Landgericht Wuppertal Beschluss, 14. Jan. 2016 - 9 T 272/15
Tenor
Das Rechtsmittel wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
1
Gründe
2I.
31. Verfahren AG Wuppertal, 59 XVII 167/10
4Im Jahre 2010 regte der Sohn des Betroffenen die Einrichtung einer Betreuung für den Betroffenen an. Die Lebensgefährtin des Betroffenen wolle die Betreuung übernehmen, sei hierzu aber nicht in der Lage, da sie Alkoholikerin sei. Das Amtsgericht Wuppertal beschloss sodann zur Frage der Betreuungsbedürftigkeit unter anderem ein Sachverständigengutachten einzuholen.Für den Betroffenen, vertreten durch seine Lebensgefährtin, Frau E, bestellte sich sodann Rechtsanwalt K, der mitteilte, der Betroffene leide an einer Demenz vom Alzheimertyp mit frühem Beginn und wahnhafter Verhaltensstörung und sei bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H seit 7.5.2007 in regelmäßiger Behandlung. Sicherlich könne er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln, er habe jedoch, als er, auch nach Auffassung der Diplom-Psychologin Frau L, dazu noch in der Lage gewesen sei, seiner Lebensgefährtin eine Vorsorgevollmacht (Bl. 23f der Beiakte) erteilt.Der Sohn des Betroffenen zweifelte an, dass es dem Betroffenen bewusst gewesen sei, was er bei der Vollmachtserteilung geschrieben habe. Das Amtsgericht stoppte die Begutachtung, beraumte einen Anhörungstermin an und wies darauf hin, die – nach ihren Angaben bei der Vollmachtserteilung anwesende – Diplom-Psychologin habe gegenüber dem Abteilungsrichter telefonisch die Freiwilligkeit und Vollmachtsfähigkeit des Betroffenen bestätigt.Im Rahmen des Anhörungstermins vom 24.11.2010 gab der Sohn des Betroffenen an, er greife die Vollmacht deshalb nicht weiter an, er sei damit einverstanden, dass das Betreuungsverfahren eingestellt werde, Frau E habe sich verändert und handele sind nicht mehr im Sinne des Betroffenen, so dass die Rechtspflegerin eine Kontrollbetreuung prüfen werde.Mit Beschluss vom selben Tage stellte das Amtsgericht das auf Einrichtung einer Betreuung gerichtete Betreuungsverfahren ein, da der Betroffene angesichts der erteilten Vollmacht einer Hilfe durch Betreuung nicht bedürfe (Bl. 37f der Beiakte).Hiergegen legte der Sohn des Betroffenen mit Schreiben vom 25.11.2010 Beschwerde ein. Das Amtsgericht half dieser nicht ab und legte die Sache der Beschwerdekammer vor. Der dortige Berichterstatter telefonierte daraufhin mit dem – neuen – Verfahrensbevollmächtigten des Sohnes des Betroffenen (Vollmacht, Bl. 48 der Beiakte) und nahm als Vermerk auf: Rechtsanwalt I teilt auf telefonische Nachfrage mit, dass es keiner Entscheidung über das Rechtsmittel vom 25.11.2010 bedürfe. Es werde aber noch die Einrichtung einer Kontrollbetreuung begehrt (Bl. 57 der Beiakte). Die Akte wurde sodann ohne weitere Bearbeitung an das Amtsgericht zur weiteren Veranlassung hinsichtlich der Frage einer Kontrollbetreuung zurückgesandt.Die Rechtspflegerin beim Amtsgericht teilte dem Sohn des Betroffenen schließlich durch formloses Schreiben vom 22.1.2013 mit, es bestehe kein Raum für die Anordnung einer Kontrollbetreuung.
52. Aktuelles Verfahren
6Am 11.9.2014 regte der Sohn des Betroffenen erneut die Einrichtung einer Betreuung an. Der Betroffene sei schwer dement und dessen Lebensgefährtin sei mit der Aufgabe überfordert, so dass der Betroffene verwahrlost sei. Das Amtsgericht stellte das Betreuungsverfahren ein, nachdem die Vorsorgevollmacht vom 8.9.2008 vorgelegt worden war. Hiergegen legte der Sohn des Betroffenen Beschwerde ein. Der Betroffene sei nicht mehr der Lage gewesen, die Bedeutung und die Auswirkungen seines Handelns zu verstehen, als er die Vorsorgevollmacht unterzeichnet habe. Das Amtsgericht beschloss am 23.3.2015, hierzu ein Sachverständigengutachten einzuholen. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Frau Dr. Q, erstattete unter dem 15.6.2015 ein Gutachten, worin sie die Auffassung vertrat, die Frage sei derzeit nicht abschließend zu beantworten. Genauere Erkenntnisse hätten sich möglicherweise aus den Befunden des seinerzeit dem Betroffenen behandelnden Psychiaters ergeben. Die Lebensgefährtin des Betroffenen habe aber der Beiziehung dieser Unterlagen nicht zugestimmt (Bl. 63f der Akten). Das Amtsgericht bestellte dem Betroffenen sodann die Verfahrenspflegerin.Im Wege einer einstweiligen Anordnung und im Wege der Abhilfe hinsichtlich der eingelegten Beschwerde vom 4.11.2014 bestellte das Amtsgericht am 16.9.2015 die Betreuerin und die Ersatzbetreuerin sowie die Verfahrenspflegerin und ordnete die sofortige Wirksamkeit an. Es würden erhebliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der Bevollmächtigung bestehen (Bl. 108 der Akten).Hiergegen