Landgericht Stendal Beschluss, 30. Nov. 2017 - 509 StVK 374/17

bei uns veröffentlicht am30.11.2017

Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 21.08.2017 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird bis zu 500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

1. Der Antragsteller befindet sich in der sozialtherapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Burg und wird gegenwärtig zur Fachkraft für Lagerlogistik umgeschult.

2.

2

Mit seinem – vom Mitgefangenen BB handschriftlich verfassten – Antrag vom 21.08.2017 beantragt der Antragsteller, die Versagungsentscheidung vom 17.08.2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, neu über den Antrag vom 16.08.2017 zu entscheiden. Zur Begründung trägt er vor, ihm stehe eine Nachvergütung zu, da er bedingt durch die Teilnahme an der Sozialtherapie an verschiedenen Tagen nicht habe arbeiten können. Es sei nicht nur die reine Therapiezeit, sondern auch die durch die Organisation der Antragsgegnerin bedingten Fehlzeiten zu vergüten.

3

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 1ff, 24 und 30 insbesondere auf den Antrag vom 16.08.2017 (Bl. 4) und den Vermerk über die Begründung der Versagungsentscheidung (Bl. 19) Bezug genommen.

4

Die Antragsgegnerin vertritt in ihrer Stellungnahme vom 08.09.2017 die Ansicht, der Antrag sei unbegründet. Nach dem Wortlaut des § 64 Abs. 2 JVollzGB werde allein die Teilnahme an sozialtherapeutischen Behandlungsmaßnahmen vergütet. Entgegen der Ansicht des Antragstellers werde lediglich die tatsächliche Dauer der Teilnahme vergütet, nicht darüber hinausgehende organisatorisch bedingte Ausfallzeiten. Es habe sich bei wahrzunehmenden Terminen, wie z. B. auch Vorstellung beim medizinischen Dienst, Anhörungs- und Gerichtsterminen und Behandlungsmaßnahmen eine halbtägige Zuführung bewährt, um den Vollzugsablauf zu strukturieren. Eine Einzelzuführung des Gefangenen zu bzw. nach der jeweiligen Behandlungsmaßnahme, sei unter Berücksichtigung eines geordneten Vollzugsablaufes nicht möglich. Auf Bl. 9 und 28 wird Bezug genommen.

II.

1.

5

Der Antrag des Antragstellers ist unbegründet.

6

Die angefochtene mündliche Versagungsentscheidung der Antragsgegnerin ist nicht rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten nicht.

7

Zu Recht hat die JVA den Antrag auf Nachvergütung abgelehnt. Ein Anspruch auf Vergütung für die organisationsbedingte Ausfallzeiten lässt sich aus dem Gesetz nicht herleiten.

8

Nach § 64 JVollzGB erhält der Gefangene eine Vergütung in Form von Arbeitsentgelt, soweit er eine Arbeit ausübt oder einer Ausbildungsbeihilfe, soweit er während der Arbeitszeit an einer schulischen oder – wie hier vorliegend – beruflichen Qualifizierungsmaßnahem teilnimmt. Gemäß § 64 Abs. 2 JVollzGB erhält der Gefangene seine Vergütung für die Dauer seiner Teilnahme an Behandlungsmaßnahmen in der Sozialtherapie weiter, soweit diese während der Arbeitszeit stattfinden oder soweit zu diesem Zweck eine Freistellung von schulischen oder – wie hier vorliegend – beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen erfolgt.

9

Entgegen der Ansicht des Antragstellers besteht lediglich für die tatsächliche Dauer der Teilnahme an den sozialtherapeutischen Behandlungsmaßnahmen ein Vergütungsanspruch; nicht vergütet werden darüber hinausgehende organisatorisch bedingte Ausfallzeiten, wie Wegzeiten. Denn es gilt im Rahmen des § 64 JVollzGB der Grundsatz, dass Arbeitsentgelt verdient wird, "soweit" der Gefangene arbeitet. Übt er aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten in der JVA wie z.B. aufgrund von Sicherheitsgründen oder auch Auftrags- oder Personalmangel keine Tätigkeit aus, so erhält er grundsätzlich keine Vergütung (vgl. auch OLG Hamburg, Beschluss vom 05.12.2016, Az. 3 Ws 48/16 zur Frage einer Ausfallentschädigung nach § 45 StVollzG, zitiert nach juris). Nur die Ausfallzeiten der tatsächlichen Teilnahme an Behandlungsmaßnahmen in der Sozialtherapie sind nach § 64 Abs. 2 JVollzGB privilegiert, um einen Anreiz für die Strafgefangenen zu schaffen, an diesen therapeutisch indizierten Behandlungsmaßnahmen teilzunehmen, ohne Verdienstausfall fürchten zu müssen. Wie alle Ausnahmevorschriften ist § 64 Abs. 2 JVollzGB eng auszulegen und umfasst nur die Dauer der tatsächlichen Therapiemaßnahme.

