Landgericht Ravensburg Urteil, 25. Aug. 2015 - 8 O 34/15 KfH

bei uns veröffentlicht am25.08.2015

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung vom 16.06.2015 wird bestätigt.

2. Die Verfügungsbeklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Streitwert: 20.000,-- EUR

Tatbestand

 
Die Verfügungsbeklagte betreibt eine Brauerei und verkauft ihre Biere nahezu ausschließlich in Oberschwaben, im Allgäu und am östlichen Bodensee.
Der Verfügungskläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, insbesondere das Interesse daran, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Zu den Mitgliedern des Verfügungsklägers zählen keine Brauereien, allerdings die Lebensmittelfilialbetriebe Lidl und Norma, die auch Bier im Sortiment haben, sowie weitere Unternehmen, die Getränke verschiedener Art (z. B. Mineralwasser, Wein) in der Region Oberschwaben, Allgäu und östlicher Bodensee vertreiben.
In ihrem Internetauftritt hat die Verfügungsbeklagte am 18.05.2015 drei ihrer Biersorten, mit der Angabe „bekömmlich“ beworben. Das Wort bekömmlich tritt dabei in folgenden konkreten Passagen auf:
1. Bei der Sorte „H.-Gold“ wird unter anderem ausgeführt:
Das würzig-frische Spitzenbier.
Bekömmlich, süffig - aber nicht schwer.
So richtig nach dem Geschmack der
Biertrinkerinnen und Biertrinker
in Oberschwaben und im Allgäu.
2. Bei der Biersorte „Hl.“ wird unter anderem ausgeführt:
Das ist das Bier für den unbeschwerten
Genuss: feinwürzig und herzhaft im
Geschmack, erfrischend bekömmlich für
den großen und kleinen Durst.
3. Bei der Sorte „H.-Hell“ wird unter anderem ausgeführt:
Das bekömmliche „Blaue“: H.-Hell
(...)
Früher hieß dieses Bier „Lager“ - und es
hat alle Eigenschaften, die diesen alten
Biertyp auszeichnen: mild, süffig,
ausgewogen. Bei Temperaturen knapp
über dem Gefrierpunkt reift es in Ruhe aus,
wodurch es besonders bekömmlich wird.
10 
Die vorgenannten drei Biersorten haben jeweils einen Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent. Wegen der Einzelheiten wird auf den Ausdruck des Internetauftritts der Verfügungsbeklagten vom 18.05.2015 (Anlage A 3) verwiesen.
11 
Auf Antrag der Verfügungsklägerin hat das Landgericht am 16.06.2015 antragsgemäß eine einstweilige Verfügung gegenüber der Verfügungsbeklagten erlassen, in der dieser unter Androhung von Ordnungsmittel untersagt wird, im geschäftlichen Verkehr für Bier mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent, insbesondere für die Biersorten „Härle-Gold“, „Hopfenleicht“ und/oder „Härle-Hell“ mit der Angabe „bekömmlich“ zu werben, sofern dies geschieht wie in Anlage A 3 wiedergegeben.
12 
Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, dass der Verfügungskläger zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs nicht berechtigt sei, da er nicht über eine erhebliche Anzahl von Unternehmen als Mitglieder verfüge, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie die Verfügungsbeklagte vertrieben.
13 
Die Verfügungsbeklagte meint, dass auch materiell kein Unterlassungsanspruch des Verfügungsklägers bestehe, da sich die Angabe „bekömmlich“ im Kontext ihres konkreten Internetauftritts vom 18.05.2015 nur auf den Geschmack und die Genusswürdigkeit ihrer Biere beziehe. Vom normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher könne „bekömmlich“ in der Werbung der Beklagten nicht als gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 verstanden werden, so dass Art. 4 Abs. 3 Satz 1 dieser Verordnung, der gesundheitsbezogene Angaben bei alkoholischen Getränken verbiete, nicht eingreife. Die Verfügungsbeklagte steht dabei auf dem Standpunkt, das Wort „bekömmlich“ sei für sich genommen neutral und beziehe sich allenfalls dann auf die Gesundheit, wenn es im Zusammenhang mit bestimmten Eigenschaften eines Lebensmittels verwendet werde.
14 
Schließlich ist aus Sicht der Verfügungsbeklagten auf den örtlichen Markt abzustellen, und es sei den von ihrer Werbung angesprochenen Verbrauchern klar, dass die Angabe „bekömmlich“ einzig für die geschmackliche Hervorgehobenheit der Biere der Verfügungsbeklagten gelte, zumal diese schon seit den 1930er-Jahren mit dem Slogan „Wohl bekomm´s“ werbe.
15 
Zudem ist die Verfügungsbeklagte der Ansicht, dass der Verfügungsantrag erkennbar zu weit gefasst sei, weil er die Angabe „bekömmlich“ generell verbieten wolle, ohne die Einschränkung hinzuzufügen, dass nur die Verwendung des Wortes „bekömmlich“ nur bin einem gesundheitsbezogenen Zusammenhang untersagt werden solle; es könne aber nicht richtig sein, dass auch die neutrale Verwendung des Begriffs „bekömmlich“ nicht mehr zulässig sein solle.
16 
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
17 
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
18 
Der Verfügungskläger beantragt,
19 
die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
20 
Der Verfügungskläger meint, dass es sich bei der Angabe „bekömmlich“ um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 handle, und dass die Werbung gem. § 4 Abs. 3 der vorgenannten Verordnung für Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent deshalb unzulässig sei.
21 
Der Verfügungskläger meint, dass unter einem bekömmlichen Getränk vom Verbraucher ein solches verstanden werde, das er gut vertrage, nicht aber ein „besonders geschmackvolles“ Getränk oder dergleichen, und dass die Angabe „bekömmlich“ dem Verbraucher eine gesundheitsfördernde Wirkung suggeriere. Der Verfügungskläger verweist auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 06.09.2012 (Az. C-544/10) und meint, dass die dort formulierten Erwägungen auch für den vorliegenden Sachverhalt Geltung beanspruchten; es treffe zwar zu, dass sich die Angabe „bekömmlich“ dort auf den geringen Säuregehalt des beworbenen Weines bezogen habe; es sei dort aber im Kern um die allgemeine Frage gegangen, ob die Angabe „bekömmlich“ in Bezug auf Wein zulässig sei. Nach Ansicht des Verfügungsklägers kann es rechtlich auch keinen Unterschied machen, ob zugleich mit der Angabe „bekömmlich“ auch eine Begründung dafür geliefert werde, warum das Getränk bekömmlich sei.

