfe darstelle. § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a bis c SGB VII spiegelten in ihren drei Stufen den gewöhnlichen Entwicklungsablauf eines jungen Menschen vom Kindergarten bis zur Universität wider. Wenn dieser gewöhnliche Entwicklungsablauf durch behinderungsbedingte Verzögerungen gestört sei, könne dies nicht dazu führen, dass behinderte Menschen nur wegen Überschreitens einer Altersgrenze aus dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung herausfielen.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30.9.2009 und das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 19.12.2007 sowie die Ablehnungsentscheidung im Bescheid der Beklagten vom 7.3.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28.7.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Unfall der Klägerin vom 10.8.1998 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Auf die zulässige Revision der Klägerin ist der von der Beklagten so bezeichnete "Widerspruchsbescheid" vom 28.7.2006 aufzuheben, weil ihr Schreiben vom 7.3.2005 kein Verwaltungsakt war und daher insoweit auch kein statthafter Widerspruch vorlag. Im Übrigen hatte die Revision keinen Erfolg, weil bereits die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der Klägerin nicht statthaft war.

10

1. Die Klägerin hat eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs 1 SGG auf Aufhebung der Bescheide und Verpflichtung der Beklagten, das Ereignis vom 10.8.1998 als Arbeitsunfall anzuerkennen, erhoben (zur Zulässigkeit dieses Begehrens vgl Urteil des Senats vom 27.4.2010 - B 2 U 23/09 R - RdNr 9; sowie BSG SozR 4-2700 § 2 Nr 3 RdNr 4; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 25 RdNr 8). Die Anfechtungsklage war jedoch nur statthaft, soweit sie auf die Aufhebung des "Widerspruchsbescheides" gerichtet war. Im Übrigen waren die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage nicht statthaft. Denn die Beklagte hat bisher keinen Verwaltungsakt erlassen, in dem die Feststellung eines Arbeitsunfalls abgelehnt worden wäre.

11

Die Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage setzt voraus, dass der Kläger vom Gericht die Aufhebung eines Verwaltungsakts iS des § 54 Abs 1 Satz 1 SGG begehrt, die der Verpflichtungsklage, dass er vom Gericht die Verurteilung der Beklagten zum Erlass eines Verwaltungsakts im Sinne dieser Vorschrift verlangt. Das Schreiben der Beklagten vom 7.3.2005 kann nach seinem Inhalt nicht als Verwaltungsakt iS des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 31 SGB X ausgelegt werden. Die Beklagte hat in diesem Schreiben lediglich auf die Sachstandsanfrage der Klägerin vom 11.2.2005 geantwortet, mit der diese Auskunft darüber erbeten hatte, ob der Beklagten der Vorgang aus dem Jahre 1998 bereits bekannt sei bzw ob dieser geprüft werde. Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin in dem Schreiben vom 7.3.2005 lediglich mit, ein Heilverfahren, das 1998 begonnen habe, sei zu ihren Lasten wieder abgebrochen und die Kosten der ärztlichen Behandlung seien von der AOK getragen worden. Die Beklagte hat auf das Informationsbegehren der Klägerin hin auch nicht das gemäß § 19 Satz 2 SGB IV von Amts wegen zu betreibende Verwaltungsverfahren aus dem Jahre 1998 wieder aufgegriffen bzw gemäß § 8 SGB X zu einem ordnungsgemäßen Abschluss gebracht. Vielmehr hat die Beklagte im Juni 2006 - also 15 Monate später - ihre eigene Mitteilung vom 7.3.2005 zum Verwaltungsakt erklärt und zugleich ein weiteres Schreiben der Klägerin aus dem Oktober 2005, in dem ua um "Überprüfung des Versicherungsschutzes" gebeten worden war, als "Widerspruch" betrachtet. Ein solches Vorgehen entspricht nicht den Vorgaben eines Verwaltungsverfahrens iS des § 8 SGB X und des SGB VII.

12

Das Schreiben der Beklagten vom 7.3.2005 ist auch kein "bloß formeller Verwaltungsakt", der zwar die Kriterien des § 31 SGB X nicht erfüllt und daher materiell-rechtlich kein Verwaltungsakt ist, der aber als Verwaltungsakt nur im prozessrechtlichen Sinn des § 54 Abs 1 Satz 1 SGG, aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes(Art 19 Abs 4 Satz 1 GG; Art 6 Abs 1 EMRK) gleichfalls mit der Anfechtungsklage angegriffen werden kann. Die Beklagte hat jedoch das formlose Schreiben weder als förmlichen "Bescheid" ausgestaltet noch auch nur eine Rechtsbehelfsbelehrung angefügt.

13

Die Beklagte durfte daher am 28.7.2006 keinen "Widerspruchsbescheid" erlassen, weil mit diesem nur über die Recht- und Zweckmäßigkeit eines ergangenen Verwaltungsakts hätte befunden werden dürfen. Ein solcher Verwaltungsakt lag aber nicht vor, demgemäß auch kein "Widerspruch" dagegen. Der "Widerspruchsbescheid" der Beklagten vom 28.7.2006 war daher aufzuheben. Im Übrigen konnte die Revision aber keinen Erfolg haben, weil die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, wie ausgeführt, mangels eines das Feststellungsbegehren ablehnenden Verwaltungsakts der Beklagten nicht statthaft waren.

14

2. Im Hinblick auf den Zeitablauf und die durch das verwaltungsverfahrensrechtlich problematische Vorgehen der Beklagten bedingte Verfahrensdauer sieht sich der Senat auch unter dem Gesichtspunkt des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Satz 1 GG) verpflichtet, sich in den folgenden nicht tragenden Entscheidungsgründen (obiter dicta) zum Kindbegriff iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII iS des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII zu äußern. "Kind" im Sinne dieser Vorschrift ist jede Person, die noch nicht 14 Jahre alt ist. Damit wird über die in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII beginnende Verweisung letztlich der Kindbegriff des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII maßgeblich.

15

Nach der zum 1.1.1997 in Kraft getretenen Fassung des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII sind versichert "Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen".

16

a) Das SGB VII selbst enthält keine gesetzliche Definition des Begriffs "Kind" und auch die übrigen Bücher des SGB (außer § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII) weisen keine, jedenfalls keine auf § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII übertragbare rechtliche Festlegung eines Kindbegriffs oder eines Höchstalters für Kinder auf. Der Bedeutungsgehalt des unfallversicherungsrechtlich hier gemeinten Begriffs "Kind" ist damit bereichsspezifisch nach dem Gesetzeskontext unter Berücksichtigung von Systematik, Gesetzeszweck und Historie zu bestimmen. Eine Abgrenzung nach einem Verwandtschaftsgrad (sog Kindschaftsverhältnis) enthält § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII nicht, denn es wird im Wortlaut keine Bezugsperson für eine Verwandtschaft genannt (zB Kind des Versicherten, Kind des Berechtigten).

17

b) Aus der Gesetzgebungsgeschichte (historischen Entwicklung) ergibt sich hingegen der gesetzliche Zweck des Kindbegriffs des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII und derjenige der darin ausgesprochenen Verweisung auf ua § 45 SGB VIII. Danach sollen als Kind nur Personen in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen sein, die als Kind iS von § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII erlaubnispflichtige Tageseinrichtungen für Kinder besuchen. Wie die Vorgängerregelung (vgl BT-Drucks 13/2204 S 74 zu § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO in der bis 31.12.1996 geltenden Fassung) enthält der Begriff des Kindes in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII eine Alterskomponente und grenzt den versicherten Personenkreis nach dem Lebensalter ab.

18

aa) Nach § 539 Abs 1 Nr 14 RVO in der ab 1.4.1971 bis 31.12.1996 geltenden Fassung (des Gesetzes über Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten vom 18.3.1971 - BGBl I 237 - im Folgenden: RVO) waren ua versichert a) Kinder während des Besuchs von Kindergärten, b) Schüler während des Besuchs allgemeinbildender Schulen. Der Versicherungsschutz für Kinder während des Besuchs von Kindergärten nach § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO bezog sich nur auf Einrichtungen, die vom durchschnittlichen Alter der Kinder her auf eine vorschulische Erziehung gerichtet waren, wie sie in der Regel drei- bis sechsjährige Kinder in Kindergärten erhalten(vgl hierzu BSG SozR 1500 § 150 Nr 9 = BSGE 44, 203 - 207; BSG SozR 2200 § 1511 Nr 1 = BSGE 47, 281 - 285; BSG vom 12.5.1981 - 2 RU 49/79 -). Die Ausweitung des Unfallversicherungsschutzes auf Kinder während des Besuchs von Kindergärten war mit der Begründung (s BT-Drucks VI/1333, S 7 zu § 1) erfolgt, dass Reform und Ausbau der vorschulischen Erziehung als erste Stufe des Bildungswesens eine vordringliche bildungspolitische Aufgabe seien. Deswegen fielen jedenfalls solche Einrichtungen nicht unter den Kindergartenbegriff des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO, die vom durchschnittlichen Alter der aufzunehmenden Kinder her keine vorschulische Erziehung bieten konnten(vgl BSG SozR § 105 Nr 9 = BSGE 44, 203 - 207 - JURIS RdNr 20; BSG SozR 2200 § 1511 Nr 1 = BSGE 47, 281 - 285 - JURIS RdNr 20). Dazu gehörten etwa Einrichtungen für Säuglinge und Kleinkinder (zB sog Kinderkrippen) sowie Betreuungsstätten für schulpflichtige Kinder wie zB sog Kinderhorte (vgl BSG aaO). Maßgebend für den Begriff des Kindergartens war folglich, dass die vorschulische Erziehung der Kinder den Charakter der Einrichtung bestimmte (vgl BSG SozR 2200 § 1511 Nr 1 = BSGE 47, 281 - 285 - JURIS RdNr 20).

19

Erfasste mithin § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO Kinder während des Besuchs von Einrichtungen zur vorschulischen Erziehung und damit Kinder im "Vorschulalter", so waren Schüler während des Besuchs allgemeinbildender Schulen nach § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst b RVO in den Unfallversicherungsschutz einbezogen. Kinder, die bereits schulische Erziehung erhielten, konnten folglich keinen Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO genießen.

20

bb) § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII idF des UVEG vom 7.8.1996 erweiterte den Kindbegriff über Kinder im Vorschulalter hinaus auf Kinder im Alter von bis zu 13 Jahren (§ 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII) - allerdings nicht auf Jugendliche bzw Kinder bis zur Volljährigkeit (§ 7 Abs 2 SGB VIII) -und auch nicht auf volljährige Personen.

21

In dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum UVEG sollte in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII der Unfallversicherungsschutz "auf alle Tageseinrichtungen im Sinne des § 22 SGB VIII" erstreckt werden. Dabei war vorgesehen, wie bei den Kindergärten auch bei diesen Einrichtungen (Krippen, Horte, altersgemischte Gruppen, kindergartenähnliche Einrichtungen) "zur Abgrenzung die zum SGB VIII erlassenen landesgesetzlichen Regelungen zugrunde zu legen" (vgl BR-Drucks 265/95 S 213; BT-Drucks 13/2204 S 74). Dies wurde ua damit begründet (vgl BR-Drucks 263/95 S 213 und BT-Drucks 13/2204 S 74), dass sich seit dem Inkrafttreten des § 539 Abs 1 Nr 14 RVO im Jahre 1971 die Funktion von Kindertageseinrichtungen erheblich geändert habe. Unter Verweis auf Aussagen des 8. Jugendberichts 1990 und die seit 1991 geltenden Regelungen des SGB VIII wurde nunmehr darauf abgestellt, dass die Aufgabe aller Tageseinrichtungen nach § 22 SGB VIII die Betreuung, Bildung und Erziehung des Kindes sei. Der Hort habe inzwischen einen eigenständigen Erziehungs- und Bildungsauftrag und arbeite häufig eng mit der Schule zusammen. Außerdem wurde auf die Möglichkeit altersgemischter Gruppen und die organisatorische Einheit von Krippe, Kindergarten und Hort hingewiesen, was eine eindeutige Abgrenzung der genannten Einrichtungen nicht mehr zulasse.

22

§ 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII idF des Gesetzentwurfs vom 24.8.1995 sah Versicherungsschutz vor für "Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen im Sinne des § 22 des Achten Buches". Dabei war nach § 22 Abs 1 Nr 1 SGB VIII in der damals (seit 1.1.1991 bis 31.12.2004) geltenden Fassung (durch Art 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts vom 26.06.1990 ) unter Hort eine Tageseinrichtung für Kinder im schulpflichtigen Alter zu verstehen (vgl BT-Drucks 11/5948 S 64 zu § 21§ 22 sgb viii> zu Absatz 1). Die geplante Erweiterung des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII durch das UVEG sollte entsprechend der Gesetzesbegründung nicht nur vorschulische Tageseinrichtungen, sondern mit den Horten gerade auch Tageseinrichtungen für Schüler und damit für schulpflichtige Kinder erfassen. Dies wird unterstrichen durch einen Gesetzentwurf über eine Neufassung des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO, den der Bundesrat auf Initiative Sachsens eingebracht hatte(vgl Gesetz zur Ergänzung der Unfallversicherung für Kinder in Horten und Krippen und den übrigen Tageseinrichtungen für Kinder vom 2.2.1995 - BT-Drucks 13/373 S 4; vgl Gesetzesantrag des Freistaates Sachsen vom 14.12.1994 - BR-Drucks 248/94 vom 22.3.1994 und BR-Drucks 1124/94 vom 14.12.1994). Hintergrund für diesen Neuregelungsentwurf war, dass übergangsrechtliche Regelungen des Einigungsvertrags in den neuen Bundesländern (Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet I Abschnitt III Nr 1 des Einigungsvertrags vom 31.8.1990 iVm Einigungsvertragsgesetz vom 23.9.1990 ) zum 31.12.1991 außer Kraft getreten waren, nach der Schüler bei Teilnahme an der sog "Tageserziehung" gegen Arbeitsunfall versichert waren. Deshalb sollten Kinder in den Tageseinrichtungen iS des § 22 Abs 1 SGB VIII einheitlich unter den Schutz der GUV gestellt werden(vgl BT-Drucks 13/373 S 1). Genannt wurden neben Kindergärten Einrichtungen für Säuglinge und Kleinkinder (Tagesheime, Kinderkrippen, Krabbelstuben) Kinderspielkreise, die an einigen Stunden in der Woche stattfinden, sowie Einrichtungen, in denen Schüler betreut werden, wie Kinderhorte und Kinderheime (vgl BT-Drucks 13/373 S 5).

23

Durch den Verweis auf Tageseinrichtungen iS des § 22 SGB VIII in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII in der Entwurfsfassung vom 24.8.1995 sollten also gerade auch Tageseinrichtungen für Schüler und damit für schulpflichtige Kinder erfasst werden. Allerdings waren als Kinder nach dieser Gesetzesfassung nur Kinder iS von § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII, also Personen unter 14 Jahren, in den Schutz der GUV einbezogen. Kinder iS des § 22 SGB VIII sind nur Kinder nach § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII(vgl so Struck in Wiesner, Kommentar zum SGB VIII, 3. Aufl 2006 zu § 22 SGB VIII RdNr 4 und 5; Lakies in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 6. Aufl 2009 zu § 22 RdNr 5; Mrozynski, Kommentar zum SGB VIII, 5. Aufl 2009 zu § 22 RdNr 9), nicht hingegen Kinder iS von § 7 Abs 2 oder Abs 4 SGB VIII. Denn § 22 SGB VIII trifft weder Regelungen über das elterliche Erziehungsrecht oder das staatliche Wächteramt iS des § 1 Abs 2 SGB VIII noch über die Annahme als Kind iS von § 7 Abs 4 SGB VIII.

24

Damit war auch der Begriff "Kinder" in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII in der Entwurfsfassung des UVEG als "Kinder" iS von § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII zu verstehen. Denn da § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII in dieser Fassung Kinder einbeziehen will, die in bestimmten Einrichtungen für Kinder entsprechend betreut, gebildet und erzogen werden, wäre es sinnwidrig, auch Personen in den Versicherungsschutz einzubeziehen, die gerade nicht zum Adressatenkreis der Verweisungsnorm des § 22 SGB VIII gehören. Anhaltspunkte dafür, dass Versicherungsschutz als "Kinder" im Rechtssinne auch Jugendlichen oder Erwachsenen während des Besuchs von Tageseinrichtungen von Kindern eingeräumt werden sollte, lassen sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Insoweit wäre ein möglicher gesetzgeberischer Wille zur Erweiterung des Versicherungsschutzes über den aufgezeigten Kinderbegriff hinaus jedenfalls nicht im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck gekommen.

