Landgericht Hamburg Urteil, 17. Juli 2015 - 412 HKO 117/14

bei uns veröffentlicht am17.07.2015

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig gegen Sicherheitsleistung von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist ein Transportunternehmen. Die Beklagte gehört zu den führenden deutschen Unternehmen für Transportlogistik und nahm bereits seit 2003 Transportleistungen der Klägerin in Anspruch. Mit Rahmenvertrag vom 9.9. / 10.9.2008 (Anlage K 1) vereinbarten die Parteien eine umfangreiche Zusammenarbeit, die vorsah, dass täglich teilweise bis zu 300 Fahrzeuge der Beklagten für durch die Klägerin gebuchte Transporte vorgehalten werden sollten. Die Anzahl der jeweils vorzuhaltenden Fahrzeuge war für verschiedene Zeitabschnitte unterschiedlich geregelt. Die Leistung der Klägerin sollte in dem Transport von Wechselbrücken bestehen. Die Vergütung der Klägerin war in Ziffer 3 des Rahmenvertrages in Verbindung mit den Anlagen 3 bis 5 zum Rahmenvertrag geregelt. Danach setzte sich die zahlende Vergütung aus mehreren Komponenten zusammen. Dazu gehörten als Grundvergütung der „H.-Tarif“, der für den Transport von Wechselbrücken mit unterschiedlichen Sätzen für den Transport von „1 WAB“ oder „2 WAB“, (Anlage 3), eine nach der Anzahl der Entfernungskilometer bemessene Vergütung vorsah, eine Anpassungsregelung in Bezug auf veränderte Kraftstoffklauseln sowie eine nach Mautkilometer berechnete Mautvergütung. Ferner wird unter Ziffer 3. eine Verwaltungsgebühr von € 5,50 / Tour vereinbart, welche die Klägerin für die Anbindung an die zentrale Disposition der Beklagten zahlen soll (Systemgebühr). In Anlage 1 des Vertrages wurde unter anderem geregelt, dass die Klägerin pro Tour 30 km unvergütet zu leisten habe. In Anlage 4 des Vertrages wurde eine Bonus-Malus-Regelung vereinbart, nach welcher nach einem bestimmten System für Abweichungen vom zugrunde gelegten Qualitätsstandard, insbesondere der pünktlichen Auslieferung, Zu und Abschläge vereinbart wurden.

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In Anlage 5 finden sich folgende „Sonstige Vergütungsregelungen“

3

„1. Ausfallfracht

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R. ist verpflichtet, täglich bis 12.00 Uhr alle bis dahin nicht befrachteten Fahrzeuge schriftlich unter Angabe von Kennzeichen und Standort in der Disposition der H. anzumelden. Diese Anmeldung ist Voraussetzung für die Erstattung von Ausfallfracht von H. an R..

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Sofern H. keine Transportaufträge für die insoweit von R. gemeldeten Fahrzeuge erteilt hat, schuldet H. eine pauschalierte Ausfallfracht an R. in Höhe von € 300,0 pro Tag.

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2. Auftragsablehnung

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R. ist verpflichtet alle Aufträge, die ihm durch H. erteilt werden anzunehmen, sofern das Auftragsvolumen die vereinbarte Fahrzeugkapazität nicht überschreitet. Insoweit kann R. eine Beauftragung nur ablehnen, wenn deren Durchführung nachweislich objektiv oder wirtschaftlich für den R. unmöglich ist. In allen anderen Fällen erhebt H. pro abgelehnte Tour eine Pönale in Höhe von € 1.000,-.

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Die Wirtschaftlichkeit eines jeden Transportauftrag gilt als gegeben, solange für die Summe aller Transportaufträge die Produktivitätszusagen gemäß Anlage 1 eingehalten werden. Vor Rechnungslegung erfolgt eine Abstimmung zwischen den Partnern.

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3. Nichtgestellung

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Sofern R. nicht die vereinbarte Anzahl Fahrzeuge für die Befrachtung durch H. zur Verfügung stellt, verpflichtet sich R. zur Erstattung einer Ausfallpauschale an H. in Höhe von € 300,- pro Tag.

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4. Nichtdurchführung von Aufträgen

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Die unterlassene Durchführung eines Einzelauftrags nach vorheriger Transportzusage durch R. hat eine Vertragsstrafe in Höhe von € 500,00 pro nicht durchgeführten Einzelauftrag (pro WAB) zur Folge. Weitere Ersatzansprüche bleiben insoweit vorbehalten.

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Unter Ziffer 3. Vergütung heißt es im Hauptteil des Vertrages:

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3.3. Basis der Gutschriften sind die Leistungsübersichten, die R. vorab jeweils innerhalb von 2 Werktagen nach Leistungserbringung erhält und unverzüglich zu prüfen, ggf. zu rügen hat.

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Verspätete Rügen werden nicht berücksichtigt. Davon unberührt bleiben solche Gründe, die bei der Prüfung der Leistungsübersichten nicht erkennbar waren. Diese berechtigen R., innerhalb von 14 Tagen nach Gutschrifterteilung und unter Angabe dieser Gründe erneut zur Rüge.

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Ferner ist im Hauptteil des Vertrages unter Ziffer 7. „Sonstige Bestimmungen“ geregelt:

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7.1. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages, einschließlich dieser Klausel, bedürfen der Schriftform.
...

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7.4. Jeder Partner kann lediglich mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung gegen eine Forderung des jeweils anderen Partners aufrechnen, es sei denn, in vorliegendem Vertrag ist etwas Abweichendes vereinbart. Ansonsten ist jede Aufrechnung ausgeschlossen.“

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Im Jahr 2011 korrespondierten die Parteien über verschiedene streitige Punkte, unter anderem über die Frage, unter welchen Voraussetzungen durch die Beklagte „Ausfallfrachten“ zu zahlen seien, Mit Schreiben vom 11.3.2011 (Anlage K 13) wies die Beklagte die Auffassung der Klägerin zurück, dass Ausfallfrachten auch dann fällig würden, wenn die bis 12.00 gemeldeten freien Fahrzeuge der Klägerin anschließend durch die Beklagte befrachtet würden.

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Nach einer krisenhaften Zuspitzung der Meinungsverschiedenheiten, in deren Verlauf die Klägerin ihre Transporte für die Beklagte einstellte und die fristlose Kündigung des Vertrages erklärte, diese jedoch auf Drängen der Beklagten wieder zurücknahm, verhandelten die Parteien über eine Änderung der Vergütungsregelung. Die Arbeitseinstellung der Klägerin hatten die Parteien dadurch beigelegt, dass die Beklagte der Klägerin zwei Millionen Euro zuwenden würde, und zwar € 950.000,00 als pauschale Mehrvergütung für geleistete Transporte, den Rest über eine Mehrvergütung, die für einen befristeten Zeitraum vom 1.6. bis 31.12.2011 zu zahlen sei. Mit Schreiben vom 19.5.2011 (Anlage zum Protokoll vom 1.6.2015, Blatt 161 der Akten), das von der Klägerin gegengezeichnet wurde, führte die Beklagte Einzelheiten der dazu getroffenen Vereinbarung aus. In dieser Vereinbarung verzichteten Parteien auf „jedwede weitergehende Forderung zur bisherigen Zusammenarbeit“ (Ziffer. 1 Abs. 2), was insbesondere Forderungen der Klägerin auf Ausfallfracht aber auch Gegenforderungen der Beklagten aufgrund der Leistungsverweigerung der Klägerin betreffen sollte. Die Parteien hielten die Absicht fest, die Zusammenarbeit mit angepassten Konditionen fortzuführen, wozu sie bis zum 30.6.2011 eine schriftliche Vereinbarung treffen wollten, und verständigten sich darauf, die Zusammenarbeit bis dahin zu den ursprünglichen Bedingungen des Frachtvertrages fortzusetzen.

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Der Gesellschafter und kaufmännische Leiter der Klägerin, der Zeuge M. D., fertigte über diese Vereinbarung zudem ein Gedächtnisprotokoll (Anlage K 12), welches die Beklagte laut ihrem Schreiben vom 1.8.2011 (Anlage zum Protokoll vom 1.6.2015, Blatt 157 der Akten) am 27.7.2011 erhielt und in dem sie das Gedächtnisprotokoll dahingehend korrigierte, dass die Parteien eine grundsätzlich veränderte Systematik der Tourenauslastung besprochen hätten, die im Ergebnis dem Differenzbetrag zwischen € 950.000,00 und € 2.000.000,00 entspräche. Es sei beabsichtigt, einen neuen Systempartnervertrag zeitnah zum Abschluss zu bringen.

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In ihren Abrechnungen nach dem 16.5.2011 erhöhte die Beklagte die Grundvergütung, reduzierte die Diesel- und Mautzuschläge und leistete ein Einmalzahlung. Ferner verständigten sich die Parteien auf eine Reduzierung der Fahrzeugflotte. In der Folgezeit, auch nach dem 31.12..2011, blieb die Beklagte bei der erhöhten Frachtzahlung und der Reduktion der Maut- und Dieselzuschläge. Auch wurde durch die Beklagte keine Systemgebühr mehr berechnet. Ihren bestrittenen Behauptungen nach senkte die Beklagte ab dem 1.1.2012 auch die Zahl der unvergüteten Kilometer pro Tour von 30 auf 18 und rechnete 93,6% der Transporte zum höheren Zwei-Wechsel-Brücken-Tarif ab, obwohl die Voraussetzungen dafür nur bei 88,51% der Touren vorgelegen hätten Zum Abschluss eines neuen schriftlichen Vertrages kam es indessen nicht.

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Unstreitig ab 2013 (Beispiel Anlage K 15), nach der Behauptung der Klägerin aber auch bereits im Jahr 2012 (Beispiele Anlage K 18), übersandte die Klägerin auf die ihr erteilten Gutschriften Widerspruchsschreiben mit folgendem Text:

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gegen die oben ausgeführten Gutschrift (! sic) legen wir hiermit Widerspruch ein.
Die Leistung, die anlässlich vorgenannter Gutschrift zur Abrechnung gelangte, basiert nicht auf den Vertragsgrundlagen des Rahmenvertrages vom 10.09.2008/09.09.2008
Wir werden Ihnen in zeitlicher Nähe eine Rechnung mit der exakten Abrechnung zukommen lassen.“

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Mit E-Mail vom Samstag, 15. Februar 2014 (Anlage K 5) erhob die Klägerin Nachforderungen für die nicht vertragsgemäße Zahlung der Maut- und Dieselzuschläge und für nicht gezahlte Ausfallfrachten in Höhe mehrerer Millionen Euro. Diese Forderungen wies die Beklagte mit Schreiben vom 20.2.2014 zurück (Anlage K 6). Darin heißt es:

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Pauschale Forderungen der jetzt gestellten Art müssen wir ...ebenso pauschal zurück weisen.
Ohne weitere Präzisierung sehen wir Stand heute keinerlei Basis für eine Nachforderung.

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Die Klägerin erhob ihre behaupteten Ansprüche daraufhin erneut durch das Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 1.4.2014 (Anlage K 7), ohne dass die Beklagte daraufhin Zahlungen leistete.

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Im Frühjahr 2013 verständigten sich die Parteien darauf, ihre Zusammenarbeit auslaufen zu lassen. Dies führte dazu, dass die durch die Klägerin übernommenen Touren bis August 2013 immer weiter reduziert wurden und die Zusammenarbeit ab September 2013 faktisch beendet wurde.

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Die Klägerin behauptet, die Gutschriften und Zahlungen der Beklagten entsprächen nicht den vertraglichen Vereinbarungen und blieben hinter den ihr geschuldeten Beträgen zurück.

