vorgehend
Arbeitsgericht Nürnberg, 15 Ca 1646/15, 21.07.2016

Gericht

Landesarbeitsgericht Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 21.07.2016 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Hinsichtlich der Abweisung des Auflösungsantrags wird die Revision zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand eines Arbeitsverhältnisses.

Die Klägerin steht seit 15.11.2001 beim Beklagten in einem Angestelltenverhältnis. Sie ist an der F… beschäftigt. Seit April 2006 ist sie im damals neu gegründeten International Office (IO) der Technischen Fakultät tätig. Der Technischen Fakultät steht das Dekanat der Fakultät vor, diesem die Dekanin. Daneben gibt es Prodekane und Studiendekane. Die Fakultätsverwaltung wird durch den Geschäftsführer durchgeführt. Die Geschäftsführung ist für alle administrativen, haushaltsrechtlichen und personalrechtlichen Fragen zuständig. Seit Mai 2013 oblag die Geschäftsführung Frau Dr. M… An der Technischen Fakultät war der erste Prodekan Professor Dr. G… fachlich für Forschung und Internationalisierung zuständig.

In einer Aufstellung vom 18.12.2013, die von der Klägerin sowie von Herrn Professor Dr. G… unterschrieben ist (Bl. 22/23 d.A.), ist der Aufgabenbereich der Klägerin im International Office der Technischen Fakultät beschrieben. Darin heißt es, das International Office sei Montag bis Donnerstag in der Zeit von 9:00 Uhr bis 12:00 Uhr und von 13:00 Uhr bis 15:30 Uhr und am Freitag von 9:00 Uhr bis 13:00 Uhr geöffnet. Außerdem enthält das Schriftstück den Hinweis, dass Auswärtstermine, die eine Vertretung sowie gegebenenfalls eine Schließung erfordern, nur nach Rücksprache mit der Technischen Fakultät Dekanatsleitung erfolgten.

Die Klägerin bezieht ein monatliches Gehalt in Höhe von 5.295,70 € brutto.

Die Klägerin ist mit einem Grad von 50% schwerbehindert.

Seit dem 01.05.2013 besteht für die Mitarbeiter der Fakultätsverwaltung der Technischen Fakultät die Anweisung, am elektronischen Zeiterfassungssystem Arbeitsbeginn und – ende zu erfassen. Nach der entsprechenden Anweisung vom 26.04.2013 (Bl. 102 d.A.) müssen Dienstgänge innerhalb des Südgeländes nicht angezeigt werden, das Verlassen des Geländes ist hingegen im Zeiterfassungsgerät kenntlich zu machen. Es ist das dem Arbeitsplatz am nächsten gelegene Zeiterfassungsgerät zu benutzen. Dies ist im Fall der Klägerin das Zeiterfassungsgerät Nr. 84.

Die Klägerin wurde von Frau Dr. M… mit e-mail vom 10.09.2013 (Bl. 103 d.A.) gebeten, alle Dienstgänge außerhalb des Südgeländes über die Zeiterfassung anzuzeigen.

Die Klägerin wurde unter dem 20.01.2014 (Bl. 114 d.A.) abgemahnt, weil sie den Dienst Weg nicht eingehalten und gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern verstoßen habe. Einer gegen diese Abmahnung gerichteten Klage wurde vom Arbeitsgericht stattgegeben.

Unter dem 24.02.2014 (Bl. 130 d.A.) wurde die Klägerin wegen Missachtung des Dienstwegs, Verletzung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit, wegen der Vorenthaltung von Informationen und der Diskreditierung von Vorgesetzten abgemahnt. Eine gegen diese Abmahnung erhobene Klage wurde abgewiesen.

Die Klägerin erfasste am 03.03.2014, 17.03.2014, vom 24. bis 26.03.2014, 01.04.2014 und am 16.04.2014 ihr „Kommen“ am Terminal Nr. 62 (B…straße 1), an den Tagen 27.03.2014 und 04.04.2014 am Terminal Nr. 65 (ZUV H…straße 1), an den Tagen 31.03.2014 und 09.04.2014 am Terminal Nr. 15 (ATD Wohnhaus Ha…straße 2), an den Tagen 11.04.2014 und 28.04.2014 am Terminal Nr. 71 (K…platz 9) und an den Tagen 15.04.2014, 16.04.2014 und 13.05.2014 am Terminal Nr. 53 (Bo…). Am 17.03.2014, am 27.03.2014, am 31.03.2014, am 01.04.2014, am 08.04.2014, am 11.04.2014, am 15.04.2014, am 22.04.2014 und am 24.04.2014 bediente die Klägerin bei „Gehen“ das Terminal Nr. 62, am 04.04.2014 und am 12.05.2014 das Terminal Nr. 41 (Hal…straße 6-8), am 09.04.2014 das Terminal Nr. 42 (S…platz 4), am 23.04.2014 das Terminal Nr. 73 (U…straße 4) und am 29.04.2014 und 30.04.2014 das Terminal Nr. 71. Bei der Bedienung des Zeiterfassungsgeräts drückte die Klägerin nicht die Taste „Dienstgang“.

Am 10.04.2014 gab es zwischen der Klägerin und Frau Dr. M… einen Austausch vom e-mails wegen der Bedienung des Zeiterfassungsgeräts. Wegen des Inhalts wird auf die vorgelegten Kopien verwiesen (Bl. 17/18 d.A.). Unter dem 15.04.2014 erklärte Frau Dr. M… der Klägerin per e-mail (Bl. 17 d.A.), wie das Zeiterfassungsgerät zu bedienen sei.

Mit Schreiben vom 12.06.2014 (Bl. 106 d.A.) wies die Personalabteilung der F… die Klägerin darauf hin, dass sie im Zeitraum 03.03.2014 bis 13.05.2014 wiederholt nicht im Südgelände ein- und ausgestempelt habe, obwohl sich dort ihr Arbeitsplatz befinde, und gab ihr die Gelegenheit, die in diesem Zusammenhang gestellten Fragen bis 30.06.2014 zu beantworten. Eine Äußerung der Klägerin erfolgte nicht. Die Klägerin war vom 23.06.2014 bis 01.08.2014 durchgehend arbeitsunfähig.

Der Beklagte hörte den bei ihm bestehenden Personalrat mit Schreiben vom 21.07.2014 zur beabsichtigten Kündigung an. Wegen des Inhalts des Anhörungsschreibens wird auf die vorgelegte Kopie Bezug genommen (Bl. 491 d.A.).

In einer e-mail, die Herr Professor Dr. Gr… am 19.08.2014 im Zusammenhang mit der Übernahme von Kosten für eine Dienstreise an die Dekanin richtete (Bl. 178 d.A.), heißt es:

Die Schwierigkeiten entstehen möglicherweise dadurch, dass die neue Geschäftsführerin Frau Dr. M. M… die Hintergründe nicht kennt. Sie hat weder in der Graduate School of Engineering noch im PHD-Programm irgendeine Funktion, weder organisatorisch, personell noch administrativ. Ich habe die akademische Leitung, Frau E. Ma… ist Koordinatorin und verantwortlich fürs Bewerbungsverfahren und generell die nichtfachliche Betreuung der PHD-Studierenden, inkl. der Verwendung der PHD-Mittel. Sie war von Anfang an im Umfange von einer Viertelstelle dafür zuständig. Dekan Hu… hat dies dann mit seiner Bestätigung an die Hochschulleitung und an mich dauerhaft garantiert.

Auf Antrag des Beklagten erteilte das Integrationsamt Mittelfranken mit Bescheid vom 11.03.2015 die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung der Klägerin.

Mit Schreiben vom 20.03.2015 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 30.09.2015.

Die Klägerin erhob gegen die Kündigung am 26.03.2015 die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht Nürnberg.

In einem Schreiben des Dekans, Herrn Professor Dr. G…, an Herrn Professor Dr. Gr… vom 12.05.2015 (Bl. 456 d.A.) heißt es u.a.:

Die unklare Auslegung von mutmaßlichen, mündlich gemachten Zusagen bereitet Probleme bei der Aufgabenerfüllung in der Fakultätsverwaltung und soll nun bereinigt werden.

Der Fakultätsvorstand hat beschlossen, dass die Koordination der PHD-Programme, sofern diese überhaupt durch die beteiligten Lehrstühle fortgeführt werden, nicht durch die Fakultät/die Fakultätsverwaltung erfolgt, unabhängig davon, ob dies bisher in irgendeiner Weise vereinbart war oder nicht. In diesem Zuge sind Mitarbeiter/-innen des Dekanats als Kontaktpersonen aus den Informationsmaterialien zu entfernen.

...

Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage mit Endurteil vom 21.07.2016 statt. Den vom Beklagten hilfsweise gestellten Auflösungsantrag wies es ab.

Das Urteil wurde dem Beklagten am 19.08.2016 zugestellt. Der Beklagte legte gegen das Urteil am 01.09.2016 Berufung ein und begründete sie am 21.11.2016. Bis dahin war die Berufungsbegründungsfrist verlängert worden.