25

cc) Zwar ist § 2 Abs 1 Nr 8 SGB VII in der soeben dargestellten Fassung des Regierungsentwurfs nicht Gesetz geworden. Die Änderung des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII im weiteren Gesetzgebungsverfahren betraf aber lediglich die von der Norm erfassten Tageseinrichtungen und hat keine Änderung des soeben herausgearbeiteten Kindbegriffs beinhaltet, insbesondere keine Erweiterung der erfassten Altersgruppe über diejenige des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII hinaus. Nach der zum 1.1.1997 in Kraft getretenen Fassung des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII sind versichert "Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen". Versichert sind folglich Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, in denen Kinder (zu ergänzen: iS von § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII) oder Jugendliche (zu ergänzen: iS von § 7 Abs 1 Nr 2 SGB VIII) ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden.

26

Auch bei Auslegung dieser Norm gebietet es der Grundsatz der Normklarheit, zur Vermeidung von Widersprüchen den in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII verwandten Begriff "Kinder" nicht anders auszulegen als den Kinderbegriff in § 45 Abs 1 Satz 1 SGB VIII. Insbesondere ist weder aus den Materialien noch aus den Änderungen des Gesetzeswortlautes ersichtlich, dass der in den Versicherungsschutz der GUV einbezogene Personenkreis der Entwurfsfassung - Kinder iS von § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII - durch eine Änderung der Bezeichnung der erfassten Tageseinrichtungen erweitert werden sollte. Denn die abweichende Bestimmung der Tageseinrichtungen sollte lediglich die Abgrenzung der erfassten Einrichtungen sicherstellen (vgl Stellungnahme des Bundesrates in BT-Drucks 13/2333 Anlage 1 S 4; Zustimmung der BReg in Anlage 2 S 18; ebenso Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung BT-Drucks 13/4853 S 16 zu § 2 Abs 1 Nr 1 Buchst a SGB VII). Der nunmehr im Gesetzestext enthaltene Verweis auf Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 SGB VIII bedarf, wurde vom Gesetzgeber deshalb gewählt, weil Sonderkindergärten für Behinderte, die etwa im BSHG(inzwischen: §§ 53 ff SGB XII) ihre Rechtsgrundlage fanden, ansonsten nicht vom Versicherungsschutz erfasst worden wären (vgl hierzu Ausschussprotokoll des Ausschusses für Frauen und Jugend vom 28.6.1995 S 12; Ausschussprotokoll des Ausschusses Arbeit und Sozialpolitik sowie Familie und Soziales vom 20.6.1996 S 44). So erfolgt etwa auch die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern mit seelischer Behinderung in Kindertagesbetreuung nicht nach den §§ 22 ff SGB VIII, sondern § 35a SGB VIII (vgl so Meysen in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 6. Aufl 2009 zu § 35a RdNr 56; Wiesner in Wiesner, Kommentar zum SGB VIII, zu § 35a RdNr 121). Die Erstreckung der Versicherung auf Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen im Sinne landesrechtlicher Regelungen sollte vorrangig der landesrechtlichen Zuordnung des Kindergartenwesens zum Bildungsbereich (vgl § 26 Satz 2 SGB VIII) in Bayern Rechnung tragen. Andernfalls wären dort sämtliche Regelkindergärten und schulvorbereitenden Einrichtungen für behinderte Kinder dem Schutzbereich des SGB VII entzogen gewesen (vgl hierzu Ausschussprotokoll des Ausschusses für Frauen und Jugend vom 28.6.1995 S 12 f; Ausschussprotokoll des Ausschusses AS FS vom 20.6.1996 S 44). Diese Einrichtungen für Kinder entsprachen zwar grundsätzlich den Anforderungen an Tageseinrichtungen iS von § 22 SGB VIII, waren aber nicht von § 22 SGB VIII umfasst. Nicht beabsichtigt war dagegen eine Erweiterung des Versicherungsschutzes über die Altersgruppe der Kinder iS des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII hinaus.

27

c) Auch wenn junge Volljährige iS von § 7 Abs 1 Nr 3 SGB VIII Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gemäß § 41 SGB VIII erhalten, deren Ausgestaltung gemäß § 41 Abs 2 SGB VIII iVm § 35a Abs 2 Nr 2 SGB VIII "in Tageseinrichtungen für Kinder" als teilstationäre Einrichtung erfolgt, sind sie keine "Kinder" iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII. Dabei erscheint schon fraglich, ob die jungen Volljährigen tatsächlich in Tageseinrichtungen für Kinder aufgenommen werden oder ob es sich insoweit um eine Tageseinrichtung für junge Volljährige handelt, weil § 41 Abs 2 SGB VIII die entsprechende Anwendung des § 35a SGB VIII unter der Maßgabe vorsieht, dass an die Stelle des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt. Ebenso kann offenbleiben, ob besondere Gruppen der Tageseinrichtung zur Förderung junger Volljähriger (sofern solche gebildet werden) rechtlich als Teil der Tageseinrichtung für Kinder zu sehen sind.

28

Eine Einbeziehung dieser Personengruppe in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VIII idF des UVEG vom 7.8.1996 findet weder im Gesetzeswortlaut noch in den Materialien eine Stütze. Zudem legen die Normen des § 2 Abs 1 Nr 8 SGB VII, worauf bereits das LSG hingewiesen hat, als erste Tatbestandsvoraussetzungen die für die Versicherung infrage kommenden Personengruppen nach persönlichen Merkmalen fest, Schüler oder Student oder eben "Kind" zu sein. Erst dann werden jeweils die versicherten Tätigkeiten jeder einzelnen Gruppe umschrieben (zB Besuch der allgemeinbildenden Schule oder einer bestimmten Tageseinrichtung). Insoweit unterscheiden sich die Tatbestände des § 2 Abs 1 Nr 8 SGB VII gerade von denen, welche die versicherten Personen allein durch die versicherten Tätigkeiten umschreiben, wie zB § 2 Abs 1 Nr 3, 5, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16 (jeweils: Personen, die …), Nr 1 (Beschäftigte als Personen, die eine Beschäftigung verrichten) oder Nr 2 (Lernende als Personen, die lernen während …). Der Besuch einer (erlaubten) Einrichtung, die als Tageseinrichtung iS von § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII zu sehen ist, begründet Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung daher nicht unabhängig von der Eigenschaft als "Kind", sondern nur, sofern und solange die Person, die die Tageseinrichtung besucht, ein "Kind" im Sinne dieser Vorschrift ist.

29

d) Es verstößt schließlich auch nicht gegen Verfassungsrecht, dass das Gesetz als Kinder iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII nur Personen bis zu einer bestimmten Altersgrenze und nur während des Besuchs bestimmter Tageseinrichtungen in den Schutz der GUV einbezieht. Die Altersgrenze gilt für behinderte wie nichtbehinderte Kinder gleichermaßen und knüpft daher nicht verbotenerweise an die Behinderung an (vgl Art 3 Abs 3 Satz 2 GG). So entfällt der Unfallversicherungsschutz, sofern nicht § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst b SGB VII eingreift, auch für einen Jugendlichen mit Vollendung des 14. Lebensjahres während des Hortbesuchs, unabhängig davon, ob der (nicht behinderte) Jugendliche den üblichen Reifegrad eines 14-jährigen erreicht und damit diese Entwicklungsstufe abgeschlossen hat.

30

Junge geistig behinderte Volljährige fallen auch nicht aus einem "gewöhnlichen" (gleichsam lückenlos) unter Schutz der GUV stehenden Entwicklungsablauf (als Folge einer "sachwidrigen Ungleichbehandlung") heraus. Entgegen der von der Revision geäußerten Auffassung spiegelt § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a bis Buchst c SGB VII schon nicht "den" oder einen gewöhnlichen Entwicklungsablauf eines jungen Menschen wider. Denn weder ist ein Hochschulstudium die Regel, noch ist der Besuch von Tageseinrichtungen bzw Kindergärten stets zu erwarten. Überschneidungen sind gerade mit Blick auf § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a und Buchst b SGB VII denkbar, etwa bei Besuch eines Kinderhorts neben dem Schulbesuch. Dass der Gesetzgeber bei (jüngeren) Kindern bzw Kindern iS des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII einen größeren Schutzbedarf (im Sinne einer Typisierung) im Rahmen der außerschulischen Betreuung und Erziehung in bestimmten Einrichtungen gesehen hat als bei älteren Kindern, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Im Gegenteil erscheint eine Differenzierung des Unfallversicherungsschutzes je nach erreichtem individuellen Entwicklungsstand oder Reifegrad nicht praktikabel und müsste einer gesetzgeberischen Regelung vorbehalten bleiben.

31

Dass der Gesetzgeber im Übrigen die Frage des Unfallversicherungsschutzes von behinderten Menschen in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen Tageseinrichtungen übersehen hätte, kann nicht angenommen werden. Dagegen spricht schon, dass Anregungen im Gesetzgebungsverfahren zum UVEG nicht aufgegriffen wurden, behinderte Menschen in Tagesförderstätten bzw Tageseinrichtungen sowie in Tageseinrichtungen für psychisch kranke bzw seelisch behinderte Personen umfassend in den Schutz der GUV einzubeziehen (vgl Bericht zu den Beratungen im Ausschuss BT-Drucks 13/4853 S 16 unter A 4.).

32

Bei der Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG hat der Senat den verwaltungsverfahrensrechtlichen Fehler der Beklagten im Sinne des Verursacherprinzips berücksichtigt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

2

Der 1976 geborene Kläger war als Steinmetzgehilfe bei der Firma (Fa) B. GmbH in O. beschäftigt. Am 7. April 2005 trat er gegen 12:05 Uhr die 30-minütige betriebliche Mittagspause an und fuhr mit seinem Motorrad vom Betriebsgelände, auf dem er auch wohnte, auf die die Bundesstraße (B) 256, um sich nach Oberlahr zu seiner damaligen Freundin zu begeben. Auf dem Weg dorthin kollidierte er mit einem entgegenkommenden Kraftfahrzeug (Kfz) und zog sich Verletzungen an seiner linken Hand und am linken Bein zu. Für die einfache Strecke benötigte der Kläger mit dem Motorrad üblicherweise etwa neun Minuten. Nachdem der Kläger der Beklagten mitgeteilt hatte, er habe trotz der knappen Zeit dorthin fahren wollen, um bei seiner Freundin das Mittagessen einzunehmen, und ihm sei jede Minute mit ihr lieber gewesen als mit seinen Arbeitskollegen, stellte die Beklagte fest, das Ereignis vom 7. April 2005 sei kein Arbeitsunfall und Entschädigungsleistungen seien nicht zu gewähren. Es habe sich nicht um einen versicherungsrechtlich geschützten Weg zur Nahrungsaufnahme gehandelt. Im Vordergrund habe die Motivation gestanden, die Mittagspause in der Gesellschaft der Freundin zu verbringen (Bescheid vom 12. September 2005; Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2006).

3

Das Sozialgericht Koblenz (SG) hat unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Beklagte verurteilt, den Unfall des Klägers vom 7. April 2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen (Urteil vom 4. Dezember 2008). Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) hat die Berufung der Beklagten mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger habe sich auf einem nach § 8 Abs 2 Nr 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) versicherten Weg befunden(Urteil vom 10. August 2009). Die Essenseinnahme sei wesentlich mitursächlich für den unternommenen Weg gewesen.

4

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte, ein iS von § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII während der Arbeitszeit unternommener Weg sei nach der Entscheidung des BSG vom 26. April 1977 (8 RU 76/76 - SozR 2200 § 550 Nr 28) nur dann versichert, wenn die Zeit für die Erholung einschließlich Essenseinnahme den überwiegenden Teil der zur Verfügung stehenden Pause in Anspruch nehme. Die Nahrungsaufnahme während der Arbeitszeit diene der Erholung und Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit und damit der Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit. Nur wenn diese zwei betriebsbezogenen Merkmale zusammentreffen würden, bestünde ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem zur Nahrungsaufnahme zurückgelegten Weg und der betrieblichen Tätigkeit. Dem Zweck einer Pause zur Regeneration der Kräfte würde es widersprechen, wenn die zurückgelegten Wege den überwiegenden Teil der Pause in Anspruch nehmen würden, so dass zur Erholung einschließlich der Essenseinnahme nur noch der geringere Teil der Pause zur Verfügung stünde. So habe auch das BSG im Urteil vom 11. Mai 1995 (2 RU 30/94 - NJW 1995, 2942 f) ausgeführt, dass es für ein eigenwirtschaftliches Handlungsziel spreche, wenn die zurückgelegte Wegstrecke gemessen am Handlungsziel unverhältnismäßig weit oder anstrengend sei. Dann könne die Handlungstendenz der Nahrungsaufnahme eher als unwesentlich in den Hintergrund treten.

5

Die Beklagte beantragt,

        

unter Aufhebung der Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. August 2009 und des Sozialgerichts Koblenz vom 4. Dezember 2008 die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet, soweit das LSG die Berufung der Beklagten hinsichtlich deren Verurteilung durch das SG, die Beklagte zu verpflichten, den Arbeitsunfall vom 7. April 2005 als Versicherungsfall anzuerkennen, sowie zu entschädigen, zurückgewiesen hat. Im Übrigen ist die Revision unbegründet. Denn entsprechend dem Begehren des Klägers ist das Ereignis vom 7. April 2005 als Arbeitsunfall festzustellen.

8

1. Soweit das SG, auf den Antrag des Klägers hin, die Beklagte verurteilt hat, seinen Unfall vom 7. April 2005 zu entschädigen, handelt es sich um ein unzulässig unbestimmtes unechtes Grundurteil ohne einen bezüglich der "Entschädigung" vollstreckungsfähigen Inhalt (BSG vom 2. Dezember 2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 8 mwN). In diesem Umfang ist die Revision begründet.

9

Ebenfalls aufzuheben ist der durch die Zurückweisung der Berufung der Beklagten bestätigte Verpflichtungsausspruch des SG ihr gegenüber, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Denn der Kläger hat vor dem BSG klarstellend erklärt, dass er nur die Feststellung des Versicherungsfalls begehre. Die grundsätzliche prozessrechtliche Nachrangigkeit der Feststellungsklage steht der Zulässigkeit der mit der Anfechtungsklage verbundenen Feststellungsklage nach ständiger Rechtsprechung des 2. Senats des BSG in Fällen der vorliegenden Art nicht entgegen (BSG SozR 4-2700 § 2 Nr 3 RdNr 4, SozR 4-2700 § 8 Nr 25 RdNr 8). Begehrt der Versicherte nämlich allein die von dem Unfallversicherungsträger abgelehnte Feststellung des Vorliegens eines Versicherungsfalls, kann er durch die Verbindung einer Anfechtungs- mit einer Feststellungsklage unmittelbar eine rechtskräftige, von der Verwaltung nicht mehr beeinflussbare Feststellung erlangen. Damit wird in diesen Fällen sein Begehren jedenfalls genauso wirksam durchgesetzt wie mit einer (die Aufhebung des ablehnenden Verwaltungsakts umfassenden) Verpflichtungsklage, so dass die Klageart in solchen Fällen von dem Begehren des Klägers abhängt, ob er eine behördliche oder unmittelbar eine gerichtliche Feststellung des Versicherungsfalls erstrebt.

10

2. Im Übrigen ist die Revision nicht begründet. Denn das Ereignis vom 7. April 2005 ist ein Arbeitsunfall.

11

Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 10 mwN; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 30 mwN). Diese Voraussetzungen sind nach den für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG erfüllt.

12

Der Kläger war zur Zeit des Unfallereignisses als Steinmetzgehilfe Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Er hat am 7. April 2005 bei dem Zusammenstoß als Motorradfahrer mit einem Kfz, der zu Verletzungen an seiner linken Hand und am linken Bein führte, auch einen Unfall erlitten.

13

Die Verrichtung des Klägers zur Zeit des Unfalls - die Fahrt zur Freundin zum Mittagessen - stand auch im sachlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit. Zwar war die Fahrt keine Verrichtung im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zu Grunde liegenden Arbeitsverhältnisses und damit keine versicherte Tätigkeit iS des § 8 Abs 1 SGB VII. In eng begrenzten Ausnahmefällen wurde dies zwar angenommen, sofern betriebliche Interessen bzw Umstände die Essenseinnahme wesentlich beeinflussten (vgl BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 11 S 48 f mwN). Eine solche Fallgestaltung ist vorliegend schon deshalb nicht gegeben, weil deren besondere Voraussetzungen nicht festgestellt sind, der Kläger die Fahrt vielmehr in der für die Essenseinnahme vorgesehenen betrieblichen Mittagspause unternahm.