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Die Klägerin verlangt mit ihrer am 29.8.2014 eingereichten Klage die Nachzahlung der ihr nach ihrer Auffassung vorenthaltenen Beträge für die Jahre 2012 und 2013. Die Beklagte habe pro Mautkilometer 0,012 € und für Kraftstoff 0,04 € pro Kilometer zu wenig gutgeschrieben. Die entsprechenden Minderbeträge ergäben sich aus der Zusammenstellung in der Anlage K 2. Es ergäbe sich danach folgendes Bild:

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Dieselzuschlag 2012

725.147,87

        

Dieselzuschlag 2013

411.672,20

        

Dieselsumme

        

1.136.820,07

        

        

        

Maut 2012

194.879,76

        

Maut 2013

105.548,94

        

Mautsumme

        

300.428,70

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Ferner habe die Beklagte die von ihr geschuldeten Ausfallfrachten nicht gezahlt. Nach Auffassung der Klägerin schuldet die Beklagte für jedes ihr in einer sogenannten 12-Uhr-Meldung gemeldetes, unbefrachtetes Fahrzeug aufgrund der in Anlage 5 zum Rahmenvertrag unter Ziff.1 enthaltenen Regelung € 300,00 pro Tag. Betroffen seien insgesamt 12.308 Fahrzeugeinsätze, so dass sich hierfür ein Betrag von € 3.692.400,00 ergäbe. Für die Einzelheiten beruft sich die Klägerin auf die (mit Zustimmung des Gerichts) auf einer Daten-CD digital eingereichte Anlage K 8, in welcher für jeden einzelnen Tag Kopien der jeweiligen E-Mails mit einer Excelanlage gespeichert sind, die die jeweilige Leermeldungen mit den dazu geforderten Angaben enthält. Für die Berechtigung dieser Entschädigungsforderung käme es keinesfalls darauf an, ob die Beklagte für das betroffenen Fahrzeug im weiteren Verlauf des Tages doch noch einen Auftrag erteilt habe. Gelegenheit, die Ausfallfrachten zu verhindern, hätte die Beklagte vielmehr aufgrund einer (unstreitig) in der täglichen Handhabung eingeführten, regelmäßigen 9.00 Uhr - Meldung gehabt, mit welcher der Beklagten die noch verfügbaren Fahrzeuge mitgeteilt worden seien. Die Ausfallfracht sei dann um 12.00 Uhr angefallen, wenn die Beklagte das ihr eröffnete Zeitfenster nicht zur Befrachtung des jeweiligen Fahrzeugs genutzt hätte. Eine „Nachbefrachtung“ des Fahrzeugs entlaste die Beklagte nicht, da das Fahrzeug dann wegen des zeitlichen Vorlaufs nur an zwei von drei Speditionstagen habe fahren können, und nicht den eingeplanten Ertrag einfahren könne. Deswegen sei die entsprechende, auf einen Vorschlag der Beklagten zurückzuführende Ausfallfrachtregelung genauso gemeint, wie es sich schon aus ihrem Wortlaut ergäbe, dass nämlich die Ausfallfracht immer dann anfalle, wenn die Beklagte für ein Fahrzeug nicht bis 12.00 Uhr einen Auftrag erteilt hat.

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Die Erhöhung der Grundfracht sei nicht ausreichend, um die Senkung der Maut- und Dieselzuschläge zu kompensieren.

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Die Ansprüche der Klägerin seien auch keinesfalls verjährt. Aufgrund der komplexen im Vertrag geregelten Zusammenarbeit der Parteien habe der Vertrag nicht den Charakter eines Frachtvertrages, sondern eines Dienstleistungsvertrages, für den ohnehin eine dreijährige und nicht eine einjährige Verjährungsfrist zur Anwendung komme. Aber auch wenn der Vertrag grundsätzlich als Frachtvertrag verstanden solle, träte die Verjährung in diesem Falle nach § 439 I Satz 2 HGB erst nach drei Jahren ein, weil der vertragswidrige Einbehalt von Teilen der geschuldeten Vergütung auf einem vorsätzlichem oder vorsatzgleichem Verhalten der Beklagten beruhe. In Anbetracht der eindeutigen Regelungen des Vertrages und der beständigen Hinweise der Klägerin auf diese Regelungen sei für die Beklagte klar ersichtlich gewesen, dass sie durch ihre Kürzungen gegen den Vertrag verstieße. Die Beklagte habe die falsche Abrechnungsweise auch fortwährend beanstandet; es habe dabei nahezu wöchentlich entsprechende Auseinandersetzungen gegeben.

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Gegenansprüche, insbesondere solche aus Vertragsstrafe, ständen der Beklagten nicht zu. Insbesondere haben die Klägerin nicht unberechtigt ihr angetragene Touren abgelehnt. Die Beteiligten hätten jeweils über das System „Heris“ mit den Disponenten verkehrt. Von jenen seien die Aufträge zunächst als „Rohversion“ vergeben worden. Diese seien dann erst nachträglich einem Fahrzeug zugeordnet worden. Bei zu langem Vorlauf sei dann systembedingt eine Ablehnung erfolgt, auch wenn die Tour dann nachträglich durch ein anderes Fahrzeug der Klägerin ausgeführt worden sei. Nur 3303 Touren seien letztlich nicht an die Klägerin beauftragt worden, aber auch diese ohne Verstoß der Klägerin gegen die Vertragsstrafenregelung. Für die durchgeführten Transporte bezieht sich die Klägerin auf die Anlage K 12 (Daten CD).

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.838.324,77 Euro nebst Zinsen i.H. v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.01.2014 zu zahlen.

38

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

40

Die Beklagte beruft sich auf Verjährung. Die Klägerin habe im gesamten Jahr 2012 keine Beanstandungen an den erteilten Gutschriften erklärt, insbesondere habe sie nicht die im Anlagenkonvolut K 18 beigefügten Widersprüche erklärt. Diese seien der Beklagten nie zugegangen. Der erste Widerspruch sei durch Fax vom 7.1.2013 unter Bezugnahme auf das gesamte Jahr 2012 erfolgt (Zeugnis T., H., S.). In Bezug auf die nachgereichten Widerspruchsschreiben für das Jahr 2012 rügt die Beklagte die Verspätung des Klägervortrags. Im Rahmen einer Besprechung am 25. März 2013, in welcher die Parteien beschlossen, die Zusammenarbeit auslaufen zu lassen, habe der Verhandlungsführer der Klägerin mit keinem Wort erwähnt, dass er noch Forderungen stellen wolle, sondern im Gegenteil eine Frage danach verneint.

41

Inhaltlich hält die Beklagte die Interpretation der Klägerin zur Fälligkeit der Ausfallfrachten für falsch. Es ergäbe sich aus dem Wortlaut „Ausfallfracht“ und dem Sinn der Regelung, dass diese nur gezahlt werden müsse, wenn das betreffende Fahrzeug tatsächlich für den entsprechenden Tag keinen Transportauftrag erhalte, während die Klägerin zu Unrecht Ausfallfrachten auch für (nach-) befrachtete Fahrzeuge geltend mache. Ausfallfrachten könnten auch deswegen nicht in der geforderten Höhe verlangt werden, da überhaupt nur solche Fahrzeuge in die Berechnung eingestellte werden dürften, welche in der wöchentlichen Kapazitätsplanung berücksichtigt worden seien. Daran habe sich die Klägerin nicht gehalten. Die tatsächlich geschuldeten Ausfallfrachten in Höhe von € 71.400,00 habe die Beklagte beglichen.

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Die Kürzung der Maut- und Dieselzuschläge sei durch die Erhöhung der Grundfracht mehr als ausgeglichen. Insgesamt habe die Klägerin damit mehr erhalten, als dies bei der ursprünglich im Vertrag vorgesehenen Abrechnungsweise der Fall gewesen wäre. Die Beklagte habe seit der Vertragskrise 2011 stets im Blick gehabt, dass die erhöhte Zahlung des Grundbetrags auch eine Erhöhung der Gesamtvergütung zur Folge habe und dies fortlaufend kontrolliert. In Anbetracht dieser Besserstellung könne die Klägerin ihre Nachforderungen nicht dadurch begründen, dass sie einzelne Vergütungsbestandteile herauspicke und hier eine Differenz aufzeige, vielmehr müsse sie konkret darlegen, welche konkreten Frachtzahlungen im Ergebnis hinter den Vereinbarungen zurückblieben. Tatsächlich hätte die Klägerin aufgrund der geänderten Abrechnungsweise der Beklagten für die Jahre 2012 und 2013 im Ergebnis € 705.649,38 mehr erhalten, als dies bei einer Abrechnung zu den unveränderten Konditionen der Fall gewesen wäre. Hierzu verweist die Beklagte auf die tabellarische Gegenüberstellung in Anlage B 1. Gegen die Positionen Maut und Kraftstoffzuschlag rechnet die Beklagte hilfsweise auf mit überzahlten Frachten in Höhe von € 1.468.853,63 und der Systemgebühr € 310.046,00.

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Unabhängig davon ständen der Beklagten erhebliche Gegenforderungen zu, mit denen sie die Aufrechnung erklärt. Die Klägerin habe in der Zeit vom 1.1.2012 bis zum 31.8.2013 insgesamt 13.940 Transporte nicht durchgeführt bzw. abgelehnt, um einen Auftrag zu günstigeren Konditionen zu erhalten. Die einzelnen betroffenen Touren seien in der Anlage B 5 (3 Leitzordner) genau bezeichnet worden, die 3.144 Ablehnungen, um einen günstigeren Tarif zu erzwingen, in Anlage B 6). Für derartige Fälle seien jeweils € 1.000,00 Vertragsstrafe zu zahlen, sodass die Klägerin der Beklagten ihrerseits € 13.940.000,00 an Vertragsstrafe schulde. Auch insoweit erklärt die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung und behält sich die Geltendmachung des übersteigenden Restbetrages im Wege der Widerklage vor.

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Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 27.03.2015 durch Vernehmung der Zeugen M. D., H. S., D. T., M. H. und D. B., für deren Aussage auf das Protokoll vom 01.06.2015 (Blatt 145ff der Akten) Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet. Die geltend gemachten Forderungen sind verjährt.

I.

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Die Verjährung richtet sich nach Frachtrecht (§ 439 HGB)

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Gegen die etwaigen Forderungen der Klägerin greift die Verjährungseinrede der Beklagten durch. Der Vertrag zwischen den Parteien (Anlage K 1) ist ein Rahmenvertrag über Frachtaufträge im Sinne der §§ 407 ff HGB. Die aufgrund dieses Vertrages erbrachten Einzelaufträge unterliegen dem Recht für Frachtverträge. Die vertragstypische Leistungen, die in Ziffer 2.2.2. als „Transportverpflichtungen“ beschrieben werden, richten sich auf die Ortsveränderung von Gütern, welche zu diesem Zweck in Obhut genommen werden, und die Vergütung richtet sich nach der jeweiligen Länge der Tour. Die ausgetauschten Leistungen entsprechen damit dem typischen Leistungsbild eines Frachtvertrages (vgl. Koller, TranspR, 8. Aufl. 2013, § 407 RN 10 bis 16). Dagegen spricht auch nicht, dass hier Regelungen für eine Vielzahl von Fahrten in einem Rahmenvertrag getroffen wurden (Koller, a.a.O. RN 16). Auch solche Verträge unterfallen dem Frachtrecht (BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 – I ZR 164/06 –, juris RN 15). Zudem nimmt der Vertrag in vielfacher Hinsicht, etwa in Ziff. 5 bezüglich der Haftungsgrenzen, auf gesetzliche Regelungen aus dem Frachtgeschäft Bezug.