Entscheidungsgründe

 
22 
Der Verfügungskläger kann von der Verfügungsbeklagten gem. §§ 8 Abs. 1 S. 1; 4 Nr. 11 UWG die Unterlassung der Angabe „bekömmlich“ bei der Werbung für Bier mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent verlangen.
1.
23 
Die Antragsbefugnis des Verfügungsklägers folgt aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
24 
Dem Verfügungskläger gehört eine erhebliche Zahl von Unternehmen an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben räumlichen Markt wie die Verfügungsbeklagte vertreiben. Bereits die Mitgliedschaft der Lebensmitteldiscounter Lidl und Norma ist ausreichend, um diese Voraussetzung zu bejahen. Beide vertreiben in ihren Filialbetrieben unter anderem auch Bier und sind in der Region Oberschwaben, Allgäu und östlicher Bodensee, in der die Verfügungsbeklagte ihren Hauptumsatz macht, repräsentativ vertreten.
2.
25 
Die Unlauterkeit der Werbung mit der Angabe „bekömmlich“ ergibt sich aus § 4 Nr. 11 UWG, wonach insbesondere derjenige unlauter handelt, der einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Eine solche Vorschrift ist Art. 4 Abs. 3 lit. (a) der Verordnung Nr. 1924/2006 (EG), der im Interesse des Gesundheitsschutzes der Verbraucher gebietet, dass Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen dürfen.
26 
Die Werbung der Verfügungsbeklagten mit der Angabe „bekömmlich“ für Biere mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent verstößt gegen diese Vorschrift.
a)
27 
Das in Art. 4 Abs. 3 lit. (a) der Verordnung Nr. 1924/2006 (EG) normierte Verbot gilt auch für die Werbung. Die Formulierung der Vorschrift, alkoholische Getränke (der bezeichneten Art) dürfen „keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen“, umfasst über die Kennzeichnung und Aufmachung hinaus auch die Werbung.
28 
Dies ergibt sich aus dem Regelungsgegenstand und der Systematik der Verordnung (OVG Koblenz, Urteil vom 19.08.2009, Az. 8 A 10579/09 - Juris Rn. 29).
b)
29 
Bei der Angabe „bekömmlich“ handelt es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe nach der Definition in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 Verordnung Nr. 1924/2006 (EG), wonach der Begriff der „gesundheitsbezogene Angabe“ jede Angabe bezeichnet, „mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht“.
30 
Aus dieser sehr weit gefassten Definition ergibt sich, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht dahin gehen muss, ein Lebensmittel sei gesundheitsförderlich, sondern dass es ausreicht, wenn angegeben wird, es habe keine oder geringe negative Wirkungen auf die Gesundheit. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 06.09.2012 (Az. C-544/10 - Deutsches Weintor/Land Rheinland-Pfalz; - Juris Rz. 34) genügt jeder Zusammenhang, der impliziert, dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem solchen Verzehr einhergehen oder sich ihm anschließen, fehlen oder geringer ausfallen, also die bloße Erhaltung eines guten Gesundheitszustandes trotz des genannten, potentiell schädlichen Verzehrs. Der EuGH betont, dass der Begriff „Zusammenhang“ weit zu verstehen ist. Er führt aus, dass sowohl die vorübergehenden und flüchtigen Auswirkungen als auch die kumulativen Auswirkungen des wiederholten und längerfristigen Verzehrs eines bestimmten Lebensmittels auf den körperlichen Zustand zu berücksichtigen seien.
31 
Im vorliegenden Fall wird durch die Angabe „bekömmlich“ ein Zusammenhang zwischen dem Lebensmittel „Bier“ einerseits und der Gesundheit andererseits hergestellt. Mit dem Wort „bekömmlich“ wird suggeriert, dass der menschliche Körper und seine Funktionen durch den Bierkonsum keine Nachteile erleiden, also selbst beim Konsum größerer Mengen intakt bleiben. Die Behauptung eines solchen Zusammenhangs ist für den Bierkonsumenten auch von Bedeutung, denn mit dem Bierkonsum werden, insbesondere für den Fall übermäßigen Genusses, auch negative Folgen für den Körper in Zusammenhang gebracht; bei Dauerkonsum kann Bier den menschlichen Organismus sogar dauerhaft schädigen.
aa)
32 
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird die Angabe „bekömmlich“ bei einem Lebensmittel in dem Sinne verwendet, dass es dem Konsumenten gut bekommt, also bei der Nahrungsaufnahme gut vertragen wird und dem Körper entweder förderlich oder wenigstens nicht abträglich ist. Es bedeutet „leicht verträglich, gut verdaulich [und daher gesund]“ (Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl. 2010) oder auch „gesund, zuträglich“ (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2006). Als Verwendungsbeispiele werden genannt: „eine bekömmliche Mahlzeit“ oder „fette Speisen sind schwer bekömmlich“ (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2006).
33 
Das Wort „bekömmlich“ meint daher die objektive Verträglichkeit für den Körper und seine Funktionen. Es bringt zum Ausdruck, dass das so bezeichnete Lebensmittel – wenn es schon nicht förderlich ist – jedenfalls den Körper und seine Funktionen (etwa die Verdauung und Resorption des Getränks in den Organen) nicht belasten oder beeinträchtigen wird (so auch OVG Koblenz, Urteil vom 19.08.2009, Az. 8 A 10579/09 - Juris Rn. 22).
34 
Auch bezogen auf den örtlich relevanten Markt, den Bereich „Oberschwaben, Allgäu und östlicher Bodensee“, kann nicht festgestellt werden, dass das Wort „bekömmlich“ eine andere Bedeutung hätte.
bb)
35 
Der Auffassung der Verfügungsbeklagten, das Wort bekömmlich sei für sich genommen in gesundheitlicher Hinsicht neutral, es beziehe sich allenfalls im Kontext weiterer Aussagen auf die Gesundheit, kann nicht gefolgt werden. Gegen eine derart enge Auslegung spricht die weit gefasste Definition des EU-Verordnungsgebers in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, die es auch genügen lässt, wenn ein Zusammenhang des Lebensmittels mit der Gesundheit „suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird“. Danach genügt also ein „lockerer“ Zusammenhang mit der Gesundheit. Bereits durch die bloße Verwendung des Wortes „bekömmlich“ für das Getränk Bier liegt ein solcher Zusammenhang vor, da „bekömmlich“ die Verträglichkeit für den Körper und seine Funktionen meint. Ob dieser Zusammenhang im weiteren Kontext der Werbung dann noch näher bestimmt und erläutert wird, spielt dagegen keine Rolle. In Bezug auf die Verwendung der Angabe „bekömmlich“ bei Wein das OVG Koblenz in seinem Urteil vom 19.08.2009 (Az. 8 A 10579/09 - Juris Rn. 21) fest:
36 
Danach stellt der Begriff „bekömmlich“ bei Wein einen Zusammenhang zu Vorgängen im Körper her und spricht nicht nur das allgemeine Wohlbefinden an, das mit dem Konsum des Weins verbunden sein kann.
c)
37 
Es bestehen auch keine Zweifel daran, dass das ausnahmslose Werbeverbot bezüglich gesundheitsbezogener Angaben für Anbieter alkoholischer Getränke mit Art. 6 Abs. 1 EU-Vertrag vereinbar ist, wonach die Europäische Union die in der EU-Charta niedergelegten Rechte, Freiheiten und Grundsätze anerkennt. Der EuGH hat hierzu in der oben genannten Entscheidung vom 06.09.2012 ausgeführt, dass dieses absolute Werbeverbot selbst dann mit dem EU-Vertrag konform ist, wenn die gesundheitsbezogene Angabe bezogen auf eine konkrete Eigenschaft für sich genommen zutrifft, im entschiedenen Fall die Bezeichnung eines Weins als „bekömmlich“ mit der auf einen reduzierten Säuregehalt hingewiesen wird. Der EuGH führt aus, dass das Verbot sich durch die Verfolgung des in Art. 35 der EU-Charta anerkannten Ziels des Gesundheitsschutzes der Verbraucher rechtfertigt, und der Wesensgehalt der Berufsfreiheit (Art. 15 Abs. 1 EU-Charta) oder der unternehmerischen Freiheit (Art. 16 EU-Charta) in keiner Weise tangiert sei, da nur die Etikettierung und Werbung innerhalb eines klar abgegrenzten Bereichs geregelt werde und die Herstellung und der Vertrieb alkoholischer Getränke weiterhin erlaubt seien.
38 
Gleiches gilt sinngemäß auch für die vorliegende Bierwerbung. Auch wenn wissenschaftlich nachgewiesen wäre, dass der maßvolle Konsum von Bier die Gesundheit fördert oder wenigstens nicht beeinträchtigt, wäre das Verbot gesundheitsbezogener Angaben durch Belange des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt, nämlich das Ziel, die mit einem übermäßigen Bierkonsum einhergehenden Gefahren für die Gesundheit zu reduzieren, gerechtfertigt (EuGH vom 06.09.2012, Az. C-544/10 - Deutsches Weintor/Land Rheinland-Pfalz - Juris Rz. 34).
3.
39 
Der Auffassung der Verfügungsbeklagten, der Unterlassungsantrag der Verfügungsklägerin sei zu weit gefasst, weil damit das Wort „bekömmlich“ generell untersagt werden soll, also etwa auch für den Fall, dass dieses Wort in einem „neutralen“ Zusammenhang gebraucht werden sollte, kann nicht gefolgt werden.
40 
Die Formulierung des Unterlassungsantrags darf zwar keine Handlungen einbeziehen, die nicht wettbewerbswidrig sind. Daher muss derjenige, der Unterlassung begehrt, die Umstände, unter denen eine Verhaltensweise ausnahmsweise erlaubt sein soll, so genau umschreiben, dass im Vollstreckungsverfahren erkennbar ist, welche konkreten Handlungen von dem Verbot ausgenommen werden sollen (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 12 Rn. 2.44).
41 
Im vorliegenden Fall bedarf der Unterlassungsantrag jedoch keines einschränkenden Zusatzes. Es ist zwar eine Verwendung des Wortes „bekömmlich“ für Bier in einem subjektiven Sinne denkbar (z. B. „Ich finde das Bier bekömmlich“), wobei mehr das allgemeine Wohlbefinden als die Wirkungen auf den Körper gemeint sind. Eine solche Verwendung lässt sich aber von der objektiven Bedeutung nicht trennen. Durch die Angabe „bekömmlich“ bei der Werbung für das Getränk Bier wird auch in einem solchen Fall gleichzeitig eine objektive Unbedenklichkeit in Bezug auf den Körper und seine Funktionen suggeriert. Es ist daher nicht ersichtlich, dass das Adjektiv auch „neutral“, also nicht gesundheitsbezogen verwendet werden könnte.
42 
Kosten: § 91 ZPO