14

Die Fahrt des Klägers als Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses war jedoch eine versicherte Tätigkeit iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII. Danach sind versicherte Tätigkeit auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Wie schon in der Vorgängervorschrift des § 550 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) ist in § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII als End- bzw Ausgangspunkt des Weges nur der Ort der Tätigkeit festgelegt. Wo der Weg nach dem Ort der Tätigkeit beginnt und wo der Weg von dem Ort der Tätigkeit endet, ist nicht umschrieben. Auch regelt die Norm nicht, ob der Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit - etwa in Bezug auf § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII hinsichtlich einer zusammenhängenden Arbeitszeit (Arbeitsschicht) - jeweils nur einmal oder mehrmals täglich zurückgelegt werden kann(vgl dazu BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 23). Begründet wird der Versicherungsschutz auf dem Weg nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit damit, dass diese Wege nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit, also mit einer auf die versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz unternommen werden (vgl BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 13; BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29 RdNr 21).

15

Das Zurücklegen eines Weges durch einen in Vollzeit Beschäftigten in der betrieblichen Mittagspause mit der Handlungstendenz, sich an einem vom Ort der Tätigkeit verschiedenen Ort Nahrungsmittel für die Mittagsmahlzeit zu besorgen oder, wie vorliegend, dort das Mittagessen einzunehmen, um seine Arbeitsfähigkeit zu erhalten, ist bereits nach Einführung des (damaligen) § 545a RVO durch das Zweite Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 14. Juli 1925 (RGBl I 97) in einer Entscheidung des Reichsversicherungsamts vom 18. Oktober 1927 (EuM 21, 281 f) als eine solche regelmäßig unaufschiebbare, notwendige Handlung angesehen worden, die geeignet ist, die Arbeitskraft des Versicherten zu erhalten und ihm damit zu ermöglichen, die betriebliche Tätigkeit fortzusetzen. Diese Auffassung ist in ständiger Rechtsprechung beibehalten worden (vgl BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 15 S 55 mwN). Daran hält der Senat fest.

16

Aus dem Umstand, dass der Kläger auf dem Betriebsgelände wohnte, folgt nichts Anderes. Der zum Ort der Essenseinnahme zurückzulegende Weg ist nicht mit demjenigen von der Wohnung zur versicherten Tätigkeit zu vergleichen, weil § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII den Weg zwischen der Wohnung und dem Ort der Tätigkeit nicht privilegiert(vgl BSG SozR 2200 § 550 Nr 28 S 68). Davon abgesehen hat das BSG diesem Merkmal in der genannten Entscheidung ohnehin für die Konstellation eine untergeordnete Bedeutung beigemessen, dass der Versicherte ein danach unverhältnismäßig weit entfernt liegendes Ziel mit einem Kfz zu erreichen versucht und deswegen hierfür nur eine relativ kurze Zeit aufbringen muss. Dies gilt auch vorliegend, da der Kläger die Wohnung seiner damaligen Freundin mit dem Motorrad in etwa neun Minuten erreichen konnte.

17

Dass mit der Essenseinnahme am 7. April 2005 auch ein Besuch der Freundin und damit das Verbringen der Zeit mit ihr verbunden sein sollte, führt vorliegend nicht dazu, dass die Wesentlichkeit der durch die Beschäftigung bedingten Motivation "Mittagessen" zu verneinen ist (vgl BSG, Urteil vom 12. Mai 2009 - B 2 U 12/09 R -SozR 4-2700 § 8 Nr 33 RdNr 16). Dazu hat das LSG festgestellt, dass der Kläger nur zu seiner Freundin gefahren sei, wenn diese vorgekocht habe, und dass der wesentliche Grund für den Weg das Einnehmen des Mittagessens gewesen sei.

18

Dem sachlichen Zusammenhang steht auch nicht die Zeitdauer des Weges von zweimal neun Minuten im Verhältnis zur verbleibenden Essenszeit von zwölf Minuten entgegen. Bei seiner Erwägung, für Wege, die den überwiegenden Teil der Pause in Anspruch nehmen, den Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit nicht mehr als wesentlich zu erachten, stellte der 8. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 26. April 1977 (8 RU 76/76 - SozR 2200 § 550 Nr 28 S 68) auf den Zweck der Pause ab. Der Begriff der Ruhepause findet sich mittlerweile im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vom 6. Juni 1994 (BGBl I 1170), das aber in § 4 Satz 1 ArbZG den Begriff voraus. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sind Ruhepausen im Sinne des Arbeitszeitrechts Unterbrechungen der Arbeitszeit von bestimmter Dauer, die der Erholung dienen, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat und frei darüber entscheiden kann, wo und wie er diese Zeit verbringen will. Entscheidendes Merkmal der Ruhepause ist, dass der Arbeitnehmer von jeder Arbeitsverpflichtung und auch von jeder Verpflichtung, sich zur Arbeit bereitzuhalten, freigestellt ist (BAGE 103, 197, 201 mwN). Der Bundesgesetzgeber hat sich demzufolge dafür entschieden, die mit dem ArbZG verbundenen Zwecke allein dadurch zu erreichen, dass die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebende Hauptpflicht des Arbeitnehmers für die Zeit der Ruhepause suspendiert wird; dem Arbeitnehmer werden hingegen keine Vorgaben gemacht, durch bestimmte Verhaltensweisen hierbei mitzuwirken.

19

Bei einer Fahrzeit von 18 Minuten und einer für die Essenseinnahme zur Verfügung stehenden Zeit von zwölf Minuten führt jedenfalls ein Verhältnis von drei Fünftel (Fahrzeit) zu zwei Fünftel (Essenseinnahme) nicht zwingend dazu, dass die durch die Beschäftigung bedingte und den sachlichen Zusammenhang begründende Handlungstendenz in den Hintergrund tritt.

20

Die Kostenentscheidung beurteilt sich nach den §§ 183, 193 SGG.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 und ihre Ehegatten oder Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste,
2.
Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
3.
gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen,
4.
Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
5.
Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 kann auch die Organisation, für die die Ehrenamtsträger tätig sind, oder ein Verband, in dem die Organisation Mitglied ist, den Antrag stellen; eine namentliche Bezeichnung der Versicherten ist in diesen Fällen nicht erforderlich. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 4 und 5 gilt Satz 2 entsprechend.

(2) Die Versicherung beginnt mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuß binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuß entrichtet worden ist.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. März 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

2

Der 1955 geborene Kläger ist seit Oktober 1974 bei der S-Bahn B. als Führer von Schienenfahrzeugen beschäftigt. Er löste am 30.3.2007 vor der Einfahrt in den S-Bahnhof B. eine Notbremsung aus. Insoweit ist im Durchgangsarztbericht des Dr. M. vom 12.4.2007 vermerkt, dass der Kläger einen den Bahnübergang trotz geschlossener Schranke überquerenden Fußgänger gesehen hätte und nach einer Vollbremsung ca 2 Meter vor dem Fußgänger zum Stehen gekommen sei. Als Diagnose ist eine "posttraumatische Belastungsreaktion" angegeben.

3

Die Beklagte lehnte die Feststellung eines Arbeitsunfalls ab, weil es an einem Unfallereignis iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII fehle(Bescheid vom 20.9.2007; Widerspruchsbescheid vom 21.1.2008). Das SG Berlin hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 16.1.2009). Das LSG Berlin-Brandenburg hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 17.3.2011). Als Unfallereignis lasse sich allein die Zugbremsung feststellen, die aufgrund der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes vom 20.12.2010 lediglich 1,33 oder 2,8 Sekunden früher als notwendig ausgelöst worden sei. Dass sich eine Person auf den Gleisen befunden hätte, sei nicht nachgewiesen. Eine unwesentlich frühere Zugbremsung stelle kein außergewöhnliches Ereignis dar. Die gesetzliche Unfallversicherung schütze nicht alltägliche Geschehensabläufe, die im Rahmen der versicherten Tätigkeit üblich und selbstverständlich seien, sondern nur die sich davon abhebenden Ereignisse. Allein die Vorstellung, es hätte zu einem Personenschaden kommen können oder ein solcher sei eingetreten, genüge nicht. Die Wahrnehmung sozialadäquater Geschehensabläufe sei ein Risiko, das seine Ursache nicht in der versicherten Tätigkeit habe.

4

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 8 Abs 1 SGB VII sowie eine fehlerhafte Beweiswürdigung und einen Verstoß gegen die Pflicht zur Amtsermittlung. Zur Begründung trägt er vor, der Unfallbegriff sei allgemein und nicht berufsbezogen definiert. Er beschränke sich nicht auf Ereignisse, die über die alltäglichen beruflichen Anforderungen hinausgingen. Abgesehen davon handele es sich bei der Gefahrenbremsung zur Vermeidung einer Kollision mit einem Menschen nicht um einen alltäglichen Vorgang, sondern um einen besonderen Betriebsvorfall. Im Übrigen sei das LSG aufgrund einer fehlerhaften Beweiswürdigung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Bei der Notbremsung sei eine sich am Bahnübergang aufhaltende Person klar zu erkennen gewesen. Schließlich habe es das LSG unterlassen, Feststellungen zu den Unfallfolgen zu treffen.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. März 2011, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2009 sowie die ablehnende Entscheidung im Bescheid der Beklagten vom 20. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Januar 2008 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 30. März 2007 ein Arbeitsunfall ist.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Ein Unfallereignis sei als selbstständiges Geschehen von der bloßen Ausübung der versicherten Tätigkeit abzugrenzen. Die Zugbremsung sei hingegen schlichte Ausübung der versicherten Tätigkeit. Auch sei die Unfreiwilligkeit der Einwirkung dem Unfallbegriff immanent.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

9

Die mit der Revision verfolgte kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und § 55 Abs 1 Nr 1 SGG)ist zulässig. Der Kläger begehrt nunmehr, die Ablehnungsentscheidung der Beklagten aufzuheben und festzustellen, dass er am 30.3.2007 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Zwar hat er vor dem LSG die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung des Ereignisses vom 30.3.2007 als Arbeitsunfall beantragt. Der Übergang von der Verpflichtungs- zur Feststellungsklage ist aber eine jedenfalls bei einem Streit um die Feststellung eines Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 99 Abs 3 SGG zulässige Antragsänderung. Wegen des Interesses des Klägers an einer baldigen gerichtlichen Feststellung besteht ein Wahlrecht zwischen beiden Rechtsschutzformen (BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - Juris RdNr 12, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

10

Anfechtungs- und Feststellungsklage sind nicht begründet. Die Ablehnungsentscheidung der Beklagten im Bescheid vom 20.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.1.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls. Durch das Abbremsen der S-Bahn hat er keinen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII erlitten.

11

Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Ein Arbeitsunfall eines Versicherten setzt danach voraus, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls einen gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden unmittelbaren oder mittelbaren Unfallfolgen (vgl hierzu BSG vom 5.7.2011 aaO) aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Tatbestandsvoraussetzung eines Arbeitsunfalls (vgl BSG vom 4.9.2007 - B 2 U 24/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 24 RdNr 9 mwN).

12

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger verrichtete zwar mit dem Fahren der S-Bahn eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter. Während dieser Verrichtung hat sich aber kein Unfall ereignet.

13

Nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Zu unterscheiden ist damit zwischen dem äußeren Ereignis als Ursache (Unfallereignis) und der Körperschädigung oder dem Tod als Wirkung, die erst den Unfall im Sinne der genannten Vorschrift eintreten lässt. Ob und - wenn ja - wann der Kläger einen Gesundheitsschaden davongetragen hat, ist vom LSG nicht festgestellt worden und bedarf vorliegend auch keiner Entscheidung. Jedenfalls fehlt es an einer äußeren Einwirkung auf den Körper des Klägers.

14

Allerdings erstreckt sich das Unfallereignis entgegen der Auffassung des LSG auch auf Geschehnisse, die im Rahmen der versicherten Tätigkeit "üblich" sind. Die gesetzliche Unfallversicherung schützt gerade, aber auch nur diejenigen Verrichtungen, die in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Der Begriff des Unfallereignisses setzt auch nicht ein außergewöhnliches Geschehen voraus. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats genügt vielmehr ein alltäglicher Vorgang, wie das Stolpern über die eigenen Füße oder das Aufschlagen auf den Boden, weil auch hierdurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt (zuletzt BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31 RdNr 10). Auch durch die versicherte Tätigkeit bedingte Unfälle des täglichen Lebens sind versichert (so schon BSG vom 13.3.1959 - 2 RU 167/57 - BSGE 9, 222, 224).

15

Einen Unfall hat der Kläger aber deshalb nicht erlitten, weil sich nach den Feststellungen des LSG während der Fahrt mit der S-Bahn kein Vorgang ereignet hat, durch dessen Ablauf zeitlich begrenzt von außen auf seinen Körper eingewirkt worden wäre. Als einziger Geschehensablauf während der Bahnfahrt ist vom Berufungsgericht das Abbremsen des Zuges festgestellt worden. In diesem Bremsvorgang ist ein von außen auf den Körper des Klägers einwirkendes Ereignis nicht zu erblicken. Insofern unterscheidet sich der Rechtsstreit von dem ebenfalls am 29.11.2011 entschiedenen weiteren Rechtsstreit des Klägers (B 2 U 23/10 R), wo es an entsprechenden Feststellungen durch das LSG fehlte.

16

Das Erfordernis der Einwirkung von außen dient der Abgrenzung von unfallbedingten Gesundheitsschäden zu Gesundheitsbeeinträchtigungen aus inneren Ursachen sowie zu Selbstschädigungen (vgl BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, RdNr 7). Nicht geschützt sollen Unfälle sein, die auf aus dem Menschen selbst kommenden Ereignissen beruhen (vgl BSG vom 29.2.1984 - 2 RU 24/83 - Juris RdNr 15; BSG vom 18.3.1997 - 2 RU 8/96 - Juris RdNr 22, jeweils mwN). Das ist hier der Fall. Denn das Abbremsen des Zuges war eine vom Willen des Versicherten getragene und gesteuerte Eigenbewegung. Ein Unfall ist typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass ein normaler Geschehensablauf plötzlich durch einen ungewollten Vorfall unterbrochen wird. Durch die Zugbremsung wirken zwar physikalisch betrachtet Trägheits- oder Scheinkräfte auf einen Körper ein. Unabhängig davon, ob diese unsichtbare physikalische Kraftentfaltung ein Ereignis iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII darstellt, ist dadurch aber nicht von außen auf den Kläger eingewirkt worden. Der den Trägheitskräften vorausgegangene Bremsvorgang war nicht durch eine Gefahrensituation veranlasst. Dass sich eine Person auf den Gleisen befunden hätte, war für das LSG gerade nicht feststellbar. Mit dem Abbremsen ist daher nicht von einem Teil der Außenwelt auf den Körper des Klägers, sondern von diesem ist seinerseits auf die S-Bahn eingewirkt worden. Solange der Versicherte - wie hier - in seiner von ihm gewollt herbeigeführten Einwirkung und damit in seiner Eigenbewegung nicht beeinträchtigt ist, wirkt kein äußeres Ereignis auf seinen Körper ein (vgl BGH vom 23.11.1988 - IVa ZR 38/88 - NJW-RR 1989 S 217).

17

Das hier gefundene Ergebnis steht nicht im Widerspruch zum Urteil des Senats vom 12.4.2005 (B 2 U 25/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15). In dem bezeichneten Verfahren hat der Senat die äußere Einwirkung der von dem schweren und festgefrorenen Stein ausgehenden unsichtbaren Kraft sowie der mit dem beabsichtigten Anheben des Steines einhergehenden Kraftanstrengung aufgrund der mit ihr verbundenen Gegenkräfte erblickt. Eine entsprechende Kraftentfaltung ist weder festgestellt worden noch ersichtlich.

18

An die Feststellungen des LSG, dass sich während der Bahnfahrt nur das Abbremsen des Zuges ereignete, ohne dass sich eine Person auf den Gleisen befunden hätte, ist der Senat gebunden (§ 163 SGG), weil sie nicht mit zulässig erhobenen Verfahrensrügen angegriffen worden sind.

19

Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG) und aus denen die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte Verfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG vom 23.8.2007 - B 4 RS 3/06 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 31). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht.

