Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil, 02. Dez. 2015 - 3 Sa 218/15

ECLI:ECLI:DE:LARBGSH:2015:1202.3SA218.15.0A
bei uns veröffentlicht am02.12.2015

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 16.06.2015 – Az. 52 Ca 1798 a/14 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Urlaubsabgeltung für das Jahr 2013 aus einem beendeten Arbeitsverhältnis nach langanhaltender Erkrankung.

2

Der am ….1953 geborene Kläger war bei der Beklagten den weit überwiegenden Teil seines Berufslebens als Berufskraftfahrer beschäftigt. Er hatte einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Seine Vergütung belief sich zuletzt auf ca. 2.400,00 Euro brutto monatlich. Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 05.04.2015.

3

Der Kläger war seit dem 13.08.2013 durchgehend bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt. Wie viele Resturlaubstage für 2013 noch offen sind, ist streitig.

4

Als feststand, dass der Kläger nicht mehr arbeitsfähig werden würde, bot die Beklagte ihm auf seine Initiative den Abschluss eines Aufhebungsvertrages an. Diese enthielt in § 2 unter anderem folgende Regelung:

5

㤠2 Freistellung/Resturlaub

6

7

„Die dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch zustehenden Resturlaubansprüche aus dem Kalenderjahr 2013 (10 Tage) und die Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2014 (30 Tage) werden mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberin abgegolten“.

8

Anlage 2, Bl. 3 d. A.)

9

Die 10 Tage für das Jahr 2013 waren handschriftlich in vier Tage abgeändert. Zum Abschluss dieses Aufhebungsvertrages kam es nicht.

10

Am 26.11.2014 erhob der Kläger die vorliegende Klage, die zunächst unter anderem gerichtet war auf Urlaubsabgeltung für 2013 und 2014. Nachdem die Beklagte im Laufe des Rechtsstreits und nach Ausscheiden des Klägers zum 05.04.2015 den Urlaub für 2014 und 2015 abgegolten hat, begehrt der Kläger jetzt letztendlich nur noch Urlaubsabgeltung für das Jahr 2013.

11

Der Kläger hat stets die Auffassung vertreten, ihm stehe für 2013 Urlaubsabgeltung im Umfang von 21,5 Urlaubstagen zu, der mit einem Betrag von 3.000,00 € abzugelten sei. Die Urlaubsansprüche seien nicht automatisch nach Ablauf von 15 Monaten nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres verfallen. Der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei nicht zu folgen. Außerdem habe die Beklagte im Rahmen des Angebots zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages anerkannt, dass Urlaubsansprüche noch bestehen und abzugelten seien.

12

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 16.06.2015 die Klage abgewiesen. Das ist im Wesentlichen mit der Begründung geschehen, die Ansprüche seien nach der Rechtsprechung des EuGH vom 22.11.2011 – C 214/10 und der sich anschließenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verfallen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.

13

Gegen diese dem Kläger am 16.07.2015 zugestellte Entscheidung hat er am 16.07.2015 Berufung eingelegt, die nach Fristverlängerung bis zum 16.10.2015 am 16.10.2015 begründet wurde.

14

Der Kläger ergänzt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Er meint, die Urlaubsabgeltungsansprüche seien rechtzeitig durch die Klage geltend gemacht, was sowohl den Verfall der Urlaubsansprüche als auch ein Eingreifen etwaiger Ausschlussfristen als auch den Eintritt von Verjährung verhindere. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Erlöschen von Urlaubsansprüchen nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten sei verfehlt.

15

Der Kläger beantragt,

16

das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 16.06.2015 – Az. 52 Ca 1798 a/14 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die Urlaubsabgeltung für das Jahr 2013 i. H. v. 3.000,00 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf den Nettobetrag seit dem 01.01.2014 zu zahlen.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Berufung abzuweisen.

19

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend.

20

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

21

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden (§§ 64, 66 Abs. 1 ArbGG).

22

II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Mit überzeugender Begründung hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Dabei ist es davon ausgegangen, dass alle etwaigen Urlaubsansprüche des Klägers aus 2013 untergegangen sind. Dem folgt das Berufungsgericht. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Lediglich ergänzend und auf den neuen Vortrag der Parteien eingehend, wird Folgendes ausgeführt:

23

1. Der Urlaub ist auf das laufende Kalenderjahr befristet. Er muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden (§ 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG). Mit dem Ende des Kalenderjahres erlischt grundsätzlich der Urlaubsanspruch, sofern nicht von dem Willen des Arbeitnehmers unabhängige Hinderungsgründe vorliegen. Dies gilt auch im Falle einer langandauernden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Allerdings geht dann gem. § 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 BurlG der Urlaub auf den in § 7 Abs. 3 Satz 3 BurlG geregelten Übertragungszeitraum des Folgejahres über, soweit er wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht vollständig gewährt werden kann.

24

2. Der Wortlaut des § 7 Abs. 3 Satz 3 BurlG schreibt fest, dass bei einer Übertragung des Urlaubs dieser in den ersten drei Monaten des Übertragungsjahres gewährt und in natura genommen werden muss. Ist das nicht möglich, geht er unter.

25

3. Diese gesetzliche Regelung ist mit der Rechtsprechung des EuGH vom 22.11.2011 – C 214/10 - nach den Vorgaben des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG unionsrechtskonform auszulegen. Bei langandauernder Krankheit ist der in § 7 Abs. 3 Satz 3 BurlG genannte dreimonatige Übertragungszeitraum für gesetzliche Urlaubsansprüche auf einen Zeitraum von 15 Monaten, beginnend mit dem Ende des Urlaubsjahres, auszudehnen. Besteht jedoch am 31.03. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres die Arbeitsunfähigkeit fort, geht der Urlaubsanspruch nach Ablauf eines Übertragungszeitraumes von 15 Monaten, gerechnet ab Ende des Urlaubsjahres, unter (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: BAG vom 07.08.2012 – 9 AZR 353/10; BAG vom 22.05.2012 – 9 AZR 618/10 und 9 AZR 575/10; BAG vom 05.08.2014 – 9 AZR 77/13; BAG vom 20.01.2015 – 9 AZR 585/13). Die Kammer sieht weder Veranlassung zu einer erneuten Vorlage an den EuGH noch zur Nichtanwendung dieser Rechtsprechung.

26

4. Im laufenden Arbeitsverhältnis besteht ein Abgeltungsverbot für Urlaubsansprüche. Urlaub ist gem. § 7 Abs. 4 BUrlG vom Arbeitgeber erst abzugelten, wenn dieser wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Voraussetzung für einen Abgeltungsanspruch ist daher, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist.

27

5. Vor diesem rechtlichen Hintergrund sind die streitbefangenen Urlaubsansprüche des Klägers für das Jahr 2013 untergegangen. Sie sind schon untergegangen, bevor eine Abgeltung überhaupt in Betracht kommen konnte.

28

Das Urlaubsjahr 2013 endete am 31.12.2013. Da der Kläger langanhaltend arbeitsunfähig krank war, greift der maximale Übertragungszeitraum von 15 Monaten. Dieser Übertragungszeitraum endete am 31.03.2015. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte der Kläger genesen sein müssen, um die Urlaubsansprüche in natura nehmen zu können. Da das nicht der Fall war, sind etwaige Urlaubsansprüche für 2013 mit Ablauf des 31.03.2015 untergegangen. Abgeltung konnte vor diesem Zeitpunkt noch nicht verlangt werden, da hierfür die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 BUrlG noch nicht vorlagen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete erst am 05.04.2015. Zu diesem Zeitpunkt waren die Urlaubsansprüche des Klägers bereits erloschen.

29

6. Der Untergang etwaiger Urlaubsansprüche des Klägers für 2013 konnte nicht durch die Klagerhebung vom 26.11.2014 verhindert werden, da zu diesem Zeitpunkt – wie bereits dargelegt – noch kein Abgeltungsanspruch bestand. Eine Zahlungsklage konnte gar nicht wirksam erhoben werden.

30

7. Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Beklagte das Bestehen von Urlaubsansprüchen und eine Abgeltungspflicht auch nicht anerkannt. Das Angebot der Beklagten zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages stellt kein irgendwie geartetes Schuldanerkenntnis oder Schuldversprechen im Sinne der §§ 780, 781 BGB dar. Schon der allgemeine Zweck eines Schuldanerkenntnisses, streitig gewordene Ansprüche endgültig festzulegen und auf Einwendungen jedweder Art verzichten zu wollen, ist von dem Angebot der Beklagten nicht erfasst. Das schriftlich unterbreitete Angebot der Beklagten ist rechtlich ein „Nichts“. Es ist noch nicht einmal mit der Erteilung einer Abrechnung vergleichbar, die den Arbeitgeber auch nicht hindert, sie später zu widerrufen oder aus anderen Gründen die Zahlung zu verweigern (vgl. hierzu BAG vom 27.02.2014 – 6 AZR 931/12 - Rz. 39 ff). Das Angebot hat keinerlei bindende Aussagekraft.

31

8. Das Vorbringen des Klägers zu Verjährung und Ausschlussfristen ist hier nicht einschlägig, kann also dahingestellt bleiben.

32

9. Aus den genannten Gründen ist das angefochtene Urteil zu bestätigen. Die Klage ist zu Recht abgewiesen worden, so dass die Berufung zurückzuweisen war.

33

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

34

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfall-entscheidung.


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

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Bundesurlaubsgesetz - BUrlG | § 7 Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs


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Referenzen

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.

(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 29. April 2010 - 11 Sa 64/09 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 21. Juli 2009 - 7 Ca 198/09 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.919,95 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 9. April 2009 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz zu 80 % zu tragen, die Beklagte zu 20 %. Die Kosten der Berufung und der Revision hat die Klägerin zu 71 % zu tragen, die Beklagte zu 29 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs aus den Jahren 2005 bis 2009.

2

Die als schwerbehindert anerkannte Klägerin war vom 1. Juli 2001 bis zum 31. März 2009 in der Rehabilitationsklinik der Beklagten gegen eine monatliche Bruttovergütung iHv. zuletzt 2.737,64 Euro als Angestellte beschäftigt. In § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 21. Juni 2001 ist vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung bestimmt und außerdem die für die Arbeitgeberin jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung finden. Im Jahr 2004 erkrankte die Klägerin arbeitsunfähig. Ab dem 20. Dezember 2004 bezog sie eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung, die sie nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus bezog.

3

Mit ihrer der Beklagten am 8. April 2009 zugestellten Klage hat die Klägerin die Abgeltung von 149 Urlaubstagen aus den Jahren 2005 bis 2009 verlangt und beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 18.841,05 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2009 zu zahlen.

4

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, während des Bezugs der Erwerbsminderungsrente auf Zeit habe das Arbeitsverhältnis gemäß § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD geruht. Während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses seien Urlaubsansprüche der Klägerin nicht entstanden, sodass kein Urlaubsabgeltungsanspruch bestehe. Jedenfalls habe die Klägerin nicht über mehrere Jahre hinweg Urlaubsansprüche ansammeln können. Dem stünden auch die allgemeinen Verjährungsregeln und die tariflichen Ausschlussfristen entgegen.

5

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und des der Klägerin zustehenden Schwerbehindertenzusatzurlaubs aus den Jahren 2005 bis 2009 verurteilt, der Klägerin 13.403,70 Euro brutto nebst Zinsen zugesprochen und die Klage in Bezug auf die von der Klägerin beanspruchte Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte verurteilt hat, den gesetzlichen Erholungsurlaub und den zusätzlichen Urlaub für schwerbehinderte Menschen aus den Jahren 2005 bis 2007 abzugelten. Soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und des Zusatzurlaubs der Klägerin aus den Jahren 2008 und 2009 verurteilt hat, ist die Revision der Beklagten unbegründet.

7

I. Ein Anspruch der Klägerin auf Abgeltung des Erholungsurlaubs gemäß § 1 iVm. § 3 Abs. 1 BUrlG und des Zusatzurlaubs nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX aus den Jahren 2005 bis 2007 folgt entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht aus § 7 Abs. 4 BUrlG. Urlaubsansprüche der Klägerin aus diesen Jahren haben bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2009 nicht mehr bestanden. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Bezug der befristeten Rente wegen Erwerbsminderung allerdings nicht das Entstehen von Urlaubsansprüchen der Klägerin in diesen Jahren gehindert. Insofern lässt das Urteil des Landesarbeitsgerichts keinen Rechtsfehler erkennen.

8

1. Für das Entstehen des Urlaubsanspruchs ist nach dem Bundesurlaubsgesetz allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung (st. Rspr. seit BAG 28. Januar 1982 - 6 AZR 571/79 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 37, 382; vgl. auch 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 21, BAGE 130, 119; ErfK/Gallner 12. Aufl. § 1 BUrlG Rn. 6; MüArbR/Düwell 3. Aufl. Bd. 1 § 77 Rn. 7). Der Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG steht ebenso wie der Urlaubsanspruch nach § 125 SGB IX(zur Bindung an das rechtliche Schicksal des Mindesturlaubsanspruchs: vgl. BAG 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 71 mwN, BAGE 124, 1) nicht unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum eine Arbeitsleistung erbracht hat. Der Urlaubsanspruch entsteht auch dann, wenn der Arbeitnehmer nicht arbeitet (st. Rspr., grundlegend BAG 13. Mai 1982 - 6 AZR 360/80  - zu II 4 a bis e der Gründe, BAGE 39, 53 ). Gegenteiliges ist auch den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen (ErfK/Gallner aaO). Der Ausschuss für Arbeit des Deutschen Bundestags führte zu dem Entwurf des § 4 BUrlG vielmehr aus, der Entwurf stelle auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ab, sodass es unerheblich sei, ob der Arbeitnehmer während des Laufs der Wartezeit die ihm obliegende Beschäftigung tatsächlich ausgeübt habe(BT-Drucks. IV/785 S. 3). Gemäß § 4 BUrlG wird der volle Urlaubsanspruch nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Zeiträume nach Ablauf der Wartezeit anders behandeln wollte. Darüber, dass der seit dem 1. Juli 2001 bei der Beklagten beschäftigten Klägerin ungeachtet eines tariflichen Mehrurlaubs jährlich gemäß § 1 iVm. § 3 Abs. 1 BUrlG 20 Arbeitstage Erholungsurlaub und fünf weitere Arbeitstage Zusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zustanden, besteht kein Streit.

9

2. Ohne Bedeutung ist, dass das Arbeitsverhältnis ab dem 20. Dezember 2004 bis zu seiner Beendigung am 31. März 2009 aufgrund des Bezugs der befristeten Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD geruht hat. Zwar bestimmt § 26 Abs. 2 Buchst. c TVöD im Wesentlichen übereinstimmend mit der Vorgängervorschrift § 48 Abs. 3 Satz 1 BAT, dass sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubs für jeden vollen Kalendermonat um ein Zwölftel vermindert, wenn das Arbeitsverhältnis ruht. Diese Vorschrift ist jedoch jedenfalls insoweit unwirksam, als sie auch die Verminderung gesetzlicher Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern und schwerbehinderten Menschen erfasst, die aus gesundheitlichen Gründen nicht die ihnen nach dem Arbeitsvertrag obliegende Leistung erbracht haben. Eine solche Verminderung gesetzlicher Urlaubsansprüche lässt § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht zu. Der Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub und Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen steht auch dann nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien (vgl. BAG 8. März 1994 - 9 AZR 49/93 - zu III 2 der Gründe, BAGE 76, 74), wenn längere Zeit aus gesundheitlichen Gründen nicht die geschuldete Arbeitsleistung erbracht wurde. Kraft ausdrücklicher Anordnung des Gesetzgebers in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG kann von den Vorschriften der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 BUrlG auch in Tarifverträgen nicht abgewichen werden. Das Verbot der Abweichung gilt unabhängig davon, ob im Urlaubsjahr eine Arbeitsleistung erbracht wurde oder der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen daran ganz oder teilweise gehindert war.

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3. Ein anderes Verständnis des Abweichungsverbots in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG würde der Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts nicht gerecht(vgl. Boecken FS Düwell S. 53, 59 ff.; Boecken/Jacobsen ZTR 2011, 267, 269 f.; Suckow/Klose JbArbR Bd. 49 S. 59, 63; aA ohne nähere Begründung wohl Düwell DB 2012, 1750, 1751).

11

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 24, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 8) müssen die nationalen Gerichte bei der Anwendung des nationalen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auslegen, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen und damit Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen. Die Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts ist dem System des AEU-Vertrags immanent, da den nationalen Gerichten dadurch ermöglicht wird, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen, wenn sie über die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten entscheiden (vgl. EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 48, Slg. 2010, I-365; 23. April 2009 - C-378/07 bis C-380/07 - [Angelidaki ua.] Rn. 197 f., Slg. 2009, I-3071; 5. Oktober 2004 - C-397/01 bis C-403/01 - [Pfeiffer ua.] Rn. 113 f., Slg. 2004, I-8835).

12

b) Dies bewirkt, dass bei der Auslegung des Abweichungsverbots in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG zu berücksichtigen ist, dass die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9; im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie) nicht zwischen Arbeitnehmern, die während des Bezugszeitraums wegen Krankheit der Arbeit ferngeblieben sind, und solchen, die während dieses Zeitraums tatsächlich gearbeitet haben, differenziert, und dass nach ständiger Rechtsprechung des EuGH der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen ist, von dem nicht abgewichen werden darf und den die zuständigen nationalen Stellen nur in den Grenzen umsetzen dürfen, die in der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EG L 307 vom 13. Dezember 1993 S. 18), die durch die Arbeitszeitrichtlinie kodifiziert wurde, selbst ausdrücklich gezogen sind (vgl. EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 23, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Rn. 22, Slg. 2009, I-179; 16. März 2006 - C-131/04 und C-257/04 - [Robinson-Steele ua.] Rn. 48, Slg. 2006, I-2531; 18. März 2004 - C-342/01 - [Merino Gómez] Rn. 29, Slg. 2004, I-2605; 26. Juni 2001 - C-173/99 - [BECTU] Rn. 43, Slg. 2001, I-4881). Daraus folgt, dass bei „ordnungsgemäß krankgeschriebenen“ Arbeitnehmern der allen Arbeitnehmern zustehende Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub nicht von der Voraussetzung abhängig gemacht werden darf, dass sie während des Urlaubsjahres tatsächlich gearbeitet haben (EuGH 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 20 mwN, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 8; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Rn. 41, aaO). Wird § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG anhand des Wortlauts und des Zwecks der Arbeitszeitrichtlinie ausgelegt, steht diese Vorschrift einer Kürzung der Mindesturlaubsansprüche von Arbeitnehmern entgegen, die aus gesundheitlichen Gründen im Bezugszeitraum keine Arbeitsleistung erbracht haben, wobei es grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob sie infolge eines Unfalls am Arbeitsplatz oder anderswo oder aber infolge einer Krankheit, welcher Art oder welchen Ursprungs auch immer, krankgeschrieben waren(EuGH 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 30, aaO). Vor diesem Hintergrund bedarf es jedenfalls in den Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine Erkrankung kausal für das Ruhen des Arbeitsverhältnisses war, keiner weiteren Klärung der Rechtslage durch den EuGH gemäß Art. 267 AEUV.

13

4. Ordnet eine Tarifvorschrift wie § 26 Abs. 2 Buchst. c TVöD an, dass sich die Dauer des gesetzlichen Urlaubs für jeden vollen Monat um ein Zwölftel vermindert, wenn das Arbeitsverhältnis ruht, so weicht sie jedenfalls dann iSd. § 13 Abs. 1 BUrlG zu Ungunsten des Arbeitnehmers von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG ab, wenn das Ruhen des Arbeitsverhältnisses darauf zurückzuführen ist, dass der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen seine Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht erfüllen kann. Unerheblich ist dabei, ob die Tarifvorschrift bereits das Entstehen von Urlaubsansprüchen hindern oder ob sie einen entstandenen Urlaubsanspruch vermindern will. Beide Konstellationen unterscheiden sich in ihrer Wirkung auf den Urlaubsanspruch im Ergebnis nicht.

