Landgericht Bochum Urteil, 22. Sept. 2016 - 7 Ks 16/15
Gericht
Tenor
Die Angeklagte wird wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von
sieben Jahren
verurteilt.
Die Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen.
1
G r ü n d e
2I.
3Die jetzt 59 Jahre alte Angeklagte wurde am ### in C geboren. Ihr Vater, der Kriminalbeamter war, ist 2003 verstorben, ihre Mutter war Hausfrau. Die Angeklagte wuchs im Kreise ihrer Familie mit einer Schwester in I auf. Altersgerecht wurde sie eingeschult und wechselte nach vier Jahren auf ein neusprachliches Mädchengymnasium. Dort musste sie die siebte Klasse wiederholen. Sie fühlte sich auf der Schule nicht wohl, da die Eltern einiger ihrer Mitschülerinnen sehr wohlhabend waren und sie sich selbst als Außenseiterin fühlte. Auf Wunsch ihrer Eltern verließ sie das Gymnasium und wechselte auf die Hauptschule. In ihrer Freizeit arbeitete sie als freiwillige Helferin im Krankenhaus. Auf der Hauptschule fühlte sie sich unterfordert. Sie schloss die 10. Klasse mit Qualifikation ab und ging anschließend auf eine Berufsfachschule mit einem sozialen Ausbildungszweig. An drei Tagen in der Woche arbeitete sie in einem Krankenhaus, an zwei Tagen besuchte sie die Schule.
4In dieser Zeit erlitt die Angeklagte bei einem Motorradunfall einen komplizierten Oberschenkelbruch. Sie trug eine einseitige Beinverkürzung von 3 ½ cm davon und hat seit dieser Zeit beständig Rückenschmerzen.
5Die Angeklagte besuchte nach ihrem Unfall die Berufsfachschule nicht weiter, sondern trat dem evangelischen Orden der A Diakonissinnen bei. Dort erhielt sie einen Ausbildungsplatz als Kinderkrankenschwester und lebte während der dreijährigen Ausbildungszeit in E in einem Schwesternwohnheim. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung im Jahr 1977 trat sie aus dem Orden aus. Sie fand eine Anstellung auf der Entbindungsstation in einem Krankenhaus in I und arbeitete drei Jahre lang in ihrem erlernten Beruf.
61980 heiratete sie. Aus der Ehe ging der 1982 geborene Sohn C1 hervor. Die Ehe scheiterte.
7Die Angeklagte holte dann an einer Abendschule das Abitur nach. Sie ging eine neue Beziehung ein, aus der der 1986 geborene Sohn K hervorging. Auch diese Beziehung hatte letztlich keinen Bestand.
8Nach Erlangung des Abiturs begann die Angeklagte ein Studium der Anglistik und der Germanistik. Sie wollte Lehrerin werden. Nach zwei Semestern brach sie das Studium ab, weil sie erkannt hatte, dass sie den Anforderungen des Studiums angesichts des Umstandes, dass sie zwei Kinder zu versorgen hatte, nicht gewachsen war.
91992 trat sie eine Stelle als Krankenschwester im evangelischen Krankenhaus in I an. Zunächst arbeitete sie halbtags als OP-Schwester, später auf der Palliativstation und seit Mai 2015 auf der diabetologischen Station.
10Die Angeklagte hat über etwa zwei Jahrzehnte hinweg bis in das Jahr 2013 hinein schädlichen Gebrauch von Tilidin, einem Schmerzmittel aus dem Bereich der Opiate, betrieben. Sie hatte dieses Medikament zunächst wegen ihrer chronischen Rückenschmerzen verschrieben bekommen und nach längerer Einnahme dessen leistungssteigernde und stimmungsaufhellende Wirkung festgestellt. Es entwickelte sich eine Abhängigkeit, ohne dass es aber zu einer Dosissteigerung kam. Als Tilidin 2013 dem Betäubungsmittelgesetz unterfiel, konnte die Angeklagte es nicht mehr beziehen. Sie versuchte auf andere Schmerzmittel umzusteigen, verspürte aber durch deren Einnahme nicht die von ihr gewünschte euphorisierende Wirkung. Daraufhin machte die Angeklagte im Oktober 2013 eine zehntägige stationäre Entzugsbehandlung. Es kam zu einem Rückfall und schließlich zu einer stationären Behandlung in der psychiatrischen Abteilung des St. N-hospitals in I. Danach hatte sie ihre Abhängigkeit überwunden; eine weitere Substitutionsbehandlung war nicht notwendig.
11Schwere Unfälle oder Erkrankungen mit Beteiligung des zentralen Nervensystems hat die Angeklagte nicht erlitten bzw. durchgemacht.
12Alkohol trinkt die Angeklagte an Feiertagen und gelegentlich am Wochenende, dann meist ein Glas Sekt oder ein „Radler“ (Bier-Limonade-Gemisch).
13Strafrechtlich ist sie bislang nicht in Erscheinung getreten.
14II.
151.
16Bis 2009 bewohnten die Angeklagte und das spätere Opfer, ihre am ### geborene Mutter N (im Folgenden: N), je eine eigene Wohnung im Haus T ## in I. N war lungenkrank. Sie litt an einer exacerbierten chronisch obstruktiven pulmonalen Erkrankung (COPD). Als dieses Krankheitsbild der N sich 2008/2009 so verschlechterte, dass N sich nicht mehr selbst versorgen konnte, zog die Angeklagte zu ihr in die im ersten Obergeschoss des o. g. Hauses gelegene Wohnung.
17Der gesundheitliche Zustand der N verschlechterte sich in den Folgejahren weiter. Im September 2010 erlitt sie ein Bauchaortenaneurysma, das operativ beseitigt wurde. Weiter litt sie unter Herzrhythmusstörungen, weshalb sie dauerhaft mit Marcumar und ASS zur Herabsetzung der Blutgerinnungsneigung medikamentiert wurde. Im November 2010 zog sich N bei einem Sturz eine Oberschenkelhalsfraktur zu, musste deshalb mehrfach operiert werden und erhielt ein künstliches Hüftgelenk. Während des Krankenhausaufenthaltes erlitt sie eine Lungenembolie sowie einen Krampfanfall.
182011 erlitt N eine linkshirnige Ischämie, d. h. eine erhebliche Minderdurchblutung der linken Hirnhälfte und eine rechtsseitige transitorische ischämische Attacke (TIA), d. h. eine vorübergehende erhebliche Minderdurchblutung der rechten Hirnhälfte. Dadurch verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand so sehr, dass sie längere Zeit nicht mehr bei Bewusstsein war und ihre behandelnden Ärzte von einem baldigen Versterben ausgingen.
19Die Angeklagte ließ N in die gemeinsame Wohnung verbringen. Nach einiger Zeit besserte sich der Zustand der N. Sie war wieder bei Bewusstsein. Ihr verblieb allerdings eine linksseitige Bewegungseinschränkung. Sie war zunehmend dement, was seine Ursache teils in der Minderdurchblutung einzelner Gehirnteile hatte und teils altersbedingt war.
20N war in der Folge in hohem Maße pflegebedürftig. Sie war nicht mehr in der Lage, ihre Körperpflege selbst zu bewerkstelligen. Sie musste täglich gewaschen sowie an- und ausgezogen werden. Ein Toilettengang war ihr nicht mehr möglich. Sie hatte dauerhaft einen Blasenkatheter und war stuhlinkontinent.
21Von der Krankenkasse wurde N in Pflegestufe III eingestuft, was zu einer Unterbringung in einem Pflegeheim berechtigte, hier aber dazu führte, dass die Krankenkasse die tatsächlich ausgeübte Pflege vergütete.
22Die Angeklagte pflegte N in der Folgezeit im Wesentlichen selbst. Unterstützt wurde sie dabei durch ihren Cousin, den vor der Kammer als Zeugen vernommenen S, durch ihre vor der Kammer als Zeuginnen vernommenen Bekannten S1, F und X und bis Juni 2014 durch ihren vor der Kammer als Zeugen vernommenen Sohn K. Weiter hatte sie einen professionellen Pflegedienst mit der Betreuung ihrer Mutter beauftragt. Die Beschäftigten dieses Pflegedienstes suchten insbesondere dann, wenn die Angeklagte ihrer Berufstätigkeit nachging, zweimal täglich die N auf. Dieser Pflegedienst versorgte die N jedoch nicht, wenn die Angeklagte nicht berufsbedingt abwesend war; soweit die Angeklagte nicht ihrer Berufstätigkeit nachging, übernahm sie die Pflege der N selbst.
23Dies führte dazu, dass die Angeklagte, die ohnehin schon durch ihre Arbeit im Krankenhaus belastet war, mit der zusätzlichen, täglich in erheblichem Umfang zu leistenden Pflege der N nach einiger Zeit völlig überlastet war. In dieser Situation zeigte sie Ungeduld mit ihrer Mutter, ging grob mit ihr um und schrie diese auch laut an, wenn N ihre Ansprache aufgrund ihrer Demenz nicht verstand. In ihrem Umfeld galt die Angeklagte als robust und einsatzfähig und wurde wegen ihrer aufopfernden Pflege ihrer Mutter bewundert. So organisierte sie Ausflüge zu Konzerten und "Rudelsingen" mit ihrer Mutter, obwohl bereits der Transport der ansonsten nur noch bettlägerigen N in einem Rollstuhl sehr schwierig war. Sofern ihre Söhne ihr Verhalten beanstandeten und sich Sorgen um ihr Wohl und das Wohl der N machten, tat die Angeklagte dies als unbegründet ab und wies darauf hin, dass sie sehr glücklich sei, den Lebensabend der N verschönern zu können und mit dieser zusammen zu leben. Tatsächlich aber war sie tief enttäuscht, dass N ihre Fürsorge nicht mehr würdigen konnte und dass sie keine positive Bestärkung von N mehr erfuhr. Die Leistungen des von ihr beauftragten Pflegedienstes bezeichnete sie als unzureichend und begründete damit dessen nur zeitweisen Einsatz. Gleichwohl beauftragte sie nicht einen anderen Dienst mit der Pflege ihrer Mutter, sondern pflegte einen sehr freundschaftlichen und persönlichen Umgang mit dem Pflegepersonal, das sie duzte und dem sie häufiger kleine Geschenke – wie Wein oder Pralinen – zukommen ließ.
24Soweit die Angeklagte während dieser Zeit einmal wegen einer Lungenembolie selbst zur stationären Behandlung in einem Krankenhaus war, war N zeitgleich stationär im selben Krankenhaus untergebracht.
25Neben der tatsächlichen Pflege hatte die Angeklagte auch die umfassende rechtliche Betreuung der N übernommen. Sie verwaltete deren Rente von rund 800 € monatlich und die Leistungen aus der Pflegekasse. N hatte der Angeklagten eine Bankvollmacht und im Jahr 2009 auch eine Vorsorgevollmacht erteilt. Weiter hatte N im Jahr 2009 eine Patientenverfügung unterzeichnet, deren Inhalt der Angeklagten jedenfalls zur Zeit der Unterzeichnung bekannt gewesen war, weil sie der N beim Ausfüllen des Formulars, auf dem Teile der Patientenverfügung vorgedruckt waren, behilflich gewesen war. In der Patientenverfügung hatte N unter anderem festgelegt, dass sie keine lebenserhaltenden Maßnahmen wünsche, wenn zwei Ärzte unabhängig voneinander bescheinigen würden, dass sie sich unabwendbar unmittelbar im Sterben befinde.
262.
27Am 21.06.2014 konsumierte die Angeklagte anlässlich einer von C1 veranstalteten Feier Alkohol in einer größeren Menge. Sie zeigte sich distanzlos gegenüber dessen Freunden, hatte erhebliche Stimmungsschwankungen und äußerte suizidale Gedanken, die auch dahin gingen, sie wolle für diesen Fall ihre Mutter „mitnehmen“. C1 zog K zu Rate. Dieser veranlasste dann nach einem Telefonat mit der Angeklagten deren Unterbringung nach PsychKG. Vom 22.06.2014 bis zum 29.06.2014 war die Angeklagte dann aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Herne vom 22.06.2014 (4 XIV 2055/L) nach PsychKG NRW untergebracht. Bei ihrer Entlassung hatte sich der psychische Zustand der Angeklagten stabilisiert.
28Beide Söhne und die Schwester der Angeklagten veranlassten anlässlich der Unterbringung der Angeklagten nach PsychKG, dass N in einem Pflegeheim untergebracht wurde und beantragten für diese die Einrichtung einer Betreuung durch einen Berufsbetreuer. Nachdem zunächst eine vorläufige, bis Ende 2014 befristete Betreuung eingerichtet worden war, hob das Betreuungsgericht diese dann nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Eignung der Angeklagten als Betreuerin wieder auf, weil die Angeklagte in der Lage sei, die Betreuung zu führen.
29Die Angeklagte holte die N unmittelbar nach Aufhebung der vorläufigen Betreuung aus dem Pflegeheim in die gemeinsame Wohnung zurück. Sie brach jeglichen Kontakt zu ihren Söhnen und zu ihrer Schwester ab.
303.
31Die Angeklagte ging im Juni 2015 und bis zum Tage des hier gegenständlichen Tatgeschehens ihrer Arbeit als Krankenschwester nach. Seit Anfang Mai 2016 arbeitete sie im Krankenhaus gemeinsam mit ihrer Kollegin, der vor der Kammer als Zeugin vernommenen T, auf einer Station.
32In der ersten Jahreshälfte 2015 und bis zu einem Zeitpunkt kurz vor dem hier gegenständlichen Tatgeschehen stabilisierte sich der Zustand der N. Obwohl diese ganz überwiegend bettlägerig war und einen hohen Pflegeaufwand erforderlich machte, erwarb die Angeklagte in der ersten Jahreshälfte 2015 zwei Karten für ein Konzert des Musikanten B1 in den Niederlanden, das am 05.07.2015 stattfinden sollte. Sie reservierte ein behindertengerechtes Hotelzimmer in den Niederlanden und mietete einen Pkw für die Fahrt dorthin an, weil ihr eigener Pkw ihr als nicht mehr zuverlässig genug erschien. Die Angeklagte hatte insoweit die Vorstellung, gemeinsam mit N dieses Konzert zu besuchen. Dazu wollte sie die N in einem Rollstuhl bzw. mit dem gemieteten Pkw transportieren.
33N wurde bis Juni 2015 durchgängig unter anderem mit den Gerinnungshemmern Marcumar und ASS 100 medikamentiert. Als sich durch das Anfassen der N an den Unterarmen beim Transport und beim Duschen in zunehmendem Maß dort großflächige Hämatome bildeten, überprüfte die Angeklagte den Gerinnungsfaktor, den so genannten Quickwert des Blutes der N, der sich als zu gering herausstellte. Nach telefonischer Rücksprache mit deren Hausarzt wurde die Medikation mit Marcumar am 21.06.2015 ausgesetzt, während ASS 100 weiter verabreicht wurde.
34Zuletzt am 24.06.2015 gegen 12:30 Uhr suchte die vor der Kammer vernommene Zeugin O, die Mitarbeiterin eines Pflegedienstes ist, die N auf. Diese war dabei wach, konnte sich mitteilen und war in einem einwandfreien Pflegezustand.
35Zuletzt am 24.06.2015 gegen 21 Uhr stattete der o. g. S der N einen Besuch ab, was er auch sonst regelmäßig tat. S stellte fest, dass es der N an diesem Abend gut ging.
36III.
