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| Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet. |
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| Durch die erste angegriffene Äußerung des Verfügungsbeklagten („In den Köpfen vieler in der baden-württembergischen CDU ...“ ) ist der Verfügungskläger nicht individuell betroffen und damit nicht anspruchsberechtigt, der zweiten („Wäre die Erde eine Scheibe ...“) ist - jedenfalls spätestens nach der Klarstellung des Verfügungsbeklagten mit Schriftsatz vom 31.05.2007 - kein ehrverletzender Inhalt beizumessen. Daher ist der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zurückzuweisen, weil es an einem Verfügungsanspruch fehlt. |
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| Gegen den Satz: „In den Köpfen vieler in der baden-württembergischen CDU befindet sich noch braune Soße“ kann sich der Verfügungskläger nicht wenden, weil ihm kein eigener Unterlassungsanspruch zusteht. Anspruchsberechtigt ist nur, wer durch die umstrittene Äußerung individuell betroffen ist. An dieser individuellen Betroffenheit fehlt es dem Verfügungskläger. Einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Zulässigkeit der betroffenen Äußerung im Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und Ehrschutz bedarf es daher nicht. |
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| 1. Zwar ist es für die Bejahung eines Unterlassungsanspruchs nicht erforderlich, dass der Anspruchsteller in der beanstandeten Äußerung namentlich genannt wurde, vielmehr reicht es aus, wenn eine nicht unbeträchtliche Anzahl unbefangener Leser diese mit einer bestimmten Person in Beziehung setzen wird (vgl. z.B. zum insoweit vergleichbaren Gegendarstellungsanspruch: Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 5. Aufl., Kap. 24 Rdn. 5 m.w.N.; MünchKomm/Schwertner, BGB, 3. Aufl., § 12 Rdn. 359). Im Streitfall ist nicht glaubhaft gemacht, dass die beanstandete Äußerung - sei es ausdrücklich oder auch nur aufgrund des Gesamtzusammenhangs der Rede auf der Kreisdelegiertenkonferenz - erkennbar auf den Verfügungskläger zu beziehen war. |
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| Nicht zwingend ergibt sich dies aus dem Umstand, dass die über „viele Mitglieder der baden-württembergischen CDU“ getane Äußerung in der selben Rede gefallen ist, in der der Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger namentlich genannt und direkt kritisiert hat. Der Verfügungsbeklagte selbst hat lediglich die sinngemäße Äußerung über einen Teil der CDU-Mitglieder als solche eingeräumt, die behauptete schlüssige Bezugnahme auf den Verfügungskläger aber ausdrücklich in Abrede gestellt und darauf verwiesen, die namentliche Nennung des Verfügungsbeklagten und die Kritik an seiner Person sei in ganz anderem Zusammenhang, nämlich verbunden mit der Aussage, dieser „fische am rechten Rand“ gefallen. |
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| Zur Unterrichtung über den Gesamtinhalt der Rede stehen lediglich drei Zeitungsartikel zur Verfügung, deren inhaltliche Richtigkeit zwar nicht in Zweifel gezogen werden soll, die die Äußerungen des Verfügungsbeklagten aber naturgemäß nur in geraffter Form wiedergeben und möglicherweise auch mit anderer Gewichtung und in anderer Reihenfolge. |
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| Allen Zeitungsartikeln ist zu entnehmen, dass der Verfügungsbeklagte in seiner Rede auf eine Reihe inhaltlich nicht zusammenhängender Punkte eingegangen ist. Neben den direkten Attacken gegen den Verfügungskläger und neben der Auseinandersetzung über das Verhalten des verstorbenen Ministerpräsidenten Filbinger in der NS-Zeit und der in diesem Zusammenhang geäußerten Kritik an der Einstellung „vieler CDU-Mitglieder“ kam der Verfügungsbeklagte offenbar auch auf Versäumnisse der Landesregierung in der Bildungspolitik, den Einsatz der SPD für einen gesetzlichen Mindestlohn, die drohende Klimakatastrophe und die Förderung des Mittelstands zu sprechen. |