14

a) In Rechtsprechung und Literatur wird allerdings teilweise angenommen, während des Ruhens eines Arbeitsverhältnisses entstünden keine Urlaubsansprüche bzw. die Kürzung des Urlaubsanspruchs um Zeiten des Ruhens sei zulässig (vgl. nur LAG Düsseldorf 19. Januar 2012 - 15 Sa 380/11 - ZTR 2012, 283; LAG Baden-Württemberg 9. Juni 2011 - 6 Sa 109/10 -; LAG München 26. Mai 2011 - 4 Sa 66/11 -; LAG Düsseldorf 1. Oktober 2010 - 9 Sa 1541/09 -; LAG Köln 29. April 2010 - 6 Sa 103/10 - ZTR 2010, 589; Düwell DB 2012, 1750, 1751; Wicht BB 2012, 1349; Bürger ZTR 2011, 707, 713; Fieberg NZA 2009, 929). Dem liegt die Erwägung zugrunde, wenn aufgrund der Suspendierung der Hauptleistungspflichten des Arbeitsvertrags kein Vergütungsanspruch bestehe, könne auch kein Annex- oder Neben- oder Sekundäranspruch auf Urlaub begründet werden (LAG München 26. Mai 2011 - 4 Sa 66/11 - zu II 2 c bb der Gründe mwN). Andererseits soll es nur dann gerechtfertigt sein, dem Arbeitgeber die Verpflichtung zuzuweisen, Urlaub zu gewähren und Urlaubsentgelt zu zahlen, wenn vertraglich eine Arbeitspflicht des Arbeitnehmers besteht (LAG Düsseldorf 1. Oktober 2010 - 9 Sa 1541/09 - zu B I 3 b aa (1) der Gründe). Maßgebend soll sein, dass nicht die (Dauer-)Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers per se das Ruhen des Arbeitsverhältnisses bewirke, sondern die Vereinbarung des Ruhens als willensgesteuertes Element alleinige Ursache für das Ruhen des Arbeitsverhältnisses sei (vgl. Wicht BB 2012, 1349, 1352; Fieberg NZA 2009, 929, 934; Picker ZTR 2009, 230, 237 jeweils mwN). Angeknüpft wird auch unter Hinweis auf die Regelung in § 125 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SGB IX an die Abhängigkeit der Urlaubstage von der Anzahl der Arbeitstage in der Kalenderwoche. Bei konsequenter Anwendung der Berechnungsformel für den Urlaubsanspruch bei einer Beschäftigung von weniger als fünf Tagen in der Woche betrage die Höhe des Urlaubsanspruchs bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis „Null“ (Wicht aaO). Die „Anpassung“ des Urlaubsanspruchs stehe insofern in Einklang mit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols vom 22. April 2010 - C-486/08 - (vgl. LAG Düsseldorf 5. Mai 2010 - 7 Sa 1571/09 - zu II 2 a der Gründe, NZA-RR 2010, 568). Teilweise wird eine Einschränkung dahingehend vorgenommen, das Ruhen hindere das Entstehen von Urlaubsansprüchen nur dann, wenn es bereits zu Beginn des Urlaubsjahres vorgelegen habe und während des gesamten Jahres fortbestehe (LAG Düsseldorf 1. Oktober 2010 - 9 Sa 1541/09 - zu B I 3 b bb der Gründe; Düwell DB 2012, 1750).

15

b) Die Annahme, dass Urlaubsansprüche im ruhenden Arbeitsverhältnis auch dann nicht entstehen, wenn das Ruhen des Arbeitsverhältnisses auf eine Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zurückzuführen ist, ist mit der in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG angeordneten Unabdingbarkeit des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs nicht zu vereinbaren(abl. auch Boecken/Jacobsen ZTR 2011, 267, 268 ff.; noch offengelassen in BAG 9. August 2011 - 9 AZR 475/10 - Rn. 16, NZA 2012, 166).

16

aa) Der Hinweis auf das willensgesteuerte Element auch auf Seiten des Arbeitnehmers überzeugt nicht. Von den §§ 1, 2 und § 3 Abs. 1 BUrlG können nach der ausdrücklichen Anordnung in § 13 Abs. 1 BUrlG weder die Tarifvertragsparteien geschweige denn die Arbeitsvertragsparteien abweichen, indem sie im Rahmen einer Ruhensvereinbarung ausdrücklich oder konkludent vorsehen, dass keine Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers entstehen, wenn dieser aus gesundheitlichen Gründen längere Zeit an seiner Arbeitsleistung gehindert ist. Nicht nur der Umfang des Mindesturlaubsanspruchs, sondern auch die Definition des Geltungsbereichs des BUrlG ist der Disposition der Tarifvertragsparteien entzogen. Nach § 2 Satz 1 BUrlG sind Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Indem die Tarifvertragsparteien des TVöD als Folge der Anordnung des Ruhens in § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD die Kürzung des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 2 Buchst. c TVöD angeordnet haben, haben sie Arbeitnehmer, die eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung beziehen, während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses nach § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD im Ergebnis aus dem Anwendungsbereich des BUrlG ausgenommen. Dies lässt § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht zu. § 2 Satz 1 BUrlG nimmt arbeitsunfähige Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis kraft Abrede der Arbeitsvertragsparteien oder aufgrund tariflicher Anordnung ruht, nicht aus. Sinn und Zweck der §§ 1, 2 BUrlG gebieten auch keine teleologische Reduktion(aA jetzt Düwell DB 2012, 1750). Die Freistellung von der Arbeit ist kein Selbstzweck, sondern der Urlaub dient grundsätzlich dazu, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen (EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7). Die Entstehung des Urlaubsanspruchs ist allerdings weder von einem konkreten noch von einem abstrakten Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers abhängig (BAG 20. Mai 2008 - 9 AZR 219/07 - Rn. 30 mwN, BAGE 126, 352; Boecken/Jacobsen ZTR 2011, 267, 268). Mit dem Zusatz „Erholung“ wird in § 1 BUrlG lediglich der sozialpolitische Zweck des Urlaubs beschrieben(MüArbR/Düwell § 77 Rn. 8).

17

bb) Aus der zu § 3 Abs. 1 BUrlG abgeleiteten Umrechnungsformel für die Fälle der Beschäftigung an nicht allen Werktagen der Kalenderwoche und aus der Regelung in § 125 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SGB IX kann nicht abgeleitet werden, dass Urlaubsansprüche im ruhenden Arbeitsverhältnis auch dann nicht entstehen, wenn die Ruhensvereinbarung für den Fall des Bezugs einer Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit des Arbeitnehmers getroffen wurde. In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer ebenso wie ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer ohne Ruhensvereinbarung aus gesundheitlichen Gründen seine Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht erfüllen. Dadurch reduziert sich der Umfang der Arbeitspflicht jedoch nicht auf „Null“. Auch im ruhenden Arbeitsverhältnis wird „an sich“ eine Arbeitsleistung geschuldet, die Pflicht ruht lediglich (Boecken/Jacobsen ZTR 2011, 267, 269). Zudem dient die Umrechnungsformel bei einer Beschäftigung an nicht allen Werktagen der Kalenderwoche der Ermittlung der Anzahl der Urlaubstage. Diese Formel setzt damit das Bestehen eines Urlaubsanspruchs voraus und kann daher nicht zur Klärung der Frage herangezogen werden, ob überhaupt für bestimmte Zeiträume ein Urlaubsanspruch entstanden ist.

18

cc) Auch der Gesetzgeber ist in § 17 BEEG und § 4 ArbPlSchG davon ausgegangen, dass im ruhenden Arbeitsverhältnis Urlaubsansprüche entstehen. Dies zeigen die in diesen Vorschriften enthaltenen Kürzungsmöglichkeiten (vgl. für die Elternzeit: BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 24, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138). Nur ein entstandener Urlaubsanspruch kann gekürzt werden (so schon BAG 30. Juli 1986 - 8 AZR 475/84  - zu I 3 der Gründe, BAGE 52, 305 ). Davon sind auch die Tarifvertragsparteien des TVöD ausgegangen. Sie haben nicht angenommen, dass die Anordnung des Ruhens des Arbeitsverhältnisses in § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD per se bewirkt, dass während des Bezugs der befristeten Rente wegen Erwerbsminderung keine Urlaubsansprüche entstehen, sondern haben es für erforderlich gehalten, die Verminderung des Urlaubs in § 26 Abs. 2 Buchst. c TVöD ausdrücklich zu regeln.

19

dd) Die in § 17 Abs. 1 BEEG und § 4 Abs. 1 ArbPlSchG vorgesehenen Kürzungsmöglichkeiten sind auch nicht Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, der für eine teleologische Reduktion des BUrlG in Bezug auf ruhende Arbeitsverhältnisse herangezogen werden könnte(vgl. BAG 30. Juli 1986 - 8 AZR 475/84  - zu I 3 b der Gründe, BAGE 52, 305 ; vgl. auch allg. gegen eine Übertragung von urlaubsrechtlichen Sonderbestimmungen auf den Urlaub nach dem BUrlG: BAG 13. Mai 1982 - 6 AZR 360/80 - zu II 4 d der Gründe, BAGE 39, 53). Dem steht schon entgegen, dass der Gesetzgeber in dem am 1. Juli 2008 in Kraft getretenen Pflegezeitgesetz nicht die Möglichkeit der Kürzung des Urlaubs vorgesehen hat (Liebscher ArbR 2011, 189, 191), obwohl während der Pflegezeit die Hauptleistungspflichten ruhen (ErfK/Gallner § 3 PflegeZG Rn. 4; DFL/Böck 4. Aufl. § 3 PflegeZG Rn. 11).

20

5. Die in den Jahren 2005 bis 2007 entstandenen Urlaubsansprüche der Klägerin sind jedoch vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2009 verfallen. Dies folgt allerdings nicht bereits aus den tariflichen Fristenregelungen.

21

a) Der Verfall der in den Jahren 2005 bis 2007 entstandenen gesetzlichen Urlaubsansprüche ergibt sich nicht aus § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD. Zwar verfallen Urlaubsansprüche nach dieser Tarifregelung auch bei fortbestehender Erkrankung am 31. Mai des dem Urlaubsjahr folgenden Jahres, die Vorschrift gilt jedoch nur für den tariflichen Mehrurlaub und erfasst nicht den gesetzlichen Mindesturlaub (vgl. BAG 22. Mai 2012 - 9 AZR 618/10 - Rn. 18, NZA 2012, 987). Nur Letzterer ist in der Revision noch Streitgegenstand. Die Klägerin hat die Klageabweisung durch das Arbeitsgericht insofern nicht mit Rechtsmitteln angegriffen.

22

b) Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten folgt der Verfall der Urlausansprüche auch nicht aus der Nichteinhaltung der in § 37 Abs. 1 TVöD geregelten Ausschlussfrist. Diese findet auf den Urlaubsanspruch keine Anwendung (vgl. BAG 18. November 2003 - 9 AZR 95/03 - zu A II 1 d der Gründe mwN, BAGE 108, 357; HWK/Schinz 5. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 74e).

23

6. Die in den Jahren 2005 bis 2007 entstandenen Urlaubsansprüche der Klägerin sind jedoch 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres und damit am 31. März des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG verfallen, sodass diese Urlaubsansprüche bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2009 nicht gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten waren.

24

a) Nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG muss der Urlaub im Fall seiner Übertragung in das nächste Kalenderjahr in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden. Danach erlischt er (st. Rspr. seit BAG 26. Juni 1969 - 5 AZR 393/68 - zu 1 der Gründe, BAGE 22, 85; vgl. AnwK-ArbR/Düwell 2. Aufl. Bd. 2 § 7 BUrlG Rn. 86, 89). Dass nicht zeitgerecht geltend gemachter bzw. gewährter Urlaub verfällt, folgt aus der vom Gesetz (§§ 1, 13 BUrlG) unabdingbar festgelegten Bindung des Urlaubsanspruchs an das Kalenderjahr, die zugleich dem Sinn und Zweck der gesamten gesetzlichen Urlaubsregelung entspricht. Der Gesetzgeber wollte damit erreichen, dass jeder Arbeitnehmer in einem einigermaßen regelmäßigen Rhythmus eine gewisse Zeit der Erholung auch tatsächlich erhält. Diesem Ziel dienten die im Vergleich zu den Regelungen in den Landesurlaubsgesetzen wesentlich striktere zeitliche Begrenzung des Urlaubsanspruchs und die eingeschränkte Möglichkeit der Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr. Nicht zeitgerecht in Anspruch genommener Urlaub sollte verfallen (BAG 26. Juni 1969 - 5 AZR 393/68 - aaO mwN).

25

b) Seit dem Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG am 23. November 1996 ist das Unionsrecht bei der Auslegung und Anwendung des § 7 Abs. 3 BUrlG freilich mitzuberücksichtigen(vgl. BAG 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 101 ff., BAGE 134, 1). Art. 7 dieser Richtlinie lautet:

        

„Jahresurlaub

        

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.

        

(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.“

26

aa) Der EuGH, dem nach Art. 267 AEUV die Aufgabe der verbindlichen Auslegung von Richtlinien zugewiesen ist(vgl. BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 47, BAGE 130, 119), hat festgestellt, dass Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie grundsätzlich einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die für die Ausübung des mit dieser Richtlinie ausdrücklich verliehenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub Modalitäten vorsieht, die sogar den Verlust dieses Anspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums umfassen. Allerdings hat er dieser grundsätzlichen Feststellung die Voraussetzung hinzugefügt, dass der Arbeitnehmer, dessen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erloschen ist, tatsächlich die Möglichkeit gehabt haben muss, den ihm mit der Richtlinie verliehenen Anspruch auszuüben (EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 43, 49, Slg. 2009, I-179). Der EuGH hat später ergänzend festgestellt, dass ein Recht auf ein unbegrenztes Ansammeln von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub aus mehreren Bezugszeiträumen, die während eines solchen Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit erworben wurden, nicht mehr dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub entsprechen würde (EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 30, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7). Der Anspruch eines während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub könne den Zweckbestimmungen des Urlaubs nur insoweit entsprechen, als der Übertrag eine gewisse zeitliche Grenze nicht überschreite. Das nationale Recht könne daher Übertragungszeiträume vorsehen, an deren Ende auch bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit der Urlaubsanspruch entfalle. Ein solcher Übertragungszeitraum müsse die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt werde, deutlich überschreiten (EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 38, aaO; 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] Rn. 41, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 9). Bei der Festlegung der Länge sei einerseits zu berücksichtigen, dass jeder Übertragungszeitraum den spezifischen Umständen Rechnung tragen müsse, in denen sich ein Arbeitnehmer befinde, der während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähig sei. Dieser Zeitraum müsse daher für den Arbeitnehmer insbesondere die Möglichkeit gewährleisten, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant werden sowie verfügbar sein können (EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] aaO). Anderseits müsse der Übertragungszeitraum den Arbeitgeber vor der Gefahr der Ansammlung von zu langen Abwesenheitszeiträumen und den Schwierigkeiten schützen, die sich daraus für die Arbeitsorganisation ergeben können (EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 39, aaO).

27

bb) Nach der Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH hat der Senat angenommen, der Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Urlaubs erlösche nicht, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des in § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG genannten Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist, und hat § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG nach den Vorgaben des Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie in der Auslegung des EuGH in der Schultz-Hoff-Entscheidung richtlinienkonform ausgelegt bzw. fortgebildet (BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 57 ff., BAGE 130, 119).

28

cc) Nunmehr hat der EuGH in der KHS-Entscheidung seine Schlussfolgerung im Schultz-Hoff-Urteil, dass eine nationale Bestimmung, mit der ein Übertragungszeitraum festgelegt wird, nicht das Erlöschen des Anspruchs des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub vorsehen kann, wenn der Arbeitnehmer nicht tatsächlich die Möglichkeit hatte, diesen Anspruch auszuüben, ausdrücklich „nuanciert“ (EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 28, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7). Er hat erkannt, dass Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten nicht entgegensteht, die die Möglichkeit für einen während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmer, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, dadurch einschränken, dass sie einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsehen, nach dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Urlaub erlischt(EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 44, aaO). Angesichts dieser geänderten Rechtsprechung des EuGH ist die Frage in Rechtsprechung (Hessisches LAG 7. Februar 2012 - 19 Sa 818/11 - Revision anhängig unter - 9 AZR 305/12 -; LAG Hamm 12. Januar 2012 - 16 Sa 1352/11 - Revision anhängig unter - 9 AZR 232/12 -; LAG Baden-Württemberg 21. Dezember 2011 - 10 Sa 19/11 - Revision anhängig unter - 9 AZR 225/12 -) und Literatur (vgl. nur Bauer/von Medem NZA 2012, 113, 115 f.; Gehlhaar NJW 2012, 271, 273 f.; Pötters/Stiebert NJW 2012, 1034, 1037; Schinz RdA 2012, 181, 184; Bayreuther DB 2011, 2848, 2849; Franzen NZA 2011, 1403, 1405; Forst Anm. EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7) unterschiedlich beantwortet worden, ob auch nach der „nuancierten“ Rechtsprechung des EuGH an einer zeitlich nicht begrenzten Ansammlung von Urlaubsansprüchen bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit festzuhalten sei. Erörtert wurde, ob aufgrund der Erkenntnis des EuGH in der KHS-Entscheidung, dass die Arbeitszeitrichtlinie nur einen Übertragungszeitraum verlangt, der die Dauer des Bezugzeitraums deutlich überschreitet (EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 38, aaO), und ein Übertragungszeitraum von 15 Monaten diese Voraussetzung bei einem Bezugszeitraum von einem Jahr erfüllt, § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG unionsrechtskonform so ausgelegt werden kann oder muss, dass diese Vorschrift auch die Mindesturlaubsansprüche bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit begrenzt. Diskutiert wurde auch, ob der Wortlaut des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG(„drei Monate“) aufgrund der Bindung der Gerichte an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung und zeitlichen Begrenzung der gesetzlichen Urlaubsansprüche bei Dauererkrankung des Arbeitnehmers entgegensteht (vgl. BAG 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - Rn. 37, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 20; Schinz RdA 2012, 181, 185; Suckow/Klose JbArbR Bd. 49 S. 59, 73). Letzteres ist nicht der Fall. Eine modifizierte unionsrechtskonforme Auslegung von § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG ist nach der modifizierten Rechtsprechung des EuGH in der KHS-Entscheidung geboten.

29

(1) Einzelstaatliche Normen sind im Verhältnis zu einem privaten Arbeitgeber wie der Beklagten allerdings grundsätzlich unangewendet zu lassen, wenn das nationale Recht gegen das Primärrecht der Union verstößt (BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 53, BAGE 130, 119). Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ist auch in Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausdrücklich verankert, der von Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche rechtliche Rang wie den Verträgen zuerkannt wird(EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 37, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7). Diese Rechtslage führt vorliegend jedoch nicht dazu, dass die Befristung des Urlaubsanspruchs in § 7 Abs. 3 BUrlG im Falle einer Dauererkrankung des Arbeitnehmers nicht berücksichtigt werden darf. Dies folgt hier bereits aus dem Umstand, dass die Grundrechtecharta erst mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 den Rang von Primärrecht erhielt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien war zu diesem Zeitpunkt bereits beendet.

30

(2) Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob eine nationale Bestimmung wegen ihrer Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht unangewendet bleiben muss, nur dann, wenn eine unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich ist (EuGH 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 23, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 8; vgl. Wißmann FS Bepler S. 649, 654). § 7 Abs. 3 BUrlG kann und muss unionsrechtskonform ausgelegt werden(vgl. BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 57, BAGE 130, 119). Ermöglicht es das nationale Recht durch Anwendung seiner Auslegungsmethoden, eine innerstaatliche Bestimmung so auszulegen, dass eine Kollision mit einer anderen Norm innerstaatlichen Rechts vermieden wird, sind die nationalen Gerichte verpflichtet, die gleichen Methoden anzuwenden, um das von der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 58 mwN, aaO; vgl. auch EuGH 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 24 mwN, aaO). Mehrere mögliche Auslegungsmethoden sind daher hinsichtlich des Richtlinienziels bestmöglich anzuwenden im Sinne eines Optimierungsgebots (BVerfG 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06 ua. - Rn. 46, NJW 2012, 669). Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn die nationalen Gerichte die Reichweite der innerstaatlichen Bestimmung zu diesem Zweck einschränken müssen (BAG 17. November 2009 - 9 AZR 844/08 - Rn. 25 mwN zur Rspr. des EuGH, BAGE 132, 247; Gallner FS Etzel S. 155, 163). Ergebnis der richterlichen Rechtsanwendung kann dabei auch die Festlegung einer konkreten Zahl sein (vgl. zur Zahl von 15 Überhangmandaten: BVerfG 25. Juli 2012 - 2 BvE 9/11 ua - Rn. 144).

31

(3) Allerdings unterliegt der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts Schranken. Die Pflicht zur Verwirklichung eines Richtlinienziels im Auslegungsweg findet zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten (BVerfG 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06 ua. - Rn. 47, NJW 2012, 669). Sie darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (EuGH 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 25 mwN, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 8; BAG 17. November 2009 - 9 AZR 844/08 - Rn. 26, BAGE 132, 247). Ob und inwieweit das innerstaatliche Recht eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung zulässt, können nur innerstaatliche Gerichte beurteilen (BVerfG 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06 ua. - Rn. 47 f., NJW 2012, 669).

32

c) In Anwendung dieser Grundsätze ist § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG unionsrechtskonform so auszulegen, dass gesetzliche Urlaubsansprüche vor Ablauf eines Zeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war. Sie gehen jedoch mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres unter. Dies gilt auch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit. Ein solcher Übertragungszeitraum von 15 Monaten wurde vom EuGH als unionsrechtskonform gebilligt, sodass es keiner Einleitung eines Verfahrens nach Art. 267 AEUV zur Klärung der Auslegung der Arbeitszeitrichtlinie bedarf. Dabei ist klarzustellen, dass sich die Länge des Übertragungszeitraums von 15 Monaten nicht zwingend aus dem Unionsrecht ergibt. Der Gesetzgeber wäre nicht gehindert, einen anderen Übertragungszeitraum festzusetzen, der lediglich deutlich länger sein müsste als der Bezugszeitraum. Ein solches Tätigwerden des Gesetzgebers ist in der Literatur vielfach gefordert worden (vgl. Bauer/von Medem NZA 2012, 113, 116 f.; Düwell jurisPR-ArbR 16/2012 Anm. 3; Franzen NZA 2011, 1403, 1404 f.) - bislang ohne Erfolg.

