Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 15. Feb. 2017 - 4 Sa 365/16

bei uns veröffentlicht am15.02.2017
vorgehend
Arbeitsgericht Nürnberg, 16 Ca 1626/16, 07.07.2016

Gericht

Landesarbeitsgericht Nürnberg

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 07.07.2016, Az.: 16 Ca 1626/16, abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 466,-- (in Worten: Euro vierhundertsechsundsechzig) brutto zu bezahlen und Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.12.2015.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Jahressonderzuwendung für 2015.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 03.04.2012 als Servicekraft mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag vom 17.12.2014 für die Arbeitnehmer/innen und Auszubildenden in der Systemgastronomie (nachfolgend: MTV) kraft beidseitiger Tarifbindung Anwendung, nachdem die Beklagte im September 2014 dem Arbeitgeberverband der Systemgastronomie beigetreten ist.

§ 11 MTV hat Auszugsweise folgenden Inhalt:

1. Beschäftigte erhalten zusammen mit dem Arbeitsentgelt für den Monat November des jeweiligen Kalenderjahres eine Jahressonderzuwendung. Der Anspruch auf die Jahressonderzuwendung entsteht nur, wenn zum 1. Dezember (Stichtag) eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von zwölf Monaten besteht.

2. Der Anspruch entsteht nicht, wenn das Arbeitsverhältnis am Stichtag gekündigt ist. …

4. Die Höhe der Jahressonderzuwendung beträgt:

im 1. und 2. Beschäftigungsjahr 415,00 €

im 3. und 4. Beschäftigungsjahr 466,00 €

Als erstes Beschäftigungsjahr im Sinne dieser Regelung gilt das Beschäftigungsjahr, in dem der/die Beschäftigte erstmalig einen Anspruch auf Zahlung der Jahressonderzuwendung hat.

Für Neueinstellung mit Beschäftigungsbeginn ab dem 01. Januar 2015 beträgt die Höhe der Jahressonderzuwendung 2015 100,-- €, 2016 100,-- €, 2017 150,-- €.

Ab dem Jahr 2018 berechnet sich die Jahressonderzuwendung dieser Beschäftigten wie diejenige für Bestandsmitarbeiter (Beschäftigungsbeginn vor dem 01. Januar 2015 gemäß der obigen Tabelle). Hierbei werden die tatsächlichen Betriebszugehörigkeiten zugrunde gelegt.

Mit Schreiben vom 15.02.2016 (Blatt 7 der Akte) machte die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der Jahressonderzuwendung 2015 in Höhe von 466,00 € brutto geltend.

Mit ihrer Klage vom 22.03.2016, beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangen am 29.03.2016, verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch gerichtlich weiter.

In der mündlichen Verhandlung vom 07.07.2016 stellten die Parteien unstreitig, dass die Klägerin seit Dezember 2013 Gewerkschaftsmitglied ist.

Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens in dem erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Endurteil vom 07.07.2016 der Klage nur in Höhe von EUR 415,-- brutto zuzüglich von Zinsen stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Berufung wurde zugelassen.

Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, gem. § 11 Abs. 4 MTV könne die Klägerin nur eine Jahressonderzuwendung in Höhe von € 415,- brutto beanspruchen, da es sich bei dem Jahr 2015 um das 2. Beschäftigungsjahr im Sinne dieser Regelung gehandelt habe. Die Klägerin habe nämlich erstmals im Jahr 2014 nach erfolgtem Verbandsbeitritt der Beklagten einen tariflichen Anspruch auf die Sonderzahlung erworben.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 25.07.2016 zugestellte Urteil haben diese mit Telefax vom 18.08.2016 Berufung eingelegt und sie innerhalb der bis 26.10.2016 verlängerten Begründungsfrist mit dem am 20.10.2016 beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangenen Schriftsatz vom 11.10.2016 begründet.

Die Klägerin meint, ihr stünde infolge ihrer Betriebszugehörigkeit seit dem Jahr 2012 gemäß § 11 MTV ein Betrag von 466,00 € zu, denn bei dem Jahr 2015 würde es sich um ihr drittes Beschäftigungsjahr handeln.

Die Regelung in § 11 Abs. 4 Satz 2 MTV knüpfe inhaltlich an der Bestimmung in § 11 Abs. 1 Satz 2 MTV an, wonach im Eintrittsjahr dem Beschäftigten noch kein Anspruch auf die Sonderzuwendung eingeräumt wird. Nur diesbezüglich erfolge durch die Definition des ersten Beschäftigungsjahres eine Klarstellung. In § 11 Abs. 4 MTV werde auf die jeweilige Beschäftigungsdauer des Mitarbeiters abgestellt, aber nicht darauf, wann der Arbeitgeber dem Arbeitgeberverband beigetreten sei. Danach handle es sich bei dem Jahr 2015 nicht um das zweite, sondern das dritte Beschäftigungsjahr der Klägerin im Sinne dieser tariflichen Regelung.

Durch die gestaffelte Höhe der Jahressonderzahlung solle die Betriebstreue des Mitarbeiters belohnt werden. Dieser Wille der Tarifvertragsparteien werde durch die Anknüpfung der unterschiedlich hohen Zuwendung an die Beschäftigungsjahre des Mitarbeiters hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Ein Abstellen auf den Zeitpunkt des Verbandsbeitritts der Arbeitgeberin wäre mit der Zweckrichtung der tariflichen Staffelung nicht vereinbar.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 07.07.2016, AZ 16 Ca 1626/16 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 466,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.12.2015 an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, der Klägerin stehe nur der erstinstanzlich zugesprochene Betrag zu. Die Tarifparteien hätten in den §§ 8, 11 MTV hinsichtlich der geschuldeten Sonderzahlungen bewusst eine Unterscheidung zwischen den Begriffen Betriebszugehörigkeit und Beschäftigungsjahr getroffen. Dies stehe der Interpretation entgegen, durch diese Regelungen solle die Betriebszugehörigkeit/Betriebstreue des Mitarbeiters zusätzlich honoriert werden. Da die Entstehung der Ansprüche auf ein Urlaubsgeld bzw. eine Jahressonderzuwendung den Verbandsbeitritt der Arbeitgeberin voraussetze, beginne erst ab diesem Zeitpunkt die Staffelung nach Beschäftigungsjahren gem. § 11 Abs. 4 MTV zu laufen. Somit habe die Klagepartei erstmals im November 2014 einen Anspruch auf Zahlung einer Jahressonderzahlung erworben und handle es sich bei dem Jahr 2015 um das zweite Beschäftigungsjahr.

Zinsen stünden der Klägerin erst ab dem Zeitpunkt des Nachweises ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit im Verhandlungstermin vom 07.07.2016 zu.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die in dem erstinstanzlichen Verfahren beim Arbeitsgericht Nürnberg, Az.: 15 Ca 5823/15, eingeholten Stellungnahmen der Tarifvertragsparteien sind in der Berufungsverhandlung vom 01.02.2017 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Gründe

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2a ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung ist sachlich begründet.

Sie führt zur Abänderung des Ersturteils und antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten, denn der Klägerin steht für das Jahr 2015 eine Jahressonderzuwendung gemäß § 11 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 MTV in Höhe von EUR 466,-- brutto zuzüglich von Zinsen ab dem 05.12.2015 zu. Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts befand sich die Klägerin nämlich im Jahr 2015 nicht im zweiten, sondern bereits im dritten Beschäftigungsjahr im Sinne des § 11 Abs. 4 Satz 1 und 2 MTV.

1. Der Klägerin steht für das Jahr 2015 eine Jahressonderzuwendung gemäß § 11 Abs. 1 MTV zu, denn unstreitig sind die dortigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt und findet die tarifvertragliche Regelung infolge beidseitiger Tarifgebundenheit Anwendung, §§ 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 TVG.

Bei der Bemessung der Jahressonderzuwendung entsprechend der Staffelung in § 11 Abs. 4 Satz 1 MTV war zu berücksichtigen, dass aufgrund der Regelung in § 11 Abs. 4 Satz 2 MTV als erstes Beschäftigungsjahr bei der Klägerin das Jahr 2013 galt und es sich folglich bei dem Jahr 2015 um das dritte Beschäftigungsjahr handelt, für das ein Betrag in Höhe von EUR 466,-- brutto geschuldet ist.

Nach § 11 Abs. 4 Satz 2 MTV gilt als erstes Beschäftigungsjahr im Sinne dieser Regelung das Beschäftigungsjahr, in dem der/die Beschäftigte erstmalig einen Anspruch auf Zahlung der Jahressonderzuwendung hat.

Die Auslegung dieser Tarifnorm ergibt nicht, dass neben den in § 11 Abs. 1 und 2 MTV geregelten Voraussetzungen für die Frage der Anspruchsentstehung und die davon abhängige Definition des ersten Beschäftigungsjahres des Mitarbeiters noch zusätzliche Faktoren rechtlich relevant sein sollen, die die Anwendbarkeit der tariflichen Bestimmung auf das konkrete Arbeitsverhältnis betreffen.

