Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 10. Mai 2017 - 4 Sa 421/16

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:0510.4Sa421.16.00
10.05.2017

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 7.7.2016, Az. 11 Ca 1091/15, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:

1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 73,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz mit dem 18.3.2016 zu zahlen.

2) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren noch über Ansprüche der Klägerin auf Rückzahlung von Prämien sowie auf Erstattung des Kaufpreises für von der Beklagten im Namen der Klägerin bestellte Kaffeekapseln.

2

Die Beklagte war vom 01.01.1998 bis zum 30.04.2015 bei der Klägerin, die eine Steuerberatungsgesellschaft führt, als Angestellte beschäftigt. Nach § 1 Abs. 1 des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien vom 2.09.1998, hinsichtlich dessen Inhalts auf Blatt 8 ff. d. A. Bezug genommen wird, gehörten zu ihren Aufgaben die Erstellung der Lohnbuchhaltungen, Finanzbuchhaltungen sowie die Vorbereitung von Steuererklärungen und Abschlüssen für die Mandanten der Klägerin. Zuletzt war die Beklagte als Bilanzbuchhalterin bei der Klägerin tätig. Daneben war sie verantwortlich für die EDV und seit dem 01.11.2004 war sie als Datenschutzbeauftragte bestellt gewesen. Ihre vertragsgemäße Arbeitsvergütung belief sich zuletzt bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden auf 4.200,00 € brutto zuzüglich einer Direktversicherung von 146,00 € sowie einer betrieblichen Altersversorgung von 232,00 €.

3

Die Beklagte war Mitglied des Aufsichtsrats der Klägerin.

4

Bis 2014 unterhielt die Klägerin zwei Büros, eines in B., wo auch die Lohnunterlagen aufbewahrt werden, und ein weiteres in M.. Die Beklagte arbeitete in B., wo auch das seinerzeitige Vorstandsmitglied der Beklagten Matthias C., mit dem die Klägerin seit dem 19.12.2013 verheiratet ist, als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer tätig war.

5

Der Beklagten oblag auch die Erstellung der monatlichen Gehaltsabrechnungen der Mitarbeiter der Klägerin und die Vorbereitung der jeweiligen Gehaltsauszahlungen.

6

In den Jahren 2010 bis 2014 wurden an die Beklagte über deren vertraglich vereinbarte Arbeitsvergütung hinaus u. a. Prämien in Höhe von insgesamt 44.250,00 € ausgezahlt.

7

Am 03.11.2014 bestellte die Beklagte im Namen der Klägerin Kaffeekapseln für eine Espressomaschine zum Gesamtpreis von 73,80 €. Als Lieferadresse war das Büro der Klägerin in B. angegeben. Dort befand sich unstreitig keine entsprechende Espressomaschine. Ob sich eine solche im Büro der Klägerin in M. befand, ist zwischen den Parteien ebenso streitig wie die Frage, ob die Beklagte in ihrem Privathaus über eine solche Maschine verfügte. Die Beklagte brachte den Rechnungsbetrag vom Geschäftskonto der Klägerin zur Auszahlung.

8

Mit ihrer am 23.12.2015 beim Arbeitsgericht eingereichten und mit Schriftsatz vom 14.03.2016 reduzierten Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Rückzahlung von Überstundenvergütung, einer im Jahr 2011 gezahlten Urlaubsabgeltung, ausgezahlter Prämien sowie auf Erstattung des für den Erwerb von Kaffeekapseln gezahlten Betrages in Gesamthöhe von 52.343,90 € in Anspruch genommen.

9

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 07.07.2016 (Bl. 353 - 363 d. A.).

10

Die Klägerin hat (zuletzt) beantragt,

11

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 52.343,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB aus einem Betrag von

12

2.100,00 EUR

seit dem 20.11.2010

1.900,00 EUR

seit dem 20.12.2010

1.750,00 EUR

seit dem 20.03.2011

3.500,00 EUR

seit dem 20.04.2011

3.500,00 EUR

seit dem 20.05.2011

1.750,00 EUR

seit dem 20.06.2011

1.000,00 EUR

seit dem 20.11.2011

1.615,80 EUR

seit dem 20.11.2011

 250,00 EUR

seit dem 20.12.2011

                 