37Gegenstand dieses Urteils ist folgendes Tatgeschehen:
38In der Nacht vom 24.06. auf den 25.06.2015 war N sehr unruhig und beeinträchtigte die Nachtruhe der Angeklagten dementsprechend erheblich. Die Angeklagte musste, wie ihr bekannt war, am Morgen des 25.06.2015 gegen 6:00 Uhr ihren Dienst im Krankenhaus antreten und befand sich aufgrund der Unruhe ihrer Mutter in einer akuten Belastungssituation. Insoweit hatte sich die ohnehin gegebene Doppelbelastung der Angeklagten aus ihrer Berufstätigkeit und aus der zeitaufwändigen Pflege der N nochmals zugespitzt. Sie wollte einerseits dem auch selbst gesetzten Anspruch gerecht werden, immer und umfassend für N da zu sein, andererseits wollte sie aber auch ihre beruflichen Pflichten erfüllen, was ihr in dieser Situation - wie sie erkannte - kaum noch möglich war.
39Vor diesem Hintergrund entschloss sich die Angeklagte in der Zeit zwischen dem 24.06.2015, 21.00 Uhr und dem 25.06.2015, 07:00 Uhr, mit hoher Wahrscheinlichkeit in den frühen Morgenstunden des 25.06.2015, die N in das Gesicht und gegen den Kopf zu schlagen, um zumindest für kurze Zeit für Ruhe zu sorgen.
40Die Angeklagte schlug die N im o. g. Zeitraum viermal derart kräftig in das Gesicht und gegen die Schläfe, dass jeder dieser Schläge zu einer erheblichen Verletzung führte. Ob die Angeklagte diese Schläge mit der Faust oder zumindest teilweise mit einem harten Gegenstand wie etwa einer gefüllten Weinflasche ausführte, wofür eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, konnte nicht festgestellt werden. Infolge der Schläge verlor N das Bewusstsein und es entstanden folgende Verletzungen:
41(1)
42An der linken Stirn, unmittelbar am Haaransatz bildete sich ein blau-violettes unregelmäßig begrenztes sechs cm x vier cm messendes Hämatom. Etwa ein cm von dieser Verletzung entfernt, bildete sich ein im Durchmesser etwa ein cm messendes Hämatom.
43(2)
44Am linken Oberlid unmittelbar unterhalb des Augenbrauenbogens entstand ein 2,7 cm x ein cm messende Hämatom, am linken Unterlid ein drei cm x 1,5 cm messendes Hämatom. Oberhalb der linken Augenbraue bildete sich ein vier cm x ein cm großes Hämatom.
45(3)
46An der linken Schläfe entstand ein zehn cm x zehn cm messendes Einblutungsareal. Knöcherne Verletzungen entstanden nicht. Der Schlag gegen die Schläfe, von dem nicht festgestellt werden konnte, ob dieser mit bloßer Hand oder einem Gegenstand, wie etwa einer Flasche verursacht wurde, war aber so stark, dass es zu einem ausgedehnten linksseitigen Subduralhämatom, multiplen linksseitigen Subarachnoidalblutungen, sowie einer Kugelblutung im Hirnbalken und diffusen axonalen Schädigungen kam. Letztere entstanden durch die plötzliche Beschleunigung des Kopfes infolge des heftigen Schlages gegen die Schläfe. Die plötzliche Beschleunigung führte zu Scherkräften innerhalb des Gehirns, weil durch die Heftigkeit des Schlages Teile des Gehirns deutlich schneller beschleunigt wurden als andere. Als Folge dessen wurden zahlreiche im Gehirn befindliche axonale Verbindungen zerrissen.
47Die subdurale Einblutung von insgesamt etwa 210 Gramm Blut führte zu einem Hirnödem und zu einer Kompression der Gefäße, so dass es im Bereich der Aorta cerebri media links, einem großen Blutgefäß innerhalb des Gehirns, zu einem Hirninfarkt kam. Weiter kam es zu einer Hirndrucksteigerung und einer ausgeprägten hypoxisch-ischämischen Enzephalopathie. N verfiel in ein Koma. Die Einblutung in das Gehirn führte gegen 19:30 Uhr am 25.06.2016 zum Tod der N, ohne dass diese das Bewusstsein wiedererlangt hatte.
48(4)
49Am rechten Augenoberlid unmittelbar unterhalb der Augenbraue entstand eine zwei cm x 0,4 cm messende Einblutung. Am rechten Augenunterlid wurde eine weitere 5,5 cm x 2,5 cm lange Einblutung verursacht. An der rechten Kopfseite im Bereich der Wange und des Jochbeins wurde eine acht cm x vier cm messende Verletzung hervorgerufen.
50Die vorstehend festgestellten Verletzungen fügte die Angeklagte der N durch die von ihr zielgerichtet gegen deren Kopf geführten Schläge absichtlich bei.
51Bei Zufügung dieser Verletzung hatte die Angeklagte das Mitbewusstsein, dass die von ihr ausgeführten Schläge gegen den Kopf das Leben der N in hohem Maße gefährdeten und zu deren Tod führen könnten. Die Angeklagte kannte den körperlichen Zustand der N. Sie wusste, dass diese körperlich schwach war und ohne die Möglichkeit einer Gegenwehr dem Angriff ausgeliefert in ihrem Bett lag. Weiter wusste sie um die gesteigerte Blutungsneigung der N.
52Dass die Angeklagte über die Lebensgefährdung hinaus auch den Tod der N wollte oder diesen auch nur billigend in Kauf nahm bzw. sich damit abfand, konnte nicht festgestellt werden.
53IV.
54Nach der Tat war die Angeklagte sehr aufgeregt und - wovon die Kammer insoweit zu ihren Gunsten ausgeht - entsetzt darüber, was sie getan hatte. Sie schenkte sich ein Wasserglas mit Weinbrand oder Rum ein und trank dieses, um sich zu beruhigen. Auch versuchte sie, sich eine Ampulle eines Antidepressivums, das sie in der Wohnung hatte, zu spritzen, was aber wegen ihrer Aufgeregtheit misslang. Sie war sich sicher, dass ihre Mutter nun sterben würde, wollte diesen Vorgang zunächst abwarten und dabei überlegen, wie sie sich verhalten sollte.
55Sie erkannte, dass sie ihren Dienst als Krankenschwester an diesem Tag nicht würde antreten können. Nachdem sie sich zunächst bei einer anderen Arbeitskollegin krank gemeldet hatte und diese Arbeitskollegin im Krankenhaus berichtet hatte, dass die Angeklagte ihr in dem Telefonat als "verwirrt" erschienen sei, rief die vor der Kammer vernommene Zeugin T, eine weitere Arbeitskollegin, gegen 07:15 Uhr bei der Angeklagten an, um sich nach Einzelheiten deren Erkrankung zu erkundigen. Bei diesem Telefonat gewann T den Eindruck, dass die Angeklagte möglicherweise mit der Situation, in der sie war, überfordert war und eine sehr verwaschene Stimme hatte. Hinzu kam die Äußerung der Angeklagten, entweder ihre Mutter oder sie selbst sei tot. Die Angeklagte machte auf T insgesamt einen verwirrten, orientierungslosen Eindruck. So wähnte sich die Angeklagte auf ihrer Arbeitsstelle, rief mehrfach den Vornamen der T und fragte nach, wo diese denn sei. Die Rückfrage der T nach dem Aufenthaltsort der Angeklagten konnte diese zutreffend beantworten. T mutmaßte, die Angeklagte habe möglicherweise einen Schlaganfall erlitten und alarmierte noch während des Telefonats mit der Angeklagten um 07:23 Uhr über den Notruf der Feuerwehr einen Rettungswagen mit der Bitte, sich der Angeklagten anzunehmen.
56Wenige Minuten nach Absetzen des Notrufes trafen als erste RTW-Besatzung die vor der Kammer vernommenen Zeugen S1 und I1 an der Wohnung der Angeklagten ein. Die Angeklagte öffnete die Haustür auf Klingeln nicht. Die Rettungskräfte gelangten schließlich mithilfe einer Nachbarin in das Haus. Sie stellten fest, dass die Wohnungstür der Angeklagten offen stand. Als sich S1 in die Wohnung begab und nach der Angeklagten rief, trat diese ihm mit einem Reinigungsmittel in der Hand entgegen und erklärte, ihre Küche putzen zu wollen. Im Übrigen zeigte sie sich verärgert über das Erscheinen der Rettungskräfte. Auf Fragen nach ihrem Befinden verhielt sie sich abweisend und erklärte, keine Hilfe zu brauchen bzw. zu wollen.
57S1 erkannte an den Äußerungen und dem Verhalten der Angeklagten, dass diese keinen Schlaganfall erlitten hatte, wollte aber gleichwohl klären, ob eine andere Erkrankung die Ursache der von T geschilderten Symptomatik war. Als die Angeklagte sich aus dem Flur in ihre Wohnräume zurückzog, folgten ihr S1 und I1.
58Die Wohnung war mit Ausnahme des Zimmers, in dem die N lag, in einem unaufgeräumten und verdreckten Zustand, was für die Verhältnisse der Angeklagten sonst nicht der Regelfall war. In der Küche stand die Tür des Kühlschranks offen, darunter lagen großflächig Lebensmittel, die zuvor im Kühlschrank gelagert worden waren, auf dem Boden.
59Von S1 auf diesen Umstand angesprochen erklärte die Angeklagte, sie und ihre Mutter hätten „eine ganz schwere Nacht“ gehabt. Es sei aber alles in Ordnung. Der so erstmals gegebene Hinweis auf eine weitere in der Wohnung befindliche Person veranlasste S1 zu weiteren Nachfragen danach; er äußerte den Wunsch, die Mutter zu sehen.
60Als S1 wenig später das Zimmer der N betrat, äußerte die Angeklagte: „Sehen Sie doch! Meiner Mutter geht es gut, sie schläft, weil sie eine schwere Nacht hatte.“ N lag zu diesem Zeitpunkt im Bett, war zugedeckt und lag ein wenig auf die Seite gelagert. S1 sah einen blauen Fleck im Bereich der linken Schläfe sowie ein Hämatom im Bereich des rechten Auges. Die Augen der N waren geöffnet, die Pupillen beidseits geweitet und hatten eine leichte Differenz. Weiter hatte N tiefblaue Flecken an beiden Armen sowie oberflächliche Hauteinrisse im Bereich des linken Unterarms, die noch blutig belegt waren. Weiterhin wies sie Blutverkrustungen im Bereich des Mund-Nase-Dreiecks sowie eine Verformung der Nase auf. Ansprechbar war N nicht.
61Von S1 auf die sichtbaren Verletzungen angesprochen äußerte die Angeklagte: „Was glauben sie denn, wo die Wunden herkommen. Meine Mutter hatte eine schlechte Nacht und ruht sich jetzt nur aus!“
62S1 erklärte, dass er die N vorsorglich in ein Krankenhaus bringen werde. Die Angeklagte befürchtete, dass dort festgestellt werden würde, dass die Verletzungen durch von ihr durchgeführte Schläge verursacht worden seien und reagierte ungehalten. S1 bemerkte Alkoholgeruch bei der Angeklagten. Als er sie darauf ansprach, erklärte die Angeklagte, „sie würde sich sicher immer besaufen, bevor sie zum Dienst gehe. Auch würde sie ihre Mutter immer verhauen“. Dann erklärte sie, der Pflegedienst könne bestätigen, dass der Zustand ihrer Mutter in Ordnung sei.
63Die Frage des S1, ob ihre Mutter aus dem Bett gefallen sei, verneinte sie. S1 forderte einen Notarzt, den vor der Kammer vernommenen Zeugen B und einen weiteren Rettungswagen an. B traf gegen 8 Uhr in der Wohnung der Angeklagten ein. Die Angeklagte erklärte ihm gegenüber, sie kenne das ganze Procedere; es sei schon einmal passiert. Ihrer Mutter gehe es sehr schlecht. In der letzten Zeit habe eine Überdosierung betreffend Marcumar bei ihrer Mutter bestanden. Der Hausarzt habe das Medikament ausgesetzt. Die letzte Einnahme von Marcumar durch ihre Mutter sei vor drei Tagen erfolgt. Sie mache sich große Sorgen um ihre Mutter, weil diese in der Nacht sehr unruhig gewesen sei. Als B die Angeklagte danach fragte, wodurch die Hämatome bei ihrer Mutter verursacht worden seien, entgegnete die Angeklagte sinngemäß, ob er denn glaube, dass sie ihre Mutter mit einem Hammer geschlagen habe.
64Auf ausdrückliches Nachfragen durch B verneinte die Angeklagte ihm gegenüber ein Sturzereignis ihrer Mutter. Sie gab an, sie sei Krankenschwester, ihre Mutter habe immer in einem super Pflegezustand gelebt. Mit der von B angeordneten Verbringung ihrer Mutter in ein Krankenhaus zeigte sich die Angeklagte nicht einverstanden. Sie verwies auf die von N erstellte Patientenverfügung und deren Vorsorgevollmacht, die sie (die Angeklagte) als Bevollmächtigte ausweise.
65B veranlasste trotz des massiven Widerstandes der Angeklagten die Verbringung der N in ein Krankenhaus.
66B und die weiteren Rettungskräfte gewannen den Eindruck, dass die Angeklagte aufgrund ihres instabilen psychischen Zustandes nicht allein in der Wohnung verbleiben könne. Sie roch nach Alkohol und trug ein blutverschmiertes Sweat-Shirt.
67Zwischenzeitlich war die von der Kammer vernommene Zeugin O, die für den Pflegedienst tätig war, ebenfalls in der Wohnung erschienen. Die Angeklagte versuchte, die O zur Bestätigung ihrer Angaben über den Gesundheits- und Pflegezustand der N zu veranlassen und siezte diese, obwohl sie sich zuvor sonst stets geduzt hatten.
68Wenig später erschien der vor der Kammer vernommenen Zeuge I2 vom Sozialen Dienst, der die Angeklagte als dysphorisch und gereizt erlebte. Sie sprach sich weiterhin vehement gegen die Verbringung der N in ein Krankenhaus aus und wies auf die Patientenverfügung der N hin. Als N dann mit dem Rettungswagen abtransportiert wurde, wollte die Angeklagte zunächst hinterher fahren. I2 fragte sie nach Suizidabsichten, worauf diese wieder mit der rhetorischen Gegenfrage antwortete, wer habe diese nicht. Der Zeuge hielt die Angeklagte für stark alkoholisiert und glaubte, dass sich die Ereignisse von Juni 2014, die zu einer Einweisung nach PsychKG geführt hatten und bei denen er ebenfalls tätig geworden war, wiederholt hätten. Er konnte die Angeklagte dann überzeugen, ohne Widerstand in einen Rettungswagen zu steigen, der sie zum Marienhospital nach I verbrachte. Dort wurde als psychischer Befund festgehalten, dass die Angeklagte alkoholintoxiert gewirkt habe, aber allseits orientiert gewesen sei. Es habe kein Wahn, keine Sinnestäuschung oder Ich-Störung bestanden. Der aufnehmende Arzt beschrieb die Angeklagte als im Affekt eher labil, weinerlich, niedergeschlagen, unruhig, angespannt bis dysphorisch. Sie äußerte suizidale Gedanken und wollte unbedingt zu N ins Krankenhaus.
69Am Abend des 26.06.2015 telefonierte die Angeklagte mit der vor der Kammer vernommenen Zeugin X. Dabei berichtete sie, sie sei am 25.06.2015 morgens aufgewacht; ihre Mutter habe auf Ansprache nicht mehr reagiert. Sie (die Angeklagte) habe dann angefangen zu schreien und habe ihrer Mutter mehrfach gegen die Wangen geschlagen, um diese aufzuwecken. Diese Schläge hätten dann zu Hämatomen geführt. Anschließend habe sie (die Angeklagte) im Krankenhaus angerufen und gesagt, dass sie nicht zum Dienst komme, weil ihre Mutter im Sterben liege. In ähnlicher Weise äußerte sich die Angeklagte auch gegenüber ihren Bekannten F und S1.
