Landgericht Dessau-Roßlau Beschluss, 03. Jan. 2017 - 2 Qs 236/16

ECLI:ECLI:DE:LGDESSA:2017:0103.2QS236.16.0A
03.01.2017

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Beschluss des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 06.10.2016 (Aktz.: 12 Gs 46/16 - 181 Js 22085/16) aufgehoben, soweit darin bereits die Beschlagnahme des bei der Durchsuchung sichergestellten Handys Samsung S6 angeordnet wurde.

Im Übrigen wird die Beschwerde auf Kosten des Beschuldigten zurückgewiesen.

Gründe

1

Durch den vorgenannten Beschluss, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht Dessau-Roßlau die Durchsuchung der Wohnung mit allen Nebenräumen und des sonstigen umfriedeten Besitztums des Beschuldigten, seiner Person sowie der ihm gehörenden Sachen und Kraftfahrzeuge gemäß §§ 102, 105 StPO mit der Begründung angeordnet, dass zu vermuten sei, dass die Durchsuchung zur Auffindung eines Beweismittels, nämlich eines goldfarbenen Handys Samsung S6 (Tel.Nr. …) führen wird. Des Weiteren wurde die Beschlagnahme des Handys für den Fall des Auffindens angeordnet.

2

Die Durchsuchung der Wohnung der Beschuldigten wurde am 28.10.2016 in dessen Gegenwart durch die Polizei durchgeführt. Es wurde das gesuchte Handy sichergestellt. Die Herausgabe erfolgte freiwillig, Widerspruch wurde nicht eingelegt.

3

Mit anwaltlichen Schreiben vom 11.11.2016 legte der Beschuldigte Beschwerde gegen den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 06.10.2016 mit der Begründung ein, dass dem Verteidiger bisher keine Akteneinsicht gewährt worden sei. Am 13.12.2016 wurden dem Verteidiger die Akten übersandt. Auch nach der Einsichtnahme in die Akten erfolgte keine weitere Begründung der Beschwerde.

4

Durch das Amtsgericht Dessau-Roßlau wurde der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.

5

Die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss ist zulässig. Es ist zwar eine prozessuale Überholung dadurch eingetreten, dass die Durchsuchung bereits durchgeführt wurde, so dass in Ermangelung einer gegenwärtigen, fortdauernden Beschwer die zugrunde liegenden Durchsuchungshandlungen grundsätzlich der Anfechtung entzogen wären. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bleibt jedoch die Beschwerde nach Art. 19 Abs.4 GG auch bei durch Zeitablauf erledigten Durchsuchungen zulässig.

6

Die Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung hat jedoch in der Sache keinen . Erfolg. Der Beschluss des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 06.10.2016 ist insoweit nicht zu beanstanden.

7

Nach § 102 StPO kann bei demjenigen, der als Täter oder Teilnehmer einer Straftat verdächtig ist, eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen wird. Tatverdacht im Sinne der Vorschrift bedeutet, dass zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen. Es genügt, dass auf Grund kriminalistischer Erfahrung die Vermutung besteht, dass der Zweck der Durchsuchung erreicht werden kann.

8

Diese Voraussetzungen lagen zum Zeitpunkt der Durchsuchung vor. Nach dem damaligen Stand der polizeilichen Ermittlungen bestanden und bestehen auch weiterhin zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beschuldigte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß §§ 176,176a Abs.2 Nr.1 ‘ StGB schuldig gemacht hat. Zur näheren Begründung der ihm vorgeworfene Straftat sowie die den Tatverdacht begründenden Beweismittel wird auf den Beschluss des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 06.10.2016 Bezug genommen. Der dort dargestellte Sachverhalt, der den Gegenstand der Untersuchung bildet, genügt den Anforderungen an einen Durchsuchungsbeschluss. Insbesondere wurden die zu durchsuchenden Räumlichkeiten sowie das gesuchte Beweismittel konkret bezeichnet.

9

Die Sicherstellung des gesuchten Handys im Zuge der Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten war ebenfalls rechtmäßig, da aus den Angaben der Zeugin … konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Beschuldigte mit dem gesuchten Handy mehrfach Nachrichten an die Zeugin gesandt und sie aufgefordert haben soll, erneut in seine Wohnung zu kommen.