33

aa) Eine solche unionsrechtskonforme Auslegung entspricht dem vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG verfolgten Zweck, wenn die Ziele des Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie und der regelmäßig anzunehmende Wille des nationalen Gesetzgebers zur ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien berücksichtigt werden(BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 59 mwN, BAGE 130, 119). Dabei kann dahinstehen, inwieweit rechtsmethodisch an der klassischen Unterscheidung zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung festzuhalten ist (kritisch zur Wortlautgrenze: Pötters/Christensen JZ 2011, 387, 389 ff.; kritisch zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung: Kamanabrou SAE 2009, 233, 234 ff.; Höpfner Anm. AP BUrlG § 11 Nr. 65). Auch das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass der Wortlaut im Regelfall keine starre Auslegungsgrenze zieht und zählt zu den anerkannten Methoden der Auslegung von Gesetzen auch die teleologische Reduktion (BVerfG 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06 ua. - Rn. 57, NJW 2012, 669). Entscheidend ist, dass sich weder aus dem Wortlaut der Norm noch aus den Gesetzesmaterialien zum BUrlG ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers ergibt, den Urlaubsanspruch auch dann zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des in § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG genannten Übertragungszeitraums erlöschen zu lassen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit nicht dazu in der Lage war, den Urlaub in Anspruch zu nehmen. Es ist ebenso möglich, dass der Gesetzgeber den Fall nicht im Auge hatte, dass die Verwirklichung des Urlaubs im Kalenderjahr und im Übertragungszeitraum wegen Arbeitsunfähigkeit nicht möglich gewesen ist (vgl. BAG 13. November 1969 - 5 AZR 82/69 - zu 2 der Gründe, BAGE 22, 211).

34

bb) Insofern gebietet der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung eine weitgehende Rückkehr zum Auslegungsergebnis der früheren Rechtsprechung zu § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG(BAG 13. November 1969 - 5 AZR 82/69 - zu 2 der Gründe, BAGE 22, 211; zur Ähnlichkeit dieser Rspr. mit der Rspr. des EuGH: vgl. Polzer Die Befristung des Urlaubsanspruchs auf das Kalenderjahr S. 21). Danach verfiel der Urlaubsanspruch nicht, wenn der Arbeitnehmer infolge lang andauernder Arbeitsunfähigkeit gehindert war, den Urlaub vor Ablauf des Kalenderjahres bzw. des Übertragungszeitraums zu nehmen. Vielmehr wurde § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG so ausgelegt, dass der Urlaub im Falle der Unmöglichkeit der Urlaubsverwirklichung im Kalenderjahr infolge lang andauernder Arbeitsunfähigkeit auf das folgende Kalenderjahr ohne Beschränkung auf die Dreimonatsfrist des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG übergeht. Dementsprechend hat der Senat in seiner Entscheidung vom 9. August 2011 (- 9 AZR 425/10 - Rn. 19, EzA BUrlG § 7 Nr. 125) bereits klargestellt, dass zum Urlaubsanspruch nicht nur der jeweils neueste, am 1. Januar eines jeden Kalenderjahres entstehende Anspruch gehört, sondern auch der infolge der Übertragung hinzutretende, noch zu erfüllende Anspruch aus dem Vorjahr. Auf diese kumulierende Weise wächst der Urlaubsanspruch an. Nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG besteht nur die Besonderheit, dass der Arbeitgeber im Interesse einer zeitnahen Erholung den Anteil des Urlaubsanspruchs, der vor dem laufenden Urlaubsjahr entstanden ist, innerhalb des ersten Quartals gewähren muss. Geht der aus dem Vorjahr übertragene Urlaubsanspruch trotz Ablaufs des Übertragungszeitraums - etwa wegen andauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers - nicht unter, ist dieser Teil des Urlaubsanspruchs gegenüber dem Teil, den der Arbeitnehmer zu Beginn des aktuellen Urlaubsjahres erworben hat, nicht privilegiert. Er unterliegt dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG(BAG 9. August 2011 - 9 AZR 425/10 - aaO). Soweit in der Vergangenheit offengelassen wurde, ob der übertragene Urlaubsanspruch am Ende des Jahres im Falle fortbestehender Arbeitsunfähigkeit untergeht (BAG 13. November 1969 - 5 AZR 82/69 - zu 2 der Gründe, BAGE 22, 211; vgl. auch 9. August 2011 - 9 AZR 425/10 - Rn. 19, EzA BUrlG § 7 Nr. 125; 9. August 2011 - 9 AZR 365/10 - Rn. 11, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 18; 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - Rn. 37, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 20), ist diese Frage zu verneinen.

35

(1) Dies ergibt sich zum einen bereits aus der Anwendbarkeit des § 7 Abs. 3 BUrlG - insbesondere des Satzes 2 - auf den übertragenen Urlaub(vgl. Bauer/von Medem NZA 2012, 113, 116 unter Hinweis auf § 7 Abs. 3 Satz 4 BUrlG). Wegen des (weiterhin) vorliegenden Grundes in der Person des Arbeitnehmers wird der Urlaubsanspruch (erneut) übertragen, diesmal in das - vom Urlaubsjahr aus betrachtet - übernächste Kalenderjahr.

36

(2) Zum anderen steht einem Untergang des in das Folgejahr übertragenen Urlaubsanspruchs der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung entgegen.

37

(a) Nach der Rechtsprechung des EuGH folgt aus Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie, dass ein Übertragungszeitraum die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten muss(EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 38, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] Rn. 41, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 9). Der Bezugszeitraum ist nach dem BUrlG das Kalenderjahr. Würde der übertragene Urlaub bereits am Ende des Folgejahres verfallen, würde der Übertragungszeitraum nur dem Bezugszeitraum entsprechen, diesen aber nicht deutlich überschreiten. Diese Rechtsfrage war bereits mehrfach Gegenstand der Auslegung durch den EuGH (acte éclairé). Eine erneute Vorlage dieser Rechtsfrage nach Art. 267 AEUV ist nicht geboten( vgl. jüngst BVerfG 29. Mai 2012 - 1 BvR 3201/11 - Rn. 30).

38

(b) Art. 9 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation(IAO) über den bezahlten Jahresurlaub vom 24. Juni 1970 (vgl. BGBl. II 1975 S. 746) gebietet keine europarechtswidrige Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG im Sinne eines(teilweisen) Erlöschens des übertragenen Urlaubs 12 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres (aA Düwell jurisPR-ArbR 16/2012 Anm. 3). Nach dieser Regelung ist der in Art. 8 Abs. 2 des Übereinkommens genannte ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen. Die Bestimmungen des IAO-Übereinkommens Nr. 132 sind jedoch keine unmittelbar anwendbaren völkerrechtlichen Normen (BAG 7. Dezember 1993 - 9 AZR 683/92 - zu I 5 der Gründe, BAGE 75, 171; vgl. auch 9. August 2011 - 9 AZR 425/10 - Rn. 23, EzA BUrlG § 7 Nr. 125; Powietzka/Rolf BUrlG § 1 Rn. 16; ErfK/Gallner § 7 BUrlG Rn. 35 mwN). Durch das Zustimmungsgesetz ist das IAO-Übereinkommen Nr. 132 nicht innerstaatliches Recht in dem Sinne geworden, dass seine Vorschriften normativ auf alle Arbeitsverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einwirken mit der Folge, dass die Gerichte für Arbeitssachen entgegenstehende gesetzliche oder kollektiv-rechtliche Bestimmungen oder einzelvertragliche Vereinbarungen nicht zu beachten haben oder zumindest völkerrechtsfreundlich auszulegen haben (BAG 7. Dezember 1993 - 9 AZR 683/92 - zu I 5 b der Gründe, aaO). Insbesondere ist die durch die Ratifizierung begründete Bindung nicht derart, dass sie die Bindung an das Unionsrecht außer Kraft setzen könnte. Der EuGH hat bei seiner Auslegung des Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie die in Art. 9 Abs. 1 des IAO-Übereinkommens Nr. 132 enthaltene zwölfmonatige Frist berücksichtigt(EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 41 f., AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7) und ist dennoch zu dem Ergebnis gelangt, der Übertragungszeitraum müsse deutlich länger als 12 Monate sein. Hieran sieht sich der Senat wegen Art. 23 GG, Art. 267 AEUV gebunden.

39

Es kann daher offenbleiben, ob Art. 9 Abs. 1 des IAO-Übereinkommens Nr. 132 den Fall der Unmöglichkeit der Inanspruchnahme des Urlaubs überhaupt erfasst und ob dieser Vorschrift die Verpflichtung zu entnehmen ist, dass der Urlaubsanspruch nach einem bestimmten Zeitraum untergehen muss(in diesem Sinne: BAG 7. Dezember 1993 - 9 AZR 683/92 - zu I 5 c der Gründe, BAGE 75, 171). Die Befristung des Urlaubsanspruchs ist ein vom deutschen Gesetzgeber gewähltes Mittel, um den Arbeitnehmer dazu anzuhalten, den Urlaubsanspruch zeitnah zum Urlaubsjahr geltend zu machen. Im IAO-Übereinkommen Nr. 132 ist dieses Mittel nicht vorgegeben. Art. 14 des Übereinkommens schreibt nur vor, dass mit der Art der Durchführung des Übereinkommens im Einklang stehende wirksame Maßnahmen zu treffen sind, um die ordnungsgemäße Anwendung und Durchsetzung der Vorschriften oder Bestimmungen über den bezahlten Urlaub „durch eine angemessene Aufsicht oder durch sonstige Mittel“ zu gewährleisten.

40

cc) Besteht die Arbeitsunfähigkeit auch am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres fort, so verfällt der Urlaubsanspruch gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG. Der in das Folgejahr übertragene Urlaub unterliegt dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG(BAG 9. August 2011 - 9 AZR 425/10 - Rn. 19, EzA BUrlG § 7 Nr. 125). Eine erneute Privilegierung des bereits einmal übertragenen Urlaubs ist europarechtlich nicht geboten. Soweit der Senat (24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 59, BAGE 130, 119) aufgrund der Schlussfolgerungen des EuGH in der Schultz-Hoff-Entscheidung angenommen hat, dass Urlaubsansprüche bei fortbestehender Krankheit unabhängig von der Länge des Zeitraums der Unmöglichkeit der Inanspruchnahme zu keinem Zeitpunkt verfallen, hält der Senat nach der „Nuancierung“ der Rechtsprechung des EuGH und der Erkenntnis des Gerichtshofs in der KHS-Entscheidung, dass ein Recht des Arbeitnehmers, der während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähig ist, unbegrenzt alle während des Zeitraums seiner Abwesenheit von der Arbeit erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, nicht mehr dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub entsprechen würde, daran nicht fest. Verfällt der aufrechterhaltene Urlaub nach nationalem Recht entsprechend § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres, mithin 15 Monate nach dem Ende des Bezugszeitraums, bedarf es keiner Klärung der Frage, ob unionsrechtlich auch ein kürzerer Übertragungszeitraum von zB 13 oder 14 Monaten zulässig wäre (zu dieser Frage: vgl. Forst Anm. EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7).

41

dd) Eine weitere Reduktion des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG ist weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht geboten. Der Gesetzgeber hat den Urlaub in §§ 1, 13 Abs. 1 BUrlG grundsätzlich unabdingbar an das Urlaubsjahr gebunden(vgl. BAG 26. Juni 1969 - 5 AZR 393/68 - zu 1 der Gründe, BAGE 22, 85). Selbst dann, wenn eine Übertragung ausnahmsweise gestattet ist, muss der Urlaub in engem zeitlichen Anschluss an das Kalenderjahr durchgeführt werden. Aus §§ 1, 7 Abs. 3 BUrlG ergibt sich insofern das Gebot der zeitnahen Erfüllung des Urlaubsanspruchs(BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 200/04 - zu II 3 b bb der Gründe, AP InsO § 55 Nr. 11 = EzA BUrlG § 7 Nr. 114). Das Bedürfnis nach urlaubsgemäßer Erholung verringert sich auch, je mehr sich der zeitliche Abstand zum Entstehungsjahr des Urlaubs vergrößert (vgl. BAG 21. Juli 1973 - 5 AZR 105/73 - AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Nr. 15). Darüber hinaus ist das Interesse des Arbeitgebers an einer zeitlichen Begrenzung der Urlaubsansprüche anzuerkennen. Eine solche Begrenzung kann auch im Interesse des Arbeitnehmers liegen. Muss ein Arbeitgeber im Falle einer Dauererkrankung des Arbeitnehmers nicht mit einer unbegrenzten Ansammlung von Urlaubsansprüchen rechnen, wird er in aller Regel trotz der lang anhaltenden Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers eher zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bereit sein und von einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses Abstand nehmen.

42

d) Bei Anwendung dieser Grundsätze verfiel der im Jahr 2005 entstandene Urlaub am 31. März 2007, der im Jahr 2006 entstandene Urlaub am 31. März 2008 und der im Jahr 2007 entstandene Urlaub am 31. März 2009. Der Urlaub aus diesen Jahren ist wegen seines Verfalls nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG nicht gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.

43

II. Ohne Erfolg rügt die Beklagte, sie sei nicht verpflichtet, den gesetzlichen Erholungsurlaub und den der Klägerin zustehenden Schwerbehindertenzusatzurlaub aus den Jahren 2008 und 2009 im Umfang von insgesamt 31 Urlaubstagen gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG mit insgesamt 3.919,95 Euro brutto nebst Zinsen abzugelten. Darüber, dass ein Urlaubstag mit 126,45 Euro brutto abzugelten ist, besteht kein Streit.

44

1. Der im Jahr 2008 erworbene gesetzliche Urlaubsanspruch von insgesamt 25 Urlaubstagen verfiel nicht mit Ablauf des 31. März 2009. Dies folgt schon aus § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 TVöD, wonach der Urlaub, der wegen Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum 31. März angetreten werden kann, bis zum 31. Mai anzutreten ist. Diese zugunsten der Beschäftigten von § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG abweichende Regelung verstößt nicht gegen die Regelung in § 13 Abs. 1 BUrlG. Die Voraussetzung, dass der Urlaub von der Klägerin wegen Arbeitsunfähigkeit nicht angetreten werden konnte, ist erfüllt. Die Beklagte hat selbst behauptet, dass die Klägerin im Jahr 2008 und darüber hinaus bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2009 aufgrund ihrer gesundheitlichen Konstitution nicht in der Lage war, ihre Arbeitskraft für die vertragsgemäße Tätigkeit anzubieten. Die Klägerin beansprucht auch mit Recht die Abgeltung des im Jahr 2009 entstandenen anteiligen gesetzlichen Erholungsurlaubs von fünf Urlaubstagen und des anteiligen Zusatzurlaubs von einem Tag, sodass die Beklagte insgesamt 31 Urlaubstage mit jeweils 126,45 Euro brutto abzugelten hat und deshalb zur Zahlung von 3.919,95 Euro brutto zu verurteilen war.

45

2. Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Es ist nicht festgestellt, dass die Klägerin die Beklagte zu einem früheren Zeitpunkt bezüglich der Urlaubsabgeltung iSd. § 286 Abs. 1 BGB durch eine Mahnung in Verzug gesetzt hat. Aus § 7 Abs. 4 BUrlG folgt nur das Entstehen des Abgeltungsanspruchs mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses(BAG 9. August 2011 - 9 AZR 365/10 - Rn. 17, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 18). Für die Leistung der Abgeltung ist damit jedoch nicht iSd. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine Zeit nach dem Kalender bestimmt. Soweit der Senat in der Vergangenheit angenommen hat, der Arbeitgeber gerate ohne Weiteres bereits mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Verzug, hält er daran nicht mehr fest.

46

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Matthias Dipper    

        

    Neumann    

        

        

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 29. Juli 2010 - 3 Sa 280/10 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben und der Tenor wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.762,67 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.677,81 Euro für die Zeit vom 1. April 2009 bis zum 30. Juli 2009, aus 1.909,04 Euro für die Zeit vom 31. Juli 2009 bis zum 26. November 2009 und aus 1.762,67 Euro seit dem 27. November 2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Beklagte zu 83 % und der Kläger zu 17 % zu tragen. Die Kosten der Berufung und der Revision hat der Beklagte zu 57 % und der Kläger zu 43 % zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Abgeltung tariflichen Mehrurlaubs.

2

Der Kläger war vom 1. Januar 1976 bis zum 31. März 2009 beim Beklagten an der Technischen Universität M beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrags vom 23. Februar 1961 (BAT), den zur Ergänzung sowie Änderung abgeschlossenen bzw. künftig abzuschließenden Tarifverträgen und der Sonderregelung zum BAT richtet. Seit dem 1. November 2006 wandten die Parteien den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12. Oktober 2006 (TV-L) auf das Arbeitsverhältnis an. In diesem Tarifvertrag idF des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 1. März 2009 heißt es zum Erholungsurlaub ua.:

        

„§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                          

...     

                 
                          

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

        
                 

… Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt werden; er kann auch in Teilen genommen werden.

                 

...     

        

(2)     

Im Übrigen gilt das Bundesurlaubsgesetz mit folgenden Maßgaben:

                 

a)    

Im Falle der Übertragung muss der Erholungsurlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Kann der Erholungsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31. März angetreten werden, ist er bis zum 31. Mai anzutreten.

                 

b)    

Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis im Laufe eines Jahres, steht als Erholungsurlaub für jeden vollen Monat des Arbeitsverhältnisses ein Zwölftel des Urlaubsanspruchs nach Absatz 1 zu; § 5 Bundesurlaubsgesetz bleibt unberührt.

                 

...“   

        
3

Der Kläger war vom 23. Oktober 2007 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2009 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Mit seiner dem Beklagten am 21. Juli 2009 zugestellten Klage hat er die Abgeltung von 59 Urlaubstagen verlangt. Der Beklagte hat ihm zur Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs und des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen am 31. Juli 2009 4.768,75 Euro brutto und am 27. November 2009 weitere 146,44 Euro brutto gezahlt. Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise für erledigt erklärt.

4

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Beklagte habe auch den tariflichen Mehrurlaub im Umfang von jeweils zehn Tagen für die Jahre 2007 und 2008 sowie im Umfang von drei Tagen für das Jahr 2009 abzugelten. Aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit sei er gehindert gewesen, den tariflichen Mehrurlaub vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu nehmen.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.118,52 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.033,71 Euro für die Zeit vom 1. April 2009 bis zum 30. Juli 2009, aus 3.264,94 Euro für die Zeit vom 31. Juli 2009 bis zum 26. November 2009 und aus 3.118,52 Euro seit dem 27. November 2009 zu zahlen.

6

Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, der tarifliche Mehrurlaub sei verfallen. § 26 TV-L regele den Erholungsurlaub eigenständig und in erheblicher Weise abweichend vom gesetzlichen Urlaubsregime.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung der Entscheidung des Arbeitsgerichts.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten hat teilweise Erfolg.

9

I. Die Revision ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht den Beklagten zur Abgeltung von zehn Tagen tariflichen Mehrurlaubs aus dem Jahr 2007 verurteilt hat. Der tarifliche Mehrurlaubsanspruch des Klägers aus diesem Jahr ist gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 TV-L am 31. Mai 2008 verfallen und war damit bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2009 nicht gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.

10

1. Nach § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 TV-L muss der Erholungsurlaub im Falle der Übertragung in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Kann der Erholungsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31. März angetreten werden, ist er gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 TV-L bis zum 31. Mai anzutreten. Da der Kläger wegen Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit den tariflichen Mehrurlaub aus dem Kalenderjahr 2007 weder in diesem Jahr noch bis zum Ablauf des zweiten Übertragungszeitraums am 31. Mai 2008 antreten konnte, ist dieser Urlaub verfallen.

11

2. Entgegen der Ansicht des Klägers folgt aus dem Umstand, dass er auch über den 31. Mai 2008 hinaus arbeitsunfähig war, nichts anderes. Zwar hat der Senat nach der „Schultz-Hoff“-Entscheidung des EuGH vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 - Rn. 42 ff., Slg. 2009, I-179) aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben angenommen, der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch sei im Falle fortdauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers entgegen der Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG nicht bis zum 31. März des Folgejahres befristet (vgl. BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 47 ff., BAGE 130, 119; zur erforderlichen Mindestlänge des Übertragungszeitraums: vgl. EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 38, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7). Die unionsrechtlichen Vorgaben betreffen jedoch ausschließlich den Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen. Den Mitgliedstaaten steht es frei, Arbeitnehmern über diesen hinaus Urlaubsansprüche einzuräumen und die Bedingungen für die Inanspruchnahme und Gewährung des Mehrurlaubs nach nationalem Recht festzulegen (EuGH 3. Mai 2012 -  C-337/10  - [Neidel] Rn. 34 ff. mwN, NVwZ 2012, 688). Ebenso können Tarifvertragsparteien Urlaubsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9; im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie) gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln(vgl. EuGH 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] aaO mwN; BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 21, EzA BUrlG § 7 Nr. 123; 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 23 mwN, BAGE 134, 196; 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 19, 26 ff., BAGE 134, 1). Diese Befugnis schließt die Befristung des Mehrurlaubs ein. Einem von Tarifvertragsparteien angeordneten Verfall tariflichen Mehrurlaubs steht Unionsrecht damit nicht entgegen. Da nicht der durch die Arbeitszeitrichtlinie gewährleistete Mindestjahresurlaub von vier Wochen betroffen ist, besteht keine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV(vgl. BAG 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 20 ff., aaO).

12

a) Die Tarifvertragsparteien haben in § 26 Abs. 2 TV-L hinsichtlich der Befristung und Übertragung und damit mittelbar auch zugleich bezüglich des Verfalls des Urlaubs von § 7 Abs. 3 BUrlG abweichende, eigenständige Regelungen getroffen.