70V.
71Die Angeklagte ist am 29.06.2015 vorläufig festgenommen worden. Körperliche Verletzungen, insbesondere solche, die auf ein Kampfgeschehen hindeuten könnten, hatte die Angeklagte zur Zeit ihrer Festnahme nicht.
72Das Amtsgericht Bochum hat am 30.06.2015 Haftbefehl gegen die Angeklagte erlassen (64 Gs 2266/15) und hat diesen zugleich unter einer Meldeauflage außer Vollzug gesetzt. Die Angeklagte hatte sich danach zweimal wöchentlich auf einer Polizeiwache zu melden.
73Im Rahmen der Haftbefehlsverkündung hat, die Angeklagte sinngemäß erklärt, es sei möglich, dass sie die Verletzungen ihrer Mutter verursacht habe, als sie diese mit der flachen Hand „getätschelt“ habe.
74Nachdem die Anklage vom 09.12.2015 mit Beschluss vom 26.02.2016 zur Hauptverhandlung zugelassen worden war und zugleich die Meldeauflage auf eine wöchentliche Meldung abgeändert worden war, konnte die Hauptverhandlung zunächst nicht zeitnah terminiert werden, weil die Kammer mit vorrangigen Haftsachen ausgelastet war. Ohne diese Auslastung der Kammer hätte mit der Hauptverhandlung etwa fünf Monate früher begonnen werden können.
75VI.
76Die getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor der Kammer, namentlich der Einlassung der Angeklagten, soweit dieser gefolgt werden konnte. Die Kammer ist von der Richtigkeit der getroffenen Feststellungen überzeugt. Diese Überzeugung hat die Kammer aufgrund folgender Umstände gewonnen:
771.
78a)
79Die Angeklagte hat umfassende Angaben im Sinne der getroffenen Feststellungen zu ihrem Werdegang gemacht. Die Kammer hat keinen Anlass, an den Angaben zu zweifeln, zumal sie teilweise durch die Bekundungen der Zeugen K, S1 und F bestätigt worden sind.
80b)
81Zum Tatgeschehen hat die Angeklagte sich dahin eingelassen, die Anklage sei zum Teil falsch. Sie habe ihrer Mutter lediglich mit der flachen Hand „ins Gesicht geklatscht“, weil sie leblos und nicht mehr ansprechbar gewesen sei. Durch dieses Verhalten habe sie eine Reaktion bei dieser hervorrufen wollen. Ihre Mutter sei aber weiterhin bewusstlos und „schlaff“ gewesen. Soweit das Gesicht ihrer Mutter Hämatome aufgewiesen habe, sei das auf deren schlechte Blutgerinnung zurückzuführen. Schon die kleinsten Berührungen hätten blaue Flecken verursacht. Ihre Handlung sei allein eine Reaktion auf den Zustand der Mutter gewesen, die keine Regung mehr gezeigt habe. Sie habe früher auf der Palliativstation im Krankenhaus gearbeitet und sei gelernte Krankenschwester. Daher wisse sie, dass man nach Narkosen versuche, bewusstlose Patienten durch leichte Schläge auf die Wangen ins Bewusstsein zurückzuführen.
82Als ihre Mutter nicht reagiert habe, habe sie sich überlegt, was sie nun tun solle. Sie habe eine Kollegin verständigt und dieser mitgeteilt, dass sie nicht zum Dienst erscheinen werde. Sie habe für sich ausgeschlossen, einen Notarzt zu rufen, weil die Mutter zuhause habe sterben wollen und eine Patientenverfügung hinterlassen habe, aus der sich ergebe, dass diese nicht in die Palliativmedizin gewollt habe. Ihre Mutter sei seit viereinhalb Jahren nach einem Schlaganfall schwer körperbehindert gewesen, ansonsten sei es ihr noch ganz gut gegangen. Am Abend des 24. Juni sei es ihr auch gut gegangen. Sie habe noch gelacht. Sie habe ihre Mutter regelmäßig um 5:00 Uhr früh umgebettet, so auch am Morgen des 25.06.2015. Als sie in das Zimmer ihrer Mutter gekommen sei, sei es dort „schummrig“ bis dunkel gewesen. Sie habe dort nur ein kleines Lämpchen angehabt. Sie habe gemeint, ihre Mutter würde schlafen. Das sei häufig so gewesen, wenn sie morgens bei ihr erschienen sei. Während des Umbettens sei ihre Mutter dann regelmäßig aufgewacht.
83Als sie ihrer Mutter an diesem Morgen das Nachthemd ausgezogen habe, sei diese ganz schlaff gewesen. Sie habe keine Reaktion gezeigt und auch auf Ansprache nicht reagiert. Ihre Mutter habe keinen Muskeltonus aufgewiesen. Sie habe daraufhin gerufen: „Mama, was ist los?“ Darauf habe sie keine Antwort bekommen.
84Auf Vorhalt erklärte die Angeklagte, sie sei sich sicher, dass ihre Mutter nicht aus dem Bett gefallen sei. Sie sei seit mehr als vier Jahren bettlägerig und sei auch zuvor nie aus dem Bett gefallen. An dem Morgen habe sie ohne Muskeltonus im Bett gelegen; sie sei schlaff gewesen. Daraufhin habe sie ihr ins Gesicht „geklatscht“ und zwar öfters links und rechts. Dabei habe sie gerufen: „Mutti, Mutti, was ist mit dir?“ Ihre Mutter habe keine Reaktion gezeigt. Da sei für sie klar gewesen, dass ihre Mutter nun im Sterben liege. Das habe sie stark erschüttert und sie habe zu ihrer Mutter gesagt: „Mami, geh' noch nicht!“ Sie habe ihre Mutter nicht mit der Faust geschlagen. Sie habe ihr nur einige „Klapse“ ins Gesicht gegeben geben. Deren Geräusch habe sie noch im Ohr. Sie habe ausschließlich auf die Wangen geklatscht und nur mit der flachen Hand geschlagen.
85Auf Vorhalt, dass sie die Rettungskräfte gefragt habe, ob diese glauben würden, sie habe ihrer Mutter mit dem Hammer auf den Kopf gehauen, erklärte die Angeklagte, es sei möglich, dass sie so etwas gesagt habe. Sie habe ihre Mutter nicht mit einem Hammer geschlagen. Sie habe mit ihrem Verteidiger über das rechtsmedizinische Gutachten und die Feststellungen der Einblutungen im Gehirn gesprochen. Diese würden sich genau an der Stelle befinden, wo ihre Mutter seinerzeit den Schlaganfall erlitten hatte. Wenige Tage vor ihrem Tod habe der Hausarzt einen deutlich erniedrigten Quickwert festgestellt, der auf eine Überdosierung von Marcumar zurückzuführen gewesen sei. Deshalb sei das Medikament auf den Rat des Hausarztes von ihr vorläufig abgesetzt worden. Die Gerinnungsstörungen bei ihrer Mutter hätten dazu geführt, dass diese sehr schnell blaue Flecken davongetragen habe, auch wenn man sie lediglich angefasst habe. Sie sei niemals gewalttätig gegenüber ihrer Mutter gewesen.
86Auf Vorhalt, dass sie beim Eintreffen der Rettungskräfte alkoholisiert gewesen sei, erklärte die Angeklagte, sie habe ein Glas Schnaps getrunken, als sie realisiert habe, dass ihre Mutter im Sterben lag. Das sei zwischen 5:30 Uhr und 6:00 Uhr gewesen. Es habe sich um ein Wasserglas gehandelt, dass sie nicht ganz ausgetrunken habe. Sie gehe davon aus, dass sie Weinbrand oder Rum getrunken habe. Nach dem Genuss des Alkohols sei sie ruhiger geworden. Sie sei sicher nicht betrunken gewesen. Sie trinke eher wenig Alkohol, gelegentlich Wein oder Bier. Es gebe aber auch Wochen ohne den Konsum von Alkohol. Soweit in ihrer Wohnung eine Weinflasche aufgefunden worden sei, habe sie diese für die Angestellte vom Pflegedienst, die Schwester O (gemeint: die Zeugin O) besorgt. Sie habe den Pflegedienstkräften häufiger Wein oder Pralinen hingestellt, weil diese sich gut um ihre Mutter gekümmert hätten.
87Sie habe nach dem Genuss des Alkohols in Ruhe den weiteren Verlauf so geplant, wie sie es mit ihrer Mutter zuvor besprochen hatte. Diese habe immer erklärt, sie wolle in Ruhe zuhause versterben und keinesfalls in ein Heim oder ein Krankenhaus. Deshalb habe sie sich auf Ihrer Arbeitsstelle im Krankenhaus abgemeldet und dort erklärt, dass ihre Mutter im Sterben liege. Da es noch so früh am Morgen gewesen sei, sei in der Verwaltung des Krankenhauses, in dem sie arbeite, noch niemand gewesen, so dass sie eine Kollegin, die Krankenschwester sei, angerufen habe. Sie habe nur noch bei ihrer Mutter sein wollen und dabei die Vorstellung gehabt, dass diese jetzt sterbe. Suizidgedanken habe sie selbst nicht gehabt, habe aber versucht, sich selbst eine Ampulle eines Beruhigungsmittels, ein Antidepressivum, zu spritzen.
88Auf Vorhalt, dass Konzertkarten in ihrer Wohnung aufgefunden worden seien, hat sie ausgesagt, es handele sich um Karten für ein Konzert des B1 in den Niederlanden. Sie habe mit ihrer Mutter dorthin fahren wollen. Obwohl Ihre Mutter nach dem Schlaganfall halbseitig gelähmt gewesen sei, sei es ihr doch möglich gewesen, sich im Rollstuhl zu bewegen. Sie habe ihre Mutter häufig in den Garten transportiert, wo diese dann mit ihren Freundinnen gesessen habe. Sie habe beabsichtigt, mit einem Leihwagen in die Niederlande zu fahren. Ein Fahrzeug, das für den Transport ihrer Mutter geeignet gewesen sei, habe sie bereits angemietet gehabt. Ihr eigenes Auto sei alt gewesen und darin habe ihre Mutter nicht gut sitzen können. Sie habe es für sicherer gehalten, mit einem Leihfahrzeug zu fahren. Auch ein behindertengerechtes Hotelzimmer habe sie bereits Monate vorher gebucht gehabt. Es sei nicht so gewesen, dass Ihre Mutter die Wohnung nicht habe verlassen können. Ein paar Monate zuvor - vermutlich im November 2014 - sei sie mit Freunden und ihrer Mutter zusammen zu einem „Rudelsingen“ gefahren. Das habe ihrer Mutter großen Spaß gemacht.
89Sie sei mit ihrer Arbeit und der Pflege ihrer Mutter gut zurechtgekommen. Ihre Wohnung habe sich nie in einem desolaten Zustand befunden. Es sei immer sauber und aufgeräumt gewesen. In der Nacht, als es ihrer Mutter so schlecht gegangen sei, habe sie sich einen Kaffee gekocht und dafür Milch holen wollen. Beim Herausnehmen der Milch aus dem Kühlschrank sei die Einlage mit allem, was darauf stand, zu Boden gefallen. Sie habe das in der Aufregung nicht weggeräumt.
90Nachdem im Rahmen der Beweisaufnahme die Vorsorgevollmacht und die Patientenverfügung der Verstorbenen aus dem Jahr 2010 verlesen worden waren, hat die Angeklagte erklärt, diese Urkunden seien ihr bekannt gewesen. Wenn dort stehe, dass sämtliche Maßnahmen eingestellt werden sollten, nachdem zwei Ärzte den Gesundheitszustand der Verstorbenen begutachtet hätten, habe sie an dem Morgen dennoch keine Ärzte herbeigerufen, weil diese dann hätten sofort handeln und ihre Mutter ins Krankenhaus einweisen müssen. Das habe sie verhindern wollen. Tatsächlich habe sie es nicht mehr präsent im Kopf gehabt, welche Voraussetzungen für eine Einstellung sämtlicher Behandlungsmaßnahmen dort aufgeführt worden seien.
91Beim Umbetten oder Setzen ihrer Mutter in den Rollstuhl sei es zu Hämatomen und Hauteinrissen gekommen, was auf den schlechten Gerinnungswert des Blutes und die sehr trockene Haut ihrer Mutter zurückzuführen gewesen sei. Sie selbst sei mit der Pflege nicht überfordert gewesen und habe ihre Mutter nie grob behandelt. Sie habe auch nicht zu Wut- oder Schreianfällen geneigt. Sie könne allerdings nicht in Abrede stellen, dass sie im Umgang mit der Mutter auch mal laut geworden sei. Am Schluss sei sie aber nicht mehr laut gewesen. Die Hautrisse seien schon beim bloßen Anfassen entstanden.
92Sie habe ihre Mutter nicht mit einem Gegenstand geschlagen, sie könne sich auch nicht vorstellen, welcher das gewesen sein könnte. Ihre Mutter habe ein etwa 50 cm hohes Seniorenbett gehabt, aus dem sie zu keinem Zeitpunkt herausgefallen sei - weder in der fraglichen Nacht noch jemals zuvor. Da sie halbseitig gelähmt gewesen sei, seien an dem Bett keine Gitter gewesen. Ihre Mutter habe auch keine dementiellen Züge gehabt. Man habe sich gut mit ihr unterhalten können. Die Mutter sei zufrieden und dankbar gewesen. Sie selbst „erschlage normalerweise keine Menschen“. Sie sei eher weinerlich und habe ein Suchtverhalten. Sie habe aber keine Aggressionen. Sie vermute, dass die Kopfverletzungen durch ein Unglück beim Transport geschehen seien. Die Sanitäter hätten die Mutter mittels eines Tragetuchs herausgetragen. Möglicherweise seien sie mit dem Kopf gegen die Türeinfassung oder eine Ecke geschlagen.
932.
94Diese Einlassung ist, soweit sie von den getroffenen Feststellungen abweicht, zur Überzeugung des Gerichts im Sinne der getroffenen Feststellungen widerlegt. Bei ihrer Überzeugungsbildung stützt sich die Kammer wesentlich auf die Gutachten der rechtsmedizinischen Sachverständigen zu den Verletzungen der N und deren Ursachen.
95Danach steht fest, dass N im Zeitraum vom 24.06.2015, 21:00 Uhr bis zum 25.06.2015, 07:00 Uhr durch insgesamt mindestens vier kräftige Schläge in das Gesicht bzw. gegen die Schläfe verletzt worden ist, die in ihrer Intensität nicht mit den von der Angeklagten eingeräumten leichten Schlägen mit der flachen Hand ins Gesicht zu vereinbaren sind. Zumindest der Schlag gegen die Schläfe, der zu der festgestellten großen Einblutung führte, ist mit sehr großer Kraftanwendung, mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar mit einem harten Gegenstand ausgeführt worden.