20

Die Rüge des Klägers, das LSG habe gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) verstoßen, ist nicht ordnungsgemäß erhoben. Er hätte insoweit aufzeigen müssen, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Dabei ist darzulegen, inwiefern nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen und medizinischen Sachverhalt aus seiner rechtlichen Sicht erkennbar offengeblieben sind und damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden hat und die so zu ermittelnden Tatsachen nach der Rechtsauffassung des LSG entscheidungserheblich sind. Außerdem ist anzugeben, wann und in welcher Form die zu ermittelnden Tatsachen in der Berufungsinstanz vorgebracht wurden (BSG vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris RdNr 69 f). Weshalb das LSG Feststellungen zu den Unfallfolgen hätte treffen müssen, obwohl das Berufungsgericht bereits einen Unfall verneint hat, macht die Revision indes nicht deutlich.

21

Auch die Rüge des Klägers, das Berufungsgericht habe die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten, ist unzulässig. Die Beweiswürdigung des LSG ist nur eingeschränkt überprüfbar. Da das Tatsachengericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet, ist diese Vorschrift nur dann verletzt, wenn das Gericht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen oder das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend berücksichtigt hat. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss im Einzelnen dargelegt werden (BSG vom 31.5.2005 - B 2 U 12/04 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 2 RdNr 9). Daran fehlt es hier.

22

Der Kläger hat weder ein Denkgesetz benannt, gegen das das LSG verstoßen haben soll, noch einen vom Berufungsgericht fehlerhaft angewendeten Erfahrungssatz aufgezeigt. Aus seinem Vortrag geht auch nicht hervor, dass das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht hinreichend berücksichtigt worden wäre. Der Hinweis darauf, dass sich das LSG "umfangreich" mit den Sachverhaltsdarstellungen in den einzelnen Verfahrensstadien und der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes auseinandergesetzt habe, macht vielmehr gerade die durchgeführte Gesamtwürdigung deutlich. Im Kern setzt der Kläger seine Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG. Allein damit ist aber eine Verletzung der Grenzen des Rechts auf freie Beweiswürdigung nicht formgerecht gerügt (BSG vom 23.8.2007 - B 4 RS 3/06 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 33).

