Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 26. Feb. 2015 - L 6 VG 4167/12

published on 26/02/2015 00:00
Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 26. Feb. 2015 - L 6 VG 4167/12
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Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie durch die Beibringung des verschreibungspflichtigen Medikamentes Haldol durch ihre Mutter einer Giftbeibringung bzw. Opfer eines tätlichen Angriffs im Sinne von § 1 Opferentschädigungsgesetz (OEG) geworden ist und dadurch psychische Gesundheitsstörungen davongetragen hat.
Die am … 1972 geborene Klägerin erhielt von ihrer Mutter, einer ausgebildeten Krankenschwester, zwischen dem 9. und 12. Lebensjahr gelegentlich 3 - 4 Tropfen Haldol. Die Mutter litt an einer psychischen Erkrankung und erhielt das Medikament verschrieben. Sie verabreichte es an ihre Tochter, weil diese - ihrer Meinung nach - seelisch und körperlich in einer schlechten Verfassung war, Ess- und Schlafstörungen hatte (Bescheinigung G. Z. vom 27.09.2004, Bl. 60 Verwaltungsvorgang - VV). Die Mutter ist inzwischen verstorben (Schreiben der Klägerin vom 22.09.2014, Bl. 57 Senatsakte), der Vater bereits im Jahr 2009. Die Klägerin und ihr drei Jahre jüngerer Bruder, der Zeuge M. Z., waren vom 28.05.1979 bis 24.07.1980 in Pflegefamilien untergebracht, die Klägerin ab 1989 zunächst im M.-Heim, anschließend im betreuten Einzelwohnen.
Bereits bei der Aufnahme in die Pflegefamilie wies sie erhebliche körperliche und seelische Störungen auf (Bericht der Pflegeeltern an das Jugendamt L. in den Unterlagen des Kreisjugendamts L., nicht in den Akten; persönliche Vorsprache der Klägerin vor dem SG am 11.08.2008 von 14.45 Uhr bis 16.20 Uhr, Bl. 11/14 SG-Akte). Sie litt unter Schlafstörungen, Appetitverlust, Gewichtsabnahme, schrie, weinte nachts oft im Schlaf und störte die anderen Kinder. Sie war Bettnässerin, was zu Konflikten mit den Pflegeeltern führte. Den Pflegeeltern fiel auf, dass sie keinerlei Kontakt zu anderen Menschen aufnahm und eine generelle Angst vor Menschen im allgemeinen aufwies. Außerdem nahm sie die Finger in den Mund und biss so stark an ihnen herum, dass sich Wunden bildeten, die sich nachfolgend entzündeten. Sie musste ständig kontrolliert werden, um dieses Verhalten zu unterlassen. Ihre Pflegeeltern waren sehr verzweifelt. Sie wickelten ihr abends dicke Bandagen um die Hände und zogen ihr Handschuhe an, um sie daran zu hindern, sich nachts selbst zu verletzen. Sie wurde von den Pflegeeltern wegen schwerer Depressionen sowohl in ärztliche als auch in psychotherapeutische Behandlung gegeben. Nach einem Jahr kam sie zurück zu ihren Eltern und ihr Zustand verschlechterte sich weiter.
Das Jugendamt wusste von den Medikamentengaben, die zuständige Sachbearbeiterin bezeichnete die Behandlung gegenüber der Klägerin als in Ordnung, auch seitens der Polizei, die sie aufgriff, nachdem sie im Alter von ca. 10 Jahren weggelaufen war, wurde ihr mitgeteilt, dass dies seine Richtigkeit habe (Stellungnahme Dipl.-Psych. U. vom 09.01.2008, Bl. 61/66 VV). Akten der Jugendhilfe existieren nicht mehr, da diese zehn Jahre nach Ende der Hilfe vernichtet wurden (Auskunft Landratsamt L., Bl. 81 SG-Akte). Die Klägerin wurde im Kindes- und Jugendalter von ihrer Mutter mehrfach Psychiatern vorgestellt. Unterlagen hierzu hat sie nicht vorgelegt. Im Jahr 1988 wurde nach ambulanter Vorstellung der Klägerin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie T. die Diagnose einer juvenilen Psychose gestellt und eine stationäre Behandlung angeraten (Behandlungsbericht Klinikum S., B. über den 4. stationären Aufenthalt, vom 24.10.2001, Bl. 137 f VV). Die Klägerin begab sich stattdessen zu ihrer Tante nach Italien. Nach ihrer Rückkehr wurde sie zunächst im M.-Heim untergebracht, danach wegen massivster Schwierigkeiten mit anderen Heimbewohnern im betreuten Einzelwohnen, wobei sie ihre Betreuerin wiederholt körperlich attackierte. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Z. bescheinigte ihr 1988 Schulunfähigkeit wegen einer schweren psychischen Erkrankung, Arzt für Psychiatrie Dr. H. stellte 1993 die Diagnose einer schweren schizoiden Störung, Dr. E. vom Gesundheitsamt S. diagnostizierte 1993 eine sehr schwere neurotische Entwicklung (Borderline-Syndrom). 1996 bemühte sich die Klägerin um Aufnahme in eine psychosomatische Klinik.
Im Alter von 24 Jahren erreichte sie nach eigenen Angaben die Fachhochschulreife und studierte. Seit dem Studienabbruch bezog sie Grundsicherung für Arbeitsuchende und zeitweilig Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Form von Hilfen bei Behördenangelegenheiten, Haushaltshilfe sowie Essen auf Rädern. Sie machte eine Umschulung zur Informatikerin, die sie jedoch abbrach. Seit 2003 ist bei ihr ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 wegen seelischer und extrapyramidaler Störung (Bl. 54 SchwbAkte) festgestellt.
Am 17.03.2008 beantragte die Klägerin Beschädigtenversorgung. Als schädigendes Ereignis benannte sie die kontraindizierte freiverkäufliche Medikamentengabe durch ihre Mutter seit 1972 und die kontraindizierte verschreibungspflichtige Medikamentengabe durch ihre Mutter seit ca. 1980. Als Schädigungsfolgen gab sie psychische, neurologische und hormonelle Gesundheitsstörungen an. Der sie seit April 2002 behandelnde Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. bescheinigte im Schwerbehindertenverfahren eine stark ausgeprägte Akathisie, ein dystones Syndrom mit schwerer Bewegungsunruhe und Tics in Form unwillkürlichen Grimmassierens. Er stellte die Diagnose einer tarditiven Akathisie, einer durch die Gabe von Neuroleptika ausgelösten Sonderform der Akathisie, die nach dem Absetzen der Neuroleptika unter Umständen noch Jahre anhalte (Bl. 40 SchwbAkte).
Die Klägerin betrieb zwei weitere Opferentschädigungsverfahren, das erste im Jahr 2001 nach einer Strafanzeige wegen eines (angeblichen) Sexualdelikts (Bl. 1 ff VV - Bescheid vom 23.09.2004, Widerspruchsbescheid vom 08.06.2006). Das Strafverfahren endete mit der Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens (Beschluss des Amtsgerichts S. vom 26.07.2004, Bl. 351/359 AG-Akte). Grundlage war das Glaubwürdigkeitsgutachten des Arztes für Psychiatrie, Forensische Psychiatrie, Dr. W. vom 05.04.2004. Er hatte nach zahlreichen, langwierigen Telefonaten und drei Gesprächen mit der Klägerin, die die Heranziehung sämtlicher medizinischer Befunde verweigerte, unter dem Vorbehalt einer unter den Umständen nicht statthaften diagnostischen Festlegung eine schwere Persönlichkeitsstörung vom Typus einer Borderline-Störung bei guten kognitiven Fähigkeiten und Bemühen um situative Kontrolle geschildert. Gegen die Glaubwürdigkeit sprächen bei grundsätzlicher Aussagetüchtigkeit die mangelnde Aussagekonstanz und die massiven psychischen Auffälligkeiten in der Zeit nach dem fraglichen Vorfall. Die sofortige Beschwerde der Klägerin blieb erfolglos (Beschluss des Landgerichts S. vom 10.09.2004, AG-Akte, nicht nummeriert).
2011 stellte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Opferentschädigung wegen vorsätzlicher Körperverletzung durch Nichtbeachtung einer Medikamentenunverträglichkeit und Freiheitsberaubung während stationärer psychiatrischer Krankenhausbehandlungen zwischen dem 14.02.2001 und 12.11 2001, teilweise im Rahmen einer richterlich angeordneten Unterbringung, im Zusammenhang mit drei Selbsttötungsversuchen (ablehnender Bescheid des Beklagten vom 15.10.2012). Dort wurde sie wegen paranoider Psychose zwangsweise mit Haldol behandelt (Entlassungsbericht Klinikum S., B., vom 11.04.2001, Bl. 129 VV). Das Ermittlungsverfahren gegen die Ärzte wurde am 15.12.2005 eingestellt (Bl. 99 VV). Der Antrag wurde abgelehnt (Bescheid des Beklagten vom 15.10.2012, Bl. 145 VV).
Mit Bescheid vom 09.04.2008 (Bl. 73 VV) lehnte der Beklagte den hier streitgegenständlichen Antrag ab. Eine Angriffshandlung sei nicht erwiesen. Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff liege nicht vor. Zwar räume die Mutter ein, der Klägerin ihre eigenen verschreibungspflichtigen Medikamente, ihrer Ansicht nach zum Wohle der Klägerin, verabreicht zu haben. Erforderlich sei beim tätlichen Angriff eine unmittelbar auf die körperliche Integrität eines anderen abzielende feindliche Aktion. Hier fehle jedoch die feindliche Willensrichtung und von einem vorsätzlichen Handeln der Mutter könne nicht ausgegangen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2008 wies der Beklagte den Widerspruch zurück (Bl. 83 VV). Die Beiziehung der Akten des Jugendamtes sei entbehrlich gewesen, da nach der Stellungnahme des Dipl.-Psych. U., der mit der Mutter gesprochen habe, Jugendamt und Polizei die Behandlung für in Ordnung befunden hätten. Es liege keine vorsätzliche Beibringung von Gift vor, da der Mutter die allgemeine Vorstellung gefehlt habe, das beigebrachte Medikament könne eine gesundheitszerstörende Wirkung haben. Im Übrigen sei fraglich, ob die Gesundheitsstörungen der Klägerin auf diese Medikamentengaben zurückzuführen seien, da diese noch am 27.06.2003 vorgetragen habe, erst nach der von ihr angezeigten Vergewaltigung am 10.02.2001 sei es zu einer Persönlichkeitsveränderung gekommen. Suizidalität, Wahnvorstellungen, psychotisches Verhalten, Persönlichkeitsstörungen oder neurologische Störungen seien vorher weder zu beobachten noch vorhanden gewesen.