96a)
97Die sachverständige Rechtsmedizinerin U, die den Leichnam der Verstorbenen obduziert und deren Verletzungen im Einzelnen gesehen, fotografisch dokumentiert und der Kammer beschrieben hat, hat ausgeführt, der Leichnam habe mehrere großflächige Hämatome im Wangenbereich, im Bereich der Unter- und Oberlider und an der Schläfenseite aufgewiesen. Das Opfer habe an der Stirn linksseitig, unmittelbar am Haaransatz eine blau-violette unregelmäßig begrenzte Hämatomverfärbung von sechs cm Länge und bis zu vier cm Breite gehabt. An der Stirn, etwa ein cm von der zuerst beschriebenen Verletzung entfernt, sei eine weitere, rundliche, im Durchmesser etwa einen cm messende Hämatomverfärbung sichtbar gewesen. Unmittelbar oberhalb der linken Augenbraue habe sich eine vier cm breite und bis zu einem cm lange Hämatomverfärbung befunden. Am linken Oberlid unmittelbar unterhalb des Augenbrauenbogens sei eine rötliche, quergestellte, 2,7 cm mal ein cm messende Hämatomverfärbung entstanden. Am Unterlid übergehend auf die Nasenwurzel sei eine weitere blau-violette, drei cm lange und 1,5 cm breite Hämatomverfärbung zu sehen gewesen. Sie habe an der Nasenwurzel, übergehend auf die linke Nasenseite, eine unscharf begrenzte bläulich-violette Hämatomverfärbung festgestellt, in deren Zentrum sich eine frisch erscheinende rundliche, deutlich gerötete Hämatomverfärbung von ein cm Größe gezeigt habe. Am rechten Augenoberlid, ebenfalls unmittelbar unterhalb der Augenbraue, sei eine aus kleinen punktförmigen Blutungen bestehende, insgesamt zwei cm breite und bis zu 0,4 cm lange Hämatomverfärbung festgestellt worden. Am rechten Augenunterlid, übergehend auf die rechte Seite der Nasenwurzel, eine weitere 5,5 cm breite und bis zu 2,5 cm lange Hämatomverfärbung.
98An der linken Kopfseite unmittelbar vor dem Ohr beginnend und bis auf die rechte Kinnseite reichend sei ein zehn cm mal zehn cm messendes Arial sichtbar gewesen, indem die Haut teilweise intensiv rot-violett verfärbt war und das randlich unscharf begrenzt gewesen ist. Hier sei die Verfärbung in kleine punktförmig gefügte Hautverfärbungen übergegangen. An der rechten Kopfseite im Bereich der Wange und des Jochbeins habe eine insgesamt acht cm mal vier cm messende Verletzung aus kleineren und größeren fleckförmigen Hautrötungen bestanden. Die Augenbindehäute seien frei von punktförmigen Einblutungen und frei von flächenförmigen Einblutungen gewesen.
99Darüber hinaus habe sie Einblutungen in die Lippen sowie in die Lippenschleimhaut der Oberlippe beidseits festgestellt. Das linksseitige Hämatom der Wange habe zu einer deutlichen Einblutung in die innere Wangenschleimhaut geführt.
100Im oberen mittigen Bereich des Brustkorbes seien vereinzelte kleinfleckige und punktförmige Einblutungen in einem Gesamtbereich von zehn cm mal fünf cm festgestellt worden, die lediglich vereinzelt vorhanden gewesen seien. An der linken Brustkorbseite habe die Verstorbene eine 1,5 cm im Durchmesser betragende, rot-violette Hämatomverfärbung aufgewiesen. Am Ansatz der linken Brust eine teilweise verwaschen wirkende, insgesamt acht cm breite und bis zu acht cm lange rot-blaue Hämatomverfärbung.
101Am linken Oberschenkel sei mittig an der Außenseite eine blass-bläuliche im Durchmesser etwa zwei cm messende Hämatomverfärbung festgestellt worden, die zentral kleinfleckig Rötungen aufgewiesen habe.
102Der rechte Unterarm sowie die rechte Hand seien stark geschwollen gewesen. Der rechte Unterarm habe eine großflächige, dunkelrot-violette Unterblutung aufgewiesen, die am Ellenbogengelenk begonnen und bis in den rechten Handrücken gereicht habe. Die Haut sei ausgesprochen dünn und bei Berührung leicht ablösbar gewesen. Es hätten sich innerhalb dieser Hämatomverfärbung vereinzelt ältere, sehr unregelmäßig konfigurierte Narben gezeigt. Die Verfärbung sei nahezu um den gesamten Arm herum ausgeprägt gewesen.
103Der linke Oberarm habe vereinzelte kleinfleckige Blutungen aufgewiesen. Beginnend an der Mitte des linken Oberarms und bis auf den linken Handrücken sei entsprechend der rechten Seite eine großflächige dunkelrot-violette Hautunterblutung sowie eine Schwellung, die nahezu zirkulär um den Unterarm verlaufen sei, vorhanden gewesen. Auch insoweit hätten sich kleinfleckig ältere Narben gefunden. Die hohle Hand habe eine bläuliche Einblutung im Bereich des Daumenballens aufgewiesen.
104An der Rückseite des rechten Unterschenkels, etwa fünf cm oberhalb der Ferse, sei eine rot-violette Hautunterblutung mit einer Größe von 2,5 cm x zwei cm vorhanden gewesen.
105Entsprechend der äußeren Besichtigung der beschriebenen Einblutung an der linken Stirnseite hätten sich dort Einblutungen in sämtliche Schichten der Kopfschwarte befunden. Die Schläfenmuskulatur sei blass rot-braun gefärbt und frei von Verletzungsspuren gewesen. Unter der harten Hirnhaut, die gesamte linke Großhirnhalbkugel betreffend, habe sie eine Einblutung festgestellt, in der reichlich flüssiges, teils koaguliertes Blut vorhanden gewesen sei, das insgesamt 210 Gramm gewogen habe.
106Nach Abziehen der harten Hirnhaut von der Schädelbasis hätten sich keine Brüche oder Sprünge gefunden. Das Gehirn sei von außen regelgerecht konfiguriert erschienen. Die Hirnwindungen seien jedoch deutlich geschwollen gewesen. Unterhalb der inneren Hirnhäute im Bereich der linken Hirnhalbkugel hätten sich vereinzelt Prellungsherde bzw. auf Prellungsherde verdächtigte Einblutungen gezeigt. Sie habe das Gehirn in Gänze belassen und es für die neuropathologische Untersuchung der Sachverständigen Prof. Dr. L zur Verfügung gestellt.
107Nach ihrer sachverständigen Bewertung belege das Ergebnis der Obduktion einen Zustand nach stumpfer Gewalteinwirkung gegen das Gesicht und den Kopf sowie eine daraus folgende massive Einblutung unter die harte Hirnhaut. Nach Lage der Hämatome seien mindestens vier Schläge gegen den Kopf geführt worden, und zwar je ein Schlag im Bereich beider Augenlider, ein Schlag auf die linke Wange und ein Schlag auf die linke Schläfe. Ein wesentlich weniger intensiver Schlag sei gegen die rechte Wange geführt worden.
108Das Hämatom am Bein sei wenig intensiv ausgebildet gewesen. Es könne auch durch bloßes Liegen entstanden sein.
109Die im Gesicht verteilten diffusen Verletzungen würden gegen ein Sturzereignis oder einen Stoß gegen ein Bettteil sprechen, denn diese befänden sich nicht an sturz- oder anstoßtypischer Stelle. Die Verletzungen der zurückliegenden Teile der Augenhöhle und der Nasenwurzel seien ebenfalls nicht mit einem Sturzereignis erklärbar, sondern auf eine wiederholte stumpfe Gewaltanwendung gegen das Gesicht und den Kopf zurückzuführen. Es sei davon auszugehen, dass darüber hinaus weitere stumpfe Gewalteinwirkung gegen das Gesicht stattgefunden habe, da entsprechende Unterblutungen auch im Stirnbereich sowie im Bereich beider Wangen und auch am Kinn festgestellt worden seien.
110Demgegenüber seien die großflächigen Unterblutungen und Schwellungen im Bereich beider Unterarme am ehesten mit einer so genannten Altershaut in Einklang zu bringen. Infolge zunehmenden Lebensalters würden Haut und Gefäßwände an den Armen ausgesprochen dünn und fragil und derartige Blutungen, die sich relativ oberflächlich ausprägten, könnten schon infolge relativ geringgradig ausgeprägter Gewalteinwirkung wie etwa kräftiges Zupacken entstehen. Dafür spreche, dass an den Armen lediglich die Oberhaut unterblutet gewesen sei und die Einblutungen nicht tief in das Fettgewebe eingedrungen waren.
111Die Verstorbene habe einen relativ geringen Quick-Wert gehabt. Dies lasse sich mit einer deutlich verlängerten Blutungszeit in Einklang bringen. Wenn diese verlängerte Blutungszeit auch im Zeitpunkt der Einblutung unter die harte Hirnhaut bestanden habe, könne dies dazu beigetragen haben, dass die Blutung sich in dem Maße ausgeprägt habe, wie sie sich letztlich gezeigt habe. Dieser geringe Gerinnungswert sei aber nicht ursächlich für die Blutung als solche gewesen. Lediglich die Blutungsfolgen seien bei einem geringen Gerinnungswert intensiver. Die Kraft, die erforderlich sei, um Blutgefäße zum Platzen zu bringen, hänge indes nicht vom Gerinnungswert des Blutes ab.
112Abgesehen von den beschriebenen Verletzungen sei der Pflegezustand der Verstorbenen im Übrigen gut gewesen.
113Das Opfer habe eine deutliche Herzmassenvergrößerung gehabt. Die drei großen Herzkranzadern seien zugesetzt gewesen, ohne jedoch verschlossen gewesen zu sein. Es habe eine hochgradige Arteriosklerose bestanden und eine Insuffizienz einer Niere. Diese sei aber nicht todesursächlich gewesen. Todesursächlich sei die Einblutung unterhalb der harten Hirnhaut gewesen.
114Die von ihr im Gesicht festgestellten Hämatome könnten bis auf das Hämatom an der rechten Wangenseite nicht durch das von der Angeklagten beschriebene „Klatschen“ hervorgerufen worden sein. Das letztgenannte Hämatom könne seine Ursache in einer Ohrfeige oder in dem von der Angeklagten vorgetragenen „Tätscheln“ haben. Alle anderen Kopfverletzungen seien durch eine intensive stumpfe Gewalteinwirkung, wie etwa einen Faustschlag, hervorgerufen worden. Darauf könne auch die Hämatomverfärbung über dem linken Auge hindeuten, die durch einzelne Fingerknöchel verursacht worden sein könnte, was allerdings angesichts der Blutungsneigung des Opfers nicht sicher feststellbar gewesen sei.
115Hinweise auf ein Sturzgeschehen habe sie nicht. Sie habe am Körper des Opfers insbesondere keine anderen Verletzungen festgestellt, die auf ein Sturzereignis hindeuten könnten. Wenn N aus dem Bett gefallen wäre, hätte diese sich noch weitere Verletzungen im Schulter- oder Oberarmbereich zuziehen müssen. Solche seien aber nicht vorhanden gewesen seien. Nach ihrer Einschätzung habe es eine massive Gewalteinwirkung zumindest auf jedes Auge, auf die linke Wange und ganz erheblich auf die Schläfe gegeben. Dabei sei es zu Einblutungen auch in die Mundhöhle kommen. Das Opfer habe Blut in den Atemöffnungen gehabt, habe Blut eingeatmet und bis in die Lunge aspiriert gehabt.
116Soweit in Frage stehe, ob N vor einigen Jahren einen Schlaganfall mit der Folge einer linksseitigen Lähmung erlitten habe, könne sie eine solche Lähmung aus rechtsmedizinischer Sicht nicht bejahen. Sie habe keine deutliche Differenz der Muskelmasse an den Extremitäten festgestellt. Der muskuläre Status an beiden Beinen sei ähnlich ausgeprägt gewesen. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass das Opfer bettlägerig gewesen sei, so dass auch auf einer nicht befallenen Seite ein Muskelabbau stattgefunden habe.
117Gegen einen Schlaganfall mit der Folge einer halbseitigen Lähmung spreche auch, dass in den ärztlichen Berichten insoweit zunächst von einer multikausalen Bewegungsbeeinträchtigung die Rede gewesen sei.
118Die Sachverständige hat ihre Feststellungen anhand von Lichtbildern, die bei der Obduktion gefertigt worden sind und die die Kammer in Augenschein genommen hat, erläutert. Darauf sind deutlich die von der Sachverständigen festgestellten, oben näher beschriebenen Hämatome, die große Einblutung in das Gehirn und die sonstigen Verletzungen zu erkennen.
119Den Ausführungen der Sachverständigen schließt sich die Kammer nach eigener Überzeugungsbildung an. Die von dieser getätigten Wertungen sind insbesondere unter Berücksichtigung der Lichtbilder von den Verletzungen der N gut nachvollziehbar und in sich schlüssig. Sie stimmen bezogen auf den Umstand, dass eine massive Gewalteinwirkung gegen die Schläfe verletzungs- und todesursächlich war, mit den Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. L überein.
120b)
121Die sachverständige Neuropathologin Prof. Dr. med. L hat das bei der Obduktion der Verstorbenen entnommene Gehirn neuropathologisch untersucht. Sie hat vor der Kammer ausgeführt, es handele sich um ein Gehirn mit Zeichen eines weniger als drei Tage alten Schädel-Hirn-Traumas in Form eines ausgedehnten linksseitigen Subduralhämatoms, multiplen linksseitigen Subarachnoidalblutungen, sowie einer Kugelblutung im Hirnbalken, gepaart mit diffusen axonalen Schädigungen. Zusätzlich bestehe ein ausgedehnter akuter – weniger als 24 Stunden alter – Stadium-1-Infarkt im Stromgebiet der Aorta cerebri media links. Infolge der traumatischen Veränderungen und des Infarktes sei es zu einer Hirndrucksteigerung und einer ausgeprägten finalen hypoxisch-ischämischen Enzephalopathie gekommen. Diese morphologischen Veränderungen des Gehirns seien todesursächlich gewesen.
122Das Hirn der Getöteten sei im Zuge der Untersuchung durch sie in Scheiben geschnitten worden, wobei das Großhirn in ein cm dicke Scheiben, dass Kleinhirn in drei mm und das übrige Hirn in ein mm dicke Scheiben geschnitten worden sei. Bei der Untersuchung dieser Präparate hätten sich mehrere eindeutige Befunde ergeben:
123Sichtbar gewesen seien traumatisch bedingte Veränderungen in Form von fleck-förmigen dünnschichtigen Blutauflagerungen im Bereich der Hirnhaut.
124Weiterhin habe sie eine sehr kleine kugelförmige Blutung im Bereich des Hirnbalkens gesehen, die ganz typisch für ein Trauma sei.
125Unter dem Mikroskop seien morphologische Veränderungen in Form diffuser axonaler Schäden sichtbar geworden. Jede Nervenzelle des Gehirns sei über Axone mit vielen anderen Nervenzellen verknüpft. Über die Axone erfolge die Reizweiterleitung. Wenn ein Gehirn plötzlicher Beschleunigung ausgesetzt sei, wie etwa bei einem Frontalzusammenstoß im Straßenverkehr komme es typischerweise zu Zerreißungen dieser axonalen Verknüpfungen. Denn die Gehirnmasse reagiere auf Beschleunigung anders – träger - als der knöcherne Kopf. Bei plötzlicher Beschleunigung würden Scherkräfte freigesetzt. Einzelne axonale Verbindungen würden dabei gedehnt oder zerrissen. Dabei würden dann Amyloid-Vorläuferproteine freigesetzt. Diese Proteine würden beim Tod des Geschädigten nicht mehr abgebaut, wenn der Tod – wie hier – relativ rasch nach der Verletzung eintrete. Die Ablagerungen dieser Proteine seien mikroskopisch sichtbar. Solche Ablagerungen, die man ab etwa zwei bis drei Stunden nach einer mit großer Beschleunigungskraft erfolgten Einwirkung auf das Gehirn sehen könne, habe sie bei der mikroskopischen Untersuchung ebenso gesehen wie zerrissene Axone. Der Lage dieser Erscheinungen nach sei der Kopf der Verstorbenen heftig mit der Schläfe gegen eine harten Gegenstand gestoßen oder es sei mit einem harten Gegenstand – oder aber sehr kräftig mit einer Faust – gegen die Schläfe geschlagen worden. Für eine diffuse axonale Schädigung seien ein großer Kraftaufwand und eine hohe Beschleunigung erforderlich. Für eine Suduralblutung oder eine diffuse axonale Schädigung des hier gesehenen Ausmaßes reiche keine Ohrfeige. Deshalb komme hier allenfalls ein Sturzereignis oder ein harter Schlag als Ursache in Betracht. Dementsprechend spreche viel dafür, dass das Subduralhämatom mittels eines stumpfen Werkzeuges wie etwa eines Baseballschlägers oder einer Flasche hervorgerufen worden sei, die durch die Hebelwirkung eine größere Kraftentfaltung hätten. Angesichts der Konstitution der Angeklagten gehe sie nicht davon aus, dass diese lediglich mit der bloßen Hand zugeschlagen habe. Tatsächliche Erfahrungswerte habe sie insoweit aber nicht.