Der Beklagte macht geltend, die Klägerin habe wiederholt und beharrlich die Anweisung, alle Dienstgänge außerhalb des Südgeländes zu stempeln, missachtet. Eine Fehlfunktion habe es nicht gegeben. Eine selektive Funktion der Karte der Klägerin sei ausgeschlossen. Der Beklagte macht geltend, der Arbeitsplatz der Klägerin habe sich im International Office vor Ort befunden. Dort habe sie Studenten, die sie aufsuchten, beraten sollen. Es sei nicht nachvollziehbar, welche dienstlichen Termine der Grund dafür gewesen seien, dass die Klägerin fast an jedem Tag den Beginn oder/und das Ende ihrer Arbeitszeit an einem anderen als dem ihrem Arbeitsplatz am nächsten befindlichen habe erfassen müssen. Selbst wenn sie Termine gehabt habe, hätte sie dies als Dienstgang kennzeichnen müssen. Dass sie das Zeiterfassungsgerät nicht habe bedienen können, stelle eine reine Schutzbehauptung dar. Neben den einzelnen Zeiterfassungsterminals befinde sich jeweils eine Bedienungsanleitung (Bl. 104). Dass die Klägerin in der Lage gewesen sei, das Zeiterfassungsgerät zu bedienen, ergebe sich auch daraus, dass sie am 16.04.2014 um 14:56 Uhr habe „Kommen“ stempeln können. Um diese Zeit stehe das Gerät auf „Gehen“, die Klägerin müsse demgemäß vor dem Hinhalten der Karte auf „Kommen“ gedrückt haben.

Der Beklagte trägt vor, das aus den Mitteln des DAAD finanzierte Promotionsprogramm sei im Jahr 2007 abgeschlossen worden. Die Fortführung erfolge seitdem durch das CE-Promotionsprogramm und das CBI-Promotionsprogramm der Universität. Hierfür würden Mittel der Universität verwendet. Die angeführten Promotionsprogramme würden nicht mehr aktiv betrieben, weswegen die Klägerin dafür auch keine Aufgaben mehr zu übernehmen habe. Die Aufgaben der Klägerin seien in der Stellenbeschreibung vom 18.12.2013 definiert.

Der Beklagte macht zur Begründung des Auflösungsantrags geltend, es ziehe sich wie ein roter Faden durch das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin durch, dass sie sich nicht an die Dienstanweisungen des Arbeitgebers halte. Das Verhalten der Klägerin gegenüber ihren Dienstvorgesetzten müsse eindeutig als illoyal bezeichnet werden. Besonders ins Gewicht falle, dass die Klägerin in den vielen arbeitsgerichtlichen Verfahren uneinsichtig an ihren falschen Vorstellungen, z.B. hinsichtlich ihrer Aufgaben, den für sie maßgeblichen arbeitsvertraglichen Zuständigkeiten etc. festhalte.

Der Beklagte führt aus, die Klägerin weise im Zeitraum 2012 bis Ende September 2016 erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten auf. Wegen der Krankheitszeiten im Einzelnen wird auf Seite 19 des Schriftsatzes vom 21.11.2016 Bezug genommen (Bl. 598 d.A.). Der Beklagte macht geltend, die häufigen Kurzzeiterkrankungen wirkten sich auf den Betrieb erheblich belastend aus. Die hohen Lohnfortzahlungskosten stellten eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung dar. Selbst wenn die Klägerin sich wenige Tage an ihrem Arbeitsplatz befinde, beschwere sie sich, dass sie überlastet sei und dass sie studentische Hilfskräfte benötige.

Der Beklagte beantragt,

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 21.07.2016, Az.: 15 Ca 1646/15 wird abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Hilfsweise wird wie in der ersten Instanz der Auflösungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt,

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Die Klägerin rügt, der in der Technischen Fakultät bestehende Personalrat sei vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden.

Sie trägt unter Vorlage eines Schreibens der Technischen Fakultät vom 03.02.2006 (Bl. 177 d.A.) vor, ihr sei die Leitung des International Office sowie die Koordinatorenstelle für Computational Engineering mit dem PHD – Programm der Graduierten Schule (Graduate School of Engineering; GSE) der Technischen Fakultät angeboten worden. Dieses Angebot habe sie angenommen. Die Arbeitsaufteilung sei von Beginn an 50 zu 50 gewesen. 50% seien Aufgaben für Computational Engineering/PHD/Graduate School of Engineering und 50% seien Aufgaben im International Office gewesen. Für den Bereich Computational Engineering/PHD/Graduate School of Engineering sei immer Herr Dr. Gr… ihr Vorgesetzter gewesen, für den Bereich International Office zunächst Herr Dr. Gr…, später zum Teil die Geschäftsführung.

Die Klägerin macht geltend, ab Mai 2013 habe sie mit der Zeiterfassung Probleme gehabt, weil entweder ihre Karte oder das System nicht richtig funktioniert hätten.

Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Gründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1 und Absatz 2 c) ArbGG, sowie form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 64 Absatz 6, 66 ArbGG iVm den §§ 519, 520 ZPO.

Die Berufung ist unbegründet.

Die mit Schreiben vom 20.03.2015 ausgesprochene Kündigung des Beklagten hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet. Sie ist unwirksam. Dabei kann dahinstehen, ob der Personalrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden ist. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt, § 1 Absatz 1 KSchG. Insbesondere liegen keine Gründe vor, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen.

Der Beklagte stützt die Kündigung auf das Verhalten der Klägerin. Nach dem Vorbringen des Beklagten hat die Klägerin wider besseres Wissen und obwohl sie hierzu in der Lage gewesen wäre, es unterlassen, das seit Mai 2013 installierte Zeiterfassungsgerät ordnungsgemäß zu benutzen.

Der Beklagte macht insoweit geltend, die Klägerin sei verpflichtet gewesen, an dem Terminal, das ihrem Arbeitsplatz am nächsten gewesen sei, „Kommen“ und „Gehen“ zu erfassen und insbesondere Dienstgänge kenntlich zu machen, wenn sie das Südgelände verließ.

Dem Beklagten ist darin zuzustimmen, dass die Klägerin gegen diese Vorgaben verstoßen hat.

Sie hat im Zeitraum 08.03.2014 bis 13.05.2014 an 23 Tagen beim Kommen und/oder Gehen nicht an einem Terminal innerhalb des Südgeländes ihre Zeit erfasst, ohne dass sie hierbei die Funktion „Dienstgang“ verwendet hat. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.

In diesem Verhalten liegt, unabhängig davon, aus welchem Grund die Klägerin sich außerhalb des Südgeländes aufhielt, zumindest objektiv eine Pflichtverletzung.

Es bestand seitens der Geschäftsleitung der Universitätsverwaltung mit Wirkung ab 01.05.2013 die Anweisung, das Zeiterfassungsgerät entsprechend zu bedienen. Diese Anweisung wurde der Klägerin per e-mail vom 26.04.2013 übermittelt. Auch hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.

Soweit sich die Klägerin einlässt, sie habe von Anfang an Probleme mit der Zeiterfassung gehabt, ihre Karte habe nicht richtig funktioniert, hat der Beklagte zwar ausgeführt, es gebe keine selektive Fehlfunktion der Karte, die Klägerin sei auch in der Lage gewesen, das Zeiterfassungsgerät zu bedienen. Dies ergebe sich aus dem nicht bestrittenen Umstand, dass die Klägerin 16.04.2014 die Funktion „Kommen“ gewählt habe.

Es kann letztlich dahinstehen, ob bei der Karte der Klägerin eine Fehlfunktion vorlag, oder ob die Klägerin nicht in der Lage war, das Zeiterfassungsgerät ohne konkrete Anleitung zu bedienen, oder ob die Klägerin lediglich unwillig war, sich mit dem Zeiterfassungsgerät auseinanderzusetzen.

Auch wenn Letzteres der Fall war, kann der Beklagte die Kündigung darauf nicht stützen.

Vor Ausspruch einer auf die unterbliebene oder unrichtige Bedienung des Zeiterfassungsgeräts gestützte Kündigung hätte die Klägerin abgemahnt werden müssen.

Bei der Verpflichtung, das Zeiterfassungsgerät korrekt zu bedienen, insbesondere die darin enthaltenen Funktionen zutreffend zu nutzen, handelt es sich um eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis.

Auch die Verletzung nebenvertraglicher Verpflichtungen kann eine verhaltensbedingte Kündigung begründen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich das erkennende Gericht anschließt, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass, beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Absatz 2 iVm. § 323 Absatz 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (vgl. Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 19.11.2015 ‒ 2 AZR 217/15; juris).

Gemessen an diesen Grundsätzen war eine Abmahnung vorliegend nicht entbehrlich.

Weder sind Ansatzpunkte dafür ersichtlich, insbesondere vom Beklagten nicht vorgetragen, dass die Klägerin ihr Verhalten nicht ändern kann oder will, noch handelt es sich bei dem Vorfall um einen solch schweren Pflichtverstoß, dass ein eventueller weiterer Pflichtverstoß als für den Arbeitgeber auch im Interesse der Belegschaft nicht hinnehmbar anzusehen ist.