Gründe

 
22 
Der Verfügungskläger kann von der Verfügungsbeklagten gem. §§ 8 Abs. 1 S. 1; 4 Nr. 11 UWG die Unterlassung der Angabe „bekömmlich“ bei der Werbung für Bier mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent verlangen.
1.
23 
Die Antragsbefugnis des Verfügungsklägers folgt aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
24 
Dem Verfügungskläger gehört eine erhebliche Zahl von Unternehmen an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben räumlichen Markt wie die Verfügungsbeklagte vertreiben. Bereits die Mitgliedschaft der Lebensmitteldiscounter Lidl und Norma ist ausreichend, um diese Voraussetzung zu bejahen. Beide vertreiben in ihren Filialbetrieben unter anderem auch Bier und sind in der Region Oberschwaben, Allgäu und östlicher Bodensee, in der die Verfügungsbeklagte ihren Hauptumsatz macht, repräsentativ vertreten.
2.
25 
Die Unlauterkeit der Werbung mit der Angabe „bekömmlich“ ergibt sich aus § 4 Nr. 11 UWG, wonach insbesondere derjenige unlauter handelt, der einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Eine solche Vorschrift ist Art. 4 Abs. 3 lit. (a) der Verordnung Nr. 1924/2006 (EG), der im Interesse des Gesundheitsschutzes der Verbraucher gebietet, dass Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen dürfen.
26 
Die Werbung der Verfügungsbeklagten mit der Angabe „bekömmlich“ für Biere mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent verstößt gegen diese Vorschrift.
a)
27 
Das in Art. 4 Abs. 3 lit. (a) der Verordnung Nr. 1924/2006 (EG) normierte Verbot gilt auch für die Werbung. Die Formulierung der Vorschrift, alkoholische Getränke (der bezeichneten Art) dürfen „keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen“, umfasst über die Kennzeichnung und Aufmachung hinaus auch die Werbung.
28 
Dies ergibt sich aus dem Regelungsgegenstand und der Systematik der Verordnung (OVG Koblenz, Urteil vom 19.08.2009, Az. 8 A 10579/09 - Juris Rn. 29).
b)
29 
Bei der Angabe „bekömmlich“ handelt es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe nach der Definition in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 Verordnung Nr. 1924/2006 (EG), wonach der Begriff der „gesundheitsbezogene Angabe“ jede Angabe bezeichnet, „mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht“.
30 
Aus dieser sehr weit gefassten Definition ergibt sich, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht dahin gehen muss, ein Lebensmittel sei gesundheitsförderlich, sondern dass es ausreicht, wenn angegeben wird, es habe keine oder geringe negative Wirkungen auf die Gesundheit. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 06.09.2012 (Az. C-544/10 - Deutsches Weintor/Land Rheinland-Pfalz; - Juris Rz. 34) genügt jeder Zusammenhang, der impliziert, dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem solchen Verzehr einhergehen oder sich ihm anschließen, fehlen oder geringer ausfallen, also die bloße Erhaltung eines guten Gesundheitszustandes trotz des genannten, potentiell schädlichen Verzehrs. Der EuGH betont, dass der Begriff „Zusammenhang“ weit zu verstehen ist. Er führt aus, dass sowohl die vorübergehenden und flüchtigen Auswirkungen als auch die kumulativen Auswirkungen des wiederholten und längerfristigen Verzehrs eines bestimmten Lebensmittels auf den körperlichen Zustand zu berücksichtigen seien.
31 
Im vorliegenden Fall wird durch die Angabe „bekömmlich“ ein Zusammenhang zwischen dem Lebensmittel „Bier“ einerseits und der Gesundheit andererseits hergestellt. Mit dem Wort „bekömmlich“ wird suggeriert, dass der menschliche Körper und seine Funktionen durch den Bierkonsum keine Nachteile erleiden, also selbst beim Konsum größerer Mengen intakt bleiben. Die Behauptung eines solchen Zusammenhangs ist für den Bierkonsumenten auch von Bedeutung, denn mit dem Bierkonsum werden, insbesondere für den Fall übermäßigen Genusses, auch negative Folgen für den Körper in Zusammenhang gebracht; bei Dauerkonsum kann Bier den menschlichen Organismus sogar dauerhaft schädigen.
aa)
32 
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird die Angabe „bekömmlich“ bei einem Lebensmittel in dem Sinne verwendet, dass es dem Konsumenten gut bekommt, also bei der Nahrungsaufnahme gut vertragen wird und dem Körper entweder förderlich oder wenigstens nicht abträglich ist. Es bedeutet „leicht verträglich, gut verdaulich [und daher gesund]“ (Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl. 2010) oder auch „gesund, zuträglich“ (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2006). Als Verwendungsbeispiele werden genannt: „eine bekömmliche Mahlzeit“ oder „fette Speisen sind schwer bekömmlich“ (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2006).
33 
Das Wort „bekömmlich“ meint daher die objektive Verträglichkeit für den Körper und seine Funktionen. Es bringt zum Ausdruck, dass das so bezeichnete Lebensmittel – wenn es schon nicht förderlich ist – jedenfalls den Körper und seine Funktionen (etwa die Verdauung und Resorption des Getränks in den Organen) nicht belasten oder beeinträchtigen wird (so auch OVG Koblenz, Urteil vom 19.08.2009, Az. 8 A 10579/09 - Juris Rn. 22).
34 
Auch bezogen auf den örtlich relevanten Markt, den Bereich „Oberschwaben, Allgäu und östlicher Bodensee“, kann nicht festgestellt werden, dass das Wort „bekömmlich“ eine andere Bedeutung hätte.
bb)
35 
Der Auffassung der Verfügungsbeklagten, das Wort bekömmlich sei für sich genommen in gesundheitlicher Hinsicht neutral, es beziehe sich allenfalls im Kontext weiterer Aussagen auf die Gesundheit, kann nicht gefolgt werden. Gegen eine derart enge Auslegung spricht die weit gefasste Definition des EU-Verordnungsgebers in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, die es auch genügen lässt, wenn ein Zusammenhang des Lebensmittels mit der Gesundheit „suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird“. Danach genügt also ein „lockerer“ Zusammenhang mit der Gesundheit. Bereits durch die bloße Verwendung des Wortes „bekömmlich“ für das Getränk Bier liegt ein solcher Zusammenhang vor, da „bekömmlich“ die Verträglichkeit für den Körper und seine Funktionen meint. Ob dieser Zusammenhang im weiteren Kontext der Werbung dann noch näher bestimmt und erläutert wird, spielt dagegen keine Rolle. In Bezug auf die Verwendung der Angabe „bekömmlich“ bei Wein das OVG Koblenz in seinem Urteil vom 19.08.2009 (Az. 8 A 10579/09 - Juris Rn. 21) fest:
36 
Danach stellt der Begriff „bekömmlich“ bei Wein einen Zusammenhang zu Vorgängen im Körper her und spricht nicht nur das allgemeine Wohlbefinden an, das mit dem Konsum des Weins verbunden sein kann.
c)
37 
Es bestehen auch keine Zweifel daran, dass das ausnahmslose Werbeverbot bezüglich gesundheitsbezogener Angaben für Anbieter alkoholischer Getränke mit Art. 6 Abs. 1 EU-Vertrag vereinbar ist, wonach die Europäische Union die in der EU-Charta niedergelegten Rechte, Freiheiten und Grundsätze anerkennt. Der EuGH hat hierzu in der oben genannten Entscheidung vom 06.09.2012 ausgeführt, dass dieses absolute Werbeverbot selbst dann mit dem EU-Vertrag konform ist, wenn die gesundheitsbezogene Angabe bezogen auf eine konkrete Eigenschaft für sich genommen zutrifft, im entschiedenen Fall die Bezeichnung eines Weins als „bekömmlich“ mit der auf einen reduzierten Säuregehalt hingewiesen wird. Der EuGH führt aus, dass das Verbot sich durch die Verfolgung des in Art. 35 der EU-Charta anerkannten Ziels des Gesundheitsschutzes der Verbraucher rechtfertigt, und der Wesensgehalt der Berufsfreiheit (Art. 15 Abs. 1 EU-Charta) oder der unternehmerischen Freiheit (Art. 16 EU-Charta) in keiner Weise tangiert sei, da nur die Etikettierung und Werbung innerhalb eines klar abgegrenzten Bereichs geregelt werde und die Herstellung und der Vertrieb alkoholischer Getränke weiterhin erlaubt seien.
38 
Gleiches gilt sinngemäß auch für die vorliegende Bierwerbung. Auch wenn wissenschaftlich nachgewiesen wäre, dass der maßvolle Konsum von Bier die Gesundheit fördert oder wenigstens nicht beeinträchtigt, wäre das Verbot gesundheitsbezogener Angaben durch Belange des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt, nämlich das Ziel, die mit einem übermäßigen Bierkonsum einhergehenden Gefahren für die Gesundheit zu reduzieren, gerechtfertigt (EuGH vom 06.09.2012, Az. C-544/10 - Deutsches Weintor/Land Rheinland-Pfalz - Juris Rz. 34).
3.
39 
Der Auffassung der Verfügungsbeklagten, der Unterlassungsantrag der Verfügungsklägerin sei zu weit gefasst, weil damit das Wort „bekömmlich“ generell untersagt werden soll, also etwa auch für den Fall, dass dieses Wort in einem „neutralen“ Zusammenhang gebraucht werden sollte, kann nicht gefolgt werden.
40 
Die Formulierung des Unterlassungsantrags darf zwar keine Handlungen einbeziehen, die nicht wettbewerbswidrig sind. Daher muss derjenige, der Unterlassung begehrt, die Umstände, unter denen eine Verhaltensweise ausnahmsweise erlaubt sein soll, so genau umschreiben, dass im Vollstreckungsverfahren erkennbar ist, welche konkreten Handlungen von dem Verbot ausgenommen werden sollen (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 12 Rn. 2.44).
41 
Im vorliegenden Fall bedarf der Unterlassungsantrag jedoch keines einschränkenden Zusatzes. Es ist zwar eine Verwendung des Wortes „bekömmlich“ für Bier in einem subjektiven Sinne denkbar (z. B. „Ich finde das Bier bekömmlich“), wobei mehr das allgemeine Wohlbefinden als die Wirkungen auf den Körper gemeint sind. Eine solche Verwendung lässt sich aber von der objektiven Bedeutung nicht trennen. Durch die Angabe „bekömmlich“ bei der Werbung für das Getränk Bier wird auch in einem solchen Fall gleichzeitig eine objektive Unbedenklichkeit in Bezug auf den Körper und seine Funktionen suggeriert. Es ist daher nicht ersichtlich, dass das Adjektiv auch „neutral“, also nicht gesundheitsbezogen verwendet werden könnte.
42 
Kosten: § 91 ZPO

