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Die zulässige Klage ist in der Sache nicht begründet.
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Die Klägerin hat keinen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte, weder einen vertraglichen aufgrund der den Share-Spielen zugrunde liegenden Regeln/Vereinbarungen (einschließlich etwaiger Darlehensrückzahlungsansprüche), noch aus ungerechtfertigter Bereicherung.
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1. Bei dem Share handelt es sich um ein Spiel im Sinne von § 762 BGB, durch welches eine Verbindlichkeit nicht begründet wird.
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a) Ein solches Spiel im Rechtssinne liegt vor, wenn Zweck der Veranstaltung Unterhaltung und/oder Gewinn ist und ein ernsthafter sittlicher oder wirtschaftlicher Geschäftszweck fehlt. Der spekulative oder gewagte Charakter macht ein Rechtsgeschäft noch nicht zu einem Spiel, sofern die Parteien darüber hinaus wirtschaftliche oder sonstige anerkennenswerte Zwecke verfolgen (Palandt, BGB, 65. Aufl., § 762 Rdn. 2, 4). Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, Hintergrund des in Thailand auf eine große Tradition zurückblickenden Share sei es, ärmeren Bevölkerungskreisen größere Geldsummen in darlehensähnlicher Form zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte hat auf Frage des Gerichts eingeräumt, sie habe sich durch die Teilnahme am Share von ihren Spielschulden, die sie aus Kartenspielen besessen habe, befreien wollen. Unterstellt man diesen insoweit unstreitigen Vortrag der Beklagten, hat sie mit ihrer Teilnahme jedenfalls nicht nur Unterhaltung erstrebt. Allerdings kommt es durchaus vor, dass verschuldete Personen sich etwa in eine Spielbank begeben, um dort das Geld zu gewinnen, das sie zur Rückzahlung ihrer Schulden benötigen. Das Spiel in der Spielbank wird dadurch nicht zum Kreditgeschäft. Dabei kommt es regelmäßig zu irrationalen Vorstellungen über die effektiven Gewinnchancen, die bei entsprechenden Personenkreisen aber deswegen um so näher liegen, als sie keine andere Möglichkeit mehr sehen, die aufgelaufenen Schulden zu tilgen. In ähnlicher Situation war hier offensichtlich die Beklagte, die an die Klägerin oder eine dritte Person aufgrund von Spielschulden monatliche Zinsen von 10% zu bezahlen hatte, was weder ihr noch ihrem Ehemann (Taxifahrer) möglich war. Da ihr auch keine banküblichen Sicherheiten zur Verfügung standen, hat sie sich - gegebenenfalls auf Anregung der Klägerin - an den von dieser veranstalteten Share-Runden beteiligt. Damit hat sie die Hoffnung bzw. das Motiv verbunden, letztlich von ihren Schulden loszukommen. Dieses Motiv, das weitere Teilnehmerinnen des Share in ähnlicher Form gehabt haben mögen, macht das Share als solches noch nicht zu einer besonderen Art eines Darlehensgeschäfts. Insoweit kann es nicht nur auf die subjektiven Ziele der Teilnehmerinnen ankommen, sondern auch und insbesondere darauf, was die Veranstalterin bezweckt und welche Regeln objektiv obwalten. Dann nämlich fällt auf, dass die Veranstalterin für sich (was die Klägerin hier auch offen zugegeben hat) ein zinsloses Darlehen erstrebt und im Übrigen (auch insoweit sprach die Klägerin in der Güteverhandlung offen) bewusst in Kauf genommen hat, dass einige der Teilnehmerinnen Darlehen mit „sehr hohen“, vulgo: wucherischen Zinsen erhalten, andere Teilnehmerinnen hingegen günstig an größere Geldmittel gelangen würden. Die Geschicklichkeit und Intelligenz der Teilnehmerinnen einerseits und der Zufall (nämlich insbesondere das Zusammenspiel der in der jeweiligen Runde verdeckt abgegebenen Gebote) andererseits wirken bei dem Share in der typischen Weise eines Spiels zusammen.
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Soweit die Parteien die Darstellung in einem von der Klägerin aus dem Internet ausgedruckten Artikel (siehe Anlagenheft der Klägerin) unstreitig gestellt haben, bezog sich dies ausdrücklich nicht auf die Würdigung/Einordnung, die der dortige Autor vorgenommen hat. Er bezeichnet Share gerade nicht als Spiel, sondern als privates Kreditgeschäft, schildert dabei aber auch, dass List und Glück in aller Regel dazu führen, dass manche Spieler viel Geld erhalten, andere viel Geld verlieren. Die Regeln des Share sind somit in einer Weise untypisch für Darlehensgeschäfte, dass eine Anwendung von Darlehensregeln oder ähnlicher, ggf. atypischer Vertragskonstruktionen ausscheiden muss.