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Am 04.08.2008 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Bereits während ihrer Unterbringung bei Pflegeeltern sei sie wegen schwerer Depressionen psychotherapeutisch und wegen schlechten körperlichen Zustandes allgemeinärztlich behandelt worden. In einem Gutachten, das über die Klägerin im Alter von ca. 15 Jahren von einem Neurologen und Psychiater unter Einbeziehung gynäkologischer und endokrinologischer Befunde gemacht worden sei, seien die Diagnosen: posttraumatische Belastungsstörung, soziale Phobie, neurologische und hormonelle Störungen (die zum Zeitpunkt der Begutachtung immer noch vorgelegen hätten, obwohl das Medikament Haldol zu diesem Zeitpunkt bereits seit ca. einem Monat abgesetzt gewesen sei), depressive Verstimmungen schon in der Kindheit, Defizite in der Belastbarkeit und in der sozialen Kompetenz, Neuroleptika-Unverträglichkeit (bereits in geringen Dosen zeigten sich schwere Nebenwirkungen) gestellt worden. Der Gutachter habe dem Jugendamt L. vorgeworfen, dass die zuständigen Mitarbeiter die zweifellos bestehende Kindeswohlgefährdung der Klägerin nicht ernst genommen hätten und ihre Fürsorgepflicht verletzt hätten, obwohl ihnen bekannt gewesen sei, dass die Mutter der Klägerin Haldol verabreicht habe und dass die Klägerin Angst vor einer Vergiftung durch ihre eigene Mutter gehabt habe (Schriftsatz vom 03.06.2009, Bl. 35 SG-Akte).
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Sie hat eine Stellungnahme von Dipl.-Psych. U. vom 20.01.2010 vorgelegt. Nach dessen Bewertung leidet sie an rezidivierenden depressiven Störungen, einer rezidivierenden atypischen psychogenen Essstörung, Vermeidungsverhalten, Angst vor neuroleptischer Behandlung, sich aufdrängenden Gedanken und Erinnerungen an die neuroleptische Behandlung durch ihre Mutter und in der Psychiatrie, motorischen Störungen mit Zuckungen, Bewegungsunruhe, innerer Unruhe, starker Reizbarkeit, starken Konzentrationsstörungen und extremer emotionaler Labilität. Die Suizidalität folge aus der Akathisie (Bewegungsunruhe), einer Nachwirkung der Haldolverabreichung. Demgegenüber bestehe keine psychotische Störung. Grund für die Aufnahmediagnose in die Psychiatrie im Jahr 2001 sei eine exogene Psychose, ausgelöst durch den Genuss von drogenhaltigen Pilzen, gewesen, die bei Weglassen dieser Substanzen innerhalb weniger Stunden verflogen sei (Bl.92 SG-Akte). Die Eltern der Klägerin hätten ihm berichtet, dass die Klägerin bereits als Kind psychisch belastet, oft ängstlich und traurig gewesen sei, viel geweint habe, keinen Kontakt zu Gleichaltrigen gehabt, nicht mit anderen Kindern gespielt habe, Bettnässerin gewesen sei, kaum gegessen und unter Schlafstörungen gelitten habe. Ihr Bruder sei hingegen ein fröhliches und kontaktfreudiges Kind gewesen. Die Mutter sei bis heute der festen Überzeugung, dass ihre Tochter ihre Krankheit geerbt habe und daher derselben Behandlung bedürfe wie sie. Des Weiteren hat die Klägerin E-Mail-Verkehr über erbrechtliche Auseinandersetzungen mit dem Zeugen Z. nach dem Tod des Vaters vorgelegt.
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Die Mutter der Klägerin hat von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Das SG hat am 29.04.2010 den Zeugen Z., vernommen. Der Zeuge Z. hat ausgesagt, er könne sich nicht daran erinnern, dass seine Mutter seiner Schwester Medikamente verabreicht habe. Er habe davon erst viel später von seiner Schwester erfahren, als sie beide bereits erwachsen gewesen seien. Seine Schwester habe ihm einen Ordner mit Unterlagen vorgelegt, aus denen sich dies habe ergeben sollen. Seine Tante habe damals gesagt, das sei lächerlich. Während ihrer Kindheit hätten sie in zwei Wohnungen mit einem Durchbruch gelebt. Er habe mit seiner Schwester so gut wie nichts zu tun gehabt. Ganz früher, als sie ca. fünf Jahre alt gewesen seien, sei das anders gewesen, aber mit dem Alter von 12 bis 14 Jahren nicht mehr. Heute sei ihm bekannt, dass seine Mutter an einer medikamentenpflichtigen Erkrankung gelitten habe, als Kind habe er ihr zum Teil zwanghaftes Verhalten nicht einordnen können, 1990 sei die Ehe der Eltern geschieden worden, er sei zu Pflegeeltern gekommen, die Klägerin in verschiedene Heime. Auf Vorhalt hat er erklärt, er sei schon vorher in einer Pflegefamilie gewesen, könne sich aber nicht genau erinnern. Er hat bestätigt, dass die Bescheinigung der Mutter der Klägerin ihre Handschrift zeige, aber angegeben, es komme ihm komisch vor. Seine Mutter habe gesagt, Dipl.-Psych. U. habe sie gebeten, in einer Talk-Show aufzutreten und dort zu sagen, dass sie ihrer Tochter Medikamente gegeben habe.
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Das SG hat die Klage mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24.05.2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Nachweis eines schädigenden Vorgangs sei nicht geführt. Niemand habe die Angaben der Klägerin bestätigt. Die Mutter habe die Verabreichung zwar in einer Bescheinigung eingeräumt, vor Gericht jedoch keine Angaben machen wollen. Die Stellungnahme des Dipl.-Psych. U. beruhe auf Angaben der Klägerin. Die Bescheinigung der Mutter sei zur Überzeugung des SG eine schriftliche Lüge. Diese sei erst nach Eintritt der strafrechtlichen Verjährung erfolgt. Aus dem E-Mail-Verkehr folge, dass die Klägerin sich einen Anspruch auf Opferentschädigung als Teil der Erbauseinandersetzung habe zusichern lassen. Gegen die Glaubwürdigkeit der Klägerin spreche ihre psychische Krankheit und das Glaubwürdigkeitsgutachten aus dem Strafverfahren. Dort habe sie den Vorwurf einer Straftat für eigene Zwecke instrumentalisiert. Auch könne nicht von ihrer Erkrankung auf die Medikamentengabe geschlossen werden, denn es seien bereits Norm- und Verhaltensabweichungen in jungen Jahren dokumentiert bzw. berichtet. Da bereits die tatsächlichen Voraussetzungen fehlten, müsse sich das SG nicht mit den rechtlichen Fragen zum Aspekt Gift und Vorsatz auseinandersetzen.
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Die Klägerin hat gegen das ihrer Bevollmächtigten am 03.09.2012 zugestellte Urteil am 04.10.2012 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und gerügt, das SG habe das Glaubwürdigkeitsgutachten falsch interpretiert und zu Unrecht Folgerungen für dieses Verfahren gezogen. Sie könne nicht ohne persönliche Einvernahme als unglaubwürdig bezeichnet werden, das SG habe zudem die Beweiserleichterung nach § 15 KOVVfG nicht beachtet. Die Bestätigung der Medikamentengabe seitens der Mutter sei 2004 und somit lange vor der erbrechtlichen Auseinandersetzung nach dem Tod des Vaters 2010 erfolgt. Der Zeuge Z. müsse nochmals vernommen werden. Zum vorliegenden Verfahren auf Opferentschädigung sei sie vom Sozialamt veranlasst worden.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Mai 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 9. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen vorsätzlichen, tätlichen Angriff bzw. eine Giftbeibringung durch Verabreichung von Haldol durch ihre Mutter zwischen 1980 und 1989 sowie ihre psychischen Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen anzuerkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er stütze die Ablehnung des Antrags auf die fehlende feindselige Willensrichtung der Mutter und deren fehlenden Vorsatz hinsichtlich der Beibringung von Gift. Außerdem sei zweifelhaft, ob die Gesundheitsstörungen auf eine Medikamenteneinnahme zurückzuführen seien. Eine Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit der Klägerin sei daher entbehrlich.
20 
Die Berichterstatterin hat mit Schreiben vom 05.02.2015 die Arzneimittelinformation bezüglich „Haldol Janssen Tropfen“ (Wirkstoff Haloperidol) in das Verfahren eingeführt. Die Lösung wird in der Konzentration von 2 mg Haliperidol/ml und 10 mg/ml angeboten. Das Medikament ist zur Behandlung von Kindern ab 3 Jahren insbesondere bei dyskinetischen Syndromen und Tic-Erkrankungen, nichtpsychotischen Syndromen (Angst-Syndrom, hyperkinetisches Syndrom, Autismus, Stottern) mit einer Dosierung von 0,025 mg Haloperidol/kg Körpergewicht und Steigerung auf höchstens 0,2 mg Haloperidol/kg Körpergewicht vorgesehen.
21 
Der Zeuge M. Z. ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vernommen worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 26.02.2015 verwiesen.