Der Pflichtverstoß, der der Klägerin anzulasten ist, stellt nicht einen so schwerwiegenden arbeitsvertraglichen Verstoß dar, dass eine Kündigung ohne Abmahnung gerechtfertigt erscheint. Insbesondere behauptet der Beklagte selbst nicht, die Klägerin habe einen Arbeitszeitbetrug begangen.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin sich eine Abmahnung nicht hätte zur Warnung dienen lassen.

Wie bereits das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, fällt es zwar schwer, anzunehmen, die Klägerin sei nicht in der Lage gewesen, das Zeiterfassungsgerät richtig zu bedienen. Auch wenn, worauf sich der Beklagte beruft, neben jedem Terminal eine Bedienungsanleitung hing, war es erforderlich, sich mit dem Gerät auseinander zu setzen. Umgekehrt wäre es bei einiger Geduld für jemanden wie die Klägerin sicher auch möglich gewesen, das Zeiterfassungsgerät zu bedienen, ohne dass eine Anleitung daneben hing.

Der Beklagte hat es indes unterlassen, die Klägerin vor Ort in das Zeiterfassungsgerät einzuweisen. Hierzu hätte es, nachdem die Klägerin sich bereits vor Ausspruch der Kündigung mehrfach darauf berufen hatte, sie komme mit dem Zeiterfassungsgerät nicht zurecht, erhöhte Veranlassung gegeben.

Erst eine derartige erfolgreiche Anleitung, das Zeiterfassungsgerät richtig zu bedienen, hätte die Annahme rechtfertigen können, der Klägerin sei gar nicht daran gelegen gewesen, insbesondere ihre Dienstgänge zu erfassen. Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, die Klägerin sei unwillig gewesen und eine eventuell fehlende Bereitschaft, das Zeiterfassungsgerät richtig zu bedienen, habe auch durch einen Hinweis auf eine mögliche Kündigung nicht behoben werden können.

Eine einschlägige Abmahnung hat die Klägerin nicht erhalten.

Sowohl die Abmahnung vom 20.01.2014 als auch die vom 24.02.2014 wurden ausgesprochen, weil die Klägerin den Dienst Weg nicht eingehalten und gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern verstoßen habe. Bei der Abmahnung vom 24.02.2014 kam hinzu, dass der Klägerin vorgehalten wurde, sie habe Informationen vorenthalten und Vorgesetzte diskreditiert.

Dass die Klägerin das Zeiterfassungsgerät nicht ordnungsgemäß bediente, stellt einen anderen Pflichtverstoß dar, der einer eigenen Abmahnung bedurfte.

Vorsorglich wird ausgeführt, dass die Kündigung nicht darauf gestützt werden kann, die Klägerin habe ihre Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllt bzw. habe bei den nicht dokumentierten Dienstgängen nicht ihr obliegende Aufgaben wahrgenommen.

Als Kündigungsgrund kommt dies bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Personalrat hierzu nicht angehört worden ist. Das Schreiben an den Personalrat vom 21.07.2014 enthält zwar den Hinweis, dass der Klägerin mit Schreiben vom 12.06.2014 vorgeworfen wurde, sie habe ihre Arbeitszeit nicht ordnungsgemäß erfasst. Es findet sich indes kein Hinweis darauf, die Klägerin habe sich unberechtigt an den Terminals außerhalb des Südgeländes aufgehalten.

Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, ob die Klägerin unberechtigte Dienstgänge absolviert hat.

Die Klägerin lässt sich dahin ein, sie sei in ihrer Funktion als Mitarbeiterin im Bereich Computational Engineering/PHD/Graduate School of Engineering für Herrn Professor Dr. Gr… tätig gewesen.

Soweit die Klägerin geltend macht, sie sei zu 50% ihrer Tätigkeit hierfür verantwortlich gewesen, ist dies zwar nicht belegt. Insbesondere geben die Schreiben aus dem Jahr 2009 nicht zwingend Auskunft darüber, wie die Aufgabenverteilung im Jahr 2014 aussah. Aus den übrigen, von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergibt sich indes, dass die Klägerin jedenfalls zu einem Viertel ihrer Arbeitszeit für Herrn Professor Dr. Gr… tätig war.

So ergibt sich zum einen aus der e-mail von Herrn Professor Dr. Gr… vom 19.08.2014, dass die Klägerin „von Anfang an“ im Umfang von einer Viertelstelle Koordinatorin sowie verantwortlich für das Bewerbungsverfahren und zuständig für die nichtfachliche Betreuung der PHD-Studierenden war. Dies wird bestätigt durch das Schreiben des Dekans vom 12.05.2015 an Herrn Professor Dr. Gr…, mit dem diese Zusammenarbeit aufgekündigt wurde.

Aus den Unterlagen, deren Richtigkeit der Beklagte nicht bestreitet, ist zu folgern, dass die Klägerin jedenfalls auch für Herrn Professor Dr. Gr… zuständig bzw. in dessen Aufgabenbereich tätig war. Es wäre Sache der Fakultätsverwaltung gewesen, die verschiedenen fachlichen Zuständigkeiten zu koordinieren und insoweit Klarheit zu schaffen, wie dies nunmehr durch die Entscheidung des Fakultätsvorstands erfolgt ist.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Klägerin zwar, indem sie Dienstgänge im Zeiterfassungsgerät nicht erfasste, gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen hat, die Kündigung indes wegen des Fehlens einer einschlägigen Abmahnung sozial nicht gerechtfertigt ist.

Das Arbeitsverhältnis war auch nicht auf Antrag des Beklagten aufzulösen, § 9 Absatz 1 Satz 2 KSchG. Auch insoweit kann dahinstehen, ob die Kündigung bereits aus formellen Gründen unwirksam ist.

Es liegt jedenfalls ein Auflösungsgrund im Sinne des § 9 Absatz 1 Satz 2 KSchG nicht vor.

Danach ist das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers seitens des Gerichts aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das erkennende Gericht folgt, ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erwarten ist, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gemäß § 9 Absatz 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen allerdings nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist. Als Auflösungsgrund geeignet sind danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Dem Arbeitgeber ist es auch nicht verwehrt, personenbedingte Gründe als Auflösungsgrund geltend zu machen. Die Gründe, die eine dem Betriebszweck dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer sei gefährdet. Erforderlich ist eine Gesamtabwägung. Diese verlangt eine Berücksichtigung aller Umstände, die für oder gegen die Prognose sprechen, eine weitere, den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien sei nicht mehr zu erwarten. Bei dieser Gesamtabwägung sind auch Tatsachen zu berücksichtigen, die der Arbeitgeber im Zusammenhang mit Fehlzeiten des Arbeitnehmers vorträgt. Dies gilt insbesondere, soweit der Arbeitgeber Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit aufgetretenen Krankheitszeiten darlegt und Umstände vorträgt, die für einzelne Zeiträume Zweifel an einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit aufkommen lassen (Bundesarbeitsgericht ‒ Urteil vom 23.06.2005 ‒ 2 AZR 256/04; juris).

Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Beklagte einen Auflösungsgrund nicht vorgebracht.

Der Beklagte macht zum einen geltend, es ziehe sich wie ein roter Faden durch das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin hindurch, dass sie sich nicht an die Dienstanweisungen ihres Arbeitgebers halte. Ihr Verhalten Vorgesetzten gegenüber müsse als illoyal bezeichnet werden. Die Klägerin scheue sich nicht, Ansehen und Autorität ihrer Vorgesetzten zu beschädigen und diese und andere Führungspersonen des Dekanats gegeneinander auszuspielen, nur um ihre Position durchzusetzen.

Dieser Sachvortrag kann die beantragte Auflösung nicht begründen.

Der Beklagte bezieht sich ersichtlich auf das Verhalten der Klägerin, das zu den Abmahnungen vom 20.01.2014 und vom 24.02.2014 geführt hat. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin sich nach Erhalt der letzten Abmahnung in der gerügten Weise verhalten hat bzw. sich in Zukunft so verhalten werde. Insbesondere stellt der Umstand, dass die Klägerin das Zeiterfassungsgerät nicht ordnungsgemäß bedient hat, zwar, wie bereits ausgeführt, einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten dar. Dieser Verstoß hat indes nicht ein Gewicht, das mit den Vorwürfen aus den Abmahnungen vergleichbar wäre. Dort ging es um ein Verhalten, das sich aus Arbeitgebersicht gegen die persönliche Integrität der Vorgesetzten richtete und Ausfluss von Illoyalität war. Diese Qualifikation ist bei der nicht ordnungsgemäßen Bedienung des Zeiterfassungsgeräts nicht gegeben. Ihr fehlt das Element des persönlichen Angriffs auf Vorgesetzte.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Fakultätsverwaltung durch die Entscheidung, der Klägerin die Zuständigkeit für die PHD-Programme zu entziehen, das Arbeitsverhältnis auf eine klarere Basis gestellt hat, so dass die Probleme, wie sie in der Vergangenheit zweifelsohne bestanden haben, beispielsweise unfreiwillige Freiräume für die Klägerin, nicht mehr auftreten können.

Schließlich kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht mit den Krankheitszeiten der Klägerin begründet werden.

