Landgericht Kiel Beschluss, 17. Jan. 2008 - 7 S 98/07


Gericht
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Plön vom 27.06.2007 geändert und wie folgt neu gefasst:
Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Plön vom 14.12.2006 bleibt aufrechterhalten.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Von der Darstellung des Tatbestandes wurde gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 313a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
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Auf die zulässige Berufung der Klägerin war das angefochtene Urteil wie geschehen zu ändern. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Entfernung der an dem Balkon angebrachten Satellitenempfangsanlage aus § 541 BGB. Nach dieser Vorschrift kann der Vermieter von dem Mieter Unterlassung verlangen, wenn der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung fortsetzt. Der Anspruch umfasst dabei auch die Beseitigung eines vom Mieter geschaffenen vertragswidrigen Zustands. Die Anbringung einer Satellitenempfangsanlage ohne Zustimmung des Vermieters stellt einen vertragswidrigen Zustand dar. Gemäß Nr. 6 der allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Mietvertrag der Parteien bedarf der Mieter der vorherigen Zustimmung des Wohnungsunternehmens, wenn er Antennen anbringt oder verändert. Eine entsprechende Zustimmung der Klägerin liegt nicht vor. Die Klägerin ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auch nicht nach Treu und Glauben dazu verpflichtet, dem Anbringen der Satellitenempfangsanlage zuzustimmen.
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Dies ergibt die einzelfallbezogene Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen der Vermieterin und der Mieter unter Berücksichtigung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16.05.2007 (VII ZR 207/04, WuM 2007, 381) und vom 10.10.2007 (VIII ZR 260/06).
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Dabei spielt es zunächst hinsichtlich der Interessen der Klägerin keine Rolle, ob die Beklagten einen Eingriff in die Bausubstanz vorgenommen haben. Maßgebend ist vielmehr, dass das Anbringen der Satellitenempfangsanlage durch eine dauerhafte Veränderung des Erscheinungsbildes des Gebäudes zu einer ästhetischen Beeinträchtigung geführt hat (vgl. dazu BGH, a. a. O.). Bereits aus dem Lichtbild, das als Anlage zum Protokoll vom 30.05.2007 genommen wurde, ergibt sich, dass die Parabolantenne das Erscheinungsbild des Gebäudes erheblich verändert. Die Beklagten bewohnen eine im sechsten Stock gelegene Wohnung des siebenstöckigen Wohnblocks der Klägerin, wobei sich der Balkon am Rande des Gebäudes befindet und die Antenne am Balkongeländer so angebracht ist, dass sie optisch das benachbarte niedrigere Gebäude überragt und dadurch eine sehr prominente Stellung einnimmt. Die weiße Parabolantenne sticht darüber hinaus vor den roten Wänden und dem Himmel besonders hervor.
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Hinsichtlich der Interessen der Beklagten und dem Grundrecht auf Informationsfreiheit aus Artikel 5 Abs. 1 GG ist dem Amtsgericht zwar darin Recht zu geben, dass den Beklagten ermöglicht werden muss, sich ausreichend und neutral über die Verhältnisse in Russland insgesamt und über ihre Heimatregion im Besonderen zu informieren. Angesichts des Inhalts der über Breitbandkabel empfangbaren Sender ist auch nachvollziehbar, dass ein solches Informationsbedürfnis durch diese Sender nur schwerlich befriedigt werden kann. Die Beklagten machen aber nicht geltend, dass und ggf. welche unzensierten Nachrichten sie über die Satellitenantenne empfangen könnten. Auf Nachfrage hat die Beklagte zu 2. zudem erklärt, sie sehe sich auf den über Satellit zu empfangenden Sendern Filme, Spielshows, Sport- und Tanzsendungen an. Ein Interesse an unzensierten und regionalen Nachrichten aus der Heimatregion ist damit bereits nicht dargetan. Es kommt jedoch nicht abstrakt auf die Interessen eines Mieters russischer Herkunft an, sondern konkret auf die Interessen der Beklagten. Darüber hinaus haben die Beklagten auch nicht dargetan, dass sie die gewünschten spezielleren Informationen nicht durch andere Medien als das Fernsehen erhalten könnten. Regelmäßig ist es nämlich einem aus dem Ausland stammenden Mieter zumutbar, die vorhandene Kabelanlage statt einer Satellitenempfangsanlage zu nutzen, wenn auf diese Weise Zugang zu Programmen in der Sprache des ausländischen Mieters besteht, und zwar selbst dann, wenn für den Bezug der Programmpakete mit weiteren ausländischen Programmen zusätzliche Kosten anfallen, solange diese nicht so hoch sind, dass sie nutzungswillige Interessenten davon abhalten könnten, das Programmpaket zu beziehen (BVerfG NJW-RR 2005, 661). Die Beklagten tragen hierzu vor, dass das zusätzliche Programmpaket für die Freischaltung 23,02 € erfordere sowie eine monatliche Gebühr von 12,00 €. Diese Kosten sind noch als angemessen anzusehen.
