Landgericht Neubrandenburg Beschluss, 18. Sept. 2017 - 2 T 63/17

bei uns veröffentlicht am18.09.2017

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 31.03.2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Waren (Müritz) vom 23.03.2017, Az. 603 M 117/17 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Gläubiger bei einem Beschwerdewert von bis … € auferlegt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Der Gläubiger hat zur Vollstreckung einer Forderung aus einem Vollstreckungsbescheid vom 27.07.2006 mit Schreiben vom 17.01.2017 den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auf dem vorgeschriebenen Formular beantragt und in dem beim Amtsgericht nur einfach eingereichten Antrag als von der Schuldnerin zu beanspruchen Betrag eine Restforderung aus der Hauptforderung in Höhe von … € angegeben.

2

Mit Verfügung vom 23.01.2017 hat das Amtsgericht dem Gläubiger unter Fristsetzung von 2 Wochen u.a. auf folgende, einer antragsgemäßen Entscheidung entgegenstehende Hindernisse hingewiesen:

3

„Da offensichtlich bereits Teilzahlungen erfolgt sind, wird um Vorlage einer Forderungsaufstellung (mid. 2-fach) gebeten, damit die Schuldnerin in der Lage ist, die noch offene Restforderung zu prüfen.

4

Es wird um Einreichung eines berichtigten Pfändungs- und Überweisungsbeschlussentwurfes nebst Forderungsaufstellung gebeten. Des Weiteren ist zur Erstellung einer Beschluss Ausfertigung mid. ein weiterer vollständiger Beschlussentwurf hier vorzulegen“.

5

Nachdem der Gläubiger daraufhin mit Schreiben vom 31.01.2017 seine Verpflichtung zur Erfüllung der vorstehenden Nachreichungen mit der Begründung, dass er hierfür keine Rechtsgrundlage sehe, bestritten hatte, hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts mit Verfügung vom 02.02.2017 dem Gläubiger unter Setzung einer weiteren Frist von einer Woche mitgeteilt, dass er an seiner bereits mitgeteilten Rechtsauffassung uneingeschränkt festhalte und es weitere Hinweise nicht bedürfe. Mit Beschluss vom 22.03.2017 hat das Amtsgericht den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses unter Berufung auf seine zuvor mit gerichtlichen Hinweis mitgeteilte Rechtsauffassung im vollen Umfang zurückgewiesen.

6

Gegen diesen ihm am 24.03.2017 zugestellten Beschluss richtet sich die am 31.03.2017 beim Landgericht eingegangene Beschwerde des Gläubigers vom 10.02.2017, die der Gläubiger mit seiner Auffassung, dass weder für die geforderte Forderungsaufstellung, noch für die Einreichung von Antragsmehrausfertigungen eine Rechtsgrundlage bestehe, begründete.

7

Daraufhin hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts zunächst bezüglich der geforderten Forderungsaufstellung u.a. auf die diesbezügliche Kommentierung in Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn. 465, 466 verwiesen und nachdem der Gläubiger mit Schreiben vom 23.04.2017 seinen Rechtsbehelf ausdrücklich aufrechterhalten hat, durch Beschluss vom 28.07.2017 diesem nicht abgeholfen und die Verfahrensakte ordnungsgemäß der Beschwerdekammer des Landgerichts Entscheidung vorgelegt.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Verfahrensganges wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

9

Die vom Gläubiger eingelegte Beschwerde ist als der im vorliegenden Fall statthafte Rechtsbehelf, insoweit als sofortige Beschwerde (§ 793 ZPO) zu werten. Die in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandende sofortige Beschwerde des Gläubigers ist jedoch nicht begründet.

10

Für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses besteht aufgrund der gem. § 829 Abs. 4 ZPO erlassenen Zwangsvollstreckungsformularverordnung - ZVFV - seit dem 01.03.2013 Formzwang. Dies hat jedoch grundsätzlich zu keiner Änderung bezüglich der inhaltlichen Anforderungen an einen entsprechenden Antrag oder die Prüfungspflichten des Vollstreckungsgerichts vor Erlass des entsprechenden Beschlusses geführt.

