Landgericht Magdeburg Urteil, 22. März 2016 - 11 O 1415/15

ECLI:ECLI:DE:LGMAGDE:2016:0322.11O1415.15.0A
bei uns veröffentlicht am22.03.2016

Tenor

Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % der zu vollstreckenden Forderung vorläufig vollstreckbar.

Zugleich wird beschlossen: Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die im Bezirk des AG Goslar wohnende Klägerin ist die Tochter des am 9.1.2013 in der Schweiz verstorbenen Erblassers Karl T.

2

Der Erblasser, der seinen letzten Wohnsitz in der Schweiz hatte, lebte in außerehelicher Lebensgemeinschaft mit der Beklagten.

3

Am 28.6.2012 errichtete der Erblasser ein maschinenschriftliches Testament nach Schweizer Recht, das er handschriftlich unterzeichnete und das vom Amtsnotariat St. Gallen am 13.3.2013 eröffnet wurde (Blatt 58 ff d.A.).

4

Die Beklagte wurde nach Schweizer Recht als Erbin anerkannt, weil das Testament nicht nach den für die Schweiz geltenden Vorschriften angefochten worden ist und ohne Anfechtung wirksam bleibt, auch wenn es nur handschriftlich unterschrieben und im Übrigen maschinenschriftlich abgefasst ist. Wegen der weiteren Darstellung zu Einzelheiten des dortigen Hergangs wird auf den Beschluss des Amtsgerichts Goslar vom 30.6.2014 (Blatt 6 ff d.A.) Bezug genommen.

5

Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie als Pflichtteilsberechtigte gegen die Beklagte aufgrund Vermögens das in der Bundesrepublik Deutschland, darunter auch in Schönebeck liege, Auskunftsansprüche zur Ermittlung von Pflichtteilsansprüchen habe.

6

Sie habe zwar in der Schweiz zwar bereits am 10.4. und am 11.4.2013 eine Ausschlagung nach den Art 566 - 579 ZGB erklärt (Anlagen B 2 und B 3, Blatt 60 ff d.A.), nachdem sie am 14.1.2013 vom Tode des Erblassers erfahren habe (SS 11.4.2013, Blatt 61 d.A.). Da diese aber nur in der Schweiz erklärt worden sei, entfalte sie in Deutschland keine Wirkung. Da sie testamentarisch enterbt worden sei, müssen ihr Pflichtteilsansprüche wegen der in Deutschland befindlichen Vermögenswerte zustehen.

7

Nachdem das Landgericht B den Rechtsstreit an das Landgericht Magdeburg verwiesen hat, beantragt die Klägerin,

8

die Beklagte zu verurteilen, an sie Auskunft über Bestand des Nachlasses des am 9.1.2013 verstorbenen Herrn Karl T durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses zu erteilen, das im Einzelnen erfasse

9
- alle beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen
10
- alle beim Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten
11
- alle ergänzungspflichtigen Schenkungen, die der Erblasser zu seinen Lebzeiten in den letzten 10 Jahren vor seinem Tode getätigt hat
12
- eine Aufstellung über sämtliche im Eigentum des Verstorbenen stehenden Grundstücke
13

Ferner beantragt sie,

14

die Beklagte gegebenenfalls zur Abgabe einer eidesstaatlichen Versicherung und nach Auskünfteerteilung einen Pflichtteil in Höhe von ¾ des sich aus der Auskunft ergebenden Nachlasswertes, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 19.8.2015 zu verurteilen.

15

Die Beklagte beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Die Beklagte wendet ein, es liege ein Rechtsmissbrauch vor. Die in der Schweiz erklärte Ausschlagung entfalte auch Wirkungen in Deutschland. Ferner habe die Klägerin bereits eine Schenkung erhalten, die auf einen etwaigen Pflichtteilsanspruch anzurechnen ist.

18

Wegen der Übrigen Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die Klage ist unbegründet.

20

Die Klägerin hat keine Auskunftsansprüche im Hinblick auf angenommene Pflichtteilsansprüche, weil sie am 10.4.2013 und nochmals mit Anwaltsschreiben vom 11.4.2013 (Anlagen B 2 und B 3 ) eine Ausschlagung nach den § 566 - 579 ZGB erklärt hat.

21

Die Ausschlagung ist auch wirksam.

22

Denn der Erbfall hat eine Auslandsberührung aufgewiesen, weil der Erblasser nach den Feststellungen des Amtsgerichts Goslar seinen letzten Wohnsitz in der Schweiz gehabt hat, nämlich nach Angaben des Amtsnotariats St. Gallen in der Laße 25 in ... R (Bl. 48. d.A.).

23

Zwar ist die Ausschlagungserklärung selbst gemäß § 1945 Abs. 1 BGB bei einem deutschen Nachlassgericht amtsempfangsbedürftig, mit der Folge, dass die Amtsempfangsbedürftigkeit der Erklärung zur materiellen Wirksamkeit der Erklärung gehört (vgl. etwa Palandt-Weidlich, BGB 74. Aufl. § 1945 Rn 8).

24

Das ändert aber nichts daran, dass die Erklärung auch gegenüber einem deutschen Nachlassgericht formgültig ist, wenn sie in der Schweiz form- und fristgerecht erklärt worden ist. Denn gemäß Art 11 Abs. 1 EGBGB genügt für die formgültige Abgabe die Ortsform. Dass die vorgetragene Ausschlagungserklärung der Schweizer Ortsform genügt hat, ist im Übrigen unstreitig. Dass sie innerhalb der in der Schweiz geltenden 3-Monatsfrist (§ 567 Abs. 2 ZGB) erklärt worden ist, ergibt sich daraus, dass die Klägerin erst am 14.1.2013 vom Tode des Erblassers Kenntnis erlangt hat. Nach Eingang beim zuständigen deutschen Nachlassgericht ist die Ausschlagungserklärung auch materiell-rechtlich unwiderruflich geworden (§ 130 Abs. 1 und 3 BGB).