2.000,00 EUR

seit dem 20.04.2012

3.500,00 EUR

seit dem 20.08.2012

3.500,00 EUR

seit dem 20.09.2012

3.500,00 EUR

seit dem 20.10.2012

4.000,00 EUR

seit dem 20.11.2012

4.000,00 EUR

seit dem 20.12.2012

                 

1.000,00 EUR

seit dem 20.01.2013

1.442,50 EUR

seit dem 20.01.2013

1.000,00 EUR

seit dem 20.02.2013

1.538,50 EUR

seit dem 20.02.2013

1.538,50 EUR

seit dem 20.03.2013

1.000,00 EUR

seit dem 20.06.2013

 615,40 EUR

seit dem 20.08.2013

1.000,00 EUR

seit dem 20.10.2013

 769,40 EUR

seit dem 20.11.2013

                 

1.000,00 EUR

seit dem 15.08.2014

3.000,00 EUR

seit dem 20.10.2014

 73,80 EUR

seit dem 20.11.2014

13

zu zahlen.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Sonja D., Matthias C. und Heidi F.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Seiten 4 - 15 (= Bl. 326 - 337 d. A.) der Sitzungsniederschrift vom 07.07.2016 verwiesen.

17

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 07.07.2016 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 12 - 28 dieses Urteils (= Bl. 363 - 379 d. A.) verwiesen.

18

Gegen das ihr am 29.08.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.09.2016 Berufung eingelegt und diese am Montag, dem 31.10.2016, begründet.

19

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, weder das Vorbringen der Beklagten noch die Aussage des erstinstanzlich vernommenen Zeugen C. seien geeignet, die exorbitanten Prämienzahlungen an die Beklagte zu rechtfertigen. Dies gelte auch dann, wenn es die die einzelnen Auszahlungen betreffenden Zahlungsanweisungen des Zeugen C. tatsächlich gebe. Es lägen Umstände vor, die den Schluss nahelegten, dass die Beklagte die Prämien ohne Rechtsgrund erhalten habe. Ein außerordentlicher, zusätzlicher Arbeitseinsatz der Beklagten bzw. besondere Leistungen, die der Gewährung der Prämien zugrunde liegen könnten, seien nicht gegeben. Lediglich in den Jahren 2010, 2012 und 2013 habe die Beklagte Überstunden erbracht, in den Jahren 2011 und 2014 hingegen Minusstunden. Das Kriterium für Prämienauszahlungen für außerordentliche Arbeitseinsätze in Form von geleisteten Überstunden sei daher ein Scheinargument. Auf ihre Tätigkeit als Datenschutzbeauftragte könne die Beklagte die Auszahlung der Prämien ebenfalls nicht stützen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass sie infolge ihrer Zuständigkeiten im EDV-Bereich nicht zugleich die Funktion einer Datenschutzbeauftragten hätte übernehmen dürfen. Die Aussage des Zeugen C., wonach die Prämienzahlungen im Jahr 2012 für auch an Samstagen und Sonntagen von der Beklagten bezüglich der Verschmelzung von Gesellschaften erbrachten Tätigkeiten geleistet worden seien, sei wenig glaubwürdig. Ausweislich der Leistungserfassungslisten habe die Beklagte im Jahr 2012 lediglich an vier Sonntagen und einem Samstag gearbeitet. Entgegen der Aussage des Zeugen C. habe die Beklagte für das "ARWA-Mandat" im Jahr 2012 nicht am Wochenende gearbeitet. Der persönliche Umsatzanteil der Beklagten an dem betreffenden Mandat sei keineswegs so exorbitant, als dass man hierfür Prämien in Höhe von 20.000,00 € gewähren müsste. Im Vergleich zur Beklagten hätten andere Mitarbeiter wesentlich höhere Umsätze generiert. Der von der Beklagten selbst als Leistungsträger benannte Mitarbeiter B. habe keinerlei Prämien, die Mitarbeiterin M. lediglich zwei Essensgutscheine erhalten. Dieses Missverhältnis sei eklatant, zumal die höherqualifizierten Mitarbeiter M. und B. auch bereits ein niedrigeres Grundgehalt bezogen hätten als die Beklagte. Auch für das Mandat "U.-GmbH" habe die Beklagte keinen außerordentlichen Arbeitseinsatz erbracht. Entsprechendes gelte für die Firma E. Schmuckwaren. Soweit der Zeuge C. eine im Jahr 2013 ausgezahlte Prämie von 4.000,00 € mit der Umstellung des Computersystems begründet habe, so sei zu berücksichtigen, dass die EDV zum vertraglichen Aufgabenbereich der Klägerin gehört habe. Insgesamt sei also festzustellen, dass die Beklagte keinen überobligatorischen Einsatz in zeitlicher Hinsicht erbracht habe, noch habe ein überobligatorischer Einsatz zu überdurchschnittlichen hohen Umsätzen geführt. Die Beklagte habe also über Jahre hinweg kollusiv mit dem damaligen Vorstand C. an sich selbst ungerechtfertigte Prämien ausgezahlt. Selbst wenn es entsprechende Zahlungsanweisungen des Vorstands C. gebe, so seien diese fingiert. Die Beklagte sei daher in Höhe der Prämienauszahlungen ungerechtfertigt bereichert. Darüber hinaus habe die Beklagte ihre vertragliche Nebenpflicht, den Arbeitgeber nicht zu schädigen, verletzt. Zu berücksichtigen sei auch, dass sie als Aufsichtsratsmitglied eine Kontrollfunktion gegenüber dem Vorstand auszuüben gehabt habe, wobei sie über diese Pflicht großzügig hinweggesehen habe. Die betreffenden Auszahlungen hätte sie nicht ausführen dürfen. Zumindest hätte sie auch den anderen Vorstand informieren müssen. Stattdessen habe sich die Beklagte Ende 2014 auf den Standpunkt gestellt, sie - die Klägerin - sei wirtschaftlich angeschlagen und einen Sanierungsplan gefordert. Da die Zahlungen an die Beklagte rechtsgrundlos und in kollusivem Zusammenwirken erfolgt seien, ergebe sich aus § 812 BGB sowie aus Deliktsrecht gemäß § 823 Abs. 1, 2 BGB der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch. Die Klage sei auch bezüglich der geltend gemachten Erstattung des für Kaffeekapseln gezahlten Betrages von 73,80 € begründet. In dem Büro in M. habe sich keine Kaffeemaschine befunden, für die die betreffenden Kapseln geeignet seien. Soweit das Arbeitsgericht im erstinstanzlichen Urteil ausführe, der Umstand, dass die Beklagte in ihrem Privatwohnhaus möglicherweise über eine entsprechende Kaffeemaschine verfüge, lasse nicht die sichere Feststellung zu, dass es sich bei der Bestellung der Kapseln um eine Bestellung für den Eigenbedarf gehandelt habe, so sei diese Annahme falsch.