11

Unabhängig davon, dass wie der BGH u.a. mit seinem Beschluss vom 15.06.2016, Aktz. VII ZB 58/15 nochmals eindeutig festgestellt hat, das Vollstreckungsgericht nicht befugt ist, eine von dem Gläubiger vorgenommene Verrechnung an ihn geleisteter Zahlungen auf ihre Richtigkeit gemäß § 367 Abs. 1 BGB hin zu überprüfen, da materiell-rechtliche Fragen einer Prüfung durch das Vollstreckungsgericht im streng formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren grundsätzlich entzogen sind, obliegt dem Vollstreckungsgericht u.a. auch bezüglich des Vollstreckungsgegenstandes weiterhin zumindest eine (wenn auch eingeschränkte) Schlüssigkeitsprüfung. Dabei muss das Vollstreckungsgericht, ausgehend von dem insbesondere auch für das Vollstreckungsverfahren geltenden Bestimmtheitsgrundsatz u.a. prüfen, inwieweit sich aus dem Antrag auf den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss das Zugriffsobjekt und der Umfang des Zugriffs klar und unzweifelhaft erkennen lassen. So muss der Umfang des Zugriffs (Betrag der Vollstreckungsforderung) klar erkennbar sein, d.h. die Forderung des Gläubigers muss nach Hauptsache, Zinsen, Prozess- und Vollstreckungskosten bestimmt oder zumindest bestimmbar im Pfändungs- und Überweisungsbeschlussantrag angegeben sein. Insoweit ist es grundsätzlich erforderlich, dass entweder, soweit möglich im Beschlussantrag selbst oder falls dies nicht möglich sein sollte, in einer gesonderten Forderungsaufstellung eine entsprechende Aufschlüsselung nach Hauptforderung, Zinsen und Kosten vorgelegt wird (Steder in: Keller, Handbuch Zwangsvollstreckungsrecht, 1, Auflage, A. Pfändung von Forderungen - Allgemein, Rn. 208 ff.).

12

Auch wenn nur wegen eines Teilbetrages vollstreckt wird, ist grundsätzlich gleichwohl eine Forderungsaufstellung entsprechend der Titulierung über die Gesamtforderung unter Berücksichtigung der geleisteten Zahlungen beizufügen (a.a.O., Rn. 171).

13

Zwar kann für die Vollstreckung aus Vollstreckungsbescheiden bei Vorliegen der in § 829 a ZPO genannten rechtlichen Voraussetzungen grundsätzlich auch ein vereinfachter elektronischer Vollstreckungsantrag im dort genannten Sinne ausreichen. Jedoch auch in einem derartigen Fall obliegt es grundsätzlich dem pflichtgemäßen Ermessen des Vollstreckungsgerichts, zu entscheiden, inwieweit die eingereichten, von § 829 a ZPO als Mindestvoraussetzung genannten Unterlagen im jeweiligen Einzelfall ausreichend sind oder ob es erforderlich ist, auf der Grundlage von § 829 a Abs. 2 ZPO den Gläubiger zum Nachweis von weiteren Vollstreckungsvoraussetzungen aufzufordern.

14

Unabhängig davon, dass sich aus der vorliegenden Verfahrensakte bereits nicht eindeutig ergibt, ob hier, abgesehen von der nicht elektronischen Einreichung des Antrages, zumindest ansonsten ein Fall vorliegt, der bei elektronischer Einreichung nach § 829 a ZPO hätte abgewickelt werden können, kann die Nachforderung einer entsprechenden Forderungsaufstellung zumindest im Ergebnis auf jeden Fall nicht als Ermessensüberschreitung Seitens des Amtsgerichts gewertet werden. Einerseits ergibt sich aus dem im Gläubigerantrag vom 17.01.2017 genannten Betrag von … € tatsächlich nicht, inwieweit es sich hierbei ausschließlich nur um einen Restbetrag bezüglich der Hauptforderung aus dem schließlich nachbenannten und offensichtlich auch zwischenzeitlich nachgereichten Vollstreckungstitel (einem Vollstreckungsbescheid vom 27.07.2006) gehandelt hat, andererseits bestand auf Seiten des Amtsgerichts spätestens ab dem Zeitpunkt, nachdem der Gläubiger statt einer, allem Anschein nach mit weniger Aufwand verbundenen Forderungsaufstellung, mit seinem Schreiben vom 31.01.2017 ca. 2 DIN A4 Seiten allein zur Begründung seiner Weigerung zur Abreichung einer solchen Forderungsaufstellung zur Gerichtsakte gereicht hatte, eine konkrete Veranlassung den vom Gläubiger begehrten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht ohne Vorliegen einer schlüssigen Forderungsaufstellung zu erlassen.