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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 19. Aug. 2009 - 8 A 10579/09

bei uns veröffentlicht am 19.08.2009

Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23. April 2009 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil i

Referenzen

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt,
2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt,
3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind,
4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.

(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.

(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.


Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23. April 2009 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die klagende Winzergenossenschaft begehrt die Feststellung der Berechtigung, bei der Etikettierung und der Bewerbung der von ihr vertriebenen Weine „Dornfelder Edition Mild“ und „Grauer/Weißer Burgunder (Cuvée) Edition Mild“ den Begriff „bekömmlich“ zu verwenden.

2

Der Beklagte hatte zunächst beanstandet, dass die Klägerin einen Wein der Rebsorte Dornfelder mit dem Zusatz „säurearm“ vermarktete, und gegen die Verwendung des Begriffs „bekömmlich“ bei der Etikettierung keine Bedenken geäußert.

3

Mit Schreiben vom 24. Juli und 12. November 2008 wies der Beklagte darauf hin, dass es sich bei dem Wort „bekömmlich“ um eine nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 unzulässige gesundheitsbezogene Angabe handele, und forderte die Klägerin zur Beachtung dieser Rechts-auffassung auf.

4

Am 21. Januar 2009 hat die Klägerin Feststellungsklage zur Klärung erhoben. Sie ist der Auffassung, der Begriff weise keinen Gesundheitsbezug auf, sondern drücke das allgemeine Wohlbefinden aus, und suggeriere insbesondere nicht, für die „Verdauung förderlich“ zu sein. Schon unter Geltung von § 24 WeinG sei der Begriff nicht als verbotene gesundheitsbezogene Angabe verstanden worden. Im Übrigen sei die Anwendung der Verordnung hier ausgeschlossen, denn sie gelte nicht für allgemeine Bezeichnungen, die traditionell zur Angabe einer Eigenschaft einer Kategorie von Lebensmitteln oder Getränken verwendet werden, die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben könnten, wie z.B. „Digestif“ oder „Hustenbonbon“. Auch ein „Digestif“ stelle aber ein die Verdauung förderndes Getränk mit Gesundheitsbezug dar. Im Übrigen müsse die Entstehungsgeschichte der Norm berücksichtigt werden. Die Verordnung habe in ihrem ersten Entwurf in Art. 11 ein generelles Verbot gesundheitsbezogener Angaben enthalten. Nachdem insoweit massive Kritik geäußert worden sei, habe die Kommission ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Angaben, die das allgemeine Wohlbefinden beträfen, nicht unter die Verordnung fallen sollten, und die Verordnung entsprechend geändert. Von daher sei der Begriff „gesundheitsbezogene Angaben“ eng auszulegen. Schließlich verbiete die Verordnung lediglich das „Tragen“ gesundheitsbezogener Angaben, so dass das Verbot allenfalls die Etikettierung, nicht aber die Werbung für das Produkt betreffe.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage unter Zulassung der Berufung als unbegründet abgewiesen. Der Begriff „bekömmlich“ stehe für „leicht verträglich, gut verdaulich und daher gesund“ und stelle daher eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der Verordnung dar, die bei der Weinbezeichnung ebenso wie bei der Werbung für Wein unzulässig sei. Anders als bei dem „Digestif“ handele es sich dabei nicht um eine allgemeine Bezeichnung, die traditionell zur Angabe einer Eigenschaft von Wein verwendet werde und deshalb auch unter Berücksichtigung der Verordnung zulässig sein könne.

6

Mit ihrer Berufung macht die Klägerin unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens insbesondere geltend, der Begriff „bekömmlich“ habe nur einen entfernten Gesundheitsbezug. Er sei bei Getränken allgemein verbreitet (auch bei Bieren) und habe nichts mit der Verdauung zu tun, sondern beschreibe den Wunsch, der Wein möge gut schmecken. Die Verordnung differenziere zwischen dem „Tragen“ und der „Verwendung“ von Angaben, ersteres betreffe daher allein die Etikettierung des Produkts.