legte der Betroffene mit Schreiben vom 24.9.2015 und am 6.10.2015 Beschwerde ein (Bl. 119 und 125 der Akten). Verfahrensbeendende Maßnahme sei nicht der Beschluss vom 16.10.2014, sondern der Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal vom 24.11.2010 zum Az. 59 XVII 167/10 gewesen.Am 26.10.2015 hörte das Amtsgericht den Betroffenen an und wandelte durch Beschluss vom 27.10.2015 die bisherige einstweilige Betreuung in eine entsprechende dauerhafte Betreuung um, wobei die Aufgabenkreise neu bestimmt wurden und die Ersatzbetreuung nicht erwähnt wurde (Bl. 140 und 142 der Akten). Es müsse zumindest im Sinne erheblicher Zweifel an der Vollmachtsfähigkeit ausgegangen werden. Die mögliche Bevollmächtigte erscheine nach dem aktuellen Erkenntnisstand als nicht hinreichend geeignet, die Betreuung zu übernehmen. Sie handele nicht im Interesse des Betroffenen, wenn sie die gerichtlichen Ermittlungen im Rahmen der Begutachtung durch die Nichtherausgabe wichtiger medizinischer Unterlagen erschwere, ohne medizinischen Grund den Kontakt des Sohnes zum Betroffenen vereitelte und den Zugang der gerichtlich bestellte Betreuerin zum Betroffenen über ein Zeitraum von grob einer halben Stunde verhindere.Hiergegen legte der Betroffene mit Faxschreiben vom 28.11.2015 Beschwerde ein (Bl. 157 der Akten). Mit weiterem Schreiben vom 2.12.2015 legten sowohl der Betroffene als auch die Bevollmächtigte Beschwerde ein (Bl. 159 der Akten). Abgesehen davon, dass das erkennende Gericht in dieser Angelegenheit bereits eine Entscheidung getroffen habe, sei auch nicht erkennbar, dass die Bevollmächtigte in irgendeiner Form nachteilig für den Betroffenen gehandelt habe.Die Sachverständige gab unter dem 21.12.2015 eine ergänzende Stellungnahme zu ihrem psychiatrischen Fachgutachten vom 15.6.2015 ab, nachdem ihr vorher nicht zur Verfügung stehende fremde anamnestische Angaben zugänglich gemacht worden waren. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse kam die Sachverständige zum Ergebnis, der Betroffene sei bereits im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung am 8.9.2008 an einer mittelgradigen Demenz erkrankt, die dazu geführt habe, dass er nicht mehr dazu in der Lage gewesen sei, die Bedeutung einer Vollmacht zu erfassen und adäquat einzuordnen (Bl. 182ff der Akten).Mit Beschluss vom 23.12.2015 hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde des Betroffenen nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 195 der Akten). Auch im Rahmen der Beschwerde würde die frühere Entscheidung des Gerichts das Gericht nicht daran hindern, aufgrund neuer Erkenntnisse nunmehr doch von einer vermutlich rechtlich unwirksamen Vollmacht auszugehen.
7II.
8Da das Amtsgericht hinsichtlich der Beschwerde der Vollmachtnehmerin bislang keine Nichtabhilfeentscheidung getroffen hat, war verfahrensgegenständlich für die Kammer lediglich die Beschwerde des Betroffenen .Seine nach §§ 58ff FamFG statthafte und insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nicht begründet
91. Voraussetzungen der Einrichtung einer Betreuung
10Die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung gemäß § 1896 liegen nach den eingeholten Gutachten eindeutig vor, was auch von dem Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt wird. Bei dem Betroffenen liegt eine weit fortgeschrittene schwere Demenzerkrankung vor. Er ist zu einer verbalen Kommunikation nicht mehr in der Lage und erscheint auch nicht mehr dazu in der Lage, verbale Äußerungen verstehen und auffassen zu können. Mit ihm ist kein Gespräch mehr möglich. Vermutlich habe bereits im Jahr 2005 ein dementiellen Prozess bestanden mit deutlich sichtbarer Minderung der Gehirnzellen im Sinne einer kortikalen Hirnatrophie, was sich aus einem MRT aus dem Jahre 2005 ergebe.Zur Bildung eines entgegenstehenden freien Willens ist der Betroffene mithin nicht mehr in der Lage.
112. Betreuung trotz Bevollmächtigung
12Die Vollmachtsurkunde vom 8.9.2008 steht der Einrichtung der Betreuung nicht entgegen. Das wäre nur dann anders zu beurteilen, wenn gegen die Wirksamkeit der Bevollmächtigung keine Bedenken bestehen würden (vgl. BGH, XII ZB 584/10, bei juris). Schon im Gutachten vom 15.6.2015 war jedoch ausgeführt worden, dass insoweit erhebliche Zweifel an der Vollmachtsfähigkeit des Betroffenen zum relevanten Zeitpunkt bestehen würden. Dem folgt die Kammer, weil aufgrund der Schwere der bestehenden Demenzerkrankung von einem bereits seit mehreren Jahren bestehenden Verlauf auszugehen ist und der Betroffene bereits im Mai 2007 in regelmäßiger psychiatrischer Behandlung war. Das MRT aus dem Jahre 2005 deutete darauf hin, dass ein dementieller Prozess bereits 2005 stattfand.