15

Soweit vom Rechtspfleger des Amtsgerichts auch um die Nachreichung eines weiteren vollständigen Beschlussentwurfes gebeten wurde, hätte die vom Gläubiger ebenfalls verweigerte Nachreichung zwar für sich allein genommen dem Erlass des von ihm angestrebten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses rechtlich nicht entgegengestanden, da sich hieraus nur kostenrechtliche Konsequenzen zum Nachteil des Gläubigers auf der Grundlage des Kostenverzeichnisses zum GKG, dort Nummer 9000 ergeben hätten. Der Rechtspfleger des Amtsgerichts war jedoch im vorliegenden Fall wegen der Nichtnachreichung einer Forderungsaufstellung aus den vorgenannten Gründen daran gehindert, den vom Gläubiger begehrten Beschluss zu erlassen. Da insoweit keine fehlerhafte Entscheidung des Amtsgerichts feststellbar ist, kann der vorliegende Rechtsbehelf des Gläubigers nur zurückgewiesen werden.

16

Die Kostenentscheidung resultiert aus § 97 ZPO.

17

Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind im vorliegenden Fall nicht gegeben, da es sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung handelt (§ 574 ZPO).

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 793 Sofortige Beschwerde


Gegen Entscheidungen, die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können, findet sofortige Beschwerde statt.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 829 Pfändung einer Geldforderung


(1) Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat das Gericht dem Drittschuldner zu verbieten, an den Schuldner zu zahlen. Zugleich hat das Gericht an den Schuldner das Gebot zu erlassen, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 367 Anrechnung auf Zinsen und Kosten


(1) Hat der Schuldner außer der Hauptleistung Zinsen und Kosten zu entrichten, so wird eine zur Tilgung der ganzen Schuld nicht ausreichende Leistung zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptleistung angerechnet. (2)

Verordnung über Formulare für die Zwangsvollstreckung


Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung - ZVFV

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Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Juni 2016 - VII ZB 58/15

bei uns veröffentlicht am 15.06.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VII ZB 58/15 vom 15. Juni 2016 in dem Zwangsvollstreckungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 829 Abs. 4 Satz 2; ZVFV § 2 Satz 1 Nr. 2, § 3 Abs. 3, § 5 a) Sofern das Antragsformular

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Gegen Entscheidungen, die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat das Gericht dem Drittschuldner zu verbieten, an den Schuldner zu zahlen. Zugleich hat das Gericht an den Schuldner das Gebot zu erlassen, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten. Die Pfändung mehrerer Geldforderungen gegen verschiedene Drittschuldner soll auf Antrag des Gläubigers durch einheitlichen Beschluss ausgesprochen werden, soweit dies für Zwecke der Vollstreckung geboten erscheint und kein Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Interessen der Drittschuldner entgegenstehen.

(2) Der Gläubiger hat den Beschluss dem Drittschuldner zustellen zu lassen. Der Gerichtsvollzieher hat dem Schuldner den Beschluss mit dem Zustellungsnachweis sofort zuzustellen, sofern nicht eine öffentliche Zustellung erforderlich ist. An Stelle einer an den Schuldner im Ausland zu bewirkenden Zustellung erfolgt die Zustellung durch Aufgabe zur Post, sofern die Zustellung nicht nach unmittelbar anwendbaren Regelungen der Europäischen Union zu bewirken ist.

