Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 15. Juli 2010 - 8 Ta 142/10

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2010:0715.8TA142.10.0A
15.07.2010

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14.06.2010 - 2 Ca 602/10 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe

1

Die gemäß §§ 46 Abs. 2, 78 ArbGG, 127 Abs. 2, 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht trotz Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zahlungsklage die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt.

2

Die Voraussetzungen für eine Beiordnung nach § 121 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, da weder die Beklagte in dem Verfahren anwaltlich vertreten war noch die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich erscheint.

3

Was "erforderlich erscheint" ist im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem in Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsstaats- und dem in Art. 20 Abs. 1 GG verbürgten Sozialstaatsprinzip auszulegen. Nach diesen Grundsätzen muss die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehende angeglichen werden. Ein Rechtsanwalt ist daher beizuordnen, wenn ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrung seiner Interessen beauftragt hätte. Das gebietet eine auf die jeweilige Lage bezogene Einzelfallprüfung und lässt eine Herausbildung von Regelsätzen, nach denen der mittellosen Partei für bestimmte Verfahren immer oder grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen ist, wenn überhaupt, nur in engen Grenzen zu. Die Voraussetzungen der Beiordnung eines Rechtsanwalts beurteilen sich vielmehr im Einzelfall nicht nur nach Umfang und Schwierigkeit sowie Bedeutung der Sache für den Betroffenen, sondern auch nach der Fähigkeit des Beteiligten, seine Rechte selbst wahrzunehmen sowie sich mündlich und schriftlich auszudrücken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Partei der Hilfe eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, hier: Der Rechtsantragstelle eines Arbeitsgerichts, vergewissern kann.

4

Eine Beiordnung ist daher regelmäßig dann erforderlich, wenn in Kenntnisstand und Fähigkeiten der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht besteht oder der Antragsteller nicht in der Lage ist, die Hilfe der Rechtsantragstelle in Anspruch zu nehmen.

5

Gleiches gilt, falls bereits im Gütetermin mit einer Erörterung des gesamten Streitverhältnisses durch den Vorsitzenden zu rechnen ist, die auch die Würdigung rechtlicher und tatsächlicher Umstände verlangt, und an der auch eine begüterte Partei im Interesse einer sachgerechten Rechtsverfolgung nicht ohne anwaltlichen Beistand teilnehmen würde. Allein die Möglichkeit, dass der Klagegegner Einwendungen erhebt, hat allerdings keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Schwierigkeit einer Sache. Dies ist jedem Zivilprozess immanent. Das kann dazu führen, dass es der antragstellenden Partei zuzumuten ist, den Verlauf des arbeitsgerichtlichen Gütetermins abzuwarten. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn derartige Einwendungen nicht nur möglich, sondern auch konkret zu erwarten sind (BAG v. 18.05.2010 - 3 AZB 9/10 -).

6

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass vorliegend die Beiordnung eines Anwalts nicht zu erfolgen hatte. Auch eine bemittelte Partei in der Lage des Klägers hätte vernünftigerweise erst nach einer erfolglosen Güteverhandlung einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt.

7

Der Kläger war, als er den Prozess einleitete, 33 Jahre alt. Er ist von Beruf Koch. Irgendwelche Hinweise, dass er nicht in der Lage war, eine Rechtsantragstelle aufzusuchen und auf diesem Weg Klage zu erheben, sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat gegenüber der Zahlungsklage keinerlei Einwendungen erhoben. Darüber hinaus hatte die Beklagte den streitbefangenen Arbeitsentgeltanspruch des Klägers bereits vor Klageerhebung mit Abrechnung vom 07.04.2010 abgerechnet und den eingeklagten Betrag noch vor Durchführung der auf den 17.05.2010 anberaumten Güteverhandlung beglichen. All dies zeigt, dass der Beklagten keinerlei Rechtsgründe für die Nichtzahlung des Entgelts zur Seite standen. Angesichts dessen war es zwar möglich, aber unwahrscheinlich, dass es in der Güteverhandlung zu ernsthaften rechtlichen und tatsächlichen Erörterungen kommen würde. Es war dem Kläger daher ohne weiteres zumutbar, den Verlauf der Güteverhandlung abzuwarten, um zu klären, ob anwaltlicher Beistand in Anspruch genommen werden musste.

