Landgericht Köln Urteil, 05. Nov. 2015 - 15 O 16/15
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger je zur Hälfte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des beizutreibenden Betrages.
1
T A T B E S T A N D:
2Die Kläger schlossen mit der Beklagten unter dem 12.12.2005 zwei Darlehensverträge mit den Nummern #####/#### über 61.200,00 EUR und #####/#### über 73.800,00 EUR. Die Darlehensverträge und die Widerrufsbelehrungen wurden zeitgleich unterschrieben. Für die Einzelheiten der Verträge, insbesondere die verwendete Widerrufsbelehrungen (Bl. 11, 14 GA), wird auf die Anlage K1 zur Klageschrift Bezug genommen. Die Kläger schlossen unter dem gleichen Datum zudem mit der Beklagten einen Vertrag "Zweckerklärung für Grundschulden - Begrenzte Sicherung" (Bl. 15 f. GA), für dessen Inhalt im Einzelnen ebenfalls auf die Anlage K1 zur Klageschrift Bezug genommen wird.
3Im Jahr 2012 fanden Gespräche zwischen den Klägern und dem Zeugen U von der Beklagten über die Geschäftsbeziehung statt, bei denen auch die beiden Darlehen angesprochen wurden und die Kläger die Zahlung der jährlich möglichen Sondertilgungen bis zum Ende der Zinsbindung in Aussicht stellten.
4Die Kläger widerriefen nach vorangegangenem Schriftwechsel mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 30.10.2014 die Darlehensverträge unter Hinweis auf den wegen unrichtiger Widerrufsbelehrung noch nicht eingetretenen Fristablauf. Die Kläger erklären mit ihrem vermeintlichen Anspruch aus dem Rückabwicklungsverhältnis gegen die Beklagte in Höhe von 13.988,50 EUR die Aufrechnung gegen die Ansprüche der Beklagte die Aufrechnung. Am 31.10.2014 standen aus den Darlehen Forderungen der Beklagten gegen die Kläger in Höhe von 30.167,54 EUR (Nr. #####/####) und 29.605,42 EUR (Nr. #####/####) offen.
5Die Kläger sind der Ansicht, die Widerrufsbelehrung sei unzutreffend gewesen. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion durch Verwendung des amtlichen Musters der BGB-InfoV berufen, denn insbesondere die zur Frist angebrachte Fußnote "2" mit dem Text: "Bitte Frist im Einzelfall prüfen" sei verwirrend. Eine relevante Bearbeitung sei durch die Beklagte erfolgt, weil zu der Überschrift "Widerrufsbelehrung" ein Zusatz "zu Darlehens-/Kreditvertrag vom 12.12.2005" hinzugesetzt sei. Zudem sei nach der dem amtlichen Muster entsprechenden Formulierung "Der Widerruf ist zu richten:" ein Klammerzusatz "(Name, Firma und ladungsfähige Anschrift des Kreditinstituts, ggf. Fax-Nr., E-Mail-Adresse und/oder, wenn der Verbraucher eine Bestätigung seiner Widerrufserklärung erhält, auch eine Internet-Adresse)" abgedruckt.
6Infolge der Aufrechnung stehe der Beklagte gegen sie nur noch eine Forderung von 45.996,15 EUR zu. Ihre Gegenansprüche seien nach der Sparkassenformel, deren Inhalt aufgrund des gleichnamigen Artikels unter www.wikipedia.de allgemeinkundig sei, für das Darlehen Nr. #####/#### mit 6.341,45 EUR und für das Darlehen Nr. #####/#### mit 7.6747,05 EUR zutreffend ermittelt. Für die vorgerichtliche Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten müsse ihnen die Beklagte eine 0,65 Geschäftsgebühr mit Mehrvertretungsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer aus einem Gegenstandswert von 135.000,00 EUR ersetzen.
7Die Kläger beantragen zuletzt sinngemäß,
81. a) die Beklagte zu verurteilen, die Freigabe der Grundschuld in Höhe von 135.000,00 EUR lastend auf dem Grundstück eingetragen im Grundbuch von M, Blatt ####, Zug um Zug gegen die Rückzahlung der aktuellen Darlehensbeträge aus den Darlehen mit der Nummer #####/#### und mit der Nummer #####/#### insgesamt in Höhe von 45.996,14 EUR zu erteilen;
9b) die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.915,13 EUR zu zahlen;
102. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Zahlung gemäß dem Klageantrag zu 1.a) in Annahmeverzug befindet.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei unzulässig und unbegründet. Das verwendete Widerrufsformular entspreche im Wesentlichen dem Muster der BGB-InfoV. Das Widerrufsrecht sei angesichts des Zeitablaufs seit Abschluss und Durchführung der Aufhebungsvereinbarung verwirkt; seine Ausübung stelle sich als unzulässige Rechtsausübung dar.
14Die Beklagte behauptet, die Kläger hätten das Widerrufsrecht bereits bei Vertragsschluss zutreffend verstanden.
15Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.
16E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
17Die Klage ist nicht begründet.
