Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Beschluss, 29. Apr. 2013 - 5 TaBV 29/12

ECLI:ECLI:DE:LAGST:2013:0429.5TABV29.12.0A
bei uns veröffentlicht am29.04.2013

Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 3) – 8) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 28.03.2012 – 2 BV 47/11 – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

A.

1

Die Beteiligten streiten über das Bestehen von Mitbestimmungsrechten hinsichtlich einer beabsichtigten Betriebsvereinbarung zum Verfahren bei Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX.

2

Der Beteiligte zu 1) ist der von mehreren Betriebsräten und Gesamtbetriebsräten gebildete Konzernbetriebsrat in dem von dem zunächst Beteiligten zu 2) geleiteten Konzern, dem die Beteiligten zu 3) – 8) angehören.

3

Den bei den Beteiligten zu 3) – 8) gebildeten Betriebsräten wurden Anfang 2010 von den Arbeitgebern gleichlautende Regelungen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement vorgelegt. Wegen der Übereinstimmung der Vorlagen entschieden die Betriebsräte, wo vorhanden die Gesamtbetriebsräte und dort, wo Gesamtbetriebsräte nicht vorhanden vorhanden, den Konzernbetriebsrat für die Verhandlung über eine einheitliche Betriebsvereinbarung zu bevollmächtigen. Die Gesamtbetriebsräte bevollmächtigten ebenfalls den Konzernbetriebsrat, den Beteiligten zu 1).

4

Der Beteiligte zu 1) änderte die Vorlage ab und forderte den Beteiligten zu 2) zu entsprechenden Verhandlungen über seinen Entwurf auf, zu dessen Inhalt auf die als Anlage 3 der Antragsschrift beigefügte Kopie Bezug genommen wird (Blätter 23 – 29 der Akte). Der zunächst Beteiligte zu 2) vertrat die Ansicht, dass kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Durchführung des bEM bestehe.

5

Nachdem der Beteiligte zu 1) daraufhin die Einigungsstelle angerufen und ein Verfahren nach § 98 Abs. 1 ArbGG begonnen hatte, einigten die Beteiligten zu 1) und 2) sich auf die Bildung und Besetzung der Einigungsstelle, die am 15.02.2011 zusammentrat. Nachdem aber Meinungsunterschiede zum Umfang des Mitbestimmungsrechts fortbestanden und der Beteiligte zu 1) zur Klärung dieser Frage das vorliegende Beschlussverfahren beantragen wollte, stellte die Einigungsstelle mit den Stimmen beider Seiten ihr Verfahren zunächst terminlos. Die bei den Beteiligten zu 3) – 8) gebildeten Betriebsräte und Gesamtbetriebsräte beschlossen, den Beteiligten zu 1) mit der Durchführung eines solchen Beschlussverfahrens zu beauftragen (Blätter 11 – 22 der Akte).

6

Der Beteiligte zu 1) begehrt die Feststellung, dass für die in seinem dem zunächst Beteiligten zu 2) vorgelegten Entwurf einer Betriebsvereinbarung -hervorgegangen aus der Vorlage der Beteiligten zu 3) – 8) an die in ihren Betrieben gebildeten Betriebsräte - vorgeschlagenen Regelungsgegenstände ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG besteht. Er ist der Ansicht, dass dieses Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Ziffern 1, 6 und 7 BetrVG hervorgeht. § 84 SGB IX enthalte nur einen Regelungsrahmen, innerhalb dessen dem Arbeitgeber ein Spielraum verbleibt, dessen Ausfüllung der Mitbestimmung unterliege. Das bEM weise auch kollektive Bezüge auf. Der Beteiligte zu 1) hat seine Aktivlegitimation aus der Beauftragung durch die Betriebsräte bzw. Gesamtbetriebsräte hergeleitet. Der zunächst Beteiligte zu 2) habe zunächst die Verhandlungen für die Arbeiteberseite geführt. Seine Beteiligung ergebe sich aber auch daraus, dass in den Verhandlungen die Einsetzung einer einzigen Person als Beauftragten für betriebliches Eingliederungsmanagement für alle Betriebe der Konzernunternehmen vorgeschlagen worden ist, wodurch auch eine eigene Betroffenheit des zunächst Beteiligten zu 2) gegeben sei.

7

Der Beteiligte zu 1) hat in erster Instanz beantragt:

8

Es wird festgestellt, dass folgende vom Beteiligten zu 1 beabsichtigte Regelungen im Rahmen einer Betriebsvereinbarung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement, abzuschließen zwischen dem Beteiligen zu 1) und dem Beteiligten zu 2), hilfsweise zwischen dem Beteiligten zu 1) und den von ihm vertretenen Gesamt-/Betriebsräten und den jeweiligen Beteiligten zu 3) bis 8), der Mitbestimmung unterliegen:

9

a) Bestimmung der verantwortlichen Person/des Personenkreises, welche krankheitsbedingte Daten (Fehlzeiten) im Sinne des § 84 Abs. 2 SGB IX mit dem Ziel erhebt bzw. verarbeitet, die für ein Verfahren nach § 84 Abs. 2 SGB IX in betracht kommenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu ermitteln.

10

b) Bestimmung des Personenkreises, dem die Auswertung der krankheitsbedingten Fehlzeiten im Sinne des § 84 Abs. 2 SGB IX bekannt gegeben wird und Festlegung, welche Informationen dies sind (genau datierter Krankheitszeitraum oder lediglich Anzahl der Krankheitstage / Mitteilung Vor- und Zuname der betroffenen Personen und ggf. weiterer Daten – jedoch keine Krankheitsdaten).

11

c) Das Vorgehen bei der ersten Kontaktaufnahme (durch wen wird die betroffene Person in welcher Form – schriftlich / mündlich – und mit welchem Inhalt unterrichtet).

12

d) In welcher Form und mit welchem Inhalt wird von wem die Zustimmung der betroffenen Personen zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements eingeholt.

13

e) Welche Personen sind in welchem Verfahrensstadium des betrieblichen Eingliederungsmanagements wie und mit welchen Kompetenzen zu beteiligen.

14

f) Soweit ein Beauftragter für das betriebliche Eingliederungsmanagement eingesetzt wird, die Bestimmung der Person, Befugnisse und Aufgaben dieses Beauftragten.

15

g) Die Zusammensetzung, Aufgaben und Befugnisse eines Teams, welches im Fall seiner Einsetzung den Beauftragten für das betriebliche Eingliederungsmanagement unterstützt.

16

h) Grundsätze / betriebliche Standards der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (wesentliche Inhalte der mit dem Betroffenen zu erörternden Themen, Möglichkeiten der Hinzuziehung weiterer Personen, regelmäßig in Betracht kommende Maßnahmen).

17

i) Abschluss eines Maßnahmeplans / Eingliederungsvereinbarung (durch wen, mit welchem wesentlichen Inhalt /Bindungswirkungen).

18

j) Personen sowie Umfang und Reichweite ihrer Befugnisse, soweit sie Maßnahmen im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements berühren.

19

k) Durch wen werden wann externe Hilfen und Beratungen organisiert (insbesondere Hilfen durch Integrationsamt, Rehabilitationsträger, Betriebsarzt).

20

l) Zweck und Umfang der Erhebung und Nutzung im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements zu erhebender /bekannt gewordener Daten und deren Speicherung / Nutzung (wer darf wann welche Daten erheben, wo sind bekannt gewordene Daten zu speichern, unter welchen Voraussetzungen und wann sind Daten zu vernichten).

21

m) Verschwiegenheitspflichten der mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement befassten Personen (wem wird wann gestattet, welche Informationen zu verwerten / zu verarbeiten und Dritten (welchem Personenkreis) zugänglich zu machen).

22

n) Qualifizierung der mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement befassten Personen.

23

o) Art und Weise sowie Zeitpunkt/Turnus der Information der Belegschaft über die Möglichkeiten der Inanspruchnahme und das betriebliche Verfahren des BEM.

24

Die Beteiligten zu 2) – 8) haben in erster Instanz beantragt, den Antrag insgesamt zurückzuweisen.

25

Der zunächst Beteiligte zu 2) hat argumentiert, er sei unabhängig vom streitigen Bestehen eines Mitbestimmungsrechts selbst hiervon nicht betroffen und deshalb nicht zu beteiligen. Seine Zuständigkeit für die angestrebte Betriebsvereinbarung ergebe sich nicht aus der nur auf entsprechender Beauftragung beruhenden Tätigkeit des Konzernbetriebsrats. Vielmehr müsse der Beteiligte zu 1) mit den originär zuständigen Beteiligten zu 3) bis 8) verhandeln.

26

Darüber hinaus haben die Beteiligten zu 2) bis 8) weiterhin die Ansicht vertreten, dass ein Mitbestimmungsrecht für Regelungen zum bEM unter anderem deshalb nicht bestehe, weil das bEM auf den individuellen erkrankten Arbeitnehmer bezogen und von dessen Bereitschaft zur Mitwirkung abhängig ist und daher keinen kollektiven Regelungsgegenstand darstelle.

27

Das Arbeitsgericht hat am 28.03.2012 beschlossen:

1.