48

Die maßgebliche Verjährungsfrist für Ansprüche aus Frachtverträgen beträgt gemäß § 439 I Satz 1 HGB grundsätzlich ein Jahr. Für entsprechende Rahmenverträge gilt nichts anderes (BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 – I ZR 164/06 –, juris RN 15). Diese Frist ist verstrichen, weil die letzten Aufträge, für welche in diesem Rechtsstreit Forderungen geltend gemacht werden, vom 28.8.2013 datieren, während die Klage erst am 29.8.2014 eingereicht wurde. Die letzten Leermeldungen in Bezug auf Ausfallfrachten datieren vom 15.8.2013, sodass hier die Jahresfrist ebenfalls überschritten wurde. Eine Hemmung der Verjährung ist nicht eingetreten. Insbesondere ist die Beklagte zu keiner Zeit in Verhandlungen über die hier erhobenen Ansprüche eingetreten, sondern hat die ihr per E-Mail vom 15. Februar 2014 unterbreiteten Forderungen mit ihrem Schreiben vom 20.2.2014 (Anlage K 6) eindeutig abgelehnt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte in unverjährter Zeit zu einem anderen Zeitpunkt in Verhandlungen über die Forderungen eingetreten wäre.

II.

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Die Verjährungsfrist beträgt ein Jahr

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Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 439 I Satz 2 HGB greift hier nicht ein, weil der Beklagten im Hinblick auf etwaige Minderzahlungen weder Vorsatz noch vorsatzgleiches Verhalten anzulasten ist.

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1. Diesel- und Mautzuschläge

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a) Soweit die Klägerin Nachzahlungen von Diesel- und Mautzuschlägen für die von ihr gefahrenen Touren verlangt, ist der Anspruch als solcher schon sehr problematisch. Nach dem Rahmenvertrag wird der Frachtanspruch für die einzelne Fahrt aufgrund einer Reihe von Bausteinen errechnet, zu denen auch die Diesel- und Mautzuschläge gehören. Wenn Einigkeit zwischen den Parteien darüber besteht, dass die anderen Komponenten jeweils dem Vertrag entsprechend abgerechnet wurden und nur die Diesel- und Mautzuschläge einseitig herabgesetzt wurden, lässt sich gegen eine vereinfachte Darstellung der Klagforderung, die sich nur auf die Minderzahlungen der Zuschläge bezieht, nichts einwenden. Auch eine solche Darstellung ließe dann erkennen, welcher Betrag für welche Fahrt in zu geringer Höhe angesetzt wurde. Im vorliegenden Fall aber beruft sich die Beklagte gerade darauf, dass sie durch für die Klägerin günstige Veränderungen anderer für die Höhe der Fracht maßgeblicher Bausteine im Ergebnis mehr gezahlt habe als dies bei einer Abrechnung auf der Grundlage der vertraglichen Vorgaben geschuldet wäre. Bei dieser Sachlage kann die Klägerin ihren Anspruch nur begründen, wenn sie die Soll- und die Ist-Zahlungen pro Tour einander gegenüberstellt und zeigt, dass eine Differenz zu ihren Lasten aufgetreten ist. Dies hat die Beklagte gegenüber dem Klägervortrag zu Recht eingewandt. Das Gericht hat indes davon abgesehen, der Klägerseite eine entsprechende Auflage zu machen, deren Erfüllung mit einem sehr großen Aufwand verbunden wäre, weil zunächst geklärt werden sollte, ob bei den übrigen Frachtbausteinen tatsächlich zugunsten der Klägerin von den Vorgaben abgewichen worden ist oder ob die Forderung ohnehin verjährt wäre. In beiden Fällen wäre eine solche, für die Klägerin sehr aufwendige Auflage nicht erforderlich gewesen. Dementsprechend beruht die Entscheidung auch nicht darauf, dass die Klägerin ihren Anspruch nicht richtig dargelegt hat, obwohl nach der Beweisaufnahme keine Zweifel mehr daran bestehen, dass die Beklagte bei der Abrechnung diverse Parameter zugunsten der Klägerin verändert hat, wodurch eine zu Lasten der Klägerin bestehende Differenz verringert oder ganz aufgehoben würde. Diese Änderungen erfolgten vor dem Hintergrund der „Krise“ im Jahr 2011 und offenbar im Vorgriff auf eine neue, für beide Seiten auskömmliche Regelung. Ob dies tatsächlich dazu führte, dass die negativen Veränderungen in den Elementen Maut- und Dieselzuschlag mehr als kompensiert wurden, und sich die Klägerin günstiger stand als sie es ohne die veränderte Zusammensetzung der Bausteine getan hätte, kann hier dahinstehen.

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b) Entscheidend ist, dass die Beklagte bei ihren Abrechnungen aus guten Gründen davon ausging, dass sie der Klägerin im Ergebnis mehr zahle, als dies nach dem ursprünglichen Frachtvertrag geschuldet war. Dass dies die Auffassung der Beklagten war, steht nach Vernehmung der Zeugen T. und H. zur Überzeugung des Gerichts fest. Nach Aussage von Herrn T. soll es so gewesen sein, das die Klägerin „auf jeden Fall eine höhere Vergütung erhalten“ habe; es sei nicht richtig, dass sich die Vergütung infolge der Änderungen bei Diesel und Maut verringert habe (Protokoll vom 1.6.2015, Seite 14, Blatt 151R der Akten). Es habe für den Zeugen keinen Grund gegeben, anzunehmen, dass die Gutschriften unzutreffend gewesen seien, weil die Klägerin unterm Strich mehr erhalten hätte, als sie zu bekommen hatte (Seite 16 des Protokolls vom 1.6.2015, Bl. 152 R der Akten). Hierzu bezieht sich der Zeuge ausdrücklich auf eine durch seinen Mitarbeiter, den Zeugen H. gefertigte Übersicht (Anlage B 1), welche die Vergütungen nach der früheren und der neuen Berechnung gegenüberstellt und für die tatsächlich gezahlte einen höheren Betrag als für die eigentlich geschuldete Vergütung ausweist. Diese Aufstellung sei so richtig. Zu dieser Aufstellung hat der Zeuge H. bekundet, dass er sie zwar erst im Frühjahr dieses Jahres, also 2015, erstellt habe, dass die Beklagte aber die Frachtberechnungen bereits ab 2011 „gemonitort“ hätten. Dabei sei gegenübergestellt worden, was nach der einen oder anderen Bezahlungsweise herauskäme (Protokoll vom 1.6.2015, Seite 20, Blatt 154 R der Akten). Dies habe der Zeuge in der Regel monatsweise gemacht, wobei er nicht für jeden Monat eine Datei angelegt habe, sondern eine Datei fortgeschrieben habe. Die vorgelegte Tabelle sei die Kumulation daraus (Protokoll vom 1.6.2015, Seite 20, Blatt 154R der Akten). Die Aussage des Zeugen H. überzeugt insbesondere deswegen, weil er im Einzelnen die Handhabung schildert, wie die Frachtzahlungen nach den verschiedenen Berechnungsmethoden erfasst wurden. Nach dieser Aussage hält es das Gericht für hochgradig unwahrscheinlich, dass der Zeuge nachträglich mit gegriffenen Zahlen eine zum Beklagtenvortrag passende Tabelle gefertigt haben könnte, um das gute Gewissen der Beklagten bei ihren zu geringen Zahlungen zu belegen. Es besteht kein Zweifel daran, dass er sich bemüht hat, die Verhältnisse richtig abzubilden und dass auch sein Vorgesetzter T. diese Arbeitsergebnisse für richtig hielt.

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Skepsis verdiente der Beklagtenvortrag und die ihn stützenden Aussagen allerdings insofern, als es eher selten ist, dass der Auftraggeber von Transportleistungen den Auftragnehmer mit Wohltaten überhäuft, die so nicht vereinbart sind. Es ist leicht vorstellbar, dass ein Großabnehmer von Leistungen unter Ausnutzung seiner Machtstellung einseitige Vergütungskürzungen bei seinen Vertragspartner vornimmt, während es schwerfällt zu glauben, dass er freiwillig erhebliche Beträge zusätzlich bezahlt. Im vorliegenden Fall aber wird dies durch die tiefe Vertragskrise im Jahr 2011 in Verbindung mit der Kündigung und Arbeitseinstellung der Klägerin hinreichend erklärt. Es kann dabei dahinstehen, ob die Arbeitsniederlegung der Klägerin für die Beklagte völlig überraschend kam und sie in eine Situation brachte, in der sie zu Zugeständnissen gezwungen war, oder ob es nur deshalb dazu kam, weil die Beklagte sich berechtigten Forderungen der Klägerin über lange Zeit völlig verschlossen hatte und nun einsehen musste, dass sich der Vertrag nicht zu Bedingungen fortführen ließe, welche alsbald die Substanz des Vertragspartners vernichten und den Vertragspartner in die Insolvenz treiben würde. Fest steht, dass die Beklagte nach dem „Vertragsbruch“ der Klägerin (Bekundung des Geschäftsführers R. der Beklagten, Seite 2 des Protokolls vom 1.6.15, Blatt 145 R der Akten) in Form der Arbeitseinstellung mit dieser eine Zahlung von € 2 Millionen vereinbarte, damit diese das Vertragsverhältnis fortsetzte, wie der kaufmännische Leiter der Klägerin, der Zeuge D., in seiner Aussage glaubhaft geschildert hat (Protokoll vom 1.6.2015, Seite 5, Blatt 147 der Akten). Die Aussage wird durch das von dem Zeugen überreichte Schreiben der Beklagten vom 1.8.2011 (Anlage zum Protokoll, Blatt 157 der Akten) belegt. Dieses Verhalten der Beklagten lässt annehmen, dass sie wohl oder übel einsehen musste, dass eine weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin nur bei zusätzlichen Zahlungen ihrerseits möglich sein würde. Wenn sie auf einen „Vertragsbruch“ der Klägerin mit weiteren Leistungen reagierte, liegt es auf der Linie, dass sie zur Vermeidung erneuter Krisen nicht wieder auf das frühere Zahlungsniveau zurückkehren wollte. Aus den Schreiben vom 19.5. und 1.8.2011 und der Darstellung des Zeugen T. wird deutlich, dass sich die Beklagte um eine neue Vereinbarung mit der Klägerin bemühte. Die höheren Zahlungen orientierten sich an dem, was sie der Beklagten anbieten wollte oder musste, um die Zusammenarbeit fortsetzen zu können und lassen sich nicht als im Geschäftsleben unübliche Großzügigkeit betrachten. In der vorliegenden Situation ist es durchaus plausibel, dass die Beklagte diese (Mehr-) Leistungen erbrachte, um eine neue tragfähigere Vereinbarung vorwegzunehmen oder wenn schon nicht in formeller schriftlicher Form, so doch zumindest de facto einzuführen.

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c) Die durch ihre Auswertungen und Gegenüberstellungen gewonnene Überzeugung der Beklagten, dass ihre Frachtzahlungen für die ausgeführten Touren ihre nach dem ursprünglichen Vertrag begründeten Vergütungspflichten überschritten, schließt die Anwendung des § 439 I 2 HGB aus. Eine vorsätzliche oder vorsatzgleiche Vorenthaltung von Vergütungen lässt sich ihr nicht nachweisen. Sollte der Zeuge H. bei der Erstellung der Aufstellungen Fehler gemacht haben, deutet dies nicht auf ein vorsätzliches, sondern allenfalls auf ein fahrlässiges Verhalten bei der Beklagten hin. Das aber hätte nicht zur Folge, dass sich die Verjährungsfrist nach § 439 I 2 HGB auf drei Jahre verlängert.

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2. Ausfallfrachten

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Auch hinsichtlich der Ausfallfrachten ist Verjährung nach § 439 I 1 HGB eingetreten. Eine vorsätzliche oder vorsatzgleiche Nichtzahlung der Ausfallfrachten, die eine Verlängerung der Verjährungsfristen auf drei Jahre nach sich ziehen würden, liegt hier nicht vor.