133. Keine Eigenbindung des Amtsgerichts und keine entgegenstehende Rechtskraft
14Das Amtsgericht war nicht gehindert, die Frage der Betreuungsbedürftigkeit im Hinblick auf die Existenz der Vollmachtsurkunde erneut und abweichend von seiner Entscheidung aus dem Jahre 2010 zu beurteilen. Weder Gesichtspunkte der Eigenbindung noch solche der materiellen Rechtskraft standen entgegen.Ob und inwieweit ein Betreuungsgericht von einer eigenen Entscheidung abweichen darf (verneinend: Kammergericht, 19 UF 70/10, bei BeckRS), ob betreuungsgerichtliche Entscheidungen der materiellen Rechtskraft fähig sind und welche Präklusionswirkungen anzunehmen sind, ist umstritten (vgl. Ulrici in: Münchener Kommentar FamFG, 2. Auflage, § 48, Rn. 30 und 44 sowie § 45, Rn. 12; BGH, XII ZB 355/14, bei juris: Geltung des Verschlechterungsverbotes im Beschwerdeverfahren).Die Sondervorschrift des § 294 FamFG betrifft jedenfalls nur die Aufhebung und Einschränkung der eingerichteten Betreuung oder des Einwilligungsvorbehaltes. Nach § 48 I 1 FamFG kann das Gericht des ersten Rechtszuges eine rechtskräftige Endentscheidung mit Dauerwirkung aufheben oder ändern, wenn sich die zu Grunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich wesentlich geändert hat.Bei der Frage der Einrichtung der Betreuung handelt es sich um die Regelung eines Dauerzustandes (Engelhardt in: Keidel, FamFG, 18. Auflage, § 48, Rn. 6).Das Merkmal Änderung der Sach- oder Rechtslage ist wegen des Zweckes der Vorschrift, einen durch eine sachlich nicht gerechtfertigte Entscheidung geschaffenen Dauerzustand umgehend zu beenden, weit auszulegen. Deshalb liegt eine Änderung der Sachlage nicht nur vor, wenn sich die der Entscheidung zu Grunde liegenden Tatsachen geändert haben. Es genügen auch Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung und insbesondere, dass die erneute sachliche Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ein Grund für die Entscheidung nicht bestanden hat und auch weiterhin nicht besteht (Engelhardt, a.a.O., Rn. 14; a.A. Ulrici, a.a.O., Rn. 39).Davon abgesehen war über die Beschwerde des Sohnes des Betroffenen im ersten Verfahren auf Einrichtung einer Betreuung keine formell rechtskräftige Entscheidung herbeigeführt worden, so dass die Beschwerdekammer der Sache nach auch noch hierüber zu entscheiden hatte und entscheiden konnte. Gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 24.11.2010 hatte der Sohn des Betroffenen fristgerecht Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdekammer hat seinerzeit in der Sache keine Entscheidung getroffen, weil sie offensichtlich von einer Rücknahme des Rechtsmittels ausgegangen ist. Eine wirksame Rechtsmittelrücknahme ergibt sich jedoch aus dem Telefonvermerk (Bl. 57 der Beiakte) nicht.Gemäß § 67 IV FamFG kann der Beschwerdeführer die Beschwerde bis zum Erlass der Beschwerdeentscheidung durch Erklärung gegenüber dem Gericht zurücknehmen. Für die Form einer solchen Beschwerderücknahme gelten die gleichen Grundsätze wie bei einer Verzichtserklärung gegenüber dem Gericht. Die Erklärung kann grundsätzlich durch Einreichung einer Schrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle erfolgen. Daneben soll die Möglichkeit bestehen, die Rücknahme telefonisch gegenüber dem Gericht zu erklären, wenn, was indes in der Praxis kaum der Fall sein wird, die Identität des Erklärenden feststeht, der Erklärungsinhalt eindeutig ist und ein entsprechender Aktenvermerk gefertigt wird (Sternal in: Keidel, FamFG, 18. Auflage, § 67, Rn. 18).Ob dieser, mit der Rechtssicherheit kaum vereinbarenden Auffassung zu folgen ist, kann dahinstehen. Entgegen der Auffassung des BayObLG, 3Z BR 141/02 (BeckRS 2002 30273345) kann es jedenfalls nicht ausreichen, dass die Identität des Erklärenden zu einem späteren Zeitpunkt geklärt wird, weil die Wirksamkeit einer Prozess gestaltenden Erklärung nicht in der Schwebe bleiben darf. Im Zeitpunkt des Telefonates des Berichterstatters der seinerzeit zuständigen Beschwerdekammer mit dem Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers war jedenfalls nach Lage der Akten nicht gesichert, dass das Telefonat tatsächlich mit Rechtsanwalt I geführt wurde, zumal nur vermutet werden kann, dass seinerzeit der Berichterstatter den Rechtsanwalt bzw. die Kanzlei angerufen hatte. Davon abgesehen war eine wirksame Vertretungsmacht nicht ersichtlich. Denn dieser Rechtsanwalt hatte damals nur eine Vollmacht für den Bereich „Kontrollbetreuung“ eingereicht, während sich für das Verfahren auf Einleitung einer Betreuung für den Sohn des Betroffenen Rechtsanwalt G bestellt und Beschwerde eingelegt hatte (Bl. 48f der Beiakte).
154. Ungeeignetheit der Vollmachtnehmerin (vgl. BGH, a.a.O.)
16Davon abgesehen hat das Amtsgericht die Vollmachtnehmerin zu Recht als nicht hinreichend geeignet angesehen, die Interessen des Betroffenen wahrzunehmen, so dass auch deshalb die Einrichtung der Betreuung gerechtfertigt ist. Die Vollmachtnehmerin hat sich nämlich lange Zeit völlig obstruktiv verhalten. Auf Bl. 47, 83, 103a, und 135 der Akte wird verwiesen. Aus den gleichen Gründen entsprach es auch nicht dem wohlverstandenen mutmaßlichen Interesse des Betroffenen, die Vollmachtnehmerinnen als Betreuerin einzusetzen.
17III.
18Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.Der Wert des Verfahrensgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 36 III GNotKG).IV.Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass sich der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts lediglich zur Umwandlung der mit einstweiliger Anordnung eingerichteten Betreuung, nicht jedoch zu der Ersatzbetreuung verhält.
19V.
20Rechtsmittelbelehrung:
21Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft. Sie ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe (Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe) einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und die Erklärung enthalten, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde. Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben und sodann, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat, beginnend mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses, zu begründen. Die Rechtsbeschwerde kann nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden.
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BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Betroffene wendet sich mit ihrer Rechtsbeschwerde gegen die Einrichtung der Betreuung.
- 2
- Die 1922 geborene Betroffene erteilte zunächst im Jahr 2003 den Beteiligten zu 3 und 4 und später - unter anderem am 4. Januar 2010 - dem Beteiligten zu 1 eine Vorsorgevollmacht. Die Beteiligten zu 3 und 4 wollen die Vollmacht wegen der Ablehnung und des Misstrauens, das ihnen von der Betroffenen entgegen gebracht wird, nicht wahrnehmen.
- 3
- Das vom Betreuungsgericht auf Anregung der Betreuungsstelle eingeholte Sachverständigengutachten ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Betroffene an einer fortgeschrittenen Demenz leide, weshalb sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung für den Beteiligten zu 1 nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei. Im anschließenden Anhörungstermin hat der Beteiligte zu 1 eine auf ihn ausgestellte notarielle Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung vom 10. März 2010 vorgelegt, ausweislich derer die Betroffene zum Zeitpunkt der Errichtung der Vollmacht "voll geschäftsfähig" gewesen sei.