126Ein alter, mehrere Jahre zurückliegender Infarkt habe nicht vorgelegen. Deshalb könne sie sich die Symptomatik der halbseitigen Lähmung nicht erklären. Diese müsste eine andere Ursache haben. Vermutlich sei sie auf eine andere neurologische Erkrankung zurückzuführen. Sie habe außerdem keine Alzheimer-assoziierten Veränderungen im Hirn festgestellt, die die demenzielle Klinik erklären könnten. Diese könne andere hirnorganische Ursachen gehabt haben.
127Der Ursachenzusammenhang stelle sich so dar, dass es zuerst zu einem schweren Trauma gekommen sei, das eine Einblutung unter der harten Hirnhaut nach sich gezogen habe, durch die es dann zu einem Hirnödem und einer Hirndruckerhöhung gekommen sei. Die Blutgefäße im Gehirn seien prämorbid anfällig gewesen. Die durch die Hirndruckerhöhung hervorgerufene Kompression eines dieser Blutgefäße habe dann zu einem Infarkt im Hirn geführt.
128Schon allein die durch das Ödem hervorgerufene Hirndrucksteigerung habe aber bereits ausgereicht, den Tod herbeizuführen und sei todesursächlich gewesen.
129Die subdurale Blutung könne nicht allein durch die schlechten Blutgerinnungswerte hervorgerufen worden sein. Der Einsatz eines Blutgerinnungsmittels wie Marcumar setze die Gerinnbarkeit des Blutes herab, die Gefäße würden dadurch aber nicht reißen. Allein die mangelnde Gerinnungsfähigkeit des Blutes führe nicht zu einer solchen Blutung. Das gelte hier umso mehr als die festgestellte innere Blutung in Korrelation zu den äußerlich festgestellten Verletzungen stehe. Auch auf die Verursachung der kugelförmigen Blutung im Bereich des Hirnbalkens und der diffusen axonalen Schädigungen habe die Blutgerinnung keine Auswirkungen gehabt. Auch hier gelte, dass die zur Herbeiführung dieser Schädigungen erforderlichen Kräfte von der Blutgerinnung unabhängig seien. Die Festigkeit der zerrissenen Strukturen hänge von der Fähigkeit des Blutes zur Gerinnung nicht ab.
130Für Ausmaß und Dauer der Blutung im Bereich des Hirnbalkens sei dann allerdings der Blutgerinnungsfaktor von Bedeutung gewesen.
131Für eine Gesamtbeurteilung seien maßgebend die am Kopf festgestellten Hämatome und Prellmarken zu berücksichtigen. Eine solche Prellmarke habe der Notarzt B beschrieben. Zwar könne der Schädel als solcher entgegen der Wahrnehmung des B keine Delle aufgewiesen haben, weil die Schädeldecke nicht verletzt worden sei. Es sei aber hoch wahrscheinlich, dass die beschriebene Delle eine seinerzeit noch vorhandene Eindruckmarke der Haut und des Unterhautfettgewebes gewesen sei.
132Dem Ergebnis ihres Gutachtens stünden die Inhalte der von der Angeklagten überreichten und verlesenen ärztlichen Unterlagen zum Krankheitsverlauf der N nicht entgegen. N sei eine sehr kranke Frau gewesen. Dass Frau N vor einigen Jahren nach einem Sturz einen Oberschenkelhalsbruch erlitten habe, sei insoweit ohne Bedeutung. Den Arztberichten über die Vorerkrankungen des Opfers sei keine sichere Diagnose eines bestehenden Hirninfarkts zu entnehmen. Vielmehr sei dort nur von einem Verdacht auf Infarkt oder einer TIA, einer vorübergehenden Minderdurchblutung des Gehirns (transitorische ischämische Attacke) die Rede. Dabei handele es sich der Symptomatik nach um eine einem Schlaganfall ähnelnde, vorübergehende neurologische Störung, die auf eine Mikroembolie im Gehirn zurückzuführen sei und meist nur wenige Stunden oder Tage andauere. Sie schließe sicher aus, dass ein älterer, über einen Mikrobereich hinausgehender, relevanter Infarkt vorgelegen habe, denn ein solcher sei bei der mikroskopischen Untersuchung, die hier erfolgte, nicht zu übersehen. Für die Diagnose Apoplex (Schlaganfall) in dem Bericht der Palliativstation finde sich in keinem anderen Bericht eine Bestätigung.
133Den Ausführungen der seit vielen Jahren forensisch tätigen Sachverständigen schließt sich die Kammer nach eigener Überzeugungsbildung an. Diese hat die Verursachungsmechanismen, die zu den von ihr gesehenen Verletzungen im Gehirn führten, anschaulich und nachvollziehbar dargestellt, so dass die Kammer auch danach keine Zweifel daran hat, dass N infolge einer massiven stumpfen Gewalteinwirkung gegen den Kopf verstorben ist.
134Die Sachverständige U hat diese Ausführungen bestätigt und erklärt, es habe nach den von ihr ausgewerteten Krankenunterlagen der N keine CT-Untersuchung stattgefunden, aus der sich zweifelsfrei der Befund eines Schlaganfalls ergeben habe. Es sei zu vermuten, dass die Verdachtsdiagnose bei den Folgeberichten immer wieder abgeschrieben worden sei und sich manifestiert habe.
135Die Kammer folgt der Sachverständigen auch insoweit aufgrund eigener Überzeugungsbildung. Die Ausführungen beider Sachverständiger decken sich. Auch nach dem Inhalt der verlesenen Arztberichte handelte es sich bei der Diagnose Apoplex zunächst lediglich um eine Verdachtsdiagnose; auch eine multikausale Bewegungseinschränkung ist danach diagnostiziert worden.
1363.
137Die Feststellungen zu dem Gesundheits- und Pflegezustand der N kurz vor dem Tatgeschehen und zum Tatnachverhalten beruhen auf den Aussagen der Zeugen S und O, die auch Angaben zum Umgang der Angeklagten mit ihrer Mutter und zum Tatnachverhalten gemacht haben. Beide Zeugen haben unabhängig voneinander im Sinne der insoweit getroffenen Feststellungen ausgesagt. Sie entsprechen in wesentlichen Teilen der Einlassung der Angeklagten. Die Kammer glaubt ihnen.
138a)
139Der Zeuge S, der ein Cousin der Angeklagten und der Neffe der N ist, hat ausgesagt, dass er ein- bis zweimal pro Woche meistens mittwochs und sonntags die N und die Angeklagte besucht habe. Am 24.06.2015 habe er diese in der Zeit zwischen 20 und 21 Uhr besucht. Die Wohnung sei aufgeräumt und alles in Ordnung gewesen. N sei ansprechbar und „gut drauf“ gewesen.
140Seine Mutter sei seit über 30 Jahren tot, deshalb habe er ein besonderes Verhältnis und einen guten Draht zu deren Schwester gehabt. Nach deren Schlaganfall sei er zunächst bis zu viermal die Woche zu Besuch gewesen. N sei zuletzt stark dement gewesen. Die Angeklagte habe für sie ein würdevolles Leben gewollt. Er habe ihr geholfen, die Mutter zu betten oder zu duschen. Wenn man sie angefasst habe, habe es sofort „große Flatschen“ gegeben. Sie habe immer blaue Flecken gehabt und deren Haut sei wie Pergament gewesen. Es sei schwierig, eine halbseitig gelähmte Frau in eine normale Dusche zu bugsieren. N habe weder stehen noch sich aufsetzen können. Die Angeklagte habe ihn auch zur Hilfe gerufen, wenn N in den Garten gebracht werden sollte. Leider sei die ganze Wohnung nicht behindertengerecht gewesen.
141Die Angeklagte sei oft ungehalten und wütend im Umgang mit ihrer Mutter gewesen. Das habe daran gelegen, dass sie frustriert und niedergeschlagen gewesen sei. Mit der Pflege seien sie und K völlig überlastet gewesen. Er wisse, wie das sei, denn er pflege einen behinderten Bruder. Sein Neffe K habe nur zugunsten der Mutter eingreifen wollen. Das habe sie ihm übelgenommen und den Kontakt abgebrochen. Damit sei eine wichtige Hilfe weggefallen.
142Die Kammer glaubt diesem Zeugen. Er hatte eine gute Erinnerung an den Tag vor dem Tod der N und hat weder eine überschießende Belastungstendenz gezeigt noch versucht, die Angeklagte in ein besonderes gutes Licht zu rücken. Er hat nachvollziehbar die Reaktionen geschildert, die bei einer besonderen Belastung erwartbar sind und die von den anderen Zeugen bestätigt worden sind.
143b)
144Die Zeugin O hat bekundet, sie sei gelernte Krankenschwester und bei einem Pflegedienst tätig. In dieser Funktion habe sie die Mutter der Angeklagten vier Jahre lang gepflegt. Allerdings seien die Einsätze sehr unregelmäßig erfolgt, weil die Angeklagte lieber selbst für die Mutter habe sorgen wollen. So seien sie und ihre Kolleginnen meist nur nach Absprache, dann aber morgens und abends erschienen. Sie selbst habe abends Dienst gemacht, allerdings habe es häufig Unterbrechungen in der Pflege gegeben. Die Mutter der Angeklagten habe sich in einem guten Pflegezustand befunden. Diese sei nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt gewesen und habe nur bedingt sprechen und antworten können. Sie habe nicht stehen oder laufen können. Nur der linke Arm sei gut beweglich gewesen. Rechtsseitig sei sie vollständig gelähmt gewesen. Gleichwohl sei es möglich gewesen, sie vom Bett in einen Sessel zu transferieren. Sie selbst habe das spätere Opfer niemals umgebettet. Wenn sie in die Wohnung gekommen sei, sei die Angeklagte zu 99 % nicht anwesend gewesen.
145N habe ein Pflegebett ohne Bettgitter gehabt. Diese habe auch nicht gedroht, aus dem Bett zu fallen, weil sie sich selbst gar nicht habe umdrehen können. Sie wisse nicht, dass N jemals aus dem Bett gefallen sei. Sie habe keine Positionswechsel selbständig vornehmen können und nur ganz wenig muskuläre Kraft gehabt. Die habe gerade dazu gereicht, selbstständig trinken zu können. Auch geistig sei sie sehr eingeschränkt gewesen. Sie habe Freude äußern können und sei nie missmutig gewesen. Sie habe gerne Musik, vor allem von E oder gehört. Sie sei genügsam gewesen und habe nie Forderungen gestellt. Alle medizinischen Sachen habe die Angeklagte gemacht. Sie habe sich mit dieser unterhalten, wobei diese erklärt habe, dass die Pflege der Mutter sehr anstrengend gewesen sei, als sie im 3-Schicht-System gearbeitet habe. Dann sei die Angeklagte über einen längeren Zeitraum krankgeschrieben gewesen und habe dem Pflegedienst abgesagt und die Mutter allein gepflegt. Dieser sei dann erst einige Wochen vor dem Tattag wieder tätig geworden. Sie habe dann N noch am Morgen des 24.06.2015 besucht. Es sei alles in Ordnung gewesen. Sie sei - wie immer - gut versorgt und gepflegt gewesen und habe bis auf die blutunterlaufenen Arme keine körperlichen Erscheinungen gezeigt. Die Arme hätten öfters Hämatome aufgewiesen, was darauf zurück zu führen gewesen sei, dass sie Blutverdünner genommen habe, so dass allein das Anfassen beim Transfer an den Unterarmen zu großflächigen Hämatomen geführt habe. N habe regelmäßig nur ein Nachthemd getragen, das hinten aufgeschnitten worden sei. Sie habe einen Dauerkatheder und Schutzhosen getragen. Sie habe nie gesehen, dass N Verletzungen gehabt habe. Auch die Haut an den Armen sei nicht eingerissen oder blutig gewesen. Sie habe die Angeklagte, die ihr häufiger Seife oder Saft geschenkt habe, nie alkoholisiert gesehen.
146Auch am 25.06.2015 habe der Besuch der N für morgens auf dem Dienstplan gestanden. An diesem Tag sei alles anders gewesen. Die Angeklagte habe sich in der Wohnung aufgehalten und habe mit einem Notarzt und einem Rettungssanitäter diskutiert. Sie sei aufgeregt und ungepflegt gewesen, habe ein Nachthemd und darüber ein blutverschmiertes T-Shirt getragen. Jedenfalls seien rötlich-braune Flecken darauf gewesen. Die ganze Wohnung sei unordentlich gewesen.
147Die Angeklagte habe sich gegenüber dem Notarzt gesträubt, ihre Mutter in ein Krankenhaus bringen zu lassen. Sie habe auf eine Patientenverfügung verwiesen. Sie habe viel durcheinander gesprochen und sich andauernd wiederholt. Dabei habe sie nach Alkohol gerochen und sich gedanklich immer wieder im Kreis gedreht. Sie habe aber nicht gelallt oder getorkelt, sondern nur intensiv nach Alkohol gerochen. Bei der Diskussion mit dem Notarzt habe sich alles um den Zustand der Mutter gedreht. Sie selbst habe Frau N an diesem Tag zunächst nicht gesehen, weil in dem kleinen Zimmer schon der Notarzt und die Rettungssanitäter gestanden hätten. Mit der Angeklagten sei eine normale Unterhaltung nicht möglich gewesen. Obwohl sie diese aus der Schule kenne und man sich immer geduzt habe, habe die Angeklagte sie an diesem Morgen gesiezt, als die Angeklagte sie (die Zeugin) aufgefordert habe, gegenüber dem Notarzt zu bestätigen, dass mit ihrer Mutter alles in Ordnung und deren aktueller Zustand normal sei. Sie habe die Angeklagte gleich darauf aufmerksam gemacht, dass man sich nun nicht siezen müsse. Sie vermute, diese habe das nur gemacht, um den Notarzt durch die Bestätigung ihrer Angaben seitens einer vorgeblich nicht eng bekannten und daher eher neutralen Person zu überzeugen. Die Angeklagte habe auch immer wiederholt, dass ihre Wohnung sauber sei, dabei sei es darum eigentlich nicht gegangen. Auch habe das an dem Tag nicht gestimmt. Alles sei sehr unordentlich, ja total verwüstet gewesen. Überall habe etwas herumgelegen und die Böden hätten in allen Räumen total geklebt, als wenn etwas Süßes ausgeschüttet worden sei. Auch die Dokumentationsmappe vom Pflegedienst habe sehr geklebt. Der Aschenbecher sei auf dem Sofa ausgeschüttet worden. Dieses habe Brandflecke gehabt. Überall hätten Lebensmittel auf dem Boden gelegen. Ein Teil des Inhaltes des großen amerikanischen Kühlschranks habe auf der Erde gelegen. Auch Kaffee sei verschüttet worden. Der Notarzt habe gefragt, wie das passiert sei. Die Angeklagte habe alles abgetan und erklärt, es sei doch alles in Ordnung. Auch Flaschen mit Alkohol hätten herumgestanden und auf dem Boden hätten zwei leere Flaschen gelegen.
