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| Die Klägerin begehrt einen Existenzgründungszuschuss ab 2. März 2006. |
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| Die 1978 geborene Klägerin bezog bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 26. Februar 2006 Arbeitslosengeld. Am 2. März 2006 nahm sie telefonisch wegen der Gewährung eines Existenzgründungszuschusses mit der Beklagten Kontakt auf und sprach deswegen am 10. März 2006 dort persönlich vor. Im März 2006 schrieb die Klägerin verschiedene Rechtsanwaltskanzleien und Betriebe an und bot ihre Leistungen als selbständiges Schreibbüro mit fachlicher Ausrichtung ähnlich dem Berufsbild der Rechtsanwaltsfachangestellten an. Sie wies darauf hin, dass sie derzeit Existenzgründungszuschuss beantrage und eine Mitarbeit auf selbstständiger Basis vornehmlich für Urlaubs-, Krankheits- und Mutterschaftsvertretungen mit dem Ziel des Ausbaus der Geschäftsbeziehungen anstrebe und auch Schreibdienste außerhalb der Kanzlei im Rahmen eines Über-Nacht-Services anbiete. Am 15. März 2006 nahm die Klägerin an einem Existenzgründungsseminar der IHK teil. Am 26. April 2006 meldete sie ihr Gewerbe bei der Stadt Aichtal an und gab als Beginn der angemeldeten Tätigkeit den 2. Mai 2006 an. |
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| Mit formularmäßigem Antrag vom 19. Mai 2006 beantragte die Klägerin die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses für eine ab 2. Mai 2006 ausgeübte mehr als kurzzeitige, hauptberufliche selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwaltsfachangestellte. Dem Antrag beigefügt war die Stellungnahme des Existenzgründerzentrums Stuttgart e.V., welche unter dem 20. Mai 2006 die Tragfähigkeit der Existenzgründung bejahte. |
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| Mit Bescheid vom 27. Juli 2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, vorliegend sei als Tag der Antragstellung der 2. März 2006 maßgebend. Die selbstständige Tätigkeit sei jedoch erst zum 2. Mai 2006 aufgenommen worden, weshalb kein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Ende des Bezugs von Entgeltersatzleistungen und der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit bestehe. |
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| Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass ihr die Antragsunterlagen bei ihrem persönlichen Termin am 10. März 2006 nicht ausgehändigt worden seien und ihr auch nicht erklärt worden sei, dass und zu welchem Zeitpunkt sie ein Gewerbe anzumelden habe. An diesem Tag habe ihr die Arbeitsvermittlerin mitgeteilt, dass die Frist zur Stellung eines Antrags auf die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses bereits angelaufen sei. Erst Anfang April 2006 seien ihr die Antragsunterlagen per Post zugesandt worden. Die Arbeitsvermittlerin habe zudem erklärt, dass eine Gewerbeanmeldung einer Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gleich komme und diese Aufnahme nicht vor Gewährung eines Existenzgründungszuschusses liegen dürfe. Aufgrund dieser Auskunft habe die Klägerin es unterlassen, zeitnah ein Gewerbe anzumelden. |
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| Mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2006 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass die Klägerin die selbstständige Tätigkeit nach eigener Aussage erst ab dem 2. Mai 2006 aufgenommen habe. Der Bezug von Arbeitslosengeld und die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit seien Tatbestandsmerkmale, die nicht fingiert werden könnten. Mithin liege kein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Leistungsbezug und Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit vor, weshalb der Antrag abzulehnen sei. |
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| Hiergegen richtet sich die am 9. Oktober 2006 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage. Die inhaltlichen und fristrelevanten Säumnisse lägen in der Sphäre der Beklagten und könnten somit der Klägerin nicht zur Last gelegt werden. Zudem sei die Klägerin im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Ende des Arbeitslosengeldesbezuges auch unternehmerisch tätig geworden. Hierzu hat sie schriftliche Angebote an Rechtsanwaltskanzleien von März 2006 vorgelegt sowie Rechnungen (über Tätigkeiten ab Mai 2006) und den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2006, der für die Klägerin negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2006 von - 6.581,- EUR ergibt. |