- 4
- Das Amtsgericht hat für die Betroffene eine Betreuung für alle Angelegenheiten inklusive Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post angeordnet und den Beteiligten zu 1 als Betreuer bestellt. Zudem hat es die Beteiligte zu 2 zur weiteren Betreuerin mit den Aufgabenkreisen "Abschluss eines Pflege- und Dienstleistungsvertrages" mit dem Beteiligten zu 1 sowie "Gegenbetreuung für den Aufgabenkreis Vermögenssorge" bestellt.
- 5
- Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen. Den Beteiligten zu 1 hat es als Betreuer entlassen und für ihn einen anderen Betreuer bestellt. Schließlich hat es die Aufgabenkreise geändert.
- 6
- Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
- 7
- Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
- 8
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
- 9
- 2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
- 10
- a) Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung zur Anordnung der Betreuung damit begründet, dass die Betroffene geschäftsunfähig und in vollem Umfang betreuungsbedürftig sei. Die Betroffene habe bei beiden Anhörungen durch das Beschwerdegericht einen "bedauernswerten Eindruck" hinterlassen. Sie sei nicht einmal zu ihren persönlichen Verhältnissen hinreichend orientiert. Das Beschwerdegericht habe aufgrund des persönlichen Eindrucks von der Betroffenen nicht die geringsten Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens des Sachverständigen, der die Betroffene zum Untersuchungszeitpunkt im April 2010 ebenfalls sichtlich überfordert, völlig desorientiert und ratlos erlebt habe. Diese Diagnose und die daraus abgeleitete Schlussfolgerung, dass die Betroffene bereits zum Zeitpunkt 4. Januar 2010 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit geschäftsunfähig gewesen sei, beruhe nicht nur auf den Untersuchungsergebnissen des Sachverständigen, sondern ergebe sich auch aus den beigezogenen Befundberichten zweier Kliniken sowie des behandelnden Hausarztes. Letzterer habe zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung eine Demenzerkrankung der Betroffenen seit ca. einem halben Jahr bekundet. Nicht nachvollziehbar sei, insbesondere auch aufgrund des persönlichen Eindrucks von der Betroffenen bei beiden Anhörungen, wie der beurkundende Notar am 10. März 2010 zu der Annahme einer "vollen Geschäftsfähigkeit" der Betroffenen gelangen und an diesem Tag nicht nur eine Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung , sondern zudem noch ein Testament der Betroffenen habe beurkunden können.
- 11
- Letztlich sei es allerdings nicht entscheidend, ob die Vorsorgevollmachten wegen Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen unwirksam seien, wovon die Kammer überzeugt sei, und ob eine weitere Vorsorgevollmacht mit Datum 17. Mai 2009 tatsächlich an diesem Tag erstellt worden sei - was nach Auffassung der Kammer nicht der Fall sei. Die Betreuung sei schon deshalb aufrecht zu erhalten, weil die 2003 von der Betroffenen bevollmächtigten Beteiligten zu 3 und 4 - momentan - von der erteilten Vorsorgevollmacht keinen Gebrauch machen wollten und weil massive Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Beteiligte zu 1 die Vorsorgevollmacht vom 17. Mai 2009 missbrauche. Er sei bei seiner Anhörung sichtlich in Verlegenheit und Erklärungsnot geraten, als er auf den Versuch angesprochen worden sei, einen Betrag von 15.000 € vom Konto der Betroffenen abzuheben. Eine Reihe von Unregelmäßigkeiten auf Seiten des Beteiligten zu 1 kennzeichneten auch das parallele Betreuungsverfahren für den Sohn der Betroffenen, zu dessen Ersatzbetreuer der Beteiligte zu 1 bestellt worden sei. Unter Würdigung aller Umstände sei davon auszugehen, dass die Betroffene unter dem Einfluss des Beteiligten zu 1 stehe und dass dieser ein erheblich gesteigertes Interesse an den Vermögenswerten der Betroffenen habe , was diese aufgrund ihrer Situation nicht mehr erkennen und überblicken könne. Deshalb sei es zwingend erforderlich, sowohl die Betreuung aufrecht zu erhalten als auch den Beteiligten zu 1 umgehend zu entlassen und andere Betreuer für die Betroffene einzusetzen.
- 12
- b) Die angegriffene Entscheidung hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
- 13
- aa) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht die Einrichtung der Betreuung für erforderlich gehalten hat, obwohl Vorsorgevollmachten der Betroffenen vorliegen.
- 14
- (1) Ein Betreuer darf nur bestellt werden, soweit die Betreuerbestellung erforderlich ist (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB). Eine Betreuung ist nicht erforderlich , soweit die Angelegenheit des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB). Eine vom Betroffenen erteilte Vorsorgevollmacht hindert die Bestellung eines Betreuers aber nur, wenn gegen die Wirksamkeit der Voll- machtserteilung keine Bedenken bestehen (Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2010 - XII ZB 165/10 - FamRZ 2011, 285 Rn. 11).
- 15
- Eine Vorsorgevollmacht steht der Bestellung eines Betreuers allerdings auch dann nicht entgegen, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründen. Dies ist der Fall, wenn der Bevollmächtigte wegen erheblicher Bedenken an seiner Redlichkeit als ungeeignet erscheint (KG FamRZ 2010, 924, 925; OLG Zweibrücken OLGR 2006, 729, 730; Palandt/Diederichsen BGB 70. Aufl. § 1896 Rn. 12 mwN).
- 16
- Dabei entscheidet der Tatrichter über Art und Umfang seiner Ermittlungen nach pflichtgemäßem Ermessen. Dem Rechtsbeschwerdegericht obliegt lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob die Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht (Senatsbeschlüsse BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 29 mwN und vom 15. Dezember 2010 - XII ZB 165/10 - FamRZ 2011, 285 Rn. 13).
- 17
- (2) Gemessen hieran ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht die Anordnung der Betreuung für erforderlich gehalten hat.
- 18
- Dass die Betroffene Hilfe bei der Erledigung ihrer Angelegenheiten benötigt , stellt auch die Rechtsbeschwerde nicht in Frage. Ihr Angriff, im Hinblick auf die dem Beteiligten zu 1 erteilte Vorsorgevollmacht bestehe kein Betreuungsbedarf , geht indessen fehl.
