Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 01. Okt. 2014 - 4 Sa 273/14

bei uns veröffentlicht am01.10.2014

Gericht

Landesarbeitsgericht Nürnberg

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Zahlung einer Karenzentschädigung.

Der am ... 1968 geborene Kläger war ab dem 01.12.1995 bei dem Besucherring Dr. O. als Geschäftsstellenleiter beschäftigt und bezog zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von EUR 3.399,73.

Über das Vermögen der Arbeitgeberin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden vom 30.06.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Dieser kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.10.2012.

Der Kläger begehrt mit seiner am 05.10.2012 beim Arbeitsgericht Nürnberg eingereichten Klage vom 02.10.2012 die Abrechnung und Zahlung der Gewinnbeteiligung für die Jahre 2011 und 2012. Im Wege der Klageerweiterung beantragt der Kläger die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung und die Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von EUR 13.598,88 brutto zuzüglich von Zinsen.

Aufgrund der Säumnis des Beklagten im Verhandlungstermin vom 09.10.2013 erwirkte der Kläger gegen den Beklagten folgendes Versäumnisurteil:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an Eides Statt zu versichern, dass er im Rahmen der Abrechnung über die Gewinnbeteiligung 2011 die Einnahmen nach bestem Wissen so vollständig angegeben hat, als er dazu im Stande ist.

2. Der Beklagte wird verurteilt, die sich aus den Abrechnungen auf Basis von mindestens 30.000,- € brutto ergebenden Nettobeträge an den Kläger auszubezahlen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 13.598,88 brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 2.266,48 € brutto seit 03.12.2012, 02.01.2013, 01.02.2013, 01.03.2013, 01.04.2013 und 02.05.2013 zu bezahlen.

4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 44.598,88 € festgesetzt.

Die Prozessbevollmächtigten des Beklagten haben gegen das ihnen am 11.10.2013 zugestellte Versäumnisurteil mit Telefax vom selben Tag Einspruch eingelegt.

Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Endurteil vom 19.02.2014 das Versäumnisurteil in Ziffer 1 aufrechterhalten und im Übrigen das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17.03.2014 zugestellte Urteil hat dieser mit dem am 14.04.2014 beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangenen Schriftsatz vom 11.04.2014 Berufung eingelegt und sie mit Schriftsatz vom 08.05.2014, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangen am 12.05.2014, begründet.

Der Kläger meint, das Erstgericht habe dem geltend gemachten Anspruch auf die Karenzentschädigung zu Unrecht nicht die Eigenschaft einer Masseverbindlichkeit zugesprochen.

Er sei nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30.06.2012 noch bis zu seiner Freistellung mit Schreiben vom 04.09.2012 (Kopie Bl. 73 d. A.) tatsächlich weiterbeschäftigt worden. Letztendlich sei der geltend gemachte Entschädigungsanspruch aus der Weiterbeschäftigung nach der Insolvenzeröffnung erwachsen. Die Karenzentschädigung werde für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.10.2012 geschuldet. Somit liege ein Anspruch vor, dessen Erfüllung für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen müsse.