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In Bezug auf die geltend gemachten Ausfallfrachten war der Beklagten bewusst, dass die Klägerin ein anderes Vertragsverständnis als sie selbst hatte. Nach der Aussage des Zeugen T. war die angestrebte Einigung über eine neue Vergütungsregelung gerade an der Kontroverse zur Ausfallfracht (und zur Gefahrgutregelung) gescheitert (Protokoll vom 1.6.2015, Seite 14 der Akten). Aus der Bekundung des Geschäftsführers der Beklagten, R., und der Aussage des Zeugen T. geht hervor, dass diese die diesbezügliche Auffassung der Klägerin für falsch und unvertretbar hielten. Nach Auffassung der Klägerin besagte der Vertrag, dass für jedes vereinbarungsgemäß zur Verfügung gestellte Fahrzeug, dass bis 12.00 Uhr nicht befrachtet sei, eine Ausfallfracht von € 300,00 zu zahlen sei, unabhängig davon, ob es im weiteren Tagesverlauf doch noch befrachtet wurde. Die Beklagte war der Meinung, eine Ausfallfracht könne nur dann verlangt werden, wenn das Fahrzeug wirklich an dem Tag unbeschäftigt geblieben sei.

59

Die Frage, welche von beiden Auffassungen richtig ist, lässt sich nicht ohne weiteres beantworten. Der Wortlaut der Klausel ist allerdings nach Auffassung des Gerichts eindeutig: Wenn es im Hinblick auf die sogenannte 12.00 Uhr Meldung dort heißt: „Sofern H. keine Transportaufträge für die insoweit von R. gemeldeten Fahrzeuge erteilt hat, schuldet H. eine pauschalierte Ausfallfracht an R. in Höhe von € 300,0 pro Tag“ (Unterstreichung hinzugefügt), besagt dies bei wörtlicher Auslegung, dass der Auftrag bei der 12.00 - Meldung bereits vorliegen muss, sonst wird die Ausfallfracht fällig. Allerdings ist bei der Auslegung von Verträgen nach den §§ 133, 157 BGB nicht an deren Wortlaut zu haften, sondern es ist der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen. Danach ist Sinn der Ausfallfracht, dass der Frachtführer für die Nichtbeschäftigung seines Fahrzeugs entschädigt wird. Wird das Fahrzeug aber eingesetzt, bedarf es keiner Entschädigung. Insofern ist es nachvollziehbar, die Verpflichtung zur Zahlung von Ausfallfrachten bei einer „Nachbefrachtung“ in Frage zu stellen, wie dies seitens der Beklagten geschehen ist. Wieder andererseits hat Klägerseite nachvollziehbar vorgetragen, dass es für die weitere Planung und den weiteren Einsatz des Fahrzeugs von Bedeutung sei, dass der Auftrag bei den bestehenden betrieblichen Abläufen bis 12.00 Uhr erteilt sei und spätere Aufträge im Ergebnis durch die dadurch verursachten längeren unvergüteten Standzeiten des Fahrzeugs die Einsatzfrequenz und damit die Frachterträge senken würden. Dies lässt sich nicht ohne eine genaue Untersuchung der logistischen Abläufe in dem Verhältnis der Parteien prüfen, entbehrt aber auch nicht der Plausibilität. Es ist jedenfalls durchaus Raum für die Annahme, dass die Regelung bei einer Auslegung im wörtlichen Sinne die zugrundeliegenden beiderseitigen wirtschaftlichen Interessen so berücksichtigt, wie es sich die Parteien bei Vertragsschluss vorgestellt haben, und dass die Beklagte bei ihrer abweichenden Auffassung zu sehr am vielleicht missverständlichen oder unzureichenden Wortlaut der Überschrift „Ausfallfracht“ haftet.

60

Allerdings hat der BGH in einer des Öfteren kritisierten Passage des grundlegenden Urteils vom 22.4.2010 (I ZR 31/08 - juris RZ 33) ausgeführt, dass eine die Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auslösende vorsätzliche Nichtzahlung dem Schuldner erst dann vorzuwerfen sei, wenn er entgegen besserem Wissen die Existenz eines Anspruchs abstreitet oder wider besseres Wissen behaupte, dass der gegen ihn gerichtete Anspruch nicht in der geltend gemachten Höhe entstanden sei. Läge auf der Hand, dass die vom Schuldner für die Leistungsverweigerung genannten Gründe nur vorgeschoben sind, gäbe es keinen vernünftigen Grund, ihm die Rechtswohltat der besonders kurzen Verjährung des § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB zugutekommen zu lassen.

61

Verschiedene Gerichte haben eine einschränkende Auslegung des Merkmals der mangelnden Vorwerfbarkeit der vorsätzlichen Nichtzahlung befürwortet (LG Wuppertal, Urteil vom 12. Dezember 2012 – 8 S 47/12 –, juris RN 32; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2013 – I-18 U 107/12, 18 U 1018 U 107/12 –, juris RN 15) und die Gründe der jeweiligen Nichtzahlung einer eingehenden Prüfung unterzogen.

62

Sicher ist, dass die bloße Behauptung eines Rechtsirrtums nicht genügen kann, um die Vorsatzhaftung nach § 439 I 2 HGB abzuwenden. Andererseits lässt sich der Entscheidung des BGH auch entnehmen, dass eine Wahrnehmung berechtigter Eigeninteressen durch die Berufung auf eine vertretbare Rechtsauffassung nicht die Folgen des § 439 I 2 HGB auslösen soll, selbst wenn sich diese Rechtsauffassung als falsch erweist (vgl. LG Krefeld, Urteil vom 03. Juli 2012 – 12 O 23/12 –, juris RN 19). Im vorliegenden Fall lässt sich nicht sagen, dass die Auffassung der Beklagtenseite als vorgeschoben, an den Haaren herbeigezogen oder bei näherer Betrachtung als chancenlos einzustufen wäre. Eine gewisse Berechtigung lässt sich ihr nicht absprechen, auch wenn sie für die praktische Handhabung des Vertrages zahlreiche Fragen aufwirft. Sollte es sich bei der Formulierung um ein Redaktionsversehen in dem Vertragstext handeln, verwundert, warum keine Regelungen zur „Nachbefrachtung“ in dem Vertrag vorgesehen sind. Gleichwohl ist die Ausgangslage in diesem Fall nicht zu vergleichen mit den Sachverhalten, die den Entscheidungen des OLG Düsseldorf und des LG Wuppertal zugrunde lagen.

63

Bei der hier getroffenen Wertung, wonach das Verhalten der Beklagten nicht die Verjährungsverlängerung nach § 439 I 2 HGB auslöst, hat sich noch ein weiterer Gesichtspunkt, der aus der Entscheidung des BGH vom 22.4.2010 zu gewinnen ist, ausgewirkt. In dieser Entscheidung gibt der BGH seine vormalige Rechtsprechung, dass die Verjährungsdurchbrechung des § 439 I 2 HGB nicht auf Primäransprüche anzuwenden sei, auf und begründet, dass für Primäransprüche genau die gleichen Gesichtspunkte wie für Sekundäransprüche gelten müssten. Weder differenziere der Wortlaut des § 439 I 2 HGB (bzw. Art 39 CMR) zwischen Primär- und Sekundäransprüchen (RN 28), noch seien Unterschiede in der objektiven ratio legis auszumachen (RN 25).

64

Das bedeutet aber auch, dass es ungerechtfertigt wäre, die Verjährungsdurchbrechung für Primäransprüche weiter zu fassen als diejenige für Sekundäransprüche. Im vorliegenden Fall war es der Klägerin bereits zu Beginn des Jahres 2012 klar, dass die Beklagte eine grundlegend andere Auffassung zur Frage der Ausfallfrachten hatte als die Klägerin und eine Zahlung im Fall von Nachbefrachtungen ablehnte. Diese Auffassung hat die Klägerin nach der Aussage des Zeugen D. in allen Gesprächen unverrückbar vertreten (Protokoll vom 1.6.2015, Seite 6, Blatt 147 der Akten) und sie liegt letztlich auch ihrem Ablehnungsschreiben vom 20.2.2014 (Anlage K 6) zugrunde. Bei Sekundäransprüchen gegen den Frachtführer wird eine Hemmung der Verjährung nach § 439 III HGB beendet und der weitere Lauf der Verjährungsfrist in Gang gesetzt, sobald der Frachtführer die Haftung abgelehnt hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die ungerechtfertigte Ablehnung eines berechtigten Schadensersatzanspruchs eine Vertragsverletzung darstellt, die durchaus von einem vorsätzlichen oder vorsatzgleichen Verschulden getragen sein kann. Gleichwohl kommt der insoweit vertragsbrüchige Frachtführer in den Genuss der einjährigen Verjährungsfrist nach § 439 I 1 HGB, ohne dass im weiteren Verlauf danach gefragt wird, ob es wohl rechtlich vertretbar oder vielleicht doch leichtfertig war, dass er die von ihm zu Recht verlangte Begleichung des Schadensersatzanspruchs abgelehnt hat. Der Grund dafür liegt darin, dass ein erhebliches Interesse daran besteht, Ansprüche im Massenverkehr unverzüglich zu regeln, weswegen den kaufmännischen Beteiligten entsprechender Vertragsverhältnisse die kurze Verjährung von einem Jahr zugemutet werden kann. Würde man hingegen die Haftungsdurchbrechung nach § 439 I 2 HGB auch auf die unberechtigte Ablehnung von Schadensersatzansprüchen anwenden, wozu nach Kenntnis des Gerichts bislang keine entsprechenden Entscheidungen vorliegen, würde die einjährige Verjährungsfrist nach § 439 I 1 HGB zu weiten Teilen leerlaufen.

65

Diese Überlegungen sprechen dafür, in Fällen der unberechtigten Nichterfüllung von Primäransprüchen die Verjährungsdurchbrechung tatsächlich auf die deutlichen Fälle zu beschränken, welche der BGH in seiner Entscheidung vom 22.4.2010 beispielhaft benannt hat, wenn z.B. auf der Hand liegt, dass die Gründe für die Nichtzahlung vorgeschoben sind und der Schuldner seine Zahlungspflicht wider besseres Wissen abstreitet.

66

Diese Kriterien werden im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt. Die Rechtsauffassung der Beklagten hat - wie gesagt - eine gewisse Berechtigung, die Parteien hatten sich ausführlich darüber auseinandergesetzt und die Beklagte hat dem Verhandlungsführer der Klägerin, den Zeugen D., darauf verwiesen, dass dieser ggf. eine gerichtliche Klärung herbeiführen könne. Der Zeuge D. hat hierzu ausgesagt „...man hat uns ganz klar gesagt, 'wenn ihr das haben wollt, müsst ihr uns verklagen‘“ (Protokoll 1.6.2015, Seite 6, Blatt 147R der Akten). Diese Äußerung indiziert, dass die Verantwortlichen der Beklagten von der Richtigkeit ihrer Auffassung so überzeugt waren, dass sie es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen lassen wollten. Statt jedoch diesen Weg zu wählen, hat die Klägerin mit der gerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche eine erhebliche Zeit zugewartet und -wie der Zeuge T. glaubhaft bekundete- nicht einmal während eines Gesprächs über die bevorstehende Beendigung der Zusammenarbeit am 25.3.203 darauf hingewiesen, dass noch Ansprüche gestellt werden sollten (Protokoll Seite 16, Blatt 152R der Akten). Die Klägerin hatte auch während des laufenden Vertragsverhältnisses umfassend Gelegenheit, die zwischen den Parteien streitige Rechtsfrage gerichtlich klären zu lassen, wobei sie dies im Kosteninteresse auch auf einige konkrete Ausfallfrachten hätte begrenzen können. Ein schützenswertes Bedürfnis für eine Durchbrechung der Regelverjährung ist vor diesem Hintergrund auch nicht erkennbar.