Zwar sind Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als Auflösungsgrund nicht generell ausgeschlossen. Das erkennende Gericht versteht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts indes nicht dahin, dass allein das Vorliegen krankheitsbedingter Fehlzeiten einen Auflösungsgrund darstellen kann, mithin erhebliche Zeiten der Arbeitsunfähigkeit zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses führen können, ohne dass der Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen muss, die ihrerseits am Maßstab des § 1 KSchG gerichtlich überprüfbar wäre. Vielmehr kommt nach Auffassung des erkennenden Gerichts Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nur dann als Auflösungsgrund in Betracht, wenn Umstände vorliegen, die zwar im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit stehen, die aber über die bloße Arbeitsunfähigkeit hinausgehen. Zu nennen wäre hier beispielsweise eine bestehende Unzuverlässigkeit des Arbeitnehmers, die sich im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit offenbart. Andernfalls würde man dem Arbeitnehmer den Schutz des § 1 KSchG und anderer kündigungsrechtlicher Schutzvorschriften nehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer, wie hier, schwerbehindert ist und eine Kündigung nur mit Zustimmung des Integrationsamts zulässig wäre. Könnte das Arbeitsverhältnis aus krankheitsbedingten Gründen aufgelöst werden, würde dem schwerbehinderten Arbeitnehmer der besondere Kündigungsschutz des SGB IX entzogen.

Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommt daher nicht in Betracht.

Vielmehr war die Berufung des Beklagten insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.

Die Revision wurde gemäß § 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG hinsichtlich der Abweisung des Auflösungsantrags zugelassen.

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Nov. 2015 - 2 AZR 217/15

bei uns veröffentlicht am 19.11.2015

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 13. November 2014 - 4 Sa 574/13 - aufgehoben.

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(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

*

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn

1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder
3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.

(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 13. November 2014 - 4 Sa 574/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, einen Auflösungsantrag der Beklagten, die vorläufige Weiterbeschäftigung der Klägerin und die Erteilung eines Zwischenzeugnisses.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten seit September 2001 als kaufmännische Angestellte im Einkauf beschäftigt. Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses sah sie sich durch ihre Vorgesetzten wegen ihres Geschlechts und ihrer afghanischen Herkunft diskriminiert.

3

In einer E-Mail vom 21. September 2008 an den damaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten führte die Klägerin aus, seit einigen Jahren würden „Guerilla-Aktionen“ gegen sie geführt, sie habe eine „himmelschreiende Ausländer- und Frauenfeindlichkeit“ vorgefunden. Sie würde es als unfair erachten, wenn der Vorstandsvorsitzende davon aus der amerikanischen Presse oder der „Oprah-Winfrey-Show“ erführe. Bei ihrem „Chef“ handele es sich um einen „unterbelichteten Frauen- und Ausländerhasser“. Die Klägerin wies in der E-Mail darauf hin, dass sie drei unterhaltspflichtige Kinder habe.

4

Mit ebenfalls an den damaligen Vorstandsvorsitzenden gerichteter E-Mail vom 5. Februar 2009 teilte die Klägerin erneut mit, dass sie unter Männerherrschaft, Männerwirtschaft und Männersolidarität zu leiden habe. Sie verlangte, nicht mehr mit ihrem bisherigen Vorgesetzten zusammenarbeiten zu müssen. In der E-Mail hieß es auszugsweise:

        

„Bei dieser Gelegenheit muss ich leider feststellen, dass Sie als CEO von S noch einsamer sind als ich es bin. Ich darf Ihnen hiermit schriftlich bestätigen, dass kein Jude in diesem Land jemals solche seelischen Qualen erleiden musste, wie ich; und das ist mein Erleben und Empfinden, und kein Gesetz der Welt kann mir verbieten, darüber zu berichten. In keinem Land der Welt, in keinem Unternehmen der Welt habe ich so viele Intrigen erlebt, sei es mit Personal, sei es mit Lieferanten. Das Ganze hält die Erinnerung wach an meinen Lieblingsfilm: Der Pate. Alles in Allem: Was mir bis heute geboten wird - das kann ich doch nicht annehmen: Es beleidigt meine Intelligenz.“

5

Mit E-Mail vom 30. März 2009 wandte sich die Klägerin unter dem Betreff „Lebenswerk der unfähigen Führungskräfte“ an ihren unmittelbaren Vorgesetzten. Sie hielt ihm Mobbing, Bossing, unberechtigte Kritik sowie unsachliche und leere Bemerkungen vor, ferner, dass er seine Position nur innehabe, um einer intellektuellen Frau das Leben zur Hölle zu machen. Seine Fähigkeiten reichten offensichtlich nicht dazu, als Führungskraft zu fungieren. Er verstehe nicht einmal „den Unterschied zwischen Kosten und Preis“. Die Klägerin versandte die E-Mail an weitere zwölf Mitarbeiter der Beklagten.

6

Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 3. April 2009 darauf hin, dass ihre Äußerungen durch ihr Beschwerderecht und das Recht zur freien Meinungsäußerung nicht mehr gedeckt seien. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die in der E-Mail vom 5. Februar 2009 enthaltenen Anspielungen auf die Zeit des Nationalsozialismus. Das Schreiben lautete auszugsweise:

        

„Sie haben mit diesen Vergleichen und Behauptungen arbeitsrechtliche Kündigungsgründe geliefert. Wir fordern Sie daher auf, alle von Ihnen gemachten Vergleiche und aufgestellten Behauptungen gegenüber den von Ihnen informierten Personen und der S AG schriftlich bis zum 17. April 2009 zurückzunehmen. Des Weiteren fordern wir Sie auf, sich bei den betroffenen Personen schriftlich unter qualifizierter Zurücknahme der Behauptungen ebenfalls bis zum 17. April 2009 zu entschuldigen. Wir erwarten, dass Sie derartige Äußerungen künftig unterlassen.

        

Sollten derartige oder sinngemäß gleiche Äußerungen wiederholt werden oder sollte keine Rücknahme erfolgen, werden wir arbeitsrechtliche Maßnahmen einleiten, die bis hin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehen können.

        

Bis zur endgültigen Klärung des Vorganges stellen wir Sie widerruflich unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit frei.“

7

Die Klägerin nahm zu dem Schreiben mit E-Mail vom 16. April 2009 Stellung. Die Bezeichnung ihres Vorgesetzten als „unterbelichtete(n) Frauen- und Ausländerhasser“ sei „auch für (ihren) Geschmack … ein wenig zu scharf geraten“, dessen frauenfeindliches Verhalten habe aber zur Verschärfung des Konflikts beigetragen. Sie habe den Ausdruck nicht zum Zwecke der Beleidigung oder Rufschädigung verwandt. Gegen den Vorwurf, den Abteilungsleiter als „Rassisten“ bezeichnet zu haben, verwahre sie sich.

8

Mit Schreiben vom 21. April 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu der Absicht an, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ordentlich zum 30. Juni 2009 zu kündigen. Dem Anhörungsschreiben - bestehend aus Deckblatt und Anhang - waren weitere Anlagen beigefügt. Ob auch die Anlagen „2a“ bis „2c“ dazu gehörten, ist zwischen den Parteien streitig gewesen. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Kündigung unter dem 24. April 2009 zu.

9

Mit Schreiben ebenfalls vom 24. April 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. Juni 2009.

10

Hiergegen hat sich die Klägerin rechtzeitig mit der vorliegenden Klage gewandt. Sie hat außerdem die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses und ihre vorläufige Weiterbeschäftigung verlangt. Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, die von ihr getätigten Äußerungen seien nicht geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen. Die Beklagte habe mit ihrem Schreiben vom 3. April 2009 selbst zum Ausdruck gebracht, dass keine negative Zukunftsprognose bestehe, wenn sie, die Klägerin, bestimmte Verhaltensweisen richtigstelle. Eine Abmahnung sei daher nicht entbehrlich gewesen. Im Übrigen lasse die Beklagte die jahrelangen Mobbingvorgänge außer Acht, die erst zur Störung des Betriebsfriedens geführt hätten. Überdies sei der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden. Auf dem Anhörungsbogen sei ihm mitgeteilt worden, dass sie eine Unterhaltsverpflichtung nur gegenüber einem Kind habe, obwohl die Beklagte positive Kenntnis davon gehabt habe, dass sie drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet sei. Das Zitat zum „Judenvergleich“ sei nicht vollständig und damit entstellt wiedergegeben worden. Die Anlagen „2a“ bis „2c“ seien dem Betriebsrat nicht zugeleitet worden. Der hierzu als Zeuge vernommene Betriebsratsvorsitzende habe sich widersprüchlich geäußert.

11

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24. April 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihr ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt;

        

3.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verurteilen, sie zu den im Arbeitsvertrag vom 14. September 2001 geregelten Bedingungen in der derzeit geltenden Fassung als Stratege im Global Procurement in N bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise

        

das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen.