10

Soweit dagegen im. Beschluss bereits die Beschlagnahme des Handys angeordnet wurde, konnte diese Anordnung keinen Bestand haben.

11

Werden im Rahmen einer Durchsuchung Geräte aufgefunden, die als elektronisches Speichermedium dienen, so sind sie zunächst nach § 110 StPO durchzusehen und auszulesen, um eine Entscheidung darüber herbeizuführen, welche beweiserheblichen Daten sich auf dem elektronischen Speichermedium befinden. Ist, wie vorliegend, eine derartige Auswertung nicht sogleich an Ort und Stelle möglich, so . können diese Geräte zum Zwecke der Durchsicht und Auswertung vorübergehend sichergestellt werden. Die Sicherstellung der elektronischen Speichermedien stellt jedoch noch keine Beschlagnahme dar, sondern ist gemäß § 110 StPO noch Teil der Durchsuchung. Erst dann, wenn die Beweisgeeignetheit bzw. die mögliche Einziehung der sichergestellten Gegenstände nach der Auswertung bejaht werden kann, ist eine Beschlagnahmeanordnung zu treffen. Somit war aufgrund der noch nicht erfolgten Auswertung des im Rahmen der Durchsuchung sichergestellten Handys für eine Beschlagnahmeanordnung gegenwärtig noch kein Raum.

12

Eine Herausgabe des sichergestellten Handys kommt aufgrund der noch durchzuführenden Auswertung derzeit noch nicht in Betracht. Hinsichtlich der bisherigen Dauer der Auswertung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch noch gewahrt.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs.1 StPO. Eine Anwendung des § 473 Abs.4 StPO kam wegen des geringen Teilerfolgs, der zudem nicht zu einer Herausgabe des sichergestellten Beweismittels geführt hat, nicht in Betracht.


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Referenzen - Gesetze

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 102 Durchsuchung bei Beschuldigten


Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen sowo

Strafprozeßordnung - StPO | § 105 Verfahren bei der Durchsuchung


(1) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 ordnet der Richter

Strafprozeßordnung - StPO | § 110 Durchsicht von Papieren und elektronischen Speichermedien


(1) Die Durchsicht der Papiere des von der Durchsuchung Betroffenen steht der Staatsanwaltschaft und auf deren Anordnung ihren Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu. (2) Im Übrigen sind Beamte zur Durchsicht der aufgefund

Referenzen

Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen sowohl zum Zweck seiner Ergreifung als auch dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde.

(1) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 ordnet der Richter an; die Staatsanwaltschaft ist hierzu befugt, wenn Gefahr im Verzug ist.

(2) Wenn eine Durchsuchung der Wohnung, der Geschäftsräume oder des befriedeten Besitztums ohne Beisein des Richters oder des Staatsanwalts stattfindet, so sind, wenn möglich, ein Gemeindebeamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in deren Bezirk die Durchsuchung erfolgt, zuzuziehen. Die als Gemeindemitglieder zugezogenen Personen dürfen nicht Polizeibeamte oder Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sein.

(3) Wird eine Durchsuchung in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Durchsuchung von Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen sowohl zum Zweck seiner Ergreifung als auch dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde.

(1) Die Durchsicht der Papiere des von der Durchsuchung Betroffenen steht der Staatsanwaltschaft und auf deren Anordnung ihren Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu.

(2) Im Übrigen sind Beamte zur Durchsicht der aufgefundenen Papiere nur dann befugt, wenn der Inhaber die Durchsicht genehmigt. Andernfalls haben sie die Papiere, deren Durchsicht sie für geboten erachten, in einem Umschlag, der in Gegenwart des Inhabers mit dem Amtssiegel zu verschließen ist, an die Staatsanwaltschaft abzuliefern.

(3) Nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 ist auch die Durchsicht von elektronischen Speichermedien bei dem von der Durchsuchung Betroffenen zulässig. Diese Durchsicht darf auch auf hiervon räumlich getrennte Speichermedien erstreckt werden, soweit auf sie von dem elektronischen Speichermedium aus zugegriffen werden kann, wenn andernfalls der Verlust der gesuchten Daten zu befürchten ist. Daten, die für die Untersuchung von Bedeutung sein können, dürfen gesichert werden.

(4) Werden Papiere zur Durchsicht mitgenommen oder Daten vorläufig gesichert, gelten die §§ 95a und 98 Absatz 2 entsprechend.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.