Landgericht Siegen Urteil, 06. Mai 2014 - 1 S 50/13

Gericht
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 28. Mai 2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Siegen - 14 C 78/13 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das angefochtene Urteil wird für ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar erklärt.
1
Gründe
2Die Berufung ist unbegründet. Das Amtsgericht hat der Klage zu S stattgegeben. Die Rügen des Beklagten haben im Ergebnis keinen Erfolg.
3Die Klägerin kann die Auszahlung der geltend gemachten Beträge verlangen. Gemäß § 170 Abs. 1 S. 1 InsO sind nach der Verwertung einer beweglichen Sache oder einer Forderung durch den Insolvenzverwalter aus dem Verwertungserlös die Kosten der Feststellung und der Verwertung des Gegenstandes vorweg für die Insolvenzmasse zu entnehmen. Entsprechendes gilt für die angefallene Umsatzsteuer. Gemäß Satz 2 der genannten Vorschrift ist der absonderungsberechtigte Gläubiger aus dem verbleibenden Betrag unverzüglich zu befriedigen.
4Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die Kostenbeiträge einem Übererlös zu entnehmen, sofern dieser erzielt wird (LG Verden, Teilurteil vom 25.04.2002 – 5 O 512/01, zitiert nach Juris; im Ergebnis zustimmend Heeseler, ZInsO 2002, 924, zitiert nach Juris; AG Kiel, Urteil vom 15.08.2003 – 107 C 63/03, zitiert nach Juris; Tetzlaff in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage 2013, § 170 Rn. 39; Becker in Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung, § 170 Rn. 7). Es ist unschädlich, dass der Sicherungsgläubiger dann trotz Abzuges der Kostenbeiträge unter Umständen eine vollständige Befriedigung seiner gesicherten Forderungen erlangen kann, sofern eine Übersicherung besteht (LG Verden, a.a.O.; Tetzlaff a.a.O.; Becker, a.a.O.). Dieses Ergebnis folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, der Anhaltspunkte für eine Einschränkung nicht erkennen lässt. Außerdem wäre die von der Rechtsprechung jedenfalls bis zu einer bestimmten Höhe für zulässig gehaltene Möglichkeit der Übersicherung für den gesicherten Gläubiger nutzlos, wenn er hiervon im Rahmen des Insolvenzverfahrens keinen Gebrauch machen könnte (LG Verden, a.a.O., Rn. 27). Der Bundesgerichtshof hat nämlich ausdrücklich die Feststellungskosten und die Verwertungskosten der Insolvenzordnung als durch einen pauschalen Aufschlag von 10% auf die Deckungssumme „zutreffend berücksichtigt“ erachtet und einen entsprechenden Aufschlag für die Umsatzsteuer ebenfalls gebilligt (NJW 1998, 671, 675). Auch nach dem Willen des Gesetzgebers soll es zulässig sein, dass die gesicherten Gläubiger bereits im Zeitpunkt der Bestellung der Kreditsicherheiten auf eine Verkürzung des für die Befriedigung von gesicherten Forderungen zur Verfügung stehenden Verwertungserlöses im Insolvenzfall durch eine Übersicherung reagieren können (Tetzlaff, a.a.O., Rn. 36 unter Bezugnahme auf die betreffende Bundesratsdrucksache).
5Die vom Beklagten für seine entgegenstehende Ansicht vorgetragenen Argumente überzeugen nicht. Die Verfahrenskostenbeiträge werden bei einer Entnahme aus dem Übererlös nicht „konterkariert“. Sie kommen der Insolvenzmasse vielmehr zugute; dass dies nicht unbedingt in jedem Fall zu Lasten des Gläubigers geht, ist – wie erörtert – hinzunehmen. Es bedeutet auch nicht, dass Übersicherungen „in beliebiger Höhe“ zulässig wären. Vielmehr ist die Wirksamkeit einer Übersicherung unabhängig von dem hier in Rede stehenden Problem zu überprüfen. Mögliche Unstimmigkeiten bei der Abrechnung in Grenzfällen können den sich aus dem Gesetz ergebenden Grundsatz, dass die Kostenbeiträge – soweit möglich – dem Übererlös zu entnehmen sind, nicht außer Kraft setzen.