Sollte für die Frage der Anspruchsentstehung auch darauf abzustellen sein, wann ein Beitritt zu den Tarifvertragsparteien erfolgt ist oder eine Allgemeinverbindlicherklärung, hätten dies die Tarifvertragsparteien in den Wortlaut des § 11 Abs. 4 Satz 2 MTV einfließen lassen müssen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG v. 11.11.2015 - 10 AZR 719/14 - BAGE 153, 215; v. 22.04.2010 - 6 AZR 962/08 - NZA 2011, 1293) folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln.

Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.

Bei der Wortauslegung ist, wenn die Tarifvertragsparteien einen Begriff nicht eigenständig definieren, erläutern oder einen feststehenden Rechtsbegriff verwenden, vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Wird ein Fachbegriff verwendet, der im allgemeinen oder in den fachlichen Kreisen eine bestimmte Bedeutung hat, ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien mit diesem Begriff den allgemein üblichen Sinn verbinden wollten, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind, die aus dem Tarifwortlaut oder anderen aus dem Tarifvertrag selbst ersichtlichen Gründen erkennbar sein müssen.

b) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hält die Auslegung des § 11 Abs. 4 Satz 2 MTV durch das Arbeitsgericht Nürnberg einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Zwar enthält der Wortlaut der in § 11 Abs. 4 Satz 2 MTV erfolgten Definition des „ersten Beschäftigungsjahres“ keine Klarstellung dahingehend, dass damit das Beschäftigungsjahr des Mitarbeiters gemeint sein soll, in dem dieser erstmalig einen Anspruch auf Zahlung der Jahressonderzuwendung entsprechend der Regelungen in den vorstehenden Absätzen erworben hat.

Aber der Wortlaut des § 11 Abs. 4 Satz 2 MTV knüpft nicht nur an der in § 11 Abs. 4 Satz 1 MTV geregelten Staffelung der Jahressonderzuwendung entsprechend der Zahl der Beschäftigungsjahre des Mitarbeiters an, sondern greift sprachlich auch die Entstehung des Anspruchs auf, die in den vorstehenden Absätzen 1 und 2 des § 11 MTV näher geregelt worden ist. Insoweit trägt § 11 Abs. 4 Satz 2 MTV dem Umstand Rechnung, dass § 11 Abs. 1 Satz 2 MTV für die Anspruchsentstehung die Erfüllung einer Wartefrist von 12 Monaten zum Stichtag 1. Dezember verlangt.

Diese Interpretation ergibt sich auch aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung in § 11 MTV und der mit der Staffelung der Jahressonderzuwendung verfolgten Zweckrichtung, die sich an der Beschäftigungsdauer des Mitarbeiters orientiert. Denn die Mitarbeiter mit einer höheren Anzahl an Beschäftigungsjahren sollen eine höhere Sonderzahlung erhalten. Damit verfolgt die Staffelung in § 11 Abs. 4 Satz 1 MTV den Zweck, die vom Mitarbeiter erbrachte Betriebstreue und das infolge der Beschäftigungsdauer Höhe der Jahressonderzuwendung gemacht und durch den höheren Zahlbetrag die gestiegene Maß an Erfahrung und Routine zusätzlich zu honorieren.

Diesem Zweck widerspräche es, in die Definition des ersten Beschäftigungsjahres in § 11 Abs. 4 Satz 2 MTV von der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses unabhängige weitere Faktoren einfließen zu lassen. Insoweit kann nicht entscheidend sein, wann der Beschäftigte in die Gewerkschaft eingetreten ist, schließlich soll nicht die Treue zur Gewerkschaft zusätzlich honoriert werden. Ebenso wenig ist darauf abzustellen, wann der Arbeitgeber dem Arbeitgeberverband beigetreten ist oder staatliche Stellen eine Allgemeinverbindlicherklärung vorgenommen haben, denn solche Umstände weisen inhaltlich keinerlei Zusammenhang mit dem Begriff des „Beschäftigungsjahres“ eines Mitarbeiters auf. Sollte die Staffelung in § 11 Abs. 4 Satz 1 MTV nicht an der Beschäftigungsdauer des Mitarbeiters anknüpfen sondern an den Auszahlungsjahren eines Betriebes, hätten dies die Tarifvertragsparteien durch die Verwendung der Worte „Jahr“, „Zahljahr“ oder „Auszahlungsjahr“ statt des Begriffes „Beschäftigungsjahr“ zum Ausdruck gebracht.

Dies spricht dafür, dass bei der Definition des ersten Beschäftigungsjahres des Mitarbeiters lediglich auf die Anspruchsvoraussetzungen abgestellt wird, die das Beschäftigungsverhältnis des Mitarbeiters und seine Beschäftigungsdauer selbst betreffen. Dies sind die in § 11 Abs. 1 und Abs. 2 MTV enthaltenen Regelungen zur einzuhaltenden Wartefrist und dem Bestand des Beschäftigungsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag.

Für dieses Auslegungsergebnis sprechen auch die vom Arbeitsgericht Nürnberg in einem Parallelverfahren (Az: 15 Ca 5823/15) eingeholten Stellungnahmen der Tarifvertragsparteien. Diese belegen nämlich nicht, dass die Tarifvertragsparteien mit der Definition des ersten Beschäftigungsjahres in § 11 Abs. 4 Satz 2 MTV auf andere als die im Tarifvertrag selbst genannten Anspruchsvoraussetzungen anknüpfen wollten. Insoweit kann auf den Inhalt der Stellungnahmen vom 18.03.2016 und 11.04.2016 (Kopien Bl. 151 - 154 d.A.) verwiesen werden.

In diesem Zusammenhang trägt die Argumentation der Beklagten nicht, durch die Berücksichtigung des Beitrittszeitpunkts eines Arbeitgebers zum Arbeitgeberverband bei der Definition des ersten Beschäftigungsjahres solle auf Arbeitgeberseite die Bereitschaft zu einem Verbandsbeitritt gefördert werden.

Die normativen Regelungen des Tarifvertrages erfassen nämlich nur die Verbandsmitglieder (vgl. § 1 Ziff. 1 MTV) und orientieren sich an deren wirtschaftlichen Interessen, sie stellen aber nicht auf die Situation der Firmen ab, die als Außenseiter vom Tarifvertrag gar nicht erfasst werden.

2. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 286 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB.

Da die Jahressonderzuwendung 2015 gem. § 11 Abs. 1 MTV mit dem November-gehalt zur Zahlung fällig war, d.h. gem. § 3 Abs. 6 MTV bis spätestens 04.12.2015, ist sie ab 05.12.2014 zu verzinsen.

Ein fehlendes Vertretenmüssen gem. § 288 Abs. 4 BGB hat die Beklagte nicht erfolgreich eingewandt. Ihre generelle Zahlungsverpflichtung aus §§ 11 Abs. 1 und Abs. 4, 3 Abs. 6 MTV musste ihr nach dem Verbandsbeitritt im September 2014 bekannt sein. Auf die erstmalige Anwendbarkeit des MTV sind die Mitarbeiter im Rahmen der §§ 3 Satz 1, 2 Abs. 1 Ziffer 10 NachwG binnen einer Frist von einem Monat schriftlich hinzuweisen.

Dass es die Klägerin unterlassen hat, trotz des erfolgten rechtzeitigen Hinweises ihre Anspruchsberechtigung termingerecht anzuzeigen, wird nicht konkret dargelegt.

Auf den Zeitpunkt der Beweisführung einer behaupteten Gewerkschaftszugehörigkeit ist in diesem Zusammenhang nicht abzustellen, denn dies lässt den im MTV geregelten Fälligkeitstermin gänzlich unberührt.

III.

1. Die unterlegene Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO.

2. Dem Rechtsstreit wird hinsichtlich der Auslegung des § 11 Abs. 4 Satz 2 MTV grundsätzliche Bedeutung beigemessen, § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG.

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Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 26. Juni 2014 - 15 Sa 92/14 - aufgehoben.

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Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 22. Oktober 2008 - 13 Sa 77/08 - aufgehoben.

Referenzen

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 26. Juni 2014 - 15 Sa 92/14 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 7. Januar 2014 - 5 Ca 620/13 - wird zurückgewiesen.

3. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung und Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf die zweite Hälfte einer Jahressonderzahlung für das Kalenderjahr 2011.

2

Der Kläger arbeitet bei dem Beklagten seit 1988 als Altenpfleger in B. Der Beklagte, der mehrere tausend Mitarbeiter beschäftigt, ist Träger verschiedener sozialer Einrichtungen und seit 1951 Mitglied des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche von Westfalen - Landesverband der Inneren Mission - e. V. (vormals Landesverband der Inneren Mission der Evangelischen Kirche von Westfalen e. V.).

3

Nach § 2 Satz 1 des Dienstvertrags der Parteien vom 10. November 1988 finden auf ihr Dienstverhältnis die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) des Diakonischen Werkes - Innere Mission und Hilfswerk - der Evangelischen Kirche in Deutschland in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Der Dienstvertrag beinhaltet unter anderem folgende weitere Regelungen:

        

㤠6

Streitigkeiten aus diesem Vertrag sollen auf gütlichem Wege bereinigt werden. Die Vertragschließenden verpflichten sich, vor Einschalten des Arbeitsgerichtes entweder den Vorsitzenden des Vorstandes einzuschalten oder gem. § 44 AVR die Schlichtungsstelle beim Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen anzurufen. Erst wenn eine dieser Maßnahmen (bei Anrufung des Vorsitzenden binnen einer Woche) nicht zu einer Einigung führt, kann nach Maßgabe dieses Vertrages das Arbeitsgericht angerufen werden.