13

aa) Für einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, den Mehrurlaub einem eigenen, von dem des Mindesturlaubs abweichenden Fristenregime zu unterstellen, müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen (vgl. BAG 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 37 ff., BAGE 134, 1; 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 84, BAGE 130, 119 ). Fehlen solche, ist von einem „Gleichlauf“ des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub auszugehen. Ein „Gleichlauf“ ist nicht gewollt, wenn die Tarifvertragsparteien entweder bei der Befristung und Übertragung bzw. beim Verfall des Urlaubs zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tarifvertraglichem Mehrurlaub unterschieden oder sich vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige, vom Bundesurlaubsgesetz abweichende Regelungen zur Befristung und Übertragung bzw. zum Verfall des Urlaubsanspruchs getroffen haben (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 22, EzA BUrlG § 7 Nr. 123 ).

14

bb) § 26 TV-L differenziert hinsichtlich der Befristung und der Übertragung des Urlaubs zwar nicht ausdrücklich zwischen gesetzlichem Mindest- und tariflichem Mehrurlaub. Die Tarifvertragsparteien des TV-L haben sich jedoch vom gesetzlichen Fristenregime gelöst, indem sie die Befristung und Übertragung und damit auch den Verfall des Urlaubsanspruchs abweichend vom Bundesurlaubsgesetz eigenständig geregelt haben.

15

(1) Während nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG der Urlaub im Fall der Übertragung in den ersten drei Monaten des Folgejahres gewährt und genommen werden muss(vgl. BAG 7. Dezember 1993 - 9 AZR 683/92 - zu I 3 der Gründe, BAGE 75, 171; Leinemann/Linck Urlaubsrecht 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 126), reicht es gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 TV-L aus, dass der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten wird. Die tarifliche Regelung, nach der der bloße Urlaubsantritt genügt, weicht damit erheblich von der gesetzlichen Regelung ab.

16

(2) Eine weitere wesentliche Abweichung vom gesetzlichen Fristenregime beinhaltet § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 TV-L. Nach dieser Vorschrift ist der Erholungsurlaub bis zum 31. Mai anzutreten, wenn er wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres angetreten werden kann. Die Tarifvertragsparteien haben damit anders als der Gesetzgeber im Bundesurlaubsgesetz einen zweiten Übertragungszeitraum festgelegt und auf diese Weise ein eigenständiges, vom Bundesurlaubsgesetz abweichendes Fristenregime geschaffen.

17

(3) Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist es für die Frage des Vorliegens einer eigenständigen tariflichen Regelung unerheblich, dass § 26 TV-L - anders als § 47 Abs. 7 BAT - bei Fristablauf nicht ausdrücklich den Verfall des Urlaubsanspruchs vorsieht. Auch das Bundesurlaubsgesetz ordnet die Rechtsfolge des Verfalls nicht ausdrücklich an ( vgl. BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 62, BAGE 130, 119). Einer solchen ausdrücklichen Anordnung des Untergangs des Anspruchs bedarf es nicht. Mit Fristende entfällt die Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs (vgl. BAG 28. November 1990 - 8 AZR 570/89 - zu II 2 der Gründe mwN, BAGE 66, 288; MüArbR/Düwell 3. Aufl. Bd. 1 § 78 Rn. 12; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 104 Rn. 103). Dies gilt auch für den tariflichen Mehrurlaub. Dementsprechend hat der Senat für den umgekehrten Fall, dass ein Tarifvertrag ausdrücklich den Verfall des Urlaubs anordnet, entschieden, dass dies allein nicht genügt, um einen eigenständigen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien anzunehmen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 33, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

18

b) Ohne Bedeutung ist, dass im Hinblick auf die dargestellte Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie und des Senats zu § 7 Abs. 3 BUrlG ein Verfall des Mindesturlaubsanspruchs bei fortdauernder Erkrankung nach einem Übertragungszeitraum von nur fünf Monaten unionsrechtlich nicht zulässig ist. Entscheidend ist, dass für den vom Mindesturlaub abtrennbaren Teil der einheitlich geregelten Gesamturlaubsdauer, den tariflichen Mehrurlaub, die tarifliche Regelung wirksam bleibt (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 27, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

19

II. Die Revision des Beklagten ist unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht ihn verurteilt hat, den tariflichen Mehrurlaub des Klägers für die Jahre 2008 und 2009 iHv. insgesamt 13 Urlaubstagen mit 1.762,67 Euro brutto abzugelten.

20

1. Der Anspruch des Klägers folgt aus § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 26 Abs. 2 Einleitungssatz TV-L. Über die Anzahl der dem Kläger für das Jahr 2008 und die Monate Januar bis März 2009 zustehenden tariflichen Mehrurlaubstage und die Höhe des vom Kläger für jeden Urlaubstag beanspruchten Abgeltungsbetrags von 135,59 Euro brutto besteht kein Streit. Gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 TV-L ist der Urlaub bis zum 31. Mai des folgenden Kalenderjahres anzutreten, wenn er wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienst-lichen Gründen nicht bis zum 31. März angetreten werden konnte. Der tarifliche Mehrurlaub von zehn Arbeitstagen für das Jahr 2008 war damit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2009 aufgrund der Arbeitsunfähigkeit des Klägers noch nicht verfallen. Dies gilt auch für den anteiligen tariflichen Mehrurlaub von drei Tagen für die Monate Januar bis März 2009.

21

2. Der Anspruch des Klägers auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs für das Jahr 2008 und die Monate Januar bis März 2009 hängt nicht davon ab, ob und gegebenenfalls wann der Kläger nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses seine Arbeitsfähigkeit wiedererlangt hat.

22

a) Allerdings sind Tarifvertragsparteien bei der Regelung der Abgeltung tariflichen Mehrurlaubs durch europarechtliche Vorgaben nicht gehindert, den Abgeltungsanspruch an die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs zu binden. Sie können regeln, dass der den Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigende tarifliche Mehrurlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht oder nur dann abzugelten ist, wenn der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist, und insofern die früher von der Rechtsprechung bei dauerhaft erkrankten Arbeitnehmern angewandte Surrogatstheorie (vgl. zur Entwicklung: BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 14 ff., BAGE 134, 196) für sich vereinnahmen (AnwK-ArbR/Düwell 2. Aufl. Bd. 2 § 7 BUrlG Rn. 137; HWK/Schinz 5. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 120).

23

(1) Für die Annahme einer solchen tariflichen Regelung bedarf es freilich eindeutiger, über das Regelungsziel des § 7 Abs. 4 BUrlG hinausgehender Bestimmungen im Tarifvertrag(AnwK-ArbR/Düwell § 7 BUrlG Rn. 138; vgl. zur Annahme einer voraussetzungslosen Abfindung unter der Geltung der Surrogatstheorie BAG 20. Januar 1998 - 9 AZR 601/96 - zu I 2 b der Gründe; 9. August 1994 - 9 AZR 346/92 - zu I 2 c der Gründe, BAGE 77, 291 unter Aufgabe der vertretenen Auffassung im Urteil vom 22. Juni 1989 - 8 AZR 172/88 - AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 50 = EzA BUrlG § 7 Nr. 69). Auch bei Tarifverträgen, die vor der Verkündung der „Schultz-Hoff“-Entscheidung am 20. Januar 2009 geschlossen wurden, müssen für einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, der zwischen Ansprüchen auf Abgeltung von Mindest- und Mehrurlaub unterscheidet, deutliche Anhaltspunkte bestehen (BAG 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 47, BAGE 134, 1).

24

(2) Für die Beantwortung der Frage, ob Tarifvertragsparteien die Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs abweichend von der gesetzlichen Bestimmung in § 7 Abs. 4 BUrlG geregelt haben, bedarf es einer eigenständigen Prüfung. Diese hat unabhängig von der Beurteilung zu erfolgen, ob die Tarifvertragsparteien hinsichtlich der Befristung, der Übertragung und des Verfalls des tariflichen Mehrurlaubs Sonderregelungen getroffen haben. Beinhaltet ein Tarifvertrag eigenständige Fristen für die Übertragung und den Verfall des Urlaubs, schließt dies nicht aus, dass die Tarifvertragsparteien die gesetzliche Urlaubsabgeltungsregelung für angemessen gehalten und deshalb insoweit auf eine Sonderreglung für den tariflichen Mehrurlaub verzichtet haben. Umgekehrt ist denkbar, dass Tarifvertragsparteien auch für den tariflichen Mehrurlaub am gesetzlichen Fristenregime festhalten wollten, allerdings bei der Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs, zB im Falle andauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, von der Übernahme der gesetzlichen Regelung abgesehen und besondere Regelungen getroffen haben. Soweit der Senat zunächst ohne weitergehende Differenzierung geprüft hat, ob sich Tarifvertragsparteien in weiten Teilen vom gesetzlichen Urlaubsregime gelöst und eigene Regeln aufgestellt haben (vgl. BAG 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 50, BAGE 134, 1), hat er dies bereits in der Entscheidung vom 12. April 2011 ( 9 AZR 80/10 - Rn. 28 ff., EzA BUrlG § 7 Nr. 123) präzisiert und angenommen, dass ein dem Gleichlauf von Mindest- und Mehrurlaub bezüglich des Fristenregimes entgegenstehender Regelungswille der Tarifvertragsparteien nicht bereits dann vorliegt, wenn in einem Tarifvertrag - wie in § 26 Abs. 2 Buchst. b TV-L - von der Zwölftelungsregelung des § 5 BUrlG abgewichen wird. Vielmehr seien die einschlägigen tariflichen Bestimmungen zu den jeweiligen Regelungsgegenständen (Fristenregime, Abgeltungsanspruch) zu untersuchen. Im Hinblick auf das Bestehen eines Abgeltungsanspruchs bezüglich des tariflichen Mehrurlaubs im Falle der Arbeitsunfähigkeit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bedarf es mithin der Untersuchung der tariflichen Regelungen zur Urlaubsabgeltung.

25

b) Die Frage der Arbeitsfähigkeit des Klägers wäre für seinen Abgeltungsanspruch damit nur dann von Bedeutung, wenn die Tarifvertragsparteien des TV-L den Anspruch auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs seiner Rechtsnatur nach als Surrogat des Urlaubsanspruchs im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor der „Schultz-Hoff“-Entscheidung des EuGH vom 20. Januar 2009 ausgestaltet und geregelt hätten, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch während der Arbeitsunfähigkeit des Beschäftigten nicht erfüllbar ist (vgl. BAG 7. September 2004 - 9 AZR 587/03 - zu I 2 a der Gründe, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 12). Dies ist jedoch nicht der Fall. § 26 Abs. 2 Einleitungssatz TV-L ordnet ausdrücklich die Geltung des Bundesurlaubsgesetzes an, soweit der Tarifvertrag nicht andere Regelungen enthält. Die Urlaubsabgeltung ist im TV-L nicht geregelt. Damit richtet sich nicht nur die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, sondern auch die Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs nach § 7 Abs. 4 BUrlG. Nach dieser Vorschrift hat auch der arbeitsunfähige Arbeitnehmer einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung (vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 21, BAGE 134, 196).

26

3. Die Zinsansprüche folgen aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

27

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91a Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Jungermann    

        

    Furche    

        

        

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. August 2010 - 10 Sa 244/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Gewährung tariflichen Mehrurlaubs.

2

Der 1950 geborene Kläger ist seit 1974 bei der Beklagten in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 (TVöD) Anwendung. In diesem Tarifvertrag in der für den streitigen Zeitraum maßgeblichen Fassung heißt es zum Erholungsurlaub ua.:

        

„§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                          

...     

                          

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

... Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

                 

...     

        

(2)     

Im Übrigen gilt das Bundesurlaubsgesetz mit folgenden Maßgaben:

                 

a)    

Im Falle der Übertragung muss der Erholungsurlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Kann der Erholungsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31. März angetreten werden, ist er bis zum 31. Mai anzutreten.

                 

b)    

Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis im Laufe eines Jahres, erhält die/der Beschäftigte als Erholungsurlaub für jeden vollen Monat des Arbeitsverhältnisses ein Zwölftel des Urlaubsanspruchs nach Absatz 1; § 5 BUrlG bleibt unberührt.

                 

...“   

        
3

In der Zeit vom 23. Juni 2007 bis 7. Oktober 2009 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Nach seiner Genesung beantragte er erfolglos die Gewährung des tariflichen Mehrurlaubs aus den Jahren 2007 und 2008.

4

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der tarifliche Anspruch auf Mehrurlaub im Umfang von je zehn Tagen sei nicht erloschen. Aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit sei er gehindert gewesen, den Mehrurlaub vor Ablauf der in § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD geregelten Fristen zu nehmen.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihm zehn Tage Resturlaub aus dem Jahr 2007 und zehn Tage Resturlaub aus dem Jahr 2008 zu gewähren.

6

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, der tarifliche Mehrurlaub sei verfallen. § 26 TVöD regele den Erholungsurlaub eigenständig und in erheblicher Weise abweichend vom gesetzlichen Urlaubsregime.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Die während seiner Krankheit in den Jahren 2007 und 2008 entstandenen Ansprüche auf tariflichen Mehrurlaub sind am 31. Mai des jeweiligen Folgejahres erloschen.

9

I. Nach § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 TVöD muss der Erholungsurlaub im Falle der Übertragung in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Kann der Erholungsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31. März angetreten werden, ist er gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 TVöD bis zum 31. Mai anzutreten. Da der Kläger wegen Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit den tariflichen Mehrurlaub aus dem Kalenderjahr 2007 weder in diesem Jahr noch bis zum Ablauf des zweiten Übertragungszeitraums am 31. Mai 2008 antreten konnte, ist dieser Urlaub verfallen. Ebenso verfiel der tarifliche Mehrurlaub aus dem Kalenderjahr 2008 am 31. Mai 2009.

10

II. Entgegen der Ansicht des Klägers folgt aus dem Umstand, dass er auch über den 31. Mai 2008 bzw. 2009 hinaus arbeitsunfähig war, nichts anderes. Zwar hat der Senat nach der „Schultz-Hoff“-Entscheidung des EuGH vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 - Rn. 42 ff., Slg. 2009, I-179) aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben angenommen, der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch sei im Falle fortdauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers entgegen der Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG nicht bis zum 31. März des Folgejahres befristet (vgl. BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 47 ff., BAGE 130, 119; zur erforderlichen Mindestlänge des Übertragungszeitraums: vgl. EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 38, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7). Die unionsrechtlichen Vorgaben betreffen jedoch ausschließlich den Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen. Den Mitgliedstaaten steht es frei, Arbeitnehmern über diesen hinaus Urlaubsansprüche einzuräumen und die Bedingungen für die Inanspruchnahme und Gewährung des Mehrurlaubs nach nationalem Recht festzulegen (EuGH 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] Rn. 34 ff. mwN, NVwz 2012, 688). Ebenso können Tarifvertragsparteien Urlaubsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9; im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie) gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln(vgl. EuGH 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] aaO mwN; BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 21, EzA BUrlG § 7 Nr. 123; 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 23 mwN, BAGE 134, 196; 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 19, 26 ff., BAGE 134, 1). Diese Befugnis schließt die Befristung des Mehrurlaubs ein. Einem von Tarifvertragsparteien angeordneten Verfall tariflichen Mehrurlaubs steht Unionsrecht damit nicht entgegen. Da nicht der durch die Arbeitszeitrichtlinie gewährleistete Mindestjahresurlaub von vier Wochen betroffen ist, besteht keine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV(vgl. BAG 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 20 ff., aaO).

11

1. Die Tarifvertragsparteien haben in § 26 Abs. 2 TVöD hinsichtlich der Befristung und Übertragung und damit mittelbar auch zugleich bezüglich des Verfalls des Urlaubs von § 7 Abs. 3 BUrlG abweichende, eigenständige Regelungen getroffen.

12

a) Für einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, den Mehrurlaub einem eigenen, von dem des Mindesturlaubs abweichenden Fristenregime zu unterstellen, müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen (vgl. BAG 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 37 ff., BAGE 134, 1; 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 84, BAGE 130, 119 ). Fehlen solche, ist von einem „Gleichlauf“ des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub auszugehen. Ein „Gleichlauf“ ist nicht gewollt, wenn die Tarifvertragsparteien entweder bei der Befristung und Übertragung bzw. beim Verfall des Urlaubs zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tarifvertraglichem Mehrurlaub unterschieden oder sich vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige, vom Bundesurlaubsgesetz abweichende Regelungen zur Befristung und Übertragung bzw. zum Verfall des Urlaubsanspruchs getroffen haben (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 22, EzA BUrlG § 7 Nr. 123 ).

13

b) § 26 TVöD differenziert hinsichtlich der Befristung und der Übertragung des Urlaubs zwar nicht ausdrücklich zwischen gesetzlichem Mindest- und tariflichem Mehrurlaub. Die Tarifvertragsparteien des TVöD haben sich jedoch vom gesetzlichen Fristenregime gelöst, indem sie die Befristung und Übertragung und damit auch den Verfall des Urlaubsanspruchs abweichend vom Bundesurlaubsgesetz eigenständig geregelt haben.

14

aa) Während nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG der Urlaub im Fall der Übertragung in den ersten drei Monaten des Folgejahres gewährt und genommen werden muss(vgl. BAG 7. Dezember 1993 - 9 AZR 683/92 - zu I 3 der Gründe, BAGE 75, 171; Leinemann/Linck Urlaubsrecht 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 126), reicht es gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 TVöD aus, dass der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten wird. Die tarifliche Regelung, nach der der bloße Urlaubsantritt genügt, weicht damit erheblich von der gesetzlichen Regelung ab.

15

bb) Eine weitere wesentliche Abweichung vom gesetzlichen Fristenregime beinhaltet § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 TVöD. Nach dieser Vorschrift ist der Erholungsurlaub bis zum 31. Mai anzutreten, wenn er wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres angetreten werden kann. Die Tarifvertragsparteien haben damit anders als der Gesetzgeber im Bundesurlaubsgesetz einen zweiten Übertragungszeitraum festgelegt und auf diese Weise ein eigenständiges, vom Bundesurlaubsgesetz abweichendes Fristenregime geschaffen.

16

cc) Für die Frage des Vorliegens einer eigenständigen tariflichen Regelung ist es unerheblich, dass § 26 TVöD - anders als § 47 Abs. 7 BAT - bei Fristablauf nicht ausdrücklich den Verfall des Urlaubsanspruchs vorsieht. Auch das Bundesurlaubsgesetz ordnet die Rechtsfolge des Verfalls nicht ausdrücklich an ( vgl. BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 62, BAGE 130, 119). Einer solchen ausdrücklichen Anordnung des Untergangs des Anspruchs bedarf es nicht. Mit Fristende entfällt die Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs (vgl. BAG 28. November 1990 - 8 AZR 570/89 - zu II 2 der Gründe mwN, BAGE 66, 288; MüArbR/Düwell 3. Aufl. Bd. 1 § 78 Rn. 12; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 104 Rn. 103). Dies gilt auch für den tariflichen Mehrurlaub. Dementsprechend hat der Senat für den umgekehrten Fall, dass ein Tarifvertrag ausdrücklich den Verfall des Urlaubs anordnet, entschieden, dass dies allein nicht genügt, um einen eigenständigen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien anzunehmen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 33, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

17

2. Ohne Bedeutung ist, dass im Hinblick auf die dargestellte Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie und des Senats zu § 7 Abs. 3 BUrlG ein Verfall des Mindesturlaubsanspruchs bei fortdauernder Erkrankung nach einem Übertragungszeitraum von nur fünf Monaten unionsrechtlich nicht zulässig ist. Entscheidend ist, dass für den vom Mindesturlaub abtrennbaren Teil der einheitlich geregelten Gesamturlaubsdauer, den tariflichen Mehrurlaub, die tarifliche Regelung wirksam bleibt (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 27, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

18

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Jungermann    

        

    Furche    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 19. November 2012 - 7 Sa 16/12 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 21. Dezember 2011 - 8 Ca 168/11 - teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Klägerin aus dem Jahr 2010 acht Urlaubstage als Ersatzurlaub zustehen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu 8/11, die Klägerin zu 3/11 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin aus dem Jahr 2010 elf Urlaubstage als Ersatzurlaub zustehen.

2

Die Klägerin ist seit dem 15. Februar 2009 bei der Beklagten als Bäckereifachverkäuferin zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt ca. 1.586,00 Euro im Rahmen einer Sechstagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand bis zum 31. Mai 2013 kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten einschließlich der Auszubildenden in Betrieben des Bäckerhandwerks in Schleswig-Holstein und Hamburg vom 16. September 2005 Anwendung (im Folgenden: MTV), in dessen § 11 ua. geregelt ist:

        

        

„…    

                 

9.    

Der Erholungsurlaub ist zusammenhängend zu gewähren, wenn nicht wichtige betriebliche oder persönliche Gründe entgegenstehen.

                          

Wird der Urlaub in der Zeit vom 1. Juni bis 30. September genommen, können jedoch zusammenhängend nur 3 Wochen beansprucht werden.

                          

Der in einem Urlaubsjahr nicht gewährte Urlaub kann auf das nächste Urlaubsjahr nur übertragen werden, wenn die Gewährung aus außergewöhnlichen betrieblichen Gründen bis zum Ablauf des alten Urlaubsjahres nicht möglich war.

                          

Der Urlaubsanspruch erlischt drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht worden ist.