10

Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts und des Arbeitsrechts mit den daraus herzuleitenden Ansprüchen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf Lohnfortzahlung bei Arbeitsausfall aus Gründen, die im Risikobereich des Arbeitgebers liegen, finden auf Strafgefangene keine Anwendung. Strafgefangene unterliegen nach § 29 Abs. 2 JVollzGB der Arbeitspflicht. Es ist allgemein anerkannt, dass die Arbeit im Strafvollzug öffentlich-rechtlicher Natur ist, die Gefangenen nicht Arbeitnehmer sind und zwischen den Gefangenen und der Anstalt kein Arbeitsvertrag geschlossen wird (vgl. nur Arloth, Strafvollzugsgesetze zu § 37 StVollzG jeweils m.w.N.). Auch dient die Vergütung der Arbeit im Strafvollzug nicht vorrangig der Schaffung einer Lebensgrundlage, sondern dem Resozialisierungsziel, den Insassen den Wert regelmäßiger Arbeit für ein künftiges eigenverantwortliches und straffreies Leben sowie eine angemessene Bestätigung für die geleistete Arbeit zu vermitteln (vgl. nur BVerfGE 98, 169-218).

III.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 StVollzG.

12

Die Streitwertfestsetzung war gem. §§ 52, 60 GKG festzusetzen.


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Referenzen - Gesetze

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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 121 Kosten des Verfahrens


(1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind. (2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Ver

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 60 Gerichtliche Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes


Für die Bestimmung des Werts in gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, ist § 52 Absatz 1 bis 3 entsprechend anzuwenden; im Verfahren über den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs ei

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 37 Zuweisung


(1) Arbeit, arbeitstherapeutische Beschäftigung, Ausbildung und Weiterbildung dienen insbesondere dem Ziel, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern. (2) Die Vollzugsbehörde soll dem Gefang

Referenzen

(1) Arbeit, arbeitstherapeutische Beschäftigung, Ausbildung und Weiterbildung dienen insbesondere dem Ziel, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern.

(2) Die Vollzugsbehörde soll dem Gefangenen wirtschaftlich ergiebige Arbeit zuweisen und dabei seine Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen berücksichtigen.

(3) Geeigneten Gefangenen soll Gelegenheit zur Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung oder Teilnahme an anderen ausbildenden oder weiterbildenden Maßnahmen gegeben werden.

(4) Kann einem arbeitsfähigen Gefangenen keine wirtschaftlich ergiebige Arbeit oder die Teilnahme an Maßnahmen nach Absatz 3 zugewiesen werden, wird ihm eine angemessene Beschäftigung zugeteilt.

(5) Ist ein Gefangener zu wirtschaftlich ergiebiger Arbeit nicht fähig, soll er arbeitstherapeutisch beschäftigt werden.

(1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind.

(2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen. Hat sich die Maßnahme vor einer Entscheidung nach Absatz 1 in anderer Weise als durch Zurücknahme des Antrags erledigt, so entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen nach billigem Ermessen.

(3) Bei erstinstanzlichen Entscheidungen des Gerichts nach § 119a fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last. Absatz 2 Satz 2 gilt nicht im Falle des § 115 Abs. 3.

(4) Im übrigen gelten die §§ 464 bis 473 der Strafprozeßordnung entsprechend.

(5) Für die Kosten des Verfahrens nach den §§ 109ff. kann auch ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 43 Abs. 2 übersteigender Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen werden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

Für die Bestimmung des Werts in gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, ist § 52 Absatz 1 bis 3 entsprechend anzuwenden; im Verfahren über den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs einer Maßnahme der Vollzugsbehörde oder auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gilt § 52 Absatz 1 und 2 entsprechend.