Aufgrund einer entsprechenden Regelung in Ziffer 5 des Arbeitsvertrages vom 06.01.2012 sei wegen des vereinbarten vertraglichen Wettbewerbsverbotes eine Karenzentschädigung in Höhe von 2/3 der Monatsvergütung geschuldet. Für die Zeit von November 2012 bis April 2013 ergebe dies den geltend gemachten Gesamtbetrag von EUR 13.598,88 brutto. Eine Entlassung aus dem vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbots sei nicht erfolgt und ein etwaiger konkludenter Verzicht durch die Freistellung nicht möglich. Zudem sei der gesamte Freistellungszeitraum durch nicht verbrauchte Urlaubstage und ein vorhandenes Gutstundenkonto abgedeckt gewesen. Ab seiner Fälligkeit sei der Hauptsachebetrag zu verzinsen.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 19.02.2014, Az.: 2 Ca 5760/12, wird abgeändert und der Beklagte über das hinsichtlich der Ziffer 1 aufrechterhaltene Versäumnisurteil vom 09.10.2013 hinaus verurteilt, an den Kläger € 13.598,88 brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 2.266,48 seit 03.12.2012, 02.01.2013, 01.02.2013, 01.03.2013, 01.04.2013 und 02.05.2013 zu bezahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 19.02.2014, Az. 2 Ca 5760/12, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger und Berufungskläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Zur Begründung trägt er vor, das Arbeitsgericht habe zu Recht erkannt, dass die vom Kläger verfolgten Ansprüche keine Masseverbindlichkeiten i. S. v. § 55 InsO darstellen. Hierbei sei auf den Zeitpunkt der Entstehung der Forderung abzustellen und nicht danach, wann die Verbindlichkeit zeitlich erfüllt werden müsse. Ferner habe der Kläger den Anspruch bereits mit Abschluss des Arbeitsvertrages vom 06.01.2002 erworben. Dies habe auch der Bundesgerichtshof bereits so entschieden.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Gründe

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung ist sachlich nicht begründet.

Das Erstgericht hat die Zahlungsklage zu Recht abgewiesen, da es sich bei dem Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Karenzentschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht um eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO handelt, sondern um eine bloße Insolvenzforderung.

Es kann insoweit vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen im Ersturteil verwiesen und von einer rein wiederholenden Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind nur noch folgende ergänzende Ausführungen veranlasst:

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss.

Die Regelung stellt sicher, dass der Gläubiger, der noch voll zur Masse leisten muss, auch die volle Gegenleistung erhält und die Masse nicht auf seine Kosten bereichert wird. Soweit Arbeitsverhältnisse betroffen sind, beruht die Vorschrift auf dem Grundgedanken, dass der Arbeitnehmer, der trotz Insolvenz seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen muss, im Gegenzug auch seine vertraglich vereinbarten Ansprüche behalten soll. Unter § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO fallen daher alle Lohn- und Gehaltsansprüche, die aus der Beschäftigung von Arbeitnehmern nach der Verfahrenseröffnung durch den Insolvenzverwalter erwachsen, sowie alle sonstigen Ansprüche, die sich aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergeben. Maßgeblich ist, ob die geltend gemachten Ansprüche vor oder nach der Verfahrenseröffnung entstanden sind, wobei nicht auf die Fälligkeit, sondern auf den Zeitpunkt des Entstehens der Forderung abzustellen ist (so BAG vom 14.11.2012 - 10 AZR 793/11 - NZA 2013, 273, 274; vom 21.02.2013 - 6 AZR 406/11 - NZA 2013, 743, 745 f.).

2. Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch um keine Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO.

Die Karenzentschädigung für die Zeit nach dem 31.10.2012 stellt keine Forderung dar, die in einem synallagmatischen Zusammenhang mit der Arbeitsleistung des Klägers nach der Insolvenzeröffnung am 30.06.2012 steht.

Es handelt sich auch um keinen sonstigen Anspruch, der sich aus dem bloßen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergibt, denn hierunter fallen solche Leistungsansprüche mit Entgeltcharakter, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zu der zugunsten der Masse erbrachten Leistung des Gläubigers stehen.

Kommt dagegen der Masse die Leistung eines Gläubigers nicht zugute, handelt es sich um eine bloße Insolvenzforderung.

Danach würde es sich bei einer Karenzentschädigung nur dann um eine Masseverbindlichkeit handeln, wenn der Insolvenzverwalter zugunsten der Masse sein Wahlrecht gemäß § 103 Abs. 2 InsO ausgeübt und dem Kläger gegenüber auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots ausdrücklich bestanden hätte (vgl. hierzu FK-InsO, 6. Aufl., § 113 Rz. 107 ff.; BGH vom 08.10.2009 - IX ZR 61/06 - mit Anmerkung Cranshaw).

Dass der Beklagte von dem Kläger die Einhaltung des im Arbeitsvertrag vereinbarten Wettbewerbsverbotes nach Insolvenzeröffnung gefordert und insoweit von seinem Wahlrecht gemäß § 103 Abs. 2 InsO Gebrauch gemacht hätte, wird von dem Kläger nicht behauptet.