13

Die Beklagte hat die Kündigung als wirksam verteidigt. Sie hat gemeint, die Klägerin habe ihre arbeitsvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme schwerwiegend verletzt. Sie habe ihre Führungskräfte beleidigt, in ehrverletzender Weise die Fähigkeiten ihres Vorgesetzten in Frage gestellt und die Umstände im Unternehmen mit dem Leid der Juden während der NS-Zeit verglichen. Einer Abmahnung habe es nach dem Schreiben vom 3. April 2009 nicht mehr bedurft. Mit ihrer Stellungnahme vom 16. April 2009 habe die Klägerin ihre Pflichtverletzungen noch manifestiert und verstärkt. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Beklagte hat behauptet, diesem sei die Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder der Klägerin zum einen aus deren E-Mail vom 21. September 2008 bekannt gewesen, die dem Anhörungsschreiben als Anlage „2c“ beigefügt gewesen sei, zum anderen habe er von den persönlichen Verhältnissen der Klägerin ohnehin Kenntnis gehabt. Aus der Anlage „2c“ sei ihm auch der vollständige Inhalt des von der Klägerin angestellten „Judenvergleichs“ bekannt gewesen.

14

Zur Begründung des Auflösungsantrags hat die Beklagte vorgetragen, die Klägerin habe sie in zahlreichen Äußerungen gegenüber der Presse als ein diskriminierendes, frauen- und ausländerfeindliches Unternehmen dargestellt, in dem systematisch Mobbing betrieben und keine Rücksicht auf die Gesundheit der Mitarbeiter genommen werde. Von ihrem „Judenvergleich“ habe sie sich in der Öffentlichkeit nicht distanziert, sondern sie, die Beklagte, bezichtigt, ihr zu Unrecht eine strafbare Verharmlosung des Holocaust vorgeworfen zu haben. Am 24. Februar 2010 habe die Klägerin eine Strafanzeige gegen sie gestellt. Zusätzlich habe sie Strafanzeigen wegen angeblichen Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz gegen zwei ihrer Mitarbeiter erstattet. Die Klägerin habe die Namen der Mitarbeiter auch öffentlich erwähnt sowie der Presse mitgeteilt und dadurch deren Ansehen in der Öffentlichkeit beeinträchtigt. Sie habe zudem in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin, den sie auf ihrer Homepage veröffentlich habe, das Ansehen der Firma beschädigt. Dem Betriebsrat habe sie vorgeworfen, seit Jahren Machtmissbrauch begünstigt und offensichtliche Gesetzesverstöße ignoriert und damit gebilligt zu haben.

15

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, bei einem erst in der Berufungsinstanz gestellten Auflösungsantrag könnten nur Sachverhalte berücksichtigt werden, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz entstanden seien. Gründe für eine Auflösung seien im Übrigen nicht gegeben. Einem Arbeitgeber, der auf die Beschwerde eines diskriminierten Mitarbeiters nicht reagiere, sei es schon aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben verwehrt, von der Möglichkeit einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses Gebrauch zu machen.

16

Die Vorinstanzen haben dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben. Auf den Hilfsantrag der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung von 37.600,00 Euro brutto zum 30. Juni 2009 aufgelöst. Dem Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses hat das Arbeitsgericht stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat ihn abgewiesen. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Die Klägerin verfolgt für den Fall, dass die Revision der Beklagten zurückgewiesen wird, mit ihrer Revision ihr Klagebegehren - soweit dieses erfolglos geblieben ist - weiter und begehrt die Abweisung des Auflösungsantrags.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der Beklagten ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Kündigungsschutzklage nicht stattgeben. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Über die Revision der Klägerin war nicht zu entscheiden.

18

I. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung der Beklagten vom 24. April 2009 nicht als sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ansehen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 561 ZPO).

19

1. Die Revision der Beklagten ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht schon deshalb unbegründet, weil ihre Berufung unzulässig gewesen wäre.

20

a) Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung und deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sie verworfen wird(BAG 26. März 2013 - 3 AZR 101/11 - Rn. 12). Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist ohne Bedeutung (BAG 19. Februar 2013 - 9 AZR 543/11 - Rn. 11; 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 9 mwN).

21

b) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben(BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 18; 19. Februar 2013 - 9 AZR 543/11 - Rn. 13). Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen ( BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - aaO; 11. November 2014 - 3 AZR 404/13  - Rn. 18 ).

22

c) Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Beklagten. Sie stellt die Bewertung des Arbeitsgerichts in Frage, die Kündigung sei mangels vorheriger Abmahnung sozial ungerechtfertigt. Eine Abmahnung sei vielmehr entbehrlich gewesen, weil die erheblichen Pflichtverletzungen der Klägerin einen irreparablen Vertrauensverlust begründet hätten und damit bereits eine negative Prognose vorgelegen habe. Damit hat die Beklagte Umstände bezeichnet, aus denen sich iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO eine Rechtsverletzung durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts ergeben konnte. Der Einwand der Klägerin, die Beklagte habe sich nicht hinreichend mit dem Prognoseprinzip auseinandergesetzt, auf welches das erstinstanzliche Urteil unter anderem gestützt sei, verkennt, dass die Beklagte sich hiermit durchaus befasst, eine negative Prognose aber anders als das Arbeitsgericht aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung auch ohne vorherige Abmahnung als gegeben erachtet hat.

23

2. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, die Kündigung der Beklagten vom 24. April 2009 sei sozial ungerechtfertigt.

24

a) Eine Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Auch eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gem. § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers kann eine Kündigung rechtfertigen(BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 20; zu § 626 Abs. 1 BGB vgl.: BAG 24. März 2011 - 2 AZR 282/10 - Rn. 12; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 20). Eine Kündigung scheidet dagegen aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers - wie etwa eine Abmahnung - geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken ( BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 434/13 - Rn. 19; 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - aaO mwN). Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten ist, oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich (auch für den Arbeitnehmer erkennbar) ausgeschlossen ist(BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 22; 31. Juli 2014 - 2 AZR 434/13 - Rn. 39).

25

b) Dem Berufungsgericht kommt bei der Prüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz lediglich daraufhin geprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 24; 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42).

26

c) Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil nicht stand.

27

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Beklagte habe mit dem Schreiben vom 3. April 2009 auf ein etwaiges Recht zur Kündigung wegen der beanstandeten Äußerungen der Klägerin nicht verzichtet. Aus dem Schreiben werde vielmehr erkennbar, dass sie eine kündigungsrechtliche Bewertung der Vorgänge bis zum Eingang einer Stellungnahme der Klägerin lediglich zurückgestellt habe. Die Beklagte habe zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Basis für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erst wieder sehe, wenn sich die Klägerin innerhalb einer Frist bis zum 17. April 2009 von ihren Äußerungen distanziere und sich bei den betroffenen Mitarbeitern entschuldige. Ein Rechtsfehler ist diesbezüglich weder aufgezeigt noch objektiv ersichtlich.

28

(1) Der Arbeitgeber kann auf das Recht zum Ausspruch einer - außerordentlichen oder ordentlichen - Kündigung jedenfalls nach dessen Entstehen durch eine entsprechende Willenserklärung einseitig verzichten. Ein solcher Verzicht ist ausdrücklich oder konkludent möglich. So liegt im Ausspruch einer Abmahnung regelmäßig der konkludente Verzicht auf das Recht zur Kündigung aus den in ihr gerügten Gründen. Der Arbeitgeber gibt mit einer Abmahnung zu erkennen, dass er das Arbeitsverhältnis noch nicht als so gestört ansieht, als dass er es nicht mehr fortsetzen könnte (BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 33; 26. November 2009 - 2 AZR 751/08 - Rn. 11 f.). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn gem. §§ 133, 157 BGB der Abmahnung selbst oder den Umständen zu entnehmen ist, dass der Arbeitgeber die Angelegenheit mit der Abmahnung nicht als „erledigt“ ansieht(BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - aaO; 13. Dezember 2007 - 6 AZR 145/07 - Rn. 24, BAGE 125, 208).

29

(2) Beim Schreiben der Beklagten vom 3. April 2009 handelt es sich um eine atypische Willenserklärung. Deren Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB ist vom Revisionsgericht nur auf Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze zu prüfen.

30

(3) Unter Berücksichtigung des Wortlauts der Erklärung geht das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei davon aus, sie lasse den Willen der Beklagten erkennen, sich eine endgültige rechtliche Bewertung des Sachverhalts bis zum Eingang der Stellungnahme der Klägerin vorzubehalten. Das Schreiben ist weder als Abmahnung bezeichnet noch als solche formuliert. Die Aufforderung zur Stellungnahme dient erkennbar dazu, der Klägerin vor einer abschließenden Bewertung Gelegenheit zu einer Entschuldigung und damit zur Abmilderung der Vorwürfe zu geben. Auch die widerrufliche Freistellung erfolgte lediglich „bis zur endgültigen Klärung des Vorganges“ und ließ sich damit nicht als abschließende Reaktion auf das beanstandete Verhalten verstehen.

31

bb) Hatte die Beklagte demnach nicht auf ein etwaiges Kündigungsrecht verzichtet, bleibt nach der Würdigung des Landesarbeitsgerichts unklar, inwiefern dem Umstand, dass sie ihre Erwartungen an die Klägerin nicht klar genug formuliert habe, für die soziale Rechtfertigung der Kündigung „entscheidende Bedeutung“ zukomme.

32

(1) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die Beklagte habe durch eine unklare Formulierung dazu beigetragen, dass die Klägerin nicht innerhalb der ihr gesetzten Frist die erwarteten Erklärungen abgegeben habe. Dies sei im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und der Interessenabwägung zu würdigen.