22 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, den Verwaltungsvorgang des Beklagten, die Ermittlungsakte zur OEG-Akte, die Akte der Staatsanwaltschaft Stuttgart zu Az. XX, ein Ordner Ermittlungsakten, die Schwerbehindertenakte und die Akte des Sozialamts S. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die Berufung ist nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Da das Fristende der 03.10.2012, ein gesetzlicher Feiertag war, lief die Monatsfrist am folgenden Tag ab (§ 64 Abs. 3 SGG). Die Berufung ist am 04.10.2012 rechtzeitig eingelegt.
24 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass sie infolge einer vorsätzlichen Beibringung von Gift gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 OEG oder eines tätlichen Angriffs im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.
25 
Streitgegenständlich ist, nachdem die Klägerin bereits im Widerspruchsverfahren nicht mehr auf nicht näher bezeichnete, nicht verschreibungspflichtige Medikamente von Geburt an Bezug genommen hat, sondern nur noch auf die Verabreichung von Haldol ab 1980, allein diese.
26 
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist vordringlich zunächst der speziellere § 1 Abs. 2 Nr. 1 OEG. Danach steht die vorsätzliche Beibringung von Gift einem tätlichen Angriff im Sinne von Absatz 1 gleich. Gift sind organische oder anorganische Stoffe, die unter bestimmten Bedingungen durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung die Gesundheit zu beeinträchtigen vermögen (Stree/Sternberg-Lieben in: Schönke-Schröder, StGB, Komm., 29. Aufl., Rn. 2b zu § 224 m.w.N.). Die Frage, ob ein Gift oder ein anderer Stoff geeignet ist, die Gesundheit zu zerstören, ist nicht nach der abstrakten Möglichkeit, sondern nach den besonderen Umständen des Einzelfalls im Hinblick auf die Qualität und Quantität des beigebrachen Stoffes, der körperlichen Beschaffenheit des Opfers sowie der Art der Anwendung zu beurteilen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.12.2004 - L 10 VG 22/04 - zit. nach juris, Stree/Sternberg-Lieben a.a.O.). Auch an sich unschädliche Stoffe und Medikamente in falscher Dosierung können im Einzelfall Gift sein (LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O. unter Hinweis auf Paracelsus: “Alle Dinge sind Gift, allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist“).
27 
Der Senat geht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in beiden Instanzen davon aus, dass die Mutter der Klägerin dieser zwischen dem 9. und 12. Lebensjahr gelegentlich 3 bis 4 Tropfen Haldol verabreicht hat. Dies ergibt sich aus den Angaben der Klägerin und der handschriftlichen Bescheinigung der Mutter. Die von der Mutter angegebene Dosierung stimmt mit den Angaben der Klägerin überein (vgl. „fachliche“ Stellungnahme Dipl.-Psych. U. vom 09.01.2008, Bl. 61 VV). Dem von der Mutter verwendeten Begriff „gelegentlich“ entnimmt der Senat, dass die Verabreichung nicht regelmäßig, insbesondere nicht täglich erfolgte, sondern im Sinne einer Bedarfsmedikation. Die Beibringung von Haldol ist danach in dem von der Mutter bescheinigten Umfang im Vollbeweis erwiesen.
28 
Der Senat sieht eine Verabreichung vor und nach diesem Zeitpunkt sowie die Giftqualität des verabreichten Haldol nicht als im Vollbeweis erwiesen an.
29 
Nach § 6 Abs. 3 OEG ist allerdings auch im Anwendungsbereich des OEG das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) mit Ausnahme der §§ 3 bis 5 KOVVfG anzuwenden, insbesondere auch die für Kriegsopfer geschaffene spezielle Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG. Danach sind die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen (Satz 1 der Vorschrift).
30 
Diese besondere Beweiserleichterung ist auch im Falle der Klägerin zu beachten. Zwar wollte § 15 KOVVfG ursprünglich nur der Beweisnot Rechnung tragen, in der sich Antragsteller häufig befanden, weil sie durch die besonderen Kriegsverhältnisse (Luftangriffe, Vertreibung usw.) die über sie geführten Krankengeschichten, Befundberichte usw. nicht mehr erlangen konnten (BSG, Urteil vom 31.05.1989 - 9 RVg 3/89 - SozR 1500 § 128 Nr. 39 m. w. N.). Solche Unterlagen hat die Versorgungsverwaltung zum Nachweis der Schädigung im allgemeinen für ausreichend gehalten, ohne dass es noch der Anhörung von Zeugen bedurft hätte. Das bedeutet aber nicht, dass § 15 KOVVfG nur in solchen Fällen anzuwenden ist, in denen normalerweise Unterlagen vorhanden sind, die glaubhaften Angaben des Antragstellers also nur das Fehlen von Unterlagen, nicht aber das Fehlen von Zeugen ersetzen können. Für eine solche Einschränkung gibt es keine Rechtfertigung. Vielmehr kann die Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG überhaupt erst zum Tragen kommen, wenn weder Unterlagen noch sonstige Beweismittel zu beschaffen sind (BSG a. a. O. unter Bezugnahme auf Nrn. 1 und 2 der Verwaltungsvorschriften zu § 15 KOVVfG). Die Beweisnot kann also auch allein darin liegen, dass für den schädigenden Vorgang keine Zeugen und deshalb keine Unterlagen vorhanden sind.
31 
Glaubhaftmachung i. S. des § 15 KOVVfG bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, d. h. der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (BSG, Beschluss vom 08.08.2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4; Urteil vom 22.09.1977 - 10 RV 15/77 - BSGE 45, 9; vgl. auch Urteil vom 17.12.1980 - 12 RK 42/80 - SozR 5070 § 3 Nr. 1). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, d. h. es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den Übrigen gegenüber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache genügt jedoch nicht, die Beweisanforderungen zu erfüllen. Ob das Gericht die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht, obliegt nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG seiner freien richterlichen Beweiswürdigung. Die Anwendung dieses Maßstabes setzt aber voraus, dass der Antragsteller Angaben zu den entscheidungserheblichen Fragen aus eigenem Wissen machen kann und widerspruchsfrei vorträgt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.12.2006 - L 10 VG 17/02 - zit. nach Juris).
32 
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes sind im Falle der Klägerin die Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Die Klägerin hat in beiden Instanzen als Behandler nur den Psychologen F. angegeben, der – bereits 2010 im Ruhestand – keinen Zugriff auf Behandlungsunterlagen hatte, sich noch an den Namen der Klägerin, aber nicht an Details erinnern konnte (Bl. 108 SG-Akte). Die Akten des Jugendamtes sind vernichtet, die Eltern der Klägerin verstorben. Die Klägerin hat keine Unterlagen vorgelegt, obwohl ihr Vorbringen im Verfahren teilweise sehr detailliert den Inhalt von Schriftstücken wiedergibt, insbesondere ein psychiatrisches Gutachten von 1988 und den Bericht der Pflegeeltern von 1979/1980.
33 
Auch unter Anlegung dieses abgesenkten Beweismaßstabes hält es der Senat nicht für gut möglich, dass eine vorsätzliche Giftbeibringung vorlag. Nach Gesamtwürdigung aller Umstände des Falles spricht nicht besonders viel für diese Möglichkeit. Zwar lässt sich mangels Befundunterlagen nicht feststellen, ob das Haldol der Klägerin ärztlich verschrieben oder die bedarfsweise Verabreichung ärztlich empfohlen war. Fest steht allerdings, dass die Klägerin nach eigenen Angaben vor dem SG bereits während ihres Aufenthaltes in der Pflegefamilie 1979/1980 und damit vor dem von ihr angegebenen Beginn der Verabreichung des Haldol 1980 unter massiven psychischen Störungen litt. Sie war zu diesem Zeitpunkt in ärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung wegen schwerer Depressionen, weil sie geschrien, nachts geweint, sich durch Zerbeißen der Finger selbst verletzt, eingenässt hat, zu Kontaktaufnahme nicht in der Lage war und Angst vor Menschen hatte. Der Zeuge M. Z. hat bei seiner Vernehmung vor dem Senat ebenfalls glaubhaft bekundet, dass die Klägerin bereits als Kind stark verhaltensauffällig, insbesondere aggressiv gegenüber anderen Kindern war, so dass auch ihm eine eventuelle Medikamentengabe, die er aus eigener Wahrnehmung nicht bestätigen konnte, als nachvollziehbarer Therapieversuch erschien. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Sachbearbeiterin des Jugendamtes nach dem Vorbringen der Klägerin die Medikamentengabe als in Ordnung bezeichnete und die Polizei bei einer Anzeigenerstattung durch die Klägerin dieselbe Auskunft erteilte. Auch die behandelnden Ärzte wurden von der Mutter informiert (Stellungnahme Dipl.-Psych. U. vom 09.01.2008, Bl. 64 VV).
34 
Die vom Zeugen M. Z. vorgelegten Unterlagen bestätigen dies, indem sie belegen, dass die Klägerin auch ab 1988 in fachpsychiatrischer Behandlung war und die Diagnosen einer schweren schizoiden Störung bzw. eines Borderline-Syndroms gestellt wurden, Diagnosen, die eine Indikation für eine medikamentöse Behandlung darstellen. Die Klägerin hatte nämlich nach der Aussage des Zeugen M. Z. von Anfang an massive Schwierigkeiten.
35 
