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Der Kläger begehrt die Aufhebung von Pfändungs- und Überweisungsverfügungen.
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Der 1956 geborene, verheiratete Kläger ist Landwirt und - ebenso wie es seine Ehefrau bis März 2005 war (ab diesem Zeitpunkt Aufhebung des ursprünglichen, die Versicherungspflicht feststellenden Bescheides durch Bescheid vom 09.06.2008 wegen rückwirkend mitgeteilter Trennung der Eheleute ab 29.03.2005) - versicherungspflichtig nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG). Wegen rückständiger Beiträge erließ die Beklagte im Hinblick auf Forderungen des Klägers gegen die Milchwerke S. eG die Pfändungs- und Überweisungsverfügungen vom 31.10.2005 über 643,60 EUR (Beitragsforderung gegenüber dem Kläger für die Zeit von August 2005 bis Oktober 2005 nebst Nebenforderungen), vom 31.03.2006 über 914,10 EUR (Beitragsforderung gegenüber dem Kläger für die Zeit von November 2005 bis März 2006 nebst Nebenforderungen) und - auf Grund Haftungsbescheid vom 10.05.2005 im Hinblick auf Beitragsforderungen aus der Versicherungspflicht der Ehefrau des Klägers - vom 09.12.2005 über 6482,85 EUR (Beitragsforderung gegen die Ehefrau für die Zeit von August 2003 bis November 2005 nebst Nebenforderungen) und vom 24.04.2006 über 613,10 EUR (Beitragsforderung gegen die Ehefrau für die Zeit von Januar bis März 2006 nebst Nebenforderungen). Den Widerspruch, mit dem der Kläger Vollstreckungsschutz beantragt hatte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2006 zurück. Tatsächlich waren sämtliche gepfändeten Forderungen bereits im Mai 2006 erfüllt worden. Zur weiteren Feststellung wird diesbezüglich auf die Aufstellung der Beklagten vom 19.02.2010 und die dieser Aufstellung beigefügten Unterlagen Bezug genommen.
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Das gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügungen am 25.08.2006 angerufene Sozialgericht Ulm hat die Klage mit Urteil vom 12.09.2007 und der Begründung abgewiesen, die Verwaltungsakte hätten sich nicht erledigt, weil sie noch problemlos rückgängig gemacht werden könnten. Allerdings stehe dem Kläger kein Pfändungsschutz zu.
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Gegen das ihm am 22.10.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.11.2007 Berufung eingelegt. Er beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12.09.2007 sowie die Pfändungs- und Überweisungsverfügungen vom 09.12.2005, 31.03.2006, 31.10.2005 und 24.04.2006, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2006 aufzuheben.
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
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Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
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Gegenstand des Rechtsstreits sind ausschließlich die im Tatbestand und im Antrag des Klägers aufgeführten Pfändungs- und Überweisungsverfügungen in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2006, deren Aufhebung der Kläger ausweislich des Schriftsatzes vom 20.02.2008 beantragt.
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Zutreffend ist das Sozialgericht im angefochtenen Urteil davon ausgegangen, dass die Sozialgerichte für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit dieser Pfändungs- und Überweisungsverfügungen zuständig sind und dass der Rechtsschutz mit den Möglichkeiten des SGG, hier die durch Anfechtungsklage zu gewähren ist.