23

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.03.2007 insoweit abgeändert, als die Beklagte zur Feststellung weiterer Unfallfolgen zu den Arbeitsunfällen vom 15.10.2003 und 23.12.2004 verpflichtet wird, und die Klage wird im vollem Umfang abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen einer Rücknahmeentscheidung streitig, welche Unfallfolgen aus den Arbeitsunfällen vom 15.10.2003 und 23.12.2004 vorliegen und ob dem Kläger deswegen Verletztenrente zusteht.
Unfall am 15.10.2003
Der 1950 geborene Kläger ist als Service-Techniker beschäftigt. Am 15.10.2003 trug er zusammen mit einem Kollegen eine Messetheke, um sie auf ihrem Fahrzeug zu verladen. Nach Angaben des Klägers sei ihm die Messetheke aus der linken Hand gerutscht und nach links gekippt. Er habe daher mit der linken Hand schnell nachgefasst, dabei das Gleichgewicht verloren und sei mit verdrehter Körperhaltung mit der linken Schulter gegen den Türrahmen geprallt (Schreiben des Klägers vom 30.11.2003).
Am 16.10.2003 suchte der Kläger den Durchgangsarzt Dr. M. auf, der in seinem Durchgangsarztbericht (DAB) vom 16.10.2003 als Unfallhergang festhielt, „beim Einladen von einer Messetheke linke Schulter angeschlagen“. Er diagnostizierte eine unauffällige Kontur der linken Schulter ohne Druckschmerz über der Rotatorenmanschette. Das Röntgenbild habe keinen Hinweis für eine knöcherne Verletzung, aber nebenbefundlich diskrete Unregelmäßigkeiten des AC(Acromioclavicular) -Gelenkes (Schulter-Eck-Gelenkes) ergeben. Im DAB ist die Diagnose "Kontusion/Distorsion linke Schulter" aufgeführt (Kontusion: Prellung u. Quetschung durch direkte stumpfe Gewalteinwirkung; Distorsion: Verstauchung, Zerrung).
Wegen geklagter schmerzhafter Bewegungseinschränkung (Nachschaubericht Dr. M. vom 21.10.2003) wurde am 25.10.2003 eine Kernspintomographie der linken Schulter veranlasst, die eine subtotale, ansatznahe Ruptur der Supraspinatussehne ergab (Arztbrief von Dr. S. vom 27.10.2003). Der Kläger nahm die Arbeit am 30.10.2003 wieder auf (Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 15.12.2003).
In der eingeholten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15.01.2004 führte Dr. K. aus, als Arbeitsunfall sei nur eine Prellung, die nach wenigen Tagen, allenfalls nach einer Woche vollständig abzuheilen pflege, ohne weitergehende strukturelle Läsion anzuerkennen. Eine direkte Gewalteinwirkung könne die Rotatorenmanschette nicht belasten, da nur das massive plötzliche Rückwärtsreißen oder Heranführen des Armes, eine starke Zugbelastung oder der Sturz auf den nach hinten und innen gehaltenen Arm eine solche Belastung darstelle. Außerdem ergebe sich aus der Kernspintomographie ein isolierter Riss und damit ein verletzungsunspezifisches Schadensbild.
Die G.- und L.-Berufsgenossenschaft, eine Rechtsvorgängerin der Beklagten (im folgenden nur noch Beklagte), erkannte mit Bescheid vom 05.02.2004 den Unfall vom 15.10.2003 als Arbeitsunfall an und stellte als Unfallfolge eine folgenlos ausgeheilte Prellung der linken Schulter mit unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit für längstens eine Woche fest.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2004 zurück.
In einer Stellungnahme von Dr. B. vom 26.11.2004 wurde die derzeitige Gebrauchsminderung der linken Schulter als Folge des Arbeitsunfalls bewertet. Es sei anzunehmen, dass die Rotatorenmanschettenruptur bereits vor dem Unfall vorhanden gewesen sei, der Kläger sei aber mit dieser Schadensanlage versichert. Da vor dem Unfall keine Beeinträchtigungen bestanden hätten, sei die jetzige Unfallfolge. Gestützt auf diese Stellungnahme beantragte der Kläger am 03.12.2004 über seinen Prozessbevollmächtigten die Erteilung eines Rücknahmebescheids. Die zu zweit getragene Messetheke habe ein Gewicht von 60 bis 70 Kilogramm gehabt. Er sei mit halb verdrehter Schulter gegen den Türrahmen geprallt und habe sofort einen stechenden Schmerz verspürt. Er habe die Arbeit sofort eingestellt.
10 
Mit Bescheid vom 20.01.2005 lehnte die Beklagte die Rücknahme gem. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ab. Die Angaben zum Unfallhergang seien durch frühere Ermittlungen bekannt und seien berücksichtigt worden.
11 
Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 07.03.2005).
12 
Der Kläger hat hiergegen am 15.03.2005 beim Sozialgericht R. Klage erhoben (S 2 U 778/05).
13 
Unfall vom 23.12.2004
14 
Am 23.12.2004 rutschte der Kläger beim Schneeräumen im Hof des Arbeitgebers aus und stürzte auf das rechte Knie. Durchgangsarzt Dr. B. diagnostizierte bei unauffälliger Röntgenaufnahme des rechten Knies eine Innenbanddistorsion mit Verdacht auf Innenmeniskusriss (DAB vom 13.01.2005). Eine Kernspintomographie des rechten Kniegelenks vom 15.01.2005 ergab nach Dr. H. einen Riss im Innenmeniskus-Hinterhorn mit begleitender Distorsion des Innenbandes und einen mäßigen Gelenkerguss (Arztbrief Dr. H. und Dr. S. vom 17.1.2005). Der Kläger teilte auf Anfrage der Beklagten mit, er habe nach dem Unfall am 23.12.2004 nur leichte Schmerzen gehabt. Die Schmerzen hätten jedoch bis zum 13.01.2005 ständig zugenommen, weshalb er schließlich doch Dr. B. aufgesucht habe (Schreiben des Klägers vom 25.03. 2005).
15 
Am 01.06.2005 wurde eine arthroskopische Teilresektion des Innenmeniskus in der Gemeinschaftspraxis Dr. F. und Kollegen vorgenommen (Operationsbericht von Dr. J. vom 01.06. 2005). Im pathologischen Befundbericht von Prof. Dr. S. vom 13.06. und Nachtragsbefund vom 15.06.2005 wurde eine ausgeprägte degenerative Meniskopathie mit reparativer Entzündung diagnostiziert.
16 
In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 07.05.2005 verneinte Dr. K. einen wesentlichen Zusammenhang des Innenmeniskusschadens mit dem Unfall, dem nur der Stellenwert eines Anlassgeschehens zukomme. Nach der unfallmedizinischen Literatur könne die Kniebinnenstruktur nur unter Stress gesetzt werden, wenn durch den feststehenden Fuß oder den fixierten Oberschenkel bzw. beim Drehsturz mit fixiertem Unterschenkel der Muskelbandapparat des Knies unkontrolliert übermäßig belastet werde. Ein solcher Fall habe nicht vorgelegen. In der Kernspintomographie seien Zeichen einer Innenbanddistorsion nachgewiesen, jedoch ein Hinweis auf eine strukturelle Läsion läge nicht vor. Ein isolierter Innenmeniskushinterhorn-Schaden sei ein verletzungsunspezifisches Schadensbild. Zwischen Unfallereignis und erstmaligem Arztbesuch lägen drei Wochen, was ein weiteres Indiz gegen den Unfallzusammenhang darstelle.
17 
Mit Bescheid vom 04.08.2005 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 23.12.2004 als Arbeitsunfall an und stellte eine folgenlos verheilte Stauchung des rechten Kniegelenks mit Beteiligung des Innenbandes fest. Nicht unfallbedingt sei der Riss des Innenmeniskushinterhorns.
18 
Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 31.10.2005 zurückgewiesen.
19 
Im Januar 2006 beantragte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten ebenfalls die Erteilung eines Rücknahmebescheids gem. § 44 SGB X. Er verwies auf die ärztliche Stellungnahme von Dr. B., der im DAB vom 13.01.2005 einen Kniegelenkserguss beschrieben habe. Ein Zusammenhangsgutachten sei vom Operateur nie angefordert worden.
20 
Auf Veranlassung des Klägers führte Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 29.01.2006 aus, Dr. K. beschäftige sich ausschließlich mit dem Drehsturz als geeigneten Unfallmechanismus. Demgegenüber sei nach der unfallmedizinischen Literatur auch die plötzliche Streckung des gebeugten und rotierten Unterschenkels, wie beim Stolpern oder Ausrutschen, ein geeigneter Unfallvorgang. Die für traumatische Entstehungszusammenhänge geforderte Seiten- und Kreuzbandverletzung könnten nach neuester unfallmedizinischer Literatur auch nur gering ausgeprägt sein, was beim Kläger der Fall sei. Zu beachten sei, dass die Innenbandverletzung zum Zeitpunkt der 23 Tage nach dem Unfall gefertigten Kernspintomographie zum größten Teil bereits abgeheilt gewesen sei.
21 
Mit Bescheid vom 16.02.2006 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 04.08.2005 i. d. F. des Widerspruchsbescheids nach § 44 SGB X ab.
22 
Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 06.03.2006).
23 
Der Kläger hat hiergegen am 09.03.2006 beim Sozialgericht R. Klage erhoben (S 2 U 928/06).
24 
Mit Beschluss vom 03.05.2006 hat das Sozialgericht die Klageverfahren S 2 U 778/05 und S 2 U 928/06 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
25 
Das Sozialgericht hat noch vor der Verbindung auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das unfallchirurgische Gutachten vom 04.09.2005 mit Ergänzung vom 20.01.2005 (richtig 20.01.2006) eingeholt, in dem Dr. K. das Unfallereignis am 15.10.2003 für die Impingement-Symptomatik als Gelegenheitsursache bewertet hat. Aus der Kernspintomographie ergebe sich eine degenerative Veränderung des AC-Gelenkes sowie eine Fehlform des Acromions (Schulterhöhe), die eine Einengung des Raumes bedinge, in dem die Supraspinatussehne verlaufe. Dadurch habe eine Ausdünnung der Sehne stattgefunden, die bereits zum Zeitpunkt des Unfalls bestanden habe. Der Unfallmechanismus entspreche einer Anprallsituation - der Kläger habe ausdrücklich Beschwerden erst beim Anprall und nicht beim vorausgehenden Nachfassen angegeben -, die ungeeignet sei, eine Schädigung der Supraspinatussehne zu verursachen. Ähnliche alltägliche Mechanismen, wie z. B. das Tragen von Lasten oder auch Überkopfarbeiten, könnten aber bei vorbestehenden degenerativen Veränderungen ebenfalls die Impingement-Symptomatik auslösen. Der Kläger habe nach dem Unfall noch weitergearbeitet, was eine traumatisch bedingte Ruptur ausschließe.
26 
Der Kläger hat auf die ärztlichen Äußerungen von Dr. B. vom 05.12.2005 und 07.03.2006 verwiesen, in denen Dr. B. zum Gutachten von Dr. K. Stellung genommen hat. Danach sei die Belastung für den Kläger unvorhersehbar gewesen, weil er durch die sperrige Messetheke keinen Sichtkontakt zu seinem vorausgehenden Arbeitskollegen gehabt habe. Dadurch, dass der Kollege die Messetheke losgelassen habe, habe der weiter nach vorne gehende Kläger durch die auf die Seite zu Boden stürzende Theke einen Impuls nach vorne erhalten. Durch diese massive axiale Zugbelastung der vorgespannten Sehne habe die Schulterzerrung zur Rotatorenmanschettenruptur geführt. Die Kernspintomographie 12 Tage nach dem Unfall ergebe eine Einblutung in die Muskelfaszie des Supraspinatus. Danach hätte der Schlag von dorsal kommen müssen, bei der Untersuchung durch den Durchgangsarzt am 15.10.2003 sei aber eine ventrale Druckschmerzhaftigkeit diagnostiziert worden. Eine dorsale Prellung könne daher ausgeschlossen werden. Die Einblutung könne nur durch die Zerrung entstanden sein.
27 
Nach Verbindung der Rechtsstreitigkeiten hat das Sozialgericht auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG das Gutachten von Dr. A. vom 23.07.2006 mit ergänzender Stellungnahme vom 11.10.2006 zu beiden Unfällen eingeholt mit folgendem Ergebnis:
28 
A. Schulterverletzung
29 
Nach Angaben des Klägers bei der Untersuchung durch den Sachverständigen sei er beim Transport der Messetheke der Vordermann gewesen, sei aber rückwärts durch den Durchgang gegangen. Als der Kollege die Messetheke habe fallen lassen, sei er mit der linken Schulter gegen den Türrahmen geprallt. Diesem Mechanismus habe der Kläger größere Bedeutung für die Verletzung beigemessen als dem Längszug nach unten durch das erforderlich werdende Nachfassen. Der plötzlichen Zugbelastung durch das Nachfassen sei auch aus medizinischer Sicht keine besondere Bedeutung zuzumessen, da hieran die Supraspinatussehne nicht ausschließlich beteiligt gewesen sei. Ein kurzzeitiger, nicht kräftiger Impuls könne eine bis zu zwei Zentimeter breite und 3,3 Millimeter dicke Sehne schwerlich zum Reißen bringen. Dagegen belegten Untersuchungen im Rahmen von Sektionen, dass klinisch unauffällige Defekte bei über Fünfzigjährigen in 75% der Fälle vorlägen. Je nach Ausmaß der Degeneration reichten geringe Zugkräfte für eine Ruptur aus. Die eigenen Röntgenaufnahmen hätten eine deutliche Verschmälerung des subacromialen Raumes bestätigt, die die jetzt bestehende Symptomatik des Impingement-Syndroms erkläre. Es sei davon auszugehen, dass der Riss der Sehne bereits vor dem Unfall bestanden habe und durch den Anprall des linken Schultergelenkes das Vorleiden manifest geworden sei. Die Magnetresonanztomographie habe eine Einblutung in die Supraspinatusfaszie ergeben, was für die Prellung spreche, aus der Lokalisation der Blutung seien jedoch keine Schlüsse auf die Richtung der Gewalteinwirkung zu ziehen. Die Prellung sei abgeheilt. Eine unfallbedingte MdE liege nicht mehr vor.
30 
B. Knieverletzung
31 
Nach Angaben des Klägers sei er beim Schneeschippen mit dem linken Bein weggerutscht und habe reflektorisch eine Körperdrehung gemacht, was sich auf das rechte Kniegelenk übertragen habe. Der rechte Fuß sei am Boden fixiert gewesen. Aus medizinischer Sicht habe das Verdrehtrauma einen vorgeschädigten Innenmeniskus betroffen, der dadurch einen Einriss am Hinterhorn erlitten habe. Aus den Angaben des Klägers ergebe sich ein erhebliches Trauma und sofort auftretende Schmerzen, wobei er aufgrund der bevorstehenden Feiertage erst nach drei Wochen einen Arzt aufgesucht habe. Die histologische Aufarbeitung des Gewebes ergebe degenerative Veränderungen, eine Einblutung in das entfernte Gewebe habe sich nicht nachweisen lassen. Dies spreche nicht gegen eine traumatische Genese. Vorschaden und Trauma seien gleichwertig zu beurteilende Ursachen. Eine unfallbedingte MdE liege aber nicht vor. Unfallfolgen bestünden am rechten Kniegelenk nicht mehr. Die Retropatellararthrose sei unfallunabhängig.
32 
Der Kläger hat auf die Stellungnahmen von Dr. B. vom 25.08. und 19.11.2006 verwiesen. Danach seien im Durchgangsarztbericht nur diskrete Unregelmäßigkeiten des AC-Gelenks vermerkt, gravierende degenerative Veränderungen als Hinweis auf eine vorbestehende Degeneration der Rotatorenmanschette seien nicht beschrieben worden. Es könne zwar ein Elastizitätsverlust der Rotatorenmanschette des zum Unfallzeitpunkt dreiundfünfzigjährigen Klägers unterstellt werden, jedoch sei er mit diesem Körperzustand versichert. Der vom Durchgangsarzt erhobene klinische Befund ohne Schwellung an der Schulter passe nicht zu der erheblichen Einblutung, die 12 Tage nach dem Unfall nachgewiesen worden sei, zumal die Schulter ventral geprellt worden sei, die Supraspinatusmuskulatur aber dorsal auf dem Schulterblatt liege. Für die Einblutung komme daher nur eine Zerrung in Betracht. Es habe sich um eine frische und keine alte Ruptur gehandelt, denn bei einer alten Ruptur sei eine Muskelatrophie mit fettiger Degeneration zu erwarten. Beim Tragen von Lasten mit den Händen seit der Bizeps am meisten belastet. Ein gewichtiges Indiz für die massive, passive Traktion durch das Nachfassen sei der am Tag nach dem Unfall festgestellte Druckschmerz über der langen Bizepssehne. Die Ruptur der Rotatorenmanschette bedinge eine MdE um 20 v.H.
33 
Mit Urteil vom 27.03.2007 verpflichtete das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zur Abänderung der bestandskräftigen Bescheide vom 20.01.2005 und vom 05.02.2004 einschließlich der hierzu ergangenen Widerspruchsbescheide, beim Kläger einen Zustand nach Schulterdistorsion links als Folge des Arbeitsunfalls vom 15.10.2003 und einen Zustand nach Innenmeniskusriss als Folge des Arbeitsunfalls vom 23.12.2004 anzuerkennen. Die darüber hinausgehende Klage auf Anerkennung weiterer Unfallfolgen und auf Gewährung einer Verletztenrente hat das Sozialgericht im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Feststellung eines Zustands nach Schulterdistorsion folge aus der Diagnose des Durchgangsarztes Dr. M.. Die Rotatorenmanschettenruptur links und das Impingement-Syndrom seien nach dem überzeugenden Gutachten von Dr. A. keine Unfallfolgen, weil es bei dem Unfall nur zu einem Zusammenprall mit den Türrahmen, aber nicht zu einer Zugbelastung der Schulter gekommen sei. Eine Kontusion der Schulter sei aber nach der medizinischen Literatur und nach den Ausführungen auch von Dr. K. und Dr. A. nicht geeignet, eine Rotatorenmanschette bzw. die Supraspinatussehne zum Reißen zu bringen. Dagegen sei der Innenmeniskusriss Folge des Arbeitsunfalls vom 23.12.2004, was sich aus dem Gutachten von Dr. A. ergebe. Eine relevante MdE ergebe sich aus den beiden Unfällen nicht.
34 
Das gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil ist dem Klägerbevollmächtigten am 10.05.2007 und der Beklagten am 11.05.2007 zugegangen.
35 
Der Kläger hat am 18.05.2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Die Beklagte hat am 08.06.2007 beim Landessozialgericht ein als Anschlussberufung bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt.
36 
Der Kläger hat zur Begründung vorgetragen, ein für die Annahme einer Gelegenheitsursache relevanter Vorschaden an der Schulter habe nicht vorgelegen. Dagegen spreche zum einen, dass er von Seiten der Schulter vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen sei. Radiologisch habe zum Unfallzeitpunkt nur eine geringe Arthrose im AC-Gelenk vorgelegen. Er als Rechtshänder habe bis heute keine Rotatorenmanschettenruptur an der rechten Schulter erlitten, was gegen eine anlagebedingte Degeneration spreche. Unter Berücksichtigung, dass der Durchgang einer normalen Tür 80 Zentimeter breit sei und eine Schulterbreite von maximal 60 Zentimeter anzunehmen sei, könne er sich bei der Prellung maximal 20 Zentimeter bewegt haben. Nach Dr. B. könne er auf dieser Wegstrecke unmöglich die Energie aufgebaut haben, um eine schwere Prellung mit Einblutung zu erleiden. Maßgebend sei daher die Zugbelastung gewesen. Eine Last von 5 kg an der Hand könne mit einer Hebelkraft von 1500 Newton auf den Ansatz der Rotatorenmanschette einwirken. Die Reißfestigkeit der Rotatorenmanschette betragen maximal 1850 Newton bei Jugendlichen. Bei einem Gewicht von 60 bis 70 Kilogramm der Theken habe mit entsprechendem Drehmoment eine enorme Zugbelastung auf den linken Arm einwirkt, als er die verkippende Theke aufgefangen habe. Der Kläger hat auf die Stellungnahme von Dr. B. vom 15.07.2007 verwiesen.
37 
Der Kläger beantragt,
38 
das Urteil des Sozialgerichts R. vom 27.03.2007 abzuändern
39 
und den Bescheid der Beklagten vom 20.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2005 aufzuheben sowie den Bescheid vom 05.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2004 abzuändern und festzustellen, dass eine Rotatorenmanschettenruptur links Folge des Arbeitsunfalls vom 15.10.2003 ist, und die Beklagte zu verpflichten, Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren
40 
sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen
41 
hilfsweise von Amts wegen, hilfsweise gem. § 109 SGG
42 
eine erneute chirurgische Untersuchung und Begutachtung unter Zugrundelegung des von ihm im Termin am 02.10.2007 dargestellten Sachverhaltes dazu durchzuführen,
43 
dass die im CT Dr. S. am 27.10.2003 (AS 16) festgestellte „Ruptur der Supraspinatussehne links mit Einblutung“ und die heutigen Beschwerden „Zustand nach Schulterdistorsion links, Rotatorenmanschettenruptur links und anhaltendes Impingementsyndrom“ Folge davon sind, dass ihm beim Unfall am 15.10.2003 eine Messetheke abgerutscht ist, er nachfassen musste und mit verdrehter Körperhaltung gegen den Türrahmen links prallte