- 19
- Das Beschwerdegericht hat in seiner ausführlich begründeten Entscheidung im Einzelnen dargetan, warum die Vorsorgevollmacht seiner Auffassung nach der Anordnung der Betreuung nicht entgegensteht.
- 20
- Dass es sich dabei nicht an der - den Beteiligten zu 3 und 4 erteilten - Vorsorgevollmacht aus dem Jahr 2003 gehindert gesehen hat, ist schon deshalb nicht zu beanstanden, weil diese - jedenfalls gegenwärtig - die Vollmacht nicht wahrnehmen wollen (vgl. Palandt/Diederichsen BGB 70. Aufl. § 1896 Rn. 12).
- 21
- Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht eine Betreuung trotz der dem Beteiligten zu 1 erteilten Vorsorgevollmachten als erforderlich erachtet hat.
- 22
- Ob die Einrichtung der Betreuung bereits deshalb erforderlich war, weil die Vorsorgevollmachten wegen Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen unwirksam gewesen sein könnten, wofür vieles sprechen mag, kann indes dahingestellt bleiben. Denn das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Ergebnis maßgeblich damit begründet, es bestünden "massive Anhaltspunkte" für einen Vollmachtsmissbrauch durch den Beteiligten zu 1. Dabei hat das Beschwerdegericht , das sowohl den Beteiligten zu 1 als auch die Betroffene persönlich angehört hat, im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt, wie es zu dieser Einschätzung gelangt ist.
- 23
- Das Beschwerdegericht hat hierzu ausgeführt, dass der Erklärungsversuch des Beteiligten zu 1, wieso er bereits vier Tage nach Vorlage der Vorsorgevollmacht für die Betroffene einen Betrag von 15.000 € habe von ihrem Konto abheben wollen, wenig überzeugend gewirkt habe. Danach sei das Geld für mögliche Umbaumaßnahmen im Haus der Betroffenen gedacht gewesen, wobei der Beteiligte zu 1 habe einräumen müssen, dass keinerlei Aufträge für der- artige Maßnahmen erteilt worden seien und keine Rechnungen zur Bezahlung anstünden. Dass das Beschwerdegericht weitere Umstände herangezogen hat, die aus der Tätigkeit des Beteiligten zu 1 als Ersatzbetreuer für den Sohn der Betroffenen herrühren, ist rechtsbeschwerderechtlich ebenso wenig zu beanstanden. Danach hat er für den Sohn der Betroffenen Sozialhilfe beantragt, obwohl er hätte wissen müssen, dass dieser vermögend sei. Zudem habe der Beteiligte zu 1 über einen längeren Zeitraum die von ihm in Aussicht gestellte Sperrvereinbarung hinsichtlich des Sparkontos des Sohnes nicht überreicht. Daneben habe der Beteiligte zu 1 versucht, für Auslagen 2.000 € abzuheben, was jedoch nicht gelungen sei, weil dieser Vorgang wegen fehlender Zustimmung der Betroffenen wieder storniert worden sei. Außerdem habe er, nachdem er als Betreuer wieder entlassen worden sei, einen Betrag in Höhe von 717 € von dem für den Sohn der Betroffenen eingerichteten Girokonto abgehoben. Unter den Belegen, mit denen er seine entsprechenden Auslagen nachzuweisen versucht habe, habe sich ein Beleg über den Betrag von rund 369 € befunden, der den Beteiligten zu 3 und 4 geschuldet gewesen sei.
- 24
- Dass das Beschwerdegericht unter Würdigung dieser Umstände zu der Annahme gelangt ist, der Beteiligte zu 1 habe ein erheblich gesteigertes Interesse an den Vermögenswerten der Betroffenen, was diese aufgrund ihrer Situation nicht mehr erkennen und überblicken könne, ist nicht zu beanstanden.
- 25
- Mit den hiergegen gerichteten Angriffen setzt die Rechtsbeschwerde ihre Einschätzung an die Stelle der vom Beschwerdegericht vorgenommenen Tatsachenbewertung. Das ist rechtsbeschwerderechtlich ohne Belang.
- 26
- bb) Da nach den Feststellungen des Beschwerdegericht erhebliche Zweifel an der Redlichkeit des Beteiligten zu 1 bestehen, war das Gericht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht gehalten, statt der Einrichtung ei- ner Betreuung lediglich einen Kontrollbetreuer gemäß § 1896 Abs. 3 BGB zu bestellen. Die Kontrollbetreuung dient regelmäßig als Ausgleich dafür, dass der nach Erteilung der Vollmacht geschäftsunfähig gewordene Betroffene die Vollmacht nicht mehr selbst widerrufen kann. Erforderlich ist die Kontrollbetreuung etwa, wenn besondere Schwierigkeiten in der Geschäftsführung bestehen bzw. konkrete Verdachtsmomente vorliegen, dass dem Betreuungsbedarf durch die Vollmachtserteilung nicht genügt wird. Bei erheblichen Zweifeln an der Redlichkeit des Bevollmächtigten und an der Abwendbarkeit der Vermögensgefährdung durch eine Vollmachtsüberwachungsbetreuung ist allerdings eine Vollbetreuung einzurichten (Palandt/Diederichsen BGB 70. Aufl. § 1896 Rn. 23).
- 27
- cc) Auch wenn es dem Wunsch der Betroffenen entsprechen sollte, von dem Beteiligten zu 1 betreut zu werden, ist es schließlich nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht ihn entpflichtet und an seiner Stelle einen anderen Betreuer bestellt hat.
- 28
- Nach § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB hat das Betreuungsrecht einem Vorschlag des Betroffenen zur Person des Betreuers zu entsprechen, sofern die Bestellung des vorgeschlagenen Betreuers dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderläuft. Ein solcher Vorschlag erfordert in der Regel weder Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit. Vielmehr genügt es, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimmte Person solle sein Betreuer werden. Etwaigen Missbräuchen und Gefahren wird hinreichend durch die begrenzte, letztlich auf das Wohl des Betroffenen abstellende Bindungswirkung eines solchen Vorschlags begegnet (Senatsbeschlüsse vom 15. Dezember 2010 - XII ZB 165/10 - FamRZ 2011, 285 Rn. 14 und vom 16. März 2011 - XII ZB 601/10 - zur Veröffentlichung bestimmt).
