Landgericht Kleve Beschluss, 12. Nov. 2015 - 182 StVK 3/15

Gericht
Tenor
Der Antrag des Untergebrachten wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 690,00 € festgesetzt.
1
G r ü n d e
2I.
3Der Antragsteller ist gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht; die Maßregel wird derzeit in der LVR-Klinik Bedburg-Hau vollzogen.
4Der 59 Jahre alte Untergebrachte befindet sich aufgrund des Urteils des Landgerichts Essen vom 27.10.1992 im Maßregelvollzug gemäß § 63 StGB. Durch diese am 16.06.1993 rechtskräftig gewordene Entscheidung ist er wegen Mordes in 4 Fällen, versuchten Mordes in 2 Fällen, Vergewaltigung in 4 Fällen und versuchter Vergewaltigung in 2 Fällen, zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe (unter Feststellung der besonderen Schwere der Schuld) verurteilt worden. Zugleich wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, weil auf Grund der festgestellten psychischen Störung (schwere andere seelische Abartigkeit in Form einer hochabnormen Borderline-Persönlichkeitsstörung, die ein pathologisches Ausmaß erreicht, mit einer starken Durchsetzung mit Aggressivität und sadistisch-destruktiver Dynamik; sexuell-deviantes Syndrom; sexuelle Perversion mit neurotischen Symptomen; außerordentlich hohe Gefahr von Tatwiederholungen bzgl. Vergewaltigung und Tötung von Frauen) eine negative Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 63 StGB festgestellt worden war.
5Mit Bescheid vom 09.03.2005 wurde für den Antragsteller die Höhe des anzusparen Überbrückungsgeldes auf 690 EUR festgesetzt. Am 02.03.2015 beantragte der Antragsteller, sein Überbrückungsgeldkonto aufzulösen, da eine Entlassung nicht angestrebt werde. Der Antrag wurde am 06.03.2015 von der Klinik mit der Begründung abgelehnt, dass Patienten im Maßregelvollzug gemäß § 14 Abs. 3 Maßregelvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen ein Überbrückungsgeld bilden müssten. Hiergegen richtete sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung.
6Der Antragsteller trägt im Wesentlichen vor, die genannte Vorschrift solle dazu dienen, den notwendigen Lebensunterhalt der Patienten und ihrer Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach ihrer Entlassung zu sichern. Dabei handele es sich lediglich um eine Sollvorschrift, mithin um eine Rechtsnorm, durch die dem Antragsgegner ein Ermessen eingeräumt sei. Der Antragsgegner könne daher in Ausnahmefällen sehr wohl von der Sollvorschrift abweichen. Es bestehe beim Antragsteller weder theoretisch noch tatsächlich eine Entlassungsperspektive, womit sich dieser auch schon lange abgefunden habe, so dass ein Ausnahmefall vorliege, bei dem der Antragsteller von der Bildung eines Überbrückungsgeldkontos freizustellen sei.
7Der Antragsteller beantragt,
81. die durch den Antragsgegner am 06.03.2015 verfügte Ablehnung, das Überbrückungsgeldkonto des Antragstellers aufzulösen und den angesparten Betrag an den Antragsteller auszuzahlen, aufzuheben,
92. den Antragsgegner zu verpflichten, das Überbrückungsgeldkonto des Antragstellers aufzulösen und den angesparten Betrag an den Antragsteller auszuzahlen.
10Der Antragsgegner beantragt,
11den Antrag zurückzuweisen.
12Der Antragsgegner ist der Ansicht, das Nichtansparen des Überbrückungsgeldgeldes mit der Begründung einer fehlenden Entlassungsperspektive würde gegen Art. 1 GG verstoßen. Die Chance auf Wiedereingliederung dürfe keinem Menschen genommen werden. Der besonderen Situation des Antragstellers, nämlich dass auf absehbare Zeit keine Entlassungsperspektive wahrscheinlich ist, sei dadurch Rechnung getragen, dass zum derzeitigen Zeitpunkt nur der Mindestbetrag, nämlich dass der zweifache Sozialhilfesatz eines Haushaltsvorstandes als Ansparbetrag festgesetzt worden sei.
13Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 StVollzG (vgl. zum Ziel des Gesetzgebers, das eine weite Auslegung erfordert, Bundestags-Drucksache 15/2252 Seite 6) auf die bei den Gerichtsakten befindlichen Schriftstücke des Untergebrachten vom 20.03.2015, 11.05.2015 und der Maßregelvollzugsbehörden vom 13.04.2015, 09.06.2015 verwiesen.
14II.
15Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet.