44 
und diese Funktionsstörungen mit einer MdE um mindestens 20% zu bewerten sind.
45 
Die Beklagte beantragt,
46 
das Urteil des Sozialgerichts R. vom 27.03.2007 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen
47 
sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
48 
Die Beklagte hat zur Begründung ausgeführt, es sei nicht erkennbar, weshalb das Sozialgericht die Feststellung einer verheilten Schulterprellung durch die Diagnose einer verheilten Schulterdistorsion ersetzt habe. Nach dem DAB vom 16.10.2003 sei zweifelsfrei von einer Kontusion auszugehen. Beim Unfall am 23.12.2004 sei es zu einer Stauchung des rechten Kniegelenks gekommen. Hinweise auf eine strukturelle Läsion seien nicht belegt. Ein isolierter Innenmeniskushinterhornschaden sei kein verletzungsspezifisches Schadensbild. Ein Anspruch auf Korrektur der bestandskräftigen Ablehnungsbescheide nach § 44 SGB X bestehe nicht. Neue, für den Kläger günstige Tatsachen oder Beweismittel lägen nicht vor. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass von einem falschen Sachverhalt ausgegangen oder dass das Recht unrichtig angewandt worden sei.
49 
Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 02.10.2007 hat der Kläger ergänzende Angaben zur Sache gemacht. Hierzu wird auf die gefertigte Niederschrift verwiesen. Die Beklagte hat erklärt, eine unselbstständige Berufungseinlegung sei nicht gewollt gewesen.
50 
Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Unterlagen und die im Berufungsverfahren angefallene Akte des Senats verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
51 
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten sind zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
52 
Entgegen der von der Beklagten gewählten Bezeichnung einer Anschlussberufung (§ 202 SGG i. V. m. § 524 Zivilprozessordnung) hat die Beklagte eine selbstständige Berufung erhoben. Damit ist die Beklagte auch nicht gehindert, ihren Berufungsantrag über den auf den Unfall vom 15.10.2003 begrenzten Berufungsantrag des Klägers hinaus auch auf den Unfall vom 23.12.2004 zu erstrecken.
53 
Die gewählte Bezeichnung ist nicht zwingend ausschlaggebend für das gewählte Rechtsmittel (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 8. Aufl., § 143 Rdnr. 5), zumal nach der ZPO früher zwischen selbstständiger und unselbstständiger Anschlussberufung unterschieden worden ist. Es ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob eine unselbstständige Anschlussberufung oder eine selbstständige Berufung gewollt ist (vgl. Meyer-Ladewig a. a. O.). Die Beklagte hat im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter erläutert, keine unselbstständige Berufungseinlegung beabsichtigt zu haben. Dies deckt sich mit dem Umstand, dass die Berufung der Beklagten innerhalb der mit Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 11.05.2007 beginnenden Berufungsfrist am 08.06.2007 und damit fristgerecht eingelegt worden ist. Die Notwendigkeit nur eine unselbstständige Anschlussberufung zu verfolgen, die auch noch nach Ablauf der für den Beteiligten geltenden Rechtsbehelfsfrist erhoben werden kann, bestand daher nicht.
54 
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Berufung der Beklagten ist dagegen begründet. Das Urteil des Sozialgerichts war daher insoweit abzuändern, als es die Beklagte zur Feststellung von Unfallfolgen der Unfälle vom 15.10.2003 und 23.12.2004 verpflichtet.
55 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abänderung des bestandskräftigen Bescheides vom 05.02. 2004 und des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2004 nach § 44 SGB X.
56 
Der Anspruch auf Anerkennung von Unfallfolgen ist im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X als Feststellungsklage geltend zu machen. Richtige Klageart zur Erreichung dieses angestrebten Ziels ist insoweit die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 iVm § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, bedarf es in einem Gerichtsverfahren zur Überprüfung eines Verwaltungsakts nach § 44 SGB X nicht. Dass ein Verwaltungsakt nach Eintritt der Bindungswirkung nicht mehr vor Gericht angefochten, sondern nur noch im Zugunstenverfahren zurückgenommen werden kann und dass hierüber nach § 44 Abs 3 SGB X die zuständige Verwaltungsbehörde entscheidet, rechtfertigt nicht den Schluss, dass auch im Prozess über die Ablehnung des Zugunstenantrags die Rücknahmeentscheidung nicht vom Gericht ersetzt werden kann. Wäre es anders, käme eine mit dem Verpflichtungsantrag verbundene Leistungsklage - die auch von der Gegenmeinung (vgl. u. a. SozR 3-1300 § 44 Nr 8 S 19; SozR 3-4100 § 249e Nr 7 S 52; SozR 3-3100 § 30 Nr 18 S 43; Steinwedel in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: 2006, § 44 SGB X RdNr. 16; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 54 RdNr. 20c) für zulässig gehalten wird - aus systematischen Gründen nicht in Betracht. Denn die Verwaltungsbehörde kann nicht zur Leistung verurteilt werden, ehe der entgegenstehende bestandskräftige (Ausgangs-)Bescheid beseitigt ist und solange nur die Behörde verpflichtet ist, ihn zurückzunehmen. Richtigerweise kann deshalb mit der Anfechtungsklage gegen den eine Zugunstenentscheidung ablehnenden Bescheid zugleich die Aufhebung des früheren, dem Klageanspruch entgegenstehenden (Ausgangs-)Bescheides unmittelbar durch das Gericht verlangt werden (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
57 
Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
58 
Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen. Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr 15; BSG SozR 2200 § 1268 Nr 29). Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss die Behörde in eine erneuten Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr 15; BSG SozR 3-2600 § 243 Nr 8 S 27 f; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 23 S 119 f;).
59 
Soweit die Entscheidungen des 9. und des 4. Senats des BSG (BSG vom 3. Februar 1988 - 9/9a RV 18/86 - BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 33 und BSG vom 3. April 2004 - B 4 RA 22/00 R - BSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20), die in Anlehnung an die gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahren (vgl §§ 578 ff der Zivilprozessordnung) oder an § 51 VwVfG ein abgestuftes Prüfungsverfahren (Vorlage neuer Tatsachen oder Erkenntnisse - Prüfung derselben, insbesondere ob sie erheblich sind - Prüfung, ob Rücknahme zu erfolgen hat - neue Entscheidung) fordern, folgt nichts Anderes. Unabhängig von der Frage, inwieweit der aufgezeigten Rechtsprechung zu einem abgestuften Prüfungsverfahren gefolgt werden kann, ist zu berücksichtigen, dass § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X zwei Alternativen anführt, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen sein kann: Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel und ein abgestuftes Verfahren, wie oben dargestellt, ankommen. Bei der ersten Alternative handelt es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss (vergleiche zum Vorstehenden insgesamt BSG Urt. v. 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
60 
Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger sich nicht auf die Behauptung neuer Tatsachen beschränkt. Er hat eine umfassende Überprüfung beantragt und neue Beweismittel durch die ärztlich-gutachterlichen Äußerungen von Dr. B. vorgelegt. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann eine Ablehnung des Antrags nach § 44 SGB X daher nicht auf das Fehlen der genannten formalen Voraussetzungen, dem Vorbringen eines unrichtigen oder neuen Sachverhalts, gestützt werden. Die inhaltliche Überprüfung ergibt aber keine fehlerhafte Rechtsanwendung oder die Annahme eines unrichtigen Sachverhalts hinsichtlich des Unfalls vom 15.10.2003.
61 
Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist neben dem inneren bzw. sachlichen Zusammenhang der Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls mit der versicherten Tätigkeit erforderlich, dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R).
62 
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff mwN sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.
63 
Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11, 19ff m.w.N.) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl. BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm - hier des § 56 SGB VII - zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.; SozR 2200 § 589 Nr. 96).
64 
Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76). Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (BSG SozR Nr. 69 zu § 542 aF RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; vgl. Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2006, § 8 RdNr. 314, Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Kap 1.3.6.1, S 80 f). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (BSGE 12, 242, 245 = SozR Nr 27 zu § 542 RVO; BSG SozR Nr 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr 10; BSG SozR 2200 § 548 Nr 75; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15 jeweils RdNr 11). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr 10; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15 jeweils RdNr 11; ähnlich Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO). Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen oder besonderen Problemen in der anschließenden Heilbehandlung, ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne weiteres zu unterstellen ist (vgl. insgesamt zum Vorstehenden BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R).
65 
Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (stRspr BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr 15 zu § 1263 aF RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. mH auf BSG SozR Nr. 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 aF RVO; BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO, Kap 1.8.2, S. 119 f; Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 128 RdNr. 3c). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 mwN).
66 
Nach diesen Grundsätzen ist zur Überzeugung des Senats die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und der diagnostizierten subtotalen Ruptur der Supraspinatussehne nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit belegt. Der wesentliche Zusammenhang kann nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden.
67 
Der Senat geht davon aus, dass der Kläger am 15.10.2003 mit beiden Händen und gestreckten Armen zusammen mit einem Kollegen eine 60 Kilogramm schwere, 80 cm breite und 175 Zentimeter lange Messetheke trug. Beim Durchqueren eines Durchgangs rutschte ihm als Vordermann beim Rückwärtsgehen die Theke aus der linken Hand. Beim Nachfassen mit der linken Hand war der Kläger durch das Gewicht der Theke an den Türrahmen gedrückt worden und hatte sich die linke Schulter angeschlagen. Dies ergibt sich aus den Angaben des Klägers im Erörterungstermin am 02.10.2007 und deckt sich weitgehend mit den Erstangaben, die der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 01.12.2004 zum Antrag nach § 44 SGB X hat vortragen lassen. Einen erheblichen Impuls für eine Zugbelastung der Sehne, wie dies Dr. B. in mehreren Sachverhaltsvarianten - einmal beim Vorwärtsgehen und einmal beim Rückwärtsgehen des Klägers - mit dem unerwarteten Loslassen der Theke durch den Kollegen und deren Aufprall auf dem Boden angenommen hat, kann der Senat daher nicht feststellen.
68 
Dieser Unfallhergang war nicht wesentlich kausal für den Eintritt einer Rotatorenmanschettenruptur, was der Senat den nachvollziehbaren Äußerungen der Sachverständigen Dr. K. und Dr. A. entnimmt.
69 
Aus den erhobenen medizinischen Befunden ist zur Überzeugung des Senats eine erhebliche Vorschädigung der Supraspinatussehne abzuleiten. Eine für die Zusammenhangsbeurteilung relevante Vorerkrankung des vom Unfall betroffenen Organs (Rotatorenmanschette) kann auch durch medizinische Befunde über andere, im physiologischen Zusammenhang stehende Organstrukturen und durch die nachgewiesene Intensität der unfallbedingten Einwirkung bewiesen werden.
70 
Ein Befund über den Zustand der Rotatorenmanschette bzw. der Supraspinatussehne vor dem Unfallereignis liegt nicht vor. Nach Dr. A. und Dr. K. ergeben sich aber aus der 10 Tage nach dem Unfall gefertigten Kernspintomografie des linken Schultergelenks eine angeborene Fehlform der Schulterhöhe sowie eine Spornbildung (Osteophyten) des Schultereckgelenks, die zusammen eine Einengung des Subacromialraums bedingen. Nach medizinischer Erfahrung führt dies zu einer degenerativen substanziellen Verdünnung der in diesem Raum verlaufenden Supraspinatussehne. Entgegen Dr. B. ist die vom Durchgangsarzt gefertigte Röntgenaufnahme, aus der sich nach Beurteilung des Durchgangsarztes Dr. M. nur diskrete Unregelmäßigkeiten des Gelenkes ergeben, kein überzeugender Beleg für unauffällige Gelenksverhältnisse. Die im November 2003 vom Klinikum V.-S. durchgeführte Sonografie der linken Schulter ergab in Übereinstimmung mit dem Befund aus der Kernspintomografie vielmehr eine erhebliche AC-Gelenkarthrose (Arztbrief von Dr. T. vom 19.11.2003), woraus Dr. A. sogar geschlossen hat, dass die Ruptur zum Zeitpunkt des Unfalls bereits bestanden hatte. Aus dem vom Durchgangsarzt Dr. M. erhobenen Erstbefund ergibt sich keine typische Symptomatik einer Supraspinatussehnenruptur, weshalb er auch eine solche Diagnose in seinem DAB vom 16.10.2003 nicht gestellt hatte. Es bestand kein Druckschmerz über der Rotatorenmanschette. Die Beweglichkeit des linken Arms im Schultergelenk war nicht auffallend eingeschränkt, der Schürzen- und Nackengriff war, wenn auch schmerzhaft, demonstrierbar. Ein typischer schmerzhafter Bogen wurde nicht beschrieben, insbesondere der beim unfallbedingten plötzlichen Kontinuitätsverlust typische Fallarm ist nicht dokumentiert (DAB vom 16.10.2003). Entweder bestand zu diesem Zeitpunkt kein Riss oder eine eingerissene Sehne verursachte keine Beschwerden. Für einen dann allenfalls vorbestehenden Riss könnte sprechen, dass eine mögliche Kompensation der nachlassenden Funktionalität der Supraspinatussehne durch andere Strukturen der Rotatorenmanschette, wie sie bei allmählicher degenerativer Entwicklung bis zur Teilruptur auftritt, den verletzungsuntypischen Befund erklären kann.
71 
Aus den in Betracht kommenden konkreten Einwirkungen eines Anpralls oder einer Zerrung ist der Rückschluss auf eine erheblich vorgeschädigte und eine durch jedes andere belastende Alltagsereignis ebenso leicht für Verletzungen ansprechbare Supraspinatussehne zu ziehen.
72 
In Übereinstimmung mit der unfallmedizinischen Literatur sind Dr. K. und Dr. A. davon ausgegangen, dass eine Prellung der Schulter durch den knöchernen Schutz der Schulterhöhe und des Muskelmantels grundsätzlich nicht geeignet ist, eine - gesunde - Supraspinatussehne zu zerreißen. Dr. A. hält hierbei die naturwissenschaftlich-philosophische Kausalität bereits für nicht für gegeben. Selbst wenn gleichwohl eine Kausalität im physikalischen Sinne bestünde und damit noch nicht ausgeschlossen wäre, dass durch eine erhebliche Prellung eine zwar degenerativ veränderte, aber Alltagbelastungen noch gewachsene Sehne durch die dadurch hervorgerufenen pathomechanischen Vorgänge Schaden nimmt, ist die nachgewiesene Mechanik der Prellung, die der Kläger am Unfalltag erlitten hat, bei einer vergleichenden Betrachtung nicht mit einer solchen Intensität einhergegangen, dass sie eine alltägliche Belastung überschritten hätte.
73 
Von einer Prellung mit allenfalls Alltagbelastungen gleichkommender Auswirkung sind die Sachverständigen Dr. K. und Dr. A. ausgegangen. Selbst Dr. B. hat den vom Kläger geschilderten Vorgang zum Anprall der Schulter als ungeeignet für die Verursachung der diagnostizierten Ruptur beurteilt. Der Kläger ist durch die Gewichtsverlagerung der ins Rutschen gekommenen Theke ohne zu stürzen und aufrecht stehend gegen den Türrahmen gestoßen. Die Theke ist dabei nicht zu Boden gestürzt. Der Anstoß am Türrahmen hat nach dem DAB vom 16.10.2003 kein Hämatom verursacht. Die Aufprallenergie ist bei der nur kurzen, denkbar möglichen Strecke, die vom Zeitpunkt des Verlusts des Gleichgewichts bis zum Anprall der Schulter am Türrahmen hat zurückgelegt werden können, daher nur sehr niedrig gewesen. Dr. K. hat hieraus gefolgert, dass die auf die Supraspinatussehne einwirkende Kraft, die zudem durch die Kraftrichtung nicht zu einer Zugbelastung der Sehne führte, nicht größer war als die entstehenden Belastungen, wie sie im Alltag beim Tragen von (zu ergänzen: normal schweren) Lasten oder auch bei Überkopfarbeiten (zu ergänzen: ohne besondere Gewichtsbelastung) auftreten. Dies ist für den Senat überzeugend, denn der vom Kläger zuletzt im Erörterungstermin geschilderte Vorgang entspricht durchaus vergleichbaren Alltagsituationen mit folgenlosem Anstoßen der Schulter wie es z. B. auf Veranstaltungen im Gedränge einer Menschenmenge (Volksfesten) oder in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln vorkommen kann.
74 
Von einer erheblichen Mitursächlichkeit im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne der Zerrung ist der Senat bereits deshalb nicht überzeugt, weil der Kläger in seinen ersten Angaben das Auftreten von Schulterschmerzen ganz konkret mit dem Anprall an den Türrahmen in Verbindung gebracht hat und den Bewegungsvorgang beim Nachgreifen der rutschenden Last nur als Auslöser für den Verlust des Gleichgewichts, aber nicht als Ursache der Schulterschmerzen angegeben hat. (Antragsschrift des Klägerbevollmächtigten vom 01.12.2004; Angaben des Klägers bei der Untersuchung durch Dr. K. am 25.08.2005). Unabhängig davon ist aber auch auf der zweiten Ebene der Kausalitätsprüfung eine wesentliche Mitursächlichkeit der Zerrung zu verneinen.
75 