33

(2) Wie es diese Würdigung vorgenommen, insbesondere welche weiteren Umstände es in seine Erwägungen einbezogen hat, lässt sich dem Berufungsurteil jedoch nicht entnehmen. Es bleibt sowohl offen, welche Äußerungen der Klägerin das Landesarbeitsgericht überhaupt als Pflichtverletzungen gewertet noch welche Schwere es ihnen ggf. beigemessen hat.

34

cc) Sollte der Würdigung des Landesarbeitsgerichts die Vorstellung zugrunde gelegen haben, es sei ausreichend, dass die Beklagte eine Wiederherstellung der Vertrauensgrundlage zunächst selbst für möglich gehalten habe, läge darin eine Verkennung der Anforderungen an die soziale Rechtfertigung einer Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers. Für die Frage, ob das Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG eine Kündigung „bedingt“, gilt ein objektiver Maßstab(für den wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vgl.: BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 29; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 109; HK-ArbR/Griebeling 3. Aufl. § 626 BGB Rn. 58; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 22). Maßgeblich ist nicht, ob ein bestimmter Arbeitgeber meint, ihm sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, und ob er weiterhin hinreichendes Vertrauen in einen Arbeitnehmer hat. Es kommt vielmehr darauf an, ob dem Kündigenden die Weiterbeschäftigung - bei der ordentlichen Kündigung auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus - aus der Sicht eines objektiven und verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar ist oder nicht (für die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bei einer außerordentlichen Kündigung vgl.: BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 47, BAGE 134, 349 ). An der danach erforderlichen Prüfung, ob im Zeitpunkt der Kündigung nach den objektiv gegebenen Umständen die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses - auch ohne eine vorherige Abmahnung - gerechtfertigt war, fehlt es bislang.

35

3. Der Senat kann die Würdigung, ob die Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt ist, nicht selbst vornehmen. Hierfür bedarf es weiterer Feststellungen.

36

a) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Droht der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mit einem empfindlichen Übel, um die Erfüllung eigener streitiger Forderungen zu erreichen, kann - je nach den Umständen des Einzelfalls - ein erheblicher, ggf. sogar die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigender Verstoß gegen seine Pflicht zur Wahrung von dessen Interessen liegen ( BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 43; 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19 f .; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 408; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 231 f.). Mit den E-Mails vom 21. September 2008 und 5. Februar 2009 kann eine solche an die Beklagte gerichtete Drohung verbunden gewesen sein, die Klägerin werde sich an die - amerikanischen - Medien wenden, falls die Beklagte ihre vermeintlichen Ansprüche - wie etwa den, nicht mehr mit dem bisherigen Vorgesetzten zusammenarbeiten zu müssen - nicht erfülle. Für die Ermittlung ihres Erklärungsinhalts bedarf es der Auslegung der E-Mails gem. §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der Begleitumstände. Daran fehlt es bisher. Dafür, dass die Einschaltung der fraglichen Medien im berechtigten Interesse der Klägerin gelegen haben könnte, ist bislang nichts ersichtlich. Den Parteien wird insofern Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben sein.

37

b) In der Bezeichnung ihres „Chefs“ als „unterbelichtete(n) Frauen- und Ausländerhasser“ in der E-Mail der Klägerin vom 21. September 2008 kann eine nicht mehr von der Freiheit der Meinungsäußerung gedeckte Beleidigung liegen. Dies gilt ebenso für die Charakterisierung und Herabwürdigung ihres unmittelbaren Vorgesetzten in der E-Mail vom 30. März 2009. Zwar dürfen Arbeitnehmer - auch unternehmensöffentlich - Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (zum wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vgl.: BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 22; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 17; 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 22; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 3 a der Gründe; zur ordentlichen Kündigung BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 45).

38

c) Beim Vergleich ihrer seelischen Verfassung mit dem Leid der Juden in der NS-Zeit sowie beim Hinweis auf den Mafia-Film „Der Pate“ in der E-Mail der Klägerin vom 5. Februar 2009 wird durch Auslegung zu bestimmen sein, welcher Aussagegehalt den Äußerungen überhaupt beizumessen ist. Dass die Klägerin die betrieblichen Vorgänge bei der Beklagten mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem gleichgesetzt hätte (vgl. dazu BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 14, BAGE 138, 312; 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 19), wie die Beklagte gemeint hat, liegt jedenfalls nicht auf der Hand. Die Klägerin hat ihre „seelischen Qualen“ mit denen der Juden verglichen und dabei darauf hingewiesen, es handele sich um ihr „Erleben und Empfinden“.

39

d) Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen, die Klägerin habe ihre Pflicht zur Rücksichtnahme gem. § 241 Abs. 2 BGB durch eine oder mehrere ihrer Äußerungen verletzt, wird es unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Streitfalls zu prüfen haben, ob es der Beklagten dennoch objektiv zumutbar war, das Arbeitsverhältnis - ggf. nach Abmahnung - auf Dauer fortzusetzen.

40

aa) Hierbei kann zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen sein, wenn es für die von ihr erhobenen Vorwürfe gegenüber ihrem „Chef“ oder dem direkten Vorgesetzten eine Tatsachengrundlage gab, wie sie behauptet hat. Das wird das Landesarbeitsgericht ggf. näher aufzuklären haben. Die Äußerungen könnten auch dann weniger schwer wiegen, wenn sich die Klägerin - wie sie geltend gemacht hat - in einer Ausnahmesituation befunden hätte, weil sie den Eindruck hatte, ihre Beschwerden würden bei der Beklagten nicht in der gebotenen Weise bearbeitet.

41

bb) Bei der Würdigung, ob der Beklagten eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch ohne Abmahnung - objektiv - unzumutbar war, kann außerdem der Stellungnahme der Klägerin auf das Schreiben der Beklagten vom 3. April 2009 Bedeutung zukommen. Soweit die Klägerin darin ihr Bedauern bezüglich einzelner Äußerungen zum Ausdruck gebracht und mit Blick auf andere versucht haben sollte, Klarstellungen vorzunehmen, mag dies zu ihren Gunsten zu berücksichtigen sein. Andererseits hat sie die Erklärungen nicht von sich aus, sondern erst auf die Aufforderung der Beklagten hin abgegeben. Überdies hat sie sich von den beanstandeten Äußerungen nicht uneingeschränkt distanziert, sondern sie zum Teil sogar bekräftigt.

42

4. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf der Basis der bisherigen Feststellungen angenommen, die Kündigung sei nicht wegen einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

43

a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Gem. Satz 2 der Bestimmung hat ihm der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Nach Satz 3 ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam.

44

aa) Der Inhalt der Unterrichtung gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist nach ihrem Sinn und Zweck grundsätzlich subjektiv determiniert(BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 15; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 14). Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen, um sich über sie eine eigene Meinung bilden zu können (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 14; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 15). Der Arbeitgeber muss daher dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 15; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 14). Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen - und damit irreführenden - Kündigungssachverhalt schildert, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 16; 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn. 46).

45

bb) Die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände ist für den Umfang der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dann nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Betriebsratsanhörung verfehlt würde. Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 19; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 15). In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung - ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers - auch objektiv, dh. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - aaO; Raab GK-BetrVG 10. Aufl. § 102 Rn. 68 und 94). Bei der verhaltensbedingten Kündigung kann deshalb auf die Mitteilung der „Sozialdaten“ des Arbeitnehmers nicht deshalb verzichtet werden, weil sie für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers ohne Bedeutung waren (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - aaO; 6. Oktober 2005 - 2 AZR 280/04 - zu B II 2 a der Gründe). Der Wirksamkeit einer auf Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers gestützten Kündigung steht das Unterlassen der Angabe von dessen genauen „Sozialdaten“ bei der Betriebsratsanhörung deshalb nur dann nicht entgegen, wenn es dem Arbeitgeber auf diese ersichtlich nicht ankommt und der Betriebsrat jedenfalls die ungefähren Daten ohnehin kennt; er kann dann die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers auch so ausreichend beurteilen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - aaO; 6. Oktober 2005 - 2 AZR 280/04 - aaO).

46

b) Danach hat die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 21. April 2009 ordnungsgemäß über die Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterrichtet.

47

aa) Es fehlt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an einer ausreichenden Darstellung des Kündigungssachverhalts. In der dem Anhörungsschreiben unstreitig beigefügten Anlage mit Ausführungen zur Begründung der beabsichtigten Kündigung hatte die Beklagte den bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses erläutert und auf die unter Beteiligung des Betriebsrats geführten Gespräche mit der Klägerin verwiesen. Die E-Mails der Klägerin wurden ebenso in Bezug genommen wie das Schreiben der Beklagten vom 3. April 2009. Die Beklagte teilte ihre Einschätzung mit, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht mehr zu erwarten sei, nachdem diese ihre Äußerungen weder zurückgenommen noch sich für sie entschuldigt habe. Wegen des Inhalts der in Bezug genommenen E-Mails verwies die Beklagte auf die nummerierten weiteren Anlagen.