- 29
- Nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen würde die Bestellung des Beteiligten zu 1 dem Wohl der Betroffenen zuwiderlaufen. Demgemäß ist es nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht ihn als Betreuer entpflichtet hat.
Vorinstanzen:
AG Weiden i.d. OPf., Entscheidung vom 21.06.2010 - XVII 190/10 -
LG Weiden i.d. OPf., Entscheidung vom 14.10.2010 - 22 T 79/10 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Für die Betroffene wurde im April 2013 auf ihren eigenen Antrag eine umfassende Betreuung eingerichtet und ein Berufsbetreuer bestellt. Für den gesamten Aufgabenkreis war ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet und als Überprüfungstermin der 10. April 2015 bestimmt.
- 2
- Kurze Zeit nach Betreuungserrichtung beantragte die Betroffene die Aufhebung der Betreuung. Daraufhin ordnete das Amtsgericht die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens dazu an, ob die Betreuung weiterhin erforderlich sei. Der Sachverständige versuchte wiederholt vergeblich, die Betroffene zum Zwecke der Begutachtung zu untersuchen, und erstattete schließlich sein Gutachten ausschließlich aufgrund fremdanamnestischer Erkenntnisse.
- 3
- Mit Beschluss vom 11. April 2014 hat das Amtsgericht die Betreuung mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass sich der Einwilligungsvorbehalt nur noch auf die Vermögensangelegenheiten erstreckt, und als spätesten Überprüfungstermin den 11. April 2021 bestimmt. Auf die Beschwerde der Betroffenen, mit der diese weiterhin das Ziel der Aufhebung der Betreuung verfolgte, hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss insgesamt aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen.
- 4
- Hiergegen richtet sich die vom Betreuer namens der Betroffenen erhobene Rechtsbeschwerde (§ 303 Abs. 4 Satz 1 FamFG). Diese hat in erster Linie zum Ziel, dass es mit Ausnahme der Verlängerung der Überprüfungsfrist bei der amtsgerichtlichen Entscheidung bleibt; hilfsweise begehrt die Rechtsbeschwerde , dass die Beschwerdeentscheidung jedenfalls insoweit aufgehoben wird, als mit ihr die Teilaufhebung des Einwilligungsvorbehalts aufgehoben worden ist.
II.
- 5
- Die Rechtsbeschwerde ist teilweise begründet.
- 6
- 1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, das erstinstanzliche Verfahren leide an einem wesentlichen Mangel. Das Sachverständigengutachten , auf das sich das Amtsgericht stütze, sei unbrauchbar, weil es den gesetzlichen Anforderungen nicht genüge. Entgegen § 280 Abs. 2 FamFG habe der Sachverständige die Betroffene nicht vor der Gutachtenserstattung persönlich untersucht oder befragt. Statt sein Gutachten auf fremdanamnestischer Grundlage zu erstellen, hätte er sich an das Gericht wenden müssen, als offenkundig geworden sei, dass die Betroffene sich nicht zur Begutachtung einfinden werde.
- 7
- Bei der Verwertung des Gutachtens handele es sich auch nicht um einen (bloß) einfachen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht. Nachdem in dem angefochtenen Beschluss nicht nur die Aufhebung der Betreuung abgelehnt, sondern überdies die Betreuung verlängert worden sei, habe das Amtsgericht gemäß § 295 Abs. 1 Satz 1 FamFG ein dem § 280 FamFG genügendes Gutachten einholen müssen. Angesichts der Einschränkung des Einwilligungsvorbehalts könne nicht von einem unveränderten Bedürfnis im Sinn des § 295 Abs. 1 Satz 2 FamFG ausgegangen werden. Zudem genüge das Gutachten auch nicht den Anforderungen an ein ärztliches Zeugnis, weil die Betroffene entgegen §§ 281 Abs. 2, 280 Abs. 2 FamFG nicht persönlich untersucht oder befragt worden sei.
- 8
- Der Verfahrensfehler mache eine umfangreiche bzw. aufwändige Beweiserhebung notwendig. Aufhebung und Zurückverweisung seien geboten, weil der Betroffenen keine Instanz genommen werden solle, zumal sie selbst Zurückverweisung beantragt habe. Das Verschlechterungsverbot stehe der vollständigen Aufhebung nicht entgegen. Bei Verfahrensverstößen sei eine Aufhebung und Zurückverweisung selbst dann in vollem Umfang zulässig, wenn der Rechtsmittelführer ausdrücklich nur die Aufhebung des für ihn ungünstigen Teils der angefochtenen Entscheidung beantragt habe. Die Betroffene habe sogar vollständige Aufhebung und Zurückverweisung beantragt. Dem Willigen geschehe kein Unrecht und das Verböserungsverbot gelte im Betreuungsverfahren ohnehin nicht uneingeschränkt.
- 9
- 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
- 10
- a) In rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Beschwerdegericht die Verwertung des im ersten Rechtszug eingeholten Sachverständigengutachtens als verfahrensfehlerhaft angesehen und die Voraussetzungen einer Zurückverweisung nach § 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG als gegeben erachtet hat.
- 11
- aa) Zwar ordnet § 294 FamFG für das Aufhebungsverfahren die Geltung der §§ 278 Abs. 1, 280 FamFG, die die persönliche Anhörung des Betroffenen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens vorschreiben, nicht an. Es verbleibt insoweit bei den allgemeinen Verfahrensregeln und damit bei den Grundsätzen der Amtsermittlung nach § 26 FamFG, so dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Aufhebungsverfahren nichtobligatorisch ist. Wenn das Gericht aber - wie hier - ein Sachverständigengutachten einholt und seine Entscheidung auf dieses stützt, dann muss das Gutachten den formalen Anforderungen des § 280 FamFG genügen (Senatsbeschluss vom 20. August 2014 - XII ZB 179/14 - NJW 2014, 3445 Rn. 8 f. mwN).