28

Es wird festgestellt, dass folgende vom Beteiligten zu 1 beabsichtigte Regelungen im Rahmen einer Betriebsvereinbarung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement, abzuschließen zwischen dem Beteiligen zu 1) und den von ihm vertretenen Gesamt-/Betriebsräten und den jeweiligen Beteiligten zu 3) bis 8), der Mitbestimmung unterliegen:

29

a) Bestimmung der verantwortlichen Person/des Personenkreises, welche krankheitsbedingte Daten (Fehlzeiten) im Sinne des § 84 Abs. 2 SGB IX mit dem Ziel erhebt bzw. verarbeitet, die für ein Verfahren nach § 84 Abs. 2 SGB IX in betracht kommenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu ermitteln.

30

b) Bestimmung des Personenkreises, dem die Auswertung der krankheitsbedingten Fehlzeiten im Sinne des § 84 Abs. 2 SGB IX bekannt gegeben wird und Festlegung, welche Informationen dies sind (genau datierter Krankheitszeitraum oder lediglich Anzahl der Krankheitstage / Mitteilung Vor- und Zuname der betroffenen Personen und ggf. weiterer Daten – jedoch keine Krankheitsdaten).

31

c) Das Vorgehen bei der ersten Kontaktaufnahme (durch wen wird die betroffene Person in welcher Form – schriftlich / mündlich – und mit welchem Inhalt unterrichtet).

32

d) In welcher Form und mit welchem Inhalt wird von wem die Zustimmung der betroffenen Personen zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements eingeholt.

33

e) Welche Personen sind in welchem Verfahrensstadium des betrieblichen Eingliederungsmanagements wie und mit welchen Kompetenzen zu beteiligen.

34

f) Soweit ein Beauftragter für das betriebliche Eingliederungsmanagement eingesetzt wird, die Bestimmung der Person, Befugnisse und Aufgaben dieses Beauftragten.

35

g) Die Zusammensetzung, Aufgaben und Befugnisse eines Teams, welches im Fall seiner Einsetzung den Beauftragten für das betriebliche Eingliederungsmanagement unterstützt.

36

h) Grundsätze / betriebliche Standards der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (wesentliche Inhalte der mit dem Betroffenen zu erörternden Themen, Möglichkeiten der Hinzuziehung weiterer Personen, regelmäßig in Betracht kommende Maßnahmen).

37

i) Abschluss eines Maßnahmeplans / Eingliederungsvereinbarung (durch wen, mit welchem wesentlichen Inhalt /Bindungswirkungen).

38

j) Personen sowie Umfang und Reichweite ihrer Befugnisse, soweit sie Maßnahmen im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements berühren.

39

k) Durch wen werden wann externe Hilfen und Beratungen organisiert (insbesondere Hilfen durch Integrationsamt, Rehabilitationsträger, Betriebsarzt).

40

l) Zweck und Umfang der Erhebung und Nutzung im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements zu erhebender /bekannt gewordener Daten und deren Speicherung / Nutzung (wer darf wann welche Daten erheben, wo sind bekannt gewordene Daten zu speichern, unter welchen Voraussetzungen und wann sind Daten zu vernichten).

41

m) Verschwiegenheitspflichten der mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement befassten Personen (wem wird wann gestattet, welche Informationen zu verwerten / zu verarbeiten und Dritten (welchem Personenkreis) zugänglich zu machen).

42

n) Qualifizierung der mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement befassten Personen.

43

o) Art und Weise sowie Zeitpunkt/Turnus der Information der Belegschaft über die Möglichkeiten der Inanspruchnahme und das betriebliche Verfahren des BEM.

44

2. Der Antrag wird im Übrigen zurückgewiesen.

45

Die Zurückweisung des Antrages im Übrigen (Ziffer 2 des Tenors) betrifft lediglich die Beteiligung des erstinstanzlich als Beteiligter zu 2) Bezeichneten. Sie ist nicht angegriffen worden und bedarf deshalb hier keiner Erörterung. Zur Begründung der Entscheidung in Ziffer 1 des Tenors hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen den damaligen Meinungsstand dargestellt und seiner Überzeugung Ausdruck gegeben, dass den ein Beteiligungsrecht befürwortenden Argumenten zu folgen ist, ein Mitbestimmungsrecht sich mindestens aus § 87 Abs. 1 Ziffer 7 BetrVG ergebe und die aufgezählten Regelungsgegenstände auf eine grundlegende Verfahrensregelung zum bEM ausgerichtet sind.

46

Gegen den den Beteiligten zu 3) bis 8) am 04.05.2012 zugestellten Beschluss haben diese am 18.05.2012 Beschwerde eingelegt und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 06.08.2012 am 06.08.2012 begründet.

47

Die Beteiligten zu 3) – 8) heben hervor, dass sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG kein auf das bEM bezogenes Mitbestimmungsrecht ergebe, weil das bEM anderen als den dort genannten allgemeinen Zielen dienen solle, nämlich der Vermeidung künftiger Arbeitsunfähigkeit bezogen auf einen einzelnen bestimmten Arbeitnehmer. Die mit dem bEM zu vermeidende künftige Arbeitsunfähigkeit könne ihre Ursachen in individuellen und privaten Umständen haben und müsse keinen Zusammenhang mit den in § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG aufgezählten betrieblichen Gesundheitsgefahren aufweisen. Ein formalisiertes bEM stelle auch keine Regelung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG dar, weil keine Verhaltensanforderungen hinsichtlich des Gesundheitsschutzes normiert würden. Beteiligungsrechte des Betriebsrates könnten auch deshalb nicht bestehen, weil die Durchführung des bEM durch den Arbeitgeber lediglich eine Umsetzung gesetzlicher Vorgaben darstelle und von der Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers abhängig ist.

48

Auch aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG lasse sich kein Mitbestimmungsrecht bezüglich des bEM herleiten, weil das bEM den Arbeitnehmern kein bestimmtes Verhalten abverlange und keinen Bezug zur betrieblichen Ordnung aufweise. Es gehe nicht um die Feststellung allgemein gültiger Verhaltensregeln, sondern um die Leistungsfähigkeit des jeweiligen einzelnen Arbeitnehmers.

49

Auch der Beschluss des BAG vom 13.03.2012 – 1 ABR 78/10 – (NZA 2012, 748 ff.) sei in diesem Sinne zu verstehen, weil darin betont wird, dass für jede einzelne Regelung ein Mitbestimmungsrecht nach den Nr. 1, 6 und 7 des § 87 Abs. 1 BetrVG geprüft werden muss und dass ein Mitbestimmungsrecht eine Handlungspflicht des Arbeitgebers und die Erforderlichkeit betrieblicher Regelungen wegen Fehlens zwingender Vorgaben voraussetzt. Nach der Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 10.12.2009 – 2 AZR 198/09 – NZA 2010, 639 ff.) bestehe aber gerade keine Pflicht des Arbeitgebers, eine Verfahrensordnung zum bEM aufzustellen.

50

Die Beteiligten zu 3) – 8) beantragen daher übereinstimmend,

51

den Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 28.03.2012 – 2 BV 47/11 – teilweise abzuändern und den Antrag des Beteiligten zu 1) (Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement zwischen dem Beteiligten zu 1) und den von ihm vertretenen Gesamtbetriebsräten und den jeweiligen Beteiligten zu 3) bis 8) insgesamt zurückzuweisen.

52

Der Beteiligte zu 1) beantragt,

53

die Beschwerde zurückzuweisen.

54

Der Beteiligte zu 1) verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts.

55

Er führt aus, das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG umfasse nach der Rechtsprechung des BAG auch die Förderung der Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Betrieb und stimme hierin mit dem Zweck des § 84 Abs. 2 SGB IX überein. Beide Vorschriften zielten darauf ab, unter den jeweiligen Voraussetzungen Arbeitnehmern Hilfestellung anzubieten und durch Verbesserungen am Arbeitsplatz und im Arbeitsumfeld Erkrankungen zu vermeiden oder zu verringern. Werden in diesem Zusammenhang Maßnahmen ergriffen, so seien diese jedenfalls nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Je nach Art der einzelnen Maßnahme könne sich ein Mitbestimmungsrecht auch aus den Nrn. 1 und 6 des § 87 Abs. 1 BetrVG ergeben.

56

Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 3) – 8) scheitere ein Initiativrecht nicht daran, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, eine Verfahrensordnung zum bEM zu schaffen. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG beschränke sich nach allgemeiner Ansicht nicht auf den Kernbereich des jeweiligen Mitbestimmungsgegenstandes, sondern umfasse auch entsprechende Verfahrensregelungen und gehe mit einem Initiativrecht des Betriebsrates einher.

57

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten der Argumentation der Beteiligten wird auf den Inhalt der Beschwerdebegründung (Schriftsatz vom 06.08.2012, Blätter 161 – 169 der Akte) und der Erwiderung (Schriftsatz vom 16.10.2012, Blätter 186 – 188 der Akte) Bezug genommen.

B.

I.

58

Die Beschwerde ist zulässig.

59

Sie ist nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft sowie in der sich aus den §§ 87 Abs. 2, 89, 66 ArbGG ergebenden Form und Frist eingelegt worden.

II.

60

Die Beschwerde ist aber unbegründet.

1.

61

Der Antrag des Beteiligten zu 1) ist zulässig. Es mangelt insbesondere nicht an einem Rechtsschutzinteresse.