67

3. Keine Bösgläubigkeit der Beklagten aus anderen Gründen

68

a) In den im Anschluss an die Beweisaufnahme gewechselten nachgelassenen Schriftsätzen wurde hoch streitig, ob die Klägerin die im Tatbestand zitierten Widersprüche gegen die einzelnen Gutschriften bereits im Jahr 2012 oder erst ab 2013 erhalten hat. Auf diese Frage kommt es nicht an. Die Widersprüche haben allenfalls Bedeutung für die unter Ziffer 3.3. des Hauptvertrages getroffene Regelung, wonach die den Gutschriften zugrunde liegenden Leistungsübersichten unverzüglich zu prüfen seien und wonach verspätete Rügen nicht berücksichtigt würden. Diese Regelung ist für die vorliegende Entscheidung unerheblich. Die Widersprüche haben darüber hinaus nicht die Wirkung, die Beklagte in Bezug auf ihre Abrechnungen „bösgläubig“ zu machen, da jedwede Konkretisierung der Beanstandung unterblieben ist und insbesondere in keinem (vorgetragenen) Fall die in dem Widerspruchsschreiben angekündigte exakte Abrechnung übersandt wurde.

69

b) Nach der Aussage des Zeugen H. hat sich im Rahmen der Vorbereitung des Rechtsstreits bei der Auswertung der systemtechnischen Daten gezeigt, dass von ungefähr 13.000 Fahrzeugen, die Gegenstand der 12 Uhr Mitteilungen gewesen seien, im weiteren Verlauf noch ungefähr 11.000 Fahrzeuge einen Frachtauftrag bekommen hätten (Protokoll Seite 21, Blatt 155 der Akten). Die Klägerin hat in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 26.6.2015 ausgeführt, dass allein auf die verbleibenden 2000 Fahrzeuge, die dann nicht zum Einsatz gekommen seien, Ausfallfrachtansprüche von € 600.000,00 entfallen würden, wesentlich mehr, als die Beklagte der Klägerin tatsächlich gezahlt hatte (nach ihrem eigenen Vortrag € 71.400,00). Auch daraus ergibt sich aber nicht die Schlussfolgerung, dass die Beklagte bezüglich dieser Fahrzeuge vorsätzlich oder mit vorsatzgleichem Verschulden gehandelt hätte. Nach dem Vertrag lag jeder Gutschrift eine konkrete Leistungsübersicht zugrunde, welche die Klägerin zu prüfen hatte. Es ist nicht ersichtlich, dass eine der nicht abgerechneten Ausfallfrachten, die in diese Gruppe gehören würde, durch die Klägerin beanstandet worden wäre. Die in Ziffer 3.3. vorgesehene Prüfungspflicht hat gerade den Sinn, auch im Interesse der Beklagten etwaige Fehler in den Abrechnungen zu benennen. Die Beklagte konnte sich darauf verlassen, dass dies durch die Klägerin erfolgen würde und dass insbesondere Fehler zu Lasten der Beklagten sicher bezeichnet werden würden. Damit, dass dieser vertraglich vorgesehene Prüfungsmechanismus versagen würde, brauchte die Beklagte nicht zu rechnen. Das entbindet sie nicht von der Pflicht zur richtigen Abrechnung, aber eine vorsätzlich fehlerhafte Abrechnung lässt sich der Beklagten insoweit nicht vorwerfen. Unabhängig davon ist nicht ausgeschlossen, dass es hinsichtlich dieser nicht näher bezeichneten Ausfälle andere Erklärungen gibt, warum sie durch das EDV-System ausgeworfen wurden.

III.

70

Nebenentscheidungen

71

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus den §§ 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und Sicherheitsleistung beruht auf § 709 ZPO.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Handelsgesetzbuch - HGB | § 407 Frachtvertrag


(1) Durch den Frachtvertrag wird der Frachtführer verpflichtet, das Gut zum Bestimmungsort zu befördern und dort an den Empfänger abzuliefern. (2) Der Absender wird verpflichtet, die vereinbarte Fracht zu zahlen. (3) Die Vorschriften dieses U

Handelsgesetzbuch - HGB | § 439 Verjährung


(1) Ansprüche aus einer Beförderung, die den Vorschriften dieses Unterabschnitts unterliegt, verjähren in einem Jahr. Bei Vorsatz oder bei einem dem Vorsatz nach § 435 gleichstehenden Verschulden beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre. (2) Die V

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Bundesgerichtshof Urteil, 15. Jan. 2009 - I ZR 164/06

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 31/08 Verkündet am: 22. April 2010 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

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(1) Ansprüche aus einer Beförderung, die den Vorschriften dieses Unterabschnitts unterliegt, verjähren in einem Jahr. Bei Vorsatz oder bei einem dem Vorsatz nach § 435 gleichstehenden Verschulden beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre.

(2) Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Tages, an dem das Gut abgeliefert wurde. Ist das Gut nicht abgeliefert worden, beginnt die Verjährung mit dem Ablauf des Tages, an dem das Gut hätte abgeliefert werden müssen. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 beginnt die Verjährung von Rückgriffsansprüchen mit dem Tag des Eintritts der Rechtskraft des Urteils gegen den Rückgriffsgläubiger oder, wenn kein rechtskräftiges Urteil vorliegt, mit dem Tag, an dem der Rückgriffsgläubiger den Anspruch befriedigt hat, es sei denn, der Rückgriffsschuldner wurde nicht innerhalb von drei Monaten, nachdem der Rückgriffsgläubiger Kenntnis von dem Schaden und der Person des Rückgriffsschuldners erlangt hat, über diesen Schaden unterrichtet.

(3) Die Verjährung eines Anspruchs gegen den Frachtführer wird auch durch eine Erklärung des Absenders oder Empfängers, mit der dieser Ersatzansprüche erhebt, bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, in dem der Frachtführer die Erfüllung des Anspruchs ablehnt. Die Erhebung der Ansprüche sowie die Ablehnung bedürfen der Textform. Eine weitere Erklärung, die denselben Ersatzanspruch zum Gegenstand hat, hemmt die Verjährung nicht erneut.

(4) Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen Verlust oder Beschädigung des Gutes oder wegen Überschreitung der Lieferfrist kann nur durch Vereinbarung, die im einzelnen ausgehandelt ist, auch wenn sie für eine Mehrzahl von gleichartigen Verträgen zwischen denselben Vertragsparteien getroffen ist, erleichtert oder erschwert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 164/06 Verkündet am:
15. Januar 2009
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken vom 10. Mai 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht ihres Sohnes auf Zahlung von Frachtvergütungen sowie auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung einer Vereinbarung über den Einsatz von zwei Transportfahrzeugen in der Zeit von Januar bis Juli 2001 in Anspruch.
2
Die Klägerin unterhielt bis zum 9. Oktober 2000 ein Transportunternehmen in H. . Unter der identischen Anschrift wurde am 10. Oktober 2000 ein Transportunternehmen auf ihren Sohn angemeldet. Im Dezember 2000 kam es zwischen dem Ehemann der Klägerin, der im Betrieb der Klägerin tätig war, und der Beklagten zu Vertragsverhandlungen über den täglichen Einsatz von zwei Transportfahrzeugen für die Beklagte. Die Fahrzeuge sollten jeweils kurzfristig telefonisch geordert werden. Mit Faxschreiben vom 5. Dezember 2000 teilte die Beklagte der "Firma W. " mit, dass ab dem 2. Januar 2001 täglich ein Lkw mit einer Nutzlast von 3,5 to eingesetzt werde. In einem weiteren Faxschreiben vom 8. Dezember 2000 bestätigte die Beklagte der "Firma W. " die zusätzliche tägliche Disponierung eines Planensattelzugs mit einer Länge von 13,6 m ab dem 2. Januar 2001. Die Beklagte rief die Fahrzeuge vom 3. Januar 2001 an ab, wobei die Anforderungen jedoch nicht täglich erfolgten und im Juli 2001 überwiegend ausblieben.
3
Am 23. Juli 2001 stellte die "Firma Lasten-Express W. " der Beklagten für 84 Ladestellen in der Zeit von Januar bis Juli 2001 insgesamt 7.795,20 DM in Rechnung. Mit anwaltlichem Schreiben vom 31. August 2001 wurde die Beklagte erfolglos aufgefordert, den Rechnungsbetrag bis zum 11. September 2001 auszugleichen und für Lkw-Standtage in der Zeit vom 2. Januar bis 31. Juli 2001 insgesamt 106.082 DM an die Klägerin zu zahlen.
4
Die Klägerin beantragte am 24. Dezember 2001 für die "Firma M. W. " den Erlass eines Mahnbescheids über eine Hauptforderung "Frachtausfall gemäß Rechnung vom 31.8.2001" in Höhe von 39.945,19 € nebst Zinsen und Kosten, der am 8. Januar 2002 erlassen und der Beklagten am 14. Januar 2002 zugestellt wurde. Die Beklagte legte gegen den Mahnbescheid Widerspruch ein. Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2002 beantragte die Klägerin, ihr für die Durchführung des streitigen Verfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die Sache wurde daraufhin am 9. Juli 2002 vom Mahngericht an das im Mahnbescheid benannte Landgericht Saarbrücken abgegeben, das der Klägerin mit Beschluss vom 2. April 2003 Prozesskostenhilfe bewilligte. Der Bewilligungsbeschluss wurde der Klägerin am 14. April 2003 zugestellt. Die Begründung des mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Anspruchs ging am 23. Juni 2004 beim Landgericht Saarbrücken ein.
5
Die Klägerin hat vorgebracht, sie sei zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Forderungen berechtigt, da ihr Sohn, der ihren Betrieb für 100.000 DM übernommen habe, seine Ansprüche gegen die Beklagte Ende Juli 2001 an sie abgetreten habe, weil er nicht mehr zur Zahlung der Raten für den Übernahmebetrag im Stande gewesen sei. Da sie den Mahnbescheid aus eigenem Recht beantragt habe, sei die Klageforderung nicht verjährt. Der Schadensersatzanspruch ergebe sich daraus, dass die Beklagte nicht - wie vereinbart - täglich beide Fahrzeuge geordert habe. Die Beklagte schulde daher Schadensersatz in Höhe der vereinbarten Vergütung abzüglich 30% für ersparte Aufwendungen.
6
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 34.864,05 € nebst Zinsen zu zahlen.
7
Die Beklagte hat eine Zahlungsverpflichtung schon dem Grunde nach in Abrede gestellt und zudem die Einrede der Verjährung erhoben.
8
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 28.127,92 € nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Be- klagten hat das Berufungsgericht die Klage wegen Verjährung der erhobenen Ansprüche insgesamt abgewiesen.
9
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


10
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die streitgegenständlichen Frachtvergütungs- und Schadensersatzansprüche verjährt seien. Dazu hat es ausgeführt:
11
Die mit Rechnung vom 23. Juli 2001 geltend gemachten Vergütungsansprüche seien gemäß §§ 407, 439 Abs. 1 Satz 1 HGB verjährt. Dem Mahnbescheid vom 8. Januar 2002 komme zwar verjährungsunterbrechende oder -hemmende Wirkung zu, da die Forderung in dem Mahnbescheidsantrag hinreichend individualisiert und der Mahnbescheid von der Klägerin als Berechtigter beantragt worden sei. Die mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Ansprüche seien jedoch nicht innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Verjährungsunterbrechung bzw. -hemmung begründet worden. Im Zeitpunkt der Einreichung der Anspruchsbegründung am 23. Juni 2004 sei die einjährige Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB bereits abgelaufen gewesen. Es könne entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht angenommen werden, dass bei einer vorsätzlichen rechtswidrigen Pflichtverletzung, wie sie in der Nichtzahlung von Frachtlohn liege, die besondere Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB gelte.