        

§ 7

Für eine Kündigung des Dienstverhältnisses gelten die §§ 30 - 33 AVR.

                 

Die ersten sechs Monate der Beschäftigung sind Probezeit.

                 

Abweichend von § 30 Abs. 2 AVR beträgt die Kündigungsfrist im 1. Dienstjahr nach Ablauf der Probezeit sechs Wochen zum Quartalsschluß.“

4

Gemäß Anlage 14 Abs. 3 AVR idF vom 1. Juli 2011 erhalten Mitarbeiter eine Jahressonderzahlung, die je zur Hälfte im November des laufenden und im Juni des folgenden Jahres gezahlt wird. Dabei ist die Höhe der Zahlung im Juni vom betrieblichen Ergebnis der Einrichtung bzw. eines wirtschaftlich selbständig arbeitenden Teils der Einrichtung abhängig und kann gemäß Anlage 14 Abs. 4 AVR bei einem vom Dienstgeber nachzuweisenden negativen betrieblichen Ergebnis je nach dessen Höhe ganz oder teilweise entfallen.

5

Der Beklagte zahlte an den Kläger die erste Hälfte der Jahressonderzahlung für das Kalenderjahr 2011, nicht hingegen die zweite Hälfte in unstreitiger Höhe von 1.214,49 Euro brutto. Er berief sich darauf, dass die von ihm bei der Bewertung zugrunde gelegte „Region B“ als wirtschaftlich selbständig arbeitender Teil der Einrichtung nach dem Testat vereidigter Wirtschaftsprüfer im Kalenderjahr 2011 ein negatives betriebliches Ergebnis erzielt habe.

6

Hinsichtlich der Möglichkeit zur Kürzung der Jahressonderzahlung trifft § 1 Abs. 5 AVR folgende Regelung:

        

„Von den Abweichungsmöglichkeiten in § 17 und den Anlagen 14 und 17 der AVR können Einrichtungen nur Gebrauch machen, wenn

        

a)    

auf alle Dienstverhältnisse der Einrichtung und der mit ihr verbundenen Einrichtungen, die Mitglied in einem Diakonischen Werk sind, die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) oder eine gleichwertige Arbeitsvertragsgrundlage angewandt werden,

                          
        

b)    

Leiharbeitnehmer nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) nur zur kurzfristigen Überbrückung von Personalengpässen eingesetzt werden. Bei Einrichtungsträgern, in deren Einrichtungen insgesamt mehr als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind, ist eine kurzfristige Überbrückung im Sinne dieser Regelung anzunehmen, wenn nicht mehr als 5 v. H. der insgesamt im Jahresdurchschnitt beschäftigten Vollkräfte in den Einrichtungen des Trägers Leiharbeitnehmer i. S. d. AÜG sind. Bei der Ermittlung der Anzahl der Vollkräfte sind Teilzeitbeschäftigte anteilig zu berücksichtigen.

        

Beschäftigte, die mindestens in Höhe des AVR - Entgeltes beschäftigt werden, bleiben außer Betracht.

        

Erfüllen Einrichtungen am 01. Juli 2007 diese Voraussetzungen nicht, so können sie von den Abweichungsmöglichkeiten Gebrauch machen, wenn sie durch Dienstvereinbarung

        

a)    

einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren zur vollständigen Anwendung der AVR oder einer gleichwertigen Arbeitsvertragsgrundlage oder

        

b)    

für drei Jahre eine abweichende Beschäftigungsquote für Leiharbeitnehmer

        

festlegen.

        

Anmerkung zu Abs. 5:

        

Gleichwertig ist eine Arbeitsvertragsgrundlage, die nach Maßgabe der jeweils anzuwendenden kirchlichen Arbeitsrechtsregelung zustande gekommen ist, sowie die für den öffentlichen Dienst geltenden tarifvertraglichen Regelungen.“

7

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung begehrt der Kläger mit seiner Klage die zweite Hälfte der Jahressonderzahlung für das Kalenderjahr 2011. Er ist der Auffassung, der Beklagte sei nicht zu deren Streichung berechtigt gewesen.

8

Der Kläger hat beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.214,49 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 1. Juli 2012 zu zahlen.

9

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Voraussetzungen der Abweichungsmöglichkeit nach Anlage 14 iVm. § 1 Abs. 5 AVR für die „Region B“, in welcher der Kläger beschäftigt werde und die einen wirtschaftlich selbständig arbeitenden Teil der Einrichtung darstelle, seien erfüllt.

10

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung der zweiten Hälfte der Jahressonderzahlung für das Kalenderjahr 2011 gemäß Anlage 14 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 AVR. Der Beklagte kann sich nicht auf die in Anlage 14 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3, Abs. 4 und Abs. 5 AVR geregelte Abweichungsmöglichkeit berufen, da er nicht die Voraussetzung des § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. a AVR erfüllt. Dies hat das Landesarbeitsgericht nicht beachtet.

12

I. Die Klage ist zulässig, obwohl der Kläger entgegen § 6 Satz 3 des Dienstvertrags der Parteien vor Klageerhebung weder den Vorsitzenden des Vorstands des Beklagten noch die Schlichtungsstelle beim Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen angerufen hat. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei diesem Verfahren um ein zulässigerweise als Prozessvoraussetzung ausgestaltetes Güte- oder Schlichtungsverfahren handelt. Selbst wenn es ein solches wäre, könnte dessen Nichtdurchführung nur dann zur Unzulässigkeit der Klage führen, wenn der Beklagte eine entsprechende Rüge vorgebracht hätte (vgl. zu § 22 AVR-Caritas BAG 8. Juni 1994 - 10 AZR 341/93 - zu II 1 der Gründe). Eine solche Rüge hat der Beklagte im Rechtsstreit aber nicht erhoben. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Parteien für die vorliegende Streitigkeit auf die Einhaltung des Schlichtungsverfahrens konkludent verzichtet haben (vgl. BAG 26. Mai 1993 - 4 AZR 130/93 - zu I 1 der Gründe, BAGE 73, 191).

13

II. Die Klage ist begründet.

14

1. Dem Kläger steht nach Anlage 14 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 AVR ein Anspruch gegen den Beklagten auf die zweite Hälfte der Jahressonderzahlung für das Jahr 2011 zu. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind und die zweite Hälfte der Jahressonderzahlung 1.214,49 Euro brutto beträgt. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2012 hat der Kläger diesen Anspruch auch rechtzeitig innerhalb der Frist des § 45 Abs. 2 AVR schriftlich geltend gemacht.

15

2. Der Beklagte kann sich gegen diesen Anspruch nicht auf die in Anlage 14 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3, Abs. 4 und Abs. 5 AVR geregelte Abweichungsmöglichkeit berufen. Dabei kann offenbleiben, ob der Begriff des „wirtschaftlich selbständigen Teils der Einrichtung“ und das in Anlage 14 AVR vorgesehene Leistungsbestimmungsrecht des Dienstgebers hinreichend bestimmt sind und letzteres einer Kontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterliegt. Denn der Beklagte erfüllt bereits nicht die nach § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. a AVR erforderliche Voraussetzung, dass er auf alle Dienstverhältnisse der Einrichtung die AVR anwendet.

16

a) Der Dienstgeber kann von der Abweichungsmöglichkeit nach Anlage 14 AVR nur Gebrauch machen, wenn er auf alle Dienstverhältnisse der Einrichtung und der mit ihr verbundenen Einrichtungen die AVR oder eine gleichwertige Arbeitsvertragsgrundlage iSd. Anmerkung zu Abs. 5 des § 1 AVR vollständig und einschränkungslos anwendet. Die bloße Zahlung einer Vergütung in Höhe des AVR-Entgelts iSv. § 1 Abs. 5 Unterabs. 2 AVR reicht nicht aus. Diese Ausnahmeregelung ist nur auf § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. b AVR zu beziehen. Dies folgt aus einer Auslegung von § 1 Abs. 5 AVR. Ob § 1 Abs. 5 Unterabs. 2 AVR darüber hinaus eine eigenständige Bedeutung beispielsweise in Fällen haben kann, in denen das Dienstverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs mit dem Dienstgeber begründet wurde, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn der Beklagte wendet die AVR in Bezug auf den Kläger, mit dem durchgehend seit 1988 ein unmittelbar zwischen den Parteien begründetes Dienstverhältnis besteht, bereits nicht vollständig und einschränkungslos an.

17

aa) Die Auslegung von Arbeitsvertragsrichtlinien erfolgt, obwohl es sich nicht um normativ wirkende Tarifregelungen handelt, sondern um Kollektivvereinbarungen besonderer Art, nach den für die Tarifauslegung maßgeblichen Grundsätzen (vgl. BAG 18. November 2009 - 4 AZR 493/08 - Rn. 29 mwN). Die Auslegung der AVR durch das Berufungsgericht ist in der Revisionsinstanz - wie auch die Auslegung von Tarifverträgen - in vollem Umfang zu überprüfen.