48

bb) Nach dem vom Landesarbeitsgericht gewürdigten Ergebnis der Beweisaufnahme waren diese Anlagen - einschließlich der Anlage „2c“ - dem Anhörungsschreiben bei der Übergabe an den Betriebsrat beigefügt.

49

(1) Eine vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommene Beweiswürdigung unterliegt nur einer eingeschränkten Kontrolle. Es ist zu prüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO beachtet hat. Seine Würdigung muss in sich widerspruchsfrei, ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt und rechtlich möglich sein (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 37, BAGE 149, 355; 8. Mai 2014 - 2 AZR 1005/12 - Rn. 21).

50

(2) Das Landesarbeitsgericht hat in sich schlüssig und widerspruchsfrei begründet, weshalb es für erwiesen hielt, dass dem Anhörungsschreiben sämtliche Anlagen beigefügt waren. Der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen Denkgesetze liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat berücksichtigt, dass sich die Aussagen des Zeugen E zum Teil widersprachen. Es hat dies nachvollziehbar auf eine Verunsicherung durch die dem Zeugen gestellten Zwischenfragen zurückgeführt. Maßgeblich war für das Landesarbeitsgericht, dass der Zeuge mit Verweis auf die auf den Unterlagen durchgängig aufgebrachten Eingangsvermerke vom 21. April 2009 sicher habe ausschließen können, dass dem Betriebsrat noch nachträglich Unterlagen zugeleitet worden seien. Es hat daraus widerspruchsfrei den Schluss gezogen, die Unterlagen seien dem Betriebsrat vollständig bereits mit dem Anhörungsschreiben zugegangen.

51

cc) Die Rüge der Klägerin, das Landesarbeitsgericht habe einen von ihr angebotenen Sachverständigenbeweis über die Dauer der Verlesung von 29 Textseiten übergangen, ist unzulässig. Die Klägerin hat die erforderliche Kausalität zwischen dem vermeintlichen Verfahrensmangel und dem Ergebnis des Berufungsurteils nicht aufgezeigt (zu diesem Erfordernis vgl.: BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 16; 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 12).

52

(1) Die Klägerin macht geltend, das Sachverständigengutachten hätte die Aussage des Betriebsratsvorsitzenden erschüttert, so dass das Landesarbeitsgericht ihre Glaubhaftigkeit deutlich zurückhaltender beurteilt hätte. Weder innerhalb der nur eine Stunde dauernden (ersten) Betriebsratssitzung noch unter Berücksichtigung einer Befassung in einer weiteren Sitzung hätten die gesamten Unterlagen verlesen werden können.

53

(2) Die Klägerin verkennt, dass für das Landesarbeitsgericht die zu veranschlagende Dauer für eine Verlesung der Anlagen nicht entscheidungserheblich war. Dieses hat lediglich angenommen, der Betriebsrat habe sich mit der Anhörung zu der beabsichtigten Kündigung in zwei Sitzungen befasst. Es ist nicht davon ausgegangen, dass dabei die Anlagen verlesen worden seien. Auch der Zeuge E hat lediglich bekundet, nach seiner Erinnerung habe er alle Unterlagen vorgelesen.

54

dd) Die Anhörung des Betriebsrats war nicht wegen einer fehlerhaften Mitteilung der bestehenden Unterhaltspflichten der Klägerin unzureichend. Allerdings ist die Angabe in dem Anhörungsschreiben falsch gewesen. Die Klägerin war nicht einem, sondern drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Für das Landesarbeitsgericht stand aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass der Betriebsrat schon aufgrund der mehrfachen Vorbefassung mit der Klägerin über deren Unterhaltspflichten informiert war. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte den Betriebsrat bewusst unrichtig oder irreführend unterrichtet hätte. Insofern bedarf keiner näheren Prüfung, ob der Beklagten Kenntnis von der zutreffenden Anzahl der Unterhaltspflichten der Klägerin jedenfalls aufgrund der Angabe in ihrer E-Mail vom 21. September 2008 an den damaligen Vorstandsvorsitzenden zuzurechnen war. Die Klägerin hat selbst darauf hingewiesen, dass sich aus ihrer Lohnsteuerkarte nur ein zu berücksichtigendes Kind ergeben habe. Für den Betriebsrat, der die zutreffende Zahl der unterhaltsberechtigten Kinder der Klägerin kannte, war ebenfalls erkennbar, dass es sich bei der Angabe in dem Anhörungsbogen nur um einen Irrtum bzw. um die aus der Lohnsteuerkarte ersichtliche Zahl unterhaltspflichtiger Kinder der Klägerin handeln konnte.

55

ee) Einer näheren Darlegung im Rahmen der Anhörung, wie die Beklagte die beiderseitigen Interessen gegeneinander abgewogen hatte, bedurfte es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Die Anhörung zu der Absicht, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, implizierte eine Abwägung zulasten der Klägerin (vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 27, BAGE 146, 303).

56

c) Die Beklagte hat die Kündigung nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht aus ihrem Machtbereich herausgegeben, bevor ihr die Zustimmung und damit eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vorlag.

57

II. Der Senat kann über die soziale Rechtfertigung der Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 KSchG mangels ausreichender Feststellungen nicht selbst abschließend entscheiden. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegen auch die Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts über den Auflösungsantrag der Beklagten sowie über die Anträge der Klägerin auf vorläufige Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Den Auflösungsantrag hat die Beklagte nur hilfsweise für den Fall gestellt, dass der Kündigungsschutzantrag der Klägerin Erfolg hat. Der Antrag der Klägerin auf vorläufige Weiterbeschäftigung ist ausdrücklich nur für den Fall ihres Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellt. Da er nur dann Erfolg haben kann, wenn außerdem der Auflösungsantrag abgewiesen wird, steht er konkludent auch unter dieser weiteren - innerprozessualen - Bedingung. Ebenso ist der auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses gerichtete Antrag zu verstehen, da die Klägerin mit ihm nach dem vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegten und von ihr nicht beanstandeten Verständnis ein Zwischenzeugnis nur für den Fall des Fortbestehens ihres Arbeitsverhältnisses begehrt.

58

III. Über die Revision der Klägerin war nicht mehr zu entscheiden. Mit ihr verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren, soweit dieses erfolglos geblieben ist, entsprechend der materiell- und prozessrechtlichen Lage nur für den Fall weiter und begehrt die Abweisung des Auflösungsantrags, dass sie mit ihrem Antrag, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, Erfolg hat. Diese - innerprozessuale - Bedingung ist nicht eingetreten. Von der Aufhebung und Zurückverweisung aufgrund der erfolgreichen Revision der Beklagten gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Kündigungsschutzantrag sind im Übrigen die Entscheidungen über den Auflösungsantrag der Beklagten sowie die Anträge der Klägerin auf Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses bereits erfasst.

59

IV. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat - sollte das Landesarbeitsgericht wiederum über den Auflösungsantrag zu entscheiden haben - darauf hin, dass es diesem mit der bisherigen Begründung nicht stattgeben durfte.

60

1. Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, eine Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm übertragenen Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit gefährdet ist (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 19; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 56; 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 42, BAGE 140, 47). Durch eine bloße Bezugnahme auf nicht ausreichende Kündigungsgründe genügt der Arbeitgeber seiner Darlegungslast nicht. Er muss vielmehr im Einzelnen vortragen, weshalb die nicht ausreichenden Kündigungsgründe einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen sollen (BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 3 b aa der Gründe; BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 2 d cc der Gründe; 24. Mai 2005 - 8 AZR 246/04 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 114, 362).

61

2. Das Landesarbeitsgericht hat - entgegen der Auffassung der Klägerin - zu Recht angenommen, die Beklagte sei mit Gründen, die bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vorlagen, nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erst in der Berufungsinstanz beantragt hat. Im Gesetzeswortlaut ist eine solche Beschränkung der für die Zukunftsprognose zu berücksichtigenden Gründe nicht angelegt. Sie ergibt sich auch nicht aus dem Regelungszweck der Norm. Nur aus einer umfassenden Gesamtschau der zum Zeitpunkt der Auflösungsentscheidung maßgeblichen Umstände kann eine gesicherte Prognose darüber getroffen werden, ob für die Zukunft noch eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu erwarten ist. Dem berechtigten Interesse des Arbeitnehmers, nicht weit zurückliegende Vorfälle ohne Aussagekraft für die zukünftig zu erwartende Zusammenarbeit als Auflösungsgründe heranzuziehen, ist dadurch Rechnung getragen, dass es auf die Beurteilung der objektiven Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung ankommt. Zu diesem Zeitpunkt können aufgrund der zeitlichen Entwicklung und damit verbundener veränderter tatsächlicher oder rechtlicher Umstände länger zurückliegende Umstände ihre Bedeutung für die erforderliche Zukunftsprognose verloren haben (BAG 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - zu B II 2 b der Gründe).

62

3. Die nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vorgesehene Möglichkeit der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - verfassungskonform(BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 2 der Gründe).