(3) Mit der Zustellung des Beschlusses an den Drittschuldner ist die Pfändung als bewirkt anzusehen.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einzuführen. Soweit nach Satz 1 Formulare eingeführt sind, muss sich der Antragsteller ihrer bedienen. Für Verfahren bei Gerichten, die die Verfahren elektronisch bearbeiten, und für Verfahren bei Gerichten, die die Verfahren nicht elektronisch bearbeiten, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 58/15
vom
15. Juni 2016
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Sofern das Antragsformular gemäß Anlage 2 zu § 2 Satz 1 Nr. 2 ZVFV für den
Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses
hinsichtlich der zu vollstreckenden Forderungen auf Seite 3 keine
vollständige und zutreffende Eintragungsmöglichkeit bietet, ist es nicht zu beanstanden
, wenn der Gläubiger wegen der zu vollstreckenden Forderungen
insgesamt auf eine in einer Anlage beigefügte Forderungsaufstellung verweist,
auch wenn eine zutreffende Eintragung der zu vollstreckenden Forderungen in
die vorgegebene Forderungsaufstellung teilweise möglich gewesen wäre.

b) Das Antragsformular bietet auf Seite 3 keine vollständige und zutreffende Eintragungsmöglichkeit
, wenn der Gläubiger die Vollstreckung wegen mehrerer
Kostenforderungen nebst Zinsen mit gleicher Zinshöhe, aber unterschiedlichen
Zinsläufen betreibt.
Das Vollstreckungsgericht ist im Rahmen des streng formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahrens
nicht befugt, eine vom Gläubiger vorgenommene Verrechnung
an ihn geleisteter Zahlungen auf ihre Richtigkeit gemäß § 367 Abs. 1 BGB
hin zu überprüfen.
BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016 - VII ZB 58/15 - LG Augsburg
AG Aichach
ECLI:DE:BGH:2016:150616BVIIZB58.15.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Juni 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, den Richter Dr. Kartzke und die Richterinnen Graßnack, Sacher und Wimmer
beschlossen:
Auf die Rechtsmittel des Gläubigers werden der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Augsburg vom 8. Oktober 2015 sowie der Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - Aichach vom 13. August 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - zurückverwiesen. Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - darf den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht aus den Gründen der aufgehobenen Beschlüsse ablehnen.

Gründe:

I.

1
Der Gläubiger begehrt den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.
2
Ihm steht gegen die Schuldnerin ein mit Urteil des Amtsgerichts W. titulierter Anspruch auf Zahlung von 247,03 € nebst vier Prozent Zinsen seit dem 16. April 1993 zu. Zudem wurden zugunsten des Gläubigers mit Kostenfest- setzungsbeschlüssen des Amtsgerichts W. vom 23. September 1993 und vom 2. Dezember 1994 Rechtsanwaltskosten in Höhe von 21,70 € nebst vier Prozent Zinsen seit dem 2. Juni 1993 sowie Gerichtskosten in Höhe von 81,96 € nebst vier Prozent Zinsen seit dem 9. September 1994 gegen die Schuldnerin festgesetzt. Dem Gläubiger entstanden in der Folgezeit Vollstreckungskosten in Höhe von insgesamt 945,13 €. Auf die Forderungen des Gläubigers erfolgte im Jahre 2001 eine Zahlung in Höhe von 22,91 €, die der Gläubiger auf diejenigen Zinsforderungen anrechnete, die aus den mit den Kostenfestsetzungsbeschlüssen titulierten Kostenerstattungsansprüchen resultierten.
3
Wegen seiner Restforderungen hat der Gläubiger bei dem Amtsgericht die Pfändung und Überweisung etwaiger Forderungen der Schuldnerin gegen die Sparkasse A. beantragt. Hierzu hat er das nach Anlage 2 zu § 2 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung über Formulare für die Zwangsvollstreckung (Zwangsvollstreckungsformular -Verordnung - ZVFV) in der Fassung vom 16. Juni 2014 (BGBl. I S. 754, 759 ff.) vorgegebene Formular genutzt.
4
Auf Seite 3 des Formulars hat der Gläubiger bei "Summe II" den zu vollstreckenden Gesamtbetrag in Höhe von 1.578,65 € eingetragen. Im Übrigen hat er keine Eintragung zur Forderungshöhe vorgenommen, sondern auf eine als Anlage beigefügte Forderungsaufstellung verwiesen.
5
Das Amtsgericht hat nach vorherigem Hinweis den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Gläubiger die Aufhebung der zurückweisenden Beschlüsse und den Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung.