18

bb) Der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 5 Unterabs. 2 AVR erschließt sich nicht ohne Weiteres. Sein Wortlaut, „Beschäftigte, die mindestens in Höhe des AVR - Entgeltes beschäftigt werden, bleiben außer Betracht“, lässt sowohl eine Auslegung zu, wonach er sich allein auf die in § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. b AVR angesprochene Leiharbeitnehmerquote bezieht, als auch eine Auslegung, nach der diese Ausnahmeregelung ebenso für § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. a AVR Bedeutung hat. Allerdings haben die in § 1 Abs. 5 Unterabs. 2 AVR verwendeten Begriffe „Beschäftigte“ und „beschäftigt“ einen unmittelbaren Wortlautbezug nur zu § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. b Satz 2 und Satz 3 AVR, wo die Formulierungen „beschäftigt“, „beschäftigte Vollkräfte“ und „Teilzeitbeschäftigte“ verwendet werden. Dagegen sind in § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. a AVR nicht „Beschäftigte“, sondern „Dienstverhältnisse“ Regelungsgegenstand.

19

cc) Die Systematik der Regelung spricht eher für eine Anwendung von § 1 Abs. 5 Unterabs. 2 AVR auf § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. a und Buchst. b AVR. Zwar könnte bei der Auslegung beachtet werden, dass § 1 Abs. 5 Unterabs. 2 AVR unmittelbar auf § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. b AVR folgt und darum in erster Linie einen Bezug zur Leiharbeitnehmerquote herstellt. Jedoch macht die Hervorhebung als eigener Unterabsatz deutlich, dass § 1 Abs. 5 Unterabs. 2 AVR nicht ein bloßer „Satz 4“ von § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. b AVR ist.

20

dd) Der Zweck der Regelung des § 1 Abs. 5 AVR spricht dagegen, § 1 Abs. 5 Unterabs. 2 AVR auch auf § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. a AVR zu beziehen. Von den Abweichungsmöglichkeiten nach Anlage 14 AVR sollen nur die Einrichtungen Gebrauch machen können, die auf alle Dienstverhältnisse der Einrichtung die AVR anwenden.

21

(1) Die zwischenzeitlich gestrichene Übergangsregelung in § 1 Abs. 5 Unterabs. 3 AVR verdeutlicht, wie der Begriff der „Anwendung“ der AVR zu verstehen ist. Erforderlich ist - nach Ablauf einer hier nicht interessierenden Übergangsfrist - die „vollständige Anwendung der AVR“. Dies schließt ein Verständnis aus, wonach schon die Zahlung einer Vergütung in Höhe des AVR-Entgelts ausreicht, Beschäftigte, mit denen die AVR nicht oder nicht vollständig vereinbart wurden, bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen der Abweichungsmöglichkeit außer Betracht zu lassen.

22

(2) Hinzu kommt, dass das Regelungsziel des § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. a AVR, die vollständige Geltung der AVR oder gleichwertiger Arbeitsvertragsgrundlagen in allen Dienstverhältnissen zu gewährleisten, nicht erreichbar wäre, wenn auf diese Regelung die Einschränkung des § 1 Abs. 5 Unterabs. 2 AVR anwendbar wäre. Könnten Einrichtungen schon dann von den Abweichungsmöglichkeiten der Anlage 14 Gebrauch machen, wenn sie an Beschäftigte mindestens Vergütung in Höhe des AVR-Entgelts zahlen, bliebe für § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. a AVR kein eigener Regelungsbereich. Er wäre überflüssig, was sich aber nicht mit dem Sinngehalt des § 1 Abs. 5 Unterabs. 3 AVR in Einklang bringen ließe, der gerade eine „vollständige Anwendung der AVR“ verlangt und nicht nur Bezahlung des entsprechenden Entgelts.

23

ee) Bezieht man die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 5 Unterabs. 2 AVR dagegen (allein) auf § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. b AVR, erschließt sich ein sinnhafter Regelungszusammenhang. In dieser Bestimmung geht es um die Errechnung einer Quote, bei der bestimmte Arbeitnehmer nicht berücksichtigt werden, auf deren Arbeitsverhältnisse die AVR typischerweise nicht anwendbar sind. Eine Einrichtung wie der Beklagte hat im Regelfall auch keine Möglichkeit, eine vollständige Anwendung der AVR in diesen Arbeitsverhältnissen einzufordern oder durchzusetzen. Hiervon ausgehend lässt die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 5 Unterabs. 2 AVR bei der Quotenberechnung die Leiharbeitnehmer außer Betracht, die mindestens in Höhe des AVR-Entgelts beschäftigt werden, weil diese den Arbeitnehmern der Einrichtung dann zumindest wirtschaftlich in einem wesentlichen Teil gleichgestellt sind.

24

ff) Diese Auslegung des § 1 Abs. 5 AVR entspricht den kirchenrechtlichen Vorgaben der Evangelischen Kirche von Westfalen. Diese verlangen eine verpflichtende Vereinbarung der AVR - bzw. hier nicht weiter interessierender gleichwertiger Arbeitsvertragsgrundlagen - zwischen den Einrichtungen der Diakonie und ihren Beschäftigten. Einschränkungen oder Abänderungen sind dabei nicht vorgesehen.

25

(1) In dem für den Beklagten maßgeblichen Kirchengesetz über die Ordnung der diakonischen Arbeit in der Evangelischen Kirche von Westfalen (Diakoniegesetz - DiakonieG) vom 13. November 2003 (KABl. 2003 S. 373), zuletzt in der Fassung der Gesetzesvertretenden Verordnung zur Änderung des Kirchengesetzes über die Ordnung der diakonischen Arbeit in der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 4. Dezember 2014 (KABl. 2014 S. 344), wird in § 8 Abs. 2 Satz 4 auf die Satzung des Diakonischen Werkes Bezug genommen. Die Satzung des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche von Westfalen - Landesverband der Inneren Mission - e. V. vom 5. Juni 2013 (KABl. 2013 S. 139) sieht in § 4 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a eine Verpflichtung der Mitglieder vor, mit den Mitarbeitenden in den Arbeitsverträgen die AVR bzw. eine gleichwertige Arbeitsvertragsgrundlage zu vereinbaren. Auch die entsprechenden Fassungen vom 27. August 2008 und vom 12. Dezember 2011 beinhalten jeweils in § 4 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a die Verpflichtung der Mitglieder, die Mitarbeitenden nach Arbeitsbedingungen zu beschäftigen, die in einem kirchengesetzlich anerkannten Verfahren gesetzt werden, welches auf strukturellem Gleichgewicht der Dienstgeber- und Dienstnehmerseite beruht.

26

(2) Nach § 3 Abs. 1 des Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechtsregelungsgesetz - ARRG) vom 15. November 2001 (KABl. 2002 S. 70) idF vom 21. November 2013 (KABl. 2013 S. 268) sind die von der Arbeitsrechtlichen Kommission und die von der Arbeitsrechtlichen Schiedskommission beschlossenen Arbeitsrechtsregelungen verbindlich. Nach § 3 Abs. 2 ARRG sind in den Arbeitsverträgen diese Arbeitsrechtsregelungen in der jeweils gültigen Fassung zu vereinbaren. Dies gilt gemäß § 3 Abs. 3 ARRG auch für die Mitglieder der Diakonischen Werke.

27

gg) Ein solches Verständnis des § 1 Abs. 5 AVR steht schließlich im Einklang mit den Grundsätzen, die das Bundesarbeitsgericht im Zusammenhang mit dem Arbeitskampf in kirchlichen Einrichtungen im Rahmen des sog. Dritten Wegs aufgestellt hat (vgl. BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 119, BAGE 143, 354).

28

Danach ist das Verfahrenskonzept des Dritten Wegs darauf gerichtet, das auch im kirchlichen und diakonischen Bereich vorhandene Kräfteungleichgewicht zwischen Dienstnehmern und Dienstgebern unter Beachtung der bekenntnismäßigen Besonderheiten des kirchlichen oder diakonischen Diensts auszugleichen. Dieses Ziel kann jedoch nur erreicht werden, soweit das Ergebnis dieser Verhandlungen einschließlich einer darauf gerichteten Schlichtung für die Arbeitsvertragsparteien verbindlich und einer einseitigen Abänderung durch den Dienstgeber entzogen ist. Im Konzept der Tarifautonomie wird dieses Ziel durch § 4 Abs. 1 TVG erreicht, der den Rechtsnormen eines Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses betreffen, zwischen den Tarifgebundenen unmittelbare und zwingende Wirkung verleiht. Ausnahmen hiervon lässt § 4 TVG nur zu, soweit der Tarifvertrag sie gestattet oder es sich um Änderungen zugunsten des Arbeitnehmers handelt(§ 4 Abs. 3 TVG).

29

Diese, die Tarifautonomie ausgestaltende und sichernde Regelung des staatlichen Rechts, steht für den Dritten Weg nicht zur Verfügung. Dem trägt die Kirche dem Grunde nach Rechnung, indem die jeweiligen Dienstgeber durch Kirchen- oder Satzungsrecht verpflichtet werden, das Ergebnis der Kollektivverhandlungen des Dritten Wegs durch einzelvertragliche Inbezugnahme zur Geltung zu bringen. Beide Regelungskonzepte erreichen durch unterschiedliche Regularien, dass die von Repräsentanten der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite ausgehandelten Vertragsbedingungen das einzelne Arbeitsverhältnis gestalten.