8

Die sofortige Beschwerde des Klägers war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

9

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung. Diese Entscheidung ist daher unanfechtbar.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 121 Beiordnung eines Rechtsanwalts


(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet. (2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 46 Grundsatz


(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung. (2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsger

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bei uns veröffentlicht am 18.05.2010

Tenor Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24. Februar 2010 - 14 Ta 518/09 - wird zurückgewiesen.

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(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet.

(2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

(3) Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.

(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden.

(5) Findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24. Februar 2010 - 14 Ta 518/09 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I. Die Rechtsbeschwerde betrifft die Frage, ob dem Kläger im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch ein Anwalt hätte beigeordnet werden müssen.

2

Der Rechtsbeschwerdeführer und Kläger des Hauptverfahrens(hiernach: Kläger) ist am 26. Juni 1987 geboren. Er absolvierte vom 1. Januar bis zum 31. Juli 2008 bei der Beklagten des Hauptverfahrens (künftig: Beklagte) ein Praktikum, das mit Wirkung vom 1. August 2008 in ein Berufsausbildungsverhältnis als „Mediengestalter Bild und Ton“ überging. Für die Dauer des Praktikums war mündlich eine monatliche Vergütung von 288,00 Euro brutto und für das erste Jahr des Berufsausbildungsverhältnisses eine Vergütung von 500,00 Euro brutto vereinbart. Ab Mitte 2008 gab es mit der Zahlung der Vergütung Probleme. Die Beklagte zahlte für Juni und Juli 2008 keine Praktikumsvergütung und für September und Oktober 2008 keine Ausbildungsvergütung.

3

Nachdem Zahlungserinnerungen des Klägers erfolglos geblieben waren, vereinbarten die Parteien auf seine Initiative schriftlich am 9. Oktober 2008 eine Freistellung des Klägers bis zur Aufnahme der Zahlungen durch die Beklagte. Später hoben sie das Ausbildungsverhältnis einvernehmlich auf.

4

Unter dem 17. März 2009 erhob der Kläger anwaltlich vertreten Klage auf Zahlung des rückständigen Entgelts von 1.576,00 Euro nebst Zinsen. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. In der Güteverhandlung am 6. Mai 2009 erschien der Inhaber der Beklagten persönlich. Die Beklagte war anwaltlich nicht vertreten. Ihr Inhaber erkannte die Klageforderung an, woraufhin Anerkenntnisurteil erging.

5

Bei den Akten befindet sich eine auf den 18. Juni 2009 erstellte Verfügung, die sich über einen Beschluss verhält, mit dem dem Kläger Prozesskostenhilfe in vollem Umfange bewilligt, die Beiordnung eines Rechtsanwalts jedoch abgelehnt wurde, und in der auf Gründe verwiesen wurde, die sich auf der nächsten Seite befanden. Diese richterliche Verfügung ist nicht unterzeichnet. Sowohl im Beiheft Prozesskostenhilfe als auch in der Akte des Hauptverfahrens befindet sich jeweils eine Leseabschrift eines Beschlusses mit Begründung mit demselben Inhalt, die in der maschinenschriftlichen Unterschriftenzeile Richter am Arbeitsgericht H als Unterzeichner ausweist. Die Akten enthalten keinen tatsächlich unterzeichneten Beschluss. Mit Empfangsbekenntnis vom 23. Juni 2009 bestätigte der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Erhalt des „PKH-Beschl. v. 18.6.09“.

6

Eingehend beim Arbeitsgericht am 8. Juli 2009 legte der Kläger insoweit sofortige Beschwerde ein, als die Beiordnung eines Anwalts abgelehnt wurde. Mit unterzeichnetem Beschluss vom 27. August 2009 half das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht ab. Es legte die Akten dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung über die Beschwerde vor. Mit Beschluss vom 24. Februar 2010 wies das Landesarbeitsgericht die sofortige Beschwerde des Klägers zurück und ließ die Rechtsbeschwerde zu. Dieser Beschluss wurde nicht förmlich zugestellt.

7

Mit seiner am 12. März 2010 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen und gleichzeitig begründeten Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger sein Ziel, eine Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten im Wege der Prozesskostenhilfe zu erreichen, weiter.