7

Die Klägerin beantragt,

8

das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 23. April 2009 abzuändern und

9

1. festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, der Klägerin zu untersagen, in der Etikettierung der von ihr vertriebenen Weine „Dornfelder Edition Mild“ und „Grauer/Weißer Burgunder (Cuvée) Edition Mild“ den Begriff „bekömmlich“ zu verwenden,

10

2. festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, der Klägerin zu untersagen, in der Werbung (außerhalb der Etikettierung) für die von ihr vertriebenen Weine „Dornfelder Edition Mild“ und „Grauer/Weißer Burgunder (Cuvée) Edition Mild“ den Begriff „bekömmlich“ zu verwenden.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Berufung zurückzuweisen.

13

Er ist der Auffassung, dass bei der Etikettierung von Wein zwar grundsätzlich nach Anhang VII der Verordnung EG Nr. 1493/1999 sonstige Angaben – zu denen auch „bekömmlich“ zähle – zulässig seien, sofern sie nicht zur Irreführung geeignet seien oder durch spezialgesetzliche Regelungen eingeschränkt würden. Derartige Beschränkungen enthalte indessen die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, die die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben bei Wein generell verbiete. Bei der Bezeichnung „bekömmlich“ handele es sich um eine solche Angabe. Es werde nämlich suggeriert, dass ein Zusammenhang zwischen dem Weinkonsum und dem Fehlen von Verdauungs- oder Magenbeschwerden bestehe. Im Übrigen sei der von der Verordnung untersagte Zusammenhang zwischen Lebensmittel und Gesundheit nicht nur im Sinne einer Gesundheitsförderlichkeit zu verstehen; ausreichend sei es auch, wenn zum Ausdruck komme, die Gesundheit werde nicht beeinträchtigt. Der Gesundheitsbezug des Wortes „bekömmlich“ werde indessen besonders angesichts des gegenteiligen Begriffs „unbekömmlich“ deutlich. Von daher sei klar, dass von einem „bekömmlichen“ Erzeugnis keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten seien. Es sei auch zu bedenken, dass die in Streit stehende Angabe die Gefahren alkoholischer Getränke verharmlose und zu übermäßigem Alkoholkonsum verleiten könne. Im Übrigen seien nach Art. 10 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Verweise auf ein gesundheitsbezogenes Wohlbefinden nur zulässig, wenn ihnen eine der nach Art. 13 oder 14 gelisteten speziellen gesundheitsbezogenen Angabe beigefügt werde, was indessen bei alkoholhaltigen Getränken gerade unzulässig sei.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsvorgänge, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

16

Das Verwaltungsgericht hat die (zulässige) Feststellungsklage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Einer Verwendung des Begriffs „bekömmlich“ bei der Etikettierung der von der Klägerin bezeichneten Weine und deren Bewerbung steht Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel entgegen.

17

Nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dürfen Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung definiert den Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe als Aussage oder Darstellung, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Gesundheitsbezogene Angaben dürfen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln, die in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht werden, bzw. bei der Werbung hierfür nur verwendet werden, wenn sie der Verordnung entsprechen (Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1924/2006).

18

Hiervon ausgehend ist die Bezeichnung „bekömmlich“ wegen ihres Gesundheits-bezugs eine unzulässige Angabe, die weder auf den Etiketten der Weine der Klägerin (1.) noch bei deren Bewerbung (2.) verwendet werden darf.

19

1. Die Bezeichnung „bekömmlich“ hat im Zusammenhang mit einem Wein eine die menschliche Gesundheit betreffende Bedeutung, die über das gesundheitsbezogene Wohlbefinden hinausgeht und deshalb nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auf Weinetiketten unzulässig ist.

20

Dabei bedarf es keiner ins Einzelne gehenden Klärung, wie der Begriff der „Gesundheit“ von der Verordnung verstanden wird. Einigkeit scheint darüber zu bestehen, dass die von der World Health Organization (WHO) vertretene weite Definition von Gesundheit, die einen Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen meint (Zitat nach Meisterernst/Haber, wrp 2007, 363, 375), nicht der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zugrunde gelegt worden ist (vgl. Meisterernst/Haber, wie vor). Von dieser Definition, aber auch von dem der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zugrunde gelegten Begriff der Gesundheit erfasst werden jedoch jedenfalls die mit einem Lebensmittel verbundenen Wirkungen auf den Körper des Verbrauchers und dessen Funktionen. Verlangt werden darf darüber hinaus jedoch nicht, dass mit dem Lebensmittel gezielt Funktionen, Beschaffenheit und Zustand des Körpers beeinflusst werden. Diese Wirkungen sind allein einem Arzneimittel zuzuschreiben (vgl. BVerwG, LRE 55, 329 und juris, Rn. 22; OLG Hamm, ZLR 2007, 730 und juris, Rn. 44). Die in Rede stehende Verordnung ist ausschließlich auf Lebensmittel anzuwenden, weshalb die Anforderungen an gesundheitsbezogene Angaben nicht überhöht werden dürfen. Von diesen abzugrenzen sind ferner Verweise auf das gesundheitsbezogene Wohlbefinden, die in Art. 10 Abs. 3 der Verordnung eine eigene Regelung erfahren haben.

21

Danach stellt der Begriff „bekömmlich“ bei Wein einen Zusammenhang zu Vorgängen im Körper her und spricht nicht nur das allgemeine Wohlbefinden an, das mit dem Konsum des Weins verbunden sein kann.

22

Zwar kann der Begriff „bekömmlich“ grundsätzlich auch in einem nur allgemeinen oder gar subjektiven Sinne verstanden werden. Wie die Vorinstanz dargestellt hat und sich auch aus sonstigen Wortbedeutungsnachweisen ergibt, ist die Bedeutung des Begriffs indes weitreichender. Dem Begriff werden Synonyme wie „gesund“, „leicht verdaulich“, „nicht belastend“, „nicht schwer“ und „den Magen schonend“ zugeordnet. Er bringt zum Ausdruck, dass das so bezeichnete Lebensmittel – wenn es schon nicht förderlich ist – jedenfalls den Körper und seine Funktionen (etwa den Verdauungsvorgang) nicht belasten oder beeinträchtigen wird. Dies ist bei dem Konsum von Wein auch von Relevanz, denn mit ihm werden immer wieder Kopf- und Magenbeschwerden in Zusammenhang gebracht; u.U. kann Wein sogar den menschlichen Organismus schädigende Wirkung zukommen. Dies belegt ohne weiteres ein mit dem Begriff „bekömmlich“ (auch) verknüpftes körperrelevantes, gesundheitsbezogenes Verständnis, das an Deutlichkeit gewinnt, wenn man die gegenteilige Aussage „unbekömmlich“ mit in den Blick nimmt (vgl. zu Beispielen von verbotswürdigen und nicht verbotswürdigen Begriffen, die die EU-Kommission verlautbart hat, Meisterernst/Haber, wie vor) und außerdem die weite Definition der gesundheitsbezogenen Angabe in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 berücksichtigt.

23

Neben der Wortbedeutung des Begriffs sprechen auch Systematik sowie Sinn und Zweck der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 und deren Regelung in Art. 4 Abs. 3 für eine die Gesundheit betreffende Angabe im Zusammenhang mit Wein. Mit dieser Vorschrift wird die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben allein für alkoholische Getränke (mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent) untersagt (siehe auch die Regelung für traditionelle Begriffe in Art. 1 Abs. 4 der Verordnung). Diese Sonderstellung, die auf die möglichen schädlichen Wirkungen dieser Getränke abzielt, steht in Einklang mit Sinn und Zweck der Verordnung, ein hohes Verbraucherschutzniveau im Lebensmittelbereich zu gewährleisten (vgl. Art 1 Abs. 1 der Verordnung). In Ziffer 1 der Eingangserwägungen der Verordnung heißt es dazu:

24

„Zunehmend werden Lebensmittel in der Gemeinschaft mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben gekennzeichnet, und es wird mit diesen Angaben für sie Werbung gemacht. Um dem Verbraucher ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten und ihm die Wahl zu erleichtern, sollten die im Handel befindlichen Produkte … sicher sein und eine angemessene Kennzeichnung aufweisen. Eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung ist eine Grundvoraussetzung für eine gute Gesundheit, und einzelne Produkte sind im Kontext der gesamten Ernährung von relativer Bedeutung.“