Entgegen den Ausführungen von Dr. B. ist mit den Sachverständigen Dr. K. und Dr. A. auch eine wesentlich ursächliche Unfallmechanik durch eine Zerrung nicht festzustellen. Die Ausführungen von Dr. B. sind bereits deshalb nicht überzeugend, weil er seinen Überlegungen fälschlich zugrunde gelegt hatte, dass der Kollege des Klägers die Messetheke unerwartet hat zu Boden fallen lassen. Zwar sind Dr. K. und Dr. A. von einem vergleichbaren Geschehensablauf ausgegangen, doch haben sie überzeugend ausgeführt, dass das vom Kläger anlässlich ihrer Untersuchung geschilderte bloße Nachfassen infolge der wegkippenden Theke keine ausreichende Zugbelastung für die Supraspinatussehne darstellt. Entgegen Dr. B. haben die beiden Ärzte dem Aufschlagen der Theke auf dem Boden oder dem dadurch verursachten abrupten Abbremsen des Klägers keine Verstärkung des auf die Sehne einwirkenden Impulses beigemessen. Vielmehr hat Dr. K. für den Senat überzeugend dargelegt, dass sich das Gewicht der Theke von 60 Kilogramm bei zwei Trägern nicht nur hälftig verteilt, sondern die den Kläger treffende Belastung auch noch über die zwei Hände verteilt ist und das Nachgreifen an der verrutschenden Theke auf Grund der Masseträgheit auch nicht eine sofortige Gewichtsverlagerung allein auf die linke Seite bedingt. Diese Ausführungen gelten umso mehr, da der Kläger das Loslassen der Theke durch den Kollegen verneint hat, dieser somit weiter einen Teil der Last getragen hat. Zudem ist die plötzliche Zugbelastung der Supraspinatussehne durch das Nachfassen nicht erheblich gewesen, denn anatomisch war nach Dr. A. die Supraspinatussehne hieran nicht ausschließlich beteiligt, sondern größtenteils ist die einwirkende Kraft durch andere Strukturen wie Gelenkkapsel, andere Sehnen und gelenkumhüllende Muskulatur resorbiert worden. Diesbezüglich hat auch Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 19.11.2006 ausgeführt, dass im physiologischen Ablauf die Bizepssehne bei diesem Vorgang am meisten belastet gewesen ist. Der Senat geht deshalb bei wertender Betrachtung davon aus, dass das willentlich ausgeführte Umgreifen an der Traglast mit keiner höheren Zugbelastung der Supraspinatussehne einhergegangen ist wie sie auch beim Transport von Lasten im täglichen Leben entsteht, zum Beispiel beim Heben und Tragen von Einkäufen, Getränkekisten etc.. Für den Senat überzeugend hat Dr. A. darauf hingewiesen, dass das von Dr. B. unter Bezugnahme auf die unfallmedizinische Literatur genannte Beispiel einer schädigenden Zugbelastung durch das ungeplante Auffangen eines schweren fallenden oder stürzenden Gegenstandes nicht mit dem geplanten, wenn auch reflektorischen Nachgreifen an einer bereits getragenen Last vergleichbar ist, wobei in den Beispielsfällen aus der Literatur auch andere Kräfte zur Wirkung kommen. Wenn daher die Zugbelastung zur Läsion der Supraspinatussehne geführt haben sollte, wäre auch dies als Gelegenheitsursache beurteilen.
76 
Damit kann der Senat auch dahinstehen lassen, ob die 10 Tage nach dem Unfall diagnostizierte Teilruptur der Supraspinatussehne durch das Ereignis hervorgerufen oder bereits vorbestanden hat oder auch die vorbestehende Teilruptur hierdurch lediglich erweitert wurde. Für letzteres spräche die in der Kernspintomografie gesicherte frische Einblutung, die sich aber auch nach dem Unfallereignis hätte entwickeln können. Allein wesentliche Ursache ist aber für alle Sachverhaltsvarianten der unfallvorbestehende degenerative Zustand der Supraspinatussehne, der durch das Unfallereignis lediglich manifest wurde.
77 
Der Senat hat aufgrund der überzeugenden Gutachten von Dr. K. und Dr. A. keine Veranlassung zu weiteren medizinischen Ermittlungen gesehen, da deren Würdigung des Sachverhalts die vom Senat festgestellten - entscheidungserheblichen - Tatumstände mit umfasst. Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag des Klägers ist nicht zu entnehmen, weshalb bei der vom Senat festgestellten Ausgangslage, die auch der Beweisantrag zu Grunde legt, die vom Sozialgericht eingeholten Gutachten keine verwertbaren medizinischen Erkenntnisse vermitteln. Der hilfsweise nach § 109 SGG beantragten weiteren Beweisaufnahme hat der Senat nicht stattgegeben, denn es sind bereits die Gutachten von Dr. K. und Dr. A. auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eingeholt worden. Das Antragsrecht ist damit verbraucht. Gründe, die eine grundsätzlich nicht gebotene wiederholende Begutachtung nach § 109 SGG (vgl. Keller in Meyer-Ladewig a.a.O. § 109 RdNr. 10b) rechtfertigen, sind, wie dargelegt, nicht überzeugend vorgetragen. Zudem ist mit richterlicher Verfügung vom 28.12.2007 mitgeteilt worden, dass keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen erfolgen. Der mehr als zwei Monate danach in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag nach § 109 SGG ist daher nach Ablauf einer angemessenen Überlegungsfrist von einem Monat (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. stellvertretend Urteil vom 17.09.2007 - L 1 U 733/07 - unveröffentlicht; Keller a.a.O. RdNr. 11) verspätet. Dies beinhaltet, dass der aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebrachte Antrag den Rechtstreit verzögert hätte und der Senat auch im Rahmen seines Ermessens nach § 109 Abs. 2 SGG den Antrag abgelehnt hätte.
78 
Die Berufung des Klägers ist auch insoweit unbegründet, als er Verletztenrente begehrt.
79 
Ein Anspruch auf Verletztenrenten aus Anlass des Unfalls vom 15.10.2003 besteht nicht. Die bestandskräftig als Unfallfolge festgestellte Prellung ist nach Tagen bzw. Wochen folgenlos ausgeheilt gewesen. Fortbestehende Gesundheitsstörungen einer Prellung sind insofern von keinem Arzt diagnostiziert worden.
80 
Die Berufung der Beklagte auf Abänderung des Urteils, soweit sie zur Feststellung eines Zustands nach Schulterdistorsion links als Unfallfolge verurteilt worden ist, ist dagegen begründet. Eine unfallbedingte, durch eine Schulterdistorsion (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, online: Verstauchung, Zerrung; häufig durch indirekte Gewalteinwirkung, z. B. Supinationstrauma des Fußes, Verdrehung des Kniegelenks, Stauchung der Hand, entstehende Mikro- bis Makroläsionen im Bandapparat) verursachte Gesundheitsstörung ist nach den obigen Ausführungen nicht zu begründen. Zur Feststellung eines unfallbedingten Zustandes nach Distorsion, der auch nicht näher konkretisiert wird, konnte die Beklagte daher auch nicht verurteilt werden. Im Übrigen sind die Urteilsbegründung und der Urteilsausspruch nicht miteinander zu vereinbaren, da das Sozialgericht unter Berufung auf die Beurteilung von Dr. K. nur von einem Zusammenprall der linken Schulter des Klägers mit dem Türrahmen ausgegangen ist - insoweit ist eine Prellung als Unfallfolge bereits bestandskräftig festgestellt - und das Sozialgericht ausdrücklich eine Zugbelastung der Schulter verneint hat.
81 
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Feststellung des Innenmeniskusrisses rechts als Folge des Unfalls vom 23.12.2004 wendet.
82 
Sowohl nach Dr. B. wie auch nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. A. ist das vom Kläger geschilderte Ereignis des Ausrutschens geeignet, eine Meniskusverletzung hervorzurufen. Dies überzeugt den Senat jedoch nicht.
83 
Zwar hat der Kläger über den genauen Unfallablauf außer dem Umstand, dass er sich nach der rechten Seite während des Sturzes verdreht hat, keine genauen Angaben gemacht, auch nicht bei seiner Anhörung durch den Berichterstatter im Erörterungstermin am 02.10.2007. Er hat aber durchgehend geschildert, auf glattem Boden ausgerutscht und mit Körperschwung gestürzt zu sein. Dr. A. und Dr. B. haben für den Senat überzeugend unter Hinweis auf die unfallmedizinische Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. S. 692) ausgeführt, dass beim Stolpern und Ausrutschen die plötzliche Streckung des gebeugten und rotierten Unterschenkels zur Verletzung des Meniskus führen kann. Wenn Dr. B. aber offensichtlich meint, dass bei diesem Unfallmechanismus eine erforderliche Fixierung des Unterschenkels oder des Fußes zur plötzlichen Unterbrechung der physiologischen Schlussrotation des Kniegelenks (vgl. Schönberger u. a., a. a. O.) verzichtbar ist, die aber Dr. K. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 17.05.2005 zutreffend fordert, kann dem nicht gefolgt werden. Dr. A. hat im Einklang mit der unfallmedizinischen Literatur und daher für den Senat überzeugend für seine Beurteilung die Angabe des Klägers, sein Fuß sei fixiert gewesen, allerdings ungeprüft, zugrunde gelegt. Wie und durch was der Fuß am Boden fixiert gewesen sein soll, ist dem Gutachten nicht zu entnehmen.
84 
Der Kläger hat bei seiner Anhörung durch den Berichterstatter keine Umstände dargelegt, die unmittelbar eine Fixierung der rechten unteren Extremität in diesem Sinne ergeben haben. Er hat ausdrücklich eine unebene Bodenbeschaffenheit, in der sich der Fuß hätte verfangen können, verneint. Ein Verdrehen des rechten Fußes durch den Körperschwung beim Sturz, sodass der Standfuß der Bewegung nicht hätte folgen können bzw. ein Verdrehtrauma durch Aufprall auf dem Boden und Weiterdrehung des Rumpfes als denkbare Möglichkeiten hat der Kläger nicht geschildert; er hat nicht mehr angeben können, ob die Schmerzen im Knie während des Sturzes oder erst nach dem Sturz aufgetreten sind und wie der Sturz im Einzelnen abgelaufen ist.
85 
Dr. A. hat seine Zusammenhangsbeurteilung auch darauf gestützt, dass bereits nach dem Sturz erhebliche Schmerzen, die auf einen unmittelbar eingetretenen Meniskusriss hindeuten, aufgetreten seien. Dem steht gegenüber, dass der Kläger in seinem Schreiben vom 25.03.2005 angegeben hat, vorerst nur leichte Schmerzen gehabt zu haben, die bis zum Arztbesuch am 13.01.2005 zugenommen hätten. Wenn dagegen tatsächlich am Donnerstag, den 23.12.2004, erhebliche Schmerzen aufgetreten sind, ist es nicht verständlich, dass der Kläger nicht bereits in den verbleibenden Werktagen bis zu den Weihnachtsfeiertagen einen Arzt aufgesucht hat, sondern seit dem Unfall ca. drei Wochen sogar über die Feiertage hinaus hat verstreichen lassen.
86 
Einen Meniskusriss, zwar als Verdachtsdiagnose, hat Dr. B. erst am 13.01.2005 diagnostiziert, der dann durch die Kernspintomografie am 17.01.2005 von Dr. H. bestätigt worden ist. Hierbei zeigten sich aber Seitenbänder und Außenbandapparatur unauffällig, lediglich die von Dr. B. bereits diagnostizierte Distorsion des Innenbandes wurde zusätzlich bestätigt. Nach Dr. A. ergab aber die histologische Aufarbeitung des anlässlich der Arthroskopie am 01.06.2005 entnommenen Gewebes fortgeschrittene degenerative Veränderungen, wobei eine Einblutung in das entfernte Gewebe nicht nachgewiesen werden konnte. Ob dies darauf beruht, dass keine substanzielle traumatische Schädigung vorgelegen hat oder eine solche auf Grund des Zeitablaufs bereits weitgehend mit Abbau der Blutablagerungen verheilt war, ist nicht festzustellen. Danach spricht für einen traumatisch bedingten Meniskusriss lediglich das Indiz einer Innenbanddehnung.
87 
Da aber eine bereits fortgeschrittene Degeneration des Kniebinnengelenkes mit Knorpelschädigung dem Operationsbericht vom 01.06.2006 zu entnehmen ist und außer der Innenbanddehnung keine Hinweise auf ein geeignetes Kniebinnengelenkstrauma vorliegen, insbesondere keine adäquate Beschwerdesymptomatik am Unfalltag, ist der Senat nicht vom Vorliegen eines unfallbedingten Innenmeniskusrisses überzeugt. Vielmehr sprechen die genannten Umstände mehr gegen als für einen unfallbedingten Zusammenhang.
88 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
89 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
51 
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten sind zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
52 
Entgegen der von der Beklagten gewählten Bezeichnung einer Anschlussberufung (§ 202 SGG i. V. m. § 524 Zivilprozessordnung) hat die Beklagte eine selbstständige Berufung erhoben. Damit ist die Beklagte auch nicht gehindert, ihren Berufungsantrag über den auf den Unfall vom 15.10.2003 begrenzten Berufungsantrag des Klägers hinaus auch auf den Unfall vom 23.12.2004 zu erstrecken.
53 
Die gewählte Bezeichnung ist nicht zwingend ausschlaggebend für das gewählte Rechtsmittel (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 8. Aufl., § 143 Rdnr. 5), zumal nach der ZPO früher zwischen selbstständiger und unselbstständiger Anschlussberufung unterschieden worden ist. Es ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob eine unselbstständige Anschlussberufung oder eine selbstständige Berufung gewollt ist (vgl. Meyer-Ladewig a. a. O.). Die Beklagte hat im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter erläutert, keine unselbstständige Berufungseinlegung beabsichtigt zu haben. Dies deckt sich mit dem Umstand, dass die Berufung der Beklagten innerhalb der mit Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 11.05.2007 beginnenden Berufungsfrist am 08.06.2007 und damit fristgerecht eingelegt worden ist. Die Notwendigkeit nur eine unselbstständige Anschlussberufung zu verfolgen, die auch noch nach Ablauf der für den Beteiligten geltenden Rechtsbehelfsfrist erhoben werden kann, bestand daher nicht.
54 
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Berufung der Beklagten ist dagegen begründet. Das Urteil des Sozialgerichts war daher insoweit abzuändern, als es die Beklagte zur Feststellung von Unfallfolgen der Unfälle vom 15.10.2003 und 23.12.2004 verpflichtet.
55 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abänderung des bestandskräftigen Bescheides vom 05.02. 2004 und des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2004 nach § 44 SGB X.
56 
Der Anspruch auf Anerkennung von Unfallfolgen ist im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X als Feststellungsklage geltend zu machen. Richtige Klageart zur Erreichung dieses angestrebten Ziels ist insoweit die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 iVm § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, bedarf es in einem Gerichtsverfahren zur Überprüfung eines Verwaltungsakts nach § 44 SGB X nicht. Dass ein Verwaltungsakt nach Eintritt der Bindungswirkung nicht mehr vor Gericht angefochten, sondern nur noch im Zugunstenverfahren zurückgenommen werden kann und dass hierüber nach § 44 Abs 3 SGB X die zuständige Verwaltungsbehörde entscheidet, rechtfertigt nicht den Schluss, dass auch im Prozess über die Ablehnung des Zugunstenantrags die Rücknahmeentscheidung nicht vom Gericht ersetzt werden kann. Wäre es anders, käme eine mit dem Verpflichtungsantrag verbundene Leistungsklage - die auch von der Gegenmeinung (vgl. u. a. SozR 3-1300 § 44 Nr 8 S 19; SozR 3-4100 § 249e Nr 7 S 52; SozR 3-3100 § 30 Nr 18 S 43; Steinwedel in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: 2006, § 44 SGB X RdNr. 16; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 54 RdNr. 20c) für zulässig gehalten wird - aus systematischen Gründen nicht in Betracht. Denn die Verwaltungsbehörde kann nicht zur Leistung verurteilt werden, ehe der entgegenstehende bestandskräftige (Ausgangs-)Bescheid beseitigt ist und solange nur die Behörde verpflichtet ist, ihn zurückzunehmen. Richtigerweise kann deshalb mit der Anfechtungsklage gegen den eine Zugunstenentscheidung ablehnenden Bescheid zugleich die Aufhebung des früheren, dem Klageanspruch entgegenstehenden (Ausgangs-)Bescheides unmittelbar durch das Gericht verlangt werden (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
57 
Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
58 
Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen. Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr 15; BSG SozR 2200 § 1268 Nr 29). Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss die Behörde in eine erneuten Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr 15; BSG SozR 3-2600 § 243 Nr 8 S 27 f; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 23 S 119 f;).
59 
Soweit die Entscheidungen des 9. und des 4. Senats des BSG (BSG vom 3. Februar 1988 - 9/9a RV 18/86 - BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 33 und BSG vom 3. April 2004 - B 4 RA 22/00 R - BSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20), die in Anlehnung an die gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahren (vgl §§ 578 ff der Zivilprozessordnung) oder an § 51 VwVfG ein abgestuftes Prüfungsverfahren (Vorlage neuer Tatsachen oder Erkenntnisse - Prüfung derselben, insbesondere ob sie erheblich sind - Prüfung, ob Rücknahme zu erfolgen hat - neue Entscheidung) fordern, folgt nichts Anderes. Unabhängig von der Frage, inwieweit der aufgezeigten Rechtsprechung zu einem abgestuften Prüfungsverfahren gefolgt werden kann, ist zu berücksichtigen, dass § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X zwei Alternativen anführt, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen sein kann: Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel und ein abgestuftes Verfahren, wie oben dargestellt, ankommen. Bei der ersten Alternative handelt es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss (vergleiche zum Vorstehenden insgesamt BSG Urt. v. 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).
60 
Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger sich nicht auf die Behauptung neuer Tatsachen beschränkt. Er hat eine umfassende Überprüfung beantragt und neue Beweismittel durch die ärztlich-gutachterlichen Äußerungen von Dr. B. vorgelegt. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann eine Ablehnung des Antrags nach § 44 SGB X daher nicht auf das Fehlen der genannten formalen Voraussetzungen, dem Vorbringen eines unrichtigen oder neuen Sachverhalts, gestützt werden. Die inhaltliche Überprüfung ergibt aber keine fehlerhafte Rechtsanwendung oder die Annahme eines unrichtigen Sachverhalts hinsichtlich des Unfalls vom 15.10.2003.
61 
Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist neben dem inneren bzw. sachlichen Zusammenhang der Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls mit der versicherten Tätigkeit erforderlich, dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R).
62 
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff mwN sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.
63 
Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11, 19ff m.w.N.) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl. BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm - hier des § 56 SGB VII - zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.; SozR 2200 § 589 Nr. 96).
64 
Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76). Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (BSG SozR Nr. 69 zu § 542 aF RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; vgl. Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2006, § 8 RdNr. 314, Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Kap 1.3.6.1, S 80 f). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (BSGE 12, 242, 245 = SozR Nr 27 zu § 542 RVO; BSG SozR Nr 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr 10; BSG SozR 2200 § 548 Nr 75; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15 jeweils RdNr 11). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr 10; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15 jeweils RdNr 11; ähnlich Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO). Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen oder besonderen Problemen in der anschließenden Heilbehandlung, ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne weiteres zu unterstellen ist (vgl. insgesamt zum Vorstehenden BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R).
65 
Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (stRspr BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr 15 zu § 1263 aF RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. mH auf BSG SozR Nr. 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 aF RVO; BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO, Kap 1.8.2, S. 119 f; Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 128 RdNr. 3c). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 mwN).
66 
Nach diesen Grundsätzen ist zur Überzeugung des Senats die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und der diagnostizierten subtotalen Ruptur der Supraspinatussehne nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit belegt. Der wesentliche Zusammenhang kann nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden.