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| Mit Urteil vom 24. März 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Voraussetzung für die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses gemäß § 421l Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sei, dass die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit in einem engen Zusammenhang mit dem Bezug von Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III erfolgt sei. Bereits dies sei vorliegend sehr fraglich. Der Bezug von Arbeitslosengeld habe am 26. Februar 2006 geendet. Die Klägerin habe sowohl in ihrem Antrag als auch in ihrer Gewerbeanmeldung als Beginn ihrer selbstständigen Tätigkeit den 2. Mai 2006 angegeben. Danach lägen zwischen Ende des Arbeitslosengeldbezugs und Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gute zwei Monate, so dass ein enger zeitlicher Zusammenhang nicht mehr gegeben sei. Ein solcher könne, auch wenn der Gesetzestext selbst keinen festen Zeitraum nenne und eine starre zeitliche Grenze auch nicht sinnvoll erscheine, grundsätzlich bei einer Unterbrechung von bis zu einem Monat noch bejaht werden. Aus dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben gehe zur Überzeugung des Gerichts nicht hervor, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit bereits im März 2006 aufgenommen habe. Eine selbstständige Tätigkeit werde aufgenommen, wenn erstmals eine auf unmittelbar berufsmäßigen, d.h. dauerhaften und nachhaltigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen werde. Soweit Vorbereitungshandlungen getätigt würden, gelte dies nicht bereits als Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit selbst. Die Klägerin habe im März Akquisehandlungen zur Gewinnung möglicher Kunden getätigt, indem sie ihre Leistungen verschiedenen Kanzleien und Firmen angeboten habe. Hierbei handele es sich um Vorbereitungshandlungen, wofür auch spreche, dass die Klägerin in ihren Schreiben angegeben habe, dass sie derzeit einen Existenzgründungszuschuss zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit beantrage. Demnach sei auch die Klägerin im März 2006 noch nicht davon ausgegangen, bereits selbstständig tätig zu sein. Die Angebotsschreiben seien dahin zu werten, dass die Klägerin vorab in Erfahrung habe bringen wollen, ob das von ihr angebotene Leistungsprogramm für Kanzleien oder Firmen auch interessant sei, mithin ob sich die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit auch rentieren werde. Auch die Tatsache, dass der Klägerin von Frau G. M. am 16. März 2006 ein Auftrag über das Redigieren von Texten erteilt worden sei, könne nicht zur Annahme der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit bereits zu diesem Zeitpunkt führen. Nach dem Inhalt des Schreibens von Frau M. habe die Klägerin nämlich erst dann die Leistung erbringen sollen, wenn sie ihr Gewerbe zugelassen habe, spätestens bis zum 15. Mai 2006. Eine Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit könne erst angenommen werden, wenn die Klägerin ihrerseits Leistungen für die Kunden erbracht habe, da erst hierin die auf Gewinnerzielung gerichtete Handlung mit Außenwirkung zu sehen sei. Selbst wenn man die Akquisetätigkeit im März 2006 als Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit werten würde, könnte die Klägerin einen Existenzgründungszuschuss nicht beanspruchen. Denn zu den Tatbestandsvoraussetzungen gehöre, dass durch die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beendet werde (§ 421l Abs. 1 SGB III). Dies sei jedoch erst dann der Fall, wenn die zeitliche Inanspruchnahme durch die Selbstständigkeit mindestens 15 Stunden wöchentlich betrage, was sich im Umkehrschluss aus der Regelung des § 119 Abs. 3 SGB III ergebe, wonach eine selbstständige Tätigkeit von weniger als 15 Stunden wöchentlich die Beschäftigungslosigkeit und damit auch die Arbeitslosigkeit nicht ausschließe. Im März 2006 habe die Klägerin für die Akquise noch nicht mindestens 15 Stunden wöchentlich an Arbeitszeit aufgebracht. Sie sei deshalb im März 2006, wohl auch noch im April 2006 beschäftigungslos und damit auch arbeitslos gewesen. Eine Beendigung der Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit im engen zeitlichen Zusammenhang zu dem Bezug von Arbeitslosengeld könne somit vorliegend in keinem Fall bejaht werden. Soweit die Klägerin eine fehlerhafte Beratung der Beklagten geltend mache, welche erst zu den zeitlichen Verzögerungen geführt habe, könne die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit und damit der enge zeitliche Zusammenhang zum Ende des Arbeitslosengeldbezugs nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingiert werden. Die Frage, ob der Klägerin durch das Verhalten der Beklagten ein Schaden entstanden sei, sei daher im vorliegenden Verfahren nicht zu klären. Sofern die Klägerin der Auffassung sei, dass ihr ein Schaden in Geld durch den Beratungsfehler entstanden sei, wäre sie auf den Amtshaftungsanspruch zu verweisen, welcher vor den ordentlichen Gerichten zu klären wäre. |