- 12
- Schon aus diesem Grund - und unbeschadet des Umstandes, dass das Amtsgericht auch über eine Verlängerung der Betreuung entschieden hat - bleibt der von der Rechtsbeschwerde erhobenen Rüge der Erfolg versagt, das Beschwerdegericht habe zu Unrecht den Maßstab des § 280 FamFG angelegt, weil Ausgangspunkt des Verfahrens ein Aufhebungsantrag der Betroffenen gewesen sei.
- 13
- bb) Gemäß § 280 Abs. 2 Satz 1 FamFG hat der Sachverständige den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Ein ohne die erforderliche persönliche Untersuchung erstattetes Sachverständigengutachten ist grundsätzlich nicht verwertbar. Die Weigerung des Betroffenen, einen Kontakt mit dem Sachverständigen zuzulassen, ist für sich genommen kein hinreichender Grund, von einer persönlichen Untersuchung durch den Sachverständigen abzusehen. Wirkt der Betroffene an einer Begutachtung nicht mit, so kann das Gericht - abgesehen vom Ausnahmefall, dass die Vorführung außer Verhältnis zum Verfahrensgegenstand steht - gemäß § 283 Abs. 1 und 3 FamFG seine Vorführung anordnen (Senatsbeschluss vom 20. August 2014 - XII ZB 179/14 - NJW 2014, 3445 Rn. 10 f., 16 mwN; vgl. auch Senatsbeschluss vom 2. Juli 2014 - XII ZB 120/14 - FamRZ 2014, 1543 Rn. 15 f.).
- 14
- cc) Diesen Anforderungen wird die Entscheidung des Amtsgerichts nicht gerecht. Wie das Landgericht im Einzelnen dargelegt hat, hat der Sachverständige die Betroffene nicht persönlich untersucht. Das Beschwerdegericht hat auch zutreffend erkannt, dass die Erkenntnisquellen des Sachverständigen - schriftliche Äußerungen der Betroffenen, Vorgutachten einer anderen Sachverständigen , Gespräche mit Dritten (Betreuer, Behandler, sonstigen Personen) und Akteninhalt - die persönliche Untersuchung der Betroffenen nicht zu ersetzen vermögen. Das Amtsgericht hätte deswegen erwägen müssen, die Betroffene zur gutachterlichen Untersuchung vorführen zu lassen.
- 15
- Dabei hängt die Erstattung des Gutachtens im Ergebnis allerdings nicht davon ab, dass ein verbaler Kontakt zwischen dem Betroffenen und dem Sachverständigen hergestellt werden kann. Der Sachverständige ist nicht gehindert, im Fall einer durch den Betroffenen verweigerten Kommunikation aus dessen Gesamtverhalten in Verbindung mit anderen Erkenntnissen Schlüsse auf ein bestimmtes Krankheitsbild zu ziehen (Senatsbeschluss vom 20. August 2014 - XII ZB 179/14 - NJW 2014, 3445 Rn. 13).
- 16
- dd) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das Beschwerdegericht die Voraussetzungen einer Zurückverweisung gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG bejaht hat.
- 17
- In der Verwertung des nicht den gesetzlichen Anforderungen genügenden Sachverständigengutachtens liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel. Von einem solchen ist auszugehen, wenn der Fehler so eindeutig und erheblich ist, dass das Verfahren keine ordnungsgemäße Grundlage für eine instanzbeendende Entscheidung sein kann (vgl. BGH Urteile vom 26. September 2002 - VII ZR 422/00 - NJW-RR 2003, 131 und vom 22. Mai 2001 - VI ZR 74/00 - NJW 2001, 2550). Dies ist bei einer Verletzung der Verfahrensbestimmung des § 280 Abs. 2 FamFG, die der umfassenden Sachverhaltsaufklärung dient, der Fall (Jürgens/Kretz Betreuungsrecht 5. Aufl. § 69 Rn. 9; vgl. auch Musielak/ Borth/Grandel FamFG 4. Aufl. § 69 Rn. 3; Keidel/Sternal FamFG 18. Aufl. § 69 Rn. 15 b; MünchKommFamFG/Fischer 2. Aufl. § 69 Rn. 43).
- 18
- Der nach § 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG erforderliche Zurückverweisungsantrag war (durch die Betroffene) gestellt. Dass es einer aufwändigen Beweiserhebung bedarf, wird von der Rechtsbeschwerde nicht angezweifelt.
- 19
- b) Rechtsfehlerhaft ist die angegriffene Entscheidung hingegen, soweit das Beschwerdegericht den Beschluss des Amtsgerichts auch hinsichtlich des den Einwilligungsvorbehalt einschränkenden Teils aufgehoben hat. Die Rechtsbeschwerde rügt mit Recht, dass dies einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot darstellt.
- 20
- aa) Die Rechtsbeschwerde macht im Ergebnis zutreffend geltend, dass die Betroffene den amtsgerichtlichen Beschluss nur insoweit mit der Beschwerde angegriffen hatte, als ihrem Aufhebungsantrag nicht entsprochen worden war.
- 21
- Entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung steht dem Betroffenen grundsätzlich allerdings auch gegen eine Entscheidung, mit der der Aufgabenkreis der Betreuung eingeschränkt oder die Betreuung sogar aufgehoben wird, das Recht der Beschwerde gemäß § 59 Abs. 1 FamFG zu, wenn er die Aufrechterhaltung der Betreuung anstrebt (Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 59 Rn. 76; vgl. zur Beschwerdebefugnis des Betroffenen bei Ablehnung der Betreuungsanordnung Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 519/13 - FamRZ 2014, 652 Rn. 8). Durch die Aufhebung der Betreuung wird der Betroffene in seinen Rechten beeinträchtigt, weil er die ihm vom Staat in Form von Rechtsfürsorge gewährte soziale Leistung verliert (OLG München FamRZ 2007, 743). Gleiches gilt bei der (Teil-)Aufhebung des Einwilligungsvorbehalts (Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 59 Rn. 76; vgl. auch BayObLG NJWE-FER 2000, 152).