25

Zuständig zur Entgegennahme der Ausschlagungserklärung ist gemäß Art 105 FamFG jedes deutsche Gericht, das örtlich zuständig ist.

26

Das Amtsgericht Goslar war gemäß § 344 Abs. 7 FamFG für die Entgegennahme von Ausschlagungserklärungen zuständig, weil die Klägerin im Zuständigkeitsbereich dieses Gerichts, nämlich Am Mühlenbergholz 2 A in 38690 Goslar-Vienenburg (Bl. 16 d.A.) einen Wohnsitz gehabt hat. Die Ausschlagungserklärung ist deshalb wirksam. Denn dass sie dort vorgelegt worden ist, ergibt sich aus dem Beschluss vom 30.6.2014 des AG Goslar in dem Erbscheinsverfahren 7 VI 499/13 (Blatt 7 d.A.).

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 130 Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber Abwesenden


(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Wide

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1945 Form der Ausschlagung


(1) Die Ausschlagung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht; die Erklärung ist zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form abzugeben. (2) Die Niederschrift des Nachlassgerichts wird nach den Vorschri

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 344 Besondere örtliche Zuständigkeit


(1) Für die besondere amtliche Verwahrung von Testamenten ist zuständig,1.wenn das Testament vor einem Notar errichtet ist, das Gericht, in dessen Bezirk der Notar seinen Amtssitz hat;2.wenn das Testament vor dem Bürgermeister einer Gemeinde errichte

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(1) Die Ausschlagung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht; die Erklärung ist zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form abzugeben.

(2) Die Niederschrift des Nachlassgerichts wird nach den Vorschriften des Beurkundungsgesetzes errichtet.

(3) Ein Bevollmächtigter bedarf einer öffentlich beglaubigten Vollmacht. Die Vollmacht muss der Erklärung beigefügt oder innerhalb der Ausschlagungsfrist nachgebracht werden.

(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.

(2) Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird.

(3) Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist.

(1) Für die besondere amtliche Verwahrung von Testamenten ist zuständig,

1.
wenn das Testament vor einem Notar errichtet ist, das Gericht, in dessen Bezirk der Notar seinen Amtssitz hat;
2.
wenn das Testament vor dem Bürgermeister einer Gemeinde errichtet ist, das Gericht, zu dessen Bezirk die Gemeinde gehört;
3.
wenn das Testament nach § 2247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs errichtet ist, jedes Gericht.
Der Erblasser kann jederzeit die Verwahrung bei einem nach Satz 1 örtlich nicht zuständigen Gericht verlangen.

(2) Die erneute besondere amtliche Verwahrung eines gemeinschaftlichen Testaments nach § 349 Abs. 2 Satz 2 erfolgt bei dem für den Nachlass des Erstverstorbenen zuständigen Gericht, es sei denn, dass der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner die Verwahrung bei einem anderen Amtsgericht verlangt.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für die besondere amtliche Verwahrung von Erbverträgen.

(4) Für die Sicherung des Nachlasses ist jedes Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis für die Sicherung besteht.

(4a) Für die Auseinandersetzung eines Nachlasses ist jeder Notar zuständig, der seinen Amtssitz im Bezirk des Amtsgerichts hat, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte der Erblasser keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, ist jeder Notar zuständig, der seinen Amtssitz im Bezirk eines Amtsgerichts hat, in dem sich Nachlassgegenstände befinden. Von mehreren örtlich zuständigen Notaren ist derjenige zur Vermittlung berufen, bei dem zuerst ein auf Auseinandersetzung gerichteter Antrag eingeht. Vereinbarungen der an der Auseinandersetzung Beteiligten bleiben unberührt.

(5) Für die Auseinandersetzung des Gesamtguts einer Gütergemeinschaft ist, falls ein Anteil an dem Gesamtgut zu einem Nachlass gehört, der Notar zuständig, der für die Auseinandersetzung über den Nachlass zuständig ist. Im Übrigen ist jeder Notar zuständig, der seinen Amtssitz im Bezirk des nach § 122 Nummer 1 bis 5 zuständigen Gerichts hat. Ist danach keine Zuständigkeit gegeben, ist jeder Notar zuständig, der seinen Amtssitz im Bezirk eines Amtsgerichts hat, in dem sich Gegenstände befinden, die zum Gesamtgut gehören. Absatz 4a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(6) Hat ein anderes Gericht als das nach § 343 zuständige Gericht eine Verfügung von Todes wegen in amtlicher Verwahrung, ist dieses Gericht für die Eröffnung der Verfügung zuständig.

(7) Für die Entgegennahme einer Erklärung, mit der eine Erbschaft ausgeschlagen oder mit der die Versäumung der Ausschlagungsfrist, die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft oder eine Anfechtungserklärung ihrerseits angefochten wird, ist auch das Nachlassgericht zuständig, in dessen Bezirk die erklärende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Urschrift der Niederschrift oder die Urschrift der Erklärung in öffentlich beglaubigter Form ist von diesem Gericht an das zuständige Nachlassgericht zu übersenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.