Eine Überdosierung, die zu einer Qualifikation als Gift führen würde, kann bei einer Dosisangaben von (gelegentlich) 3 bis 4 Tropfen“ schon deshalb nicht festgestellt werden, weil der Bezugszeitraum (Tag, Woche, Monat) nicht angegeben wird. Hinzu kommt, dass Haldol-Lösung zum Einnehmen in unterschiedlicher Konzentration des Wirkstoffs Haloperidol von 2 mg/ml oder 10mg/ml erhältlich sind. Hinsichtlich einer fraglichen Überdosierung ist zu berücksichtigen, dass die Mutter ausgebildete Krankenschwester war und in Gesprächen gegenüber Dipl.-Psych. U. die Bescheinigung über die Haldolverabreichung nicht als Schuldeingeständnis, sondern als Nachweis einer fachlich korrekten Behandlung durch eine qualifizierte Fachkraft bezeichnet hat. Danach hat die Klägerin die Behandlung gut vertragen und die Medikation hat keine Nebenwirkungen verursacht (Schreiben der Klägerin vom 22.09.2014, Bl. 53 Senatsakte). Als ausgebildete Krankenschwester war die Mutter der Klägerin in der Lage, die Dosis entsprechend der Dosierungsanleitung in der Arzneimittelinformation nach dem Körpergewicht der Klägerin zu berechnen. Der Zeuge M. Z. hat glaubhaft bestätigt, dass seine Mutter zur Medikamentenverabreichung in der Lage war und als liebevolle, wenn auch überforderte Mutter, angenommen hat, zum Besten der Klägerin zu handeln. Eine gute Möglichkeit der Überdosierung besteht danach zur Überzeugung des Senats nicht.
36 
Darüber hinaus ist der Vorsatz nicht glaubhaft gemacht. Die Giftbeibringung setzt ebenso wie der tätliche Angriff Vorsatz und Rechtswidrigkeit voraus (Rademacker in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, Handkomm., Rn. 75 zu § 1 OEG). Fahrlässiges Handeln rechtfertigt nicht die Gleichstellung mit einem tätlichen Angriff im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG (Rademacker a.a.O. unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 28.04.1999 - B 9 VG 7/98 R zur Vergiftung durch das in Verkehr bringen von Holzschutzmitteln). Der Vorsatz erfordert zwar nicht den gezielten Willen, die Gesundheit eines anderen zu schädigen (BSG, Urteil vom 18.10.1995 - 9 RVg 5/95 - SozR 3-3800 § 2 Nr. 3). Vorsatz ist definiert als Wissen und Wollen der zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden objektiven Merkmale (Sternberg-Lieben/Schuster in: Schönke/Schröder a.a.O. Rn. 9 zu § 15). Voraussetzung ist somit, dass die Mutter der Klägerin wusste, dass sie ihr einen die Gesundheit schädigenden Stoff verabreicht. Ein sog. bedingter Vorsatz reicht aus (Rademacker a.a.O. Rn. 59 m.w.N.), der voraussetzt, dass der Täter sich der Möglichkeit des Erfolgseintritts bewusst war und diesen billigend in Kauf genommen hat (Sternberg-Lieben/Schuster, a.a.O. § 15 Rn. 73, 84).
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Erkenntnisquellen hinsichtlich des Vorliegens von Vorsatz sind vorliegend nur die von der Mutter der Klägerin ausgestellte handschriftliche Bescheinigung, die Stellungnahmen des Dipl.-Psych. U., in denen er über Gespräche mit der Mutter berichtete, und das Vorbringen der Klägerin. Eine Befragung der Mutter war dem Senat nicht möglich, da diese inzwischen verstorben ist. Ein Ermittlungsverfahren wurde nicht geführt. Akten des Jugendamtes existieren nicht mehr.
38 
Zur Überzeugung des Senats besteht nicht die gute Möglichkeit, dass die Mutter der Klägerin den Vorsatz zur Giftbeibringung hatte, indem sie das Haldol unter den besonderen Umständen des Einzelfalls als geeignet sah, die Gesundheit der Klägerin zu zerstören und diese Folge zumindest billigend in Kauf nahm. Die Mutter handelte in der Annahme, die Klägerin leide unter derselben Krankheit wie sie und benötige daher dasselbe Medikament, das ihr angesichts ihrer körperlich und seelisch schlechten Verfassung (Ess- und Schlafstörungen) helfen würde. Nach den Angaben der Klägerin im SG-Verfahren litt sie tatsächlich unter massiven psychischen Störungen und war auch während ihres Aufenthalts in einer Pflegefamilie 1979/1980 in ärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung wegen schwerer Depressionen. Nach den Bekundungen des Dipl.-Psych. U. war die Mutter der Klägerin auch in der Rückschau überzeugt, zum Wohle ihrer Tochter gehandelt zu haben. Die Bescheinigung war danach kein Schuldeingeständnis, sondern nur ein Bericht über eine medizinische Behandlung, zu der die Mutter sich angesichts ihrer Ausbildung als Krankenschwester kompetent fühlte (Stellungnahme vom 09.01.2008, Bl. 61 ff VV; vom 20.01.2010, Bl. 92 ff SG-Akte). Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen M. Z. und den von ihm vorgelegten Unterlagen war die Klägerin auch danach in fachpsychiatrischer Behandlung. Die bei ihr diagnostizierten erheblichen psychischen Erkrankungen führten dazu, dass sie erst mit 24 Jahren die Fachhochschulreife erwarb, weil sie zuvor längere Zeit schulunfähig war. Auch die Sachbearbeiterin des Jugendamtes hat sich danach dem Standpunkt der Eltern angeschlossen und immer wieder, teilweise gemeinsam mit den Eltern, die Verbringung der Klägerin in die Psychiatrie betrieben (Stellungnahme Dipl.-Psych. U., Bl. 64 VV). Dass das Jugendamt von der medikamentösen Behandlung gewusst und diese nicht unterbunden hat, die Sachbearbeiterin sogar ausdrücklich gesagt hat, diese Behandlung sei in Ordnung (Stellungnahme Dipl.-Psych. Ur. vom 09.01.2008, Bl. 64 VV), bestätigte die Mutter in ihrer Vorstellung und spricht für das Fehlen von Vorsatz.
39 
Der Einwand der Klägerin, ihre Mutter hätte aufgrund ihrer Ausbildung zur Krankenschwester wissen müssen, dass Haldol tief in das Nervensystem eingreife, schwere Nebenwirkungen sowie bleibende neurologische und hormonelle Störungen verursachen könne und sie es daher nicht ohne ärztliche Verordnung verabreichen dürfe, beinhaltet nicht die Voraussetzungen für Vorsatz, sondern für Fahrlässigkeit, die gerade nicht ausreicht.
40 
Aus demselben Grund sind auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG nicht erfüllt. Danach erhält derjenige, der durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriff gegen seine oder eine andere Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Auch insoweit ist ein Vorsatz der Mutter nicht glaubhaft gemacht. Anders als die Beibringung von lebensgefährlichen Krankheitserregern ist die Medikamentengabe nicht als eine gegen einen anderen gerichtete feindliche Aktion anzusehen (vgl. zur Infizierung BSG, Urteil vom 18.10.1995 – 9 RVg 5/95 SozR 3-2800 § 2 Nr. 3). Die Verabreichung von Medikamenten, die keine Giftbeibringung ist, ist auch kein vorsätzlicher rechtswidriger Angriff. Die Klägerin kann sich insoweit auch nicht auf die von ihr zitierte Entscheidung des Bayerischen LSG vom 16.03.1990 (L 10 Vg 1/89) stützen, denn im Gegensatz zum vorliegenden Fall handelte der Täter dort feindselig, das erteilte Einverständnis des Opfers zur Körperverletzung war unwirksam. Im Übrigen ist die Entscheidung ohnehin durch die spätere BSG-Rechtsprechung (Urteil vom 29.04.2010 - B 9 VG 1/09 R - BSGE 106, 91) überholt, wonach es wegen einer vorhandenen Heilungsabsicht nicht gerechtfertigt ist, den (hier: ärztlichen) Eingriff als eine gezielte gewaltsame Einwirkung auf die körperliche Unversehrtheit des Patienten, mithin als eine feindselige Angriffshandlung i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG zu bewerten.
41 
Des Weiteren kann nicht im Vollbeweis ein auf eine Giftbeibringung zurückzuführender Gesundheitsschaden der Klägerin festgestellt werden. Sie macht insofern selbst epileptische Anfälle, Fieber, Krämpfe mit Atemnot und Erstickungsanfällen, qualvollen Bewegungsdrang und innere Unruhe, Suizidgedanken und -versuche geltend, die Bewegungsstörungen sollen wieder ganz verschwunden sein (Schriftsatz vom 07.01.2011, Bl. 6 SG-Akte, Az.: S 8 VG 6271/11). Demgegenüber hat ihre Mutter behauptet, ihre Tochter habe das Medikament gut vertragen, also keine Nebenwirkungen gezeigt. Für die Richtigkeit dieser Aussage spricht, dass auch das Jugendamt in die Behandlung mit einbezogen war und diese genehmigt hat. Dessen ungeachtet sind die geklagten Gesundheitsstörungen, mit Ausnahme der von Dr. L. nach der Behandlung im B. Hospital bestätigte Akathisie, die aber Dr. W. bei seiner Begutachtung nicht bestätigen konnte, diagnostisch nicht fassbar, können daher nicht festgestellt werden. Damit aber dauerhafte Gesundheitsstörungen und somit auch nicht bekannte, mit Ausnahme der abgeklungenen Bewegungsstörungen, auf eine Medikamentengabe zurückgeführt werden können, bedarf es zum einen eines Belegs dafür, dass sie als Nebenwirkung, also zeitnah mit der Verabreichung aufgetreten sind, zum anderen eines Nachweises, dass durch das Medikament diese Gesundheitsstörung hervorgerufen werden kann, der nur durch einen Pharmakologen zu erbringen ist, während die die Krankheiten bescheinigenden Nervenärzte dafür fachlich nicht qualifiziert sind. Der Senat hat insoweit von einer weiteren Sachaufklärung abgesehen, weil es hierfür an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehlt, nachdem die exakte Dosierung und die Dauer und genaue Frequenz der Medikamentengabe unbekannt sind.
42 
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
43 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
44 
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.