II.

6
Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht.
7
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, der Gläubiger sei im Rahmen des § 829 Abs. 4 Satz 2 ZPO gehalten gewesen, die von ihm beanspruchten Beträge vollständig auf Seite 3 des nach Anlage 2 zu § 2 Satz 1 Nr. 2 ZVFV vorgegebenen Formulars einzutragen. Die bloße Bezugnahme auf eine beigefügte Forderungsaufstellung sei nicht ausreichend gewesen, da die erforderlichen Angaben in das Formular hätten eingetragen werden können. Das seit dem 1. November 2014 verbindlich zu nutzende Zwangsvollstreckungsformular sei zumindest bezogen auf den Fall des Gläubigers nicht unvollständig, unzutreffend , fehlerhaft oder missverständlich.
8
Zudem widerspreche die von dem Gläubiger vorgenommene Verrechnung der im Jahre 2001 erfolgten Zahlung auf die aus den Kostenerstattungsansprüchen entstandenen Zinsen der Regelung des § 367 Abs. 1 BGB. Danach habe eine Verrechnung auf die Zinsen erst zu erfolgen, wenn die Kostenforderungen erfüllt seien.
9
2. Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
10
Der Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses kann weder mit der Begründung, er sei nicht formgerecht eingereicht worden (a), noch mit dem Hinweis auf eine fehlerhafte Verrechnung der erfolgten Zahlung (b) zurückgewiesen werden.
11
a) Der Antrag des Gläubigers entspricht den formellen Vorgaben des § 829 Abs. 4 Satz 2 ZPO i.V.m. § 2 Satz 1 Nr. 2, § 5 ZVFV.
12
aa) Gemäß § 829 Abs. 4 Satz 1 ZPO wird das Bundesministerium der Justiz ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einzuführen. Soweit nach Satz 1 Formulare eingeführt sind, muss sich der Antragsteller ihrer bedienen, § 829 Abs. 4 Satz 2 ZPO. Nach § 2 Satz 1 Nr. 2, § 5 ZVFV ist für Anträge auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses seit dem 1. November 2014 verbindlich das in Anlage 2 zur Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung vom 16. Juni 2014 (BGBl. I S. 754, 759 ff.) vorgegebene Antragsformular zu nutzen.
13
Soweit für den beabsichtigten Antrag keine zweckmäßige Eintragungsmöglichkeit in dem Formular besteht, kann ein geeignetes Freifeld oder eine Anlage genutzt werden, § 3 Abs. 3 Satz 1 ZVFV. Der Gläubiger ist darüber hinaus vom Formularzwang entbunden, soweit das Formular unzutreffend, fehlerhaft oder missverständlich ist. In diesen seinen Fall nicht zutreffend erfassenden Bereichen ist es nicht zu beanstanden, wenn er in dem Formular Streichungen , Berichtigungen oder Ergänzungen vornimmt oder das Formular insoweit nicht nutzt, sondern auf beigefügte Anlagen verweist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. November 2015 - VII ZB 22/15, NJW 2016, 81 Rn. 12 m.w.N.; vom 13. Februar 2014 - VII ZB 39/13, BGHZ 200, 145 Rn. 36).
14
bb) Ein solcher Fall liegt vor. Das nach Anlage 2 zu § 2 Satz 1 Nr. 2 ZVFV vorgegebene Formular erfasst den Fall des Gläubigers nicht vollständig. Es bietet für den von dem Gläubiger gestellten Antrag im Rahmen der Forderungsaufstellung auf Seite 3 keine umfassenden Eintragungsmöglichkeiten, weshalb es der Verwendung einer zusätzlichen Anlage bedurfte.
15