148Sie selbst habe die Angeklagte zweimal aggressiv und ausfallend erlebt. Einmal gegenüber ihrer Person und einmal gegenüber ihrer Mutter. Ansonsten habe sich die Angeklagte sehr um die Mutter bemüht, habe zum Beispiel Fahrdienste bestellt und sei mit ihr ins Konzert gefahren.
149Die Kammer hat keinen Anlass, an den Angaben der Zeugin zu zweifeln, die detailreich und mit guter Erinnerung ausgesagt hat, wobei ihre Bekundungen denen ihrer polizeilichen Vernehmung im Wesentlichen entsprechen. Sie hat die Angaben des Zeugen S zum aktuellen Gesundheitszustand im Tatzeitraum bestätigt. Auch sie ist seit vielen Jahren mit der Angeklagten bekannt, hat sich aber deutlich bemüht, sich neutral zu verhalten und neben den für die Angeklagte sprechenden Umstände auch Wahrnehmungen anzusprechen, die sich belastend auswirken können. Ihre Angaben zum Verhalten der Angeklagten bei Eintreffen der Rettungskräfte ist durch alle zu diesem Zeitpunkt in der Wohnung aufhältigen Zeugen bestätigt worden.
1504.
151Die Feststellung, dass die Verletzung der N vor 07:00 Uhr am 25.06.2015, vermutlich in den Morgenstunden erfolgt ist, ergibt sich aus den Bekundungen der Zeugin T, nach deren glaubhaften Bekundungen es gegen 7 Uhr zu einem Telefonat mit der Angeklagten gekommen ist, in dem der Tod der N angesprochen worden ist.
152Die Zeugin hat bekundet, sie kenne die Angeklagte, die eine Arbeitskollegin sei, seit 1997/1998. Sie habe schon auf der Palliativstation des F Krankenhauses mal eine Zeit mit ihr gemeinsam gearbeitet. Die Angeklagte sei sehr kollegial. Den Wechsel in das neue Arbeitsfeld im Mai 2015 habe sie hervorragend gemeistert und sich immer sehr um die Patienten bemüht. Psychische Veränderungen habe sie bei der Angeklagten nicht festgestellt.
153Am Tattag habe sie gemeinsam mit der Angeklagten Frühdienst ab 06:00 Uhr gehabt. Als diese nicht erschienen sei, habe sie die Angeklagte gegen 06:30 Uhr angerufen oder durch einen Kollegen anrufen lassen. Diese habe sich aber nicht gemeldet. Dann habe eine Kollegin von der Krankmeldung der Angeklagten berichtet. Sie habe daraufhin bei der Angeklagten angerufen. Diese habe in dem Telefonat einen verwirrten Eindruck auf sie gemacht habe. Sie habe verwaschen gesprochen und unter Tränen erklärt, dass sie nicht wisse, ob sie oder ihre Mutter tot sei. Sie habe vermutet, dass die Angeklagte einen Schlaganfall oder einen psychotischen Schub gehabt habe und deshalb parallel veranlasst, dass ein Rettungswagen dorthin gefahren sei. Sie habe lange mit der Angeklagten gesprochen. Nach ihrer Einschätzung habe das Telefonat fast eine halbe Stunde gedauert. Die Angeklagte habe hysterisch gewirkt.
154Die Kammer hat keinen Anlass, an den Angaben der Zeugin, die eine hinreichend gute Erinnerung an den Vorfall hatte, zu zweifeln. Sie hat im Sachzusammenhang, detailreich und konstant den Ablauf des Morgens des 25.06.2015 geschildert und hat freimütig erklärt, sie glaube der Version der Angeklagten. Sie konnte auch deutlich zwischen dem, was sie selbst von dieser gehört hat und dem, was ihr von Kollegen erzählt worden ist, unterscheiden.
1555.
156Die Kammer ist davon überzeugt, dass sämtliche von den Sachverständigen U und Prof. Dr. med. L festgestellten Kopfverletzungen bereits im Zeitpunkt des Erscheinens der Rettungskräfte gegen 07:15 Uhr vorlagen und diese nicht auf dem Transport ins Krankenhaus verursacht worden sind.
157Die eingesetzten, von der Kammer dazu als Zeugen vernommenen Rettungskräfte und der Notarzt B haben das Vorliegen der Kopf- und Schläfenverletzungen zu einem Zeitpunkt vor dem Abtransport der Frau N bestätigt. Darüber hinaus haben die Zeugen glaubhafte Bekundungen zum Zustand und zum Verhalten der Angeklagten bei ihrem Eintreffen in deren Wohnung gemacht, die Gegenstand der Feststellungen zu III. geworden sind.
158a)
159Der Zeuge S1, der als Brandmeister bei der Feuerwehr tätig ist, hat bekundet er habe am Morgen des 25.06.2015 einen Einsatz zum T1 in I gehabt. Als er mit einem Kollegen im Rettungswagen gegen 07:15 Uhr beim Haus der Angeklagten angekommen sei, habe er geklingelt, doch es sei nicht geöffnet worden. Eine Nachbarin habe sie ins Haus gelassen. Er sei mit einem Kollegen in die erste Etage gegangen. Dort habe die Wohnungseingangstür offen gestanden. Daraufhin habe er in die Wohnung hineingerufen, worauf die Angeklagte mit einem Reinigungsmittel in der Hand an der Wohnungseingangstür erschienen sei und erklärt habe, sie wolle die Küche putzen. Da sie sich klar artikulieren konnte, habe er erkannt, dass kein Schlaganfall vorlag. Gleichwohl habe er sich vergewissern wollen, dass nicht doch ein gesundheitliches Problem gegeben war. Er habe die Angeklagte gefragt, warum sie nicht zur Arbeit gegangen sei, worauf sie geantwortet habe, ihre Mutter habe eine schwere Nacht gehabt. Er sei dann der Angeklagten in die Küche gefolgt, wo alles durcheinander gewesen sei. Es habe ausgesehen, als habe eine „Bombe eingeschlagen“. Die Tür des Kühlschranks habe weit offen gestanden. Dessen Inhalt habe verstreut davor auf dem Boden gelegen. Die ganze Küche sei durcheinander gewesen, die Schranktüren hätten offen gestanden. Das Wohnzimmer sei unaufgeräumt gewesen, auf dem Sofa hätten sich Brandflecken befunden und auf dem Tisch habe eine ungeöffnete Weinflasche gestanden. Die Angeklagte habe erklärt, ihre Mutter schlafe im hinteren Zimmer. Diese habe eine schlechte Nacht gehabt und ruhe sich aus. Erst zu diesem Zeitpunkt sei ihm bewusst geworden, dass sich eine zweite Person in der Wohnung aufgehalten habe. Er sei dann in das hintere Zimmer gegangen, das komplett dunkel gewesen sei. Im Bett habe eine alte Dame gelegen. Er habe dann das Rollo hochgezogen und gesehen, dass diese Blutungen im Gesicht und völlig blutunterlaufene Arme gehabt habe. Die Frau sei nicht ansprechbar gewesen. Er habe dann deren Vitalfunktionen geprüft. Sie habe geatmet und einen normalen Puls gehabt. Er habe nicht gewusst, ob der Zustand der Frau im Bett akut gewesen sei oder sie sich bereits längerfristig in einem komatösen Zustand befunden habe. Sie habe in einem Pflegebett gelegen, so dass möglich gewesen sei, dass sie schon länger an einer schweren Krankheit gelitten habe. Als er die Angeklagte danach gefragt habe, habe diese erklärt, dass ein Pflegedienst regelmäßig vor Ort sei und habe ihm die Pflegeunterlagen überreicht. Ihm sei die Situation komisch vorgekommen, denn die Wohnung habe nicht so ausgesehen, als ob dort regelmäßig ein Pflegedienst ein- und ausgehe. Die Angeklagte habe mehrfach erklärt, man könne den Pflegedienst zum Zustand ihrer Mutter befragen. Diese schlafe lediglich. Als er erwidert habe, dass er doch in Erwägung ziehe, die Mutter vorsorglich in ein Krankenhaus zu bringen, sei die Angeklagte ganz ungehalten geworden. Sie habe partout nicht gewollt, dass eine Verbringung in ein Krankenhaus erfolgte. Sie habe völlig aufgelöst gewirkt. Als sie dabei nahe bei ihm gestanden habe, habe er Alkoholgeruch festgestellt. Als er sie darauf angesprochen habe, habe diese erklärt, sie würde sich sicher immer besaufen, bevor sie zum Dienst gehe. Dann habe sie wieder erklärt, der Pflegedienst könne bestätigen, dass der Zustand ihrer Mutter in Ordnung sei. Auf sichtbare Hämatome am Kopf der Mutter angesprochen habe die Angeklagte versucht, alles ins Lächerliche zu ziehen und sinngemäß gesagt, sie würde ihre Mutter immer verhauen. Sie habe dann auf eine Patientenverfügung ihrer Mutter hingewiesen. Er habe dann noch gefragt, ob die Mutter aus dem Bett gefallen sei, was sie verneint habe. Er sei sich weder über den Zustand der Mutter noch über den Zustand der Angeklagten schlüssig gewesen. Deshalb habe er den Notarzt verständigt.
160Die Kammer glaubt diesem Zeugen. Seine Aussage deckt sich mit den Aussagen der anderen Zeugen, die als Rettungskräfte am Einsatzort waren. Der Zeuge hatte eine gute Erinnerung und hat im Sachzusammenhang schlüssig seine Wahrnehmungen geschildert.
161b)
162Der Zeuge I1, der gemeinsam mit S1 im Rettungswagen zur Wohnung der Angeklagten gefahren ist, hat dessen Angaben zum Erscheinungsbild der Wohnung und dem Zustand der Angeklagten vollumfänglich bestätigt. Er hat ebenfalls bekundet, er habe nicht einschätzen können, ob die Angeklagte behandlungsbedürftig gewesen sei. Diese habe Äußerungen getätigt, die nicht in den Kontext gepasst hätten. Zum Zustand der Wohnung habe sie erklärt, dieser sei doch in Ordnung. Dann habe sie gesagt, ob man nicht einmal zu spät zur Arbeit kommen dürfe oder ob man dann gleich mit Blaulicht abgeholt werde. Irgendwie sei alles, was sie gesagt habe, „neben der Spur“ gewesen. Auf konkrete Fragen habe sie nicht geantwortet, sondern habe immer Gegenfragen gestellt, ob man denn das oder das von ihr glauben würde. Dabei habe sie ihn und seinen Kollegen abwimmeln wollen. Auf konkrete Fragen nach dem Gesundheitszustand der Mutter und dem Ursprung der Hämatome und Verletzungen in deren Gesicht habe sie ausweichende Antworten gegeben. Sie habe erklärt, dass sie ihre Mutter pflege, die seit 15 Jahren demenzkrank sei. Sie habe dann minutenlange Rechtfertigungen abgegeben, warum sie in der Situation sei. Im Wesentlichen sei es darum gegangen, dass sie gar nicht geschlafen habe und jetzt übermüdet sei. Tatsächlich habe man die Ursache ihres Verhaltens nur mutmaßen können. Ob sie alkoholisiert gewesen sei, wisse er nicht. Schließlich sei eine Dame vom Pflegedienst erschienen, die erklärt habe, die Angeklagte sei bereits mehrfach in der Psychiatrie gewesen.
163Die Kammer glaubt diesem Zeugen. Seine Bekundungen entsprechen seiner polizeilichen Vernehmung und decken sich mit den Angaben der Zeugen S1 und B.
164c)
165Der Zeuge B hat bekundet, er sei als Notarzt am Tatort eingesetzt worden. Ein Rettungswagen sei bereits vor Ort gewesen, nachdem ein Notruf erfolgt sei. Nach der Einsatzmeldung sei die Angeklagte als hilfebedürftige Patientin dargestellt worden. Ihm sei mitgeteilt worden, sie sei als Krankenpflegerin nicht im Dienst erschienen und habe sich telefonisch auf ihrer Arbeitsstelle abgemeldet, wobei sie Ausfallerscheinungen gezeigt habe, die den Eindruck eines Apoplex (Schlaganfall) hervorgerufen hätten. Nachdem er die Wohnung, die im ersten Stock des Hauses gelegen sei, betreten habe, habe er festgestellt, dass alles sehr unordentlich und unübersichtlich gewesen sei. In der Küche hätten Eier auf dem Boden gelegen. Dort seien überall Lebensmittel verstreut gewesen und der Kühlschrank habe offen gestanden.
166Die Angeklagte habe sichtlich fahrig gewirkt und habe zum Ausdruck gebracht, sie verstehe nicht, warum Ihre Arbeitskollegen sich um sie Sorgen machen würden. Schließlich habe sie von ihrer Mutter gesprochen und erklärt, dass es dieser eigentlich schlecht gehe. Diese habe die ganze Nacht gerufen, sei unruhig und laut gewesen. Daraufhin habe er nach dem Aufenthaltsort der Mutter gefragt und sei von der Angeklagten in deren Zimmer geleitet worden. Die Mutter habe in einem Pflegebett gelegen. Diese sei gut und fachgerecht gelagert gewesen. Diese habe eine Verletzung am Kopf aufgewiesen, die er als Impression im Bereich der Stirn gedeutet habe. Daneben habe er deutliche Hämatome am Kopf und an den Extremitäten festgestellt. Die Mutter sei nicht ansprechbar gewesen. Er habe versucht, bei dieser einen künstlichen Schmerzreiz auszulösen, habe aber keine Reaktion hervorrufen können. Nach seiner Erinnerung habe er an der Stirn eine Delle ertastet. Es hätten ein großer Bluterguss im Bereich der linken Wange und Hämatome im Bereich der Augenbrauen bestanden. Unterhalb der Nase und im Bereich des Mundes habe er Blutungen festgestellt.
167Die ihm nunmehr vorgehaltenen Lichtbilder zeigten den Zustand der Frau N bei seinem Eintreffen.
168Die vorgenannten, von der Kammer in Augenschein genommenen Lichtbilder zeigen den Kopf der N, aufgenommen einmal von der linken und einmal von der rechten Seite sowie den Oberkörper der N. Sichtbar sind darauf jeweils im Wangen- und Augenbereich rotviolette Flecken.
169Der Zeuge hat weiter erklärt, er habe bei N eine Pupillendifferenz festgestellt, die ein klinisches Zeichen für eine Blutung im Gehirn sei. Die Angeklagte habe gleich geäußert, dass ihre Mutter nicht aus dem Bett gefallen sei. Die Angeklagte habe nach Alkohol gerochen. Als er sich in der Wohnung umgeschaut habe, habe er eine Weinflasche dort stehen gesehen. Die Angeklagte sei aber standsicher gewesen. Sie habe ihm die Frage gestellt, ob er denn glaube, dass sie ihrer Mutter mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen habe. In diesem Zeitpunkt sei eine Pflegedienstkraft vor Ort erschienen und später die Polizei und ein Mitarbeiter von Ordnungsamt. Die Dame vom Pflegedienst habe erklärt, dass es sich bei der alten Dame um eine Marcumar-Patientin handele. Die Angeklagte habe immer wieder erklärt, dass ihre Mutter nicht in ein Krankenhaus gebracht werden solle und habe auf seine Ankündigung, diese abtransportieren zu lassen, fast hysterisch reagiert. Aufgrund des Verhaltens der Angeklagten habe er eine Eigen- und Fremdgefährdung nicht ausschließen können. Das auch deshalb, weil er Brandspuren an den Sesseln bemerkt gehabt habe. Ein Rettungssanitäter habe die Vitalparameter der N kontrolliert. Diese habe noch gelebt, sei aber einem Koma nahe gewesen. Er habe gegenüber der Angeklagten erklärt, dass N in ein Krankenhaus müsse.