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| Gegen dieses Urteil richtet sich die am 12. April 2010 eingelegte Berufung der Klägerin. Das SG habe im Tatbestand nicht berücksichtigt, wie der tatsächliche Verlauf der Gespräche bei der Beklagten gewesen sei. Die Antragstellung für den Existenzgründungszuschuss habe im März 2006 erst begonnen. Die Beklagte habe dazu beigetragen, dass die Antragstellung gehindert, unterbrochen und nicht fortgeführt worden sei. Erst nach überobligatorischen Anstrengungen sei es der Klägerin gelungen, die Antragstellung fortzusetzen, indem sie ohne Bestellung am 19. April 2006 beim Arbeitsamt vorgesprochen habe und nicht eher gegangen sei, bis sie Antragsformulare ausgehändigt bekommen habe. Mit der Aufnahme der Tätigkeit im Mai 2006 habe deshalb immer noch ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Gewährung von Arbeitslosengeld bestanden, weil dieser nicht allein zeitlich betrachtet werden dürfe, sondern auch in bürokratisch-funktioneller Hinsicht. Solange die Antragstellung in dieser Weise von einer Behörde behindert werde werde, sei der Zeitablauf zwischen Arbeitslosengeldgewährung einerseits und Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit andererseits zweifellos gehemmt. Das gesetzliche Leitbild fordere einen zeitlichen Zusammenhang, beachte dabei aber nicht, dass die Antragstellung sich in Ausnahmefällen in einer Art und Weise durch Hinderungsgründe verzögern könne, die nicht vom Antragsteller zu vertreten seien. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) habe eine Korrekturmöglichkeit bei fehlerhaftem Verwaltungshandeln entwickelt. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch habe nicht nur zur Folge, dass die Antragstellung zurückdatiert werde, was folgerichtig auch geschehen sei. Die Klägerin sei in einer weiteren Stufe so zu stellen, als bestünde der enge zeitliche Zusammenhang im Sinne des § 421l SGB III. Das Gesetz selbst nenne keinen festen Zeitraum, lediglich die Beklagte habe wohl in einer Dienstanweisung die Monatsfrist als Maximalzeitraum genannt. Dieser Zeitraum könne möglicherweise aus § 57 SGB III, der Gesetzesbegründung, entlehnt worden sein. In § 421l SGG III sei jedoch weder im Gesetzestext noch in der Gesetzesbegründung die Begrenzung auf eine Monatsfrist gegeben. Das SG habe keine Kriterien aufgestellt, nach denen ein enger zeitlicher Zusammenhang gemessen werden könne. Die Beklagte habe zweifellos die aus dem Sozialleistungsverhältnis obliegenden Verpflichtungen verletzt. Vor allem bei der Dienstaufsichtsbeschwerde der Klägerin vom 16. Juni 2006 gewinne man den Eindruck, als ob Frau S. die Stellung des Antrags regelrecht und absichtlich verhindert haben könnte. Die hieraus resultierenden nachteiligen Folgen könne die Beklagte durch rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigen, denn es sei zu prüfen, ob eine derartige Verzögerung in der Antragstellung nicht eine Hemmung der Frist für den engen zeitlichen Zusammenhang bedeute, insbesondere, weil die Antragstellung nicht in einem einzigen Akt abgeschlossen sei. Eine Hemmung des Zeitablaufs für den engen zeitlichen Zusammenhang müsse jedenfalls zwingend zwischen dem 2. bzw. 10. März 2006 einerseits und der Aushändigung der Formulare am 19. April 2006 gesehen werden. Wenn man diese Sichtweise weiter durchdenke, wären zwischen dem 26. Februar 2006 und dem 2. März 2006 sechs Tage verstrichen; zuzüglich der Zeit vom 19. April 2006 plus Ausfüllzeit bis zur Aufnahme der tatsächlichen Tätigkeit Anfang Mai 2006. Beide Zeitblöcke bildeten noch nicht einmal einen Monat. Es könne daher nicht davon die Rede sein, es bestehe kein enger zeitlicher Zusammenhang. Das gesetzliche Leitbild gehe von einem prinzipiell rechtmäßigen Verwaltungshandeln aus und nicht davon, dass die Antragstellung aktiv behindert werde, sei es durch Unterlassen der Übersendung der Antragsformulare oder durch die Erteilung objektiv falscher Auskünfte. |
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| das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. März 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. September 2006 zu verpflichten, der Klägerin Existenzgründungszuschuss ab 2. März 2006 in Höhe von monatlich 600,- EUR zu gewähren. |
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| die Berufung zurückzuweisen. |
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| Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts. Auch der Bevollmächtigte der Klägerin behaupte nicht, dass die Klägerin zu einem früheren Zeitpunkt ihre selbstständige Tätigkeit ausgeübt habe, den zeitlichen Ablauf habe auch die Klägerin bereits in ihrer Dienstaufsichtsbeschwerde geschildert. Ein Beratungsfehler liege nach Auffassung der Beklagten nicht vor. Im Übrigen habe das SG richtig festgestellt, dass ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch nicht greife. Für Amtshaftungsansprüche sei das Zivilgericht zuständig. |
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| Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. |
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