62

Den Betriebspartnern steht im Falle einer Streitigkeit darum, ob dem Betriebsrat in einer bestimmten Angelegenheit überhaupt ein Mitbestimmungsrecht zusteht, aber auch bei Streit darüber, ob eine bestimmte Detailregelung vom Mitbestimmungsrecht umfasst ist, die Möglichkeit offen, das Bestehen bzw. den Umfang des Mitbestimmungsrechts vorab arbeitsgerichtlich klären zu lassen. Dazu kann beantragt werden, das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts in einer konkret bezeichneten Angelegenheit festzustellen oder festzustellen, dass eine bestimmte Detailregelung vom Mitbestimmungsrecht gedeckt wird (BAG, Beschluss v. 16.08.1983 – 1 ABR 11/82 -, AP Nr. 2 zu § 81 ArbGG 1979).

63

Hier hat der Beteiligte zu 1) einerseits nicht weniger als 15 Detailregelungen in seinen Antrag aufgenommen, andererseits aber einen Streit zwischen den Betriebsparteien nur zu der Frage vorgetragen, ob bezüglich des bEM ein Mitbestimmungsrecht gegeben ist. Alle Beteiligten haben auch ihre Argumentation vollständig auf die in jüngster Zeit in der Rechtsprechung umstrittene Frage beschränkt, ob hinsichtlich der Durchführung des bEM und insbesondere hinsichtlich einer Verfahrensordnung für die Durchführung des bEM ein Mitbestimmungsrecht besteht. Dagegen hat keiner der Beteiligten sich gesondert zu irgendeiner der 15 Detailregelungen geäußert. Weder wurde zum Bestehen einer Streitigkeit hinsichtlich einzelner Detailregelungen noch zur Begründung oder Ablehnung eines Mitbestimmungsrechts auf einzelne Regelungen bezogen vorgetragen. Daher ist als Gegenstand dieses Verfahrens lediglich die von den Beteiligten tatsächlich auch diskutierte Frage anzusehen, ob für eine Verfahrensordnung zur Durchführung des bEM wie die von dem Beteiligten zu 1) vorgeschlagene überhaupt ein Mitbestimmungsrecht besteht, nicht aber, ob – offenkundig (noch) gar nicht umstrittene - Detailregelungen von einem solchen Mitbestimmungsrecht umfasst sind. Für die Prüfung solcher Detailregelungen würde mangels konkreter Streitigkeit der Beteiligten ein Rechtsschutzinteresse fehlen. Die ungewöhnliche Antragstellung dürfte auf der Befürchtung beruhen, dass ein weniger konkreter Antrag – entgegen der oben zitierten Rechtsprechung des BAG – als unzulässig zurückgewiesen werden könnte, wie die Beteiligten zu 3) - 8) es auch in diesem Verfahren unter Hinweis u. a. auf BAG v. 18.08.2009 – 1 ABR 45/08 – (AP Nr. 2 zu § 84 SGB IX) verlangt haben.

2.

64

Der Antrag ist in seinem so bestimmten Umfang auch begründet.

a)

65

Zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass sich für den Regelungsgegenstand der angestrebten Betriebsvereinbarung, nämlich eine Verfahrensregelung zur Durchführung des bEM, aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht ergibt.

66

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat auch bei Regelungen über den Gesundheitsschutz im Rahmen gesetzlicher Vorschriften mitzubestimmen. Voraussetzung ist danach eine öffentlich-rechtliche Rahmenvorschrift zum Zweck des Gesundheitsschutzes, bei deren Ausgestaltung ein Handlungsspielraum verbleibt. § 84 Abs. 2 SGB IX erfüllt diese Voraussetzung.

67

Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 3) – 8) handelt es sich bei dem bEM nicht lediglich um ein den Einzelfall betreffendes Vorgehen, dem ein kollektivrechtlicher Bezug fehlt (so LAG Hamburg, Beschluss v. 21.05.2008 – H 3 TaBV 1/08 -, zitiert nach juris; nachgehend BAG v. 18.08.2009 – 1 ABR 45/08 -, aaO.). Zwar betrifft § 84 Abs. 2 SGB IX die Beteiligung der Interessenvertretungen im Einzelfall, sagt damit aber nichts dagegen aus, dass für die Vorgehensweise in solchen Fällen generelle Regelungen getroffen werden können (LAG Nürnberg, Beschluss v. 16.01.2013 – 2 TaBV 6/12 – zitiert nach beckonline, unter B II 3 b bb der Gründe, unter Hinweis auf Nassibi, NZA 2012, 720, 722).

68

Dem kollektivrechtlichen Bezug steht auch nicht die Abhängigkeit der Durchführung eines bEM von der Zustimmung des betreffenden Arbeitnehmers entgegen, wie die Erwähnung des bEM in § 83 Abs. 2a Nr. 5 SGB IX zeigt. Nach § 83 Abs. 1, 2 und 2a SGB IX können Arbeitgeber, Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat generelle Regelungen zu diesem Zweck treffen. In § 84 Abs. 3 SGB IX geht der Gesetzgeber ausdrücklich davon aus, dass Arbeitgeber das bEM „einführen“, also nicht nur von Fall zu Fall individuell, sondern generell in Fällen entsprechend langer Arbeitsunfähigkeit das bEM als Mittel der betrieblichen Prävention vorsehen.

69

Dem Mitbestimmungsrecht steht nicht entgegen, dass - etwa mit § 84 Abs. 2 SGB IX - eine gesetzliche Regelung im Sinne des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG besteht. § 84 Abs. 2 SGB IX bestimmt lediglich, unter welchen Umständen (also „ob“) ein bEM durchzuführen ist. Eine dabei einzuhaltende Verfahrensweise („wie“) legt die Norm dagegen nur unvollkommen fest. Das Gesetz lässt für die Ausgestaltung des Vorgehens den nach § 87 Abs. 2 S. 1 SGB IX daran Beteiligten erheblichen Spielraum (BAG, Urt. v. 10.12.2009 – 2 AZR 198/09 -, NZA 2010, 639 ff.). Diesbezüglich schafft die Norm daher einen Rahmen für Regelungen der Betriebsparteien im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (BAG, Beschluss v. 13.03.2012 – 1 ABR 78/10 -, NZA 2012, 748 ff.).

70

Aus dem Zweck des bEM , auch systematisch und präventiv betriebliche Ursachen für Erkrankungen und Arbeitsunfähigkeit nachzugehen, in diesem Sinne auch erwähnt in § 83 Abs. 2a Nr. 5 SGB IX , folgt auch ein Initiativrecht des Betriebsrats im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (LAG Nürnberg, Beschluss v. 16.01.2013 – 2 TaBV 6/12 -, aaO., B II 3 b cc der Gründe).

b)

71

Darüber hinaus kann ein solches Mitbestimmungsrecht hinsichtlich einzelner Regelungen auch aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hergeleitet werden. Danach hat der Betriebsrat in Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen, soweit nicht schon gesetzliche oder tarifliche Regelungen bestehen.

72

Dieses Mitbestimmungsrecht betrifft nicht das Arbeitsverhalten, das der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts sowie seiner betrieblichen Organisations- und Leitungsmacht bestimmt, sondern Anordnungen zum sonstigen Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb, dem sog. Ordnungsverhalten. Durch das bEM können Arbeitnehmer nicht nur in die Aufdeckung, Vermeidung und Beseitigung betrieblicher Gesundheitsgefährdungen, sondern auch in die Aufklärung und Überwindung individueller Defizite so eingebunden werden, dass damit das Ordnungsverhalten im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG tangiert ist (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 23.09.2010 – 25 TaBV 1155/10 m.w.N., zitiert nach juris).

c)

73

Schließlich kann sich ein Mitbestimmungsrecht für Regelungen zur Durchführung des bEM auch aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ergeben. Unter diese Regelung fallen Regelungen zur Nutzung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten (BAG, Beschluss v. 13.03.2012 – 1 ABR 78/10 -, NZA 2012, 748 ff.).

III.

74

Nach den §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG war die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Zu Mitbestimmungsrechten hinsichtlich der Durchführung des bEM sind durch das BAG erst einzelne Aspekte geklärt worden, von Landesarbeitsgerichten liegen widerstreitende Entscheidungen vor (hier insbes. LAG Hamburg, Beschluss v. 21.05.2008 – H 3 TaBV 1/08 -, a.a.O.).


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(2) Für Verfahren nach § 2a Absatz 1 Nummer 5 ist das Landesarbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Behörde ihren Sitz hat, die den Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt hat oder die Rechtsverordnung erlassen hat.

(3) Für das Verfahren sind § 80 Absatz 1, 2 Satz 1 und Absatz 3, §§ 81, 83 Absatz 1 und 2 bis 4, §§ 83a, 84 Satz 1 und 2, § 91 Absatz 2 und §§ 92 bis 96 entsprechend anzuwenden. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Absatz 4 und 5 entsprechend. In dem Verfahren ist die Behörde, die den Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt hat oder die Rechtsverordnung erlassen hat, Beteiligte.

(4) Der rechtskräftige Beschluss über die Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung oder einer Rechtsverordnung wirkt für und gegen jedermann. Rechtskräftige Beschlüsse von Gerichten für Arbeitssachen im Verfahren nach § 2a Absatz 1 Nummer 5 sind alsbald der obersten Arbeitsbehörde des Bundes in vollständiger Form abschriftlich zu übersenden oder elektronisch zu übermitteln. Soweit eine Allgemeinverbindlicherklärung oder eine Rechtsverordnung rechtskräftig als wirksam oder unwirksam festgestellt wird, ist die Entscheidungsformel durch die oberste Arbeitsbehörde des Bundes im Bundesanzeiger bekannt zu machen.