Gründe

 
23 
Die Berufung ist nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Da das Fristende der 03.10.2012, ein gesetzlicher Feiertag war, lief die Monatsfrist am folgenden Tag ab (§ 64 Abs. 3 SGG). Die Berufung ist am 04.10.2012 rechtzeitig eingelegt.
24 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass sie infolge einer vorsätzlichen Beibringung von Gift gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 OEG oder eines tätlichen Angriffs im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.
25 
Streitgegenständlich ist, nachdem die Klägerin bereits im Widerspruchsverfahren nicht mehr auf nicht näher bezeichnete, nicht verschreibungspflichtige Medikamente von Geburt an Bezug genommen hat, sondern nur noch auf die Verabreichung von Haldol ab 1980, allein diese.
26 
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist vordringlich zunächst der speziellere § 1 Abs. 2 Nr. 1 OEG. Danach steht die vorsätzliche Beibringung von Gift einem tätlichen Angriff im Sinne von Absatz 1 gleich. Gift sind organische oder anorganische Stoffe, die unter bestimmten Bedingungen durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung die Gesundheit zu beeinträchtigen vermögen (Stree/Sternberg-Lieben in: Schönke-Schröder, StGB, Komm., 29. Aufl., Rn. 2b zu § 224 m.w.N.). Die Frage, ob ein Gift oder ein anderer Stoff geeignet ist, die Gesundheit zu zerstören, ist nicht nach der abstrakten Möglichkeit, sondern nach den besonderen Umständen des Einzelfalls im Hinblick auf die Qualität und Quantität des beigebrachen Stoffes, der körperlichen Beschaffenheit des Opfers sowie der Art der Anwendung zu beurteilen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.12.2004 - L 10 VG 22/04 - zit. nach juris, Stree/Sternberg-Lieben a.a.O.). Auch an sich unschädliche Stoffe und Medikamente in falscher Dosierung können im Einzelfall Gift sein (LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O. unter Hinweis auf Paracelsus: “Alle Dinge sind Gift, allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist“).
27 
Der Senat geht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in beiden Instanzen davon aus, dass die Mutter der Klägerin dieser zwischen dem 9. und 12. Lebensjahr gelegentlich 3 bis 4 Tropfen Haldol verabreicht hat. Dies ergibt sich aus den Angaben der Klägerin und der handschriftlichen Bescheinigung der Mutter. Die von der Mutter angegebene Dosierung stimmt mit den Angaben der Klägerin überein (vgl. „fachliche“ Stellungnahme Dipl.-Psych. U. vom 09.01.2008, Bl. 61 VV). Dem von der Mutter verwendeten Begriff „gelegentlich“ entnimmt der Senat, dass die Verabreichung nicht regelmäßig, insbesondere nicht täglich erfolgte, sondern im Sinne einer Bedarfsmedikation. Die Beibringung von Haldol ist danach in dem von der Mutter bescheinigten Umfang im Vollbeweis erwiesen.
28 
Der Senat sieht eine Verabreichung vor und nach diesem Zeitpunkt sowie die Giftqualität des verabreichten Haldol nicht als im Vollbeweis erwiesen an.
29 
Nach § 6 Abs. 3 OEG ist allerdings auch im Anwendungsbereich des OEG das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) mit Ausnahme der §§ 3 bis 5 KOVVfG anzuwenden, insbesondere auch die für Kriegsopfer geschaffene spezielle Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG. Danach sind die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen (Satz 1 der Vorschrift).
30 
Diese besondere Beweiserleichterung ist auch im Falle der Klägerin zu beachten. Zwar wollte § 15 KOVVfG ursprünglich nur der Beweisnot Rechnung tragen, in der sich Antragsteller häufig befanden, weil sie durch die besonderen Kriegsverhältnisse (Luftangriffe, Vertreibung usw.) die über sie geführten Krankengeschichten, Befundberichte usw. nicht mehr erlangen konnten (BSG, Urteil vom 31.05.1989 - 9 RVg 3/89 - SozR 1500 § 128 Nr. 39 m. w. N.). Solche Unterlagen hat die Versorgungsverwaltung zum Nachweis der Schädigung im allgemeinen für ausreichend gehalten, ohne dass es noch der Anhörung von Zeugen bedurft hätte. Das bedeutet aber nicht, dass § 15 KOVVfG nur in solchen Fällen anzuwenden ist, in denen normalerweise Unterlagen vorhanden sind, die glaubhaften Angaben des Antragstellers also nur das Fehlen von Unterlagen, nicht aber das Fehlen von Zeugen ersetzen können. Für eine solche Einschränkung gibt es keine Rechtfertigung. Vielmehr kann die Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG überhaupt erst zum Tragen kommen, wenn weder Unterlagen noch sonstige Beweismittel zu beschaffen sind (BSG a. a. O. unter Bezugnahme auf Nrn. 1 und 2 der Verwaltungsvorschriften zu § 15 KOVVfG). Die Beweisnot kann also auch allein darin liegen, dass für den schädigenden Vorgang keine Zeugen und deshalb keine Unterlagen vorhanden sind.
31 
Glaubhaftmachung i. S. des § 15 KOVVfG bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, d. h. der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (BSG, Beschluss vom 08.08.2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4; Urteil vom 22.09.1977 - 10 RV 15/77 - BSGE 45, 9; vgl. auch Urteil vom 17.12.1980 - 12 RK 42/80 - SozR 5070 § 3 Nr. 1). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, d. h. es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den Übrigen gegenüber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache genügt jedoch nicht, die Beweisanforderungen zu erfüllen. Ob das Gericht die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht, obliegt nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG seiner freien richterlichen Beweiswürdigung. Die Anwendung dieses Maßstabes setzt aber voraus, dass der Antragsteller Angaben zu den entscheidungserheblichen Fragen aus eigenem Wissen machen kann und widerspruchsfrei vorträgt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.12.2006 - L 10 VG 17/02 - zit. nach Juris).
32 
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes sind im Falle der Klägerin die Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Die Klägerin hat in beiden Instanzen als Behandler nur den Psychologen F. angegeben, der – bereits 2010 im Ruhestand – keinen Zugriff auf Behandlungsunterlagen hatte, sich noch an den Namen der Klägerin, aber nicht an Details erinnern konnte (Bl. 108 SG-Akte). Die Akten des Jugendamtes sind vernichtet, die Eltern der Klägerin verstorben. Die Klägerin hat keine Unterlagen vorgelegt, obwohl ihr Vorbringen im Verfahren teilweise sehr detailliert den Inhalt von Schriftstücken wiedergibt, insbesondere ein psychiatrisches Gutachten von 1988 und den Bericht der Pflegeeltern von 1979/1980.
33 
Auch unter Anlegung dieses abgesenkten Beweismaßstabes hält es der Senat nicht für gut möglich, dass eine vorsätzliche Giftbeibringung vorlag. Nach Gesamtwürdigung aller Umstände des Falles spricht nicht besonders viel für diese Möglichkeit. Zwar lässt sich mangels Befundunterlagen nicht feststellen, ob das Haldol der Klägerin ärztlich verschrieben oder die bedarfsweise Verabreichung ärztlich empfohlen war. Fest steht allerdings, dass die Klägerin nach eigenen Angaben vor dem SG bereits während ihres Aufenthaltes in der Pflegefamilie 1979/1980 und damit vor dem von ihr angegebenen Beginn der Verabreichung des Haldol 1980 unter massiven psychischen Störungen litt. Sie war zu diesem Zeitpunkt in ärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung wegen schwerer Depressionen, weil sie geschrien, nachts geweint, sich durch Zerbeißen der Finger selbst verletzt, eingenässt hat, zu Kontaktaufnahme nicht in der Lage war und Angst vor Menschen hatte. Der Zeuge M. Z. hat bei seiner Vernehmung vor dem Senat ebenfalls glaubhaft bekundet, dass die Klägerin bereits als Kind stark verhaltensauffällig, insbesondere aggressiv gegenüber anderen Kindern war, so dass auch ihm eine eventuelle Medikamentengabe, die er aus eigener Wahrnehmung nicht bestätigen konnte, als nachvollziehbarer Therapieversuch erschien. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Sachbearbeiterin des Jugendamtes nach dem Vorbringen der Klägerin die Medikamentengabe als in Ordnung bezeichnete und die Polizei bei einer Anzeigenerstattung durch die Klägerin dieselbe Auskunft erteilte. Auch die behandelnden Ärzte wurden von der Mutter informiert (Stellungnahme Dipl.-Psych. U. vom 09.01.2008, Bl. 64 VV).
34 
Die vom Zeugen M. Z. vorgelegten Unterlagen bestätigen dies, indem sie belegen, dass die Klägerin auch ab 1988 in fachpsychiatrischer Behandlung war und die Diagnosen einer schweren schizoiden Störung bzw. eines Borderline-Syndroms gestellt wurden, Diagnosen, die eine Indikation für eine medikamentöse Behandlung darstellen. Die Klägerin hatte nämlich nach der Aussage des Zeugen M. Z. von Anfang an massive Schwierigkeiten.
35 