8

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

9

1. Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

10

Eine den Fristbeginn für die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde auslösende Zustellung des angefochtenen Beschlusses(§ 575 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 ZPO) erfolgte nicht dadurch, dass dieser dem Prozessbevollmächtigten des Klägers formlos zuging. Der formlose Zugang des Beschlusses steht einer förmlichen Zustellung nicht gleich. Insbesondere ist § 189 ZPO nicht anwendbar. Hier geht es um eine vom Gericht unterlassene Zustellung. Es liegt schon kein Zustellauftrag (§ 176 ZPO) vor. Auf derartige Fallgestaltungen ist § 189 ZPO nicht anwendbar. Er gilt nur, wenn das Gericht mit Zustellungswillen gehandelt hat (BAG 25. November 2008 - 3 AZB 55/08 - Rn. 6, AP ZPO § 115 Nr. 8 = EzA ZPO 2002 § 115 Nr. 6; BGH 26. November 2002 - VI ZB 41/02 - zu II 1 c der Gründe, NJW 2003, 1192).

11

Obwohl damit weder die Frist zur Einlegung, noch die zur Begründung der Rechtsbeschwerde begonnen hat, ist das Rechtsmittel wirksam eingelegt und begründet. Auch vor dem gesetzlich festgelegten Fristbeginn kann ein Rechtsmittel eingelegt und begründet werden, da die Begründung(hier nach § 575 Abs. 2 und 3 ZPO) nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist jedoch, dass die Entscheidung bereits in der Welt ist. Das ist hier der Fall. Beschlüsse sind von dem Augenblick an in der Welt, in dem sie formlos mitgeteilt werden. Das ist unabhängig davon, ob eine Verkündung oder Zustellung gesetzlich (§ 329 Abs. 2 und 3 ZPO) vorgesehen ist (BAG 25. November 2008 - 3 AZB 55/08 - Rn. 7, AP ZPO § 115 Nr. 8 = EzA ZPO 2002 § 115 Nr. 6).

12

2. Verfahrensrechtliche Gründe stehen weder einer Sachentscheidung entgegen noch führen sie zu einem Erfolg der Rechtsbeschwerde.

13

a) Allerdings ist Ausgangspunkt des Beschwerdeverfahrens ein unwirksamer Beschluss des Arbeitsgerichts. Es fehlte nämlich an einer Unterzeichnung des ursprünglichen Beschlusses. Dieser war damit nichtig, ein bloßer „Scheinbeschluss“.

14

§ 329 Abs. 1 Satz 2 ZPO verweist für Beschlüsse auf die für Urteile geltende Regelung in § 317 Abs. 2 Satz 1 ZPO, die die Zustellung betrifft. Daraus wird deutlich, dass bei Beschlüssen die richterliche Unterschrift als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Die Zustellung eines Beschlusses kann die richterliche Unterschrift nicht ersetzen, da sie von der Geschäftsstelle veranlasst wird(§ 168 Abs. 1 ZPO; zum Ganzen BGH 23. Oktober 1997 - IX ZR 249/96 - zu II 1, 3 a und d der Gründe, BGHZ 137, 49).

15

b) Damit richtete sich die sofortige Beschwerde des Klägers gegen einen Beschluss, der in Wirklichkeit gar nicht erlassen war. Er war nicht in der Welt. Das macht die Beschwerde jedoch nicht unzulässig, denn durch die Zustellung an den Kläger war der Schein eines Beschlusses gesetzt. Derartige Scheinbeschlüsse können mit dem dafür gegebenen Rechtsmittel, hier der sofortigen Beschwerde(§ 127 Abs. 2 iVm. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), angegriffen werden (vgl. OLG Karlsruhe 20. Mai 2003 - 16 WF 41/03 - NJW-RR 2004, 1507).

16

c) Der Mangel der fehlenden Unterschrift wurde durch die vom Arbeitsgericht getroffene Abhilfeentscheidung geheilt.

17

Eine fehlende Unterschrift unter einen Beschluss kann nachträglich mit Wirkung für die Zukunft geheilt werden(BGH 23. Oktober 1997 - IX ZR 249/96 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 137, 49). Wird in einer Nichtabhilfeentscheidung auf den ursprünglichen, formal unwirksamen Beschluss verwiesen, nimmt das Gericht dadurch die ursprüngliche Entscheidung in seinen Willen auf (vgl. OLG Düsseldorf 23. Juli 1993 - 3 W 326/93 - zu II der Gründe, NJW-RR 1994, 383). Das steht der nachträglichen Anbringung einer fehlenden Unterschrift gleich, da damit sichergestellt ist, dass die ursprüngliche Entscheidung inhaltlich von dem erkennenden Gericht getragen wird.