                 

…“    

        
3

Nach dem MTV hatte die Klägerin im Jahr 2010 einen Urlaubsanspruch von 27 Werktagen. Davon nahm sie im Urlaubsjahr 16 Tage in Anspruch. Die restlichen elf Tage konnte sie aufgrund einer Erkrankung in der Zeit vom 22. November 2010 bis zum 7. Januar 2011 nicht in Anspruch nehmen. Betriebliche Gründe standen der Gewährung des Urlaubsanspruchs nicht entgegen.

4

Die Klägerin machte mit dem Urlaubsantrag vom 15. Februar 2011 und mit den Schreiben vom 20. Februar 2011 und 1. März 2011 den Resturlaub von elf Tagen aus dem Jahr 2010 erfolglos geltend.

5

Mit ihrer am 13. April 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Gewährung von elf Urlaubstagen aus dem Jahr 2010 begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, § 11 Ziff. 9 MTV widerspreche den unionsrechtlichen Vorgaben zum Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Der nicht in Anspruch genommene Urlaub aus dem Jahr 2010 sei daher entsprechend § 7 Abs. 3 BUrlG in das Folgejahr übertragen worden.

6

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass ihr restliche elf Urlaubstage aus dem Jahr 2010 zustehen,

                 

hilfsweise

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihr für das Jahr 2010 restliche elf Urlaubstage zu gewähren.

7

Zu ihrem Klageabweisungsantrag hat die Beklagte die Auffassung vertreten, Urlaubsansprüche der Klägerin aus dem Jahr 2010 seien mit Ablauf des 31. Dezember 2010 erloschen. Die Regelung in § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV stehe zwar nicht im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben, dies sei aber nach dem deutschen Urlaubsrecht unerheblich. Eine richtlinienkonforme Auslegung des MTV oder des Bundesurlaubsgesetzes komme nicht in Betracht. Eine unmittelbare Geltung des Unionsrechts zwischen Privaten sei nicht gegeben.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist teilweise begründet. Soweit die Klägerin die Feststellung eines (Ersatz-)Urlaubsanspruchs aus dem Jahr 2010 im Umfang von acht Tagen begehrt, hat das Landesarbeitsgericht ihre Berufung zu Unrecht zurückgewiesen.

10

A. Der Hauptantrag ist zulässig und teilweise begründet.

11

I. Der Feststellungsantrag ist zulässig.

12

1. Er bedarf der Auslegung. Die Klägerin begehrt die Feststellung des Bestehens eines Urlaubsanspruchs aus einem in der Vergangenheit liegenden Urlaubsjahr. Ein solcher Antrag ist dahin gehend zu verstehen, dass von ihm sowohl der Urlaubsanspruch als Primäranspruch erfasst wird als auch ggf. ein Schadensersatzanspruch auf Gewährung von Urlaub (vgl. BAG 11. Juli 2006 - 9 AZR 535/05 - Rn. 15). Da die Beklagte den Anspruch auf Urlaubstage aus dem Jahr 2010 als Ersatzurlaub in Abrede stellt, besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

13

2. Dem Feststellungsbegehren steht auch nicht der Vorrang der Leistungsklage entgegen. Zwar zeigt der Hilfsantrag, dass sich das Klagebegehren grundsätzlich auch in einen Leistungsantrag fassen lässt. Im Hinblick auf die voranschreitende Zeit lässt sich jedoch im Rahmen des Leistungsantrags der Zeitpunkt des Urlaubsbeginns nicht festlegen. Insofern ist ein solcher Leistungsantrag regelmäßig so zu verstehen, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Festlegung des Urlaubszeitraums überlässt (vgl. ErfK/Gallner 14. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 31 f. mwN). Dies steht jedoch im Widerspruch zum gesetzlichen Modell des § 7 Abs. 1 BUrlG. Der Arbeitnehmer darf auch nicht über das Prozessrecht dazu gezwungen werden, die Bestimmung der Lage des Urlaubs allein dem Arbeitgeber zu überlassen. Vor diesem Hintergrund ist der Leistungsantrag auf Gewährung einer bestimmten Anzahl von Urlaubstagen nicht vorrangig gegenüber dem Feststellungsantrag (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 15, BAGE 137, 328).

14

II. Das Feststellungsbegehren ist im Umfang von acht Werktagen begründet. Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch wurde - soweit er nicht durch Urlaubsgewährung erfüllt worden ist - gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG in das Folgejahr übertragen. Insoweit konnten die Tarifvertragsparteien - anders als in Bezug auf den tariflichen Mehrurlaub - die gesetzliche Regelung zur Übertragungsfrist nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer abändern. Der übertragene Urlaubsanspruch ist nach der Genesung der Klägerin zwar am 31. März 2011 untergegangen, an seine Stelle trat jedoch ein entsprechender Schadensersatzanspruch auf Urlaub, der weiterhin besteht.

15

1. Der gesetzliche Mindesturlaub wurde im Umfang von acht Werktagen in das Jahr 2011 übertragen.

16

a) Der in einer Sechstagewoche beschäftigten Klägerin stand am 31. Dezember 2010 noch ein gesetzlicher Urlaubsanspruch in Höhe von acht Tagen zu. Die Klägerin hatte zu Beginn des Jahres 2010 gemäß den §§ 1, 3 Abs. 1, § 4 BUrlG einen Urlaubsanspruch im Umfang von 24 Werktagen erworben. Die Beklagte gewährte der Klägerin 16 Urlaubstage. Mit der Gewährung des Urlaubs wurde auch der gesetzliche Urlaubsanspruch in diesem Umfang erfüllt (vgl. BAG 7. August 2012 - 9 AZR 760/10 - Rn. 11 ff., BAGE 143, 1), sodass ein Resturlaubsanspruch von acht Tagen verblieb.

17

b) Diese acht Werktage gesetzlicher Urlaub sind nicht am 31. Dezember 2010 untergegangen, sondern wurden in das erste Quartal des Folgejahres übertragen. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG wird der Urlaub in das nächste Kalenderjahr übertragen, wenn in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ist der typische Fall des personenbedingten Grundes, der der Inanspruchnahme von Urlaub entgegenstehen kann (vgl. BAG 13. Mai 1982 - 6 AZR 360/80 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 39, 53; Arnold/Tillmanns/Arnold BUrlG 3. Aufl. § 7 Rn. 123). Die Klägerin konnte aufgrund einer Erkrankung in der Zeit vom 22. November 2010 bis zum 7. Januar 2011 den Urlaub nicht in Anspruch nehmen.

18

c) Der Übertragung des noch bestehenden gesetzlichen Urlaubsanspruchs in das Folgejahr steht der MTV nicht entgegen. § 7 Abs. 3 BUrlG ist durch § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV nicht wirksam dahin gehend abgeändert worden, dass der nicht gewährte gesetzliche Urlaub auf das nächste Jahr nur übertragen werden kann, wenn die Gewährung aus außergewöhnlichen betrieblichen Gründen bis zum Ablauf des alten Urlaubsjahres nicht möglich war. Die Tarifnorm widerspricht § 13 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 1, 2, 3 Abs. 1 BUrlG und ist insofern unwirksam.

19

aa) Zwar ist § 7 Abs. 3 BUrlG in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht bei den Normen genannt, von denen in Tarifverträgen nicht zu Ungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden darf. Es ist jedoch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass auch von den anderen Vorschriften des BUrlG in Tarifverträgen nicht zu Ungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden darf, soweit sich ihr Regelungsgehalt bereits unmittelbar aus den §§ 1, 2 und § 3 Abs. 1 BUrlG ergibt. So hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts mit Urteil vom 10. Februar 1987 (- 8 AZR 529/84 - zu 3 a der Gründe, BAGE 54, 184) entschieden, dass eine tarifliche Regelung, nach der Abgeltungsansprüche nur entstehen, wenn der Urlaub vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus betrieblichen Gründen nicht gewährt werden konnte, unwirksam ist, soweit durch sie der Urlaubsabgeltungsanspruch im Umfange des gesetzlichen Urlaubs nach den §§ 1, 3 BUrlG und § 44 SchwbG gemindert wird, obwohl auch § 7 Abs. 4 BUrlG in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht genannt ist(vgl. auch BAG 15. Dezember 2009 - 9 AZR 887/08 - Rn. 15 und 15. Januar 2013 - 9 AZR 465/11 - Rn. 20 mwN [zur Berechnung des Urlaubsentgelts]; 29. November 1984 - 6 AZR 238/82 - zu 2 a der Gründe, BAGE 47, 268 [zur Urlaubsabgeltung beim Übergang vom Ausbildungs- zum Arbeitsverhältnis]; 8. März 1984 - 6 AZR 442/83 - zu 1 b der Gründe, BAGE 45, 199 und zuletzt 18. Februar 2014 - 9 AZR 765/12 - Rn. 13 mwN [zur Zwölftelung des Urlaubs bei Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte]; vgl. zu weiteren Beispielen Arnold/Tillmanns/Zimmermann § 13 Rn. 53 ff.). In solchen Fällen greift die abweichende Tarifnorm im Ergebnis (mittelbar) in den Regelungsbereich der §§ 1, 2 und § 3 Abs. 1 BUrlG ein und ist damit insoweit unwirksam.

20

bb) Indem der MTV keinen Übertragungszeitraum für den Fall vorsieht, dass der Arbeitnehmer den Urlaub im Urlaubsjahr ohne sein Verschulden nicht in Anspruch nehmen konnte, greift der Tarifvertrag in das durch § 1 BUrlG gewährte Recht auf bezahlten Jahresurlaub ein. Dies ergibt die richtlinienkonforme Auslegung der §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG(ähnlich Arnold/Tillmanns/Zimmermann § 13 Rn. 61; vgl. auch ErfK/Gallner § 13 BUrlG Rn. 13).

21

(1) Entgegen der Auffassung der Revision kann es offenbleiben, ob und ggf. wie der in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Art. 31 Abs. 2 verankerte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub zwischen den Parteien unmittelbare Wirkung entfaltet(vgl. dazu Vorlage der Cour de cassation an den EuGH vom 10. Juni 2013, anhängig unter - C-316/13 - [Fenoll] mit Anm. Stiebert/Schmidt ZESAR 2013, 413, dazu Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi vom 12. Juni 2014, wo unter Rn. 60 auf die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak in der Sache - C-282/10 - [Dominguez] Bezug genommen wird). Die Frage, ob eine nationale Bestimmung wegen ihrer Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht unangewendet bleiben muss, stellt sich nur dann, wenn eine unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich ist (EuGH 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 23; BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 30, BAGE 142, 371; vgl. Wißmann FS Bepler 2012 S. 649, 654). Ermöglicht es das nationale Recht durch Anwendung seiner Auslegungsmethoden, eine innerstaatliche Bestimmung so auszulegen, dass eine Kollision mit einer anderen Norm innerstaatlichen Rechts vermieden wird, sind die nationalen Gerichte verpflichtet, die gleichen Methoden anzuwenden, um das von der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 58 mwN, BAGE 130, 119; vgl. auch EuGH 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 24 mwN). Mehrere mögliche Auslegungsmethoden sind daher hinsichtlich des Richtlinienziels bestmöglich anzuwenden im Sinne eines Optimierungsgebots (BVerfG 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 2 BvR 469/07 - Rn. 46, BVerfGK 19, 89). Allerdings unterliegt der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts Schranken. Die Pflicht zur Verwirklichung eines Richtlinienziels im Auslegungsweg findet zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten (BVerfG 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 2 BvR 469/07 - Rn. 47, aaO). Sie darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (EuGH 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 25 mwN; BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 31, BAGE 142, 371; 17. November 2009 - 9 AZR 844/08 - Rn. 26, BAGE 132, 247).

22

(2) Der Inhalt des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9, im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie) ist, soweit vorliegend von Bedeutung, durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt (EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 26, Slg. 2011, I-11757; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff ua.] Rn. 43, Slg. 2009, I-179). Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie steht zwar grundsätzlich einer nationalen Regelung nicht entgegen, die für die Ausübung des mit dieser Richtlinie ausdrücklich verliehenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub Modalitäten vorsieht, die sogar den Verlust dieses Anspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums umfassen. Allerdings hat der EuGH dieser grundsätzlichen Feststellung die Voraussetzung hinzugefügt, dass der Arbeitnehmer, dessen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erloschen ist, grundsätzlich tatsächlich die Möglichkeit gehabt haben muss, den ihm mit der Richtlinie verliehenen Anspruch auszuüben. Das nationale Recht kann aber Übertragungszeiträume vorsehen, an deren Ende auch bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit der Urlaubsanspruch entfällt. Ein solcher Übertragungszeitraum muss die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten (EuGH 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] Rn. 41; 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 38, aaO). Die Regelung des § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV steht nicht im Einklang mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben. Dies sieht auch die Beklagte so.

23

(3) Im Hinblick auf die dargestellte Auslegung des Unionsrechts durch den EuGH entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass tarifliche Regelungen, die bei fortbestehender Krankheit einen Verfall des unionsrechtlich geschützten Mindesturlaubsanspruchs vor Ablauf des gebotenen Übertragungszeitraums vorsehen, gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1, § 1 BUrlG unwirksam sind(vgl. BAG 12. November 2013 - 9 AZR 551/12 - Rn. 10; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 27, BAGE 137, 328). Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist § 13 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 1, 2, 3 Abs. 1 BUrlG richtlinienkonform auszulegen. Zwar enthalten die §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG keine ausdrückliche Regelung zur Übertragbarkeit und zum Verfall von Urlaubsansprüchen. Diese nationalen Normen entsprechen jedoch weitgehend der Regelung des Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie, wonach die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. Nach Auffassung des EuGH gehört die Festlegung eines Übertragungszeitraums zu den Voraussetzungen für die Ausübung und die Umsetzung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub und fällt somit grundsätzlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff ua.] Rn. 42, Slg. 2009, I-179). Allerdings stellt es eine unzulässige Beeinträchtigung des Rechts auf bezahlten Urlaub dar, wenn der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder am Ende eines zu kurzen Übertragungszeitraums verfallen kann, ohne dass der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, ihn in Anspruch zu nehmen (EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff ua.] Rn. 45, aaO). Der durch die §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG gewährte Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub im Umfang von 24 Werktagen ist nach Inhalt und Umfang richtlinienkonform so zu verstehen wie der durch die Arbeitszeitrichtlinie in Art. 7 Abs. 1 gewährte Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen. Damit folgt im deutschen Recht aus § 13 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch von 24 Werktagen durch eine tarifliche Regelung grundsätzlich nicht am Ende des Urlaubsjahres verfallen darf, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich nicht die Möglichkeit hatte, ihn in Anspruch zu nehmen.

24

Eine solches richtlinienkonformes Verständnis von § 13 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG ist nicht contra legem. Zwar lässt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG ableiten, dass die Tarifvertragsparteien grundsätzlich auch die Vorgaben des § 7 Abs. 3 BUrlG zulasten der Arbeitnehmer abändern können sollen. Der Gesetzgeber hat dieses sogenannte Vorrangprinzip der Tarifautonomie bewusst aufgestellt, ein Günstigkeitsvergleich ist nicht durchzuführen (vgl. BAG 9. Juli 1964 - 5 AZR 463/63 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 16, 155). Jedoch ist nicht erkennbar, dass der gesetzgeberische Wille auch die Möglichkeit umfasste, die Übertragbarkeit des Urlaubs bei vom Arbeitnehmer unverschuldeter Unmöglichkeit der Inanspruchnahme des Urlaubs tarifvertraglich ausschließen zu können.

25

(4) § 11 Ziff. 9 MTV sieht eine Ausnahme für die Fälle der unverschuldeten Unmöglichkeit der Inanspruchnahme des Urlaubs im Urlaubsjahr nicht vor. Er ist damit jedenfalls insoweit unwirksam, als er „nur“ dann eine Übertragung in das Folgejahr zulässt, wenn die Gewährung des Urlaubs aus außergewöhnlichen betrieblichen Gründen bis zum Ablauf des Urlaubsjahres nicht möglich war. Insofern haben die Tarifvertragsparteien die Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG nicht wirksam zulasten der Arbeitnehmer abgeändert. Der am 31. Dezember 2010 noch bestehende gesetzliche Urlaubsanspruch konnte von der Klägerin daher noch bis zum 31. März 2011 in Anspruch genommen werden.

26

2. Der übertragene Urlaubsanspruch ist zwar am 31. März 2011 untergegangen. Der Klägerin steht jedoch ein Anspruch auf Gewährung von acht Tagen Urlaub unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zu. Die Beklagte befand sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug und ist gemäß § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB verpflichtet, der Klägerin acht Werktage Ersatzurlaub für verfallenen Urlaub aus dem Jahr 2010 zu gewähren. Die Klägerin hat den Urlaub rechtzeitig geltend gemacht. Die Beklagte hat die Gewährung des Urlaubs verweigert.

27

III. Soweit die Klägerin die Feststellung des Bestehens eines Anspruchs auf weitere drei Urlaubstage begehrt, ist die Klage unbegründet.

28

1. Zwar stand der Klägerin im Jahr 2010 ein tariflicher Urlaubsanspruch von 27 Werktagen zu, der nur im Umfang von 16 Tagen durch bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung erfüllt worden war, sodass über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinaus drei weitere Tage tariflicher Mehrurlaub am 31. Dezember 2010 bestanden.

29

2. Der tarifliche Mehrurlaubsanspruch ist - anders als der gesetzliche Urlaubsanspruch - mit dem 31. Dezember 2010 gemäß § 11 Ziff. 9 MTV untergegangen.

30

a) Die unionsrechtlichen Vorgaben betreffen ausschließlich den gesetzlichen Urlaubsanspruch von vier Wochen. Die Tarifvertragsparteien können Urlaubsansprüche, die darüber hinausgehen, frei regeln (vgl. EuGH 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] Rn. 34 ff. mwN; BAG 12. November 2013 - 9 AZR 551/12 - Rn. 10 mwN). Ihre Regelungsmacht schließt die Befristung des Mehrurlaubs ein. Unionsrecht steht einem tariflich angeordneten Verfall des Mehrurlaubs nicht entgegen. Eine Vorlage an den EuGH zwecks Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV ist deshalb nicht erforderlich.

31

b) Indem § 11 Ziff. 9 Abs. 3 MTV „nur“ dann eine Übertragung in das Folgejahr zulässt, wenn die Gewährung aus außergewöhnlichen betrieblichen Gründen bis zum Ablauf des Urlaubsjahres nicht möglich war, ist klar zum Ausdruck gebracht, dass die gesetzliche Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG insoweit nicht zur Anwendung kommen soll, als dort eine Übertragung auch für den Fall vorgesehen ist, dass der Urlaub aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen nicht in Anspruch genommen werden konnte. Nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien sollte (auch) der tarifliche Urlaubsanspruch untergehen, wenn er im Urlaubsjahr aus krankheitsbedingten Gründen nicht in Anspruch genommen werden konnte. Nach der Konzeption des MTV soll der Arbeitnehmer das Risiko tragen, dass der Anspruch auf Mehrurlaub infolge Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllbar ist.

32

c) Unerheblich ist, dass die eigenständige Tarifregelung im Hinblick auf den gesetzlichen Mindesturlaub unwirksam ist. Für den vom gesetzlichen Urlaub abtrennbaren Teil der einheitlich geregelten Gesamturlaubsdauer, den tariflichen Mehrurlaub, bleibt sie wirksam (st. Rspr., vgl. BAG 12. November 2013 - 9 AZR 551/12 - Rn. 13; 22. Mai 2012 - 9 AZR 618/10 - Rn. 18, BAGE 141, 374).

33

B. Der Hilfsantrag ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Er ist nur für den Fall gestellt, dass der Hauptantrag als unzulässig abgewiesen wird. Dies hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

34

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Neumann    

        

    Mehnert    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. Mai 2013 - 10 Sa 595/12 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25. April 2012 - 2 Ca 3785/11 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.178,92 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Juni 2011 zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu 9/10 zu tragen, der Kläger zu 1/10.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von der Beklagten, gesetzlichen Mindesturlaub und tariflichen Mehrurlaub aus den Jahren 2009 und 2010 abzugelten und an ihn Urlaubsgeld für das Jahr 2010 zu zahlen.

2

Die Beklagte beschäftigte den Kläger seit dem 21. Oktober 1996 als Lagermeister. Das monatliche Bruttoentgelt des Klägers, der seine Arbeitsleistung an fünf Tagen in der Woche erbrachte, betrug zuletzt 2.607,50 Euro.

3

Der Formulararbeitsvertrag der Parteien vom 21. Oktober 1996 (ArbV) enthält ua. folgende Regelungen:

        

§ 12 

        

Anwendung tarifvertraglicher und gesetzlicher

        

Bestimmungen

        

Neben den vorstehenden Vertragsvereinbarungen gelten insbesondere hinsichtlich des Urlaubs, des Urlaubsgeldes … und des Erlöschens von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des jeweils gültigen Manteltarifvertrages, des Lohnrahmenabkommens, des Lohn- und Urlaubsgeldabkommens … im Groß- und Außenhandel NRW.

        

…       

        

§ 14   

        

Sonstige Bestimmungen

        

…       

        

Weiter wird vereinbart:

        

Urlaubsgeld lt. Tarifvertrag Groß- und Außenhandel zum 30.6.

        

Leistungsprämie lt. besonderer Vereinbarung zum 30.11.