Eine Überdosierung, die zu einer Qualifikation als Gift führen würde, kann bei einer Dosisangaben von (gelegentlich) 3 bis 4 Tropfen“ schon deshalb nicht festgestellt werden, weil der Bezugszeitraum (Tag, Woche, Monat) nicht angegeben wird. Hinzu kommt, dass Haldol-Lösung zum Einnehmen in unterschiedlicher Konzentration des Wirkstoffs Haloperidol von 2 mg/ml oder 10mg/ml erhältlich sind. Hinsichtlich einer fraglichen Überdosierung ist zu berücksichtigen, dass die Mutter ausgebildete Krankenschwester war und in Gesprächen gegenüber Dipl.-Psych. U. die Bescheinigung über die Haldolverabreichung nicht als Schuldeingeständnis, sondern als Nachweis einer fachlich korrekten Behandlung durch eine qualifizierte Fachkraft bezeichnet hat. Danach hat die Klägerin die Behandlung gut vertragen und die Medikation hat keine Nebenwirkungen verursacht (Schreiben der Klägerin vom 22.09.2014, Bl. 53 Senatsakte). Als ausgebildete Krankenschwester war die Mutter der Klägerin in der Lage, die Dosis entsprechend der Dosierungsanleitung in der Arzneimittelinformation nach dem Körpergewicht der Klägerin zu berechnen. Der Zeuge M. Z. hat glaubhaft bestätigt, dass seine Mutter zur Medikamentenverabreichung in der Lage war und als liebevolle, wenn auch überforderte Mutter, angenommen hat, zum Besten der Klägerin zu handeln. Eine gute Möglichkeit der Überdosierung besteht danach zur Überzeugung des Senats nicht.
36 
Darüber hinaus ist der Vorsatz nicht glaubhaft gemacht. Die Giftbeibringung setzt ebenso wie der tätliche Angriff Vorsatz und Rechtswidrigkeit voraus (Rademacker in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, Handkomm., Rn. 75 zu § 1 OEG). Fahrlässiges Handeln rechtfertigt nicht die Gleichstellung mit einem tätlichen Angriff im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG (Rademacker a.a.O. unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 28.04.1999 - B 9 VG 7/98 R zur Vergiftung durch das in Verkehr bringen von Holzschutzmitteln). Der Vorsatz erfordert zwar nicht den gezielten Willen, die Gesundheit eines anderen zu schädigen (BSG, Urteil vom 18.10.1995 - 9 RVg 5/95 - SozR 3-3800 § 2 Nr. 3). Vorsatz ist definiert als Wissen und Wollen der zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden objektiven Merkmale (Sternberg-Lieben/Schuster in: Schönke/Schröder a.a.O. Rn. 9 zu § 15). Voraussetzung ist somit, dass die Mutter der Klägerin wusste, dass sie ihr einen die Gesundheit schädigenden Stoff verabreicht. Ein sog. bedingter Vorsatz reicht aus (Rademacker a.a.O. Rn. 59 m.w.N.), der voraussetzt, dass der Täter sich der Möglichkeit des Erfolgseintritts bewusst war und diesen billigend in Kauf genommen hat (Sternberg-Lieben/Schuster, a.a.O. § 15 Rn. 73, 84).
37 
Erkenntnisquellen hinsichtlich des Vorliegens von Vorsatz sind vorliegend nur die von der Mutter der Klägerin ausgestellte handschriftliche Bescheinigung, die Stellungnahmen des Dipl.-Psych. U., in denen er über Gespräche mit der Mutter berichtete, und das Vorbringen der Klägerin. Eine Befragung der Mutter war dem Senat nicht möglich, da diese inzwischen verstorben ist. Ein Ermittlungsverfahren wurde nicht geführt. Akten des Jugendamtes existieren nicht mehr.
38 
Zur Überzeugung des Senats besteht nicht die gute Möglichkeit, dass die Mutter der Klägerin den Vorsatz zur Giftbeibringung hatte, indem sie das Haldol unter den besonderen Umständen des Einzelfalls als geeignet sah, die Gesundheit der Klägerin zu zerstören und diese Folge zumindest billigend in Kauf nahm. Die Mutter handelte in der Annahme, die Klägerin leide unter derselben Krankheit wie sie und benötige daher dasselbe Medikament, das ihr angesichts ihrer körperlich und seelisch schlechten Verfassung (Ess- und Schlafstörungen) helfen würde. Nach den Angaben der Klägerin im SG-Verfahren litt sie tatsächlich unter massiven psychischen Störungen und war auch während ihres Aufenthalts in einer Pflegefamilie 1979/1980 in ärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung wegen schwerer Depressionen. Nach den Bekundungen des Dipl.-Psych. U. war die Mutter der Klägerin auch in der Rückschau überzeugt, zum Wohle ihrer Tochter gehandelt zu haben. Die Bescheinigung war danach kein Schuldeingeständnis, sondern nur ein Bericht über eine medizinische Behandlung, zu der die Mutter sich angesichts ihrer Ausbildung als Krankenschwester kompetent fühlte (Stellungnahme vom 09.01.2008, Bl. 61 ff VV; vom 20.01.2010, Bl. 92 ff SG-Akte). Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen M. Z. und den von ihm vorgelegten Unterlagen war die Klägerin auch danach in fachpsychiatrischer Behandlung. Die bei ihr diagnostizierten erheblichen psychischen Erkrankungen führten dazu, dass sie erst mit 24 Jahren die Fachhochschulreife erwarb, weil sie zuvor längere Zeit schulunfähig war. Auch die Sachbearbeiterin des Jugendamtes hat sich danach dem Standpunkt der Eltern angeschlossen und immer wieder, teilweise gemeinsam mit den Eltern, die Verbringung der Klägerin in die Psychiatrie betrieben (Stellungnahme Dipl.-Psych. U., Bl. 64 VV). Dass das Jugendamt von der medikamentösen Behandlung gewusst und diese nicht unterbunden hat, die Sachbearbeiterin sogar ausdrücklich gesagt hat, diese Behandlung sei in Ordnung (Stellungnahme Dipl.-Psych. Ur. vom 09.01.2008, Bl. 64 VV), bestätigte die Mutter in ihrer Vorstellung und spricht für das Fehlen von Vorsatz.
39 
Der Einwand der Klägerin, ihre Mutter hätte aufgrund ihrer Ausbildung zur Krankenschwester wissen müssen, dass Haldol tief in das Nervensystem eingreife, schwere Nebenwirkungen sowie bleibende neurologische und hormonelle Störungen verursachen könne und sie es daher nicht ohne ärztliche Verordnung verabreichen dürfe, beinhaltet nicht die Voraussetzungen für Vorsatz, sondern für Fahrlässigkeit, die gerade nicht ausreicht.
40 
Aus demselben Grund sind auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG nicht erfüllt. Danach erhält derjenige, der durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriff gegen seine oder eine andere Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Auch insoweit ist ein Vorsatz der Mutter nicht glaubhaft gemacht. Anders als die Beibringung von lebensgefährlichen Krankheitserregern ist die Medikamentengabe nicht als eine gegen einen anderen gerichtete feindliche Aktion anzusehen (vgl. zur Infizierung BSG, Urteil vom 18.10.1995 – 9 RVg 5/95 SozR 3-2800 § 2 Nr. 3). Die Verabreichung von Medikamenten, die keine Giftbeibringung ist, ist auch kein vorsätzlicher rechtswidriger Angriff. Die Klägerin kann sich insoweit auch nicht auf die von ihr zitierte Entscheidung des Bayerischen LSG vom 16.03.1990 (L 10 Vg 1/89) stützen, denn im Gegensatz zum vorliegenden Fall handelte der Täter dort feindselig, das erteilte Einverständnis des Opfers zur Körperverletzung war unwirksam. Im Übrigen ist die Entscheidung ohnehin durch die spätere BSG-Rechtsprechung (Urteil vom 29.04.2010 - B 9 VG 1/09 R - BSGE 106, 91) überholt, wonach es wegen einer vorhandenen Heilungsabsicht nicht gerechtfertigt ist, den (hier: ärztlichen) Eingriff als eine gezielte gewaltsame Einwirkung auf die körperliche Unversehrtheit des Patienten, mithin als eine feindselige Angriffshandlung i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG zu bewerten.
41 
Des Weiteren kann nicht im Vollbeweis ein auf eine Giftbeibringung zurückzuführender Gesundheitsschaden der Klägerin festgestellt werden. Sie macht insofern selbst epileptische Anfälle, Fieber, Krämpfe mit Atemnot und Erstickungsanfällen, qualvollen Bewegungsdrang und innere Unruhe, Suizidgedanken und -versuche geltend, die Bewegungsstörungen sollen wieder ganz verschwunden sein (Schriftsatz vom 07.01.2011, Bl. 6 SG-Akte, Az.: S 8 VG 6271/11). Demgegenüber hat ihre Mutter behauptet, ihre Tochter habe das Medikament gut vertragen, also keine Nebenwirkungen gezeigt. Für die Richtigkeit dieser Aussage spricht, dass auch das Jugendamt in die Behandlung mit einbezogen war und diese genehmigt hat. Dessen ungeachtet sind die geklagten Gesundheitsstörungen, mit Ausnahme der von Dr. L. nach der Behandlung im B. Hospital bestätigte Akathisie, die aber Dr. W. bei seiner Begutachtung nicht bestätigen konnte, diagnostisch nicht fassbar, können daher nicht festgestellt werden. Damit aber dauerhafte Gesundheitsstörungen und somit auch nicht bekannte, mit Ausnahme der abgeklungenen Bewegungsstörungen, auf eine Medikamentengabe zurückgeführt werden können, bedarf es zum einen eines Belegs dafür, dass sie als Nebenwirkung, also zeitnah mit der Verabreichung aufgetreten sind, zum anderen eines Nachweises, dass durch das Medikament diese Gesundheitsstörung hervorgerufen werden kann, der nur durch einen Pharmakologen zu erbringen ist, während die die Krankheiten bescheinigenden Nervenärzte dafür fachlich nicht qualifiziert sind. Der Senat hat insoweit von einer weiteren Sachaufklärung abgesehen, weil es hierfür an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehlt, nachdem die exakte Dosierung und die Dauer und genaue Frequenz der Medikamentengabe unbekannt sind.
42 
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
44 
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.
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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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published on 29/04/2010 00:00

Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob das Sozialgericht (SG) das damals zuständige (jetzt beigeladene) Land zu Recht verurteilt hat, eine bei der Klägerin vo
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Die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, sind, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Die Verwaltungsbehörde kann in besonderen Fällen von dem Antragsteller die eidesstattliche Versicherung verlangen, daß er bei seinen Angaben nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen habe.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung.

(2) Eine nach Tagen bestimmte Frist endet mit dem Ablauf ihres letzten Tages, eine nach Wochen oder Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fehlt dem letzten Monat der entsprechende Tag, so endet die Frist mit dem Monat.

(3) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags.

(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Die Anwendung dieser Vorschrift wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Angreifer in der irrtümlichen Annahme von Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrunds gehandelt hat.

(2) Einem tätlichen Angriff im Sinne des Absatzes 1 stehen gleich

1.
die vorsätzliche Beibringung von Gift,
2.
die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen.

(3) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Buchstabe e oder f des Bundesversorgungsgesetzes herbeigeführt worden sind; Buchstabe e gilt auch für einen Unfall, den der Geschädigte bei der unverzüglichen Erstattung der Strafanzeige erleidet.

(4) Ausländerinnen und Ausländer haben dieselben Ansprüche wie Deutsche.

(5) Die Hinterbliebenen eines Geschädigten erhalten auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft erhalten Leistungen in entsprechender Anwendung der §§ 40, 40a und 41 des Bundesversorgungsgesetzes, sofern ein Partner an den Schädigungsfolgen verstorben ist und der andere unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit die Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes ausübt; dieser Anspruch ist auf die ersten drei Lebensjahre des Kindes beschränkt.

(6) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die ein Berechtigter oder Leistungsempfänger nach Absatz 1 oder 5 in Verbindung mit § 10 Abs. 4 oder 5 des Bundesversorgungsgesetzes, eine Pflegeperson oder eine Begleitperson bei einer notwendigen Begleitung des Geschädigten durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 8a des Bundesversorgungsgesetzes erleidet.

(7) Einer gesundheitlichen Schädigung im Sinne des Absatzes 1 steht die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz gleich.

(8) Wird ein tätlicher Angriff im Sinne des Absatzes 1 durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers verübt, werden Leistungen nach diesem Gesetz erbracht.

(9) § 1 Abs. 3, die §§ 64 bis 64d, 64f sowie 89 des Bundesversorgungsgesetzes sind mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde tritt, sofern ein Land Kostenträger ist (§ 4). Dabei sind die für deutsche Staatsangehörige geltenden Vorschriften auch für von diesem Gesetz erfaßte Ausländer anzuwenden.

(10) § 20 des Bundesversorgungsgesetzes ist mit den Maßgaben anzuwenden, daß an die Stelle der in Absatz 1 Satz 3 genannten Zahl die Zahl der rentenberechtigten Beschädigten und Hinterbliebenen nach diesem Gesetz im Vergleich zur Zahl des Vorjahres tritt, daß in Absatz 1 Satz 4 an die Stelle der dort genannten Ausgaben der Krankenkassen je Mitglied und Rentner einschließlich Familienangehörige die bundesweiten Ausgaben je Mitglied treten, daß Absatz 2 Satz 1 für die oberste Landesbehörde, die für die Kriegsopferversorgung zuständig ist, oder die von ihr bestimmte Stelle gilt und daß in Absatz 3 an die Stelle der in Satz 1 genannten Zahl die Zahl 1,3 tritt und die Sätze 2 bis 4 nicht gelten.

(11) Im Rahmen der Heilbehandlung sind auch heilpädagogische Behandlung, heilgymnastische und bewegungstherapeutische Übungen zu gewähren, wenn diese bei der Heilbehandlung notwendig sind.

(1) Die Versorgung nach diesem Gesetz obliegt den für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden. Ist der Bund Kostenträger, so sind zuständig

1.
wenn der Geschädigte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem Land hat, die Behörden dieses Landes; es finden die Übergangsregelungen gemäß § 4 Absatz 2 und 3 beschränkt auf die Zuständigkeit der Behörde entsprechend Anwendung, davon ausgenommen sind Versorgungen bei Schädigungen an einem Ort im Ausland,
2.
wenn der Geschädigte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes hat, die Behörden des Landes, das die Versorgung von Kriegsopfern in dem Wohnsitz- oder Aufenthaltsland durchführt.
Abweichend von Satz 2 Nummer 2 sind, wenn die Schädigung auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug eingetreten ist, die Behörden des Landes zuständig, in dem das Schiff in das Schiffsregister eingetragen ist oder in dem der Halter des Luftfahrzeugs seinen Sitz oder Wohnsitz hat.

(2) Die örtliche Zuständigkeit der Behörden bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung.

(3) Das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung, mit Ausnahme der §§ 3 bis5,sowie die Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes über das Vorverfahren sind anzuwenden.

(4) Absatz 3 gilt nicht, soweit die Versorgung in der Gewährung von Leistungen besteht, die den Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach den §§ 25 bis 27h des Bundesversorgungsgesetzes entsprechen.

Die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, sind, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Die Verwaltungsbehörde kann in besonderen Fällen von dem Antragsteller die eidesstattliche Versicherung verlangen, daß er bei seinen Angaben nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen habe.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Die Anwendung dieser Vorschrift wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Angreifer in der irrtümlichen Annahme von Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrunds gehandelt hat.

(2) Einem tätlichen Angriff im Sinne des Absatzes 1 stehen gleich

1.
die vorsätzliche Beibringung von Gift,
2.
die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen.

(3) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Buchstabe e oder f des Bundesversorgungsgesetzes herbeigeführt worden sind; Buchstabe e gilt auch für einen Unfall, den der Geschädigte bei der unverzüglichen Erstattung der Strafanzeige erleidet.

(4) Ausländerinnen und Ausländer haben dieselben Ansprüche wie Deutsche.

(5) Die Hinterbliebenen eines Geschädigten erhalten auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft erhalten Leistungen in entsprechender Anwendung der §§ 40, 40a und 41 des Bundesversorgungsgesetzes, sofern ein Partner an den Schädigungsfolgen verstorben ist und der andere unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit die Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes ausübt; dieser Anspruch ist auf die ersten drei Lebensjahre des Kindes beschränkt.

(6) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die ein Berechtigter oder Leistungsempfänger nach Absatz 1 oder 5 in Verbindung mit § 10 Abs. 4 oder 5 des Bundesversorgungsgesetzes, eine Pflegeperson oder eine Begleitperson bei einer notwendigen Begleitung des Geschädigten durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 8a des Bundesversorgungsgesetzes erleidet.

(7) Einer gesundheitlichen Schädigung im Sinne des Absatzes 1 steht die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz gleich.

(8) Wird ein tätlicher Angriff im Sinne des Absatzes 1 durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers verübt, werden Leistungen nach diesem Gesetz erbracht.