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Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes gewährleistet das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, zu diesen Quellen gehören auch aus dem Ausland stammende Fernsehsendungen. Wenn aber über das Breitbandkabel sechs Sender aus dem Heimatland eines ausländischen Mieters bzw. in dessen Heimatsprache erhältlich sind, bedarf es angesichts dessen, dass das Anbringen einer Satellitenempfangsanlage eine erhebliche optische Beeinträchtigung darstellt, eines besonderen Interesses an weitergehenden Informationen speziell durch Fernsehprogramme. Ein solches weitergehendes Interesse ist jedoch nicht ersichtlich, zumal den Beklagten möglich und zumutbar wäre, die gewünschten Informationen etwa über das Internet oder über Zeitungen zu erhalten.
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Das Eigentumsinteresse der Klägerin muss auch nicht deshalb hinter dem Informationsinteresse der Beklagten zurückstehen, weil angesichts der Bauweise und des Umfeldes eine Satellitenempfangsanlage hinzunehmen sei. Gerade wenn ein Gebäude architektonisch nicht den modernsten, ansprechendsten Zustand aufweist und darüber hinaus, wie die Beklagten vortragen, Mieter beherbergt, die etwa durch Verhängen der Fenster oder Dekorieren des Balkons eine ebenfalls optisch beeinträchtigende Nutzung vornehmen, liegt es im besonderen Interesse des Vermieters, zur Wahrung einer für sämtliche Mieter erträglichen Wohnsituation optischen Beeinträchtigungen Einhalt zu gebieten. Die Klägerin hat sich in weiteren Fällen ebenfalls dagegen gewehrt, dass ihre Mieter in dem Gebäude Breslauer Straße 17 in Plön Satellitenempfangsanlagen auf den Balkonen installieren. Die von den Beklagten mit der Berufungserwiderung vorgelegten Lichtbilder der Häuser in benachbarten Straßen (Bl. 108 - 110 d. A.) belegen darüber hinaus recht eindrucksvoll, zu welchen optischen Beeinträchtigungen eine Häufung von Satellitenempfangsanlagen führen kann. In diesem Zusammenhang spielt es im Übrigen keine Rolle, ob andere Eigentümer in umliegenden Mehrfamilienhäusern das Anbringen von Satellitenanlagen dulden. Das Verhalten anderer Vermieter kann nicht dazu führen, dass auch die Klägerin das Anbringen von Satellitenempfangsanlagen und damit eine Eigentumsbeeinträchtigung dulden müsste, obgleich sie dem allgemeinen Informationsbedürfnis der aus dem Ausland stammenden Mieter durch ein Breitbandkabelnetz hinreichend Rechnung trägt.
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Nach alledem haben die Beklagten die Satellitenempfangsanlage zu beseitigen.
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Der Klägerin steht darüber hinaus der geltend gemachte Betrag von 47,50 € für eine 0,65-Geschäftsgebühr zuzüglich Mehrwertsteuer zu. Diese Kosten sind als Kosten der angemessenen Rechtsverfolgung ersatzfähig, die Erforderlichkeit der vorgerichtlichen Einschaltung eines Rechtsanwalts ergibt sich aus dem vorgerichtlichen Schriftwechsel der Parteien (Anlagen K 2 bis K 4, Bl. 17 bis 22 d. A.). Die Höhe der geltend gemachten Kosten ist nicht zu beanstanden.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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Annotations
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Des Tatbestandes bedarf es nicht, wenn ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. In diesem Fall bedarf es auch keiner Entscheidungsgründe, wenn die Parteien auf sie verzichten oder wenn ihr wesentlicher Inhalt in das Protokoll aufgenommen worden ist.
(2) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestands und der Entscheidungsgründe nicht, wenn beide Parteien auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten. Ist das Urteil nur für eine Partei anfechtbar, so genügt es, wenn diese verzichtet.
(3) Der Verzicht nach Absatz 1 oder 2 kann bereits vor der Verkündung des Urteils erfolgen; er muss spätestens binnen einer Woche nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht erklärt sein.
(4) Die Absätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden im Fall der Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen oder wenn zu erwarten ist, dass das Urteil im Ausland geltend gemacht werden wird.
(5) Soll ein ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe hergestelltes Urteil im Ausland geltend gemacht werden, so gelten die Vorschriften über die Vervollständigung von Versäumnis- und Anerkenntnisurteilen entsprechend.
Setzt der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung des Vermieters fort, so kann dieser auf Unterlassung klagen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.