(5) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 5 findet eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann statt, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung oder einer Rechtsverordnung darauf beruht, dass ein Beteiligter absichtlich unrichtige Angaben oder Aussagen gemacht hat. § 581 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(6) Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob eine Allgemeinverbindlicherklärung oder eine Rechtsverordnung wirksam ist und hat das Gericht ernsthafte Zweifel nichtverfassungsrechtlicher Art an der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung oder der Rechtsverordnung, so hat das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des Beschlussverfahrens nach § 2a Absatz 1 Nummer 5 auszusetzen. Setzt ein Gericht für Arbeitssachen nach Satz 1 einen Rechtsstreit über den Leistungsanspruch einer gemeinsamen Einrichtung aus, hat das Gericht auf deren Antrag den Beklagten zur vorläufigen Leistung zu verpflichten. Die Anordnung unterbleibt, wenn das Gericht die Allgemeinverbindlicherklärung oder die Rechtsverordnung nach dem bisherigen Sach- und Streitstand für offensichtlich unwirksam hält oder der Beklagte glaubhaft macht, dass die vorläufige Leistungspflicht ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Auf die Entscheidung über die vorläufige Leistungspflicht finden die Vorschriften über die Aussetzung entsprechend Anwendung; die Entscheidung ist ein Vollstreckungstitel gemäß § 794 Absatz 1 Nummer 3 der Zivilprozessordnung. Auch außerhalb eines Beschwerdeverfahrens können die Parteien die Änderung oder Aufhebung der Entscheidung über die vorläufige Leistungspflicht wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Ergeht nach Aufnahme des Verfahrens eine Entscheidung, gilt § 717 der Zivilprozessordnung entsprechend. Im Falle des Satzes 1 sind die Parteien des Rechtsstreits auch im Beschlussverfahren nach § 2a Absatz 1 Nummer 5 antragsberechtigt.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. September 2010 - 25 TaBV 1155/10 - aufgehoben.

2. Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. April 2010 - 42 BV 17459/09 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 20. August 2009 über die Betriebsvereinbarung Betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (bEM).

2

Die Arbeitgeberin führt bundesweit Geld- und Werttransporte durch. Antragsteller ist der im B Betrieb gebildete Betriebsrat.

3

Nachdem sich die Betriebsparteien nicht über eine Betriebsvereinbarung zum Regelungsgegenstand „Betriebliches Eingliederungsmanagement“ einigen konnten, fasste die Einigungsstelle am 20. August 2009 einen Spruch, in dem Folgendes bestimmt ist:

        

„...   

        

§ 2 Ziele und Abgrenzung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)

        

(1)     

Mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement wird das Ziel verfolgt, dass

                 

•       

chronische Krankheiten und Behinderungen bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern möglichst vermieden werden;

                 

•       

Arbeitsunfähigkeit, auch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien) nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V, überwunden bzw. erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt wird;

                 

•       

der Arbeitsplatz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von gesundheitlichen Beeinträchtigungen betroffen sind, möglichst erhalten bleibt und verhindert wird, dass sie aus dem Erwerbsleben ausscheiden.

        

…       

        
        

§ 3 Information der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

        

(1)     

Ist eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten länger als 6 Wochen arbeitsunfähig, so erhält diese Person zeitnah durch den Arbeitgeber zunächst eine erste Information über das BEM sowie über Art und Umfang der erhobenen Daten. Dabei ist das in der Anlage 1 zu dieser Betriebsvereinbarung geregelte Schreiben zu verwenden und eine Kopie dieser Betriebsvereinbarung beizufügen.

        

(2)     

Dazu wertet der Arbeitgeber jeweils zum ersten 15. eines Vierteljahres routinemäßig die ihm bekannten Daten zu den Arbeitsunfähigkeitszeiten pro Mitarbeiter aus.

        

…“    

        
4

Der Betriebsrat hatte in der Einigungsstelle vorgeschlagen, ein Verfahren zur Analyse der Arbeitsfähigkeit durch ein „Arbeitsfähigkeits-Coaching“ zu regeln. Danach sollten alle Arbeitnehmer zweimal jährlich einen „Check-up“ von ca. 60 Minuten Dauer durchlaufen und nach dem sog. Work-Ability-Index (WAI) klassifiziert werden. Bei einem WAI-Wert von 7 bis 27 Punkten wäre die Arbeitsfähigkeit mit „schlecht“, von 28 bis 36 Punkten mit „mittelmäßig“, von 37 bis 43 Punkten mit „gut“ und von 44 bis 49 Punkten mit „sehr gut“ einzustufen gewesen. Nach dem Vorschlag des Betriebsrats sollten alle Beschäftigten mit einem WAI-Wert zwischen 7 und 36 einen Anspruch auf ein bEM haben. Der Vorschlag des Betriebsrats fand in der Einigungsstelle keine Mehrheit. Der Einigungsstellenvorsitzende übersandte den von ihm unterzeichneten Spruch nebst Begründung dem Betriebsrat als pdf-Datei in der Anlage der E-Mail vom 13. September 2009.

5

Mit einem am 25. September 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Betriebsrat die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs begehrt. Er hat geltend gemacht, die Einigungsstelle habe ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt, weil sie es versäumt habe, den Begriff der Arbeitsunfähigkeit zu konkretisieren. Der Spruch genüge auch nicht dem Schriftformerfordernis des § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG.

6

Der Betriebsrat hat beantragt

        

festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 20. August 2009 über eine Betriebsvereinbarung „Betriebliches Eingliederungsmanagement“ unwirksam ist.

7

Die Arbeitgeberin hat Antragsabweisung beantragt.

8

Die Vorinstanzen haben den Antrag abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter.

9

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Vorinstanzen haben den Antrag zu Unrecht abgewiesen. Der Spruch ist allerdings nicht bereits deshalb unwirksam, weil die Einigungsstelle davon abgesehen hat, den Begriff der Arbeitsunfähigkeit näher zu bestimmen. Zur Unwirksamkeit des Spruchs führt jedoch, dass der Einigungsstellenvorsitzende dem Betriebsrat nicht den vom ihm eigenhändig unterschriebenen Spruch im Original zugeleitet hat, sondern nur als pdf-Datei in der Anlage zu einer E-Mail.

10

I. Der Antrag ist zulässig. Er ist zutreffend auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs gerichtet. Eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle hat feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung. Deshalb ist die Feststellung seiner Unwirksamkeit und nicht seine Aufhebung zu beantragen (BAG 11. Januar 2011 - 1 ABR 104/09 - Rn. 12 mwN, AP BetrVG 1972 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 17 = EzA BetrVG 2001 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 5).

11

II. Die Einigungsstelle hat zu Recht den in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX enthaltenen Begriff der Arbeitsunfähigkeit nicht nach dem sog. Work-Ability-Index konkretisiert.

12

1. Bei der Ausgestaltung des bEM ist für jede einzelne Regelung zu prüfen, ob ein Mitbestimmungsrecht besteht. Ein solches kann sich bei allgemeinen Verfahrensfragen aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, in Bezug auf die Nutzung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und hinsichtlich der Ausgestaltung des Gesundheitsschutzes aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ergeben, denn § 84 Abs. 2 SGB IX ist eine Rahmenvorschrift iSd. Bestimmung (Fitting BetrVG 26. Aufl. § 87 Rn. 310a; Richardi BetrVG 13. Aufl. § 87 Rn. 546). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats setzt ein, wenn für den Arbeitgeber eine gesetzliche Handlungspflicht besteht und wegen des Fehlens zwingender Vorgaben betriebliche Regelungen erforderlich sind, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen (BAG 8. Juni 2004 - 1 ABR 13/03 - zu B I 2 b aa der Gründe, BAGE 111, 36).

13

2. Der in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX enthaltene Begriff der Arbeitsunfähigkeit ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde einer Ausgestaltung durch die Betriebsparteien nicht zugänglich, sondern zwingend gesetzlich vorgegeben.

14

a) Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX führt der Arbeitgeber zusammen mit den zuständigen Interessenvertretungen und mit Zustimmung und Beteiligung des Arbeitnehmers ein bEM durch, wenn „Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind“. Zweck der Regelung ist nach der Gesetzesbegründung, durch die gemeinsame Anstrengung aller in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Beteiligten mit dem bEM ein Verfahren zu schaffen, das durch geeignete Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft sichert, weil viele Abgänge in die Arbeitslosigkeit aus Krankheitsgründen erfolgen und arbeitsplatzsichernde Hilfen der Integrationsämter vor der Beantragung einer Zustimmung zur Kündigung kaum in Anspruch genommen werden(BT-Drucks. 15/1783 S. 16). Die in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Maßnahmen dienen damit neben der Gesundheitsprävention auch der Vermeidung einer Kündigung und der Verhinderung von Arbeitslosigkeit erkrankter und kranker Menschen(BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 49 = EzA SGB IX § 84 Nr. 7). Da im Falle einer negativen Gesundheitsprognose eine krankheitsbedingte Kündigung bei zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen im Jahr vorbehaltlich einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung in Betracht kommt (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56; grundlegend 16. Februar 1989 - 2 AZR 299/88 - BAGE 61, 131), wird deutlich, dass der Gesetzgeber mit der Verwendung des Begriffs „arbeitsunfähig“ in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX auf die zu § 3 Abs. 1 EFZG ergangene Begriffsbestimmung Bezug genommen hat und keinen vom Entgeltfortzahlungsgesetz abweichenden eigenen Begriff mit anderen Merkmalen schaffen wollte(im Ergebnis ebenso Welti NZS 2006, 623, 625; FKS - SGB IX - Feldes 2. Aufl. § 84 Rn. 38). Für die Bemessung des Sechswochenzeitraums des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX sind deshalb die dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 EFZG angezeigten Arbeitsunfähigkeitszeiten maßgeblich. Dies gewährleistet auch eine praktikable und sichere Anwendung dieser Vorschrift. Ein der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zugänglicher Spielraum bei der Konkretisierung des Begriffs der Arbeitsunfähigkeit besteht nicht.