30

b) Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BAG 15. Januar 2014 - 10 AZR 403/13 - Rn. 31) sollen nur solche Dienstgeber gemäß § 1 Abs. 5 AVR die Kürzungsregelung nutzen dürfen, die im Übrigen das in den AVR oder gleichwertigen Regelungswerken niedergelegte Verhältnis von Leistungen und Gegenleistungen gewährleisten. Der Dienstgeber soll nicht die Möglichkeit haben, sich einerseits die Kürzungsrechte bei den Jahressonderzahlungen und andere Sonderrechte zu sichern, im Übrigen aber das System der Rechtsgewinnung nach den jeweils anwendbaren kirchenrechtlichen Vorschriften des Dritten Wegs zu verlassen, es sei denn, er wendet Tarifverträge des öffentlichen Diensts an (sog. „Tariftreueklausel“). Auf einen materiellen Günstigkeitsvergleich kommt es nicht an. Dabei ist das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht im Sinne eines Synallagmas zu verstehen. Um von der Abweichungsmöglichkeit in Anlage 14 AVR Gebrauch machen zu können, ist vielmehr die vollständige und einschränkungslose Anwendung der AVR auf alle Dienstverhältnisse der Einrichtung erforderlich. Dies lässt auch keine Änderungen in Randfragen oder Regelungsbereichen außerhalb der unmittelbaren Hauptleistungspflichten zu. Allein Ergänzungen zu den AVR, die eindeutig und klar für die Beschäftigten vorteilhafter sind, stehen einer Abweichungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 5 AVR nicht entgegen. Bei einer sog. ambivalenten Regelung ist keine „Günstigkeit“ in diesem Sinne gegeben (vgl. BAG 15. April 2015 - 4 AZR 587/13 - Rn. 29).

31

c) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass zur Entscheidung der Frage, wie ein Dienstgeber, der die für ihn maßgeblichen AVR nicht vollständig und einschränkungslos auf alle Dienstverhältnisse der Einrichtung anwendet, für die Zukunft wieder einen Zustand herstellen kann, der ihm ein Gebrauchmachen von der Abweichungsmöglichkeit nach Anlage 14 AVR erlaubt. Ob in Fällen, in denen die Arbeitnehmer ein ihnen gemachtes Angebot einer einvernehmlichen Vertragsänderung mit dem Inhalt, die AVR künftig vollständig und einschränkungslos Gegenstand des Dienstvertrags sein zu lassen, nicht annehmen, auch eine diesbezügliche verbindliche Gesamtzusage des Dienstgebers ausreichend sein könnte, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da der Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum eine solche Erklärung jedenfalls nicht abgegeben hat.

32

3. Der Beklagte hat nicht auf alle Dienstverhältnisse der Einrichtung die AVR vollständig und einschränkungslos angewandt. Er ist vielmehr in § 6 Satz 3 und § 7 Satz 3 des Dienstvertrags des Klägers von den AVR abgewichen, ohne dass es sich insoweit um eindeutig und klar vorteilhafte Ergänzungen der AVR zugunsten des Mitarbeiters handeln würde.

33

a) Das in § 6 Satz 3 des Dienstvertrags der Parteien verpflichtend vor Anrufung des Arbeitsgerichts vorgesehene Schlichtungsverfahren weicht von der Regelung in § 44 AVR ab. Nach dem Dienstvertrag der Parteien kann das Arbeitsgericht erst angerufen werden, wenn das Schlichtungsverfahren nicht zu einer Einigung geführt hat. Nach § 44 Satz 1 AVR ist das Schlichtungsverfahren nur fakultativ durchzuführen. § 44 Satz 2 AVR hebt hervor, dass die Behandlung eines Falls vor der Schlichtungsstelle die Anrufung des Arbeitsgerichts nicht ausschließt. Eine Abweichung des Dienstvertrags besteht auch in Bezug auf die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Parteien geltenden AVR zum Stand 1. Mai 1988. Dort ist in § 44 Satz 1 zwar eine verpflichtende Anrufung der Schlichtungsstelle bei Meinungsverschiedenheiten aus dem Dienstverhältnis geregelt. § 44 Satz 2 der AVR in der damals geltenden Fassung erklärt aber - wie die aktuelle Fassung der AVR -, dass die Behandlung eines Falls vor der Schlichtungsstelle die Anrufung des Arbeitsgerichts nicht ausschließt. § 6 Satz 3 des Dienstvertrags ist keine bloße Ergänzung zu den AVR, die eindeutig und klar vorteilhaft für den Mitarbeiter ist. Vielmehr wird dadurch die ihm zustehende Möglichkeit, Rechtsschutz vor den staatlichen Gerichten zu suchen, erschwert.

34

b) Die Kündigungsfristenregelung in § 7 Satz 3 des Dienstvertrags der Parteien weicht ausdrücklich von der in § 30 Abs. 2 AVR (nunmehr § 30 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AVR) geregelten Kündigungsfrist im ersten Dienstjahr nach Ablauf der Probezeit ab. Statt der nach den AVR maßgeblichen beiderseitigen Kündigungsfrist von einem Monat zum Schluss eines Kalendermonats gilt nach dem Dienstvertrag eine Frist von sechs Wochen zum Quartalsschluss. Dies ist eine längere Kündigungsfrist als in den AVR geregelt, die auch nur weniger Beendigungstermine zulässt. Diese nach ihrem Wortlaut nicht allein auf arbeitgeberseitige Kündigungen bezogene und vom Beklagten nach seinen Ausführungen in der Revisionsverhandlung auch so verstandene beidseitige Verlängerung der Kündigungsfrist stellt eine Schlechterstellung der Mitarbeiter gegenüber § 30 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AVR dar. Diesen wird es - in der häufig in den ersten Monaten nach Ablauf der Probezeit noch andauernden Orientierungsphase - erschwert, das Dienstverhältnis mit dem Beklagten zu beenden und sich einem anderen Arbeitgeber zuzuwenden. Dabei bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, wie es zu bewerten ist, dass diese im Dienstvertrag vereinbarte Abweichung von den AVR für das seit Jahrzehnten bestehende Arbeitsverhältnis der Parteien keine praktische Auswirkung mehr hat. Der Beklagte hat erklärt, dass bis heute in den Dienstverträgen der Mitarbeiter diese Abweichung von der Kündigungsfristenregelung der AVR aufgenommen wird.

35

c) Der Beklagte beruft sich zu Unrecht darauf, dass die im Dienstvertrag der Parteien vereinbarten Abweichungen zu den AVR nicht das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung beträfen und daher für die Regelung in § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. a AVR unbeachtlich seien. Wie vorstehend ausgeführt, kommt es insoweit nicht auf das synallagmatische Verhältnis an, sondern auf die vollständige und einschränkungslose Übernahme der AVR-Regelungen in den Dienstvertrag.

36

4. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 iVm. § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, nachdem die zweite Hälfte der Jahressonderzahlung 2011 gemäß Anlage 14 Abs. 3 Satz 1 AVR im Juni 2012 zu zahlen war.

37

III. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung und Revision zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Linck    

        

    Brune    

        

    Schlünder    

        

        

        

    Diener    

        

    Fieback    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 22. Oktober 2008 - 13 Sa 77/08 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Strukturausgleich nach § 12 Abs. 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst(TVöD) und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) vom 13. September 2005.

2

Die 1966 geborene Klägerin ist seit dem 15. März 1989 in einer Forschungsanstalt der Beklagten als Chemielaborantin in der Funktion einer Chemisch-Technischen Assistentin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Bundes-Angestelltentarifvertrag(BAT) Anwendung. Seit dem 1. Oktober 2005 richtet sich das Arbeitsverhältnis aufgrund beiderseitiger Tarifbindung nach dem TVöD und dem TVÜ-Bund. Die Klägerin war zunächst in der Vergütungsgruppe VI b, Fallgruppe 1, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Im Wege eines Zeitaufstiegs wurde sie zum 1. Januar 1997 in die Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 2, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT höhergruppiert. Sie erhielt vor der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den TVöD zuletzt Grundgehalt dieser Vergütungsgruppe nach Lebensaltersstufe 39. Im Rahmen der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den TVöD wurde die Klägerin der Entgeltgruppe E 8 TVöD und einer ihrem Vergleichsentgelt entsprechenden individuellen Endstufe zugeordnet, weil das Vergleichsentgelt über der höchsten Stufe 6 der Entgeltgruppe E 8 TVöD lag.

3

In einem Schreiben vom 10. Oktober 2005 unterrichtete die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel die Klägerin über die Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses in den TVöD und teilte ua. mit, dass sie einen Strukturausgleich in Höhe von 40,00 Euro(auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung) erhält, dieser Ausgleichsbetrag ab dem 1. Oktober 2007 dauerhaft gezahlt, jedoch nicht dynamisiert wird und daher an künftigen Tariferhöhungen nicht teilnimmt. Das Schreiben enthält den Hinweis, dass es der Information dient und keinen Rechtsanspruch begründet.

