Landgericht Mainz Urteil, 05. Juli 2011 - 6 S 27/10

ECLI:ECLI:DE:LGMAINZ:2011:0705.6S27.10.0A
05.07.2011

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 15.01.2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts Worms - Aktenzeichen 2 C 217/09 - aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.113,08 EUR sowie außergerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von 330,34 EUR nebst jeweils Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.06.2009 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das Rechtsmittel der Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Hinsichtlich des Tatbestandes wird zunächst Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil, § 540 Abs. 1 ZPO. Mit seiner Berufung führt der Kläger nochmals aus, der Begriff "Bodenplatte" sei ein technischer Begriff. Die Bodenplatte sei ein Fundament. Vorliegend sei jedoch nur ein betonierter Kellerboden vorhanden, der nicht mit dem Begriff Bodenplatte gleichgesetzt werden könne.

2

Die Beklagte ist der Ansicht, es mache keinen Unterschied, ob ein betonierter Fußboden vorliege, oder eine Bodenplatte. Unter dem betonierten Fußboden verlegte Rohre seien außerhalb des Gebäudes und deswegen von der Versicherung gemäß § 35 Nr. 4.4 der SV allgemeine Bedingung für die SV-Einfamilienhaus-Police ausgenommen.

3

Die Kammer hat gemäß Beweisbeschluss vom 31.08.2010 ein Sachverständigengutachten eingeholt. Insoweit wird verwiesen auf das Gutachten des Sachverständigen P.A.M. vom 14.03.2011.

II.

4

Die zulässige Berufung des Klägers ist in vollem Umfang begründet. Der Kläger hat aufgrund der abgeschlossenen Gebäudeversicherung Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm durch den Bruch der Abwasserleitung der unter dem Boden des Kellers verlegten Leitung entstanden ist. Dieser Anspruch ist nicht gemäß § 35 der SV allgemeinen Bedingungen für die SV-Einfamilienhaus-Police ausgeschlossen. Unstreitig handelt es sich um Leitungswasser, das aus Zu- oder Ableitungsrohren der Wasserversorgung ausgetreten ist. Die Rohre sind bei sachgerechter Auslegung auch als "innerhalb versicherter Gebäude" im Sinne von § 35 Nr. 4 allgemeine Bedingung anzusehen.

5

Unstreitig liegen die streitgegenständlichen Rohre zwischen den Außenwänden unterhalb eines nachträglich betonierten Kellerbodens.

6

Das Gericht kommt insoweit zu dem Ergebnis, dass der betonierte Kellerboden einer Bodenplatte nicht gleichzusetzen ist. Der erkennbare Sinn und Zweck des § 35 Nr. 4.4 der allgemeine Bedingung, mit dem außerhalb des Gebäudes verlegte Ableitungsrohre der Wasserversorgung vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, soll zum Einen dem Risiko Rechnung tragen, dass bei außerhalb des Gebäudes verlegten Ableitungsrohren ein besonderer Aufwand für die Schadensfeststellung und Beseitigung entstehen kann, zum Anderen, dass mit einer größeren Schadenshäufigkeit bei außerhalb des Gebäudes verlegten Ableitungsrohren zu rechnen ist (vgl. BGH IV ZR 137/97).

7

In gleicher Weise hat das Saarländische Oberlandesgericht (Aktenzeichen 5 U 345/00) am 20.09.2009 entschieden, dass die Klausel dem Risiko eines besonderen Aufwandes für die Schadensfeststellung und Schadensbeseitigung außerhalb des versicherten Gebäudes und dem Risiko einer größeren Schadenshäufigkeit dort Rechnung tragen soll.

8

Diesbezüglich ist der Sachverständige P.A.M. zu dem Ergebnis gekommen, dass aus technischer Sicht die defekte Rohrleitung einer innerhalb des Gebäudes verlegten Leitung gleichzusetzen  und vergleichbar mit einer unter Putz liegenden Leitung in der Wand, auf dem Fußboden oder unter dem Estrich oder der Decke ist. Auch hier hätten die Wand, der Estrich oder die Decke geöffnet werden müssen, um das defekte Rohr reparieren zu können. Der Arbeitsaufwand wäre der gleiche gewesen, die Nachfolgekosten voraussichtlich höher.

9

Desweiteren kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die Schadenshäufigkeit bei der streitgegenständlichen Rohrleitung nicht höher einzuschätzen ist, als bei Rohren, welche damals innerhalb von Gebäuden verlegt wurden.

10

Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass die Versicherungsausschlüsse mit ihrer Beschreibung auf Schäden unterhalb von tragenden Bauteilen, wie Fundamenten und Betonplatten abzielen, weil hier im Schadensfall für eine Reparatur möglicherweise in die Statik des Hauses eingegriffen werden muss, was hinsichtlich des Risikos schwer kalkulierbar ist. Im vorliegenden Fall war jedoch gerade die Statik des Hauses nicht betroffen. Somit kommt der Sachverständige zu dem abschließenden Ergebnis, dass das defekte Rohr lediglich zwischen zwei Außenwänden lag. Dass die Rohre im Erdreich verlegt sind, spiele hierbei keine Rolle, da erdverlegte Leitungen in den Versicherungsbedingungen nicht ausgenommen sind.

11

Somit ist § 35 Nr. 4.4 der allgemeinen Bedingung vorliegend nicht anwendbar. Eine Bodenplatte im technischen Sinne, unter der die Rohrleitung lag, ist nicht gegeben. Die Betonierung des Kellerbodens kann einer Bodenplatte auch nicht gleichgesetzt werden, da entscheidend für die Bodenplatte ist, dass sie als Fundament des Hauses gilt und aus statischen Berechnungen und Gründen heraus entsprechend gegossen werden muss.

12

Demgemäß hat die Beklagte aufgrund der Versicherungsbedingungen für den streitgegenständlichen Schaden einzustehen.

13

Da sie mit Schreiben vom 04.04.2009 jeglichen Schadensersatz auch für die vorgerichtlichen Anwaltsgebühren abgelehnt hat, befindet sie sich seit 06.06.2009 in Verzug und hat die streitgegenständlichen Forderungen antragsgemäß zu verzinsen.

14

Die Kostenentscheidung folgt auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

15

Das Rechtsmittel der Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.

16

Streitwert: 2.113,08 EUR

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.