        

…“    

4

In dem Urlaubsgeldabkommen vom 29. Juli 2002, das mit Wirkung zum 1. Januar 2002 in Kraft trat, heißt es ua. wie folgt:

        

§ 2   

        

Urlaubsgeld

        

1.    

Das Urlaubsgeld gemäß § 8 Nr. 6 des MTV für Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel Nordrhein-Westfalen beträgt … ab 2003 € 643,55.

                 

…       

        

…       

        
        

4.    

Das Urlaubsgeld ist vor Urlaubsantritt zu zahlen; es wird fällig, wenn mindestens die Hälfte des dem Arbeitnehmer tariflich zustehenden Urlaubs gewährt und genommen wird. …

        

…“    

        
5

Der Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel NRW idF vom 28. Juni 2007 (MTV), der am 1. Oktober 2007 in Kraft trat, enthält ua. folgende Bestimmungen:

        

§ 8   

        

Urlaub

        

1.    

Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. In jedem Urlaubsjahr hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Erholungsurlaub. Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Falle der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden.

                 

Konnte der aus betrieblichen Gründen auf das Folgejahr übertragene Urlaub aus erneut dringenden betrieblichen Gründen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen bis zum 31.03. nicht genommen werden, ist er ausnahmsweise abzugelten.

        

…       

        
        

4.    

Die Mindestdauer des Jahresurlaubs beträgt:

                 

…       

                 

b)    

bei Verteilung der tariflichen Arbeitszeit auf ausschließlich 5 Werktage der Woche 30 Arbeitstage

                 

…       

        
        

…       

        
        

6.    

Der Arbeitnehmer erhält ein Urlaubsgeld gemäß einem Urlaubsgeldabkommen. …

        

7.    

a)    

Arbeitnehmer, die im Laufe des Kalenderjahres eintreten oder ausscheiden, erhalten je vollen Kalendermonat 1/12 des Jahresurlaubs.

                 

b)    

Wird der Arbeitnehmer im Laufe eines Monats zum Wehr- oder Ersatzdienst einberufen oder kehrt er aus diesem zurück, erhält er auch für diesen Monat 1/12 des Jahresurlaubs; ...

                 

…       

        
                 

f)    

Scheidet ein Arbeitnehmer im Laufe des Kalenderjahres aufgrund eigener Kündigung aus, und hat er bereits mehr Urlaub genommen, als ihm anteilig zusteht, so ist das zuviel erhaltene Entgelt als Gehalts-/Lohnvorschuss zurückzuerstatten ...

                 

g)    

Der Urlaubsanspruch vermindert sich bei vorsätzlich verschuldeter fristloser Entlassung oder bei vertragswidriger Lösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer auf den gesetzlichen Urlaub. § 8 Nr. 7a wird hierdurch nicht berührt. Der Anspruch auf Urlaubsgeld entfällt in voller Höhe.

                          

Zuviel erhaltenes Urlaubsentgelt oder bereits erhaltenes Urlaubsgeld sind als Gehalts-/Lohnvorschuss zurückzuerstatten und können bei der Endabrechnung vom pfändbaren Teil der Bezüge einbehalten werden.

                 

…       

        
        

§ 15   

        

Fälligkeit und Erlöschen von Ansprüchen

        

…       

        
        

2.    

Der Anspruch auf … Vergütungen sowie alle sonstigen gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind binnen drei Monaten nach Fälligkeit dem anderen Vertragspartner gegenüber schriftlich geltend zu machen.

                 

Spätestens innerhalb weiterer drei Monate nach Ablauf dieser Frist ist Klage zu erheben. Ist das Beschäftigungsverhältnis beendet, so beträgt die Klagefrist einen Monat.

                 

…       

        

3.    

…       

                 

Im Falle der tatsächlichen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses während des Urlaubsjahres wird der Urlaub sofort fällig; § 15 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. ...

                 

Ist er ausnahmsweise abzugelten (§ 8 Nr. 1 Abs. 2), verfällt der Urlaubsabgeltungsanspruch, wenn er nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten durch Klage geltend gemacht wird. Ist der Arbeitnehmer ausgeschieden, so verkürzt sich die Klagefrist auf einen Monat.

        

4.    

Eine Geltendmachung von Ansprüchen nach Ablauf der in § 15 Nr. 2 - 3 genannten Fristen ist ausgeschlossen; …

        

…“    

        
6

Im Jahr 2009 gewährte die Beklagte dem Kläger 17 Arbeitstage Urlaub. Der Kläger war vom 4. September 2009 bis zum 21. April 2011 durchgehend krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Mit Schreiben vom 1. November 2010 forderte der Kläger die Beklagte vergeblich auf, an ihn ua. Urlaubsgeld für das Jahr 2010 zu zahlen.

7

Mit Schreiben vom 17. Januar 2011 erklärte die Beklagte die außerordentliche fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. In der Klageschrift vom 27. Januar 2011, mit der der Kläger vor dem Arbeitsgericht (- 10 Ca 716/11 -) Rechtsschutz gegen die Kündigung suchte und die der Beklagten am 10. Februar 2011 zugestellt wurde, verlangte der Kläger von der Beklagten ohne Erfolg ua., den verbleibenden Resturlaub abzugelten. Mit Urteil vom 21. April 2011, das dem Kläger am 7. Juni 2011 in vollständig abgefasster Form zugestellt wurde, wies das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage des Klägers mit der Begründung ab, der Beklagten sei aufgrund fortgesetzter Beleidigungen und Bedrohungen seitens des Klägers die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zuzumuten. Das Kündigungsschutzverfahren endete mit der Rücknahme der Berufung durch den Kläger in dem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht (- 2 Sa 701/11 -).

8

Mit der Klageschrift vom 16. Mai 2011, die am Folgetag beim Arbeitsgericht eingegangen und der Beklagten am 23. Mai 2011 zugestellt worden ist, nimmt der Kläger die Beklagte im hiesigen Verfahren auf Zahlung von Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld in Anspruch.

9

Der Kläger ist der Ansicht gewesen, die tarifliche Kürzungsvorschrift des § 8 Nr. 7 Buchst. g MTV, deren tatbestandliche Voraussetzungen mangels einer vorsätzlichen Handlung nicht vorlägen, lasse seine Ansprüche auf gesetzlichen Mindesturlaub ebenso unberührt wie die Ansprüche auf tariflichen Mehrurlaub aus den Jahren 2009 und 2010. Lege man der Kürzungsbestimmung rückwirkende Kraft bei, werde er gegenüber arbeitsfähigen Arbeitnehmern ungerechtfertigt benachteiligt. Die zweite Stufe der tariflichen Ausschlussfrist habe erst mit Verkündung des Urteils vom 21. April 2011 oder dessen Zustellung an ihn am 7. Juni 2011 zu laufen begonnen. Der Anspruch auf Urlaubsgeld sei erst mit dem Urlaubsabgeltungsanspruch für den von der Beklagten während des Arbeitsverhältnisses nicht gewährten Urlaub fällig geworden (§ 2 Nr. 4 Urlaubsgeldabkommen). Im Übrigen sei die tarifliche Ausschlussfrist nur auf den Mehrurlaub, nicht aber auf den Mindesturlaub anzuwenden. Schließlich sei es ihm nicht zumutbar gewesen, zugleich mit der Kündigungsschutzklage eine Klage auf Zahlung der Urlaubsabgeltung und des Urlaubsgelds zu erheben.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.178,92 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 643,55 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt,die Kürzungsvorschrift des § 8 Nr. 7 Buchst. g MTV führe zum Wegfall des Anspruchs auf Mehrurlaub und Urlaubsgeld. Die Urlaubsansprüche des Klägers für das Jahr 2009 seien bereits vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen (§ 8 Nr. 1 MTV). Zudem habe der Kläger die Klageansprüche nicht binnen der tariflichen Ausschlussfrist geltend gemacht.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts - soweit für die Revision von Bedeutung - abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der von dem Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel, die vollständige Abweisung der Klage, weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision der Beklagten ist größtenteils unbegründet.

14

I. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung des Klägers insoweit zu Unrecht abgeändert, als es der Klage hinsichtlich des Urlaubsgelds für das Jahr 2010 stattgegeben hat. Der Kläger hat den Anspruch, der gemäß § 14 ArbV am 30. Juni 2010 fällig wurde, nicht binnen der tariflichen Ausschlussfrist gegenüber der Beklagten geltend gemacht (§ 15 Nr. 4 Halbs. 1 iVm. Nr. 2 MTV).

15

1. Nach § 15 Nr. 2 Abs. 1 MTV sind alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen drei Monaten nach Fälligkeit dem anderen Vertragspartner gegenüber schriftlich geltend zu machen. Eine Geltendmachung von Ansprüchen nach Ablauf dieser Frist ist ausgeschlossen (§ 15 Nr. 4 Halbs. 1 MTV). Nach § 12 ArbV iVm. § 2 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 Urlaubsgeldabkommen wird das Urlaubsgeld fällig, wenn mindestens die Hälfte des dem Arbeitnehmer tariflich zustehenden Urlaubs gewährt und genommen wird. Gemäß § 14 ArbV hat der Kläger „zum 30.6.“ Anspruch auf Urlaubsgeld.

16

2. Die Fälligkeit des Anspruchs auf Urlaubsgeld richtet sich im Streitfall nach § 14 ArbV. Das Landesarbeitsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, die arbeitsvertragliche Regelung sei intransparent und deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB unwirksam. Vielmehr ergibt die Auslegung beider Klauseln, dass der Anspruch auf Urlaubsgeld am 30. Juni eines jeden Jahres fällig wurde.

17

a) Die §§ 12 und 14 ArbV sind bereits ihrem äußeren Erscheinungsbild nach Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Revisionsgericht hat die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen selbstständig nach den Grundsätzen der Auslegung von Normen vorzunehmen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BAG 19. Dezember 2006 - 9 AZR 343/06 - Rn. 12). Sieht ein Formulararbeitsvertrag, der eine pauschale Bezugnahme auf einen Tarifvertrag enthält, eine ausdrückliche Regelung vor, die von einer tariflichen Bestimmung abweicht, hat die arbeitsvertragliche Regelung grundsätzlich Vorrang vor der in Bezug genommenen Tarifvorschrift (vgl. BAG 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 40, BAGE 144, 306). So liegt der Fall hier.

18

b) Der Formulararbeitsvertrag vom 21. Oktober 1996 nimmt in § 12 in allgemeiner Form ua. auf die Bestimmungen des Urlaubsgeldabkommens Bezug. Während § 2 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 Urlaubsgeldabkommen die Fälligkeit des Urlaubsgelds an die Gewährung von Urlaub knüpft, sieht die ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag der Parteien eine Fälligkeit am 30. Juni eines jeden Jahres vor (§ 14 ArbV). Gründe, die es geboten scheinen lassen, von dem zitierten Grundsatz abzuweichen, dem zufolge die ausdrückliche AGB-Regelung der in pauschaler Form in Bezug genommenen Tarifbestimmung vorgeht, sind nicht ersichtlich. Vielmehr sprechen im Streitfall systematische Erwägungen gegen die Sichtweise des Landesarbeitsgerichts. Der Regelungszusammenhang, in den die beiden Bestimmungen eingebettet sind, belegt ein Spezialitätsverhältnis, in dessen Folge die allgemeine Bestimmung des § 12 ArbV hinter der spezielleren Regelung des § 14 ArbV zurücktritt. Der Arbeitsvertrag begründet nicht selbst einen Anspruch auf Urlaubsgeld, sondern verweist zu diesem Zweck auf den MTV und das Urlaubsgeldabkommen. Diese Regelungstechnik erlaubte es den Parteien, den Anspruch auf Urlaubsgeld in allgemeiner Form zum Gegenstand des Arbeitsvertrags zu machen und diese allgemeine Regelung in einer der nachfolgenden Bestimmungen - im Streitfall hinsichtlich der Fälligkeit - zu modifizieren. Im Übrigen hat - ohne dass dies für die Auslegung der Klausel nach objektiven Merkmalen zu berücksichtigen wäre - auch der Kläger die Fälligkeitsregelung im nämlichen Sinne verstanden. Anderenfalls hätte er die Beklagte nicht mit Schreiben vom 1. November 2010 zur Zahlung des Urlaubsgelds aufgefordert. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte ihm noch keinen Urlaub aus dem Jahr 2010 gewährt.

19

c) Schließlich zeigt auch die Vereinbarung der Parteien in § 14 ArbV bezüglich der Fälligkeit der Leistungsprämie „zum 30.11.“, dass sie die Fälligkeit des Urlaubsgelds mit der Formulierung „zum 30.6.“ abweichend von der tariflichen Regelung festgelegt haben.

20

3. Da der Anspruch des Klägers auf Urlaubsgeld für das Jahr 2010 am 30. Juni 2010 fällig war, endete die dreimonatige Ausschlussfrist des § 15 Nr. 2 Abs. 1 MTV am 30. September 2010. Der Kläger machte seinen Urlaubsgeldanspruch erstmals mit Schreiben vom 1. November 2010 und damit nach Fristablauf der Beklagten gegenüber geltend.

21

II. Soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger 5.178,92 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27. Juni 2011 zu zahlen, ist die Revision der Beklagten unbegründet. Die Beklagte ist verpflichtet, 43 Arbeitstage Urlaub abzugelten. Anspruchsgrundlage ist § 7 Abs. 4 BUrlG. Die Kürzungsregelung in § 8 Nr. 7 Buchst. g Abs. 1 MTV lässt den Anspruch des Klägers ebenso unberührt wie die Ausschlussfrist des § 15 Nr. 2 MTV.

22

1. Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG hat der Arbeitgeber Urlaub abzugelten, wenn dieser wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

23

2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete infolge der außerordentlichen fristlosen Kündigung der Beklagten mit Zugang des Kündigungsschreibens beim Kläger. Das Arbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage des Klägers mit Urteil vom 21. April 2011 (- 10 Ca 716/11 -) ab. Der Kläger nahm die gegen das Urteil eingelegte Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (- 2 Sa 701/11 -) zurück.

24

3. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien stand dem Kläger ein Anspruch auf insgesamt 43 Arbeitstage Urlaub zu.

25

a) Der Anspruch des Klägers auf gesetzlichen Mindesturlaub belief sich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf 23 Arbeitstage.

26

Der Kläger, der seine Arbeitsleistung an fünf Tagen in der Woche erbrachte, erwarb zu Beginn des Jahres 2009 einen Anspruch auf 20 Arbeitstage gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG). Mit der Freistellung des Klägers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung an 17 Arbeitstagen im Jahr 2009 brachte die Beklagte den Urlaubsanspruch gemäß § 362 Abs. 1 BGB teilweise zum Erlöschen(vgl. BAG 7. August 2012 - 9 AZR 760/10 - Rn. 10, BAGE 143, 1). Die verbleibenden drei Arbeitstage Mindesturlaub wurden infolge der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Klägers, die vom 4. September 2009 bis zum 21. April 2011 währte, in das Jahr 2010 übertragen (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG). Zu Beginn des Jahres 2010 traten zu den übertragenen Urlaubstagen 20 Arbeitstage Mindesturlaub hinzu. Der aus dem Jahr 2009 stammende Urlaub bestand unbeschadet des Umstands, dass der Übertragungszeitraum am 31. März 2010 endete (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG), fort. Aufgrund der Vorgaben des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) ist § 7 Abs. 3 BUrlG unionsrechtskonform dahin gehend auszulegen, dass der gesetzliche Urlaub nicht vor Ablauf von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres erlischt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist(vgl. dazu im Einzelnen BAG 7. August 2012 9 AZR 353/10 - Rn. 23 ff., BAGE 142, 371 ). Unabhängig von der Frage, ob die tarifvertraglich vorgesehene Abgeltung von Urlaub hinsichtlich des gesetzlichen Mindesturlaubs rechtlich zulässig ist (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG), wandelte sich der aus dem Jahr 2009 stammende Urlaub mit Ablauf des 31. März 2010 nicht gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 MTV in einen Abgeltungsanspruch um, denn der Urlaub wurde nicht aus betrieblichen, sondern aus in der Person des Klägers liegenden Gründen in das Jahr 2010 übertragen. Da die durchgehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers über den 31. Dezember 2010 fortdauerte, wurde sowohl der Urlaub aus dem Jahr 2009 als auch der Urlaub aus dem Jahr 2010 in das Jahr 2011 übertragen.

27

b) Darüber hinaus hatte der Kläger zum Beendigungszeitpunkt Anspruch auf 20 Arbeitstage tariflichen Mehrurlaub. Die Vorschriften des MTV fanden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung (§ 12 Abs. 1 ArbV). Der Kläger erwarb sowohl zu Beginn des Jahres 2009 als auch im Folgejahr einen Anspruch auf jeweils zehn Arbeitstage Mehrurlaub (§ 8 Nr. 4 Abs. 1 Buchst. b MTV).

28

aa) Der Anspruch ging bis zum Tag, an dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, nicht unter. Zwischen dem Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub und dem Anspruch auf tariflichen Mehrurlaub nach den Vorschriften des MTV besteht ein Gleichlauf, der zur Folge hat, dass der Anspruch auf Mehrurlaub der 15-Monats-Rechtsprechung des Senats (ausführlich hierzu BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 23 ff., BAGE 142, 371 ) unterfällt. Die Verfallsregelungen des § 8 Nr. 1 Abs. 1 MTV unterscheiden nicht zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tariflichem Mehrurlaub. Die Tarifbestimmungen enthalten auch keine abweichenden Regelungen zur Übertragung und zum Verfall des Urlaubsanspruchs. Dies ergibt die Auslegung der maßgeblichen Tarifbestimmungen.

29

(1) Die unionsrechtlichen Vorgaben, die der Senat zum Anlass genommen hat, § 7 Abs. 3 BUrlG fortzubilden, betreffen ausschließlich den Mindestjahresurlaub von vier Wochen. Die Tarifvertragsparteien können Urlaubsansprüche, die darüber hinausgehen, frei regeln (vgl. EuGH 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] Rn. 34 ff. mwN). Ihre Regelungsmacht schließt die Befristung des Mehrurlaubs ein. Unionsrecht steht einem tariflich angeordneten Verfall des Mehrurlaubs nicht entgegen (BAG 22. Mai 2012 - 9 AZR 575/10 - Rn. 10). Die Tarifvertragsparteien des MTV haben von dieser Regelungsmacht indes keinen Gebrauch gemacht.

30

(2) Für einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, den Mehrurlaub einem eigenen, von dem des Mindesturlaubs abweichenden Fristenregime zu unterstellen, müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Fehlen solche, ist von einem Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub auszugehen. Ein Gleichlauf ist nicht gewollt, wenn die Tarifvertragsparteien entweder bei der Befristung und Übertragung bzw. beim Verfall des Urlaubs zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tariflichem Mehrurlaub unterschieden oder sich vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige, vom Bundesurlaubsgesetz abweichende Regelungen zur Befristung und Übertragung bzw. zum Verfall des Urlaubsanspruchs getroffen haben (BAG 22. Mai 2012 - 9 AZR 575/10 - Rn. 12).

31

(3) Die Parteien des MTV haben den Mehrurlaub keinem eigenständigen Fristenregime unterstellt. Nach der Urlaubskonzeption des MTV soll der Arbeitgeber, nicht aber der Arbeitnehmer das Risiko tragen, dass der Anspruch auf Mehrurlaub nicht erfüllbar ist. In inhaltlicher Übereinstimmung mit § 1 BUrlG regelt § 8 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 MTV, dass Urlaubsjahr das Kalenderjahr ist. § 8 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 MTV stimmt mit § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG, § 8 Nr. 1 Abs. 1 Satz 4 MTV mit § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG und § 8 Nr. 1 Abs. 1 Satz 5 MTV mit § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG überein. Abweichungen von der gesetzlichen Regelung haben die Tarifvertragsparteien nicht vorgesehen.

32

bb) Der insgesamt 20 Arbeitstage umfassende tarifliche Mehrurlaubsanspruch verminderte sich infolge der außerordentlichen fristlosen Kündigung der Beklagten vom 17. Januar 2011 nicht. Die tarifvertragliche Regelung des § 8 Nr. 7 Buchst. g Abs. 1 Satz 1 MTV führt zum Wegfall des Mehrurlaubs, den der Arbeitnehmer im Jahr seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis erworben hat, erfasst aber nicht den übertragenen Mehrurlaub der Vorjahre. Dies ergibt die Auslegung der Tarifbestimmung.

33

(1) Die tatbestandlichen Voraussetzungen der tariflichen Minderungsvorschrift liegen im Streitfall vor. Die fortgesetzte Beleidigung und Bedrohung der Geschäftsführung der Beklagten ist ein vorsätzliches und schuldhaftes Verhalten des Klägers, das die Beklagte zum Anlass nahm, das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17. Januar 2011 außerordentlich fristlos zu kündigen. Mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 21. April 2011 (- 10 Ca 716/11 -) wies das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage ab.

34

(2) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, die in § 8 Nr. 7 Buchst. g Abs. 1 Satz 1 MTV vorgesehene Minderung erfasse weder den tariflichen Mehrurlaub aus dem Jahr 2009 noch den aus dem Jahr 2010.