20

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 31.10.2016 (Bl. 441 - 460 d. A.) sowie auf den Schriftsatz der Klägerin vom 13.04.2017 (Bl. 537 - 540 d. A.) Bezug genommen.

21

Die Klägerin beantragt,

22

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 44.323,80 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von

23

2.100,00 €

seit dem 20.11.2010

1.900,00 €

seit dem 20.12.2010

1.750,00 €

seit dem 20.03.2011

3.500,00 €

seit dem 20.04.2011

3.500,00 €

seit dem 20.05.2011

1.750,00 €

seit dem 20.06.2011

1.000,00 €

seit dem 20.11.2011

1.615,80 €

seit dem 20.11.2011

 250,00 €

seit dem 20.12.2011

2.000,00 €

seit dem 20.04.2012

                 

3.500,00 €

seit dem 20.08.2012

3.500,00 €

seit dem 20.09.2012

3.500,00 €

seit dem 20.10.2012

4.000,00 €

seit dem 20.11.2012

4.000,00 €

seit dem 20.12.2012

1.000,00 €

seit dem 20.01.2013

1.000,00 €

seit dem 20.02.2013

1.000,00 €

seit dem 20.06.2013

1.000,00 €

seit dem 20.10.2013

1.000,00 €

seit dem 15.08.2014

3.000,00 €

seit dem 20.10.2014

 73,80 €

seit dem 20.11.2014

24

Die Beklagte beantragt,

25

die Berufung zurückzuweisen.

26

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 07.12.2016 (Bl. 524 - 532 d. A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

27

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch nur zu einem ganz geringen Teil Erfolg.

II.

1.

28

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung der an sie ausgezahlten Prämien.