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| In der „Pforzheimer Zeitung“ werden die beiden im Verfügungsverfahren interessierenden Äußerungen in keinen inhaltlichen Zusammenhang gebracht. Während hier die erste Äußerung über geistige Strömungen in der CDU in Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion über die Haltung des früheren Ministerpräsidenten Filbinger in der NS-Zeit, welche auf die Trauerrede des Ministerpräsidenten Günther Oettinger folgte, gestellt wurde, gingen die auf den Verfügungskläger bezogenen Äußerungen nach der Darstellung dieses Artikels in eine andere Richtung. Dort heißt es: Landtagsabgeordneter K. nahm den CDU-Abgeordneten aus Pforzheim aufs Korn: „`S. M. fischt am rechten Rand. Wäre die Erde eine Scheibe, würde M. über den Rand fallen, so weit rechts außen steht er schon.´ Im Fall des grünen Politikers F.-U. S. habe sich der Vorsitzende der CDU- Landtagsfraktion völlig daneben benommen, ...“. |
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| Richtig ist allerdings, dass die - jeweils vom selben Verfasser stammenden - weiteren Artikel im „Mühlacker Tagblatt“ und im „Enztäler“ beide Äußerungen mit einander verknüpft haben. So heißt es dort: „K. argwöhnte, in den Köpfen vieler in der baden-württembergischen CDU befinde sich noch „braune Soße“. Der Abgeordnete nahm dabei auch seinen Kollegen S. M. nicht aus, den er am rechtesten Rand stehend einstufte: „Wäre die Erde eine Scheibe, wäre M. schon ganz rechts von ihr abgestürzt““. Diese möglicherweise nur aus sprachlichen Gründen gewählte, flüssige Überleitung zwischen zwei Themenpunkten allein macht aber die Annahme des Verfügungsklägers nicht glaubhaft, der Verfügungsbeklagte habe ihn im Sinne einer „Insbesondere -Verknüpfung“ als typisches Beispiel für eine angeblich häufig anzutreffende Geisteshaltung der hiesigen CDU-Mitglieder angeführt. |
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| Nichts anderes ergibt sich daraus, dass zwei der drei vorgelegten Artikel die Hauptüberschrift trugen „K. wettert gegen M.“ bzw. „K. attackiert M.“. Auch dies vermochte dem durchschnittlichen Leser angesichts des vielfältigen Inhalts der nachfolgenden Artikel und der unterschiedlichen Angriffsrichtungen nicht den Eindruck zu vermitteln, sämtliche Kritikpunkte des Verfügungsbeklagten seien auf den Verfügungskläger zu beziehen. Selbst wenn aber dieser Eindruck entstanden sein sollte, wäre jedenfalls der Verfügungsbeklagte nicht für diese von dritter Seite vorgenommene Gewichtung seiner Äußerungen verantwortlich zu machen. |
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| Soweit der Verfügungskläger darauf verwiesen hat, er selbst habe sich an dem Meinungsaustausch über die Trauerrede für den früheren Ministerpräsidenten Filbinger beteiligt und sei schon deshalb von der beanstandeten Äußerung betroffen, ist damit die Erkennbarkeit der Bezugnahme aber nicht glaubhaft gemacht. Der Verfügungsbeklagte hat diesen Umstand in seiner Rede nicht erwähnt, er war ihm, wie sein Verfahrenbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vom 31.05.2007 anwaltlich versichert hat, seinerzeit nicht einmal bekannt. Dass der verständige Durchschnittshörer der Rede sich dessen bewusst gewesen wäre und deshalb die beanstandete Äußerung zwingend auch auf den Verfügungskläger bezogen hätte, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Es ist nicht einmal bekannt, wann die Stellungnahme des Verfügungsklägers veröffentlicht wurde und ob somit ein solcher Hergang in zeitlicher Hinsicht überhaupt möglich gewesen wäre. |
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| 2. Grundsätzlich kann mit der Verwendung einer Kollektivbezeichnung auch ein Angriff auf einzelne der fraglichen Gruppe angehörende Personen verbunden sein. Richtig ist, dass der Verfügungskläger der baden-württembergischen CDU angehört und dort die herausgehobene Funktion des Fraktionsvorsitzenden begleitet. Gleichwohl muss die abwertende Äußerung des Verfügungsbeklagten nicht auf ihn gemünzt gewesen sein. |