(9) § 1 Abs. 3, die §§ 64 bis 64d, 64f sowie 89 des Bundesversorgungsgesetzes sind mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde tritt, sofern ein Land Kostenträger ist (§ 4). Dabei sind die für deutsche Staatsangehörige geltenden Vorschriften auch für von diesem Gesetz erfaßte Ausländer anzuwenden.

(10) § 20 des Bundesversorgungsgesetzes ist mit den Maßgaben anzuwenden, daß an die Stelle der in Absatz 1 Satz 3 genannten Zahl die Zahl der rentenberechtigten Beschädigten und Hinterbliebenen nach diesem Gesetz im Vergleich zur Zahl des Vorjahres tritt, daß in Absatz 1 Satz 4 an die Stelle der dort genannten Ausgaben der Krankenkassen je Mitglied und Rentner einschließlich Familienangehörige die bundesweiten Ausgaben je Mitglied treten, daß Absatz 2 Satz 1 für die oberste Landesbehörde, die für die Kriegsopferversorgung zuständig ist, oder die von ihr bestimmte Stelle gilt und daß in Absatz 3 an die Stelle der in Satz 1 genannten Zahl die Zahl 1,3 tritt und die Sätze 2 bis 4 nicht gelten.

(11) Im Rahmen der Heilbehandlung sind auch heilpädagogische Behandlung, heilgymnastische und bewegungstherapeutische Übungen zu gewähren, wenn diese bei der Heilbehandlung notwendig sind.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung.

(2) Eine nach Tagen bestimmte Frist endet mit dem Ablauf ihres letzten Tages, eine nach Wochen oder Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fehlt dem letzten Monat der entsprechende Tag, so endet die Frist mit dem Monat.

(3) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags.

(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Die Anwendung dieser Vorschrift wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Angreifer in der irrtümlichen Annahme von Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrunds gehandelt hat.

(2) Einem tätlichen Angriff im Sinne des Absatzes 1 stehen gleich

1.
die vorsätzliche Beibringung von Gift,
2.
die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen.

(3) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Buchstabe e oder f des Bundesversorgungsgesetzes herbeigeführt worden sind; Buchstabe e gilt auch für einen Unfall, den der Geschädigte bei der unverzüglichen Erstattung der Strafanzeige erleidet.

(4) Ausländerinnen und Ausländer haben dieselben Ansprüche wie Deutsche.

(5) Die Hinterbliebenen eines Geschädigten erhalten auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft erhalten Leistungen in entsprechender Anwendung der §§ 40, 40a und 41 des Bundesversorgungsgesetzes, sofern ein Partner an den Schädigungsfolgen verstorben ist und der andere unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit die Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes ausübt; dieser Anspruch ist auf die ersten drei Lebensjahre des Kindes beschränkt.

(6) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die ein Berechtigter oder Leistungsempfänger nach Absatz 1 oder 5 in Verbindung mit § 10 Abs. 4 oder 5 des Bundesversorgungsgesetzes, eine Pflegeperson oder eine Begleitperson bei einer notwendigen Begleitung des Geschädigten durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 8a des Bundesversorgungsgesetzes erleidet.

(7) Einer gesundheitlichen Schädigung im Sinne des Absatzes 1 steht die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz gleich.

(8) Wird ein tätlicher Angriff im Sinne des Absatzes 1 durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers verübt, werden Leistungen nach diesem Gesetz erbracht.

(9) § 1 Abs. 3, die §§ 64 bis 64d, 64f sowie 89 des Bundesversorgungsgesetzes sind mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde tritt, sofern ein Land Kostenträger ist (§ 4). Dabei sind die für deutsche Staatsangehörige geltenden Vorschriften auch für von diesem Gesetz erfaßte Ausländer anzuwenden.

(10) § 20 des Bundesversorgungsgesetzes ist mit den Maßgaben anzuwenden, daß an die Stelle der in Absatz 1 Satz 3 genannten Zahl die Zahl der rentenberechtigten Beschädigten und Hinterbliebenen nach diesem Gesetz im Vergleich zur Zahl des Vorjahres tritt, daß in Absatz 1 Satz 4 an die Stelle der dort genannten Ausgaben der Krankenkassen je Mitglied und Rentner einschließlich Familienangehörige die bundesweiten Ausgaben je Mitglied treten, daß Absatz 2 Satz 1 für die oberste Landesbehörde, die für die Kriegsopferversorgung zuständig ist, oder die von ihr bestimmte Stelle gilt und daß in Absatz 3 an die Stelle der in Satz 1 genannten Zahl die Zahl 1,3 tritt und die Sätze 2 bis 4 nicht gelten.

(11) Im Rahmen der Heilbehandlung sind auch heilpädagogische Behandlung, heilgymnastische und bewegungstherapeutische Übungen zu gewähren, wenn diese bei der Heilbehandlung notwendig sind.

(1) Die Versorgung nach diesem Gesetz obliegt den für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden. Ist der Bund Kostenträger, so sind zuständig

1.
wenn der Geschädigte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem Land hat, die Behörden dieses Landes; es finden die Übergangsregelungen gemäß § 4 Absatz 2 und 3 beschränkt auf die Zuständigkeit der Behörde entsprechend Anwendung, davon ausgenommen sind Versorgungen bei Schädigungen an einem Ort im Ausland,
2.
wenn der Geschädigte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes hat, die Behörden des Landes, das die Versorgung von Kriegsopfern in dem Wohnsitz- oder Aufenthaltsland durchführt.
Abweichend von Satz 2 Nummer 2 sind, wenn die Schädigung auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug eingetreten ist, die Behörden des Landes zuständig, in dem das Schiff in das Schiffsregister eingetragen ist oder in dem der Halter des Luftfahrzeugs seinen Sitz oder Wohnsitz hat.

(2) Die örtliche Zuständigkeit der Behörden bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung.

(3) Das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung, mit Ausnahme der §§ 3 bis5,sowie die Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes über das Vorverfahren sind anzuwenden.

(4) Absatz 3 gilt nicht, soweit die Versorgung in der Gewährung von Leistungen besteht, die den Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach den §§ 25 bis 27h des Bundesversorgungsgesetzes entsprechen.

Die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, sind, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Die Verwaltungsbehörde kann in besonderen Fällen von dem Antragsteller die eidesstattliche Versicherung verlangen, daß er bei seinen Angaben nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen habe.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Die Anwendung dieser Vorschrift wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Angreifer in der irrtümlichen Annahme von Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrunds gehandelt hat.

(2) Einem tätlichen Angriff im Sinne des Absatzes 1 stehen gleich

1.
die vorsätzliche Beibringung von Gift,
2.
die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen.

(3) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Buchstabe e oder f des Bundesversorgungsgesetzes herbeigeführt worden sind; Buchstabe e gilt auch für einen Unfall, den der Geschädigte bei der unverzüglichen Erstattung der Strafanzeige erleidet.

(4) Ausländerinnen und Ausländer haben dieselben Ansprüche wie Deutsche.

(5) Die Hinterbliebenen eines Geschädigten erhalten auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft erhalten Leistungen in entsprechender Anwendung der §§ 40, 40a und 41 des Bundesversorgungsgesetzes, sofern ein Partner an den Schädigungsfolgen verstorben ist und der andere unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit die Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes ausübt; dieser Anspruch ist auf die ersten drei Lebensjahre des Kindes beschränkt.

(6) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die ein Berechtigter oder Leistungsempfänger nach Absatz 1 oder 5 in Verbindung mit § 10 Abs. 4 oder 5 des Bundesversorgungsgesetzes, eine Pflegeperson oder eine Begleitperson bei einer notwendigen Begleitung des Geschädigten durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 8a des Bundesversorgungsgesetzes erleidet.

(7) Einer gesundheitlichen Schädigung im Sinne des Absatzes 1 steht die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz gleich.

(8) Wird ein tätlicher Angriff im Sinne des Absatzes 1 durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers verübt, werden Leistungen nach diesem Gesetz erbracht.

(9) § 1 Abs. 3, die §§ 64 bis 64d, 64f sowie 89 des Bundesversorgungsgesetzes sind mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde tritt, sofern ein Land Kostenträger ist (§ 4). Dabei sind die für deutsche Staatsangehörige geltenden Vorschriften auch für von diesem Gesetz erfaßte Ausländer anzuwenden.

(10) § 20 des Bundesversorgungsgesetzes ist mit den Maßgaben anzuwenden, daß an die Stelle der in Absatz 1 Satz 3 genannten Zahl die Zahl der rentenberechtigten Beschädigten und Hinterbliebenen nach diesem Gesetz im Vergleich zur Zahl des Vorjahres tritt, daß in Absatz 1 Satz 4 an die Stelle der dort genannten Ausgaben der Krankenkassen je Mitglied und Rentner einschließlich Familienangehörige die bundesweiten Ausgaben je Mitglied treten, daß Absatz 2 Satz 1 für die oberste Landesbehörde, die für die Kriegsopferversorgung zuständig ist, oder die von ihr bestimmte Stelle gilt und daß in Absatz 3 an die Stelle der in Satz 1 genannten Zahl die Zahl 1,3 tritt und die Sätze 2 bis 4 nicht gelten.

(11) Im Rahmen der Heilbehandlung sind auch heilpädagogische Behandlung, heilgymnastische und bewegungstherapeutische Übungen zu gewähren, wenn diese bei der Heilbehandlung notwendig sind.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.