25

Diesem Schutzniveau kann nicht mehr Rechnung getragen werden, wenn ein Begriff wie „bekömmlich“ mit seinem auch gesundheitsbezogenen Aussagegehalt für Wein verwendet werden darf. Wein weist durchschnittlich einen Alkoholgehalt von 9 bis 14 Volumenprozent auf, kann deswegen (ggf. im Zusammenwirken mit bestimmten Körperkonstellationen und Verbraucherverhalten) gesundheits-beeinträchtigend bzw. –schädigend wirken und nicht zuletzt ein Suchtverhalten einleiten oder befördern. Die hervorgehobene Stellung von alkoholischen Getränken im Regelungsgefüge der Verordnung verlangt daher die Berücksichtigung des in dem Begriff enthaltenen gesundheitsbezogenen Aspekts, um den es der Klägerin letztlich auch in der Sache geht. Sie beschreibt den hier in Rede stehenden Wein als bekömmlich, weil er – unter Berücksichtigung eines besonderen Verfahrens – säurearm ausgebaut wird. Damit wird ein Zusammenhang zwischen dem Wein und dem Fehlen von mit dem Konsum teilweise verbundenen nachteiligen Wirkungen im Verdauungsvorgang hergestellt.

26

Dieser Betrachtung steht nicht entgegen, dass – wie von der Klägerin vorgetragen – andere Getränke wie Mineralwässer, Kaffee/Tee, Biere oder Schnäpse in der Praxis immer wieder mit dem Begriff „bekömmlich“ bezeichnet werden (sollen). Es handelt es sich dabei um unterschiedliche Produktgruppen, die wegen ihrer spezifischen Besonderheiten anderen Bewertungen durchaus zugänglich sein können (vgl. insoweit auch die Stellungnahme des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 25. April 2006, Bl. 42 f. der Gerichtsakte). Mineralwässer sowie Kaffee/Tee sind keine alkoholischen Getränke und unterfallen deshalb nicht Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006; mit ihnen sind jedenfalls nicht die mit alkoholischen Getränken einhergehenden gesundheitlichen Wirkungen verbunden. Ob Biere oder Schnäpse unter Geltung der Verbotsregelung des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung – möglicherweise entgegen bisheriger Rechtslage – noch (ohne weiteren Zusatz oder Erläuterung) als „bekömmlich“ bezeichnet werden dürfen, bedarf hier keiner Entscheidung, kann aber durchaus angezweifelt werden; auch hier wird aber der Einzelfall maßgeblich sein.

27

Dass die Bezeichnung von Wein mit dem Begriff „bekömmlich“ keine traditionelle Angabe einer Eigenschaft von Wein im Sinne der Ziffer 5 der Einleitung zu der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 darstellt, hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt. Nicht zu folgen vermag der Senat der aus dieser Regelung seitens der Klägerin hergeleiteten Folgerung, dass wegen der zulässigen Bezeichnung von „Digestif“ auch alle Hinweise auf sonstige alkoholische Getränke, die die Verdauung nicht belasten bzw. begünstigen, keinen Gesundheitsbezug aufweisen. Die traditionellen Begriffe sind grundsätzlich von dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen und haben in Art. 1 Abs. 4 der Verordnung eine Detailregelung erfahren. Daraus Schlüsse im Sinne des Klägervortrags zu ziehen, verbietet indes Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ausdrücklich, der insoweit auch nicht einschränkend auszulegen ist.

28

2. Die Klägerin darf die Bezeichnung „bekömmlich“ auch nicht bei der Werbung für die in Rede stehenden Weine verwenden. Auch dies verstößt gegen Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Das dort normierte gesundheitsbezogene Verwendungsverbot gilt auch für die Werbung.

29

Die Formulierung der Vorschrift, alkoholische Getränke (der bezeichneten Art) dürfen „keine gesundheitsbezogene Angabe tragen“, umfasst über die unmittelbare Verbindung von Angabe und Getränk hinaus auch die Werbung (vgl. Koch, Weinrecht, Gesundheitsbezogene Angabe, S. 11). Dies lässt sich nicht nur aus der in der französischen Fassung der Verordnung verwendeten, weiter zu verstehenden Formulierung „ne comportent pas“ herleiten, sondern ergibt sich auch aus Regelungsgegenstand und Systematik der Verordnung. Nach dem allgemeinen Grundsatz, der dem Kapitel II mit der Regelung des Art. 4 Abs. 3 in der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vorangestellt ist, dürfen u.a. gesundheitsbezogene Angaben bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln, die in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht werden, bzw. bei der Werbung hierfür nur verwendet werden, wenn sie der Verordnung entsprechen (Art. 3 Abs. 1 der Verordnung). Diese Regelung bildet den Anwendungsbereich der Verordnung ab (vgl. Art. 1 Abs. 2 der Verordnung, Ziffer 4 der Einleitung). Des Weiteren zeigen die Art. 3 bis 5 des Kapitels II der Verordnung, dass das dort vorkommende Wort „Verwendung“ als Oberbegriff zu verstehen ist, der den Sachverhalt „Angaben tragen“ sowie die Werbung umfasst. Es ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass mit der Wortwahl „Angaben tragen“, die sich nicht isoliert in Abs. 3 des Art. 4 der Verordnung, sondern auch in dessen Abs. 1 findet, nur ein Teilaspekt des von der Verordnung erfassten Handlungsspektrums bei alkoholischen Getränken verboten sein soll. Vielmehr wird die Formulierung „Informationen tragen“ in Art. 10 Abs. 2 der Verordnung ausdrücklich nicht nur auf die Kennzeichnung und die Aufmachung der Lebensmittel bezogen, sondern auch auf die Lebensmittelwerbung. Die von der Klägerin vorgenommene Auslegung würde eine nicht unerhebliche Rücknahme des Schutzziels der Verordnung insbesondere mit Blick auf alkoholische Getränke bedeuten.

30

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

31

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.

32

Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache nach Maßgabe von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzliche Bedeutung hat.

33

Beschluss

34

Der Wert des Streitgegenstands wird auf 10.000,-- € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt,
2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt,
3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind,
4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.

(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.

(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.


Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23. April 2009 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die klagende Winzergenossenschaft begehrt die Feststellung der Berechtigung, bei der Etikettierung und der Bewerbung der von ihr vertriebenen Weine „Dornfelder Edition Mild“ und „Grauer/Weißer Burgunder (Cuvée) Edition Mild“ den Begriff „bekömmlich“ zu verwenden.

2

Der Beklagte hatte zunächst beanstandet, dass die Klägerin einen Wein der Rebsorte Dornfelder mit dem Zusatz „säurearm“ vermarktete, und gegen die Verwendung des Begriffs „bekömmlich“ bei der Etikettierung keine Bedenken geäußert.

3

Mit Schreiben vom 24. Juli und 12. November 2008 wies der Beklagte darauf hin, dass es sich bei dem Wort „bekömmlich“ um eine nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 unzulässige gesundheitsbezogene Angabe handele, und forderte die Klägerin zur Beachtung dieser Rechts-auffassung auf.