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| Ob ein Einzelner individuell betroffen ist, wenn der Angriff unter einer Kollektivbezeichnung erfolgt, ist sorgfältig abzuwägen und nach richtiger Rechtsauffassung einschränkend zu verstehen (vgl. dazu z.B. Staudinger/Hager, BGB, 1999, § 823 C 21 ff, 24 m.w.N.; MünchKomm/Schwerdtner, BGB, 3. Aufl., § 12 Rdn. 192; siehe auch zur Zusammenstellung des aktuellen Meinungsstands: OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.04.2007 - 14 U 11/07). Je größer sich eine Gruppe darstellt, desto weniger kann eine Äußerung in dem Sinne verstanden werden, dass sie jedes einzelne Gruppenmitglied treffen soll (vgl. dazu auch BVerfGE 93, 266, 301 und BVerfG NJW 2006, 3769, 3771). Es handelt sich stets um ein Durchschnittsurteil, bei dem die individuelle Ausnahme zumindest konkludent mit erklärt wird, so dass ein Bezug zu einer konkreten Person in der Regel gerade nicht mehr zu erkennen ist. Dies wird im Streitfall besonders deutlich, wo sich die Äußerung des Verfügungsbeklagten schon nach ihrem Wortlaut nur auf viele und gerade nicht auf alle CDU-Mitglieder in Baden-Württemberg bezogen hat. Dies lässt schon sprachlich die Möglichkeit offen, dass der Verfügungskläger gerade nicht gemeint war. Zwar kann es bei kleineren Gruppen auch ausreichen, wenn der Täter zwar nicht alle Mitglieder angreift, aber offen lässt, wer gemeint gewesen sei. Dies setzt aber eine zahlenmäßige Überschaubarkeit der Gruppe voraus, die bei der baden-württembergischen CDU nicht mehr gegeben ist (vgl. Staudinger, a.a.O., Rdn. 24; MünchKomm, a.aO.). So hat beispielsweise das Kammergericht Berlin in einem ähnlichen Fall entschieden, dass dann, wenn an einem Gericht mehr als 200 Richter tätig sind, die Verunglimpfung einer nicht genannten Zahl unter ihnen nicht geeignet ist, jeden dieser Richter zu verletzen (KG JR 1978, 422 f). |
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| Der Verfügungskläger hat sich für seine gegenteilige Auffassung auf die Soldatenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 93, 266 ff) berufen und dabei als Argument für die uneingeschränkte Übertragbarkeit dieser Entscheidung angeführt, dass wie die dort betroffenen aktiven Soldaten der Bundeswehr auch die Mitglieder der CDU in Baden-Württemberg in Ansehung der Parteisatzung „in ein Kollektiv objektiv eingebunden“ seien. Insofern unterscheide sich der Streitfall hinsichtlich der individuellen Betroffenheit von den lediglich im Rahmen einer konkreten, freiwilligen Protestaktion verbundenen Ärzten, um deren Betroffenheit es in der zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe gegangen sei. Ob und inwieweit strafrechtliche Entscheidungsgrundsätze im Rahmen zivilrechtlicher Unterlassungsklagen herangezogen werden können, ist umstritten (vgl. z.B. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Hdb. des Äußerungsrechts, 4. Aufl., Rdn. 12.44). Selbst wenn man aber die Grundsätze der verfassungsgerichtlichen Entscheidung im Streitfall anwendete, käme man nicht zu einer persönlichen Betroffenheit. Die Äußerung des Verfügungsbeklagten bezog sich gerade nicht auf ein satzungsgemäßes Verhalten der Parteimitglieder, sondern auf deren angebliche innerste, durch keine Parteisatzung zu reglementierende Überzeugung. Soweit es um die freie Willens- und Gewissensbildung der Parteimitglieder geht, liegt das geforderte „Eingebundensein“ bei CDU-Mitgliedern nicht vor. |
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| Dass ein einzelnes Parteimitglied durch eine Kritik an seiner Partei grundsätzlich (anders für einen Sonderfall im Wahlkampf OLG Karlsruhe AfP 1981, 363) nicht persönlich betroffen ist, hat schon das Oberlandesgericht Hamburg in der vom Verfügungsbeklagten zitierten Entscheidung AfP 1977,47 f entschieden. |
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| 3. Nicht verkannt wird, dass auch Parteien Persönlichkeitsschutz genießen können (vgl. z.B. OLG München NJW 1996, 2515; Staudinger, a.a.O., § 823 C 28). Im vorliegenden Verfügungsverfahren ist der Verfügungskläger aber aus eigenem Recht und nicht für die baden-württembergische CDU vorgegangen. Deshalb bedarf es keiner Auseinandersetzung damit, ob die umstrittenen Äußerung inhaltlich zulässig war. |
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| Hinsichtlich der mit dem Antrag zu 2 angegriffenen Äußerung (Wäre die Erde eine Scheibe ...) ist ein Verfügungsanspruch jedenfalls nach der Klarstellung des Verfügungsbeklagten im Schriftsatz vom 31.05.2007 nicht gegeben. |