15

b) Nach diesen Grundsätzen ist der Einigungsstellenspruch nicht zu beanstanden, soweit darin zur Einleitung des bEM auf die dem Arbeitgeber bekannten Arbeitsunfähigkeitszeiten abgestellt wird. Solche liegen vor, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit infolge der Krankheit objektiv nicht ausüben kann oder wenn er die Arbeit objektiv nur unter der Gefahr fortsetzen könnte, in absehbar naher Zeit seinen Zustand zu verschlimmern (BAG 7. August 1991 - 5 AZR 410/90 - zu I der Gründe, BAGE 68, 196; MünchKommBGB/Müller-Glöge Bd. 4 5. Aufl. § 3 EFZG Rn. 6). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde unterscheidet sich diese Begriffsbestimmung nicht von der Definition in den nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V erlassenen Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien.

16

III. Der Einigungsstellenspruch ist jedoch unwirksam, weil er nicht den formalen Anforderungen des § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG entspricht. Er ist dem Betriebsrat nicht mit einer Originalunterschrift des Einigungsstellenvorsitzenden zugeleitet worden. Die Zuleitung eines Einigungsstellenspruchs als bloße Textdatei genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.

17

1. Nach § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG sind die Beschlüsse der Einigungsstelle schriftlich niederzulegen, vom Vorsitzenden zu unterschreiben und Arbeitgeber und Betriebsrat zuzuleiten.

18

a) Nach der Senatsrechtsprechung enthält § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG eine verbindliche Handlungsanleitung für den Vorsitzenden der Einigungsstelle. Bereits der Wortlaut dieser Bestimmung macht deutlich, dass ein Einigungsstellenspruch nur wirksam ist, wenn er schriftlich niedergelegt und mit der Unterschrift des Vorsitzenden versehen beiden Betriebsparteien zugeleitet wird. Das Formerfordernis des § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG dient in erster Linie der Rechtssicherheit. Die Unterschrift des Vorsitzenden beurkundet und dokumentiert den Willen der Einigungsstellenmitglieder. Für die Betriebsparteien und für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer wird damit rechtssicher bestätigt, dass das vom Vorsitzenden unterzeichnete Schriftstück das von der Einigungsstelle beschlossene Regelwerk enthält. Die Beurkundung und Dokumentation ist erforderlich, weil der Einigungsstellenspruch die fehlende Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt und ihm erst dann die gleiche normative Wirkung (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG)zukommt wie einer von den Betriebsparteien geschlossenen Betriebsvereinbarung (BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 31/09 - Rn. 16 f., EzA BetrVG 2001 § 76 Nr. 2; 14. September 2010 - 1 ABR 30/09 - Rn. 17 f., AP BetrVG 1972 § 76 Nr. 61 = EzA BetrVG 2001 § 76 Nr. 1). Die Unterzeichnung des Einigungsstellenspruchs durch den Vorsitzenden kann nach dem Rechtsgedanken des § 126 Abs. 3 BGB nicht durch die elektronische Form(§ 126a BGB) und auch nicht durch die Textform (§ 126b BGB)ersetzt werden. § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG ist eine auf dem Normcharakter des Einigungsstellenspruchs beruhende Sonderregelung(BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 31/09 - Rn. 18, aaO).

19

b) Die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform ist Wirksamkeitsvoraussetzung eines Einigungsstellenspruchs. Den Betriebsparteien muss ein vom Vorsitzenden unterzeichnetes Schriftstück, das den Spruch enthält, zugeleitet werden. Fehlt es hieran, ist der von der Einigungsstelle zuvor beschlossene Spruch wirkungslos. Maßgeblich für die Beurteilung der Formwirksamkeit ist der Zeitpunkt, in dem der Einigungsstellenvorsitzende den Betriebsparteien den Spruch mit der Absicht der Zuleitung iSd. § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG übermittelt hat. Eine nachträgliche, rückwirkende Heilung der Verletzung der in § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG bestimmten Formvorschriften ist nicht möglich(BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 31/09 - Rn. 19 f., EzA BetrVG 2001 § 76 Nr. 2).

20

2. Der Einigungsstellenspruch vom 20. August 2009 genügt diesen Anforderungen nicht und ist deshalb unwirksam. Er ist dem Betriebsrat nicht mit Originalunterschrift des Einigungsstellenvorsitzenden zugeleitet worden, sondern in Form einer pdf-Datei in der Anlage zu einer E-Mail. Unerheblich ist, dass sich die Unterschrift des Einigungsstellenvorsitzenden in der zugeleiteten pdf-Datei in eingescannter Form befindet. Dies wahrt ebenso wenig die gesetzliche Form wie selbst eine elektronische Form iSd. § 126a BGB mit elektronischer Signatur dem Erfordernis des § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG nicht genügen würde.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Klosterkemper    

        

    N. Schuster    

                 

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Gegen die das Verfahren beendenden Beschlüsse der Arbeitsgerichte findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht statt.

(2) Für das Beschwerdeverfahren gelten die für das Berufungsverfahren maßgebenden Vorschriften sowie die Vorschrift des § 85 über die Zwangsvollstreckung entsprechend, soweit sich aus den §§ 88 bis 91 nichts anderes ergibt. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Abs. 1 bis 3 und 5 entsprechend. Der Antrag kann jederzeit mit Zustimmung der anderen Beteiligten zurückgenommen werden; § 81 Abs. 2 Satz 2 und 3 und Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(3) In erster Instanz zu Recht zurückgewiesenes Vorbringen bleibt ausgeschlossen. Neues Vorbringen, das im ersten Rechtszug entgegen einer hierfür nach § 83 Abs. 1a gesetzten Frist nicht vorgebracht wurde, kann zurückgewiesen werden, wenn seine Zulassung nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Beschlussverfahrens verzögern würde und der Beteiligte die Verzögerung nicht genügend entschuldigt. Soweit neues Vorbringen nach Satz 2 zulässig ist, muss es der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung, der Beschwerdegegner in der Beschwerdebeantwortung vortragen. Wird es später vorgebracht, kann es zurückgewiesen werden, wenn die Möglichkeit es vorzutragen vor der Beschwerdebegründung oder der Beschwerdebeantwortung entstanden ist und das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und auf dem Verschulden des Beteiligten beruht.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung; § 85 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Das Verfahren wird nur auf Antrag eingeleitet; der Antrag ist bei dem Arbeitsgericht schriftlich einzureichen oder bei seiner Geschäftsstelle mündlich zu Protokoll anzubringen.

(2) Der Antrag kann jederzeit in derselben Form zurückgenommen werden. In diesem Fall ist das Verfahren vom Vorsitzenden des Arbeitsgerichts einzustellen. Von der Einstellung ist den Beteiligten Kenntnis zu geben, soweit ihnen der Antrag vom Arbeitsgericht mitgeteilt worden ist.

(3) Eine Änderung des Antrags ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten zustimmen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Die Zustimmung der Beteiligten zu der Änderung des Antrags gilt als erteilt, wenn die Beteiligten sich, ohne zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in der mündlichen Verhandlung auf den geänderten Antrag eingelassen haben. Die Entscheidung, daß eine Änderung des Antrags nicht vorliegt oder zugelassen wird, ist unanfechtbar.

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

(1) Leistungen zur Mobilität umfassen

1.
Leistungen zur Beförderung, insbesondere durch einen Beförderungsdienst, und
2.
Leistungen für ein Kraftfahrzeug.

(2) Leistungen nach Absatz 1 erhalten Leistungsberechtigte nach § 2, denen die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und Schwere ihrer Behinderung nicht zumutbar ist. Leistungen nach Absatz 1 Nummer 2 werden nur erbracht, wenn die Leistungsberechtigten das Kraftfahrzeug führen können oder gewährleistet ist, dass ein Dritter das Kraftfahrzeug für sie führt und Leistungen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht zumutbar oder wirtschaftlich sind.

(3) Die Leistungen nach Absatz 1 Nummer 2 umfassen Leistungen

1.
zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs,
2.
für die erforderliche Zusatzausstattung,
3.
zur Erlangung der Fahrerlaubnis,
4.
zur Instandhaltung und
5.
für die mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs verbundenen Kosten.
Die Bemessung der Leistungen orientiert sich an der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung.

(4) Sind die Leistungsberechtigten minderjährig, umfassen die Leistungen nach Absatz 1 Nummer 2 den wegen der Behinderung erforderlichen Mehraufwand bei der Beschaffung des Kraftfahrzeugs sowie Leistungen nach Absatz 3 Nummer 2.

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

Der Beirat für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen wählt aus den ihm angehörenden Mitgliedern von Seiten der Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Organisationen behinderter Menschen jeweils für die Dauer eines Jahres eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter. Im Übrigen gilt § 189 entsprechend.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. September 2010 - 25 TaBV 1155/10 - aufgehoben.

2. Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. April 2010 - 42 BV 17459/09 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 20. August 2009 über die Betriebsvereinbarung Betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (bEM).

2

Die Arbeitgeberin führt bundesweit Geld- und Werttransporte durch. Antragsteller ist der im B Betrieb gebildete Betriebsrat.

3

Nachdem sich die Betriebsparteien nicht über eine Betriebsvereinbarung zum Regelungsgegenstand „Betriebliches Eingliederungsmanagement“ einigen konnten, fasste die Einigungsstelle am 20. August 2009 einen Spruch, in dem Folgendes bestimmt ist:

        

„...   

        

§ 2 Ziele und Abgrenzung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)

        

(1)     

Mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement wird das Ziel verfolgt, dass

                 

•       

chronische Krankheiten und Behinderungen bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern möglichst vermieden werden;

                 

•       

Arbeitsunfähigkeit, auch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien) nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V, überwunden bzw. erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt wird;

                 

•       

der Arbeitsplatz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von gesundheitlichen Beeinträchtigungen betroffen sind, möglichst erhalten bleibt und verhindert wird, dass sie aus dem Erwerbsleben ausscheiden.

        

…       

        
        

§ 3 Information der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

        

(1)     

Ist eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten länger als 6 Wochen arbeitsunfähig, so erhält diese Person zeitnah durch den Arbeitgeber zunächst eine erste Information über das BEM sowie über Art und Umfang der erhobenen Daten. Dabei ist das in der Anlage 1 zu dieser Betriebsvereinbarung geregelte Schreiben zu verwenden und eine Kopie dieser Betriebsvereinbarung beizufügen.

        

(2)     

Dazu wertet der Arbeitgeber jeweils zum ersten 15. eines Vierteljahres routinemäßig die ihm bekannten Daten zu den Arbeitsunfähigkeitszeiten pro Mitarbeiter aus.

        

…“    

        
4

Der Betriebsrat hatte in der Einigungsstelle vorgeschlagen, ein Verfahren zur Analyse der Arbeitsfähigkeit durch ein „Arbeitsfähigkeits-Coaching“ zu regeln. Danach sollten alle Arbeitnehmer zweimal jährlich einen „Check-up“ von ca. 60 Minuten Dauer durchlaufen und nach dem sog. Work-Ability-Index (WAI) klassifiziert werden. Bei einem WAI-Wert von 7 bis 27 Punkten wäre die Arbeitsfähigkeit mit „schlecht“, von 28 bis 36 Punkten mit „mittelmäßig“, von 37 bis 43 Punkten mit „gut“ und von 44 bis 49 Punkten mit „sehr gut“ einzustufen gewesen. Nach dem Vorschlag des Betriebsrats sollten alle Beschäftigten mit einem WAI-Wert zwischen 7 und 36 einen Anspruch auf ein bEM haben. Der Vorschlag des Betriebsrats fand in der Einigungsstelle keine Mehrheit. Der Einigungsstellenvorsitzende übersandte den von ihm unterzeichneten Spruch nebst Begründung dem Betriebsrat als pdf-Datei in der Anlage der E-Mail vom 13. September 2009.

5

Mit einem am 25. September 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Betriebsrat die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs begehrt. Er hat geltend gemacht, die Einigungsstelle habe ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt, weil sie es versäumt habe, den Begriff der Arbeitsunfähigkeit zu konkretisieren. Der Spruch genüge auch nicht dem Schriftformerfordernis des § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG.

6

Der Betriebsrat hat beantragt

        

festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 20. August 2009 über eine Betriebsvereinbarung „Betriebliches Eingliederungsmanagement“ unwirksam ist.

7

Die Arbeitgeberin hat Antragsabweisung beantragt.

8

Die Vorinstanzen haben den Antrag abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter.

9

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Vorinstanzen haben den Antrag zu Unrecht abgewiesen. Der Spruch ist allerdings nicht bereits deshalb unwirksam, weil die Einigungsstelle davon abgesehen hat, den Begriff der Arbeitsunfähigkeit näher zu bestimmen. Zur Unwirksamkeit des Spruchs führt jedoch, dass der Einigungsstellenvorsitzende dem Betriebsrat nicht den vom ihm eigenhändig unterschriebenen Spruch im Original zugeleitet hat, sondern nur als pdf-Datei in der Anlage zu einer E-Mail.

10

I. Der Antrag ist zulässig. Er ist zutreffend auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs gerichtet. Eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle hat feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung. Deshalb ist die Feststellung seiner Unwirksamkeit und nicht seine Aufhebung zu beantragen (BAG 11. Januar 2011 - 1 ABR 104/09 - Rn. 12 mwN, AP BetrVG 1972 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 17 = EzA BetrVG 2001 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 5).

11

II. Die Einigungsstelle hat zu Recht den in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX enthaltenen Begriff der Arbeitsunfähigkeit nicht nach dem sog. Work-Ability-Index konkretisiert.

12

1. Bei der Ausgestaltung des bEM ist für jede einzelne Regelung zu prüfen, ob ein Mitbestimmungsrecht besteht. Ein solches kann sich bei allgemeinen Verfahrensfragen aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, in Bezug auf die Nutzung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und hinsichtlich der Ausgestaltung des Gesundheitsschutzes aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ergeben, denn § 84 Abs. 2 SGB IX ist eine Rahmenvorschrift iSd. Bestimmung (Fitting BetrVG 26. Aufl. § 87 Rn. 310a; Richardi BetrVG 13. Aufl. § 87 Rn. 546). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats setzt ein, wenn für den Arbeitgeber eine gesetzliche Handlungspflicht besteht und wegen des Fehlens zwingender Vorgaben betriebliche Regelungen erforderlich sind, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen (BAG 8. Juni 2004 - 1 ABR 13/03 - zu B I 2 b aa der Gründe, BAGE 111, 36).

13

2. Der in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX enthaltene Begriff der Arbeitsunfähigkeit ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde einer Ausgestaltung durch die Betriebsparteien nicht zugänglich, sondern zwingend gesetzlich vorgegeben.

14

a) Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX führt der Arbeitgeber zusammen mit den zuständigen Interessenvertretungen und mit Zustimmung und Beteiligung des Arbeitnehmers ein bEM durch, wenn „Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind“. Zweck der Regelung ist nach der Gesetzesbegründung, durch die gemeinsame Anstrengung aller in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Beteiligten mit dem bEM ein Verfahren zu schaffen, das durch geeignete Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft sichert, weil viele Abgänge in die Arbeitslosigkeit aus Krankheitsgründen erfolgen und arbeitsplatzsichernde Hilfen der Integrationsämter vor der Beantragung einer Zustimmung zur Kündigung kaum in Anspruch genommen werden(BT-Drucks. 15/1783 S. 16). Die in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Maßnahmen dienen damit neben der Gesundheitsprävention auch der Vermeidung einer Kündigung und der Verhinderung von Arbeitslosigkeit erkrankter und kranker Menschen(BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 49 = EzA SGB IX § 84 Nr. 7). Da im Falle einer negativen Gesundheitsprognose eine krankheitsbedingte Kündigung bei zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen im Jahr vorbehaltlich einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung in Betracht kommt (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56; grundlegend 16. Februar 1989 - 2 AZR 299/88 - BAGE 61, 131), wird deutlich, dass der Gesetzgeber mit der Verwendung des Begriffs „arbeitsunfähig“ in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX auf die zu § 3 Abs. 1 EFZG ergangene Begriffsbestimmung Bezug genommen hat und keinen vom Entgeltfortzahlungsgesetz abweichenden eigenen Begriff mit anderen Merkmalen schaffen wollte(im Ergebnis ebenso Welti NZS 2006, 623, 625; FKS - SGB IX - Feldes 2. Aufl. § 84 Rn. 38). Für die Bemessung des Sechswochenzeitraums des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX sind deshalb die dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 EFZG angezeigten Arbeitsunfähigkeitszeiten maßgeblich. Dies gewährleistet auch eine praktikable und sichere Anwendung dieser Vorschrift. Ein der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zugänglicher Spielraum bei der Konkretisierung des Begriffs der Arbeitsunfähigkeit besteht nicht.

15

b) Nach diesen Grundsätzen ist der Einigungsstellenspruch nicht zu beanstanden, soweit darin zur Einleitung des bEM auf die dem Arbeitgeber bekannten Arbeitsunfähigkeitszeiten abgestellt wird. Solche liegen vor, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit infolge der Krankheit objektiv nicht ausüben kann oder wenn er die Arbeit objektiv nur unter der Gefahr fortsetzen könnte, in absehbar naher Zeit seinen Zustand zu verschlimmern (BAG 7. August 1991 - 5 AZR 410/90 - zu I der Gründe, BAGE 68, 196; MünchKommBGB/Müller-Glöge Bd. 4 5. Aufl. § 3 EFZG Rn. 6). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde unterscheidet sich diese Begriffsbestimmung nicht von der Definition in den nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V erlassenen Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien.

16

III. Der Einigungsstellenspruch ist jedoch unwirksam, weil er nicht den formalen Anforderungen des § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG entspricht. Er ist dem Betriebsrat nicht mit einer Originalunterschrift des Einigungsstellenvorsitzenden zugeleitet worden. Die Zuleitung eines Einigungsstellenspruchs als bloße Textdatei genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.