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b) Rechtsfolge ist, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erfüllung hat.
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2. Wollte man diesbezüglich anderer Ansicht sein und davon ausgehen, dass das Share kein Spiel im Sinne von § 762 BGB darstellt, wäre die Klage jedenfalls deswegen unbegründet, weil aufgrund von Sittenwidrigkeit der Abmachungen, die dem Share zugrunde liegen, keine wirksame Forderung der Klägerin entstehen konnte, und zwar weder vertraglich (§ 138 Abs. 1 BGB), noch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB). Letzteres ergibt sich aus § 817 Satz 2 BGB, da der Klägerin als Leistender ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last fällt.
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Dabei geht das Gericht davon aus, dass der Vermögensvorteil, der für die Beklagte in dem Erhalt des „Topfes“ lag - und sei es auch nur durch Verrechnung mit eventuellen Schulden - endgültig in deren Vermögen übergegangen ist und die Klägerin durch die Veranstaltung, deren Regeln durch die jeweilige Auszahlung/Leistung zur Anwendung gelangen, gegen § 138 BGB verstoßen hat.
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a) Die Regeln des Share sind sittenwidrig. Dabei verkennt das Gericht zunächst nicht, dass bei dem Share, das offensichtlich unter Thais in Thailand sowie im Exil in großem Umfang gespielt wird, nicht allein auf die in der deutschen Rechts- und Moralordnung vorherrschenden Werte und Prinzipien, sondern auch auf die in der beteiligten Gruppe von Thais anerkannten moralischen Anschauungen abzustellen ist (vgl. Palandt, a.a.O., § 138 Rdn. 2 m.w.N.). Unmittelbar anwendbar auf das Share ist weder die Rechtsprechung zu Schneeballsystemen (vgl. BGH NJW 1997, 2314, 2315), da es sich hier nicht um ein solches System handelt, noch die Rechtsprechung des BGH, wonach Darlehen zu Spielzwecken sittenwidrig sind, wenn der Darlehensgeber daraus Gewinn ziehen will und es sich nicht um einen unbedeutenden Betrag handelt (hierzu BGH WM 1991, 1947). Zu letzterer Fallgruppe konnten jedenfalls hier keine sicheren Feststellungen getroffen werden. Die Beklagte selbst gibt an, die von ihr behauptete Verrechnung habe mit Spielschulden stattgefunden, die sie aus
anderen
Spielen mitgebracht habe.
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Hingegen ist das Share deswegen sittenwidrig, weil für die durchschnittlichen Teilnehmer - oft Frauen eher unterer sozialer Schichten ohne vertiefte Ausbildung - die Chancen und - erheblichen, geradezu existenzgefährdenden - Risiken kaum durchschaubar sind. Eigenart des Share ist es, dass es sich aus mathematischen Gründen stets empfiehlt, so spät wie möglich das Höchstgebot abzugeben bzw. sogar bis zur letzten Runde zu warten, in der man überhaupt kein Gebot mehr abgeben muss, weil alle anderen Teilnehmer den Topf bereits einmal erhalten haben und deswegen davon ausgeschlossen sind, in dieser Runde mitzubieten. Bringt ein Teilnehmer nämlich diese Geduld mit, so zahlt er während des gesamten Share lediglich den Sockelbetrag (hier EUR 300,00) und erhält dafür einen Topf, der über diesen Sockelbetrag hinaus die von allen anderen Teilnehmern gezahlten Zinsen enthält. Umgekehrt fährt grundsätzlich derjenige Teilnehmer schlecht, der in einer frühen Runde den Topf erhält, vor allem wenn er dafür in Konkurrenz mit anderen Teilnehmern ein relativ hohes Gebot abgeben musste, wie es im Fall der Beklagten in beiden Share-Spielen der Fall war. Ein solcher Teilnehmer erhält nämlich über den Grundbestand des Topfes hinaus lediglich einen geringen Zinsbetrag, muss dafür aber für eine große Zahl von verbleibenden Runden sein eigenes Gebot über den Grundbetrag hinaus als „Zinsen“ zahlen. Hieraus ergeben sich erhebliche, teilweise extreme Zinssätze. So wäre es im vorliegenden Fall so gewesen, dass die Beklagte bei dem von April 2004 bis Januar 2006 dauernden Spiel 7.437,00 EUR erhalten hat oder hätte, dafür jedoch vier Runden à EUR 300,00 + 18 Runden á EUR 586,00 einzuzahlen gehabt hätte, woraus sich eine Gesamtzahlung von EUR 11.748,00 ergäbe; diese Zahlen haben die Parteien unstreitig gestellt. Daraus errechnet sich ein Zinssatz über 22 Monate von 63,3%, somit ein Jahreszinssatz von über 30%. Dieser Zinssatz liegt so weit über banküblichen Zinssätzen - selbst unter Berücksichtigung der fehlenden Sicherheiten der Beklagten -, dass der Wuchertatbestand bzw. § 138 Abs. 2 BGB erfüllt ist.