170Die Angeklagte habe darauf sehr ungehalten reagiert. Sie habe erklärt, so etwas sei nicht zum ersten Mal passiert. Ihre Mutter habe zuhause sterben wollen. Sie habe auf jeden Fall deren Abtransport verhindern wollen. Dabei sei die Angeklagte jedoch nicht psychotisch gewesen. Sie habe ihn als Arzt erkannt, auch die Rettungssanitäter habe sie erkannt. Die Angeklagte habe immer wieder erklärt, ihrer Mutter sei es in der Nacht nicht gut gegangen. Als er (B) sich Frau N genau angesehen habe, habe sich die Angeklagte dann neutral verhalten und seine Frage nach einem Sturzereignis vehement verneint. Sie habe darauf hingewiesen, dass sie selbst Krankenschwester sei und ihre Mutter immer gut gepflegt habe. Einer Einweisung der N ins Krankenhaus habe sie sich widersetzt und habe auf eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung hingewiesen, die sie dann herbeigeholt und ihm vorgehalten habe.
171Gegen den massiven Widerstand der Angeklagten habe er Frau N in das L1-Krankenhaus nach C2 verbringen lassen. Er habe den Transport begleitet und dort auch im Schockraum die Übergabe gemacht.
172Die Kammer hat keine Zweifel an den Angaben des sachverständigen Zeugen. Dieser hatte eine gute Erinnerung an den Einsatz und hat die festgestellten Verletzungen und seine Diagnosen entsprechend den Angaben in seiner polizeilichen Vernehmung wiedergegeben. Seine Angaben decken sich mit den aus den ihm vorgelegten Lichtbildern ersichtlichen Verletzungen der N.
173d)
174Der Zeuge N hat bekundet, er sei mit dem zweiten Rettungswagenteam zum Einsatz am T1 hinzugekommen. Die Angeklagte habe benommen gewirkt und habe Angaben gemacht, die nicht zum Zustand der Mutter gepasst hätten. Diese habe eine Beule am Kopf und einen „Herdblick“ gehabt, so dass gleich der Verdacht auf eine innere Kopfverletzung bestanden habe. Er habe die Mutter dann ins Krankenhaus transportiert, obwohl die Angeklagte sehr aufgeregt auf eine Patientenverfügung hingewiesen habe.
175Die Kammer hat keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage dieses Zeugen. Sie deckt sich mit den Aussagen der anderen vor Ort tätig gewesenen Rettungskräfte.
176e)
177Die Kammer hat weiterhin den Zeugen PK B1 vernommen, der als Polizeibeamter den Vorgang am 25.06.2015 aufgenommen hat. Er hat bekundet, ein intensives Gespräch mit der Angeklagten sei nicht möglich gewesen. Sie sei mithilfe des Sozialen Dienstes in die Psychiatrie eingeliefert worden, weil sie von einer Einweisung nichts habe wissen wollen. Die Angeklagte sei sehr laut gewesen, habe in der Wohnung herumgeschrien und sei immer hin und hergelaufen. Er habe ihr immer folgen müssen. Dabei habe sie von den Verletzungen der Mutter nichts wissen wollen und habe einen alkoholisierten Eindruck gemacht. Möglicherweise habe er das daraus geschlossen, dass die Wohnung sehr unordentlich gewesen sei und Weinflaschen herumgestanden hätten. Sie habe wohl nach Alkohol gerochen, sei nicht richtig bekleidet und dreckig gewesen. Einen Atemalkoholtest habe sie abgelehnt. Auf die Verletzungen ihrer Mutter angesprochen habe sie sinngemäß erklärt, sie habe bestimmt keinen Hammer genommen.
178Die Kammer sieht keinen Anlass, an den Angaben des Zeugen zu zweifeln. Zwar konnte sich dieser nicht mehr in allen Einzelheiten an seine Wahrnehmungen, insbesondere hinsichtlich der Frage einer Alkoholisierung der Angeklagten erinnern. Soweit ihm der Inhalt der von ihm am 25.06.2015 gefertigten Strafanzeige vorgehalten worden ist, kamen ihm diese jedoch wieder in Erinnerung.
179Nach zusammenfassender Wertung der Aussagen der als Zeugen vernommenen Rettungskräfte und insbesondere des Notarztes B schließt die Kammer aus, dass die Kopfverletzungen der N erst beim Abtransport durch die Rettungskräfte entstanden. Denn die Hämatome am Kopf der N und deren komatöser Zustand und auch eine Pupillendifferenz waren schon vor dem Abtransport der N gegeben.
180Eine Pupillendifferenz ist – wie sowohl der sachverständige Zeuge B als auch die Sachverständige Prof. Dr. L jeweils überzeugend dargelegt haben - ein Kennzeichen für das Vorliegen einer Hirnschädigung.
181Hinzu kommt die Angabe der Angeklagten gegenüber den Rettungskräften, ihre Muter sei in der Nacht unruhig gewesen und habe eine ganz schwere Nacht gehabt. Diese Angabe deckt sich mit der hier getroffenen Feststellung, dass N in der Tatnacht unruhig war und in der Folge die Belastung der Angeklagten sich verschärfte.
182Diese Angabe deckt sich hingegen nicht mit der späteren Einlassung der Angeklagten, sie habe ihre Mutter gegen 05:00 Uhr ohne Muskeltonus im Bett vorgefunden. Dementsprechend vermag die Kammer dieser späteren Einlassung keinen Glauben zu schenken.
1836.
184Die Feststellungen zum weiteren Tatnachgeschehen beruhen auf den Aussagen der Zeugen I2 und KHK E und auf der Verlesung des Berichts über die Aufnahme der Angeklagten im St. N-hospital I vom 29.06.2015 sowie auf der Verlesung der Gewahrsamsfähigkeitsbescheinigung betreffend die Angeklagte vom selben Tag.
1857.
186Die Feststellungen zu den Umständen, die im Jahr 2014 zur Einweisung der Angeklagten in die Psychiatrie geführt haben und die Feststellungen zum Betreuungsverfahren betreffend die N beruhen neben der Einlassung der Angeklagten selbst im Wesentlichen auf den Bekundungen des Zeugen K. Dieser hat im Sinne der getroffenen Feststellungen ausgesagt. Die Kammer glaubt ihm. Seine Aussage entspricht den in diesem Zusammenhang verlesenen Urkunden aus der Betreuungsakte.
1878.
188Die Feststellungen zum Inhalt der Patientenverfügung und der Betreuungsverfügung der N jeweils vom 02.09.2010 und der Vorsorgevollmacht der N vom 11.09.2014 beruhen auf der Verlesung jener Urkunden.
1899.
190Die weiteren Feststellungen zum Umgang der Angeklagten mit der N beruhen auf den Aussagen der Zeuginnen S1, X und F, die allesamt gute Bekannte der Angeklagten sind und die diese bei der Pflege der N unterstützt haben und sie seit Jahrzehnten kennen. Die Kammer hält deren Bekundungen für glaubhaft. Alle drei Zeuginnen haben übereinstimmende Angaben zur Gesundheitssituation der Verstorbenen und deren Pflegeumständen gemacht.
19110.
192Die Feststellung, dass die Angeklagte unbestraft ist beruht auf der Verlesung des Bundeszentralregisterauszugs vom 03.09.2015.
19311.
194a)
195Dass die Angeklagte mit Körperverletzungsvorsatz handelte, insbesondere die Schläge zielgerichtet ausführte, um ihre Mutter im Kopfbereich zu verletzen, ergibt sich für die Kammer zunächst aus einem Rückschluss von den festgestellten Verletzungen. Diesen lassen zur Überzeugung der Kammer, weil es sich um mehrere unabhängig voneinander sich darstellende Verletzungen handelte, die mit je erheblicher Kraft zugefügt worden sind, den Rückschluss darauf zu, dass die Angeklagte diese Verletzungen durch mindestens vier Schläge gegen den Kopf der N verursachte. Daraus und aus der Lage der Verletzungen ergibt sich zur Überzeugung der Kammer zugleich, dass die Angeklagte viermal zielgerichtet und in der Absicht zuschlug, die N zu verletzen. Dementsprechend handelte die Angeklagte im Wissen um den Eintritt dieser Folgen und, was ihrer Handlung als solche und die Verletzungen betrifft, absichtlich.
196Aus dem Umfang der Verletzungen und der zur Herbeiführung erforderlichen teils großen Kraft ergibt sich zur Überzeugung der Kammer, dass die Angeklagte diese Kraft jeweils aufwandte, wobei sie insbesondere bei dem Schlag gegen die Schläfe mit hohem Kraftaufwand vorging. Dabei holte sie entweder weit aus und schlug dann kraftvoll mit der Faust zu oder benutzte einen ihr zur Verfügung stehenden Schlaggegenstand wie etwa eine gefüllte Weinflasche.
197b)
198Die Angeklagte konnte den Eintritt des Todeserfolges als möglich voraussehen, denn sie kannte die wesentlichen Umstände, die zur besonderen Gefahrerhöhung infolge der Schläge gegen den Kopf führten. Dies ist zunächst der Umstand, dass N aufgrund ihrer körperlichen Gebrechlichkeit in ihrer Abwehr- und Reaktionsfähigkeit in hohem Maße beeinträchtigt war, und weiter der Umstand, dass sie sich eines solchen Angriffs wie erfolgt nicht versah, ihn nicht erwartete, sodass sie auch deshalb darauf nicht mehr rechtzeitig reagieren konnte.
199Schließlich kam hinzu der wesentliche Umstand der massiven Kraftentfaltung gegen den Kopf als dem für das Leben besonders bedeutsamen Körperteil. Dabei war die massive Kraftentfaltung - wie von der Angeklagten gewollt - durch die Ausführung mehrerer Schläge gegen den Kopf geprägt. Alle diese Umstände kannte die Angeklagte bei Tatausführung.
200Als Krankenschwester kannte die Angeklagte in besonderem Maße die körperlichen Funktionen des Menschen und wusste um die Gefährlichkeit von Schlägen auf den Kopfbereich. Darüber hinaus war ihr bekannt, dass eine erhebliche Gefahr von Einblutungen bestand, weil der Quickwert, der den Gerinnungsfaktor im Blut bestimmt, ungewöhnlich niedrig war. Die Angeklagte hatte wenige Tage vor der Tat das Marcumar nach Rücksprache mit dem Hausarzt gerade wegen des niedrigen Quickwertes abgesetzt.
201Wer unter diesen Umständen in einer solchen Weise wie hier geschehen auf den Kopf eines Menschen einschlägt, will nach Auffassung der Kammer zwar nicht zwingend seinen Tod, nimmt aber in sein Mitbewusstsein auf, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod des Opfers kommen kann. Dementsprechend rechnete die Angeklagte, als sie sich zur Ausführung der Schläge entschloss, damit, dadurch das Leben ihrer Mutter zu gefährden und möglicherweise dadurch deren Tod herbeizuführen.
202c)
203Einen Tötungsvorsatz hat die Kammer nicht festgestellt. Die Kammer hat sich insoweit von der Erwägung leiten lassen, dass Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als Folge seines Handelns erkennt und auch will. Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen. Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator sowohl für das Wissens- als auch für das Wollenselement. Hat der Täter eine offensichtlich besonders gefährliche Gewalthandlung begangen, kann im Einzelfall allein daraus der Schluss auf ein Wissen um die vorhandene Lebensgefahr und deren Inkaufnahme gezogen werden. Andererseits muss den Feststellungen zur objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung nicht immer die ausschlaggebende indizielle Bedeutung beizumessen sein.
204Wenngleich die Schläge gegen den Kopf und insbesondere der mit besonderer Heftigkeit gegen die linke Schläfe geführte Schlag, eine deutliche potentielle Lebensgefahr begründeten und demzufolge in hohem Maße lebensgefährlich waren, was die Angeklagte auch wusste, vermochte die Kammer nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass die Angeklagte den Tod der N wollte bzw. sich damit als zur Erreichung ihres Zieles eintretender Nebenfolge abfand und damit einverstanden war. Denn die Angeklagte sah ihren Lebenssinn in der Pflege der N und wollte sich durch die Schläge lediglich eine kurze Entlastung von der zur Tatzeit gegebenen besonders hohen nervlichen Belastung verschaffen.
205Gegen einen Tötungsvorsatz sprach weiter, dass der Angeklagte nach Ausführung der Schläge nicht weiter gegen N vorging. Hätte sie diese töten wollen, hätte nahe gelegen, dass sie ihrem Opfer weitere, dann tödliche Verletzungen zugefügt hätte oder ihr etwa die Atemwege verschlossen hätte.
206VI.
207Nach den getroffenen Feststellungen hat sich die Angeklagte wegen Körperverletzung mit Todesfolge, Verbrechen gemäß § 227 StGB strafbar gemacht.
2081.
209Der objektive Tatbestand ist erfüllt, weil die Angeklagte die N körperlich verletzte und N an den Folgen einer dieser Verletzungen verstorben ist.
2102.
211Der subjektive Tatbestand der Körperverletzung ist bezogen auf die Ausführung der Schläge und die dadurch verursachten Verletzungen, namentlich die Einblutung im Hirnbereich erfüllt. Die Angeklagte fügte der N die Schläge absichtlich zu.
212Bei der rechtlichen Würdigung der Erfüllung des subjektiven Tatbestandes des § 227 StGB bezogen auf den Todeseintritt hat sich die Kammer von der Erwägung leiten lassen, dass - weil schon in der Begehung des Grunddelikts eine Verletzung der Sorgfaltspflicht liegt - alleiniges Merkmal der Fahrlässigkeit die Vorhersehbarkeit des Todeserfolgs ist. Hierfür ist entscheidend, ob vom Täter in seiner konkreten Lage und nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten der Todeseintritt vorausgesehen werden konnte oder ob aus seiner Sicht die tödliche Gefahr für das Opfer so weit außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit lag, dass die qualifizierende Folge dem Täter deshalb nicht zuzurechnen ist.
213Hier konnte die Angeklagte den Eintritt des Todes aufgrund ihrer Kenntnisse als Krankenschwester und ihrer Kenntnisse vom Gesundheitszustand der N als sogar nahe liegende Folge der von ihr geführten Schläge vorhersehen.
2143.
215Die Angeklagte handelte schuldhaft.
216Nach den vor der Kammer erstatteten, insoweit übereinstimmenden Gutachten der Sachverständigen Dr. med. L1, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und forensische Psychiatrie, und der Psychologin Prof. Dr. O1 haben sich auf der Grundlage der Explorationen der Angeklagten vom 08.12.2015 und 01.02.2016 und dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor der Kammer, insbesondere dem Eindruck von der Angeklagten in der Hauptverhandlung keine Hinweise auf das Vorliegen eines der vier Eingangsmerkmale des § 20 StGB zur Tatzeit ergeben. Dazu haben die Sachverständigen im Wesentlichen ausgeführt:
217(1)
218Hinweise auf eine krankhafte seelische Störung, insbesondere eine degenerative Erkrankung des Gehirns hätten sich nicht ergeben.