16In § 14 Abs. 3 Maßregelvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen ist Folgendes geregelt:
17„Das Überbrückungsgeld soll nur bis zur Höhe des Betrages gebildet werden, der nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes über den Einsatz des Vermögens bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen vom Einsatz oder der Verwertung ausgenommen ist. Das Überbrückungsgeld soll den notwendigen Lebensunterhalt der Patientinnen und Patienten und ihrer Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach ihrer Entlassung sichern.“
18Dem ist zu entnehmen, dass hinsichtlich der Höhe des Überbrückungsgeldgeldes gegebenenfalls ein Ermessen besteht. Ob überhaupt ein Überbrückungsgeld anzusparen ist, wird demgegenüber nicht in das Ermessen der Klinik gestellt. Ein Überbrückungsgeld muss gebildet werden; eine Ausnahme ist nicht zulässig (Prütting, MRVG und PsychKG NRW, 1. Aufl. 2004, § 14 MRVG Rn. 17).
19Aber selbst wenn es sich lediglich um eine so genannte Sollvorschrift handeln würde, ist nicht erkennbar, warum die Klinik hier von einer solchen Regelvermutung abweichende sollte. Zwar ist dem Antragsteller zuzugestehen, dass derzeit keine konkrete Entlassungsperspektive besteht. Gerade bei Gewaltdelikten kommt es aber durchaus gelegentlich vor, dass es trotz einer zunächst äußerst schlechten Legalprognose dann im hohen Alter des Untergebrachten wegen der extrem nachlassenden körperlichen Kräfte aufgrund des Entfallens der Gefährlichkeit doch noch zur Entlassung kommt. Hier kommt hinzu, dass der festgesetzte Betrag sehr überschaubar ist und nicht dargelegt wird, dass der Untergebrachte ihn dringend benötigt.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 StVollzG, der gemäß § 138 Abs. 3 StVollzG auch für gerichtliche Verfahren im Zusammenhang mit einer Unterbringung nach § 63 StGB gilt.
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Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
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(1) Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Der Beschluss stellt den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Wegen der Einzelheiten kann auf in der Gerichtsakte befindliche Dokumente, die nach Herkunft und Datum genau zu bezeichnen sind, verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Das Gericht kann von einer Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(1a) Das Gericht kann anordnen, dass eine Anhörung unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Gefangenen zeitgleich in Bild und Ton in die Vollzugsanstalt und das Sitzungszimmer übertragen wird. Eine Aufzeichnung findet nicht statt. Die Entscheidung nach Satz 1 ist nicht anfechtbar.
(2) Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die Maßnahme auf. Ist die Maßnahme schon vollzogen, kann das Gericht auch aussprechen, daß und wie die Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, soweit die Sache spruchreif ist.
(3) Hat sich die Maßnahme vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, spricht das Gericht auf Antrag aus, daß die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(4) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Anderenfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(5) Soweit die Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind.
(2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen. Hat sich die Maßnahme vor einer Entscheidung nach Absatz 1 in anderer Weise als durch Zurücknahme des Antrags erledigt, so entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen nach billigem Ermessen.
(3) Bei erstinstanzlichen Entscheidungen des Gerichts nach § 119a fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last. Absatz 2 Satz 2 gilt nicht im Falle des § 115 Abs. 3.
(4) Im übrigen gelten die §§ 464 bis 473 der Strafprozeßordnung entsprechend.
(5) Für die Kosten des Verfahrens nach den §§ 109ff. kann auch ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 43 Abs. 2 übersteigender Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen werden.
(1) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt richtet sich nach Landesrecht, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen. § 51 Abs. 4 und 5 sowie § 75 Abs. 3 gelten entsprechend.
(2) Für die Erhebung der Kosten der Unterbringung gilt § 50 entsprechend mit der Maßgabe, dass in den Fällen des § 50 Abs. 1 Satz 2 an die Stelle erhaltener Bezüge die Verrichtung zugewiesener oder ermöglichter Arbeit tritt und in den Fällen des § 50 Abs. 1 Satz 4 dem Untergebrachten ein Betrag in der Höhe verbleiben muss, der dem Barbetrag entspricht, den ein in einer Einrichtung lebender und einen Teil der Kosten seines Aufenthalts selbst tragender Sozialhilfeempfänger zur persönlichen Verfügung erhält. Bei der Bewertung einer Beschäftigung als Arbeit sind die besonderen Verhältnisse des Maßregelvollzugs zu berücksichtigen. Zuständig für die Erhebung der Kosten ist die Vollstreckungsbehörde; die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung andere Zuständigkeiten begründen. Die Kosten werden als Justizverwaltungsabgabe erhoben.
(3) Für das gerichtliche Verfahren gelten die §§ 109 bis 121 entsprechend.
(4) Soweit nach den Vollzugsgesetzen eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder gerichtlichen Genehmigung bedarf, gelten die §§ 121a und 121b entsprechend.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.