Der Gläubiger betreibt die Zwangsvollstreckung unter anderem wegen zweier titulierter Kostenforderungen mit gleicher Zinshöhe, aber unterschiedli- chem Zinslaufbeginn. Diese Zinsforderungen konnte der Gläubiger nicht zutreffend in das vorgegebene Formular eintragen. Das Formular bietet keine Möglichkeit , mehrere Kostenforderungen nebst Zinsen mit gleicher Zinshöhe, aber unterschiedlichen Zinsläufen einzutragen. Insoweit unterscheidet sich der Fall von dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4. November 2015 - VII ZB 22/15 (aaO) zugrundeliegenden. Dort hatte der Gläubiger die Vollstreckung wegen mehrerer Forderungen mit demselben Verzinsungsbeginn und einheitlicher Zinshöhe beantragt. Das Formular bietet auch nicht alternativ die Möglichkeit, ausgerechnete Zinsen einzutragen. Eine entsprechende Zeile ist nicht vorgesehen. In den Zeilen 9 und 10 können jeweils nur Beträge gegebenenfalls "nebst" Zinsen eingesetzt werden. Würde der Gläubiger - so wie vom Amtsgericht vorgeschlagen (vgl. Bl. 19 d.A.) - in Spalte 1 der 8. Zeile die Gesamtforderung , darunter in Spalte 1 der 9. Zeile die ausgerechneten Zinsen und daneben in Spalte 2 der 9. Zeile die fortlaufenden Zinsen eintragen, wäre dies aus Sicht eines verständigen Nutzers dahin zu verstehen, dass neben der in Zeile 8 eingetragenen Kostenforderung wegen einer weiteren in Spalte 1 der 9. Zeile aufgeführten Kostenforderung und wegen auf diese entfallender Zinsen vollstreckt werden soll.
16
cc) Der Gläubiger durfte wegen der zu vollstreckenden Forderungen insgesamt auf eine Anlage verweisen. Er war nicht gehalten, zumindest die Hauptforderung und die Vollstreckungskosten in die Forderungsaufstellung auf Seite 3 des vorgegebenen Formulars einzutragen, auch wenn das Formular insoweit vollständige und zutreffende Eintragungsmöglichkeiten bietet.
17
Mit dem Formularzwang gemäß § 829 Abs. 4 Satz 2 ZPO, § 2 Satz 1 Nr. 2, § 5 ZVFV wird insbesondere eine Entlastung der Vollstreckungsgerichte bezweckt. Durch die Vereinheitlichung der Antragsformulare soll die Effizienz bei der Bearbeitung der Anträge bei Gericht gesteigert werden (vgl. BT-Drucks. 13/341, S. 11; BR-Drucks. 326/12, S. 1; Dierck/Griedl, NJW 2013, 3201; Fech- ter, Rpfleger 2013, 9 f.). Diesem Zweck liefe es zuwider, würde der Gläubiger die zu vollstreckenden Forderungen teilweise in die Forderungsaufstellung auf Seite 3 des vorgegebenen Formulars und teilweise in eine als Anlage beigefügte Forderungsaufstellung eintragen. Mit einer solchen Vorgehensweise wäre nicht nur ein Mehraufwand für den Gläubiger, sondern auch für das den Antrag bearbeitende Vollstreckungsgericht verbunden. Die einheitliche Darstellung der zu vollstreckenden Forderungen in einer Forderungsaufstellung dient der Übersichtlichkeit und vermeidet, dass der zuständige Rechtspfleger bei der Antragsbearbeitung zwischen zwei Forderungsaufstellungen "hin- und herwechseln" muss (vgl. LG Neubrandenburg, JurBüro 2015, 101, 102).
18
Zudem enthält das Formular in Zeile 13 der Forderungsaufstellung den Hinweis, dass die Beifügung von Anlagen zulässig ist, "wenn in dieser Aufstellung die erforderlichen Angaben nicht oder nicht vollständig eingetragen werden können". Diese von § 3 Abs. 3 ZVFV und von dem entsprechenden Eingangshinweis auf Seite 1 des Formulars abweichende Formulierung findet sich auch in der Begründung zu der Verordnung zur Änderung der Zwangsvollstreckungsformular -Verordnung vom 16. Juni 2014 (vgl. BR-Drucks. 137/14 [neu], S. 29, 31). Aus Sicht eines verständigen Gläubigers ist der Hinweis in Zeile 13 dahin zu verstehen, dass wegen der zu vollstreckenden Forderungen insgesamt auf eine Anlage verwiesen werden darf, sofern die Forderungen nicht vollständig in die Forderungsaufstellung auf Seite 3 des Formulars eingetragen werden können. Eintragungen in den Zeilen 1 bis 12 der vorgegebenen Forderungsaufstellung sind dann auch insoweit nicht erforderlich, wie die vorgegebene Forderungsaufstellung den Fall des Gläubigers vollständig erfasst.