6Nach alledem stellt sich die hier zu entscheidende Rechtsfrage auch nicht als klärungsbedürftig im Sinne einer grundsätzlichen Bedeutung nach § 543 ZPO dar. Es liegen bereits mehrere Entscheidungen bzw. Äußerungen der Rechtsprechung und in der Literatur vor, die das hier vorliegende Problem übereinstimmend mit der Entscheidung der Kammer beurteilen (vgl. dazu Krüger in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2012, § 543 Rn. 7). Die Argumentation des Beklagten hiergegen gibt keine Veranlassung zu einer weiteren Klärung.
7Die Bestellung der Sicherheit war auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Übersicherung unwirksam. Jedenfalls scheidet eine Sittenwidrigkeit mit Rücksicht auf die Freigabeklausel in Nr. 22 Abs. 2 der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin aus. Zwar hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 10.12.2012 (Klageerwiderung) bestritten, dass die Geltung der AGB zwischen der Klägerin und der Schuldnerin vereinbart gewesen sei. Daraufhin hat die Klägerin aber Kopien der entsprechenden Giroverträge vorgelegt, die eine Einbeziehung erkennen lassen. Dem ist der Beklagte in erster Instanz nicht entgegengetreten, so dass der Abschluss der Verträge anzunehmen ist. In zweiter Instanz hat er geltend gemacht, dass in den betreffenden Unterlagen nur die Vorgründungsgesellschaft genannt sei. Dies ist allerdings unschädlich, weil die Klägerin und die Schuldnerin in der Folgezeit die Kreditverträge „gelebt“ haben, so dass von einem konkludenten Eintreten der Schuldnerin in die ursprünglich geschlossenen Verträge auszugehen ist, wie es die Klägerin in ihrer Berufungserwiderung (S. 6 oben) auch geltend gemacht hat. Soweit der Beklagte darüber hinaus nunmehr bestreitet, dass die fragliche Klausel im Zeitpunkt des Vertragsschlusses überhaupt „vorgesehen“ gewesen sei, ist sein Vortrag gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, aus welchem Grund das Bestreiten nicht bereits in erster Instanz hätte erfolgen können.
8Die Einrede der Insolvenzanfechtung steht dem Anspruch der Klägerin ebenfalls nicht entgegen. Der Beklagte hat sich hierzu in erster Instanz ausdrücklich darauf gestützt, dass die Schuldnerin am 15.07.2010 ihren Geschäftsbetrieb faktisch eingestellt habe und „namhafte Umsätze“ danach nicht mehr generiert worden seien.
9Die Klägerin hat demgegenüber eine umfangreiche Provisionsübersicht „März 2011“ vorgelegt, aus der sich eine Vielzahl von Geschäftsvorfällen ergibt. Diese Umstände sind der Entscheidung der Kammer zugrundezulegen, da der Beklagte dem entsprechenden Vortrag der Klägerin in erster Instanz nicht entgegengetreten ist. Soweit der Beklagte in zweiter Instanz bestreitet, dass die Abrechnung die Schuldnerin betrifft und inhaltlich richtig ist, ist sein Vortrag wiederum gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, aus welchem Grund das Bestreiten nicht bereits in erster Instanz hätte erfolgen können. Der verbleibende Vortrag zu dem Betreiben, die Forderungen abzutreten, reicht nicht aus, um den Tatbestand des § 133 InsO zu erfüllen. Unabhängig hiervon spricht vielmehr dagegen, dass die Schuldnerin nach dem eigenen Vortrag des Beklagten über die abgetretene Forderung verfügte.
10Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
11Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit für beide Instanzen beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO.

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(1) Nach der Verwertung einer beweglichen Sache oder einer Forderung durch den Insolvenzverwalter sind aus dem Verwertungserlös die Kosten der Feststellung und der Verwertung des Gegenstands vorweg für die Insolvenzmasse zu entnehmen. Aus dem verbleibenden Betrag ist unverzüglich der absonderungsberechtigte Gläubiger zu befriedigen.
(2) Überläßt der Insolvenzverwalter einen Gegenstand, zu dessen Verwertung er nach § 166 berechtigt ist, dem Gläubiger zur Verwertung, so hat dieser aus dem von ihm erzielten Verwertungserlös einen Betrag in Höhe der Kosten der Feststellung sowie des Umsatzsteuerbetrages (§ 171 Abs. 2 Satz 3) vorweg an die Masse abzuführen.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.
(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.
(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.