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Zur Vollstreckung ihrer Beitragsforderung standen der Beklagten zwei Wege zur Verfügung (s. BSG, Urteil vom 15.02.1989, 12 RK 3/88 in SozR 1300 § 44 Nr. 36): Sie konnte entweder gemäß § 66 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in entsprechender Anwendung der Zivilprozessordnung (ZPO) vorgehen (d.h. hier beim Amtsgericht einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragen) oder gemäß § 66 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGB X nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes Baden-Württemberg (LVwVG vom 12.03.1974, Gbl. BW Seite 93), wonach u.a. die §§ 390 ff. der Abgabenordnung anzuwenden sind, verfahren und die einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vergleichbare Pfändungs- und Überweisungsverfügung durch ihre eigene Vollstreckungsbehörde erlassen. Diesen zweiten Weg hat sie beschritten. Die Vollstreckung nimmt je nach Art des eingeschlagenen Weges einen unterschiedlichen Verfahrensgang. Bei der Vollstreckung nach der ZPO können zur Abwehr von Vollstreckungsmaßnahmen oder gegen bereits erfolgte Maßnahmen die Rechtsbehelfe ergriffen werden, die das Zwangsvollstreckungsrecht der ZPO vorsieht. Über sie ist nach den Verfahrensgrundsätzen des Zivilprozesses und in dessen Instanzenzug zu entscheiden. Bei der Verwaltungsvollstreckung, insbesondere nach Erlass einer Pfändungs- und Überweisungsverfügung durch die Vollstreckungsbehörde, ist der in dieser Verfügung enthaltene Verwaltungsakt - so das BSG im genannten Urteil - vor den Verwaltungsgerichten, hier den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit als besonderen Verwaltungsgerichten, durch eine - fristgebundene - Klage anzufechten, der in der Regel ein Vorverfahren vorauszugehen hat. Das Verfahren vor den Gerichten folgt den Verfahrensgrundsätzen des Verwaltungsprozesses und wird in dessen Instanzenzug durchgeführt. Dabei lassen es die aufgezeigten Unterschiede zwischen beiden Wegen der Vollstreckung und auch zwischen der Geltendmachung zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Forderungen nicht zu, die Grundsätze, die für die Vollstreckung nach der ZPO gelten, ohne weiteres auf die Verwaltungsvollstreckung zu übertragen. Vielmehr sind hier vergleichbare Fragen in erster Linie mit den Mitteln des Verwaltungs- und Verwaltungsverfahrensrechts zu lösen (BSG, a.a.O.).
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Nachdem die Beklagte mit den streitigen Pfändungs- und Überweisungsverfügungen einseitig, hoheitlich in ein Forderungsrecht des Klägers gegenüber den Milchwerken eingriff, es sich mithin - wovon auch das BSG im genannten Urteil ausgeht - um Verwaltungsakte im Sinne des § 31 SGB X handelte, ist Rechtsschutz gegen derartige Maßnahmen der Beklagten durch die reine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG zu gewähren. Denn nach Satz 1 dieser Bestimmung kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes durch Klage begehrt werden. Eine derartige reine Anfechtungsklage mit dem Ziel der Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsakte hat der Kläger hier auch erhoben.
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Indessen ist diese Anfechtungsklage im vorliegenden Fall nicht zulässig.
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Wie sich aus der zitierten Regelung des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG ergibt, muss sich die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt richten. Zulässigkeitsvoraussetzung ist somit das Vorliegen eines derartigen Verwaltungsaktes. Umgekehrt ist die Klage unzulässig, wenn sich herausstellt, dass kein Verwaltungsakt vorliegt (Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 54 Rdnr. 8a m.w.N. zur Rechtsprechung). Damit ist eine Anfechtungsklage nicht (mehr) zulässig, wenn ein Verwaltungsakt nicht (mehr) vorliegt. Ein Verwaltungsakt liegt nicht mehr vor, wenn er nicht mehr wirksam ist und nicht mehr wirksam ist ein Verwaltungsakt, wenn er zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 39 Abs. 2 SGB X). Im Ergebnis ist eine Anfechtungsklage somit nicht (mehr) zulässig, wenn der Verwaltungsakt erledigt ist (ebenso Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 11.04.2001, VII B 304/00 gerade zur Pfändungs- und Überweisungsverfügung; im Ergebnis ebenso BSG, Urteil vom 27.03.2007, B 13 RJ 43/05 R zu einer Verrechnung, allerdings ohne zwischen der Prozessvoraussetzung Verwaltungsakt und der Prozessvoraussetzung Rechtsschutzbedürfnis zu differenzieren).
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Im vorliegenden Fall hatten sich die angefochtenen Pfändungs- und Überweisungsverfügungen schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zum Sozialgericht Ulm durch Erfüllung der gepfändeten Forderung erledigt.
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Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts erledigen sich Pfändungs- und Überweisungsverfügungen durch die Zahlung des Drittschuldners (BFH, a.a.O). Denn mit Zahlung der gepfändeten Forderung durch den Drittschuldner an den Pfändungsgläubiger wird die gepfändete Forderung eingezogen (§ 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 15 Abs. 1 LVwVG und § 314 der Abgabenordnung), der Pfandgegenstand mithin verwertet und die Vollstreckung beendet (BFH, a.a.O.). Eingelegte Rechtsbehelfe werden dann unzulässig (BFH, a.a.O.), eine Anfechtungsklage kann nicht mehr zulässigerweise erhoben werden (BFH, a.a.O.).