19
Ob es gleichwohl der Eintragung der Gesamtsumme ("Summe II") in Zeile 14 des Formulars bedarf, kann vorliegend dahinstehen, da der Gläubiger erstinstanzlich eine um diesen Betrag ergänzte Seite 3 des Antrags zur Gerichtsakte gereicht hat (Bl. 16 d.A.).
20
b) Das Amtsgericht durfte den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ferner nicht wegen einer fehlerhaften Verrechnung der im Jahre 2001 erfolgten Zahlung zurückweisen.
21
Das Vollstreckungsgericht ist nicht befugt, eine von dem Gläubiger vorgenommene Verrechnung an ihn geleisteter Zahlungen auf ihre Richtigkeit gemäß § 367 Abs. 1 BGB hin zu überprüfen. Materiell-rechtliche Fragen sind einer Prüfung durch das Vollstreckungsgericht im streng formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren grundsätzlich entzogen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2011 - VII ZB 118/09, WM 2011, 1708 Rn. 17). Ob den Bestimmungen der §§ 366, 367 BGB gemäß verrechnet und insoweit Erfüllung der Forderungen des Gläubigers gemäß § 362 Abs. 1 BGB eingetreten ist, ist eine materiellrechtliche Frage und einer Überprüfung durch das Vollstreckungsorgan daher nicht zugänglich (vgl. OLG Hamm, DGVZ 1980, 153, 154; LG Rottweil, DGVZ 1995, 169; LG Lübeck, DGVZ 1987, 29; LG Berlin, Rpfleger 1971, 261; LG Bonn, NJW 1965, 1387; BeckOK ZPO/Preuß, Stand: 1. März 2016, § 788 Rn. 39; Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl. Rn. 466; Behr, NJW 1992, 2738, 2739; Schilken, DGVZ 1991, 1, 3 f.; zur Ausnahme der Prüfung des Erfüllungseinwandes im Rahmen der Vollstreckung gemäß §§ 887 ff. ZPO vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 2004 - IXa ZB 32/04, BGHZ 161, 67). Diese Überprüfung hat vielmehr im Rahmen einer vom Schuldner zu erhebenden Vollstreckungsgegenklage zu erfolgen (vgl. LG Wuppertal, DGVZ 2011, 113, juris Rn. 13; LG Rottweil, DGVZ 1995, 169; LG Frankfurt a.M., DGVZ 1988, 42; LG Lübeck, DGVZ 1987, 29; LG Gießen, Rpfleger 1985, 245; LG Bonn, NJW 1965, 1387; HK-ZPO/Kindl, 6. Aufl., § 753 Rn. 6; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 754 Rn. 6; Gottwald/Mock/Mock, ZPO, 6. Aufl., § 829 Rn. 53; Behr, NJW 1992, 2738, 2739).

III.

22
Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Es ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich, dass die weiteren Voraussetzungen für den Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vorliegen. Die Sache war daher an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - zurückzuverweisen , § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO.
Eick Kartzke Graßnack Sacher Wimmer
Vorinstanzen:
AG Aichach, Entscheidung vom 13.08.2015 - M 1019/15 -
LG Augsburg, Entscheidung vom 08.10.2015 - 41 T 3175/15 -

(1) Hat der Schuldner außer der Hauptleistung Zinsen und Kosten zu entrichten, so wird eine zur Tilgung der ganzen Schuld nicht ausreichende Leistung zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptleistung angerechnet.

(2) Bestimmt der Schuldner eine andere Anrechnung, so kann der Gläubiger die Annahme der Leistung ablehnen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.