18

Hier hat das Arbeitsgericht zwar nicht ausdrücklich seine ursprünglichen Ausführungen in Bezug genommen. Aus den inhaltlichen Ausführungen der Nichtabhilfeentscheidung ergibt sich jedoch, dass diese nur vor dem Hintergrund der Ursprungsentscheidung zu verstehen ist und diese deshalb in vollem Umfange gebilligt hat. Die Ursprungsentscheidung ist deshalb vom Willen des erkennenden Gerichts gedeckt.

19

d) Mit der Abhilfeentscheidung wurden nicht nur die formalen Fehler der Ursprungsentscheidung geheilt, vielmehr hat das Arbeitsgericht - wie in § 572 Abs. 1 ZPO vorgesehen - sich nochmals erneut unter Berücksichtigung von Einwendungen in einer zulässigen sofortigen Beschwerde inhaltlich mit den im Scheinbeschluss enthaltenen und nunmehr auch für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Gründen auseinandergesetzt. Damit hat es gleichzeitig das Abhilfeverfahren durchgeführt. Jedenfalls deswegen lagen die Voraussetzungen für eine Beschwerdeentscheidung vor. Der Senat kann deshalb offenlassen, ob ein unterbliebenes Abhilfeverfahren nach dieser Vorschrift einer Entscheidung über die Beschwerde entgegensteht(zum vergleichbaren Fall der fehlerhaft unterbliebenen Heranziehung der ehrenamtlichen Richter im Nichtabhilfeverfahren verneinend LAG Baden-Württemberg 7. August 2002 - 15 Ta 12/02 - LAG-Report 2003, 150; bejahend Hessisches LAG 15. Februar 2008 - 8 Ta 259/07 -).

20

3. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

21

Nach § 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, § 121 Abs. 2 ZPO ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren erster Instanz einer Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Anwalt ihrer Wahl beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Da die Beklagte anwaltlich nicht vertreten war, kommt es hier allein darauf an, ob die Beiordnung eines Rechtsanwalts „erforderlich erscheint“. Das ist nicht der Fall.

22

a) Was „erforderlich erscheint“, ist im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG iVm. dem in Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsstaats- und dem in Art. 20 Abs. 1 GG verbürgten Sozialstaatsprinzip auszulegen. Nach diesen Grundsätzen muss die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend angeglichen werden. Der unbemittelten Partei darf die Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung im Vergleich zur bemittelten nicht unverhältnismäßig erschwert werden; der Unbemittelte muss grundsätzlich ebenso wirksamen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können wie ein Begüterter. Ein Rechtsanwalt ist beizuordnen, wenn ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte(vgl. BVerfG 18. März 2003 - 1 BvR 329/03 - zu II 2 a der Gründe, ZInsO 2003, 653; BGH 18. Februar 2009 - XII ZB 137/08 - Rn. 9, NJW-RR 2009, 794).

23

Das gebietet eine auf die jeweilige Lage bezogene Einzelfallprüfung und lässt eine Herausbildung von Regelsätzen, nach denen der mittellosen Partei für bestimmte Verfahren immer oder grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen ist, wenn überhaupt, nur in engen Grenzen zu(vgl. BGH 18. Februar 2009 - XII ZB 137/08 - Rn. 10, NJW-RR 2009, 794). Die Voraussetzungen der Beiordnung eines Rechtsanwalts beurteilen sich vielmehr im Einzelfall nicht nur nach Umfang und Schwierigkeit sowie Bedeutung der Sache für den Betroffenen, sondern auch nach der Fähigkeit des Beteiligten, seine Rechte selbst wahrzunehmen sowie sich mündlich und schriftlich auszudrücken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Partei der Hilfe eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, hier: der Rechtsantragsstelle eines Arbeitsgerichts, vergewissern kann (vgl. BVerfG 6. Mai 2009 - 1 BvR 439/08 - Rn. 17; BGH 18. Juli 2003 - IXa ZB 124/03 - zu II der Gründe, NJW 2003, 3136).

24

Eine Beiordnung ist daher regelmäßig schon dann erforderlich, wenn in Kenntnisstand und Fähigkeiten der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht besteht(BVerfG 18. März 2003 - 1 BvR 329/03 - zu II 2 a der Gründe, ZInsO 2003, 653; BGH 18. Februar 2009 - XII ZB 137/08 - Rn. 9 f., NJW-RR 2009, 794) oder der Antragsteller nicht in der Lage ist, die Hilfe der Rechtsantragsstelle in Anspruch zu nehmen.