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Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte zwar die Regeln kannte, was sie selbst zugegeben hat, die Konsequenzen ihres Handelns jedoch nicht durchschaute, weil sie sonst nie in einer frühen Runde hätte bieten dürfen. Betrachtet man jedoch die ihr möglichen alternativen Verhaltensweisen, tritt der sittenwidrige Charakter des Share in den Vordergrund. Wollte sich die Beklagte nämlich von ihren erheblichen Spielschulden und den hierfür zu zahlenden hohen Zinsen von 10% pro Monat befreien, blieb ihr nichts anderes übrig, als den Share-Topf baldmöglichst zu erhalten. Das Kapital, sich während mehr als 20 Monaten durch Einzahlung von jeweils 300,00 EUR an den Share zu beteiligen, um dann später einen erheblichen Gewinn zu machen, hätte sie gar nicht gehabt; deswegen spielte sie ja mit. Der Klägerin waren diese Umstände durchaus bewusst, was sie letztlich in der Güteverhandlung auch zugegeben hat. Auf Frage des Gerichts erklärte sie auch (insoweit nicht zu Protokoll gelangt), dass es nach ihrer Kenntnis nie vorgekommen sei, dass in einer Runde kein Teilnehmer geboten hätte. Offensichtlich gibt es also jederzeit genug Teilnehmer, die in Verkennung der Konsequenzen ihres Tuns nur mit der Aussicht auf schnelles Geld frühzeitig Gebote abgeben. Vor diesem Hintergrund ist es kein Zufall, dass beide von der Klägerin veranstalteten Share-Spiele Ausfälle dahingehend zu verzeichnen haben, dass in einem Fall drei, im anderen Fall zwei Teilnehmerinnen vorzeitig ausgestiegen sind und die ihr eigentlich obliegenden Zahlungen nicht mehr erbracht haben.
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Wie eine Vergleichsrechnung ergibt, wäre ein akzeptabler Zinssatz für eine Teilnehmerin, die in einer frühen Spielrunde den Topf erhält, nur dann erzielbar, wenn sie dies mit dem Mindestgebot von 50,00 EUR oder knapp darüber erreicht. Dann ergeben sich Zinssätze auf die Gesamtlaufzeit von 15% oder etwas mehr. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass der Topf auch und gerade in den frühen Spielrunden mit dem Mindestgebot oder knapp darüber zu erhalten ist. Auch die Teilnehmerinnen der beiden streitgegenständlichen Spiele hatten diese Erwartung nicht. Aus diesem Grund boten sie in den ersten Runden Beträge zwischen 135,00 und 286,00 EUR, wobei die Beklagte sich hier in der Höhe der Gebote besonders hervortat. Dabei mag mitspielen, was in dem erwähnten Internet-Artikel als „List“ geschildert wird: Danach produziert Teilnehmerin X gezielt Gerüchte, aufgrund deren andere Spielerinnen davon ausgehen, dass X in einer der kommenden Runden den Topf ersteigern möchte. Die anderen Spielerinnen versuchen dann die Höhe des Gebots von X zu antizipieren und bieten mehr, sofern es ihrem aktuellen Bedürfnis entspricht, in den Genuss des Topfes zu kommen. Eine solche List bietet sich insbesondere für Teilnehmerinnen an, die genügend Kapital besitzen, um bis zu einer der letzten Runden mit ihrem Gebot zu warten. Dies bedeutet aber letztlich nichts anderes, als dass beim Share solche Teilnehmerinnen profitieren, die aktuell kein Geld nötig haben, während diejenigen verlieren, die kurzfristig auf Geld angewiesen sind. Wer bereit ist, ein über ein bis zwei Jahre laufendes Spiel in der Weise mitzuspielen, dass er die ganze Zeit über den Sockelbetrag einzahlt, ohne in den Genuss des Topfes zu kommen, benötigt eine gewisse „Kaltblütigkeit“ sowie ein Finanzpolster, das bei vielen anderen Teilnehmerinnen nicht vorausgesetzt werden kann, weswegen sie sich ja gerade an dem Share beteiligen: um nämlich Geld zu bekommen.