29

Das Berufungsgericht folgt insoweit den Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I. 3. der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener vollständiger Entscheidungsgründe wird daher abgesehen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin bietet lediglich Anlass zu folgenden Ergänzungen:

a)

30

Der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch ergibt sich nicht aus § 812 Abs. 1 BGB. Die Beklagte ist durch die Prämienzahlungen nicht ungerechtfertigt bereichert, da es hinsichtlich dieser Zahlungen nicht an einem rechtlichen Grund i. S. v. § 812 Abs. 1 BGB fehlt.

31

Zwar hatte die Beklagte keinen vertraglichen Anspruch auf die Prämienzahlungen. Es handelte sich diesbezüglich um freiwillige Leistungen, die im Bereich des Arbeitsrechts nicht unüblich sind und denen keinerlei Rechtsanspruch des Arbeitnehmers zugrunde liegt. Den Rechtsgrund für solche freiwilligen Leistungen bildet in diesen Fällen die in irgendeiner Weise, u. U. alleine durch die Auszahlung nach außen hin zum Ausdruck gebrachte Entscheidung des Arbeitgebers, die betreffende Leistungen zu gewähren.

32

Danach kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass die Prämienzahlungen an die Beklagten ohne rechtlichen Grund erfolgten. Jedenfalls ist es der Klägerin nicht gelungen, das Fehlen eines Rechtsgrundes zu beweisen.

33

Das Arbeitsgericht ist nach zutreffender Beweiswürdigung zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass keinesfalls ausgeschlossen werden kann, dass jeder einzelnen Prämienzahlung an die Beklagte eine diesbezügliche, sogar schriftlich dokumentierte Zahlungsanordnung bzw. - Anweisung wie etwa diejenige vom 30.03.2012 (Bl. 314 d. A. ) des seinerzeitigen Vorstandsmitglieds Matthias C. zugrunde lag. Insoweit ist den Ausführungen des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil nichts hinzuzufügen. Die Beklagte hat auch nicht etwa geltend gemacht, das seinerzeitige Vorstandsmitglied Matthias C. sei im Außenverhältnis, d. h. auch gerade gegenüber der Beklagten nicht zur Entscheidung über die Gewährung von Prämien befugt bzw. vertretungsberechtigt gewesen.

34

Für die Frage, ob ein rechtlicher Grund für die Prämienauszahlungen bestand, ist es ohne Belang, ob die betreffenden freiwilligen Leistungen aus objektiver Sicht - etwa im Hinblick auf einen außerordentlichen Arbeitseinsatz der Beklagten - gerechtfertigt waren. Denn den rechtlichen Grund i. S. v. § 812 Abs. 1 BGB bildet, wie bereits ausgeführt, bei freiwilligen Leistungen, auf die keinerlei Rechtsanspruch besteht, bereits allein die irgendwie nach außen hin zum Ausdruck gekommene Entscheidung des Arbeitgebers, die Leistungen zu gewähren. Überdies steht dem Arbeitgeber bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen ein auch von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (BAG v. 21.10.2014 - 9 AZR 956/12 - AP Nr. 7 zu § 10 AGG).

35

Ausreichende Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammenwirken zwischen der Beklagten und dem Zeugen Matthias C. bestehen nicht. Insbesondere lässt sich ein kollusives Zusammenwirken nicht bereits aus dem Umstand herleiten, dass die Beklagte seit dem 19.12.2013 mit dem seinerzeitigen Vorstandmitglied C. verheiratet ist und daher wohl bereits zuvor dessen Lebensgefährtin war. Auch die sonstigen zwischen den Parteien sowie zwischen der Klägerin und ihrem ehemaligen Vorstandsmitglied C. geführten Rechtsstreitigkeiten und die Ergebnisse der betreffenden Prozesse sind insoweit ohne Belang.