4

Die mit der Hälfte der tariflichen Wochenarbeitszeit beschäftigte Klägerin hat ohne Erfolg von der Beklagten ab Oktober 2007 Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ-Bund iVm. Anlage 3 TVÜ-Bund (Strukturausgleichstabelle) in Höhe von monatlich 20,00 Euro verlangt. In dieser Tarifvorschrift und der Strukturausgleichstabelle heißt es:

        

㤠12 Strukturausgleich

        
        

(1) 1Aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O übergeleitete Beschäftigte erhalten ausschließlich in den in Anlage 3 TVÜ-Bund aufgeführten Fällen zusätzlich zu ihrem monatlichen Entgelt einen nicht dynamischen Strukturausgleich. 2Maßgeblicher Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen (Vergütungsgruppe, Lebensalterstufe, Ortszuschlag, Aufstiegszeiten) ist der 1. Oktober 2005, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist.

        
        

(2) Die Zahlung des Strukturausgleichs beginnt im Oktober 2007, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht etwas anderes bestimmt ist.

        
        

(3) …

        
        

(4) Bei Teilzeitbeschäftigung steht der Strukturausgleich anteilig zu (§ 24 Abs. 2 TVöD). ...

        
        

Protokollerklärung zu Absatz 4:

        
        

Bei späteren Veränderungen der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der/des Beschäftigten ändert sich der Strukturausgleich entsprechend.

        
        

…       

        
        

Anlage 3 TVÜ-Bund

        
        

Strukturausgleiche für Angestellte (Bund)

        
        

...

        
        

Entgeltgruppe

Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ

Aufstieg

Orts-Zuschlag Stufe 1, 2

Lebensaltersstufe

Höhe Ausgleichsbetrag

Dauer

bei In-Kraft-Treten TVÜ

        

2       

X       

IX b nach 2 Jahren

OZ 2

23   

40 €

für 4 Jahre

        

…       

…       

…       

…       

…       

…       

…       

        

8       

V c

ohne

OZ 2

39   

40 €

dauerhaft

        

…       

…       

…       

…       

…       

…       

…“   

5

Die Niederschriftserklärungen zu § 12 TVÜ-Bund lauten:

        

„1.

1Die Tarifvertragsparteien sind sich angesichts der Fülle der denkbaren Fallgestaltungen bewusst, dass die Festlegung der Strukturausgleiche je nach individueller Fallgestaltung in Einzelfällen sowohl zu überproportional positiven Folgen als auch zu Härten führen kann. 2Sie nehmen diese Verwerfungen im Interesse einer für eine Vielzahl von Fallgestaltungen angestrebten Abmilderung von Exspektanzverlusten hin.

        

2.   

1Die Tarifvertragsparteien erkennen unbeschadet der Niederschriftserklärung Nr. 1 an, dass die Strukturausgleiche in einem Zusammenhang mit der zukünftigen Entgeltordnung stehen. 2Die Tarifvertragsparteien werden nach einer Vereinbarung der Entgeltordnung zum TVöD, rechtzeitig vor Ablauf des 30. September 2007 prüfen, ob und in welchem Umfang sie neben den bereits verbindlich vereinbarten Fällen, in denen Strukturausgleichsbeträge festgelegt sind, für einen Zeitraum bis längstens Ende 2014 in weiteren Fällen Regelungen, die auch in der Begrenzung der Zuwächse aus Strukturausgleichen bestehen können, vornehmen müssen. 3Sollten zusätzliche Strukturausgleiche vereinbart werden, sind die sich daraus ergebenden Kostenwirkungen in der Entgeltrunde 2008 zu berücksichtigen.“

6

Die Klägerin hat gemeint, sie habe nach § 12 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle Anspruch auf anteiligen Strukturausgleich in Höhe von monatlich 20,00 Euro. Sie sei bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund in der Vergütungsgruppe V c der Anlage 1a zum BAT eingruppiert gewesen und habe alle anderen für diese Vergütungsgruppe in der Strukturausgleichstabelle genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Ohne Bedeutung sei, dass sie aus der Vergütungsgruppe VI b in die Vergütungsgruppe V c der Anlage 1a zum BAT aufgestiegen sei. Die tarifliche Regelung stelle für den Anspruch auf den Strukturausgleich nicht auf die „originäre“ Vergütungsgruppe oder die „Ausgangsvergütungsgruppe“ ab. Maßgeblich sei die Eingruppierung am Stichtag. Für die Monate Oktober und November 2007 stünde ihr aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung Strukturausgleich in Höhe von jeweils 20,00 Euro brutto zu.

7

Die Klägerin hat beantragt:

        

1.   

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2007 zu zahlen.

        

2.   

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin einen monatlichen Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ-Bund zu bezahlen.

8

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, für den Anspruch auf Strukturausgleich nach § 12 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle sei nicht auf die am Stichtag tatsächlich erreichte, sondern die originäre Vergütungsgruppe abzustellen. Die Spalten 2 und 3 der Tabelle seien nur verständlich, wenn sie als Einheit verstanden würden. Die Tarifvertragsparteien hätten die Aufstiegsmöglichkeiten der Beschäftigten in der Strukturausgleichstabelle nachgezeichnet. So sei in Spalte 3 stets eine höhere Vergütungsgruppe als in Spalte 2 der Tabelle ausgewiesen. Anders als in der Anlage 2 TVÜ-Bund hätten die Tarifvertragsparteien in der Strukturausgleichstabelle nicht zwischen vorhandenem, vollzogenem und noch ausstehendem Aufstieg differenziert. Die Fallvariante „nach Aufstieg“ enthalte diese Tabelle nicht. Dies zeige, dass es für den Anspruch auf den Strukturausgleich auf die originäre Vergütungsgruppe ankomme. Die Fallgruppe der originären Vergütungsgruppe ohne weitere Aufstiegsmöglichkeit könne nicht mit der nach erfolgtem Aufstieg erreichten Vergütungsgruppe gleichgestellt werden. Für dieses Auslegungsergebnis spreche auch, dass die nach dem Überleitungsstichtag vollzogenen Aufstiege gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund zum Wegfall des Strukturausgleichs führten.

9

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf anteiligen Strukturausgleich weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung darf die Klage nicht abgewiesen werden. In der Sache kann der Senat nicht selbst entscheiden. Es bedarf der Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht, ob sich die Tarifvertragsparteien - wie die Beklagte behauptet - in den Tarifvertragsverhandlungen einig gewesen sind, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ in der Strukturausgleichstabelle nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist.

11

I. Die Klage ist zulässig.

12

1. Der auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Strukturausgleich gerichtete Feststellungsantrag hat eine Leistungsverpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis zum Gegenstand(vgl. BAG 29. September 2004 - 5 AZR 528/03 - BAGE 112, 112, 115). Für diesen Antrag liegt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Das angestrebte Feststellungsurteil ist geeignet, den Konflikt der Parteien endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Es kann erwartet werden, dass die Beklagte einem gegen sie ergangenen Feststellungsurteil nachkommen und die sich daraus ergebenden Leistungsansprüche erfüllen wird. Die Klägerin musste den beanspruchten Ausgleichsbetrag auch nicht beziffern, nachdem dieser Betrag bei Teilzeitbeschäftigung anteilig zu zahlen ist (§ 12 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Bund) und die Höhe des Strukturausgleichs damit vom jeweiligen zeitlichen Umfang der Beschäftigung der Klägerin abhängt.

13

2. Allerdings bedarf der Feststellungsantrag bezüglich des Beginns des streitbefangenen Zeitraums der Auslegung, nachdem die Klägerin insoweit von einer Datumsangabe abgesehen hat. Die Klägerin beansprucht für die Monate Oktober und November 2007 Strukturausgleich im Wege der Zahlungsklage. Ihr Feststellungsbegehren ist daher so auszulegen, dass die Verpflichtung der Beklagten festgestellt werden soll, ihr ab Dezember 2007 Strukturausgleich zu zahlen.

14

II. Das Arbeitsverhältnis richtet sich aufgrund beiderseitiger Tarifbindung ua. nach den Bestimmungen des TVÜ-Bund. Der mit der Hälfte der tariflichen Wochenarbeitszeit beschäftigten Klägerin könnte deshalb nach § 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle ab dem 1. Oktober 2007 anteiliger Strukturausgleich(§ 12 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Bund) in Höhe von monatlich 20,00 Euro brutto zustehen. Für die Monate Oktober und November 2007 schuldete ihr die Beklagte in diesem Fall Strukturausgleich in Höhe des im Wege der Zahlungsklage geltend gemachten Betrags von 40,00 Euro brutto.

15

1. Die Tarifvertragsparteien haben in der Strukturausgleichstabelle den Anspruch auf den Ausgleichsbetrag an fünf Voraussetzungen geknüpft. Sie haben zu jeder „Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ“ für bestimmte Lebensaltersstufen und Stufen des Ortszuschlags jeweils die Höhe des Ausgleichsbetrags und die Dauer der Zahlung des Strukturausgleichs festgelegt. Die Klägerin hat am 1. Oktober 2005 und damit am gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund maßgeblichen Stichtag die anspruchsbegründenden Voraussetzungen für einen dauerhaft zu zahlenden Strukturausgleich in Höhe von monatlich 40,00 Euro bei Vollzeitbeschäftigung nur dann erfüllt, wenn es für das Merkmal „Aufstieg - ohne“ ausreicht, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Sie wurde im Rahmen der Überleitung in den TVöD der Entgeltgruppe E 8 zugeordnet. Seit dem 1. Januar 1997 und damit bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund am 1. Oktober 2005 war sie in der Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 2, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Darüber, dass der Klägerin bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund Ortszuschlag der Stufe 2 zustand, sie zu diesem Zeitpunkt die Lebensaltersstufe 39 erreicht hatte und im Wege eines Bewährungs-, Fallgruppen- oder Tätigkeitsaufstiegs nicht mehr höhergruppiert werden konnte, besteht kein Streit.