12
Soweit die Klägerin Schadensersatz wegen des nicht täglichen Abrufs ihrer Fahrzeuge bis einschließlich 31. Juli 2001 verlange, seien auch diese Ansprüche gemäß § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB verjährt. Zwar stelle der unterlassene Abschluss von Einzelverträgen eine positive Vertragsverletzung dar, auf die in der Regel die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB Anwendung finde. Etwas anderes gelte jedoch dann, wenn Ersatzansprüche wirtschaftlich die Funktion eines Vergütungsanspruchs hätten. In einem solchen Fall gelte die für den ursprünglichen Anspruch maßgebliche Verjährungsvorschrift auch für den Ersatzanspruch, der wirtschaftlich ganz oder teilweise an die Stelle des ursprünglichen Anspruchs getreten sei und damit einen sekundären Erfüllungsanspruch darstelle. Die Klägerin fordere der Sache nach letztlich Frachtlohn für die Tage, an denen die Transportfahrzeuge entgegen der vertraglichen Vereinbarung nicht abgerufen worden seien. Hierfür gelte die einjährige Verjährungsfrist gemäß § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB.
13
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung zu Unrecht durchgreifen lassen.
14
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch in Höhe von 3.985,62 € für durchgeführte Transporte und die von der Klägerin erhobenen Ansprüche wegen des nicht täglich erfolgten Abrufs von zwei Transportfahrzeugen in der Zeit von Anfang Januar bis Ende Juli 2001 seien gemäß § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB verjährt, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
15
a) Entgegen der Auffassung der Revision unterliegen die aus dem streitgegenständlichen Rahmenvertrag resultierenden Frachtvergütungsansprüche nicht den allgemeinen Verjährungsregelungen gemäß § 196 Abs. 1 und 2 BGB a.F. bzw. § 195 BGB, sondern der frachtrechtlichen Verjährungsvorschrift des § 439 Abs. 1 HGB. In dem zwischen der "Firma W. " und der Beklagten geschlossenen Rahmenvertrag wurde ein frachtvertragliches Dauerschuldverhältnis vereinbart, in dem bereits alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere der Einsatz konkreter Fahrzeuge und die Höhe der von der Beklagten zu zahlenden Vergütung, festgelegt waren. Die Klägerin hat ihren Frachtvergütungsanspruch auch nicht damit begründet, dass das Transportunternehmen W. der Beklagten Transportmittel und Personal zur Verfügung gestellt hätte. Sie hat die Forderung in Höhe von 3.985,62 € in ihrer Anspruchsbegründung vom 22. Juni 2004 vielmehr darauf gestützt, dass 84 Beförderungen ab S. oder mit Zuladungen in S. durchgeführt worden seien, für die die Beklagte eine zusätzliche Frachtvergütung in Höhe von jeweils 80 DM schulde. In der Rechnung des Transportunternehmens W. vom 23. Juli 2001 ist auch von "Transportübernahmen" die Rede, was ebenfalls dafür spricht, dass die Klägerin Frachtlohn für durchgeführte Beförderungen (§ 407 Abs. 2 HGB) beansprucht. Die Beklagte hat dem Transportunternehmen W. die jeweiligen Einzelaufträge als Unterfrachtführerin erteilt. Der Unterfrachtvertrag stellt - ebenso wie der Hauptfrachtvertrag - einen Frachtvertrag gemäß § 407 HGB dar.
16
Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, dass die von der Klägerin erhobenen Schadensersatzansprüche der Verjährungsvorschrift des § 439 Abs. 1 HGB unterliegen. Der streitgegenständliche Rahmenvertrag enthält konkrete frachtvertragliche Einzelabreden und unterfällt damit dem § 407 HGB. Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB beruht darauf, dass die im Rahmenvertrag vorgesehenen Ein- zelaufträge von der Beklagten nicht erteilt wurden. Damit resultieren die Schadensersatzansprüche aus den den §§ 407 bis 452 HGB unterliegenden Beförderungen (vgl. BGH, Urt. v. 3.11.1999 - I ZR 145/97, TranspR 2000, 214, 217 f.).
17
b) Ob die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB unterliegen, wie die Revision meint, kann im Streitfall offenbleiben, da die einjährige Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB entgegen der Annahme des Berufungsgerichts bei Einreichung der Anspruchsbegründung am 23. Juni 2004 noch nicht abgelaufen war.
18
aa) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständlichen Forderungen im Mahnbescheidsantrag der Klägerin vom 24. Dezember 2001 hinreichend individualisiert worden sind und dass die Klägerin nach ihrem Vortrag aufgrund einer mit ihrem Sohn vereinbarten Abtretung berechtigt war, ein Mahnbescheidsverfahren gegen die Beklagte einzuleiten.
19
bb) Dementsprechend wurde die Verjährungsfrist mit der Einreichung des Antrags auf Erlass des Mahnbescheids bei Gericht am 24. Dezember 2001 gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a.F. i.V. mit § 693 Abs. 2 ZPO a.F. unterbrochen. Der am 8. Januar 2002 erlassene Mahnbescheid wurde der Beklagten am 14. Januar 2002 zugestellt. Da durch die Zustellung des Mahnbescheids die Verjährung unterbrochen werden sollte, trat die Wirkung gemäß § 693 Abs. 2 ZPO a.F. bereits mit der Einreichung des Antrags auf Erlass des Mahnbescheids ein. Das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) führt zu keiner anderen Beurteilung. Soweit sich zwischen dem Antrag und der Zustellung des Mahnbescheids die Sach- und Rechtslage ändert und sich hierdurch die Voraussetzungen des Eintritts der Verjährung zum Nachteil des Gläubigers verschlechtern, ist nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 3 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden. Demgemäß kann auch ein nach dem 31. Dezember 2001 zugestellter Mahnbescheid die Unterbrechung der Verjährung herbeiführen, wenn sein Erlass bis zum 31. Dezember 2001 beantragt wurde. Die Unterbrechung endet dann mit Ablauf des 31. Dezember 2001 und setzt sich ab dem 1. Januar 2002 gemäß Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB als Hemmung fort (vgl. BGH, Urt. v. 6.3.2008 - III ZR 206/07, NJW 2008, 1674 Tz. 13 f.).
20
Die nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB ausgelöste Hemmung der Verjährung endet im Mahnverfahren gemäß § 696 Abs. 1 ZPO mit der Abgabe der Sache an das Streitgericht (Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 204 Rdn. 36). Die Beklagte hat gegen den Mahnbescheid am 18. Januar 2002 Widerspruch eingelegt. Mit Verfügung vom 21. Januar 2002 wurde der Klägerin die Einlegung des Widerspruchs seitens der Beklagten mitgeteilt. Danach geriet das Verfahren in Stillstand. In einem solchen Fall endet die Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB sechs Monate nach Zugang der letzten gerichtlichen Verfügung, im Streitfall also sechs Monate nach Zugang der Verfügung vom 21. Januar 2002.
21
Vor Ablauf der durch den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids eingetretenen Hemmung hat die Klägerin am 1. Juli 2002 Prozesskostenhilfe beantragt , dadurch wurde die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 14, Abs. 2 BGB erneut gehemmt. Gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB endet die Hemmung wiederum sechs Monate nach der formell rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag. Maßgebend ist der Zugang der Entscheidung (MünchKomm.BGB/Grothe, 5. Aufl., § 204 Rdn. 106; Palandt/ Heinrichs aaO § 204 Rdn. 45). Der Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 2. April 2003 wurde der Klägerin am 14. April 2003 zuge- stellt. Gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB endete die Hemmung der Verjährung sechs Monate nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 3 ZPO. Unter Berücksichtigung der sechsmonatigen Frist des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB war die einjährige Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB daher zum Zeitpunkt der Einreichung der Anspruchsbegründung am 23. Juni 2004 noch nicht abgelaufen.
22
2. Das die Klage abweisende Urteil des Berufungsgerichts kann danach keinen Bestand haben. Eine Entscheidung in der Sache ist dem Senat verwehrt. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Klägerin gegen die Beklagte grundsätzlich die ihr vom Landgericht zuerkannten Ansprüche - 3.985,62 € gemäß § 407 Abs. 2 HGB für durchgeführte Beförderungen und 24.142,23 € als Schadensersatz wegen Nichterfüllung des am 5./8. Dezember 2000 geschlossenen Rahmenvertrags - aus abgetretenem Recht ihres Sohnes zustehen. Die insofern von der Beklagten in der Berufungsbegründung erhobenen Einwände hat das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft. Dies ist nunmehr nachzuholen.
23
Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Bornkamm Pokrant Büscher
Bergmann Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 19.07.2005 - 7 II O 81/02 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 10.05.2006 - 5 U 437/05-44 -

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 31/08 Verkündet am:
22. April 2010
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die dreijährige Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB ist auch auf Primärleistungsansprüche
und vertragliche Aufwendungsersatzansprüche aus Frachtverträgen anzuwenden.
BGH, Urteil vom 22. April 2010 - I ZR 31/08 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23. Januar 2008 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Nichterfüllung einer Vereinbarung über den Einsatz von Transportfahrzeugen im Februar 2004 auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Die Parteien standen seit April 2003 in Geschäftsbeziehungen zueinander. Ab 15. Oktober 2003 führte der Kläger für die Beklagte mit bis zu neun Fahrzeugen Transporte im Nahverkehr durch. Die Vergütung der Fahrten erfolgte in der Weise, dass nicht der Kläger Rechnungen stellte, sondern die Beklagte dem Kläger Gutschriften erteilte.
2
Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 29. Januar 2004 die Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses "zum 31.1.2004". Der Kläger steht auf dem Standpunkt, dass das Vertragsverhältnis erst zum 29. Februar 2004 beendet worden sei. Er hat behauptet, zwischen ihm und der Beklagten sei eine Kündigungsfrist von einem Monat (jeweils zum Monatsende ) vereinbart worden.
3
Mit der am 9. Mai 2006 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger Zahlung in Höhe von 52.077,88 € nebst Zinsen geltend, und zwar den Umsatzverlust für den Monat Februar 2004 (51.266 €) und die Kosten des vorprozessualen Anwaltsschreibens vom 8. Juli 2005 (811,88 €).
4
Die Beklagte hat die geltend gemachten Ansprüche nach Grund und Höhe bestritten und zudem die Einrede der Verjährung erhoben. Sie hat die Ansicht vertreten, das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien sei nach den frachtrechtlichen Vorschriften zu beurteilen. Demzufolge gelte hinsichtlich der für Februar 2004 geltend gemachten Frachtvergütungsansprüche die einjährige Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB. Ein qualifiziertes Verschulden i.S. von § 439 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit § 435 HGB könne ihr nicht angelastet werden , da sie von der Wirksamkeit ihrer Kündigung zum 31. Januar 2004 habe ausgehen dürfen.
5
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger für Februar 2004 eine Vergütung in Höhe von 30.985,27 € und 649,02 € für außergerichtliche Anwaltskosten zu zahlen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.
6
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