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| Der Verfügungskläger sieht das betroffene Werturteil deswegen als unzulässig an, weil er annimmt, er sei damit in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt worden und weil dies als sogenannte Schmähkritik, die nicht mehr auf eine Auseinandersetzung in der Sache, sondern nur noch auf die Herabsetzung der Person ziele, auch nicht von der allgemeinen Meinungsfreiheit gedeckt sei. |
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| Richtig ist daran, dass es grundsätzlich die Grenzen des Zulässigen überschreiten dürfte, wenn eine Person, deren Biographie dazu keinen Anlass gibt, beispielsweise durch die Bezeichnung als „Nazi“ mit dem Nationalsozialismus und dessen Unrechtstaten in Verbindung gebracht wird (vgl. z.B. OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 1050). Hier ist aber bereits äußerst zweifelhaft, ob die Äußerungen des Verfügungsbeklagten überhaupt in diesem Sinne verstanden werden konnten. |
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| Näher liegt nach dem Gesamtzusammenhang der Rede, soweit er dem Gericht bekannt geworden ist, dass der verständige Durchschnittshörer den Eindruck erlangt hat, der Verfügungskläger solle ins äußerste rechte Spektrum der hiesigen CDU gerückt werden, nachdem ein unmittelbarer Zusammenhang der Äußerung mit der Befassung des Verfügungsbeklagten mit der Vergangenheit des früheren Ministerpräsidenten Filbinger von ihm bestritten und vom Verfügungskläger nicht glaubhaft gemacht ist. Der Meinung des Verfügungsklägers, der verständige Durchschnittshörer werde die scherzhafte Metapher von der Erde als Scheibe in dem Sinne fortschreiben, dass er das Bild von der Scheibe mit dem „Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ gleichsetze, den der Verfügungskläger demnach schon verlassen habe, neigt die Kammer nicht zu, sondern hält sie für eher fernliegend. Dies braucht aber nicht abschließend entschieden zu werden. |
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| Sollte entgegen der vorstehend vertretenen Rechtsmeinung die Äußerung des Verfügungsbeklagten als mehrdeutig im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. dazu BVerfG NJW 2006, 207 ff, 208 - IM-Sekretär und BVerfG NJW 2006, 3769 ff, 3773 - „Babycaust“, jeweils m.w.N.) anzusehen sein, so hätte der Verfügungsbeklagte den Anforderungen, die nach den beiden vorstehend zitierten verfassungsgerichtlichen Entscheidungen dann an ihn zu stellen wären, mit seiner schriftsätzlichen Erklärung vom 31.05.2007 Genüge getan. Dort hat der Verfügungsbeklagte u.a. ausführen lassen: |
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| „... Der Verfügungsbeklagte hat damit dem Verfügungskläger keinesfalls den Vorwurf unterbreiten wollen, nicht mehr auf dem Boden der demokratischen Grundordnung zu stehen. Er hat damit nicht zum Ausdruck bringen wollen und will damit auch nicht zum Ausdruck bringen, bei dem Verfügungskläger handele es sich um einen Rechtsextremisten oder eine Person mit nationalsozialistischem Gedankengut.“ |
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| Der Verfügungsbeklagte hat damit die vom Verfassungsgericht im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Unterlassung einer mehrdeutigen Meinungsäußerung für nötig gehaltene Bereitschaft zu erkennen gegeben, seiner Aussage eindeutig nur einen zulässigen Inhalt geben zu wollen. Deshalb ist ein etwaiger Unterlassungsanspruch spätestens aufgrund der klarstellenden Äußerungen des Verfügungsbeklagten entfallen. |
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| Soweit damit nur der vom Verfügungsbeklagten gewollte Inhalt zur Beurteilung verbleibt, es also lediglich noch um den Vorwurf des „Rechtspopulismus“ bzw. einer extrem rechtskonservativen Haltung geht, ist die - in dieser Deutung auch vom Verfügungskläger selbst nicht beanstandete - Äußerung zweifelsfrei vom Grundrecht der Meinungsäußerung gedeckt. Sie ist als erkennbar vom politischen Gegner stammende, pointierte Erklärung nicht geeignet, den sozialen Geltungsanspruch des Verfügungsklägers in unzulässiger Weise zu beeinträchtigen. |
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