63

a) Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist trotz sozial ungerechtfertigter Kündigung nur dann gerechtfertigt, wenn eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit der Arbeitsvertragsparteien nicht zu erwarten ist. Die Bestimmung dient damit ebenso wie die übrigen Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes dem Ausgleich der wechselseitigen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer an einer Fortsetzung bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ein über die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes hinausgehender Bestandsschutz ist durch Art. 12 Abs. 1 GG nicht gefordert(BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 2 der Gründe). Bei der Entscheidung darüber, ob im Einzelfall ein Sachverhalt vorliegt, der die Auflösung rechtfertigen kann, haben die Arbeitsgerichte die wechselseitigen Grundrechtspositionen des betroffenen Arbeitgebers und Arbeitnehmers zu berücksichtigen und abzuwägen (BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - aaO).

64

b) Die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG beschränkt nicht in grundrechtswidriger Art und Weise die Eigentumsrechte des Arbeitnehmers. Es handelt sich vielmehr - auch unter Berücksichtigung von § 10 KSchG - um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums iSv. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG(BVerfG 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -). Ansprüche des Arbeitnehmers auf Verzugslohn werden bei Erklärung einer sozial ungerechtfertigten Kündigung erst dann zu grundrechtlich geschützten Vermögenspositionen, wenn ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers durch das Gericht zurückgewiesen wird (BVerfG 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -; BAG 16. Mai 1984 - 7 AZR 280/82 - zu II 3 der Gründe, BAGE 46, 42).

65

c) Auch ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip liegt nicht vor (BVerfG 13. August 1991 - 1 BvR 128/87 - zu II der Gründe; 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -; BAG 16. Mai 1984 - 7 AZR 280/82 - zu II 4 der Gründe, BAGE 46, 42). Dem Gesetzgeber obliegt es, bei der Ausgestaltung des innerstaatlichen Rechts Grundrechtsprinzipien angemessen zu berücksichtigen. Hierzu zählen auch die in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Durch die §§ 9, 10 KSchG wird keiner dieser Grundsätze verletzt. Für den Arbeitnehmer ist im Kündigungsschutzprozess von Anfang an erkennbar, dass ein Verzugslohnanspruch von der Möglichkeit eines Auflösungsantrags beschränkt ist und dass dieses Gestaltungsinstrument bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung in der Berufung gegeben ist (BVerfG 29. Januar 1990 - 1 BvR 42/82 -). Die gesetzliche Vorgabe, den Auflösungszeitpunkt auf das Ende des Arbeitsverhältnisses bei unterstellter Wirksamkeit der Kündigung zu bestimmen, liegt ebenfalls innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers (BAG 16. Mai 1984 - 7 AZR 280/82 - zu II 2 der Gründe, aaO). Der Einwand der Klägerin, damit habe es allein der Arbeitgeber in der Hand, die Auflösung herbeizuführen, trifft nicht zu. Voraussetzung für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG ist neben einem Antrag des Arbeitgebers, dass die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz nach Abwägung der wechselseitigen Grundrechtspositionen die Besorgnis rechtfertigt, eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit sei nicht zu erwarten(BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 19; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 56; 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 42, BAGE 140, 47; BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - zu II 2 der Gründe).

66

4. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien sei für die Zukunft nicht zu erwarten, wird jedoch von seinen bisherigen Feststellungen nicht getragen.

67

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das von der Klägerin nach Ausspruch der Kündigung gezeigte Verhalten lasse nicht erwarten, dass künftige Meinungsverschiedenheiten, wie sie in Betrieben immer wieder aufträten, in der gebotenen Sachlichkeit ausgetragen würden. Es hat die Voraussetzungen für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag der Beklagten aufgrund der unter II 2 c cb der Entscheidungsgründe aufgeführten Umstände als gegeben erachtet. Dieses Ergebnis hat es - soweit ersichtlich - aufgrund einer Gesamtschau dieser Umstände gewonnen und nicht angenommen, jeder dieser Faktoren rechtfertige bereits für sich genommen die Auflösung.

68

b) Zumindest der Gesichtspunkt, der Klägerin sei es auch im Berufungsverfahren „nicht gelungen, von ihrem ‚Angriffsmodus’ abzukehren“, lässt nicht erkennen, welche Tatsachen das Landesarbeitsgericht insoweit zugrunde gelegt hat. Zudem wird aus dem Berufungsurteil nicht ersichtlich, ob und ggf. inwiefern das Landesarbeitsgericht bei seiner Würdigung darauf Bedacht genommen hat, dass das Verhalten einer Partei in einem Gerichtsverfahren durch berechtigte Interessen gedeckt sein kann. Die Verfahrensbeteiligten dürfen zur Rechtsverteidigung alles vortragen, was rechtserheblich sein kann und sich dabei auch starker, eindringlicher Ausdrücke und Schlagworte bedienen, selbst wenn eine vorsichtigere Formulierung möglich gewesen wäre (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 37; 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 22).

69

c) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Klägerin habe sich auch nach der Kündigung nicht in ausreichendem Maße mit dem Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 3. April 2009 auseinandergesetzt, bleibt unklar, weshalb es für sie noch nach Ausspruch der Kündigung Veranlassung gegeben habe, sich um eine „Wiederherstellung des Vertrauens in ihre Person“ zu bemühen, bzw. weshalb dies „nahegelegen“ habe. Das Landesarbeitsgericht hat auf die „Bildung“ der Klägerin und ihr „selbst in Anspruch genommene(s) internationale(s) Format(…)“ verwiesen. Es hat aber nicht gewürdigt, dass die Beklagte selbst durch die Erklärung der Kündigung zu verstehen gegeben hatte, dass sie für eine künftige Zusammenarbeit mit der Klägerin keine Grundlage mehr sah.

70

d) Mit Blick auf die vom Landesarbeitsgericht herangezogene Strafanzeige, die die Klägerin gegen Mitarbeiter der Beklagten erstattet habe, fehlt es an Feststellungen sowohl zu ihrem näheren Inhalt als auch zu den Umständen ihrer Erstattung.

71

e) Für die Beurteilung, ob der offene Brief an die Bundeskanzlerin einer zukünftigen gedeihlichen Zusammenarbeit der Parteien entgegensteht, ist nicht unerheblich, welchen Kreisen von Lesern er zugänglich war und wie lange die Veröffentlichung zurückliegt. Dazu sind bislang keine Feststellungen getroffen. Bei der Würdigung der in dem Brief enthaltenen Aussagen ist überdies angemessen auf die Meinungsfreiheit der Klägerin Bedacht zu nehmen (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 35).

72

f) Entsprechendes gilt für die Kritik der Klägerin am Betriebsrat.

73

aa) In der E-Mail vom 23. April 2009 hat die Klägerin es als bedauerlich bezeichnet, dass sich „die Arbeitnehmervertretung (…) derart dämlich verhält“. Insofern bedarf der Auslegung, ob dies für die Mitglieder des Betriebsrats als gegen sie - alle - persönlich gerichtete Kritik zu verstehen war. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Erklärung aber noch nicht zur Schmähung. Hinzukommen muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht, die den Betroffenen jenseits polemischer und überspitzter Kritik in der Person herabsetzen soll (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 36; 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 17, BAGE 138, 312).

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bb) Die E-Mail vom 31. August 2009 schließt „mit dem Anlass entsprechenden Grüßen diesmal von Goethe mit einem Götz-Zitat“. Die Klägerin hat darin aber auch die im Zusammenhang mit der Kündigung stehenden Ereignisse und die - vermeintliche - Rolle des Betriebsrats dabei aus ihrer Sicht dargestellt. Sie hat dem Betriebsrat in der Sache vorgeworfen, sowohl den ihrer Meinung nach unrechtmäßigen Zugriff auf ihr E-Mail-Konto gebilligt zu haben als auch eine gesetzeswidrige Öffnung der Büroschränke.

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g) Hinsichtlich aller geltend gemachter Auflösungsgründe bedarf im Übrigen der Prüfung, ob und inwiefern ihnen, selbst wenn sie Jahre zurückliegen, weiterhin Bedeutung für eine zukünftige Zusammenarbeit der Parteien zukommt.

76

h) Ein Teil des Vorbringens der Beklagten zur Begründung des Auflösungsantrags ist bislang unberücksichtigt geblieben. Die Beklagte hat sich auf „zahlreiche Äußerungen (der Klägerin) gegenüber der Presse“ berufen, was auch die Namen der Mitarbeiter, gegen die sie Strafanzeige gestellt habe, umfasse.

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V. Einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung gem. Art. 267 AEUV bedurfte es nicht. Für den Senat stellen sich keine für seine Entscheidung erheblichen Fragen der Auslegung oder Gültigkeit von Unionsrecht. Es bedarf auch keiner näheren Untersuchung, ob die von der Klägerin aufgeworfenen Fragestellungen nicht nur die Anwendung, sondern die Auslegung von Unionsrecht betreffen. Bislang ist nicht festgestellt, dass die Beklagte auf Beschwerden der Klägerin, sie werde diskriminiert, nicht reagiert hätte.

        

    Der Vorsitzende Richter am Bundesarbeitsgericht Kreft
ist infolge seiner Versetzung in den Ruhestand
mit Ablauf des 31. Januar 2016 an der
Unterschriftsleistung verhindert.
Berger    

        

    Berger    

        

    Rachor     

        

        

        

    K. Schierle    

        

    Niebler    

                 

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.