25

Gleiches gilt, falls bereits im Gütetermin mit einer Erörterung des gesamten Streitverhältnisses durch den Vorsitzenden(§ 54 Abs. 1 Satz 2 ArbGG) zu rechnen ist, die auch die Würdigung rechtlicher und tatsächlicher Umstände verlangt, und an der auch eine begüterte Partei im Interesse einer sachgerechten Rechtsverfolgung nicht ohne anwaltlichen Beistand teilnehmen würde. Allein die Möglichkeit, dass der Klagegegner Einwendungen erhebt, hat allerdings keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Schwierigkeit einer Sache. Dies ist jedem Zivilprozess immanent. Das kann dazu führen, dass es der antragstellenden Partei zuzumuten ist, den Verlauf des arbeitsgerichtlichen Gütetermins abzuwarten. Das gilt jedoch dann nicht, wenn derartige Einwendungen nicht nur möglich, sondern auch konkret zu erwarten sind.

26

b) Diesen Überlegungen steht nicht die Erwägung des Klägers entgegen, dass nach den zivilprozessualen Kostenerstattungsvorschriften, von denen § 12a ArbGG allerdings für das erstinstanzliche arbeitsgerichtliche Verfahren eine Ausnahme macht, nach § 91 Abs. 2 ZPO immer die Erstattung der gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts umfasst ist und das Gesetz sie deshalb letztlich als zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig iSv. § 91 Abs. 1 ZPO ansieht. Die Kostenvorschriften setzen daran an, ob eine Partei ganz oder teilweise den Rechtsstreit gewonnen hat oder nicht(§ 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO). Wer in der Sache Recht hat, soll grundsätzlich nicht mit den Kosten der anwaltlichen Vertretung belastet bleiben. Demgegenüber geht es bei der Frage der Prozesskostenhilfe nicht darum, eine Partei, die im Ergebnis Recht hatte, von bestimmten Kosten zu entlasten. Es geht vielmehr darum, durch Einsatz öffentlicher Mittel sicherzustellen, dass auch eine nicht bemittelte Partei ebenso wie eine bemittelte Partei grundsätzlich die gleichen Chancen hat, überhaupt am gerichtlichen Verfahren effektiv teilzunehmen. Vor diesem Hintergrund ist die Wertung in den Kostenerstattungsvorschriften nicht auf das Prozesskostenhilfeverfahren zu übertragen.

27

Entgegen der Ansicht des Klägers liegt darin auch keine fiskalische Betrachtung des Prozesskostenhilferechts, sondern dessen Auslegung anhand seines Zweckes und der ihm zugrunde liegenden verfassungsrechtlichen Vorgaben.

28

c) Die Anwendung der genannten Grundsätze führt hier dazu, dass eine Beiordnung eines Anwalts nicht zu erfolgen hatte. Auch eine bemittelte Partei in der Lage des Klägers hätte vernünftigerweise erst nach einer erfolglosen Güteverhandlung einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt.

29

Der Kläger war, als er den Prozess einleitete, 21 Jahre alt. Er strebte den Beruf eines Medienberaters Bild und Ton an. Irgendwelche Hinweise, dass er nicht in der Lage war, eine Rechtsantragsstelle aufzusuchen und auf diesem Wege Klage zu erheben, sind nicht ersichtlich. Auch eine Unterlegenheit gegenüber dem Inhaber der Beklagten lag nicht vor. Vielmehr hatte der Kläger bereits außergerichtlich durch die mit der Beklagten geschlossene Vereinbarung, wonach er während der Zahlungsrückstände von der Arbeit freigestellt wurde, gezeigt, dass er seine Interessen effizient auch gegenüber dem Inhaber der Beklagten durchsetzen konnte.

30

Schließlich war aufgrund der Vorgeschichte klar, dass der Beklagten keinerlei Rechtsgründe für die Nichtzahlung des Entgelts zur Seite standen; sie hatte auch keine derartigen Gründe geltend gemacht. Angesichts dessen war es zwar möglich, aber unwahrscheinlich, dass es in der Güteverhandlung zu ernsthaften rechtlichen und tatsächlichen Erörterungen kommen würde. Es war dem Kläger daher ohne Weiteres zumutbar, den Verlauf der Güteverhandlung abzuwarten, um zu klären, ob anwaltlicher Beistand in Anspruch genommen werden musste.

        

    Reinecke    

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

        

        

        

        

        

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)