35

§ 8 Nr. 7 Buchst. g Abs. 1 Satz 1 MTV zufolge vermindert sich der „Urlaubsanspruch“ des entlassenen Arbeitnehmers. Dem Wortlaut der Tarifbestimmung ist nicht zu entnehmen, auf welches Urlaubsjahr sich die Verminderung bezieht. Die Regelungssystematik des § 8 Nr. 7 MTV spricht jedoch für das Auslegungsergebnis, zu dem das Landesarbeitsgericht gelangt ist. Die Tarifbestimmungen des § 8 Nr. 7 Buchst. a, Buchst. c und Buchst. f MTV nehmen in ihrem Tatbestand ausdrücklich auf das Kalenderjahr, das gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 MTV mit dem Urlaubsjahr identisch ist, Bezug. Es liegt deshalb nahe, dass auch der Begriff „Urlaubsanspruch“ iSd. § 8 Nr. 7 Buchst. g Abs. 1 Satz 1 MTV ausschließlich den Urlaub, den der Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr erworben hat, meint. Auch die Regelung des § 8 Nr. 7 Buchst. g Abs. 2 MTV streitet für eine einschränkende Auslegung. Danach hat ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis unter den in § 8 Nr. 7 Buchst. g Abs. 1 Satz 1 MTV genannten Voraussetzungen endet, zu viel erhaltenes Urlaubsentgelt zurückzuerstatten. Folgte man der Ansicht der Revision, wäre der Arbeitgeber in einem solchen Fall berechtigt, das auf den Mehrurlaub entfallende Entgelt für die gesamte Laufzeit des Arbeitsverhältnisses von dem Arbeitnehmer zurückzufordern. Eine derart weitreichende Regelungsabsicht kann den Tarifvertragsparteien nur unterstellt werden, wenn sie hinreichend klar in der Tarifnorm zum Ausdruck kommt. Das ist nicht der Fall.

36

4. Das Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die tarifliche Ausschlussfrist dem Anspruch des Klägers nicht entgegensteht. Der Kläger hat mit Erhebung der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht (- 10 Ca 716/11 -) die dreimonatige erste Stufe, mit der Erhebung der hiesigen Klage die sich anschließende einmonatige zweite Stufe der Ausschlussfrist gewahrt.

37

a) Gemäß § 15 Nr. 2 Abs. 2 Satz 1 MTV ist spätestens innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der in § 15 Nr. 2 Abs. 1 MTV bezeichneten Frist Klage zu erheben. Ist das Beschäftigungsverhältnis beendet, so beträgt die Klagefrist gemäß § 15 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 MTV einen Monat. Im Falle der tatsächlichen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses während des Urlaubsjahres wird der Urlaub sofort fällig; § 15 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 MTV gilt entsprechend(§ 15 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 MTV).

38

b) Die Ausschlussfrist ist im Streitfall nach § 15 Nr. 2 MTV zu bestimmen. Die Kündigung der Beklagten vom 17. Januar 2011 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht nur tatsächlich, sondern darüber hinaus rechtlich beendet. Der Kläger hat die zweistufige Ausschlussfrist eingehalten.

39

c) Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung des ihm zustehenden Urlaubs entsteht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wird zu diesem Zeitpunkt fällig (vgl. BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 45, BAGE 142, 371). Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass die Ausschlussfrist am Folgetag, dem 18. Januar 2011, zu laufen begann (§ 187 Abs. 1 BGB) und drei Monate später endete (§ 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Der Kläger hat seinen Urlaubsabgeltungsanspruch mit der Klageschrift vom 27. Januar 2011 im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens (- 10 Ca 716/11 -) dem Grunde nach geltend gemacht. Das reicht aus, um die Anforderungen an eine Geltendmachung auf der ersten Stufe zu erfüllen. Der Kläger war nicht gehalten, die Urlaubsabgeltungsansprüche zu beziffern (vgl. BAG 16. April 2013 - 9 AZR 731/11 - Rn. 21, BAGE 145, 8). Die Klageschrift ist der Beklagten am 10. Februar 2011 und damit vor Ablauf der ersten Stufe der Ausschlussfrist zugestellt worden.

40

d) Auch die zweite Stufe der Ausschlussfrist hat der Kläger gewahrt, da er innerhalb von vier Monaten seit Fälligkeit Klage auf Abgeltung des Urlaubs erhoben hat. Die Klageschrift vom 16. Mai 2011, die am Folgetag und damit vor dem Ablauf von vier Monaten seit Fälligkeit des Abgeltungsanspruchs beim Arbeitsgericht eingegangen ist (§ 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB), ist der Beklagten zwar erst am 23. Mai 2011 und damit nach Ablauf von vier Monaten zugestellt worden; dies ist jedoch unschädlich. Denn die Zustellung erfolgte demnächst iSd. § 167 ZPO.

41

5. Die Höhe des von der Beklagten als Urlaubsabgeltung geschuldeten Betrags ist zwischen den Parteien unstreitig.

42

6. Die Beklagte hat auf den vom Kläger geltend gemachten Bruttobetrag Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Juni 2011 zu entrichten. Dies folgt aus den gesetzlichen Vorschriften über den Schuldnerverzug (§ 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB). Der Verzug trat zwar bereits am Tage nach der Zustellung der Klageschrift, mithin am 24. Mai 2011 ein (§ 253 Abs. 1, § 222 ZPO iVm. §§ 186, 187 Abs. 1 BGB). Das Landesarbeitsgericht hat die Klage bezüglich der Verzugszinsen jedoch insoweit rechtskräftig abgewiesen, als der Kläger Zinsen für den Zeitraum bis zum 26. Juni 2011 verlangt hat.

43

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Suckow    

        

        

        

    Vogg    

        

    Wullhorst    

                 

(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.

(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leistung in der Weise versprochen wird, dass das Versprechen die Verpflichtung selbständig begründen soll (Schuldversprechen), ist, soweit nicht eine andere Form vorgeschrieben ist, schriftliche Erteilung des Versprechens erforderlich. Die Erteilung des Versprechens in elektronischer Form ist ausgeschlossen.

Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den das Bestehen eines Schuldverhältnisses anerkannt wird (Schuldanerkenntnis), ist schriftliche Erteilung der Anerkennungserklärung erforderlich. Die Erteilung der Anerkennungserklärung in elektronischer Form ist ausgeschlossen. Ist für die Begründung des Schuldverhältnisses, dessen Bestehen anerkannt wird, eine andere Form vorgeschrieben, so bedarf der Anerkennungsvertrag dieser Form.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 7. September 2012 - 7 Sa 89/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch der klagenden Lehrkraft auf Neuberechnung des Vergleichsentgelts und Auszahlung des daraus folgenden Höhergruppierungsgewinns gemäß § 8 Abs. 5 TVÜ-Länder.

2

Die 1962 geborene Klägerin hat die Prüfung für die Laufbahn des Fachlehrers an Schulen für geistig Behinderte abgelegt. Sie wurde zum 1. August 1997 als Lehrerin in einem Schulkindergarten von dem beklagten Land eingestellt. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 31. Juli 1997 enthält auszugsweise folgende Regelungen:

        

§ 2 Anwendung tariflicher Bestimmungen

        

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifbestimmungen in der für das Land Baden-Württemberg jeweils geltenden Fassung.

        

…       

        

§ 4 Eingruppierung

        

Die Eingruppierung erfolgt gemäß den Richtlinien des Finanzministeriums Baden-Württemberg über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte des Landes, auf welche der BAT Anwendung findet, vom 3.8.1992 … in der jeweils geltenden Fassung.

        

…“    

3

Die in Bezug genommenen Eingruppierungsrichtlinien (ERL) lauten in der bis zum 31. Dezember 2011 gültigen Fassung vom 25. September 2003 auszugsweise wie folgt:

        

1 Allgemeine Grundsätze

        

Die im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte des Landes an Grund- und Hauptschulen, Realschulen, Sonderschulen, Gymnasien, beruflichen Schulen, Schulverbünden, Schulen besonderer Art und an Grundschulförderklassen werden bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen eingruppiert,

        

1.1     

wenn sie die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen des Landes für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erfüllen, nach den Nr. 2.1 bis 2.4,

        

1.2     

wenn sie die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen des Landes für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht erfüllen, nach den Nr. 3.1 bis 3.8.4.

                          
        

2 Lehrkräfte, die die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen des Landes für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erfüllen

        

2.1     

Die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen des Landes für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit sind nur erfüllt, wenn die Angestellten die laufbahnrechtlich vorgeschriebenen Ausbildungen erfolgreich abgeleistet haben.

        

Die Lehrkräfte werden in die Vergütungsgruppe des BAT eingruppiert, die nach Maßgabe folgender Übersicht der Besoldungsgruppe der vergleichbaren beamteten Lehrkraft entspricht; Besoldungsgruppe in diesem Sinne ist die Besoldungsgruppe, in welche Beamte nach Abschluss der vorgeschriebenen Ausbildung erstmals angestellt werden:

                 

Besoldungsgruppe

Vergütungsgruppe

                 

A 9     

V b     

                 

A 10   

IV b   

                 

A 11   

IV a   

                 

A 12   

III     

                 

A 13   

II a   

                 

A 14   

I b     

                 

A 15   

I a     

                 

A 16   

I       

        

…       

        

2.2     

Lehrkräfte, die die Voraussetzungen für das erste von der Zuweisung einer Funktion unabhängige Beförderungsamt erfüllen würden und mindestens acht Jahre an öffentlichen Schulen oder Ersatzschulen tätig waren, werden in die Vergütungsgruppe der nach Nr. 2.1 vergleichbaren beamteten Lehrkraft im ersten Beförderungsamt eingruppiert. Lehrkräfte des Satzes 1, die die Voraussetzungen für ein zweites von der Zuweisung einer Funktion unabhängiges Beförderungsamt erfüllen würden, werden frühestens nach weiteren fünf Jahren in die Vergütungsgruppe der nach Nr. 2.1 vergleichbaren beamteten Lehrkraft im zweiten Beförderungsamt eingruppiert.

        

Bei der Festsetzung der Zeiten für die Höhergruppierung nach den Abs. 1 und 2 ist im Einzelfall von den für vergleichbare Beamte maßgebenden Beförderungswartezeiten auszugehen.

        

2.3     

Lehrkräfte, denen eine Funktion übertragen ist, für die die Besoldungsordnung die Einstufung in eine höhere Besoldungsgruppe vorsieht, werden in die dieser Besoldungsgruppe nach Nr. 2.1 entsprechende Vergütungsgruppe eingruppiert.

        

…       

        
        

3 Lehrkräfte, die die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht erfüllen

        

Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis, die nicht unter Nr. 2 fallen, werden wie folgt in die Vergütungsgruppen des BAT eingruppiert:

        

…“    

4

Die Klägerin ist eine sog. Erfüllerin iSd. Nr. 2 ERL, da sie die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erfüllt. Ihre Vergütung bestimmte sich nach der Vergütungsgruppe V b BAT.

5

Seit dem 1. November 2006 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12. Oktober 2006 ( TV-L ) und dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts vom 12. Oktober 2006 (TVÜ-Länder). Entsprechend der Anlage 2 Teil B zu § 4 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder erfolgte eine Überleitung von der Vergütungsgruppe V b BAT in die Entgeltgruppe 9 TV-L. Ausgehend von dem nach § 5 TVÜ-Länder zu bildenden Vergleichsentgelt wurde eine Zuordnung zu der individuellen Zwischenstufe 3+ vorgenommen. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder erfolgte zum 1. November 2008 der Aufstieg in die Stufe 4 der Entgeltgruppe 9 TV-L.

6

Mit Formularschreiben vom 10. März 2011 erhielt die Klägerin die Mitteilung, dass sie ab 1. Februar 2011 in die Vergütungsgruppe IV b BAT/Entgeltgruppe 9 TV-L eingruppiert sei. Als Grund der Änderung wurde „Eingruppierung nach 2.1 (Erfüller)“ sowie „analog Beförderungsprogramm 2011-2“ angegeben. Daraufhin machte die Klägerin mit Schreiben vom 25. Mai 2011 einen Anspruch auf Vergütung nach Stufe 5 der Entgeltgruppe 9 TV-L ab Februar 2011 geltend. Dies wurde vom beklagten Land mit Schreiben vom 6. Juni 2011 abgelehnt. Es handle sich nicht um einen Bewährungsaufstieg. Durch die Höhergruppierung im Rahmen des Beförderungsprogramms bestehe für die Klägerin aber erstmals die Möglichkeit eines Aufstiegs in die Stufe 5 der Entgeltgruppe 9 TV-L nach Ablauf der Stufenlaufzeit von vier Jahren, dh. zum 1. November 2012.

7

Mit Schreiben vom 3. August 2011 verlangte die Klägerin wegen der Höhergruppierung die Neuberechnung des Vergleichsentgelts und die Zahlung der sich daraus ergebenden Vergütungsdifferenz. Der Anspruch wird auf § 8 TVÜ-Länder gestützt. Dieser lautet in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 3 vom 10. März 2011 auszugsweise:

        

§ 8 Bewährungs- und Fallgruppenaufstiege

        

…       

        

(2)     

Beschäftigte, die aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O in eine der Entgeltgruppen 2 sowie 9 bis 15 übergeleitet werden und

                 

-       

die am 1. November 2006 bei Fortgeltung des bisherigen Tarifrechts die für eine Höhergruppierung erforderliche Zeit der Bewährung oder Tätigkeit zur Hälfte erfüllt haben,

                 

-       

in der Zeit zwischen dem 1. Dezember 2006 und dem 31. Oktober 2008 höhergruppiert wären,

                 

-       

bis zum individuellen Aufstiegszeitpunkt weiterhin eine Tätigkeit auszuüben haben, die diesen Aufstieg ermöglicht hätte, und

                 

-       

bei denen zum individuellen Aufstiegszeitpunkt keine Anhaltspunkte vorliegen, die bei Fortgeltung des bisherigen Rechts einer Höhergruppierung entgegengestanden hätten,

                 

erhalten ab dem Zeitpunkt, zu dem sie nach bisherigem Recht höhergruppiert wären, in ihrer bisherigen Entgeltgruppe Entgelt nach derjenigen individuellen Zwischen- beziehungsweise Endstufe, die sich ergeben hätte, wenn sich ihr Vergleichsentgelt (§ 5) nach der Vergütung aufgrund der Höhergruppierung bestimmt hätte.

                 

…       

        

(3)     

Abweichend von Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 gelten die Absätze 1 beziehungsweise 2 auf schriftlichen Antrag entsprechend für übergeleitete Beschäftigte, die bei Fortgeltung des BAT/BAT-O bis spätestens zum 31. Oktober 2012 wegen Erfüllung der erforderlichen Zeit der Bewährung oder Tätigkeit höhergruppiert worden wären, unabhängig davon, ob die Hälfte der erforderlichen Bewährungs- oder Tätigkeitszeit am Stichtag erfüllt ist. In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 erhalten Beschäftigte, die in der Zeit zwischen dem 1. November 2008 und dem 31. Oktober 2012 bei Fortgeltung des BAT/BAT-O höhergruppiert worden wären, in ihrer bisherigen Entgeltgruppe Entgelt nach derjenigen individuellen Zwischen- oder Endstufe, die sich aus der Summe des bisherigen Tabellenentgelts und dem nach Absatz 2 ermittelten Höhergruppierungsgewinn nach bisherigem Recht ergibt; die Stufenlaufzeit bleibt hiervon unberührt. Bei Beschäftigten mit individueller Endstufe erhöht sich in diesen Fällen ihre individuelle Endstufe um den nach bisherigem Recht ermittelten Höhergruppierungsgewinn. …

                          
        

Protokollerklärung zu § 8 Absatz 3:

        

Wäre die/der Beschäftigte bei Fortgeltung des BAT/BAT-O in der Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. März 2011 wegen Erfüllung der Voraussetzungen des Absatzes 3 höhergruppiert worden, findet Absatz 3 auf schriftlichen Antrag vom 1. April 2011 an Anwendung.

        

…       

        

(5)     

Ist bei einer Lehrkraft, die gemäß Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen nicht unter die Anlage 1a zum BAT/BAT-O fällt, eine Höhergruppierung nur vom Ablauf einer Bewährungszeit und von der Bewährung abhängig und ist am 1. November 2006 die Hälfte der Mindestzeitdauer für einen solchen Aufstieg erfüllt, erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 unter den weiteren dort genannten Voraussetzungen zum individuellen Aufstiegszeitpunkt der Aufstieg in die nächsthöhere Entgeltgruppe. Absatz 1 Satz 2 und Höhergruppierungsmöglichkeiten durch entsprechende Anwendung beamtenrechtlicher Regelungen bleiben unberührt. In den Fällen des Absatzes 2 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass anstelle der Höhergruppierung eine Neuberechnung des Vergleichsentgelts nach Absatz 2 erfolgt. Absatz 3 gilt entsprechend.“

8

Durch den Änderungstarifvertrag Nr. 4 vom 2. Januar 2012 wurde § 8 Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012 eingangs wie folgt neu gefasst:

        

„Ist bei einer Lehrkraft, die bis zum 31. Dezember 2011 gemäß Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen nicht unter die Anlage 1a zum BAT/BAT-O und ab 1. Januar 2012 gemäß Nr. 4 der Vorbemerkungen zu allen Teilen der Entgeltordnung nicht unter die Entgeltordnung zum TV-L fällt, …“

9

Trotz der mit Schreiben vom 6. Juni 2011 erklärten Ablehnung erteilte das beklagte Land der Klägerin für August 2011 eine Bezügemitteilung, welche einen Vergütungsanspruch der Klägerin nach einer individuellen Endstufe 5+ der Entgeltgruppe 9 TV-L und eine Nachzahlung vorsieht. Mit Schreiben der Besoldungsstelle vom 20. September 2011 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass es sich hierbei um einen Irrtum gehandelt habe. Seit 1. November 2012 wird die Klägerin entsprechend der Ankündigung des beklagten Landes nach Entgeltgruppe 9 Stufe 5 TV-L vergütet.

10

Die Klägerin hat mit ihrer am 7. Oktober 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Ansicht vertreten, ihr stehe bei Neuberechnung des Vergleichsentgelts ab dem 1. Februar 2011 Vergütung nach Stufe 5+, hilfsweise Stufe 5, der Entgeltgruppe 9 TV-L zu. Dies ergebe sich bereits aus der Lohnabrechnung für August 2011, welche als Anerkenntnis des beklagten Landes zu werten sei. Bei der zum 1. Februar 2011 erfolgten Höhergruppierung in Vergütungsgruppe IV b BAT handle es sich um einen Bewährungsaufstieg iSv. § 8 Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder. Diese Tarifnorm sei auch auf sog. Erfüller anwendbar. Folglich habe das beklagte Land gemäß § 8 Abs. 5 Satz 3 TVÜ-Länder das Vergleichsentgelt neu zu berechnen und den Höhergruppierungsgewinn auszuzahlen. Dieser stünde ihr nach § 8 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder ab dem 1. Februar 2011 zu. Jedenfalls bestehe der Anspruch nach der Protokollerklärung zu § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder ab dem 1. April 2011.

11

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, das Vergleichsentgelt der Klägerin gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 TVÜ-Länder nach Maßgabe der zum 1. Februar 2011 erfolgten Höhergruppierung nach Vergütungsgruppe IV b BAT neu zu berechnen und der Klägerin ab 1. Februar 2011, hilfsweise ab 1. April 2011, Entgelt einschließlich Höhergruppierungsgewinn nach Entgeltgruppe 9 Stufe 5+, hilfsweise Entgeltgruppe 9 Stufe 5, zu bezahlen sowie die zwischenzeitlich angefallenen Differenzbeträge abzurechnen und der Klägerin die Nettobeträge nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus den monatlichen Bruttodifferenzbeträgen jeweils ab dem 1. des auf den 1. Februar 2011 folgenden Monats zu bezahlen.

12

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Die Ein- und Höhergruppierung der Klägerin als sog. Erfüllerin richte sich ausschließlich nach Nr. 2 ERL. Bei der zum 1. Februar 2011 erfolgten Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IV b BAT handle es sich nicht um einen tariflichen Bewährungsaufstieg, sondern um eine Höhergruppierung in Anlehnung an beamtenrechtliche Regelungen. Die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 5 TVÜ-Länder beschränke sich auf sog. Nichterfüller iSd. Nr. 3 ERL.

13

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neuberechnung des Vergleichsentgelts und Auszahlung eines Höhergruppierungsgewinns gemäß § 8 Abs. 5 iVm. Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder. Der Anspruch kann auch nicht auf die von dem beklagten Land für den Monat August 2011 erteilte Lohnabrechnung gestützt werden.

15

I. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 TVÜ-Länder sind nicht erfüllt.