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Damit hatten sich die angefochtenen Pfändungs- und Überweisungsverfügungen durch Zahlung der gepfändeten Forderung durch die Milchwerke S. eG und damit zu den von der Beklagten in der Aufstellung vom 19.02.2010 genannten Zeitpunkten (10.11.2005, 02.03.2006 und 11.05.2006) erledigt. Dies bestreitet der Kläger auch nicht. In Ermangelung eines noch existierenden Verwaltungsaktes war somit die Anfechtungsklage von Anfang an unzulässig.
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Zuzugeben ist dem Sozialgericht allerdings, dass Vollstreckungsmaßnahmen, die sich rückgängig machen lassen, nicht als Erledigungsgrund im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X anzuerkennen sind (vgl. Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Beschluss vom 17.11.1998, 4 B 100/98 zur entsprechenden Vorschrift des § 43 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz). Dies gilt jedoch für eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung gerade nicht. Denn mit der Zahlung des Drittschuldners tritt Erfüllung der gegen ihn, den Drittschuldner, gerichteten Forderung ein, hier also Erfüllung der Forderung des Klägers gegen die Milchwerke S. eG. Dies bedeutet zugleich - wie bereits ausgeführt - eine vollständige Verwertung des Pfandgegenstandes, nämlich der gepfändeten Forderung. Selbst wenn die Beklagte einen wertmäßig der jeweils angefochtenen Pfändungs- und Überweisungsverfügung entsprechenden Geldbetrag an den Kläger wieder auszahlen würde, würde dadurch die Forderung des Klägers gegen die Milchwerke S. eG nicht erneut begründet.
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Soweit das BSG im Urteil vom 15.02.1989 (a.a.O.) die Auffassung vertritt, auch nach Beendigung der Zwangsvollstreckung könne die Rechtmäßigkeit einer Pfändungs- und Überweisungsverfügung überprüft werden (dort sogar nach § 44 SGB X), kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Das BSG setzt sich dort nicht mit der - wie dargelegt - für die Erledigungswirkung maßgebenden Tatsache der Erfüllung der gepfändeten Forderung durch Zahlung des Drittschuldners auseinander, sondern argumentiert ausschließlich mit (konkursrechtlichen) Vollstreckungsverboten und durch Verstoß gegen solche Verbote begründeten Herausgabeansprüchen des Schuldners gegen den Gläubiger. Die Frage, ob der Gläubiger das durch die Pfändung und Überweisung einer Forderung (und damit vom Drittschuldner) Erlangte im Verhältnis zum Schuldner behalten darf, berührt indessen nicht das Verhältnis des Schuldners und des Gläubigers zum Drittschuldner, wie es Gegenstand der Pfändungs- und Überweisungsverfügung ist. Verstöße gegen Vollstreckungsverbote sind nach erfolgter und nicht rückgängig zu machender Vollstreckung somit im Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger zu klären (so auch BFH, a.a.O.). Einer Aufhebung der Pfändungs- und Überweisungsverfügung bedarf es dazu nicht. Im Übrigen stehen im vorliegenden Fall auch keine Vollstreckungsverbote im Raum.
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Im Ergebnis hatten sich somit die Pfändungs- und Überweisungsverfügungen bereits vor Klageerhebung erledigt. Es lag damit kein anfechtbarer Verwaltungsakt vor. Das Sozialgericht hat die Anfechtungsklage somit im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Berufung ist deshalb zurückzuweisen.
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Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Senat weicht insbesondere nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab. Er folgt vielmehr der zitierten Rechtsprechung des BFH. Soweit das BSG im Urteil vom 15.02.1989 (a.a.O.) die Frage der Erledigung einer Pfändungs- und Überweisungsverfügung durch Zahlung des Drittschuldners verneint hat, sind diese Ausführungen - soweit tragend - zum einen nur auf die Besonderheit konkursrechtlicher Vollstreckungsverbote bezogen, die im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommen, und zum anderen durch die zitierte Rechtsprechung des BFH überholt.
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