17

1. Nach § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG sind die Beschlüsse der Einigungsstelle schriftlich niederzulegen, vom Vorsitzenden zu unterschreiben und Arbeitgeber und Betriebsrat zuzuleiten.

18

a) Nach der Senatsrechtsprechung enthält § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG eine verbindliche Handlungsanleitung für den Vorsitzenden der Einigungsstelle. Bereits der Wortlaut dieser Bestimmung macht deutlich, dass ein Einigungsstellenspruch nur wirksam ist, wenn er schriftlich niedergelegt und mit der Unterschrift des Vorsitzenden versehen beiden Betriebsparteien zugeleitet wird. Das Formerfordernis des § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG dient in erster Linie der Rechtssicherheit. Die Unterschrift des Vorsitzenden beurkundet und dokumentiert den Willen der Einigungsstellenmitglieder. Für die Betriebsparteien und für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer wird damit rechtssicher bestätigt, dass das vom Vorsitzenden unterzeichnete Schriftstück das von der Einigungsstelle beschlossene Regelwerk enthält. Die Beurkundung und Dokumentation ist erforderlich, weil der Einigungsstellenspruch die fehlende Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt und ihm erst dann die gleiche normative Wirkung (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG)zukommt wie einer von den Betriebsparteien geschlossenen Betriebsvereinbarung (BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 31/09 - Rn. 16 f., EzA BetrVG 2001 § 76 Nr. 2; 14. September 2010 - 1 ABR 30/09 - Rn. 17 f., AP BetrVG 1972 § 76 Nr. 61 = EzA BetrVG 2001 § 76 Nr. 1). Die Unterzeichnung des Einigungsstellenspruchs durch den Vorsitzenden kann nach dem Rechtsgedanken des § 126 Abs. 3 BGB nicht durch die elektronische Form(§ 126a BGB) und auch nicht durch die Textform (§ 126b BGB)ersetzt werden. § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG ist eine auf dem Normcharakter des Einigungsstellenspruchs beruhende Sonderregelung(BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 31/09 - Rn. 18, aaO).

19

b) Die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform ist Wirksamkeitsvoraussetzung eines Einigungsstellenspruchs. Den Betriebsparteien muss ein vom Vorsitzenden unterzeichnetes Schriftstück, das den Spruch enthält, zugeleitet werden. Fehlt es hieran, ist der von der Einigungsstelle zuvor beschlossene Spruch wirkungslos. Maßgeblich für die Beurteilung der Formwirksamkeit ist der Zeitpunkt, in dem der Einigungsstellenvorsitzende den Betriebsparteien den Spruch mit der Absicht der Zuleitung iSd. § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG übermittelt hat. Eine nachträgliche, rückwirkende Heilung der Verletzung der in § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG bestimmten Formvorschriften ist nicht möglich(BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 31/09 - Rn. 19 f., EzA BetrVG 2001 § 76 Nr. 2).

20

2. Der Einigungsstellenspruch vom 20. August 2009 genügt diesen Anforderungen nicht und ist deshalb unwirksam. Er ist dem Betriebsrat nicht mit Originalunterschrift des Einigungsstellenvorsitzenden zugeleitet worden, sondern in Form einer pdf-Datei in der Anlage zu einer E-Mail. Unerheblich ist, dass sich die Unterschrift des Einigungsstellenvorsitzenden in der zugeleiteten pdf-Datei in eingescannter Form befindet. Dies wahrt ebenso wenig die gesetzliche Form wie selbst eine elektronische Form iSd. § 126a BGB mit elektronischer Signatur dem Erfordernis des § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG nicht genügen würde.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Klosterkemper    

        

    N. Schuster    

                 

(1) Leistungen zur Mobilität umfassen

1.
Leistungen zur Beförderung, insbesondere durch einen Beförderungsdienst, und
2.
Leistungen für ein Kraftfahrzeug.

(2) Leistungen nach Absatz 1 erhalten Leistungsberechtigte nach § 2, denen die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und Schwere ihrer Behinderung nicht zumutbar ist. Leistungen nach Absatz 1 Nummer 2 werden nur erbracht, wenn die Leistungsberechtigten das Kraftfahrzeug führen können oder gewährleistet ist, dass ein Dritter das Kraftfahrzeug für sie führt und Leistungen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht zumutbar oder wirtschaftlich sind.

(3) Die Leistungen nach Absatz 1 Nummer 2 umfassen Leistungen

1.
zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs,
2.
für die erforderliche Zusatzausstattung,
3.
zur Erlangung der Fahrerlaubnis,
4.
zur Instandhaltung und
5.
für die mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs verbundenen Kosten.
Die Bemessung der Leistungen orientiert sich an der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung.

(4) Sind die Leistungsberechtigten minderjährig, umfassen die Leistungen nach Absatz 1 Nummer 2 den wegen der Behinderung erforderlichen Mehraufwand bei der Beschaffung des Kraftfahrzeugs sowie Leistungen nach Absatz 3 Nummer 2.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. September 2010 - 25 TaBV 1155/10 - aufgehoben.

2. Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. April 2010 - 42 BV 17459/09 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 20. August 2009 über die Betriebsvereinbarung Betriebliches Eingliederungsmanagement unwirksam ist.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (bEM).

2

Die Arbeitgeberin führt bundesweit Geld- und Werttransporte durch. Antragsteller ist der im B Betrieb gebildete Betriebsrat.

3

Nachdem sich die Betriebsparteien nicht über eine Betriebsvereinbarung zum Regelungsgegenstand „Betriebliches Eingliederungsmanagement“ einigen konnten, fasste die Einigungsstelle am 20. August 2009 einen Spruch, in dem Folgendes bestimmt ist:

        

„...   

        

§ 2 Ziele und Abgrenzung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)

        

(1)     

Mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement wird das Ziel verfolgt, dass

                 

•       

chronische Krankheiten und Behinderungen bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern möglichst vermieden werden;

                 

•       

Arbeitsunfähigkeit, auch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien) nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V, überwunden bzw. erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt wird;

                 

•       

der Arbeitsplatz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von gesundheitlichen Beeinträchtigungen betroffen sind, möglichst erhalten bleibt und verhindert wird, dass sie aus dem Erwerbsleben ausscheiden.

        

…       

        
        

§ 3 Information der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

        

(1)     

Ist eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten länger als 6 Wochen arbeitsunfähig, so erhält diese Person zeitnah durch den Arbeitgeber zunächst eine erste Information über das BEM sowie über Art und Umfang der erhobenen Daten. Dabei ist das in der Anlage 1 zu dieser Betriebsvereinbarung geregelte Schreiben zu verwenden und eine Kopie dieser Betriebsvereinbarung beizufügen.

        

(2)     

Dazu wertet der Arbeitgeber jeweils zum ersten 15. eines Vierteljahres routinemäßig die ihm bekannten Daten zu den Arbeitsunfähigkeitszeiten pro Mitarbeiter aus.

        

…“    

        
4

Der Betriebsrat hatte in der Einigungsstelle vorgeschlagen, ein Verfahren zur Analyse der Arbeitsfähigkeit durch ein „Arbeitsfähigkeits-Coaching“ zu regeln. Danach sollten alle Arbeitnehmer zweimal jährlich einen „Check-up“ von ca. 60 Minuten Dauer durchlaufen und nach dem sog. Work-Ability-Index (WAI) klassifiziert werden. Bei einem WAI-Wert von 7 bis 27 Punkten wäre die Arbeitsfähigkeit mit „schlecht“, von 28 bis 36 Punkten mit „mittelmäßig“, von 37 bis 43 Punkten mit „gut“ und von 44 bis 49 Punkten mit „sehr gut“ einzustufen gewesen. Nach dem Vorschlag des Betriebsrats sollten alle Beschäftigten mit einem WAI-Wert zwischen 7 und 36 einen Anspruch auf ein bEM haben. Der Vorschlag des Betriebsrats fand in der Einigungsstelle keine Mehrheit. Der Einigungsstellenvorsitzende übersandte den von ihm unterzeichneten Spruch nebst Begründung dem Betriebsrat als pdf-Datei in der Anlage der E-Mail vom 13. September 2009.

5

Mit einem am 25. September 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Betriebsrat die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs begehrt. Er hat geltend gemacht, die Einigungsstelle habe ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt, weil sie es versäumt habe, den Begriff der Arbeitsunfähigkeit zu konkretisieren. Der Spruch genüge auch nicht dem Schriftformerfordernis des § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG.

6

Der Betriebsrat hat beantragt

        

festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 20. August 2009 über eine Betriebsvereinbarung „Betriebliches Eingliederungsmanagement“ unwirksam ist.

7

Die Arbeitgeberin hat Antragsabweisung beantragt.

8

Die Vorinstanzen haben den Antrag abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter.

9

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Vorinstanzen haben den Antrag zu Unrecht abgewiesen. Der Spruch ist allerdings nicht bereits deshalb unwirksam, weil die Einigungsstelle davon abgesehen hat, den Begriff der Arbeitsunfähigkeit näher zu bestimmen. Zur Unwirksamkeit des Spruchs führt jedoch, dass der Einigungsstellenvorsitzende dem Betriebsrat nicht den vom ihm eigenhändig unterschriebenen Spruch im Original zugeleitet hat, sondern nur als pdf-Datei in der Anlage zu einer E-Mail.