7
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Vergütungsanspruch für die im Februar 2004 entgangenen Umsätze wegen Annahmeverzugs der Beklagten aus den zwischen den Parteien abgeschlossenen "Lohnfuhrverträgen" i.V. mit § 615 BGB analog in Höhe von 30.985,27 € zu, der nicht verjährt sei. Dazu hat es ausgeführt:
8
Zwischen den Parteien seien in Bezug auf einzelne Tagestouren (Dauer -)Rahmenfrachtverträge geschlossen worden. Der Vergütungsanspruch des Klägers ergebe sich aus der Nichtannahme der in den Rahmenverträgen festgelegten Leistungen durch die Beklagte. Dementsprechend sei § 615 BGB analog Anspruchsgrundlage für das Zahlungsbegehren des Klägers, weil die Rahmenfrachtverträge wegen ihrer weitgehenden Festlegungen hinsichtlich der täglich durchzuführenden Touren eine starke dienstvertragliche Komponente aufwiesen.
9
Die Kündigung zum 31. Januar 2004, die die Beklagte am 29. Januar 2004 ausgesprochen habe, sei unwirksam gewesen. Ein Recht zur fristlosen Kündigung der Rahmenfrachtverträge wegen einer Schlechtleistung des Klägers habe nicht bestanden. Bei einem frachtvertraglichen Dauerschuldverhältnis beurteile sich die Kündigungsfrist zwar nach § 621 BGB analog, wenn anderweitige Abreden fehlten; die gesetzliche Kündigungsfrist habe somit gemäß § 621 Nr. 1 BGB an sich einen Tag betragen, weil die Touren nach Tagen abgerechnet worden seien. Im Streitfall hätten die Parteien jedoch eine § 621 BGB verdrängende Abrede getroffen. Das Landgericht sei aufgrund von Zeugenaussagen rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte bei der Kündigung der Rahmenfrachtverträge eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende habe einhalten müssen. Dementsprechend habe die Kündigung vom 29. Januar 2004 die Rahmenfrachtverträge erst zum 29. Februar 2004 beendet. Die Darlegungen des Landgerichts zur Höhe des dem Kläger zustehenden Anspruchs seien ebenfalls zutreffend.
10
Die Vergütungsforderung des Klägers sei nicht verjährt, weil der geltend gemachte Anspruch einer dreijährigen Verjährungsfrist unterliege und die Klage am 12. Mai 2006 zugestellt worden sei. Bei dem Vergütungsanspruch des Klägers aus § 615 BGB analog handele es sich um einen übergreifenden Anspruch , der über die einzelnen Transportfahrten hinausgehe und daher gemäß § 195 BGB in drei Jahren verjähre. Aber auch dann, wenn der streitgegenständliche Anspruch dem Anwendungsbereich des § 439 Abs. 1 HGB unterfalle, sei keine Verjährung eingetreten, weil die Voraussetzungen des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB erfüllt seien. Die Beklagte habe den Ausfall der Transportfahrten im Februar 2004 vorsatzgleich i.S. von § 435 HGB herbeigeführt.
11
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung mit Recht nicht durchgreifen lassen.
12
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Parteien im Jahre 2003 für einzelne vom Kläger zu bedienende Touren (beispielsweise für die Touren E. und S. -Stadt) auf Dauer angelegte Rahmenverträge mit frachtrechtlichem Inhalt geschlossen haben. In den zwischen dem Kläger und der Beklagten zustande gekommenen Dauerschuldverhältnissen sind bereits alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere konkrete Touren und die Höhe der von der Beklagten zu zahlenden Vergütung - entweder eine Tagespauschale oder Abrechnung nach Leistung -, festgelegt worden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sollte der Kläger als Subunternehmer für die Beklagte Transportfahrten im Nahverkehr durchführen. Mithin stand die Beförderung von Frachtgut und nicht die Überlassung von Transportmitteln und Fahrerpersonal im Vordergrund der rechtlichen Beziehungen der Parteien zueinander. Die Revisionserwiderung wendet sich auch nicht gegen die Annahme eines frachtrechtlichen Rahmenvertrags.
13
2. Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die als Dauerschuldverhältnisse ausgestalteten Rahmenverträge seien aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 29. Januar 2004 nicht - wie von der Beklagten angestrebt - bereits zum 31. Januar, sondern erst zum 29. Februar 2004 beendet worden, begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
14
a) Die Beklagte hat ihre Kündigung zwar auf ein außerordentliches Kündigungsrecht gestützt, da sie zur Begründung angeführt hat, die Qualität der Fahrer des Klägers entspreche nicht ihrem Niveau, so dass die Kündigung "leider unumgänglich" sei. Mit Recht hat das Berufungsgericht jedoch angenommen , dass das Vorbringen der Beklagten für eine sofortige Beendigung der Vertragsbeziehungen durch eine außerordentliche Kündigung nicht ausreicht. Insbesondere hat die Beklagte nicht dargelegt, dass sie dem Kläger zuvor eine gemäß § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderliche angemessene Frist zur Abhilfe von konkret erhobenen Beanstandungen gesetzt hatte.
15
b) Bei einem Dauerschuldverhältnis mit frachtrechtlichem Inhalt richtet sich die Kündigungsfrist grundsätzlich nach § 621 BGB analog (vgl. Koller, Transportrecht, 6. Aufl., § 415 HGB Rdn. 33; Heymann/Schlüter, HGB, 2. Aufl., § 415 Rdn. 14). Da die einzelnen Touren tageweise abgerechnet werden sollten , hätte die Frist für eine ordentliche Kündigung nach § 621 Nr. 1 BGB analog einen Tag betragen mit der Folge, dass die Kündigung vom 29. Januar zum 31. Januar 2004 wirksam gewesen wäre. Die Anwendung des § 621 BGB kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Parteien keine anderweitige Abrede hinsichtlich der Kündigungsfrist getroffen haben. Nach den Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, haben die Parteien in einer Besprechung am 12. Dezember 2003 vereinbart, dass die Beklagte die mit dem Kläger geschlossenen Rahmenfrachtverträge - abgesehen von einer Kündigung aus wichtigem Grund - nur unter Einhaltung einer Kündi- gungsfrist von einem Monat zum Monatsende kündigen können sollte. Danach hat die Kündigung der Beklagten vom 29. Januar 2004 die Rahmenverträge - wie vom Berufungsgericht angenommen - erst zum 29. Februar 2004 beendet. Die Revision nimmt diese Beurteilung auch hin.
16
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch allerdings nicht aus § 615 BGB analog, sondern gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 241 Abs. 2 BGB gerechtfertigt. Da die aus den Rahmenverträgen resultierenden Einzelansprüche der Höhe nach nicht feststehen, kommt nur die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs in Betracht. Dem Kläger steht für Februar 2004 dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung zu, weil die zwischen den Parteien im Jahre 2003 geschlossenen Rahmenverträge nicht bereits zum 31. Januar , sondern erst zum 29. Februar 2004 beendet worden sind und die Beklagte sich ab dem 1. Februar 2004 unstreitig geweigert hat, dem Kläger weiterhin Transportaufträge zu erteilen.
17
a) Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung kommen grundsätzlich auch bei Verletzung der aus einem Rahmenvertrag resultierenden Pflichten in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.1992 - VII ZR 159/91, NJW-RR 1992, 977, 978; Urt. v. 3.11.1999 - I ZR 145/97, TranspR 2000, 214, 217). Es ist zudem anerkannt, dass die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs bei Dauerschuldverhältnissen dann gegeben sind, wenn eine Kündigung schuldhaft ohne Grund erfolgt (vgl. BGHZ 89, 296, 302 f. zur Kündigung eines Mietverhältnisses ; BGH, Urt. v. 14.1.1988 - IX ZR 265/86, NJW 1988, 1268, 1269 zur Kündigung eines Pachtvertrages; BGH TranspR 2000, 214, 217 f.).
18
b) Das Verschulden der Beklagten wird gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet und ist demzufolge von ihr zu widerlegen. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe sich für berechtigt gehalten, die Vertragsbeziehungen zum Kläger durch eine Kündigung sofort beenden zu können. Entweder befand sie sich hierbei in einem Rechtsirrtum, wobei sie das Risiko einer unzutreffenden Beurteilung zu tragen hätte (vgl. BGHZ 89, 296, 303; BGH TranspR 2000, 214, 218), oder handelte gar - wie das Berufungsgericht angenommen hat - vorsätzlich (dazu unten unter II 5 c).
19
4. Das Landgericht, dessen Ausführungen sich das Berufungsgericht auch insoweit zu eigen gemacht hat, hat für Februar 2004 einen Umsatzverlust des Klägers aufgrund der unterbliebenen Erteilung von Frachtaufträgen in Höhe von 30.985,27 € netto festgestellt. Darüber hinaus hat es einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erstattung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 649,02 € für begründet erachtet. Dagegen wird von der Revision ebenfalls nichts erinnert.
20
5. Ohne Erfolg bleiben die Angriffe der Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greife nicht durch.
21
a) Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen Umsatzausfalls unterliegt allerdings nicht - wie das Berufungsgericht in erster Linie angenommen hat - der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB. Maßgeblich ist vielmehr die spezielle frachtrechtliche Verjährungsvorschrift des § 439 Abs. 1 HGB. Die zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenverträge enthalten konkrete frachtvertragliche Einzelabreden und unterfallen damit § 407 HGB. Der Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 241 Abs. 2 BGB beruht darauf, dass die Beklagte den Kläger trotz bestehender Vertragsbeziehungen im Februar 2004 nicht wie in den Rahmenverträgen vorgesehen mit der Durchführung von Transporten beauftragt hat. Damit resultieren die vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche aus den - den §§ 407 bis 452 HGB unterliegenden - Beförderungen (vgl. BGH TranspR 2000, 214, 217 f.; BGH, Urt. v. 15.1.2009 - I ZR 164/06, TranspR 2009, 132 Tz. 16).
22
b) Gemäß § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB beträgt die Verjährungsfrist für Ansprüche aus einer den §§ 407 bis 452 HGB unterliegenden Beförderung grundsätzlich ein Jahr. Danach wäre hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruches Verjährung eingetreten, da der Lauf der Verjährungsfrist gemäß § 439 Abs. 2 Satz 2 HGB spätestens am 1. März 2004 eingesetzt hat und die Klage erst am 9. Mai 2006 beim Landgericht Stuttgart eingereicht worden ist. Nach § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB verlängert sich die Verjährungsfrist bei Vorsatz oder einem dem Vorsatz gemäß § 435 HGB gleichstehenden Verschulden allerdings auf drei Jahre. Für die im Streitfall erhobene Forderung gilt diese dreijährige Verjährungsfrist.
23
aa) Der Kläger verlangt der Sache nach eine Frachtvergütung für die im Februar 2004 nicht erteilten Einzelaufträge, wie auch seine Berechnung der geltend gemachten Schadensersatzforderung zeigt, die sich an den im Januar 2004 erzielten Umsätzen orientiert. Wirtschaftlich gesehen macht der Kläger mithin einen sekundären Erfüllungsanspruch für Februar 2004 geltend. In einem solchen Fall verjährt der Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 241 Abs. 2 BGB in derselben Zeit wie der ursprüngliche Erfüllungsanspruch (vgl. BGH, Urt. v. 21.3.1968 - VII ZR 84/67, NJW 1968, 1234; Urt. v. 21.1.2004 - IV ZR 44/03, NJW 2004, 1161, 1162).
24
bb) Ob die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auf primäre Erfüllungs- und vertragliche Aufwendungsersatzansprüche aus Frachtverträgen anwendbar ist, ist umstritten. Die eine Anwendbarkeit ableh- nende Auffassung weist vor allem darauf hin, dass andernfalls jede Zahlungsverweigerung zu einer Verlängerung der einjährigen Verjährungsfrist führe, weil diese praktisch immer vorsätzlich erfolge. Auch der Wortlaut des Gesetzes spreche gegen eine Anwendung des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auf primäre Erfüllungs - oder Aufwendungsersatzansprüche. Der Begriff des Vorsatzes sei im deutschen Recht wie im internationalen Transportrecht ein schadensersatzrechtlicher Begriff. Er beziehe sich auf die Verletzung von Verhaltensnormen die zu einer Schädigung von Rechtsgütern oder Vermögenspositionen Dritter führten (OLG Frankfurt a.M., TranspR 2005, 405 f.; MünchKomm.HGB/Herber/ Eckardt, 2. Aufl., § 439 Rdn. 12; Köper TranspR 2006, 191 ff.).
25
Die eine Anwendung befürwortende Auffassung verweist demgegenüber darauf, dass der Wortlaut des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB sowohl Primär- als auch Sekundärleistungsansprüche erfasse. Die objektive ratio legis des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB passe für beide Anspruchsformen. Eine Differenzierung nach Primär- und Sekundärleistungspflichten führe auch zu Wertungswidersprüchen , weil die Schlechterstellung des Erfüllungs- gegenüber dem Schadensersatzanspruch nicht zu begründen sei (vgl. Koller, VersR 2006, 1581 ff.; ders., Transportrecht, 6. Aufl., § 439 HGB Rdn. 27; Schaffert in Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 439 Rdn. 18; Andresen in Andresen/ Valder, Speditions-, Fracht- und Lagerrecht, § 439 HGB Rdn. 19; Rabe in Gedächtnisschrift für Helm, 2001, 301, 303).
26
cc) Der Senat schließt sich der Ansicht an, die eine Anwendung des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auf Primärleistungsansprüche bejaht.
27
Die Verjährungsvorschrift des § 439 Abs. 1 HGB orientiert sich nach der Begründung zum Regierungsentwurf des Transportrechtsreformgesetzes in ihren Grundentscheidungen allerdings weitgehend an Art. 32 Abs. 1 CMR (BT-Drucks. 13/8445, S. 77). Für die dreijährige Verjährungsfrist gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 2 CMR hat der Senat im Jahre 1981 eher beiläufig entschieden, dass diese Regelung auf den vertraglichen Erfüllungsanspruch des Frachtführers nicht anwendbar ist, sondern sich lediglich auf Schadensersatzansprüche und gegebenenfalls auf gesetzliche Ansprüche ähnlichen Inhalts bezieht (BGH, Urt. v. 11.12.1981 - I ZR 178/78, VersR 1982, 649, 650). Hieran hält der Senat nicht mehr fest.
28
(1) Weder die Bestimmung des Art. 32 Abs. 1 CMR noch die des § 439 Abs. 1 HGB differenzieren nach der Art der Ansprüche. Nach ihrem Wortlaut erfassen beide Bestimmungen alle Leistungs- und sonstigen Verhaltenspflichten , die vorsätzlich oder qualifiziert vorwerfbar missachtet werden können.
29
(2) Die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 13/8445, S. 77 f.) bieten für die Bestimmung des Anwendungsbereichs von § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB kein klares Bild. Zu § 439 Abs. 1 HGB heißt es, dass die Vorschrift gegenüber § 196 Abs. 1 Nr. 3 BGB (a.F.) lex specialis sei. Als Anwendungskriterium sei allein der Umstand maßgeblich, dass sich der geltend gemachte Anspruch "aus einer den Vorschriften dieses Unterabschnitts [damit sind die §§ 407 bis 452 HGB gemeint ] unterliegenden Beförderung" ergebe (BT-Drucks. 13/8445, S. 77). Die Verjährungsregelung gelte unabhängig davon, von welcher Seite der Anspruch geltend gemacht werde und auf welchem Rechtsgrund er beruhe. Erfasst würden alle vertraglichen Ansprüche, auch solche aus der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten, soweit diese unmittelbar zur "Beförderung" gehörten und sich nicht etwa aus einer selbständigen vertraglichen Abrede ergäben. Ein Hinweis auf eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auf Sekundärleistungsansprüche findet sich in den Gesetzesmaterialien nicht.
30
Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auf reine Schadensersatzansprüche kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass es in der Gesetzesbegründung heißt, die Vorschrift entspreche in der Sache weitgehend dem geltenden Recht in Art. 32 Abs. 1 Satz 1 und 2 CMR, § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 lit. c KVO, § 439 Satz 1 i.V. mit § 414 Abs. 1 und 2 HGB (a.F.), § 94 Abs. 1 Satz 1 und 2 lit. c EVO (a.F.) und Art. 58 § 1 Satz 1 und 2 lit. c CIM (1990). Es fällt zwar auf, dass Art. 58 § 1 Satz 2 lit. a und b CIM, § 94 Abs. 1 Satz 2 lit. a und b EVO und § 40 Abs. 1 Satz 2 lit. a und b KVO, die die Ansprüche auf Auszahlung einer eingezogenen Nachnahme bzw. des Verkaufserlöses in die verlängerte Verjährungsfrist einbezogen hatten, in der Gesetzesbegründung nicht erwähnt werden. Über die hierfür maßgeblichen Gründe finden sich in den Materialien jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Eine verjährungsrechtliche Schlechterstellung der Primärleistungsansprüche gegenüber den Sekundäransprüchen kann auf diesen Umstand jedenfalls nicht gestützt werden.
31
In anderen Vertragsstaaten der CMR wird die Frage, ob die dreijährige Verjährungsfrist des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 CMR auch für Erfüllungs- und erfüllungsgleiche Ansprüche gilt, nicht einheitlich beurteilt (eine Anwendung bejahend : Clarke, CMR, 5. Aufl. [2009], S. 128 Fn. 134; vgl. auch Paris BullT 1989, 46, 47; verneinend österr. OGH, Entscheidung v. 5.11.1980 - 6 Ob 740/80).
32
(3) Es ist auch kein plausibler Grund ersichtlich, der eine frühere Verjährung von Primärleistungsansprüchen gegenüber Schadensersatzansprüchen bei Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens des Schuldners rechtfertigt. Es wäre vielmehr widersprüchlich, wenn Schadensersatzansprüche gegenüber sonstigen Leistungsansprüchen, die vorsätzlich nicht erfüllt werden, privilegiert würden (Koller aaO § 439 HGB Rdn. 27; ders., VersR 2006, 1581, 1583).
33
Das vom OLG Frankfurt (TranspR 2005, 405, 406) und Herber/Eckardt (MünchKomm.HGB, 2. Aufl., § 439 Rdn. 12) gegen eine Anwendung von § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auf Primärleistungsansprüche ins Feld geführte Bedenken, es käme dann zu einer Umkehrung des im Gesetz bestimmten Regel-/Ausnahmeverhältnisses der ein-/dreijährigen Verjährungsfrist, weil praktisch betrachtet jede Nichterfüllung eines vertraglichen Vergütungs- oder Aufwendungsersatzanspruches vorsätzlich geschehe, ist nicht begründet. Diese Sichtweise berücksichtigt nicht genügend, dass im Zivilrecht - anders als im Strafrecht - ein Rechtsirrtum entsprechend den jeweils maßgeblichen Verschuldensformen entlastend wirkt. Der Vorsatz entfällt, wenn der Schuldner - aus welchen Gründen auch immer - der Ansicht ist, nicht zu schulden, bereits aufgerechnet zu haben oder ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen zu können. Eine die Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auslösende vorsätzliche Nichtzahlung ist dem Schuldner erst dann vorzuwerfen, wenn er entgegen besserem Wissen die Existenz eines Anspruchs abstreitet oder wider besseres Wissen behauptet, dass der gegen ihn gerichtete Anspruch nicht in der geltend gemachten Höhe entstanden sei (Koller, VersR 2006, 1581, 1583; Köper, TranspR 2006, 191, 194). Liegt auf der Hand, dass die vom Schuldner für die Leistungsverweigerung genannten Gründe nur vorgeschoben sind, gibt es keinen vernünftigen Grund, ihm die Rechtswohltat der besonders kurzen Verjährung des § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB zugute kommen zu lassen (vgl. Koller, VersR 2006, 1581, 1583; ebenso zu Art. 32 Abs. 1 Satz 2 CMR MünchKomm.HGB/Jesser-Huß, 2. Aufl., Art. 32 CMR Rdn. 11).
34
c) Das qualifizierte Verschulden i.S. von § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB muss sich auf das den Schaden verursachende Verhalten des Schuldners beziehen. Dementsprechend kommt § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB zur Anwendung, wenn der Schuldner seine ihm dem Gläubiger gegenüber obliegenden Pflichten vorsätzlich oder zumindest leichtfertig und rechtswidrig nicht erfüllt. Auf welcher Grund- lage der Schadensersatzanspruch gestützt wird, ist grundsätzlich ohne Bedeutung , so dass § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auch bei einem Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 HGB zum Tragen kommt (Koller aaO § 439 HGB Rdn. 27; ders., VersR 2006, 1581, 1583; Schaffert aaO § 439 Rdn. 18; a.A. Köper, TranspR 2006, 191, 195 f.).
35
Das Berufungsgericht hat das qualifizierte Verschulden der Beklagten darauf gestützt, dass sie die vom Kläger angebotene Durchführung der vereinbarten Transporte wider besseres Wissen und damit leichtfertig i.S. von § 435 HGB abgelehnt hat. Die Beklagte habe bei Ausspruch der Kündigung am 29. Januar 2004 gewusst, dass eine ordentliche Kündigung zum 31. Januar 2004 nicht möglich gewesen sei. Daher habe sie eine "fristlose" Kündigung aus wichtigem Grund auszusprechen versucht. Diese sei jedoch wirkungslos gewesen , weil eine fristlose Kündigung gemäß § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB - der bei der Kündigung von Rahmenfrachtverträgen Anwendung finde - nur nach erfolgloser Abmahnung oder angemessener Fristsetzung zur Abhilfe möglich sei. Dies sei der Beklagten als im Geschäftsleben erfahrener Unternehmerin auch bewusst gewesen. Diese Beurteilung lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
36
III. Danach ist die Revision der Beklagten gegen das Berufungsurteil mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Bornkamm Pokrant Büscher
Bergmann Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 19.04.2007 - 26 O 202/06 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 23.01.2008 - 3 U 105/07 -