16

2. Strittig ist, ob es sich bei der in der Spalte 2 der Strukturausgleichstabelle genannten Vergütungsgruppe entsprechend der Annahme des Landesarbeitsgerichts und der Rechtsauffassung der Beklagten um die „originäre“ Vergütungsgruppe handelt und spätere Höhergruppierungen durch Bewährungs- oder Zeitaufstiege nicht zu berücksichtigen sind(so auch Kutzki RiA 2009, 256; Görgens ZTR 2009, 562; Kuner Der neue TVöD Rn. 114a; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Juni 2009 TVÜ-Bund § 12 Rn. 18, 19; Hinweise zur Anwendung der Regelungen über Strukturausgleiche gemäß § 12 TVÜ-Bund des Bundesministeriums des Innern [Hinweise des BMI] vom 10. August 2007 - D II 2-220 210 1/12 - Nr. 3.4.1 und 3.4.2), oder ob es entsprechend der Ansicht der Klägerin auf die am Stichtag tatsächlich erreichte Vergütungsgruppe ankommt (so Hanau ZTR 2009, 403; Dannenberg PersR 2009, 193; Schmidt-Rudloff in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr Beck’scher Online-Kommentar Stand 1. März 2010 TVÜ-Bund § 12 Rn. 2 und 4).

17

3. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts(vgl. 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 30, BAGE 124, 110; 7. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - BAGE 111, 204, 209; 8. September 1999 - 4 AZR 661/98 - BAGE 92, 259, 263) folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.

18

4. Der Wortlaut der tariflichen Regelungist nicht eindeutig. § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund bestimmt, dass maßgeblicher Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen(Vergütungsgruppe, Lebensaltersstufe, Ortszuschlag, Aufstiegszeiten) der 1. Oktober 2005 ist, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Damit verweist der Wortlaut der Tarifbestimmung zwar nicht auf eine „originäre“ Vergütungsgruppe, eine „Ausgangsvergütungsgruppe“ oder die „Vergütungsgruppe bei erstmaliger Übertragung der Tätigkeit“. Die in Spalte 3 der Strukturausgleichstabelle unter der Überschrift „Aufstieg“ enthaltene Angabe „ohne“ kann vom Wortsinn her aber auch so verstanden werden, dass die in der Spalte 2 der Strukturausgleichstabelle angegebene Vergütungsgruppe ohne vorherigen Aufstieg erreicht sein muss und keinen künftigen Aufstieg vorsehen darf. Der Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund hindert nicht ein Verständnis des Merkmals „Aufstieg - ohne“, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 die für die Überleitung in den TVöD maßgebliche Vergütungsgruppe nicht mit einem früheren oder zukünftigen Aufstieg verbunden sein darf.

19

5. Auch die Tarifsystematik führt zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis.

20

a) Der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien in der Anlage 2 TVÜ-Bund, die die Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen zu den Entgeltgruppen regelt, in der Spalte 2 zwischen Vergütungsgruppen „ohne Aufstieg“, „nach Aufstieg“ und „mit ausstehendem Aufstieg“ unterschieden und in der Spalte 3 der Strukturausgleichstabelle mit dem Wort „ohne“ von dieser Differenzierung abgesehen haben, spricht noch nicht entscheidend dafür, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ ausschließlich das Fehlen künftiger Aufstiegsmöglichkeiten erfasst und Vergütungsgruppen nach erfolgtem Aufstieg nicht vom Strukturausgleich ausgenommen sind. Die Strukturausgleichstabelle und die Anlage 2 TVÜ-Bund verfolgen nicht nur unterschiedliche Regelungszwecke. Sie unterscheiden sich auch in der Regelungstechnik, indem in der Strukturausgleichstabelle anders als in der Anlage 2 TVÜ-Bund der Aufstieg unter der entsprechenden Überschrift in einer gesonderten Spalte behandelt wird. Dies könnte gegen eine Anknüpfung an die in Anlage 2 TVÜ-Bund getroffenen Differenzierungen und für eine eigenständige Auslegung sprechen, zumal in der Strukturausgleichstabelle anders als in Anlage 2 Spalte 2 TVÜ-Bund nach dem Wort „ohne“ die für einen Aufstieg in Betracht kommende höhere Vergütungsgruppe nicht genannt wird. Würde das Merkmal „Aufstieg - ohne“ in einem weiteren Sinne als die Worte „ohne Aufstieg“ in der Anlage 2 TVÜ-Bund verstanden, dürfte die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden sein.

21

b) Wenn die Strukturausgleichstabelle bei den genannten Vergütungsgruppen mit Aufstieg nur Vergütungsgruppen mit einem am Stichtag noch nicht erfolgten, also einem zukünftigen Aufstieg bezeichnet, liegt die Annahme nahe, auch das Wort „ohne“ erfasse nur einen zukünftigen Aufstieg. Allerdings lässt sich dieser Auslegung entgegenhalten, dass in den Fällen mit Aufstieg die höhere Vergütungsgruppe genannt ist, in den Fällen ohne Aufstieg dagegen nicht.

22

c) Aus dem Wort „ausschließlich“ in § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund kann zwar abgeleitet werden, dass die Zahlung von Strukturausgleich Ausnahmecharakter hat. Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ auch solche Vergütungsgruppen vom Strukturausgleich ausschließen soll, die von den Beschäftigten im Wege des Aufstiegs erreicht wurden. Ob es nach dem Willen der Tarifvertragsparteien mehr oder weniger Ausnahmefälle geben soll, in denen Strukturausgleich zu zahlen ist, erschließt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund nicht.

23

d) Das Argument, dass in den Fällen eines nach § 8 Abs. 2 TVÜ-Bund nachgeholten Bewährungs- oder Fallgruppenaufstiegs ab dem individuellen Aufstiegszeitpunkt ein etwaiger Strukturausgleich entfällt und dass ein Wertungswiderspruch entstünde, wenn man die nach dem Stichtag erfolgte Gleichstellung mit den früher Aufgestiegenen mit dem Wegfall des Strukturausgleichs bestrafe, die früheren Höhergruppierungen hingegen noch durch Zahlungen eines Strukturausgleichs belohne, trägt nicht( aA Görgens ZTR 2009, 562, 563). Es berücksichtigt nicht die unterschiedlichen Folgen der Überleitung nach einem Aufstieg aus einer höheren Vergütungsgruppe und der Überleitung vor einem nach dem alten Tarifrecht möglichen Aufstieg aus der niedrigeren Vergütungsgruppe. Die Tarifvertragsparteien waren aufgrund des Stichtagsprinzips nicht gehindert, nur danach zu differenzieren, ob am 1. Oktober 2005 ein (weiterer) Aufstieg noch möglich war.

24

6. Auch Sinn und Zweck des Strukturausgleichs geben kein eindeutiges Auslegungsergebnis vor.

25

a) Mit dem Strukturausgleich wollten die Tarifvertragsparteien Erwartungen auf zukünftige Entgeltsteigerungen nach dem bisherigen Tarifsystem Rechnung tragen. Bei der Ermittlung der begünstigten Personengruppen war entscheidend, welche Einkommensentwicklung bei der bisher erreichten Vergütungsgruppe und Lebensaltersstufe sowie dem jeweiligen Familienstand(Ortszuschlag Stufe 1 oder Stufe 2) noch möglich gewesen wäre. Dies erklärt, warum die Strukturausgleichsbeträge innerhalb einer Vergütungsgruppe bei verschiedenen Lebensaltersstufen nicht stets gleich hoch sind (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand Dezember 2009 Teil IV/3 TVÜ-Bund/TVÜ-VKA Rn. 150). Im Interesse einer für eine Vielzahl von Fallgestaltungen angestrebten Abmilderung von Exspektanzverlusten haben die Tarifvertragsparteien Verwerfungen in Einzelfällen ausdrücklich hingenommen (Nr. 1 Satz 2 der Niederschriftserklärungen zu § 12 TVÜ-Bund). Mit den Spalten 2 und 3 der Strukturausgleichstabelle haben sie zwar auch mögliche Karriereentwicklungen der Angestellten nach dem BAT/BAT-O abgebildet, soweit sie den Anspruch auf Strukturausgleich in der Spalte 3 an den Aufstieg in eine höhere Vergütungsgruppe geknüpft haben. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien mit dem Strukturausgleich nicht ausschließlich nach dem bisherigen Tarifsystem bestehenden Exspektanzen im Hinblick auf eine Höhergruppierung Rechnung getragen. Sie haben vielmehr auch Exspektanzverluste aufgrund der Beseitigung des Aufstiegs nach dem Lebensalter abmildern wollen. In Spalte 5 der Strukturausgleichstabelle haben sie deshalb auf die Lebensaltersstufe des Angestellten bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund abgestellt (vgl. Hanau ZTR 2009, 403, 408).