18Die Kläger haben den Darlehensvertrag nicht wirksam widerrufen, weil im Zeitpunkt des Widerrufs die Frist längst abgelaufen war.
19Unabhängig von der Frage der Fehlerhaftigkeit der Belehrungen, kann sich die Beklagte auf die Schutzwirkung der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1, 3 der BGB-InfoV berufen, weil die verwendete Widerrufsbelehrung dem damals geltenden Muster ohne eigene inhaltliche Bearbeitung entsprach (vgl. allg. BGH, Urt. v. 23.06.2009 – XI ZR 156/08, juris; BGH, Urt. v. 01.12.2010 – VIII ZR 82/10, juris; BGH, Urt. v. 18.03.2014 – II ZR 109/13, juris; BGH, Beschl. v. 10.02.2015 – II ZR 163/14, juris).
20Die Beklagte hat das Muster in der damals geltenden Fassung der BGB-InfoV verwendet. Die von der Klägerin aufgezeigten Unterschiede sind unerheblich.
21Die unter den verwendeten Belehrungen befindlichen Fußnoten stehen außerhalb der Belehrung und betreffen diese nicht inhaltlich (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 10.08.2015 - 13 U 81/14, BeckRS 2015, 16580). Sie richten sich erkennbar an die Mitarbeiter der Beklagten. Offensichtlich ist dies für die jeweilige Fußnote 1, mit der der Mitarbeiter der Beklagten aufgefordert wird, die Bezeichnung des konkret betroffenen Geschäfts in den Vordruck einzutragen. Wenn aber diese Fußnote erkennbar als Anweisung an den Mitarbeiter der Bank aufzufassen ist, kann der durchschnittliche Verbraucher schon daraus den Rückschluss ziehen, dass dies auch für die jeweils andere Fußnote gelten soll. Im Übrigen steht es der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher nicht entgegen, wenn auch er - der Fußnote 2 in der dem Vertrag beigefügten Belehrung entsprechend - prüft, ob die hierfür vorgesehene Frist bereits abgelaufen ist. Soweit die Kammer in der Vergangenheit eine andere Ansicht vertreten hat, hält sie hieran nicht fest.
22Diese Erwägungen gelten auch für die Klammereinschübe "(Name, Firma und ladungsfähige Anschrift.)". Schon aus dem Umstand, dass unmittelbar danach eben diese Daten der Beklagten angegeben werden, wird ersichtlich, dass es sich um eine den Inhalt der Belehrung nicht berührende, die Ausfüllung des Formulars betreffende Anweisung an die Mitarbeiter der Beklagten handelt.
23Die Beklagte hat allerdings im Absatz über finanzierte Geschäfte den die Definition der wirtschaftlichen Einheit betreffenden Satz 2 nicht durch den die wirtschaftliche Einheit im Falle eines finanzierten Grundstücksgeschäft betreffenden Satz 3 ersetzt, sondern beide Sätze wiedergegeben. Unabhängig davon, ob eine solche bloß formale Abweichung der Gewährung von Vertrauensschutz entgegensteht (offengelassen in OLG Köln, Urt. v. 23.01.2013 - 13 U 69/12, juris Rn. 29 f. für ein verbundenes Geschäft), ist die Ergänzung im Streitfall schon deshalb ohne Bedeutung, weil die Kläger keine verbundenen Geschäfte abgeschlossen haben. Nach den Gestaltungshinweisen können entsprechende Hinweise unter diesen Umständen entfallen. Werden sie gleichwohl erteilt, stehen sie der Annahme von Vertrauensschutz jedenfalls dann nicht entgegen, wenn sich die Abweichung wie hier lediglich auf formale Gesichtspunkte beschränkt.
24Ebenfalls unerheblich ist, dass die Beklagte am Ende der Belehrung die Angabe des Ortes, des Datums und der Unterschriftenleiste nicht durch die Schlussformel "Ihre Sparkasse L" ersetzt, sondern diese hinzugefügt hat. Die Gestaltungshinweise sehen die Möglichkeit vor, entweder den einen oder den anderen Schluss zu wählen. Wählt ein Unternehmer demgegenüber beide Abschlüsse der Belehrung aus, handelt er zwar dem Gestaltungshinweis zuwider, gleichwohl verwendet er keinen Textteil, der nicht auch in der Musterbelehrung zu finden wäre, geschweige denn dass er diese inhaltlich verändern würde.
25Die Schriftsätze vom 21. und 22.10.15 haben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gegeben.
26Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1, 709 ZPO.
27Streitwert: 135.000,00 EUR
28(§ 6 ZPO, vgl. Zöller/Herget, 30. Aufl. § 3 ZPO Rn. 16 "Hypohek" m.w.N.)
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(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Der Wert wird bestimmt: durch den Wert einer Sache, wenn es auf deren Besitz, und durch den Betrag einer Forderung, wenn es auf deren Sicherstellung oder ein Pfandrecht ankommt. Hat der Gegenstand des Pfandrechts einen geringeren Wert, so ist dieser maßgebend.