- 22
- Vorliegend hatte die Betroffene - wie auch das Beschwerdegericht erkannt hat - die Beschwerde jedoch ausschließlich mit dem Ziel eingelegt, dass die Betreuung zur Gänze aufgehoben werden sollte. Indem die anwaltlich vertretene Betroffene nach Ablauf der Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG auf Hinweis des Beschwerdegerichts Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache beantragte, liegt dem ersichtlich keine Änderung des mit dem Rechtsmittel letztlich verfolgten Begehrens zugrunde. Der neue Antrag bezog sich allein auf den mit der Beschwerde angegriffenen Teil des amtsgerichtlichen Beschlusses, mit dem eine Aufhebung von Betreuung und Einwilligungsvorbehalt abgelehnt worden war.
- 23
- bb) Indem das Beschwerdegericht gleichwohl - ausdrücklich - die gesamte erstinstanzliche Entscheidung und damit auch deren den Einwilligungsvorbehalt einschränkenden Teil aufgehoben hat, hat es gegen das Verschlechterungsverbot verstoßen.
- 24
- Zwar tritt das Beschwerdegericht in vollem Umfang an die Stelle des Erstgerichts (§ 68 Abs. 3 FamFG) und entscheidet unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung über die Sache neu. Dabei ist die Entscheidungskompetenz des Beschwerdegerichts jedoch durch den Beschwerdegegenstand begrenzt; das Beschwerdegericht darf nur insoweit über eine Angelegenheit entscheiden, als sie in der Beschwerdeinstanz angefallen ist. Aus diesem Grund ist eine Erweiterung des Aufgabenkreises im Beschwerdeverfahren von vornherein wegen des Verschlechterungsverbots unzulässig, wenn allein der Betroffene gegen die Betreuerbestellung Beschwerde eingelegt hat (Senatsbeschluss vom 11. Dezember 2013 - XII ZB 280/11 - FamRZ 2014, 378 Rn. 9 f. mwN).
- 25
- Ebenso verhält es sich, wenn das Betreuungsgericht auf einen Aufhebungsantrag des Betroffenen den Aufgabenkreis des Betreuers oder auch den Umfang des Einwilligungsvorbehalts einschränkt und nur der Betroffene mit dem Ziel Beschwerde einlegt, eine Aufhebung auch im Übrigen zu erreichen. In diesem Fall erwächst die erstgerichtliche Entscheidung mit Ablauf der Rechtsmittelfrist in formeller Rechtskraft, soweit durch sie die Betreuung oder der Einwilligungsvorbehalt in Wegfall kommt, so dass die Betreuung in diesem Umfang nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens wird und es dem Beschwerdegericht insoweit an der Entscheidungskompetenz fehlt.
- 26
- Zu Unrecht stützt sich das Beschwerdegericht für seine gegenteilige Rechtsauffassung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach es im Einzelfall - etwa aufgrund der nach früherem Recht vorgeschriebenen Einheitlichkeit der Entscheidung über den Versorgungsausgleich oder "um den Prozess in die richtige Lage zu bringen" - zulässig sein kann, dass das Revisionsgericht bei Verfahrensfehlern das Berufungsurteil auch dann in seinem ganzen Umfang aufhebt, wenn sich der Revisionsantrag nur auf den dem Revisionskläger ungünstigen Teil beschränkt (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Mai 1989 - IVb ZB 28/88 - FamRZ 1989, 957, 958 und BGH Urteil vom 14. Juli 1961 - VIII ZR 121/60 - NJW 1961, 1813, 1814).
- 27
- Der Bundesgerichtshof hat auch in diesen Fällen den durch das Verbot der reformatio in peius gewährten Schutz vor einer Verschlechterung betont, der dann dadurch gewahrt wird, dass die Vorinstanz bei der erneuten Entscheidung nicht zum Nachteil des Rechtsmittelführers von der Ausgangsentscheidung abweichen darf. Die dabei entschiedenen Konstellationen sind mit der vorliegenden jedoch nicht vergleichbar. Die hier vom Beschwerdegericht ausgesprochene Aufhebung auch des den Umfang des Einwilligungsvorbehalts einschränkenden Teils der amtsgerichtlichen Entscheidung führt unmittelbar zu einer reformatio in peius für die Betroffene, die die vollständige Aufhebung der Betreuung erstrebt. Denn der Einwilligungsvorbehalt besteht ab der Beschwerdeentscheidung wieder in vollem Umfang jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine erneute erstinstanzliche Entscheidung ergeht, durch die für die Zwischenzeit keine Abhilfe geschaffen werden kann. Dies ist unvereinbar mit dem Verschlechterungsverbot.
- 28
- 3. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben, soweit das Beschwerdegericht seine Entscheidungskompetenz überschritten und dadurch gegen das Verschlechterungsverbot verstoßen hat. Auf diese Weise wird die den Einwilligungsvorbehalt einschränkende Entscheidung des Amtsgerichts wieder hergestellt.
- 29
- Im Übrigen ist die Beschwerdeentscheidung hingegen rechtlich nicht zu beanstanden, so dass die Rechtsbeschwerde insoweit zurückzuweisen ist. Dose Weber-Monecke Schilling Nedden-Boeger Guhling
AG Kleve, Entscheidung vom 11.04.2014 - 18 XVII 740/12 -
LG Kleve, Entscheidung vom 12.06.2014 - 4 T 441/14 -
(1) Für die Aufhebung der Betreuung oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts und für die Einschränkung des Aufgabenkreises des Betreuers oder des Kreises der einwilligungsbedürftigen Willenserklärungen gilt § 279 Absatz 1, 3 und 4 sowie § 288 Absatz 2 Satz 1 entsprechend. Das Gericht hat die zuständige Behörde nur anzuhören, wenn es der Betroffene verlangt oder es zur Sachaufklärung erforderlich ist.
(2) Hat das Gericht nach § 281 Absatz 1 von der Einholung eines Gutachtens abgesehen, ist dies nachzuholen, wenn ein Antrag des Betroffenen auf Aufhebung der Betreuung oder Einschränkung des Aufgabenkreises erstmals abgelehnt werden soll.
(3) Über die Aufhebung der Betreuung oder des Einwilligungsvorbehalts hat das Gericht spätestens sieben Jahre nach der Anordnung dieser Maßnahmen zu entscheiden. Ist die Maßnahme gegen den erklärten Willen des Betroffenen angeordnet worden, hat die erstmalige Entscheidung über ihre Aufhebung spätestens zwei Jahre nach der Anordnung zu erfolgen.
Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.