67 
Der Senat geht davon aus, dass der Kläger am 15.10.2003 mit beiden Händen und gestreckten Armen zusammen mit einem Kollegen eine 60 Kilogramm schwere, 80 cm breite und 175 Zentimeter lange Messetheke trug. Beim Durchqueren eines Durchgangs rutschte ihm als Vordermann beim Rückwärtsgehen die Theke aus der linken Hand. Beim Nachfassen mit der linken Hand war der Kläger durch das Gewicht der Theke an den Türrahmen gedrückt worden und hatte sich die linke Schulter angeschlagen. Dies ergibt sich aus den Angaben des Klägers im Erörterungstermin am 02.10.2007 und deckt sich weitgehend mit den Erstangaben, die der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 01.12.2004 zum Antrag nach § 44 SGB X hat vortragen lassen. Einen erheblichen Impuls für eine Zugbelastung der Sehne, wie dies Dr. B. in mehreren Sachverhaltsvarianten - einmal beim Vorwärtsgehen und einmal beim Rückwärtsgehen des Klägers - mit dem unerwarteten Loslassen der Theke durch den Kollegen und deren Aufprall auf dem Boden angenommen hat, kann der Senat daher nicht feststellen.
68 
Dieser Unfallhergang war nicht wesentlich kausal für den Eintritt einer Rotatorenmanschettenruptur, was der Senat den nachvollziehbaren Äußerungen der Sachverständigen Dr. K. und Dr. A. entnimmt.
69 
Aus den erhobenen medizinischen Befunden ist zur Überzeugung des Senats eine erhebliche Vorschädigung der Supraspinatussehne abzuleiten. Eine für die Zusammenhangsbeurteilung relevante Vorerkrankung des vom Unfall betroffenen Organs (Rotatorenmanschette) kann auch durch medizinische Befunde über andere, im physiologischen Zusammenhang stehende Organstrukturen und durch die nachgewiesene Intensität der unfallbedingten Einwirkung bewiesen werden.
70 
Ein Befund über den Zustand der Rotatorenmanschette bzw. der Supraspinatussehne vor dem Unfallereignis liegt nicht vor. Nach Dr. A. und Dr. K. ergeben sich aber aus der 10 Tage nach dem Unfall gefertigten Kernspintomografie des linken Schultergelenks eine angeborene Fehlform der Schulterhöhe sowie eine Spornbildung (Osteophyten) des Schultereckgelenks, die zusammen eine Einengung des Subacromialraums bedingen. Nach medizinischer Erfahrung führt dies zu einer degenerativen substanziellen Verdünnung der in diesem Raum verlaufenden Supraspinatussehne. Entgegen Dr. B. ist die vom Durchgangsarzt gefertigte Röntgenaufnahme, aus der sich nach Beurteilung des Durchgangsarztes Dr. M. nur diskrete Unregelmäßigkeiten des Gelenkes ergeben, kein überzeugender Beleg für unauffällige Gelenksverhältnisse. Die im November 2003 vom Klinikum V.-S. durchgeführte Sonografie der linken Schulter ergab in Übereinstimmung mit dem Befund aus der Kernspintomografie vielmehr eine erhebliche AC-Gelenkarthrose (Arztbrief von Dr. T. vom 19.11.2003), woraus Dr. A. sogar geschlossen hat, dass die Ruptur zum Zeitpunkt des Unfalls bereits bestanden hatte. Aus dem vom Durchgangsarzt Dr. M. erhobenen Erstbefund ergibt sich keine typische Symptomatik einer Supraspinatussehnenruptur, weshalb er auch eine solche Diagnose in seinem DAB vom 16.10.2003 nicht gestellt hatte. Es bestand kein Druckschmerz über der Rotatorenmanschette. Die Beweglichkeit des linken Arms im Schultergelenk war nicht auffallend eingeschränkt, der Schürzen- und Nackengriff war, wenn auch schmerzhaft, demonstrierbar. Ein typischer schmerzhafter Bogen wurde nicht beschrieben, insbesondere der beim unfallbedingten plötzlichen Kontinuitätsverlust typische Fallarm ist nicht dokumentiert (DAB vom 16.10.2003). Entweder bestand zu diesem Zeitpunkt kein Riss oder eine eingerissene Sehne verursachte keine Beschwerden. Für einen dann allenfalls vorbestehenden Riss könnte sprechen, dass eine mögliche Kompensation der nachlassenden Funktionalität der Supraspinatussehne durch andere Strukturen der Rotatorenmanschette, wie sie bei allmählicher degenerativer Entwicklung bis zur Teilruptur auftritt, den verletzungsuntypischen Befund erklären kann.
71 
Aus den in Betracht kommenden konkreten Einwirkungen eines Anpralls oder einer Zerrung ist der Rückschluss auf eine erheblich vorgeschädigte und eine durch jedes andere belastende Alltagsereignis ebenso leicht für Verletzungen ansprechbare Supraspinatussehne zu ziehen.
72 
In Übereinstimmung mit der unfallmedizinischen Literatur sind Dr. K. und Dr. A. davon ausgegangen, dass eine Prellung der Schulter durch den knöchernen Schutz der Schulterhöhe und des Muskelmantels grundsätzlich nicht geeignet ist, eine - gesunde - Supraspinatussehne zu zerreißen. Dr. A. hält hierbei die naturwissenschaftlich-philosophische Kausalität bereits für nicht für gegeben. Selbst wenn gleichwohl eine Kausalität im physikalischen Sinne bestünde und damit noch nicht ausgeschlossen wäre, dass durch eine erhebliche Prellung eine zwar degenerativ veränderte, aber Alltagbelastungen noch gewachsene Sehne durch die dadurch hervorgerufenen pathomechanischen Vorgänge Schaden nimmt, ist die nachgewiesene Mechanik der Prellung, die der Kläger am Unfalltag erlitten hat, bei einer vergleichenden Betrachtung nicht mit einer solchen Intensität einhergegangen, dass sie eine alltägliche Belastung überschritten hätte.
73 
Von einer Prellung mit allenfalls Alltagbelastungen gleichkommender Auswirkung sind die Sachverständigen Dr. K. und Dr. A. ausgegangen. Selbst Dr. B. hat den vom Kläger geschilderten Vorgang zum Anprall der Schulter als ungeeignet für die Verursachung der diagnostizierten Ruptur beurteilt. Der Kläger ist durch die Gewichtsverlagerung der ins Rutschen gekommenen Theke ohne zu stürzen und aufrecht stehend gegen den Türrahmen gestoßen. Die Theke ist dabei nicht zu Boden gestürzt. Der Anstoß am Türrahmen hat nach dem DAB vom 16.10.2003 kein Hämatom verursacht. Die Aufprallenergie ist bei der nur kurzen, denkbar möglichen Strecke, die vom Zeitpunkt des Verlusts des Gleichgewichts bis zum Anprall der Schulter am Türrahmen hat zurückgelegt werden können, daher nur sehr niedrig gewesen. Dr. K. hat hieraus gefolgert, dass die auf die Supraspinatussehne einwirkende Kraft, die zudem durch die Kraftrichtung nicht zu einer Zugbelastung der Sehne führte, nicht größer war als die entstehenden Belastungen, wie sie im Alltag beim Tragen von (zu ergänzen: normal schweren) Lasten oder auch bei Überkopfarbeiten (zu ergänzen: ohne besondere Gewichtsbelastung) auftreten. Dies ist für den Senat überzeugend, denn der vom Kläger zuletzt im Erörterungstermin geschilderte Vorgang entspricht durchaus vergleichbaren Alltagsituationen mit folgenlosem Anstoßen der Schulter wie es z. B. auf Veranstaltungen im Gedränge einer Menschenmenge (Volksfesten) oder in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln vorkommen kann.
74 
Von einer erheblichen Mitursächlichkeit im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne der Zerrung ist der Senat bereits deshalb nicht überzeugt, weil der Kläger in seinen ersten Angaben das Auftreten von Schulterschmerzen ganz konkret mit dem Anprall an den Türrahmen in Verbindung gebracht hat und den Bewegungsvorgang beim Nachgreifen der rutschenden Last nur als Auslöser für den Verlust des Gleichgewichts, aber nicht als Ursache der Schulterschmerzen angegeben hat. (Antragsschrift des Klägerbevollmächtigten vom 01.12.2004; Angaben des Klägers bei der Untersuchung durch Dr. K. am 25.08.2005). Unabhängig davon ist aber auch auf der zweiten Ebene der Kausalitätsprüfung eine wesentliche Mitursächlichkeit der Zerrung zu verneinen.
75 
Entgegen den Ausführungen von Dr. B. ist mit den Sachverständigen Dr. K. und Dr. A. auch eine wesentlich ursächliche Unfallmechanik durch eine Zerrung nicht festzustellen. Die Ausführungen von Dr. B. sind bereits deshalb nicht überzeugend, weil er seinen Überlegungen fälschlich zugrunde gelegt hatte, dass der Kollege des Klägers die Messetheke unerwartet hat zu Boden fallen lassen. Zwar sind Dr. K. und Dr. A. von einem vergleichbaren Geschehensablauf ausgegangen, doch haben sie überzeugend ausgeführt, dass das vom Kläger anlässlich ihrer Untersuchung geschilderte bloße Nachfassen infolge der wegkippenden Theke keine ausreichende Zugbelastung für die Supraspinatussehne darstellt. Entgegen Dr. B. haben die beiden Ärzte dem Aufschlagen der Theke auf dem Boden oder dem dadurch verursachten abrupten Abbremsen des Klägers keine Verstärkung des auf die Sehne einwirkenden Impulses beigemessen. Vielmehr hat Dr. K. für den Senat überzeugend dargelegt, dass sich das Gewicht der Theke von 60 Kilogramm bei zwei Trägern nicht nur hälftig verteilt, sondern die den Kläger treffende Belastung auch noch über die zwei Hände verteilt ist und das Nachgreifen an der verrutschenden Theke auf Grund der Masseträgheit auch nicht eine sofortige Gewichtsverlagerung allein auf die linke Seite bedingt. Diese Ausführungen gelten umso mehr, da der Kläger das Loslassen der Theke durch den Kollegen verneint hat, dieser somit weiter einen Teil der Last getragen hat. Zudem ist die plötzliche Zugbelastung der Supraspinatussehne durch das Nachfassen nicht erheblich gewesen, denn anatomisch war nach Dr. A. die Supraspinatussehne hieran nicht ausschließlich beteiligt, sondern größtenteils ist die einwirkende Kraft durch andere Strukturen wie Gelenkkapsel, andere Sehnen und gelenkumhüllende Muskulatur resorbiert worden. Diesbezüglich hat auch Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 19.11.2006 ausgeführt, dass im physiologischen Ablauf die Bizepssehne bei diesem Vorgang am meisten belastet gewesen ist. Der Senat geht deshalb bei wertender Betrachtung davon aus, dass das willentlich ausgeführte Umgreifen an der Traglast mit keiner höheren Zugbelastung der Supraspinatussehne einhergegangen ist wie sie auch beim Transport von Lasten im täglichen Leben entsteht, zum Beispiel beim Heben und Tragen von Einkäufen, Getränkekisten etc.. Für den Senat überzeugend hat Dr. A. darauf hingewiesen, dass das von Dr. B. unter Bezugnahme auf die unfallmedizinische Literatur genannte Beispiel einer schädigenden Zugbelastung durch das ungeplante Auffangen eines schweren fallenden oder stürzenden Gegenstandes nicht mit dem geplanten, wenn auch reflektorischen Nachgreifen an einer bereits getragenen Last vergleichbar ist, wobei in den Beispielsfällen aus der Literatur auch andere Kräfte zur Wirkung kommen. Wenn daher die Zugbelastung zur Läsion der Supraspinatussehne geführt haben sollte, wäre auch dies als Gelegenheitsursache beurteilen.
76 
Damit kann der Senat auch dahinstehen lassen, ob die 10 Tage nach dem Unfall diagnostizierte Teilruptur der Supraspinatussehne durch das Ereignis hervorgerufen oder bereits vorbestanden hat oder auch die vorbestehende Teilruptur hierdurch lediglich erweitert wurde. Für letzteres spräche die in der Kernspintomografie gesicherte frische Einblutung, die sich aber auch nach dem Unfallereignis hätte entwickeln können. Allein wesentliche Ursache ist aber für alle Sachverhaltsvarianten der unfallvorbestehende degenerative Zustand der Supraspinatussehne, der durch das Unfallereignis lediglich manifest wurde.
77 
Der Senat hat aufgrund der überzeugenden Gutachten von Dr. K. und Dr. A. keine Veranlassung zu weiteren medizinischen Ermittlungen gesehen, da deren Würdigung des Sachverhalts die vom Senat festgestellten - entscheidungserheblichen - Tatumstände mit umfasst. Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag des Klägers ist nicht zu entnehmen, weshalb bei der vom Senat festgestellten Ausgangslage, die auch der Beweisantrag zu Grunde legt, die vom Sozialgericht eingeholten Gutachten keine verwertbaren medizinischen Erkenntnisse vermitteln. Der hilfsweise nach § 109 SGG beantragten weiteren Beweisaufnahme hat der Senat nicht stattgegeben, denn es sind bereits die Gutachten von Dr. K. und Dr. A. auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eingeholt worden. Das Antragsrecht ist damit verbraucht. Gründe, die eine grundsätzlich nicht gebotene wiederholende Begutachtung nach § 109 SGG (vgl. Keller in Meyer-Ladewig a.a.O. § 109 RdNr. 10b) rechtfertigen, sind, wie dargelegt, nicht überzeugend vorgetragen. Zudem ist mit richterlicher Verfügung vom 28.12.2007 mitgeteilt worden, dass keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen erfolgen. Der mehr als zwei Monate danach in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag nach § 109 SGG ist daher nach Ablauf einer angemessenen Überlegungsfrist von einem Monat (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. stellvertretend Urteil vom 17.09.2007 - L 1 U 733/07 - unveröffentlicht; Keller a.a.O. RdNr. 11) verspätet. Dies beinhaltet, dass der aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebrachte Antrag den Rechtstreit verzögert hätte und der Senat auch im Rahmen seines Ermessens nach § 109 Abs. 2 SGG den Antrag abgelehnt hätte.
78 
Die Berufung des Klägers ist auch insoweit unbegründet, als er Verletztenrente begehrt.
79 
Ein Anspruch auf Verletztenrenten aus Anlass des Unfalls vom 15.10.2003 besteht nicht. Die bestandskräftig als Unfallfolge festgestellte Prellung ist nach Tagen bzw. Wochen folgenlos ausgeheilt gewesen. Fortbestehende Gesundheitsstörungen einer Prellung sind insofern von keinem Arzt diagnostiziert worden.
80 
Die Berufung der Beklagte auf Abänderung des Urteils, soweit sie zur Feststellung eines Zustands nach Schulterdistorsion links als Unfallfolge verurteilt worden ist, ist dagegen begründet. Eine unfallbedingte, durch eine Schulterdistorsion (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, online: Verstauchung, Zerrung; häufig durch indirekte Gewalteinwirkung, z. B. Supinationstrauma des Fußes, Verdrehung des Kniegelenks, Stauchung der Hand, entstehende Mikro- bis Makroläsionen im Bandapparat) verursachte Gesundheitsstörung ist nach den obigen Ausführungen nicht zu begründen. Zur Feststellung eines unfallbedingten Zustandes nach Distorsion, der auch nicht näher konkretisiert wird, konnte die Beklagte daher auch nicht verurteilt werden. Im Übrigen sind die Urteilsbegründung und der Urteilsausspruch nicht miteinander zu vereinbaren, da das Sozialgericht unter Berufung auf die Beurteilung von Dr. K. nur von einem Zusammenprall der linken Schulter des Klägers mit dem Türrahmen ausgegangen ist - insoweit ist eine Prellung als Unfallfolge bereits bestandskräftig festgestellt - und das Sozialgericht ausdrücklich eine Zugbelastung der Schulter verneint hat.
81 
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Feststellung des Innenmeniskusrisses rechts als Folge des Unfalls vom 23.12.2004 wendet.
82 
Sowohl nach Dr. B. wie auch nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. A. ist das vom Kläger geschilderte Ereignis des Ausrutschens geeignet, eine Meniskusverletzung hervorzurufen. Dies überzeugt den Senat jedoch nicht.
83 
Zwar hat der Kläger über den genauen Unfallablauf außer dem Umstand, dass er sich nach der rechten Seite während des Sturzes verdreht hat, keine genauen Angaben gemacht, auch nicht bei seiner Anhörung durch den Berichterstatter im Erörterungstermin am 02.10.2007. Er hat aber durchgehend geschildert, auf glattem Boden ausgerutscht und mit Körperschwung gestürzt zu sein. Dr. A. und Dr. B. haben für den Senat überzeugend unter Hinweis auf die unfallmedizinische Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. S. 692) ausgeführt, dass beim Stolpern und Ausrutschen die plötzliche Streckung des gebeugten und rotierten Unterschenkels zur Verletzung des Meniskus führen kann. Wenn Dr. B. aber offensichtlich meint, dass bei diesem Unfallmechanismus eine erforderliche Fixierung des Unterschenkels oder des Fußes zur plötzlichen Unterbrechung der physiologischen Schlussrotation des Kniegelenks (vgl. Schönberger u. a., a. a. O.) verzichtbar ist, die aber Dr. K. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 17.05.2005 zutreffend fordert, kann dem nicht gefolgt werden. Dr. A. hat im Einklang mit der unfallmedizinischen Literatur und daher für den Senat überzeugend für seine Beurteilung die Angabe des Klägers, sein Fuß sei fixiert gewesen, allerdings ungeprüft, zugrunde gelegt. Wie und durch was der Fuß am Boden fixiert gewesen sein soll, ist dem Gutachten nicht zu entnehmen.
84 
Der Kläger hat bei seiner Anhörung durch den Berichterstatter keine Umstände dargelegt, die unmittelbar eine Fixierung der rechten unteren Extremität in diesem Sinne ergeben haben. Er hat ausdrücklich eine unebene Bodenbeschaffenheit, in der sich der Fuß hätte verfangen können, verneint. Ein Verdrehen des rechten Fußes durch den Körperschwung beim Sturz, sodass der Standfuß der Bewegung nicht hätte folgen können bzw. ein Verdrehtrauma durch Aufprall auf dem Boden und Weiterdrehung des Rumpfes als denkbare Möglichkeiten hat der Kläger nicht geschildert; er hat nicht mehr angeben können, ob die Schmerzen im Knie während des Sturzes oder erst nach dem Sturz aufgetreten sind und wie der Sturz im Einzelnen abgelaufen ist.
85 
Dr. A. hat seine Zusammenhangsbeurteilung auch darauf gestützt, dass bereits nach dem Sturz erhebliche Schmerzen, die auf einen unmittelbar eingetretenen Meniskusriss hindeuten, aufgetreten seien. Dem steht gegenüber, dass der Kläger in seinem Schreiben vom 25.03.2005 angegeben hat, vorerst nur leichte Schmerzen gehabt zu haben, die bis zum Arztbesuch am 13.01.2005 zugenommen hätten. Wenn dagegen tatsächlich am Donnerstag, den 23.12.2004, erhebliche Schmerzen aufgetreten sind, ist es nicht verständlich, dass der Kläger nicht bereits in den verbleibenden Werktagen bis zu den Weihnachtsfeiertagen einen Arzt aufgesucht hat, sondern seit dem Unfall ca. drei Wochen sogar über die Feiertage hinaus hat verstreichen lassen.
86 
Einen Meniskusriss, zwar als Verdachtsdiagnose, hat Dr. B. erst am 13.01.2005 diagnostiziert, der dann durch die Kernspintomografie am 17.01.2005 von Dr. H. bestätigt worden ist. Hierbei zeigten sich aber Seitenbänder und Außenbandapparatur unauffällig, lediglich die von Dr. B. bereits diagnostizierte Distorsion des Innenbandes wurde zusätzlich bestätigt. Nach Dr. A. ergab aber die histologische Aufarbeitung des anlässlich der Arthroskopie am 01.06.2005 entnommenen Gewebes fortgeschrittene degenerative Veränderungen, wobei eine Einblutung in das entfernte Gewebe nicht nachgewiesen werden konnte. Ob dies darauf beruht, dass keine substanzielle traumatische Schädigung vorgelegen hat oder eine solche auf Grund des Zeitablaufs bereits weitgehend mit Abbau der Blutablagerungen verheilt war, ist nicht festzustellen. Danach spricht für einen traumatisch bedingten Meniskusriss lediglich das Indiz einer Innenbanddehnung.
87 
Da aber eine bereits fortgeschrittene Degeneration des Kniebinnengelenkes mit Knorpelschädigung dem Operationsbericht vom 01.06.2006 zu entnehmen ist und außer der Innenbanddehnung keine Hinweise auf ein geeignetes Kniebinnengelenkstrauma vorliegen, insbesondere keine adäquate Beschwerdesymptomatik am Unfalltag, ist der Senat nicht vom Vorliegen eines unfallbedingten Innenmeniskusrisses überzeugt. Vielmehr sprechen die genannten Umstände mehr gegen als für einen unfallbedingten Zusammenhang.
88 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
89 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.