36

Die Klage ist auch, soweit sie auf § 812 BGB gestützt wird, hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Rückzahlungsanspruchs unschlüssig. Der von der Klägerin eingeklagte Betrag umfasst nämlich auch die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung. Insoweit hat der Arbeitgeber jedoch im Falle einer ungerechtfertigten Bereicherung des Arbeitnehmers regelmäßig nur Anspruch auf Abtretung des gegen die Sozialversicherungsträger nach §§ 26 Abs. 2, 3 SGB IV bestehenden Erstattungsanspruchs (BAG v. 29.03.2001 - 6 AZR 653/99 - AP Nr. 1 zu § 26 SGB IV: BAG v. 19.02.2004 - 6 AZR 664/02 - AP Nr. 3 zu § 70 BAT-O). Die Höhe der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung lassen sich dem von der Klägerin vorgetragenen Zahlenmaterial nicht entnehmen und sind daher nicht herausrechenbar mit der Folge, dass sich nicht feststellen lässt, in welcher Höhe ein auf Zahlung gerichteter Bereicherungsanspruch vorliegend begründet sein könnte.

b)

37

Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Schadenersatzanspruch auf Rückzahlung der geleisteten Prämien. Die Beklagte hat durch die Entgegennahme der Zahlungen, hinsichtlich derer das Fehlen eines Rechtsgrundes nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen nicht festgestellt werden kann, nicht gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen. Ebensowenig kann - wie bereits ausgeführt - von einem kollusiven Zusammenwirken der Beklagten mit dem seinerzeitigen Vorstandsmitglied Matthias C. ausgegangen werden. Ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB scheidet daher aus. Entsprechendes gilt hinsichtlich eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB). Soweit die an die Beklagte erfolgten Prämienzahlungen, wie von der Beklagten behauptet, aus objektiver Sicht nicht gerechtfertigt waren, so besteht u. U. eine Schadensersatzpflicht des seinerzeitigen Vorstandsmitglieds C., nicht hingegen eine Schadensersatzpflicht der Beklagten.

38

Die Klägerin kann den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch auch nicht mit Erfolg damit begründen, die Beklagte habe ihre Pflichten als Aufsichtsratsmitglied verletzt. Der Aufsichtsrat hat nach § 111 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung zu überwachen. Dass und ggf. ab welchem Zeitpunkt die Beklagte diese Pflicht in Ansehung der an sie erfolgten Prämienzahlungen verletzt habe könnte, ist nicht ersichtlich. Diesbezüglich fehlt es an jeglichem ausreichenden Sachvortrag der Klägerin.

II.

39

Die Berufung ist jedoch insoweit begründet, als die Klägerin ihren Anspruch auf Erstattung des von ihrem Konto gezahlten Kaufpreises von 73,80 € für den Erwerb der von der Beklagten bestellten Kaffeekapseln weiter verfolgt. Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach § 280 Abs. I ZPO einen Schadensersatzanspruch in Höhe des beglichenen Kaufpreises.

40

Die Beklagte hat, indem sie die Auszahlung des Kaufpreises vom Konto der Klägerin veranlasste, gegen ihre arbeitsvertragliche Pflicht verstoßen, die Vermögensinteressen der Klägerin zu wahren. Wie sich aus der Rechnung vom 04.11.2014 (Bl. 41 d. A.) ergibt, erfolgte die Lieferung der Kaffeekapseln entsprechend den Angaben der Beklagten in der von ihr getätigten Bestellung an die Adresse des Büros der Klägerin in B.. Dort befand sich jedoch unstreitig zu keinem Zeitpunkt eine mit den betreffenden Kapseln zu befüllende Kaffeemaschine. Zwar behauptet die Beklagte, eine solche Kaffeemaschine habe sich im M.er Büro der Klägerin befunden. Der Sachvortrag der Beklagten lässt jedoch nicht erkennen, ob, wann und auf welche Weise die Kaffeekapseln zum Büro in M. verbracht wurden. Es ist daher davon auszugehen, dass die Bestellung der Kaffeekapseln von vornherein nicht im Interesse der Klägerin erfolgte und die gelieferte Ware auch nicht der Klägerin zur eigenen Verwendung zugeführt wurde. Der Klägerin ist daher ein Schaden in Höhe des Kaufpreises entstanden.

41

Der ausgeurteilte Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

III.

42

Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

44

Für die Zulassung der Revision bestand nach den Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 812 Herausgabeanspruch


(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mi

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 291 Prozesszinsen


Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Okt. 2014 - 9 AZR 956/12

bei uns veröffentlicht am 21.10.2014

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

(1) Sind Pflichtbeiträge in der Rentenversicherung für Zeiten nach dem 31. Dezember 1972 trotz Fehlens der Versicherungspflicht nicht spätestens bei der nächsten Prüfung beim Arbeitgeber beanstandet worden, gilt § 45 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend. Beiträge, die nicht mehr beanstandet werden dürfen, gelten als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge. Gleiches gilt für zu Unrecht entrichtete Beiträge nach Ablauf der in § 27 Absatz 2 Satz 1 bestimmten Frist.