4

Am 21. Januar 2009 hat die Klägerin Feststellungsklage zur Klärung erhoben. Sie ist der Auffassung, der Begriff weise keinen Gesundheitsbezug auf, sondern drücke das allgemeine Wohlbefinden aus, und suggeriere insbesondere nicht, für die „Verdauung förderlich“ zu sein. Schon unter Geltung von § 24 WeinG sei der Begriff nicht als verbotene gesundheitsbezogene Angabe verstanden worden. Im Übrigen sei die Anwendung der Verordnung hier ausgeschlossen, denn sie gelte nicht für allgemeine Bezeichnungen, die traditionell zur Angabe einer Eigenschaft einer Kategorie von Lebensmitteln oder Getränken verwendet werden, die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben könnten, wie z.B. „Digestif“ oder „Hustenbonbon“. Auch ein „Digestif“ stelle aber ein die Verdauung förderndes Getränk mit Gesundheitsbezug dar. Im Übrigen müsse die Entstehungsgeschichte der Norm berücksichtigt werden. Die Verordnung habe in ihrem ersten Entwurf in Art. 11 ein generelles Verbot gesundheitsbezogener Angaben enthalten. Nachdem insoweit massive Kritik geäußert worden sei, habe die Kommission ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Angaben, die das allgemeine Wohlbefinden beträfen, nicht unter die Verordnung fallen sollten, und die Verordnung entsprechend geändert. Von daher sei der Begriff „gesundheitsbezogene Angaben“ eng auszulegen. Schließlich verbiete die Verordnung lediglich das „Tragen“ gesundheitsbezogener Angaben, so dass das Verbot allenfalls die Etikettierung, nicht aber die Werbung für das Produkt betreffe.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage unter Zulassung der Berufung als unbegründet abgewiesen. Der Begriff „bekömmlich“ stehe für „leicht verträglich, gut verdaulich und daher gesund“ und stelle daher eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der Verordnung dar, die bei der Weinbezeichnung ebenso wie bei der Werbung für Wein unzulässig sei. Anders als bei dem „Digestif“ handele es sich dabei nicht um eine allgemeine Bezeichnung, die traditionell zur Angabe einer Eigenschaft von Wein verwendet werde und deshalb auch unter Berücksichtigung der Verordnung zulässig sein könne.

6

Mit ihrer Berufung macht die Klägerin unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens insbesondere geltend, der Begriff „bekömmlich“ habe nur einen entfernten Gesundheitsbezug. Er sei bei Getränken allgemein verbreitet (auch bei Bieren) und habe nichts mit der Verdauung zu tun, sondern beschreibe den Wunsch, der Wein möge gut schmecken. Die Verordnung differenziere zwischen dem „Tragen“ und der „Verwendung“ von Angaben, ersteres betreffe daher allein die Etikettierung des Produkts.

7

Die Klägerin beantragt,

8

das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 23. April 2009 abzuändern und

9

1. festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, der Klägerin zu untersagen, in der Etikettierung der von ihr vertriebenen Weine „Dornfelder Edition Mild“ und „Grauer/Weißer Burgunder (Cuvée) Edition Mild“ den Begriff „bekömmlich“ zu verwenden,

10

2. festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, der Klägerin zu untersagen, in der Werbung (außerhalb der Etikettierung) für die von ihr vertriebenen Weine „Dornfelder Edition Mild“ und „Grauer/Weißer Burgunder (Cuvée) Edition Mild“ den Begriff „bekömmlich“ zu verwenden.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Berufung zurückzuweisen.

13

Er ist der Auffassung, dass bei der Etikettierung von Wein zwar grundsätzlich nach Anhang VII der Verordnung EG Nr. 1493/1999 sonstige Angaben – zu denen auch „bekömmlich“ zähle – zulässig seien, sofern sie nicht zur Irreführung geeignet seien oder durch spezialgesetzliche Regelungen eingeschränkt würden. Derartige Beschränkungen enthalte indessen die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, die die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben bei Wein generell verbiete. Bei der Bezeichnung „bekömmlich“ handele es sich um eine solche Angabe. Es werde nämlich suggeriert, dass ein Zusammenhang zwischen dem Weinkonsum und dem Fehlen von Verdauungs- oder Magenbeschwerden bestehe. Im Übrigen sei der von der Verordnung untersagte Zusammenhang zwischen Lebensmittel und Gesundheit nicht nur im Sinne einer Gesundheitsförderlichkeit zu verstehen; ausreichend sei es auch, wenn zum Ausdruck komme, die Gesundheit werde nicht beeinträchtigt. Der Gesundheitsbezug des Wortes „bekömmlich“ werde indessen besonders angesichts des gegenteiligen Begriffs „unbekömmlich“ deutlich. Von daher sei klar, dass von einem „bekömmlichen“ Erzeugnis keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten seien. Es sei auch zu bedenken, dass die in Streit stehende Angabe die Gefahren alkoholischer Getränke verharmlose und zu übermäßigem Alkoholkonsum verleiten könne. Im Übrigen seien nach Art. 10 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Verweise auf ein gesundheitsbezogenes Wohlbefinden nur zulässig, wenn ihnen eine der nach Art. 13 oder 14 gelisteten speziellen gesundheitsbezogenen Angabe beigefügt werde, was indessen bei alkoholhaltigen Getränken gerade unzulässig sei.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsvorgänge, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

16

Das Verwaltungsgericht hat die (zulässige) Feststellungsklage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Einer Verwendung des Begriffs „bekömmlich“ bei der Etikettierung der von der Klägerin bezeichneten Weine und deren Bewerbung steht Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel entgegen.

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Nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dürfen Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung definiert den Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe als Aussage oder Darstellung, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Gesundheitsbezogene Angaben dürfen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln, die in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht werden, bzw. bei der Werbung hierfür nur verwendet werden, wenn sie der Verordnung entsprechen (Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1924/2006).

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Hiervon ausgehend ist die Bezeichnung „bekömmlich“ wegen ihres Gesundheits-bezugs eine unzulässige Angabe, die weder auf den Etiketten der Weine der Klägerin (1.) noch bei deren Bewerbung (2.) verwendet werden darf.

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1. Die Bezeichnung „bekömmlich“ hat im Zusammenhang mit einem Wein eine die menschliche Gesundheit betreffende Bedeutung, die über das gesundheitsbezogene Wohlbefinden hinausgeht und deshalb nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auf Weinetiketten unzulässig ist.

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Dabei bedarf es keiner ins Einzelne gehenden Klärung, wie der Begriff der „Gesundheit“ von der Verordnung verstanden wird. Einigkeit scheint darüber zu bestehen, dass die von der World Health Organization (WHO) vertretene weite Definition von Gesundheit, die einen Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen meint (Zitat nach Meisterernst/Haber, wrp 2007, 363, 375), nicht der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zugrunde gelegt worden ist (vgl. Meisterernst/Haber, wie vor). Von dieser Definition, aber auch von dem der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zugrunde gelegten Begriff der Gesundheit erfasst werden jedoch jedenfalls die mit einem Lebensmittel verbundenen Wirkungen auf den Körper des Verbrauchers und dessen Funktionen. Verlangt werden darf darüber hinaus jedoch nicht, dass mit dem Lebensmittel gezielt Funktionen, Beschaffenheit und Zustand des Körpers beeinflusst werden. Diese Wirkungen sind allein einem Arzneimittel zuzuschreiben (vgl. BVerwG, LRE 55, 329 und juris, Rn. 22; OLG Hamm, ZLR 2007, 730 und juris, Rn. 44). Die in Rede stehende Verordnung ist ausschließlich auf Lebensmittel anzuwenden, weshalb die Anforderungen an gesundheitsbezogene Angaben nicht überhöht werden dürfen. Von diesen abzugrenzen sind ferner Verweise auf das gesundheitsbezogene Wohlbefinden, die in Art. 10 Abs. 3 der Verordnung eine eigene Regelung erfahren haben.

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Danach stellt der Begriff „bekömmlich“ bei Wein einen Zusammenhang zu Vorgängen im Körper her und spricht nicht nur das allgemeine Wohlbefinden an, das mit dem Konsum des Weins verbunden sein kann.

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Zwar kann der Begriff „bekömmlich“ grundsätzlich auch in einem nur allgemeinen oder gar subjektiven Sinne verstanden werden. Wie die Vorinstanz dargestellt hat und sich auch aus sonstigen Wortbedeutungsnachweisen ergibt, ist die Bedeutung des Begriffs indes weitreichender. Dem Begriff werden Synonyme wie „gesund“, „leicht verdaulich“, „nicht belastend“, „nicht schwer“ und „den Magen schonend“ zugeordnet. Er bringt zum Ausdruck, dass das so bezeichnete Lebensmittel – wenn es schon nicht förderlich ist – jedenfalls den Körper und seine Funktionen (etwa den Verdauungsvorgang) nicht belasten oder beeinträchtigen wird. Dies ist bei dem Konsum von Wein auch von Relevanz, denn mit ihm werden immer wieder Kopf- und Magenbeschwerden in Zusammenhang gebracht; u.U. kann Wein sogar den menschlichen Organismus schädigende Wirkung zukommen. Dies belegt ohne weiteres ein mit dem Begriff „bekömmlich“ (auch) verknüpftes körperrelevantes, gesundheitsbezogenes Verständnis, das an Deutlichkeit gewinnt, wenn man die gegenteilige Aussage „unbekömmlich“ mit in den Blick nimmt (vgl. zu Beispielen von verbotswürdigen und nicht verbotswürdigen Begriffen, die die EU-Kommission verlautbart hat, Meisterernst/Haber, wie vor) und außerdem die weite Definition der gesundheitsbezogenen Angabe in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 berücksichtigt.