26

b) Dieses Abmilderungsziel spricht zwar für das Verständnis, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ bereits erfüllt ist, wenn am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Entgeltsteigerungen aufgrund des Erreichens einer höheren Lebensaltersstufe wären nach bisherigem Tarifrecht unabhängig davon eingetreten, ob die aktuelle Eingruppierung noch einen Bewährungs- oder Tätigkeitsaufstieg zugelassen hätte oder ein solcher Aufstieg bereits vor dem Inkrafttreten des TVÜ-Bund erfolgt war. Der Verlust der Altersexspektanz trifft alle Beschäftigte einer Vergütungsgruppe gleich, unabhängig davon, ob sie in diese originär eingruppiert waren oder durch Aufstieg gelangt sind(Hanau ZTR 2009, 403, 407). Eine Bindung des Anspruchs auf Strukturausgleich an eine originäre Vergütungsgruppe könnte deshalb dem Willen der Tarifvertragsparteien, auch mit der Abschaffung der Lebensaltersstufen verbundene Exspektanzverluste auszugleichen (vgl. Dannenberg PersR 2009, 193, 195), widersprechen.

27

c) Zwingend ist dies jedoch nicht. Auch eine Regelung, wonach das Merkmal „Aufstieg - ohne“ nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist, würde die Grenzen der autonomen Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund nicht überschreiten, sondern wäre von der Tarifautonomie gedeckt.

28

7. Das von der Klägerin befürwortete Auslegungsergebnis ist auch nicht nennenswert praktikabler als das Abstellen auf originäre Vergütungsgruppen. Die Prüfung, ob im Überleitungszeitpunkt eine bestimmte Aufstiegsmöglichkeit bzw. keine Aufstiegsmöglichkeit bestand, erfordert ohnehin den Rückgriff auf die bei der Überleitung einschlägige Fallgruppe der Vergütungsgruppe des BAT, so dass ohne Weiteres festgestellt werden kann, ob der Angestellte in die Vergütungsgruppe mit der entsprechenden Fallgruppe erst durch einen vorherigen Aufstieg gelangt ist. Aufgrund dieses notwendigen Rückgriffs auf die einschlägige Fallgruppe kann aus der Strukturausgleichstabelle auch dann nicht „problemlos“ abgelesen werden, wer ab wann für wie lange welchen Betrag erhält, wenn ohne Weiteres auf die Vergütungsgruppe abgestellt wird, in der der Angestellte bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund eingruppiert war(aA Schmidt-Rudloff in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr Beck’scher Online-Kommentar Stand 1. März 2010 TVÜ-Bund § 12).

29

8. Ob es nach § 12 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts(TVÜ-Länder) vom 12. Oktober 2006 für den Anspruch auf Strukturausgleich darauf ankommt, dass die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe ohne Aufstieg erreicht worden ist, ist für die Auslegung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ in der Anlage 3 TVÜ-Bund nicht entscheidend. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder auf die originäre Vergütungsgruppe abgestellt haben sollten, könnte daraus kein entsprechender Regelungswille der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund abgeleitet werden, die diesen Tarifvertrag bereits am 13. September 2005 vereinbart hatten.

30

9. Ebenso wenig Rückschlüsse auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund lässt der zeitgleich vereinbarte Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts(TVÜ-VKA) mit seiner in Anlage 2 geregelten Strukturausgleichstabelle zu. Diese ist anders strukturiert als die Tabelle für die Beschäftigten des Bundes und nicht mit vergleichbaren Auslegungsproblemen verbunden. Soweit dort auch für einige Fälle ein Strukturausgleich vorgesehen ist, in denen der Angestellte im Wege des Aufstiegs in eine höhere Vergütungsgruppe gelangt war, unterscheidet er sich nach Betrag, Beginn und Dauer von den Fällen, in denen die Überleitung des Angestellten aus der originären Vergütungsgruppe erfolgte.

31

10. Bezogen auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund hat das Bundesministerium des Innern mit Schreiben vom 5. Februar 2008 an das Eisenbahn-Bundesamt behauptet, die Gewerkschaften hätten in den Tarifvertragsverhandlungen umfangreiche Vergleichsberechnungen vorgelegt, die auf den „originären“ Vergütungsgruppen basierten und zur tariflichen Regelung des Strukturausgleichs geführt hätten. Die Beklagte hat dieses Schreiben in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt, sich darauf bezogen und sich damit die Behauptung des Bundesministeriums des Innern zu Eigen gemacht. Sollte diese Behauptung zutreffen und wären die Tarifvertragsparteien sich in den Tarifverhandlungen einig gewesen, dass der Anspruch auf Strukturausgleich voraussetzt, dass die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist, würde dies die Auslegung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten rechtfertigen(zu den Voraussetzungen eines Rückgriffs auf die Entstehungsgeschichte der tariflichen Regelung als für die Auslegung entscheidenden Anhaltspunkt vgl. auch BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 1035/08 -).

32

Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund seiner Annahme, bereits die Systematik der tariflichen Regelung spreche entscheidend dafür, dass es zur Erfüllung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ auf die originäre Vergütungsgruppe ankomme, nicht geprüft, ob die Behauptung der Beklagten zutrifft, dass die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund in den Tarifverhandlungen die Strukturausgleichsbeträge auf der Basis der originären Vergütungsgruppen mit und ohne Aufstiegsmöglichkeit festgelegt haben und sich einig gewesen sind, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist. Diese Prüfung hat es nachzuholen. Dazu hat es beiden Parteien zunächst Gelegenheit zu geben, ihren jeweiligen Sachvortrag zur Entstehungsgeschichte der Regelung des Strukturausgleichs zu ergänzen und weiter zu substantiieren. Sodann wird das Landesarbeitsgericht festzustellen haben, ob die Tarifvertragsparteien sich einig gewesen sind, dass die originäre Vergütungsgruppe maßgeblich ist. Da Wortlaut, systematischer Zusammenhang und sonstige Auslegungsgesichtspunkte nicht zu einer zweifelsfreien Auslegung führen, kann auch Veranlassung zur Einholung einer Tarifauskunft bestehen(vgl. BAG 17. Mai 1994 - 1 ABR 57/93 -). Gemäß § 293 ZPO können so Mittel der Rechtsanwendung und die dazu erforderlichen Erkenntnisquellen gewonnen werden, indem zB Auskünfte der Tarifvertragsparteien darüber eingeholt werden, ob es zu der Regelung des Strukturausgleichs Protokollnotizen oder vergleichbare Unterlagen gibt, aus denen ein übereinstimmender Regelungswille der Tarifvertragsparteien ersichtlich ist(vgl. BAG 16. Oktober 1985 - 4 AZR 149/84 - BAGE 50, 9, 21).

33

11. Kann eine solche Einigkeit der Tarifvertragsparteien nicht festgestellt werden, wäre das Merkmal „Aufstieg - ohne“ so auszulegen, dass es ausreicht, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Für diese Auslegung streitet dann entscheidend der Gesichtspunkt der Normenklarheit. Wenn die Tarifvertragsparteien in den ersten fünf Spalten der Strukturausgleichstabelle sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für den Strukturausgleich und in den Spalten 6 und 7 der Tabelle die Höhe des jeweiligen Ausgleichsbetrags bzw. die Bezugsdauer aufgelistet haben, spricht dies dafür, dass sie den Strukturausgleich möglichst transparent regeln wollten. Müsste erst ermittelt werden, ob der Beschäftigte in die in der Spalte 2 der Tabelle bezeichnete Vergütungsgruppe im Wege des Aufstiegs gelangt ist oder nicht, wäre die Regelung weniger durchschaubar. Für Normadressaten, die sich allein anhand des Wortlauts von § 12 TVÜ-Bund und der Strukturausgleichstabelle Gewissheit über Ansprüche auf Strukturausgleich verschaffen wollen, ist dies entscheidend. Auch die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel hat die tarifliche Regelung zunächst so verstanden, dass es für den Anspruch auf Strukturausgleich auf die „gegenwärtige Eingruppierung bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund“ ankommt. Sie hat der Klägerin deshalb in einem Schreiben vom 10. Oktober 2005 mitgeteilt, dass diese Strukturausgleich erhält, und diese Mitteilung erst nach Kenntnis der Hinweise des Bundesministeriums des Innern zur Anwendung der Regelungen über Strukturausgleiche gemäß § 12 TVÜ-Bund korrigiert. Bei einem unbefangenen Durchlesen der tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen liegt die Interpretation, entscheidend sei die bei der Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe des BAT ohne Rücksicht auf einen vorangegangenen Aufstieg, deutlich näher als die von der Beklagten befürwortete Auslegung. Wenn alle anderen Auslegungsgesichtspunkte zu keinem eindeutigen Ergebnis führen, muss dies den Ausschlag geben, weil von den Normadressaten typischerweise nicht zu erwarten ist, dass sie sich zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen sämtlicher Auslegungsmethoden bedienen und alle in Betracht kommenden Auslegungsgesichtspunkte heranziehen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    D. Knauß    

        

    Matiaske    

                 

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

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(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.