10

I. Der Antrag ist zulässig. Er ist zutreffend auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs gerichtet. Eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle hat feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung. Deshalb ist die Feststellung seiner Unwirksamkeit und nicht seine Aufhebung zu beantragen (BAG 11. Januar 2011 - 1 ABR 104/09 - Rn. 12 mwN, AP BetrVG 1972 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 17 = EzA BetrVG 2001 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 5).

11

II. Die Einigungsstelle hat zu Recht den in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX enthaltenen Begriff der Arbeitsunfähigkeit nicht nach dem sog. Work-Ability-Index konkretisiert.

12

1. Bei der Ausgestaltung des bEM ist für jede einzelne Regelung zu prüfen, ob ein Mitbestimmungsrecht besteht. Ein solches kann sich bei allgemeinen Verfahrensfragen aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, in Bezug auf die Nutzung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und hinsichtlich der Ausgestaltung des Gesundheitsschutzes aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ergeben, denn § 84 Abs. 2 SGB IX ist eine Rahmenvorschrift iSd. Bestimmung (Fitting BetrVG 26. Aufl. § 87 Rn. 310a; Richardi BetrVG 13. Aufl. § 87 Rn. 546). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats setzt ein, wenn für den Arbeitgeber eine gesetzliche Handlungspflicht besteht und wegen des Fehlens zwingender Vorgaben betriebliche Regelungen erforderlich sind, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen (BAG 8. Juni 2004 - 1 ABR 13/03 - zu B I 2 b aa der Gründe, BAGE 111, 36).

13

2. Der in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX enthaltene Begriff der Arbeitsunfähigkeit ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde einer Ausgestaltung durch die Betriebsparteien nicht zugänglich, sondern zwingend gesetzlich vorgegeben.

14

a) Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX führt der Arbeitgeber zusammen mit den zuständigen Interessenvertretungen und mit Zustimmung und Beteiligung des Arbeitnehmers ein bEM durch, wenn „Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind“. Zweck der Regelung ist nach der Gesetzesbegründung, durch die gemeinsame Anstrengung aller in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Beteiligten mit dem bEM ein Verfahren zu schaffen, das durch geeignete Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft sichert, weil viele Abgänge in die Arbeitslosigkeit aus Krankheitsgründen erfolgen und arbeitsplatzsichernde Hilfen der Integrationsämter vor der Beantragung einer Zustimmung zur Kündigung kaum in Anspruch genommen werden(BT-Drucks. 15/1783 S. 16). Die in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Maßnahmen dienen damit neben der Gesundheitsprävention auch der Vermeidung einer Kündigung und der Verhinderung von Arbeitslosigkeit erkrankter und kranker Menschen(BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 49 = EzA SGB IX § 84 Nr. 7). Da im Falle einer negativen Gesundheitsprognose eine krankheitsbedingte Kündigung bei zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen im Jahr vorbehaltlich einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung in Betracht kommt (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56; grundlegend 16. Februar 1989 - 2 AZR 299/88 - BAGE 61, 131), wird deutlich, dass der Gesetzgeber mit der Verwendung des Begriffs „arbeitsunfähig“ in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX auf die zu § 3 Abs. 1 EFZG ergangene Begriffsbestimmung Bezug genommen hat und keinen vom Entgeltfortzahlungsgesetz abweichenden eigenen Begriff mit anderen Merkmalen schaffen wollte(im Ergebnis ebenso Welti NZS 2006, 623, 625; FKS - SGB IX - Feldes 2. Aufl. § 84 Rn. 38). Für die Bemessung des Sechswochenzeitraums des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX sind deshalb die dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 EFZG angezeigten Arbeitsunfähigkeitszeiten maßgeblich. Dies gewährleistet auch eine praktikable und sichere Anwendung dieser Vorschrift. Ein der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zugänglicher Spielraum bei der Konkretisierung des Begriffs der Arbeitsunfähigkeit besteht nicht.

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b) Nach diesen Grundsätzen ist der Einigungsstellenspruch nicht zu beanstanden, soweit darin zur Einleitung des bEM auf die dem Arbeitgeber bekannten Arbeitsunfähigkeitszeiten abgestellt wird. Solche liegen vor, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit infolge der Krankheit objektiv nicht ausüben kann oder wenn er die Arbeit objektiv nur unter der Gefahr fortsetzen könnte, in absehbar naher Zeit seinen Zustand zu verschlimmern (BAG 7. August 1991 - 5 AZR 410/90 - zu I der Gründe, BAGE 68, 196; MünchKommBGB/Müller-Glöge Bd. 4 5. Aufl. § 3 EFZG Rn. 6). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde unterscheidet sich diese Begriffsbestimmung nicht von der Definition in den nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V erlassenen Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien.

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III. Der Einigungsstellenspruch ist jedoch unwirksam, weil er nicht den formalen Anforderungen des § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG entspricht. Er ist dem Betriebsrat nicht mit einer Originalunterschrift des Einigungsstellenvorsitzenden zugeleitet worden. Die Zuleitung eines Einigungsstellenspruchs als bloße Textdatei genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.

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1. Nach § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG sind die Beschlüsse der Einigungsstelle schriftlich niederzulegen, vom Vorsitzenden zu unterschreiben und Arbeitgeber und Betriebsrat zuzuleiten.

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a) Nach der Senatsrechtsprechung enthält § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG eine verbindliche Handlungsanleitung für den Vorsitzenden der Einigungsstelle. Bereits der Wortlaut dieser Bestimmung macht deutlich, dass ein Einigungsstellenspruch nur wirksam ist, wenn er schriftlich niedergelegt und mit der Unterschrift des Vorsitzenden versehen beiden Betriebsparteien zugeleitet wird. Das Formerfordernis des § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG dient in erster Linie der Rechtssicherheit. Die Unterschrift des Vorsitzenden beurkundet und dokumentiert den Willen der Einigungsstellenmitglieder. Für die Betriebsparteien und für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer wird damit rechtssicher bestätigt, dass das vom Vorsitzenden unterzeichnete Schriftstück das von der Einigungsstelle beschlossene Regelwerk enthält. Die Beurkundung und Dokumentation ist erforderlich, weil der Einigungsstellenspruch die fehlende Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt und ihm erst dann die gleiche normative Wirkung (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG)zukommt wie einer von den Betriebsparteien geschlossenen Betriebsvereinbarung (BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 31/09 - Rn. 16 f., EzA BetrVG 2001 § 76 Nr. 2; 14. September 2010 - 1 ABR 30/09 - Rn. 17 f., AP BetrVG 1972 § 76 Nr. 61 = EzA BetrVG 2001 § 76 Nr. 1). Die Unterzeichnung des Einigungsstellenspruchs durch den Vorsitzenden kann nach dem Rechtsgedanken des § 126 Abs. 3 BGB nicht durch die elektronische Form(§ 126a BGB) und auch nicht durch die Textform (§ 126b BGB)ersetzt werden. § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG ist eine auf dem Normcharakter des Einigungsstellenspruchs beruhende Sonderregelung(BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 31/09 - Rn. 18, aaO).

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b) Die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform ist Wirksamkeitsvoraussetzung eines Einigungsstellenspruchs. Den Betriebsparteien muss ein vom Vorsitzenden unterzeichnetes Schriftstück, das den Spruch enthält, zugeleitet werden. Fehlt es hieran, ist der von der Einigungsstelle zuvor beschlossene Spruch wirkungslos. Maßgeblich für die Beurteilung der Formwirksamkeit ist der Zeitpunkt, in dem der Einigungsstellenvorsitzende den Betriebsparteien den Spruch mit der Absicht der Zuleitung iSd. § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG übermittelt hat. Eine nachträgliche, rückwirkende Heilung der Verletzung der in § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG bestimmten Formvorschriften ist nicht möglich(BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 31/09 - Rn. 19 f., EzA BetrVG 2001 § 76 Nr. 2).

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2. Der Einigungsstellenspruch vom 20. August 2009 genügt diesen Anforderungen nicht und ist deshalb unwirksam. Er ist dem Betriebsrat nicht mit Originalunterschrift des Einigungsstellenvorsitzenden zugeleitet worden, sondern in Form einer pdf-Datei in der Anlage zu einer E-Mail. Unerheblich ist, dass sich die Unterschrift des Einigungsstellenvorsitzenden in der zugeleiteten pdf-Datei in eingescannter Form befindet. Dies wahrt ebenso wenig die gesetzliche Form wie selbst eine elektronische Form iSd. § 126a BGB mit elektronischer Signatur dem Erfordernis des § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG nicht genügen würde.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Klosterkemper    

        

    N. Schuster    

                 

(1) Gegen den das Verfahren beendenden Beschluß eines Landesarbeitsgerichts findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Beschluß des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 92a Satz 2 zugelassen wird. § 72 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 85 Abs. 2 findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(2) Für das Rechtsbeschwerdeverfahren gelten die für das Revisionsverfahren maßgebenden Vorschriften sowie die Vorschrift des § 85 über die Zwangsvollstreckung entsprechend, soweit sich aus den §§ 93 bis 96 nichts anderes ergibt. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Abs. 1 bis 3 und 5 entsprechend. Der Antrag kann jederzeit mit Zustimmung der anderen Beteiligten zurückgenommen werden; § 81 Abs. 2 Satz 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Einlegung der Rechtsbeschwerde hat aufschiebende Wirkung. § 85 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.