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Neben der Wortbedeutung des Begriffs sprechen auch Systematik sowie Sinn und Zweck der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 und deren Regelung in Art. 4 Abs. 3 für eine die Gesundheit betreffende Angabe im Zusammenhang mit Wein. Mit dieser Vorschrift wird die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben allein für alkoholische Getränke (mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent) untersagt (siehe auch die Regelung für traditionelle Begriffe in Art. 1 Abs. 4 der Verordnung). Diese Sonderstellung, die auf die möglichen schädlichen Wirkungen dieser Getränke abzielt, steht in Einklang mit Sinn und Zweck der Verordnung, ein hohes Verbraucherschutzniveau im Lebensmittelbereich zu gewährleisten (vgl. Art 1 Abs. 1 der Verordnung). In Ziffer 1 der Eingangserwägungen der Verordnung heißt es dazu:

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„Zunehmend werden Lebensmittel in der Gemeinschaft mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben gekennzeichnet, und es wird mit diesen Angaben für sie Werbung gemacht. Um dem Verbraucher ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten und ihm die Wahl zu erleichtern, sollten die im Handel befindlichen Produkte … sicher sein und eine angemessene Kennzeichnung aufweisen. Eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung ist eine Grundvoraussetzung für eine gute Gesundheit, und einzelne Produkte sind im Kontext der gesamten Ernährung von relativer Bedeutung.“

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Diesem Schutzniveau kann nicht mehr Rechnung getragen werden, wenn ein Begriff wie „bekömmlich“ mit seinem auch gesundheitsbezogenen Aussagegehalt für Wein verwendet werden darf. Wein weist durchschnittlich einen Alkoholgehalt von 9 bis 14 Volumenprozent auf, kann deswegen (ggf. im Zusammenwirken mit bestimmten Körperkonstellationen und Verbraucherverhalten) gesundheits-beeinträchtigend bzw. –schädigend wirken und nicht zuletzt ein Suchtverhalten einleiten oder befördern. Die hervorgehobene Stellung von alkoholischen Getränken im Regelungsgefüge der Verordnung verlangt daher die Berücksichtigung des in dem Begriff enthaltenen gesundheitsbezogenen Aspekts, um den es der Klägerin letztlich auch in der Sache geht. Sie beschreibt den hier in Rede stehenden Wein als bekömmlich, weil er – unter Berücksichtigung eines besonderen Verfahrens – säurearm ausgebaut wird. Damit wird ein Zusammenhang zwischen dem Wein und dem Fehlen von mit dem Konsum teilweise verbundenen nachteiligen Wirkungen im Verdauungsvorgang hergestellt.

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Dieser Betrachtung steht nicht entgegen, dass – wie von der Klägerin vorgetragen – andere Getränke wie Mineralwässer, Kaffee/Tee, Biere oder Schnäpse in der Praxis immer wieder mit dem Begriff „bekömmlich“ bezeichnet werden (sollen). Es handelt es sich dabei um unterschiedliche Produktgruppen, die wegen ihrer spezifischen Besonderheiten anderen Bewertungen durchaus zugänglich sein können (vgl. insoweit auch die Stellungnahme des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 25. April 2006, Bl. 42 f. der Gerichtsakte). Mineralwässer sowie Kaffee/Tee sind keine alkoholischen Getränke und unterfallen deshalb nicht Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006; mit ihnen sind jedenfalls nicht die mit alkoholischen Getränken einhergehenden gesundheitlichen Wirkungen verbunden. Ob Biere oder Schnäpse unter Geltung der Verbotsregelung des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung – möglicherweise entgegen bisheriger Rechtslage – noch (ohne weiteren Zusatz oder Erläuterung) als „bekömmlich“ bezeichnet werden dürfen, bedarf hier keiner Entscheidung, kann aber durchaus angezweifelt werden; auch hier wird aber der Einzelfall maßgeblich sein.

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Dass die Bezeichnung von Wein mit dem Begriff „bekömmlich“ keine traditionelle Angabe einer Eigenschaft von Wein im Sinne der Ziffer 5 der Einleitung zu der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 darstellt, hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt. Nicht zu folgen vermag der Senat der aus dieser Regelung seitens der Klägerin hergeleiteten Folgerung, dass wegen der zulässigen Bezeichnung von „Digestif“ auch alle Hinweise auf sonstige alkoholische Getränke, die die Verdauung nicht belasten bzw. begünstigen, keinen Gesundheitsbezug aufweisen. Die traditionellen Begriffe sind grundsätzlich von dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen und haben in Art. 1 Abs. 4 der Verordnung eine Detailregelung erfahren. Daraus Schlüsse im Sinne des Klägervortrags zu ziehen, verbietet indes Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ausdrücklich, der insoweit auch nicht einschränkend auszulegen ist.

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2. Die Klägerin darf die Bezeichnung „bekömmlich“ auch nicht bei der Werbung für die in Rede stehenden Weine verwenden. Auch dies verstößt gegen Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Das dort normierte gesundheitsbezogene Verwendungsverbot gilt auch für die Werbung.

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Die Formulierung der Vorschrift, alkoholische Getränke (der bezeichneten Art) dürfen „keine gesundheitsbezogene Angabe tragen“, umfasst über die unmittelbare Verbindung von Angabe und Getränk hinaus auch die Werbung (vgl. Koch, Weinrecht, Gesundheitsbezogene Angabe, S. 11). Dies lässt sich nicht nur aus der in der französischen Fassung der Verordnung verwendeten, weiter zu verstehenden Formulierung „ne comportent pas“ herleiten, sondern ergibt sich auch aus Regelungsgegenstand und Systematik der Verordnung. Nach dem allgemeinen Grundsatz, der dem Kapitel II mit der Regelung des Art. 4 Abs. 3 in der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vorangestellt ist, dürfen u.a. gesundheitsbezogene Angaben bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln, die in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht werden, bzw. bei der Werbung hierfür nur verwendet werden, wenn sie der Verordnung entsprechen (Art. 3 Abs. 1 der Verordnung). Diese Regelung bildet den Anwendungsbereich der Verordnung ab (vgl. Art. 1 Abs. 2 der Verordnung, Ziffer 4 der Einleitung). Des Weiteren zeigen die Art. 3 bis 5 des Kapitels II der Verordnung, dass das dort vorkommende Wort „Verwendung“ als Oberbegriff zu verstehen ist, der den Sachverhalt „Angaben tragen“ sowie die Werbung umfasst. Es ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass mit der Wortwahl „Angaben tragen“, die sich nicht isoliert in Abs. 3 des Art. 4 der Verordnung, sondern auch in dessen Abs. 1 findet, nur ein Teilaspekt des von der Verordnung erfassten Handlungsspektrums bei alkoholischen Getränken verboten sein soll. Vielmehr wird die Formulierung „Informationen tragen“ in Art. 10 Abs. 2 der Verordnung ausdrücklich nicht nur auf die Kennzeichnung und die Aufmachung der Lebensmittel bezogen, sondern auch auf die Lebensmittelwerbung. Die von der Klägerin vorgenommene Auslegung würde eine nicht unerhebliche Rücknahme des Schutzziels der Verordnung insbesondere mit Blick auf alkoholische Getränke bedeuten.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.

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Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache nach Maßgabe von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzliche Bedeutung hat.

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Beschluss

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Der Wert des Streitgegenstands wird auf 10.000,-- € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.