(1) Ansprüche aus einer Beförderung, die den Vorschriften dieses Unterabschnitts unterliegt, verjähren in einem Jahr. Bei Vorsatz oder bei einem dem Vorsatz nach § 435 gleichstehenden Verschulden beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre.

(2) Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Tages, an dem das Gut abgeliefert wurde. Ist das Gut nicht abgeliefert worden, beginnt die Verjährung mit dem Ablauf des Tages, an dem das Gut hätte abgeliefert werden müssen. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 beginnt die Verjährung von Rückgriffsansprüchen mit dem Tag des Eintritts der Rechtskraft des Urteils gegen den Rückgriffsgläubiger oder, wenn kein rechtskräftiges Urteil vorliegt, mit dem Tag, an dem der Rückgriffsgläubiger den Anspruch befriedigt hat, es sei denn, der Rückgriffsschuldner wurde nicht innerhalb von drei Monaten, nachdem der Rückgriffsgläubiger Kenntnis von dem Schaden und der Person des Rückgriffsschuldners erlangt hat, über diesen Schaden unterrichtet.

(3) Die Verjährung eines Anspruchs gegen den Frachtführer wird auch durch eine Erklärung des Absenders oder Empfängers, mit der dieser Ersatzansprüche erhebt, bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, in dem der Frachtführer die Erfüllung des Anspruchs ablehnt. Die Erhebung der Ansprüche sowie die Ablehnung bedürfen der Textform. Eine weitere Erklärung, die denselben Ersatzanspruch zum Gegenstand hat, hemmt die Verjährung nicht erneut.

(4) Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen Verlust oder Beschädigung des Gutes oder wegen Überschreitung der Lieferfrist kann nur durch Vereinbarung, die im einzelnen ausgehandelt ist, auch wenn sie für eine Mehrzahl von gleichartigen Verträgen zwischen denselben Vertragsparteien getroffen ist, erleichtert oder erschwert werden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.