219Die Angeklagte leide nicht an einer schweren Depression. Der Notarzt, die Rettungssanitäter und der Mitarbeiter des Ordnungsamts, die als Zeugen in der Hauptverhandlung vernommen worden sind, hätten die Angeklagte als desorientiert, hysterisch, distanziert und auffällig beschrieben, aber keine Symptome einer Depression oder depressiven Verstimmung geschildert
220Soweit nach ihrem Aufenthalt vom 25.06. bis 29.06.2015 in der Psychiatrie in I die Eingangsdiagnose einer schweren depressiven Störung gestellt worden sei, decke sich dies nicht mit dem Aufnahmebefund. Diese Diskrepanz sei dadurch zu erklären, dass die Eingangsdiagnostik hoch wahrscheinlich so erfolgt sei, um eine Aufnahme nach dem KrankenkassenkostenG zu gewährleisten.
221Grundsätzlich gebe es fünf Kriterien zur Diagnose einer Depression: gedrückte Stimmung ohne Anlass, Verminderung der Aktivität bis hin zur völligen Antriebslosigkeit, Freudlosigkeit, Interessenverfall und Schuldgefühle. Diese Voraussetzungen seien bei der Angeklagten nicht erfüllt gewesen. Diese sei zwar mit der Pflege ihrer Mutter überfordert gewesen, ihr habe es aber zu keiner Zeit am Antrieb gefehlt. Vielmehr sei es ihr über Jahre hin gelungen, den schweren Alltag mit dem eigenen Haushalt, der Berufstätigkeit und der Pflege der Mutter zu organisieren und dabei Verwandte, Freunde und Bekannte mit einzubinden, wobei sie zu keiner Zeit den Eindruck eines Interessensverfalls oder einer Antriebslosigkeit gezeigt habe. Vielmehr habe sie mit ihrer kranken Mutter Konzerte besucht und sei mit dieser zum „Rudelsingen“ gefahren.
222Es hätten sich keine Hinweise auf einen so genannten Mitnahmesuizid ergeben. Für Selbstmordabsichten habe es vor der Tat bis auf die Bekundungen des Sohnes K zum Grillfest im Sommer 2014, bei dem die Angeklagte stark alkoholisiert gewesen sein soll, keine Hinweise gegeben. Ein derartiger Ausbruch sei infolge der damals vorliegenden Alkoholisierung nicht beachtlich und als durch den Alkohol ausgelöstes Stimmungstief zu werten. Soweit mehrfach erklärt worden sei, die Angeklagte habe sich von einer Suizidalität nicht distanziert, handele es sich um Einschätzungen, die erst nach der Tat erfolgt seien.
223Die Angeklagte leide auch nicht an einer Drogen- oder Alkoholabhängigkeit. Der vormalige Konsum von Tilidin sei zu vernachlässigen. Die Angeklagte sei zwar im Alter von 33 Jahren mit dem Schmerzmittel Tilidrin in Kontakt gekommen und habe eine Abhängigkeit entwickelt, von der sie sich aber schon seit längerer Zeit distanziert habe.
224Zur Tatzeit sei die Angeklagte nicht mit Alkohol intoxikiert gewesen. Sie habe lediglich erklärt, in der Nacht selbst schlecht geschlafen zu haben, was sie aber als nichts Besonderes dargestellt habe, da sie selbst an Einschlaf- und Durchschlafstörungen gelitten habe. Die Angeklagte habe erklärt, sie habe keine Medikamente oder Alkohol zu sich genommen und erst, nachdem sie festgestellt habe, dass die Mutter sterben werde, einen Schnaps getrunken und erfolglos versucht, sich ein Beruhigungsmittel zu spritzen.
225(2)
226Eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung sei bezogen auf das Tatgeschehen nicht feststellbar.
227Denn ein normalpsychologisch nachvollziehbarer, durch einen Anlass ausgelöster extremer Affekt mit einer nachfolgenden Affekthandlung sei bezogen auf die Tatzeit aus psychologisch-psychiatrischer Sicht nicht erkennbar. Von den Zeugen seien auch keine Verhaltensweisen der Angeklagten beschrieben worden, die auf eine Affekttat hindeuten könnten. Bei einem Affekt sei der Täter entsetzt über die eigene Tat, wobei ein reflektierender Ich-Rest vorhanden sein müsse. Der Affektausbruch sei anlassbedingt abrupt, elementar und zeige sich in einer eruptiven Gewaltanwendung.
228Die Angeklagte habe aber keinen Anlass für ihre Tat angegeben und auch keine Distanzierung zum Tatgeschehen, insbesondere kein so genanntes Aufwacherleben gezeigt.
229(3)
230Ein Schwachsinn im Sinne des § 20 StGB bestehe bei ihrem Bildungsniveau und ihrer beruflichen Ausbildung nicht.
231(4)
232Auch eine schwere andere seelische Abartigkeit, d. h. eine schwerste Persönlichkeitsstörung, sei aus dem biografischen Längsschnitt und dem aktuellen Querschnitt nicht festzustellen.
233Die Angeklagte habe sich in der Exploration kontrolliert und zurückhaltend gezeigt, wobei sie bei der Beantwortung von Fragen sehr misstrauisch reagiert habe. Von sich aus habe sie nichts berichtet und habe bei ihren Antworten versucht zu antizipieren, worauf die Frage jeweils deuten sollte. Sie habe sich selbst als robust und belastbar dargestellt und die Belastung mit der der Pflege des späteren Opfers bagatellisiert. So habe sie lapidar erklärt, es sei mehr Aufwand, einen Hund zu halten, als ihre bettlägerige Mutter zu versorgen.
234Deutlich selbstkritisch habe sie sich zu ihrem Tilidinmissbrauch geäußert, sei aber emotional wenig schwingungsfähig gewesen. Sie habe - abweichend von ihren Angaben in der Hauptverhandlung - einen dementiellen Abbau bei der Mutter bejaht, aber dadurch bedingte Stressfaktoren ausdrücklich verneint. Dabei habe sie einen nahezu perfektionistischen Anspruch mit „narzisstischen Attitüden“. So habe sie die Gutachterin gefragt, ob diese ihr bei ihren Ausführungen über den Gesundheitszustand des späteren Opfers folgen könne, weil sie - die Gutachterin - ja keine Ärztin sei.
235Die Pflegesituation habe die Angeklagte teilweise anders dargestellt als die Zeugen. Sie habe - insoweit abweichend von der Aussage ihres Sohnes K sowie S, S1 und F - erklärt, alles allein bewerkstelligt und keine Hilfe benötigt zu haben. Auch habe sie behauptet, der nur an einigen Tagen eingesetzte professionelle Pflegedienst habe die ganze Arbeit auf sie abgewälzt und nicht entsprechend der Pflegestufe III gearbeitet, so dass sie weitestgehend allein gestanden habe. Sie habe aber erklärt, das habe ihr nichts ausgemacht. Die Frage nach der Beauftragung eines anderen Pflegedienstes habe sie unbeantwortet gelassen und auch keine Erklärung dafür gehabt, warum sie Geschenke an die Pflegekräfte verteilt habe.
236Es sei mit der Angeklagten nicht zu klären gewesen, ob sie die eigene Überlastung wahrgenommen hat oder nicht habe wahrhaben wollen. Es bestehe die Möglichkeit, dass sich die Angeklagte bewusst der Situation ausgesetzt habe, um von anderen für ihren Einsatz gewürdigt und bewundert zu werden. Es sei auch nicht festzustellen, ob es tatsächlich möglich gewesen wäre, mit dem schwerkranken Opfer eine Reise zu einem Konzert in die Niederlande zu unternehmen und ob die Angeklagte sich selbst oder anderen etwas vorgemacht habe, etwa um von diesen dann eine Anerkennung ihrer aufopferungsvollen Betreuung ihrer Mutter zu erreichen, was angesichts deren Gesundheitszustands eine sich aufdrängende Vermutung sei.
237Sie habe mehrfach versichert, ihrer Mutter nichts getan zu haben und habe die Benennung ihrer Aktion den Sachverständigen überlassen wollen. Dabei habe sie erklärt, versucht zu haben, die Mutter durch ein „Tätscheln oder leichtes Schlagen“ aus der Bewusstlosigkeit zu holen. Als das erfolglos geblieben sei, sei sie davon überzeugt gewesen, dass diese im Sterben gelegen habe.
238Die Sachverständige Prof. Dr. O1 hat ergänzend ausgeführt, die Angeklagte könne sich selbst nicht eingestehen, dass sie die Mutter so schwer verletzt habe und glaube möglicherweise selbst an ihre Version des Hergangs. Um jeden Verdacht von sich abzulenken, bagatellisiere sie die eigene Überlastung und die möglicherweise durch den fortschreitenden demenziellen Prozess ihrer Mutter aufgetretenen Probleme.
239Die Kammer hat sich den Ausführungen der seit Jahren als forensische Gutachter bei Gericht tätigen Sachverständigen nach eigener Sachprüfung und dem eigenen Eindruck von der Angeklagten in der Hauptverhandlung angeschlossen.
240Die Kammer schließt auch nach den von ihr abweichend von der Einlassung der Angeklagten getroffenen Feststellungen eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung zur Tatzeit aus. Dabei hat sich die Kammer von der Erwägung leiten lassen, dass das Eingangsmerkmal der tiefgreifenden Bewusstseinsstörung ein normativer Begriff ist, unter den Zustände zu fassen sind, die aus psychiatrischer Sicht als Bewusstseinsveränderung oder Bewusstseinseinengung zu beschreiben sind - und zwar nur solche, die als "normalpsychologische", als nicht krankhafte Störungen zu bezeichnen sind. Voraussetzung für die Bejahung ist, dass das seelische Gefüge des Betroffenen zerstört bzw. erheblich erschüttert war, wie etwa bei Vorliegen eines Affektstaus, eines Affektsturms oder einer anders begründeten Zerreißung des Sinnzusammenhangs des Erlebens.
241Hier zog sich das zur Tat hinführende Geschehen über einen längeren Zeitraum hin und war für die Angeklagte keine vollkommen neue Situation. Ähnliche Situationen hatte sie schon mehrfach durchstanden. Nach ihren eigenen Angaben stand sie in der Kontinuität ihres Erlebens, erlebte namentlich keine Zeiträume, für die sie keine Erinnerung mehr hat, und hatte dementsprechend kein so genanntes Aufwacherleben. Dass sie den genauen Ablauf der Tatnacht und insbesondere auch das festgestellte Tatgeschehen erinnerte, steht zur Überzeugung der Kammer fest, weil sie gegenüber S1 und B mehrfach sinngemäß angab, sie habe schlecht geschlafen, ihre Mutter sei in der Nacht unruhig gewesen, habe eine schwere Nacht gehabt und ruhe sich nun aus. Dies stellt zur Überzeugung der Kammer eine in starkem Maße beschönigende Darstellung des von ihr erinnerten Tatgeschehens dar.
242Soweit die Angeklagte nach der Tat nicht ausschließbar erschreckt war über ihr Tun, ein Wasserglas mit hochprozentigem Alkohol trank und versuchte, sich ein Beruhigungsmittel zu spritzen, ist dies normalpsychologisch nachvollziehbar, lässt aber nach Auffassung der Kammer mangels sonstiger dahin gehender Anknüpfungspunkte nicht auf eine vorgängige Bewusstseinsveränderung oder Bewusstseinseinengung schließen.
243VII.
244Bei der Strafzumessung hat die Kammer zunächst die Strafrahmenwahl getroffen zwischen dem Normalstrafrahmen des § 227 Abs. 1 StGB und demjenigen des minder schweren Falles nach § 227 Abs. 2 StGB. Bei der gebotenen Abwägung, ob die Verhängung einer Strafe aus dem Normalstrafrahmen zu einer unangemessen hohen, unerträglich harten Strafen führen würde, hat sich die Kammer im Wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten lassen:
245Zugunsten der Angeklagten war zu werten, dass sie nicht vorbestraft ist und bislang ein sozial angepasstes Leben geführt hat.
246Sie hat über mehrere Jahre hinweg ihre Mutter gepflegt und war mit der Leistung dieser Pflege bei gleichzeitiger voller Berufstätigkeit als Krankenschwester überlastet.
247Sie litt ausgelöst durch die Überlastung und die sich stetig verschlechternde gesundheitliche Situation ihrer Mutter an einer depressiven Verstimmung, möglicherweise auch schon an einer leichtgradigen Depression, die allerdings keine Auswirkungen auf ihre Steuerungsfähigkeit hatte.
248Ihren Beruf als Krankenschwester, der ihr sehr viel bedeutet hat und in dem sie angesehen und geschätzt war, wird sie nicht mehr ausüben können.
249Sie ist Erstverbüßerin von Strafhaft und als solche zumal angesichts der hier verhängten langjährigen Freiheitsstrafe besonders haftempfindlich.
250Den Umstand, dass wegen Überlastung der Kammer mit vorrangigen Haftsachen erst nach fünfmonatiger Verzögerung mit der Hauptverhandlung begonnen werden konnte, hat die Kammer nicht zu Gunsten der Angeklagten gewertet, weil die eingetretene Verzögerung noch nicht besonders lang ist und die Angeklagte sich auf freiem Fuß befand.
251Zu Lasten der Angeklagten hat die Kammer gewertet, dass die Angeklagte abgesehen von dem todesursächlichen Schlag noch dreimal auf N eingeschlagen hat. Insoweit ist die Kammer davon ausgegangen, dass die Angeklagte sämtliche Schläge (nur) mit der Faust ausführte und keinen Gegenstand benutzte.
252Die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes der vorsätzlichen Körperverletzung hat die Kammer für Zwecke der Strafzumessung dem oberen Bereich zugeordnet. Dabei hat sich die Kammer von der Erwägung leiten lassen, dass das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB es verbietet, den Umstand, dass ein Angeklagter mit Körperverletzungsvorsatz gehandelt hat, als solchen straferschwerend zu werten, weil damit nur der Normalfall erfasst ist. Eine solche Strafschärfung hat die Kammer dementsprechend nicht vorgenommen. Andererseits konnte die Kammer den hier gegebenen Tatvorsatz auch nicht einem unteren Bereich zuordnen, wie dies etwa der Fall gewesen wäre, hätte die Angeklagte (nur) mit bedingtem Vorsatz gehandelt und auf diese Weise den subjektiven Tatbestand, dessen Spannbreite vom bedingten Vorsatz bis hin zur Absicht reicht, erfüllt. Hier fügte die Angeklagte der N die Verletzungen zielgerichtet, absichtlich zu.
253Gegen die Angeklagte sprach weiter, dass N bewegungseingeschränkt in ihrem Bett lag und nicht ansatzweise zu einer Gegenwehr fähig war.
254Gegen sie sprach weiter, dass N ihr besonders vertraut hatte, sie mit ihrer Pflege und Betreuung beauftragt hatte und dass sie dem Willen der N folgend es übernommen hatte, für N zu sorgen und diese zu pflegen. Sowohl gegen diese von ihr übernommene besondere Pflicht als auch gegen das von N in sie gesetzte Vertrauen verstieß sie durch die Schläge gegen N.
255Nach Abwägung sämtlicher für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände hat die Kammer einen minder schweren Fall verneint.
256Bei der konkreten Strafzumessung innerhalb des Normalstrafrahmens hat die Kammer nochmals alle bei der Strafrahmenwahl maßgebend gewesenen, für und gegen die Angeklagte sprechenden Gesichtspunkte abgewogen.
257Besonderes Gewicht kam dabei dem Umstand zu, dass die Angeklagte gegen ihre Fürsorgepflicht verstieß und mehrfach auf ihr wehrloses Opfer einschlug.
258Andererseits hat die Kammer das bislang straffreie Leben der Angeklagten und ihre Überforderung deutlich zu ihren Gunsten gewertet.
259Die Kammer hat danach auf eine Freiheitsstrafe von
260sieben Jahren
261als tat-, täter- und schuldangemessen erkannt.
262IX.
263Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.
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(1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226a) den Tod der verletzten Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
(1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226a) den Tod der verletzten Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.
(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.
(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.