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Zusammenfassend ergibt sich die Sittenwidrigkeit des Share daraus, dass in von vornherein zu erwartender Weise gerade die Ärmeren und weniger Gebildeten verlieren und die Reicheren und Gebildeteren gewinnen werden, und zwar in einem Ausmaß von Ungleichheit, das mit den Wertvorstellungen jedenfalls der hiesigen Gesellschaft, aber auch mit denjenigen, die das Gericht für Thailand unterstellen muss, in keiner Weise vereinbar ist.
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b) Über die Sittenwidrigkeit entscheidet der Gesamtcharakter des Rechtsgeschäfts. Dabei kommt es nicht nur auf den objektiven Gehalt des Geschäfts an, zu dem ausführlich Stellung genommen wurde, sondern auch die Absichten und Motive der Parteien (BGH NJW-RR 1998, 590). Der Handelnde muss nicht im Bewusstsein der Sittenwidrigkeit, wohl aber hinsichtlich derjenigen Tatsachen sein, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt (BGH NJW 1993, 1588; 2005, 2991). Wie oben bereits erwähnt, war sich die Klägerin nach ihren eigenen Angaben der Regeln und Eigenarten des Share durchaus bewusst. Sie bediente sich seiner, um selbst ein zinsloses Darlehen zu erhalten. Für sich genommen ist dieses Motiv nicht anstößig. Die Klägerin, die auf das Gericht einen intelligenten Eindruck machte, hat jedoch auch durchschaut, dass einige Teilnehmerinnen des Spiels stets die Verlierer, andere die Gewinner sein würden. Wäre ihr dies nicht zu Bewusstsein gelangt, so hätte sie hiervor jedenfalls mutwillig die Augen verschlossen.
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Da der Sittenverstoß im Verhalten der Klägerin gegenüber der Beklagten besteht, genügt es, dass die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit nur bei ihr bejaht werden kann (vgl. RGZ 120, 149; BGHZ 50, 70). Kennzeichnend für das Share ist es gerade, dass zumindest einige der Teilnehmerinnen im guten Glauben sind, in seriöser Weise in den Genuss eines größeren Geldbetrages zu gelangen. Obwohl die Berechnung des Geldbetrages, den sie letztlich in Form von Zinsen für ihren Kredit aufwenden müssen, nicht allzu schwierig ist, so übersteigt er doch offensichtlich den Horizont mancher Teilnehmerinnen wie hier der Beklagten. Dies mag auch mit der relativ langen Zeit zusammenhängen, die ein Share üblicherweise in Anspruch nimmt.
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c) Die Anwendung von § 817 Satz 2 BGB, der hier einer Rückforderung nach § 812 BGB entgegensteht, wird allerdings von der Rechtsprechung im Hinblick auf den Zweck des Verbotsgesetzes in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben in verschiedenen Fällen eingeschränkt (BGHZ 111, 308, 312 f.; 118, 142, 150; BGH, Urteil vom 10.11.2005, III ZR 73/05, zitiert nach JURIS, Rdz. 11). Im vorliegenden Fall muss jedoch § 817 Satz 2 BGB nicht einschränkend ausgelegt werden. Zweck des Sittenwidrigkeits-Verdikts ist es gerade, die Veranstaltung von Share-Spielen zu verbieten, durch welche einige Teilnehmerinnen in den finanziellen Ruin gestürzt werden. Das Verbot richtet sich also gegen die Veranstalter, nicht die teilweise unwissenden Teilnehmer. Ob die Teilnehmer die von ihnen geleisteten Einlagen zurückfordern können, braucht hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls versagt die Rechtsordnung den Veranstaltern des Share, die durch den sittenwidrigen Charakter entstandenen „Forderungen“ hernach bei den Teilnehmern einzuziehen. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Veranstalterin gegenüber den Teilnehmerinnen ähnlich einer Bürgin für den Ausfall anderer Teilnehmerinnen haftet.
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Soweit die Klägerin das vorzitierte Urteil des BGH vom 10.11.2005 für ihre Position anführt, geht dies schon deswegen fehl, weil der dortige Kläger lediglich
Teilnehmer
an einem Schenkkreis (Schneeballsystem) war und seinen Anspruch gegen einen solchen Mitspieler richtete, der in die Runde der sogenannten Empfänger/Beschenkten aufgestiegen war. Im vorliegenden Fall ist die Konstellation sozusagen umgekehrt.
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