(2) Zu Unrecht entrichtete Beiträge sind zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat; Beiträge, die für Zeiten entrichtet worden sind, die während des Bezugs von Leistungen beitragsfrei sind, sind jedoch zu erstatten.

(3) Der Erstattungsanspruch steht dem zu, der die Beiträge getragen hat. Soweit dem Arbeitgeber Beiträge, die er getragen hat, von einem Dritten ersetzt worden sind, entfällt sein Erstattungsanspruch.

(4) In den Fällen, in denen eine Mehrfachbeschäftigung vorliegt und nicht auszuschließen ist, dass die Voraussetzungen des § 22 Absatz 2 vorliegen, hat die Einzugsstelle nach Eingang der Entgeltmeldungen von Amts wegen die Ermittlung einzuleiten, ob Beiträge zu Unrecht entrichtet wurden. Die Einzugsstelle kann weitere Angaben zur Ermittlung der zugrunde zu legenden Entgelte von den Meldepflichtigen anfordern. Die elektronische Anforderung hat durch gesicherte und verschlüsselte Datenübertragung zu erfolgen. Dies gilt auch für die Rückübermittlung der ermittelten Gesamtentgelte an die Meldepflichtigen. Die Einzugsstelle hat das Verfahren innerhalb von zwei Monaten nach Vorliegen aller insoweit erforderlichen Meldungen abzuschließen. Das Verfahren gilt für Abrechnungszeiträume ab dem 1. Januar 2015. Das Nähere zum Verfahren, zu den zu übermittelnden Daten sowie den Datensätzen regeln die Gemeinsamen Grundsätze nach § 28b Absatz 1.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen.

(2) Der Aufsichtsrat kann die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, einsehen und prüfen. Er kann damit auch einzelne Mitglieder oder für bestimmte Aufgaben besondere Sachverständige beauftragen. Er erteilt dem Abschlußprüfer den Prüfungsauftrag für den Jahres- und den Konzernabschluß gemäß § 290 des Handelsgesetzbuchs. Er kann darüber hinaus eine externe inhaltliche Überprüfung der nichtfinanziellen Erklärung oder des gesonderten nichtfinanziellen Berichts (§ 289b des Handelsgesetzbuchs), der nichtfinanziellen Konzernerklärung oder des gesonderten nichtfinanziellen Konzernberichts (§ 315b des Handelsgesetzbuchs) beauftragen.

(3) Der Aufsichtsrat hat eine Hauptversammlung einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es fordert. Für den Beschluß genügt die einfache Mehrheit.

(4) Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden. Die Satzung oder der Aufsichtsrat hat jedoch zu bestimmen, daß bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen. Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, so kann der Vorstand verlangen, daß die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt. Der Beschluß, durch den die Hauptversammlung zustimmt, bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfaßt. Die Satzung kann weder eine andere Mehrheit noch weitere Erfordernisse bestimmen.

(5) Der Aufsichtsrat von Gesellschaften, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, legt für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und im Vorstand Zielgrößen fest. Die Zielgrößen müssen den angestrebten Frauenanteil am jeweiligen Gesamtgremium beschreiben und bei Angaben in Prozent vollen Personenzahlen entsprechen. Legt der Aufsichtsrat für den Aufsichtsrat oder den Vorstand die Zielgröße Null fest, so hat er diesen Beschluss klar und verständlich zu begründen. Die Begründung muss ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung zugrunde liegen. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein. Wenn für den Aufsichtsrat bereits das Mindestanteilsgebot nach § 96 Absatz 2 oder 3 gilt, sind die Festlegungen nur für den Vorstand vorzunehmen. Gilt für den Vorstand das Beteiligungsgebot nach § 76 Absatz 3a, entfällt auch die Pflicht zur Zielgrößensetzung für den Vorstand.

(6) Die Aufsichtsratsmitglieder können ihre Aufgaben nicht durch andere wahrnehmen lassen.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

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(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.