16

1. § 8 Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder ermöglicht in Verbindung mit den Sätzen 3 und 4 des § 8 Abs. 5 TVÜ-Länder bei Erfüllung seiner Voraussetzungen die Anwendung der Absätze 1 bis 3 des § 8 TVÜ-Länder auch bei Lehrkräften, die bis zum 31. Dezember 2011 gemäß Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen nicht unter die Anlage 1a zum BAT/BAT-O fielen und ab 1. Januar 2012 gemäß Nr. 4 der Vorbemerkungen zu allen Teilen der Entgeltordnung nicht unter die Entgeltordnung zum TV-L fallen. Damit wird die sinngleiche Übertragung der Grundsätze zur Sicherung von Bewährungsaufstiegen auf Lehrkräfte erreicht, auch wenn deren Eingruppierung typischerweise nach Arbeitgeberrichtlinien erfolgt (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand September 2012 Teil B 3 § 8 TVÜ-Länder Rn. 69). Die Eingruppierung von Lehrkräften haben die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes seit langem den Arbeitsvertragsparteien und damit im Ergebnis dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht der Arbeitgeberseite überlassen. Mit dieser Gestaltung wollten die Tarifvertragsparteien die Möglichkeit einer weitgehenden Gleichstellung von angestellten und verbeamteten Lehrern erreichen. Nach Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT kamen bei Lehrkräften deshalb weder die Regelungen der §§ 22 bis 24 BAT noch die Anlage 1a zum BAT zur Anwendung. An deren Stelle traten über eine einzelvertragliche Bezugnahme die Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte (LRL-TdL) oder - wie im vorliegenden Fall - die von einzelnen Bundesländern erlassenen vergütungsrechtlichen Landesregelungen. Die baden-württembergischen Eingruppierungsrichtlinien (ERL) vom 25. September 2003 unterschieden nach ihrer Nr. 1 ebenso wie die LRL-TdL grundsätzlich zwischen angestellten Lehrern, die die Anforderungen für eine Übernahme in ein Beamtenverhältnis erfüllen (sog. Erfüller), und den Angestellten, bei denen dies nicht der Fall ist (sog. Nichterfüller). Die Regelungen für die Erfüller bestanden in einer tabellenähnlichen Verweisung auf die jeweiligen Besoldungsgruppen nach den Beamtenbesoldungsgesetzen. Die Nichterfüller waren aufgrund bestimmter Tätigkeitsmerkmale Vergütungsgruppen zugeordnet, die sich an den Bezeichnungen der Anlage 1a zum BAT orientierten.Bis zu den Neufassungen im Jahre 2012 sahen sowohl die LRL-TdL als auch die ERL für Nichterfüller entsprechend dem System des BAT die Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs zur Höhergruppierung vor.Auf die allgemeinen tariflichen Regelungen zum Bewährungsaufstieg konnte sich eine Lehrkraft hingegen nicht berufen, da § 23a BAT für sie nach der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT nicht galt.

17

Das System der Eingruppierung von Lehrkräften wurde mit dem Inkrafttreten des TV-L und des TVÜ-Länder nicht grundsätzlich modifiziert. Insoweit wollten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes unverändert keine eigenen Regelungen treffen. Dies kommt nunmehr in Nr. 4 der Vorbemerkungen zu allen Teilen der seit 1. Januar 2012 geltenden Entgeltordnung (Anlage A zum TV-L) zum Ausdruck (vgl. zusammenfassend zur Lehrervergütung BAG 20. März 2013 - 4 AZR 590/11 - Rn. 19 f. mwN; Zimmerling öAT 2013, 202). Die seit 1. Januar 2012 geltenden Richtlinien des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg über die Eingruppierung der im Arbeitnehmerverhältnis beschäftigten Lehrkräfte des Landes (ERL) vom 27. Januar 2012 unterscheiden unverändert zwischen Erfüllern und Nichterfüllern. Die Erfüller werden entsprechend den Besoldungsgruppen der Beamten in die Entgeltgruppen des TV-L eingruppiert (Nr. 2 ERL). Die Eingruppierung der Nichterfüller orientiert sich am Entgeltgruppensystem des TV-L (Nr. 3 ERL). Ein Bewährungsaufstieg ist folglich nicht mehr vorgesehen.

18

2. Lehrkräfte, welche als sog. Erfüller entsprechend beamtenrechtlichen Regelungen eingruppiert sind, werden von § 8 Abs. 5 TVÜ-Länder nicht erfasst. Dies ergibt die Auslegung der Tarifnorm.

19

a) Der Wortlaut des § 8 Abs. 5 TVÜ-Länder differenziert zwar nicht ausdrücklich zwischen Erfüllern und Nichterfüllern. Auch unterfallen beide Lehrergruppen nicht der Vergütungsordnung des BAT und der Entgeltordnung des TV-L. § 8 Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder verlangt jedoch, dass eine Höhergruppierung „nur“ vom Ablauf einer Bewährungszeit und von der Bewährung abhängig ist. Dies setzt voraus, dass die Lehrkraft alleine bei Erfüllung dieser beiden Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Höhergruppierung gehabt hätte (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand April 2011/Dezember 2012 Teil IV/3 TVÜ-Länder Rn. 281). Dieses Tatbestandsmerkmal kann nur die in Anlehnung an den BAT eingruppierten Nichterfüller betreffen, denn nur diese hatten die Möglichkeit eines Bewährungsaufstiegs entsprechend § 23a BAT. Bei Erfüllern hingegen war und ist die Ein- und Höhergruppierung an beamtenrechtliche Vorgaben geknüpft, wenn dies eine vertraglich in Bezug genommene Eingruppierungsrichtlinie vorsieht. Eine solche Höhergruppierung setzt die Erfüllung laufbahn- und haushaltsrechtlicher Vorgaben voraus und ist damit nicht allein von einer Bewährung der Lehrkraft abhängig (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand Dezember 2012 Teil IV/3 TVÜ-Länder Rn. 282). So kann keine Höhergruppierung erfolgen, wenn es an einer zugeordneten und besetzbaren Planstelle mangelt, deren Besoldung der begehrten Entgeltgruppe entspricht (vgl. zum Eingruppierungserlass NW BAG 16. Mai 2013 - 4 AZR 484/11 - Rn. 28). Eine Tarifautomatik ist dem Beamtenrecht fremd (BAG 12. März 2008 - 4 AZR 93/07 - Rn. 19, BAGE 126, 149). Statt der Höhergruppierung im Wege des Bewährungsaufstiegs ist beamtenrechtlich das Institut der Beförderung maßgeblich. Die Laufbahnverordnungen bzw. -gesetze des Bundes und der Länder sehen hierfür entsprechende Erprobungszeiten vor (vgl. Conze/Karb Personalbuch Arbeits- und Tarifrecht öffentlicher Dienst 3. Aufl. Bewährungsaufstieg Rn. 1041). Soweit die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in ihrem im Parallelverfahren - 6 AZR 1036/12 - vorgelegten Schreiben vom 2. März 2012 anführt, dass die Tarifvertragsparteien bei § 8 Abs. 5 TVÜ-Länder von einer erforderlichen „Bewährung“ auch der Erfüller als Voraussetzung für deren Aufstieg ausgegangen seien, ist dies mit Blick auf solche erforderlichen Erprobungszeiten nachvollziehbar. Dies ändert aber nichts daran, dass für die Beförderung eines Erfüllers auch die weiteren beamtenrechtlichen Kriterien erfüllt sein müssen.

20

b) § 8 Abs. 5 Satz 2 TVÜ-Länder spiegelt diese Differenzierung zwischen Erfüllern und Nichterfüllern. Danach bleiben „Höhergruppierungsmöglichkeiten durch entsprechende Anwendung beamtenrechtlicher Regelungen unberührt“. Dies betrifft die Erfüller, für die es unverändert bei diesen bisherigen Regelungen bleiben soll. Ob es dieser Klarstellung bedurft hat, kann dahinstehen. Jedenfalls kann aus § 8 Abs. 5 Satz 2 TVÜ-Länder nicht geschlossen werden, dass auch Erfüller den Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder genügen können. Mit diesen Voraussetzungen befasst sich § 8 Abs. 5 Satz 2 TVÜ-Länder nicht. § 8 Abs. 5 Satz 2 TVÜ-Länder kann auch nicht dahin gehend verstanden werden, dass den Erfüllern sowohl ein(systemwidriger) Höhergruppierungsgewinn als auch die Entwicklungsmöglichkeit durch entsprechende Anwendung beamtenrechtlicher Regelungen zugutekommen soll. Ein Wille der Tarifvertragsparteien zur Schaffung einer solchen Bevorteilung der Erfüller ist nicht erkennbar.

21

c) Zudem belegt die Trennung der Erfüller von den Nichterfüllern bei den Überleitungsvorgaben in Anlage 2 Teil B TVÜ-Länder, dass die Tarifvertragsparteien die Unterscheidung dieser beiden Lehrergruppen dem Überleitungsrecht durchgängig zu Grunde gelegt haben. Nur bei den Nichterfüllern waren dabei die Möglichkeiten des Bewährungsaufstiegs zu berücksichtigen.

22

d) Diese Unterscheidung zwischen Erfüllern und Nichterfüllern deckt sich mit Sinn und Zweck des § 8 TVÜ-Länder.

23

aa) § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder soll den Besitzstand von Beschäftigten wahren, die bei Fortgeltung des BAT aufgrund Bewährungsaufstiegs höhergruppiert worden wären, deren Aufstiegserwartung sich wegen der Einführung des TV-L aber nicht verwirklichte (vgl. BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 943/11 - Rn. 31; 17. April 2013 - 4 AZR 770/11 - Rn. 23; Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand September 2012 Teil B 3 § 8 TVÜ-Länder Rn. 1; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand April 2011 Teil IV/3 TVÜ-Länder Rn. 255). Derjenige, der einen Bewährungsaufstieg wegen der Einführung des TV-L nicht mehr erreichen kann, erhält zum Ausgleich den individuellen Höhergruppierungsgewinn ab dem Zeitpunkt seines fiktiven Bewährungsaufstiegs zusätzlich zum Tabellenentgelt des TV-L. Der Arbeitnehmer wird zum Zweck der Eingliederung in das neue Entgeltsystem mit seinem neuen höheren Entgelt einer individuellen Zwischen- oder Endstufe zugeordnet, wobei die Stufenlaufzeit unberührt bleibt. Auf diese Weise bleibt dem Betroffenen sein individueller Höhergruppierungsgewinn mindestens so lange erhalten, bis er auch nach dem neuen Entgeltsystem das gleiche Vergütungsniveau erreicht (BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 943/11 - Rn. 41).

24

bb) Aufgrund des Zusammenhangs mit § 8 Abs. 1 bis 3 TVÜ-Länder handelt es sich auch bei § 8 Abs. 5 TVÜ-Länder um eine Besitzstandsregelung. Da der TV-L die Möglichkeit eines Bewährungsaufstiegs nicht kennt, wollten die Tarifvertragsparteien mit dieser Regelung die Aufstiegserwartung derjenigen Lehrkräfte schützen, denen nach den LRL-TdL und den Richtlinien einzelner Bundesländer bislang ein Bewährungsaufstieg eröffnet war. Dies sind in der Regel nur die Nichterfüller. Den entsprechend beamtenrechtlichen Regelungen eingruppierten Erfüllern wurde durch die Überleitung in den TV-L keine dem BAT entsprechende Aufstiegserwartung genommen. In Bezug auf sie besteht daher auch kein Bedürfnis nach einer Besitzstandswahrung.

25

e) Ein Blick in die Tarifgeschichte spricht ebenfalls für dieses Auslegungsergebnis. Die Tarifvertragsparteien erzielten bislang keine Einigkeit über eine Entgeltordnung für Lehrkräfte (zur Problematik der Reichweite der tariflichen Regelungsmacht vgl. BAG 20. März 2013 - 4 AZR 590/11 - Rn. 38). Folglich blieb es für die Lehrkräfte bei den bisherigen Regelungen zur Ein- und Höhergruppierung nach Maßgabe der Lehrer-Richtlinien (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand September 2012 Teil B 3 § 8 TVÜ-Länder Rn. 69; Durchführungshinweise der TdL vom 30. März 2012 zur Entgeltordnung zum TV-L [Anlage A zum TV-L] zu B I 2.4). Diese wurden lediglich ergänzt um die Besitzstandsregelung des § 8 Abs. 5 TVÜ-Länder. Daraus kann geschlossen werden, dass die Vorschrift die traditionelle Unterscheidung zwischen Erfüllern und Nichterfüllern voraussetzt.

26

3. Mit dieser Differenzierung haben die Tarifvertragsparteien ihre Regelungsmacht nicht überschritten. Der Begünstigungsausschluss der entsprechend beamtenrechtlichen Regelungen eingruppierten Erfüller im Rahmen der Besitzstandsregelung des § 8 Abs. 5 TVÜ-Länder verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

27

a) Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Den Tarifvertragsparteien kommt als selbständigen Grundrechtsträgern allerdings aufgrund der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser Spielraum reicht, hängt von den Differenzierungsmerkmalen im Einzelfall ab. Hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen liegt die Einschätzungsprärogative bei den Tarifvertragsparteien. Sie brauchen nicht die sachgerechteste oder zweckmäßigste Regelung zu finden (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 43; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 58).

28

b) Art. 3 Abs. 1 GG untersagt zwar auch einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss, mit dem ein Personenkreis begünstigt und ein anderer Personenkreis von der Begünstigung ausgenommen wird(vgl. BVerfG 10. Juli 2012 - 1 BvL 2/10, 1 BvL 1 BvL 3/10, 1 BvL 1 BvL 4/10, 1 BvL 1 BvL 3/11 - Rn. 21, BVerfGE 132, 72; 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 1 BvR 2464/07 - Rn. 78, BVerfGE 126, 400; BAG 20. September 2012 - 6 AZR 211/11 - Rn. 16; 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 19). Verfassungsrechtlich erheblich ist aber nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem bzw. die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Dabei ist es grundsätzlich dem Normgeber überlassen, die Merkmale zu bestimmen, nach denen Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 44; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 59).

29

c) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfG 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 1 BvR 2464/07 - Rn. 79, BVerfGE 126, 400; BAG 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 19). Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 45; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 60).

30

d) Nach diesen Grundsätzen steht § 8 Abs. 5 TVÜ-Länder bezüglich der Differenzierung zwischen Erfüllern und Nichterfüllern im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG.

31

aa) Tarifvertragsparteien steht es frei, den Vergütungsanspruch nicht nur von der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit, sondern auch von weiteren persönlichen Voraussetzungen wie dem Nachweis bestimmter Kenntnisse oder einer speziellen Ausbildung abhängig zu machen (BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 39, BAGE 140, 291). Dies gilt auch, wenn ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes vergütungsrechtliche Bestimmungen nach einem generalisierenden Prinzip in einem Erlass regelt (vgl. BAG 17. April 2003 - 8 AZR 273/02 - zu B I 2 d cc der Gründe). Als sachlicher Grund, hinsichtlich der Vergütung von Lehrern zu differenzieren, sind ua. Unterschiede in der Ausbildung und in der Lehrbefähigung anerkannt (BAG 7. Mai 2008 - 4 AZR 299/07 - Rn. 24; 14. Dezember 2005 - 4 AZR 421/04 - zu I 1 c aa der Gründe). Dies rechtfertigt die Unterscheidung zwischen Erfüllern und Nichterfüllern.

32

bb) Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, die Ein- und Höhergruppierung der Erfüller an beamtenrechtlichen Vorgaben zu orientieren. Die Eingruppierungsrichtlinien des beklagten Landes verfolgen ebenso wie die LRL-TdL damit den Zweck, den im Angestelltenverhältnis beschäftigten und nach ihren fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen mit den Beamten gleichwertigen Lehrkräften ein der Beamtenbesoldung annähernd gleiches Entgelt zu zahlen. Dies ist sachgerecht, weil angestellte und beamtete Lehrkräfte oft nebeneinander an derselben Schule und zumeist unter weitgehend gleichen äußeren Arbeitsbedingungen tätig sind (vgl. BAG 16. Mai 2013 - 4 AZR 484/11 - Rn. 26; 20. Juni 2012 - 4 AZR 304/10 - Rn. 23).

33

cc) Vor diesem Hintergrund ist es ausgehend vom Regelungszweck des § 8 Abs. 5 TVÜ-Länder gerechtfertigt, diese Besitzstandsregelung nur auf Nichterfüller anzuwenden, wenn maßgebliche Eingruppierungsrichtlinien die dargestellten Unterschiede in der Vergütungsstruktur aufweisen. Nur die Nichterfüller bedürfen dann des Bestandsschutzes, da nur ihnen durch die Überleitung in den TV-L die Möglichkeit eines Bewährungsaufstiegs genommen wird. Erfüller hingegen werden zulässigerweise nach Maßgabe beamtenrechtlicher Reglungen ein- und höhergruppiert. Ihre Aufstiegsmöglichkeiten werden durch die Überleitung in den TV-L nicht nachteilig beeinflusst. Die eingruppierungsrechtlichen Unterschiede zwischen Erfüllern und Nichterfüllern sind damit von solchem Gewicht, dass sie eine unterschiedliche Behandlung der beiden Beschäftigtengruppen im Rahmen von § 8 Abs. 5 TVÜ-Länder rechtfertigen.

34

4. Damit stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Neuberechnung des Vergleichsentgelts sowie Abrechnung und Auszahlung der Differenzbeträge weder bezogen auf den 1. Februar 2011 noch auf den 1. April 2011 zu.

35

a) Die Ansprüche hängen sämtlich von den nicht erfüllten Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder ab. Die Klägerin ist unstreitig eine sog. Erfüllerin iSd. Nr. 2 ERL, da sie die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erfüllt. Auf ihr Arbeitsverhältnis finden kraft vertraglicher Bezugnahme die jeweils gültigen Vorgaben der Nr. 2 ERL Anwendung. Folglich unterfiel sie nicht dem an den BAT angelehnten Vergütungssystem. Die Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe IV b BAT zum 1. Februar 2011 erfolgte nicht als Bewährungsaufstieg im Rahmen einer dem BAT entsprechenden Tarifautomatik, sondern „analog“ einem beamtenrechtlichen Beförderungsprogramm. Die Eingliederung in ein solches Beförderungsprogramm entspricht der Maßgeblichkeit beamtenrechtlicher Beförderungsregelungen, wie sie in Nr. 2.2 der damals geltenden Richtlinien vom 25. September 2003 zum Ausdruck kommt.

36

b) Die für die Klägerin positive Konsequenz der Höhergruppierung zeigte sich allerdings nicht bereits zum 1. Februar 2011, sondern erst zum 1. November 2012. Seitdem wird die Klägerin nach Entgeltgruppe 9 Stufe 5 TV-L vergütet. Dieser Stufenaufstieg wäre ohne die Höhergruppierung zum 1. Februar 2011 nicht möglich gewesen, da nach Ziff. I Buchst. a des bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Anhangs zu § 16 TV-L in der Entgeltgruppe 9 die Stufe 4 die Endstufe bei Tätigkeiten entsprechend Vergütungsgruppe V b BAT ohne Aufstieg nach IV b BAT ist. Eine solche spätere finanzielle Auswirkung ist zulässig, denn es gibt keinen Grundsatz, nach dem Höhergruppierungen stets und sofort einen Vergütungsvorteil mit sich bringen müssen (vgl. zu § 17 TV-L BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 964/11 - Rn. 22; 27. Januar 2011 - 6 AZR 578/09 - Rn. 43).

37

II. Die Klägerin kann sich zur Anspruchsbegründung nicht auf die von dem beklagten Land für den Monat August 2011 erteilte Lohnabrechnung stützen.

38

1. Ein konstitutives Schuldversprechen (§ 780 BGB) oder Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) liegt bereits deshalb nicht vor, weil es an der Einhaltung der gesetzlichen Schriftform nach § 126 BGB mangelt.

39

2. Die Lohnabrechnung ist auch nicht als formlos wirksames deklaratorisches Schuldanerkenntnis anzusehen.

40

a) Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis will eine bestehende Schuld lediglich bestätigen. Sein Zweck besteht darin, das Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Punkten dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien zu entziehen (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8  AZR 144/09 - Rn. 20). Die Parteien wollen mit einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis die von ihnen angenommene Rechtslage eindeutig dokumentieren und fixieren (vgl. zu einem negativen Schuldanerkenntnis BAG 23. Oktober 2013 - 5 AZR 135/12 - Rn. 14).

41

b) Ob dies für eine Lohnabrechnung zutrifft, ist durch Auslegung zu ermitteln. Grundsätzlich kommt einer Lohnabrechnung nicht die Bedeutung eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses zu. Eine in einer schriftlichen Lohnabrechnung des Arbeitgebers vorbehaltlos ausgewiesene Lohnforderung ist zwar zunächst streitlos gestellt und muss nicht noch einmal zur Wahrung einer Ausschlussfrist schriftlich geltend gemacht werden ( BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 18, BAGE 135, 197). Die Lohnabrechnung hat aber nicht den Zweck, streitig gewordene Ansprüche endgültig festzulegen. Die Erteilung einer Lohnabrechnung hindert den Arbeitgeber regelmäßig nicht daran, die Lohnabrechnung später zu widerrufen, Gegenansprüche zu erheben oder aus anderen Gründen die Zahlung zu verweigern (vgl. BAG 21. April 1993 - 5 AZR 399/92 - zu II 2 der Gründe, BAGE 73, 54; 10. März 1987 - 8 AZR 610/84 - zu I 4 b bb der Gründe, BAGE 54, 242). Nur wenn besondere Anhaltspunkte vorliegen, kann davon ausgegangen werden, dass ein Arbeitgeber mit der Abrechnung auf alle Einwendungen verzichten will (BAG 12. Dezember 2000 - 9 AZR 508/99 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 96, 344).

42

c) Für die der Klägerin für August 2011 erteilte Lohnabrechnung gilt nichts anderes. Das beklagte Land hat Ansprüche der Klägerin auf eine die Entgeltgruppe 9 Stufe 4 TV-L übersteigende Vergütung mit Schreiben vom 6. Juni 2011 ausdrücklich abgelehnt. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände durfte die Klägerin daher die Lohnabrechnung für August 2011 nicht als eine von der bisherigen Rechtsauffassung des beklagten Landes abweichende Erklärung mit dem Gehalt eines Schuldanerkenntnisses bewerten. Solche Umstände sind nicht ersichtlich.

43

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    D. Knauß    

        

    Oye    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.