Vielmehr spricht der Umstand der vorzeitigen Freistellung von der Arbeitsverpflichtung mit Schreiben vom 04.09.2012 (Kopie Bl. 73 d. A.) dafür, der Kläger werde vorzeitig von jedweder Leistungserbringung befreit und könne über seine Arbeitskraft anderweitig verfügen. Dies wird im letzten Absatz des Schreibens vom 04.09.2012 ausreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, wenn der Kläger dort aufgefordert wird, bei einer anderweitigen Beschäftigung während der Freistellung und vor Ablauf der Kündigungsfrist Mitteilung zu machen, und er darauf hingewiesen wird, dass eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes stattfindet.

Hierin ist ein Verzicht auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots nach Ablauf der Kündigungsfrist zu sehen, denn der Kläger konnte davon ausgehen, ab dem Zeitpunkt seiner Freistellung in der Verwertung seiner Arbeitsleistung wieder gänzlich frei zu sein.

Wenn hierdurch auf ein vertragliches Wettbewerbsverbot gem. § 60 HGB verzichtet wird (vgl. BAG vom 06.09.2006 - 5 AZR 703/05 - NZA 2007, 36, 38), gilt dies aus der Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers, § 133 BGB, erst recht für ein vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot i.R.d. § 74 HGB.

III.

1. Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Dem Rechtsstreit wird im Hinblick auf die Voraussetzungen für eine Einordnung der Karenzentschädigung als Masseforderung grundsätzliche Bedeutung beigemessen, § 72 Abs. 2, Satz 1 ArbGG.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


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(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Insolvenzordnung - InsO | § 55 Sonstige Masseverbindlichkeiten


(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten: 1. die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzv

Insolvenzordnung - InsO | § 103 Wahlrecht des Insolvenzverwalters


(1) Ist ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, so kann der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung vo

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(1) Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt (Wettbewerbsverbot), bedarf der Schriftform und der Aushändigung

Handelsgesetzbuch - HGB | § 60


(1) Der Handlungsgehilfe darf ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweige des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. (2) Die Einwilligung zum Betrieb eines Handelsgewerbes gi

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Tenor 1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 30. Juni 2011 - 3 Sa 85/11 - aufgehoben, soweit hierdurch das Urteil des Arbeitsgericht

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(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:

1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören;
2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß;
3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.

(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.

(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:

1.
sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben,
2.
bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern,
3.
die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und
4.
die Lohnsteuer.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:

1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören;
2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß;
3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.

(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.

(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:

1.
sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben,
2.
bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern,
3.
die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und
4.
die Lohnsteuer.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 30. Juni 2011 - 3 Sa 85/11 - aufgehoben, soweit hierdurch das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 16. November 2010 - 36 Ca 14709/09 - abgeändert wurde.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 16. November 2010 - 36 Ca 14709/09 - wird insgesamt zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision sowie die Kosten der Streithilfe zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt den beklagten Insolvenzverwalter auf Zahlung eines anteiligen sog. Incentive-Bonus für Oktober 2008 bis März 2009 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 16.300,00 Euro in Anspruch. Im Vordergrund steht die Frage, ob der Anspruch eine Masseforderung oder eine Insolvenzforderung ist.

2

Der Kläger trat am 1. Juni 2005 aufgrund Arbeitsvertrags vom selben Tage in die Dienste der I AG, der Rechtsvorgängerin der Insolvenzschuldnerin. Nach dem - am 1. Mai 2006 erfolgten - Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Insolvenzschuldnerin war der Kläger zuletzt als außertariflicher Angestellter in der Position eines Senior Director/Overall Program Manager mit einem Jahreszieleinkommen in Höhe von 116.600,00 Euro brutto beschäftigt. Das Jahreszieleinkommen setzte sich nach Ziffer 4 des Arbeitsvertrags aus einem festen Jahresgehalt in Höhe von 84.000,00 Euro brutto, zahlbar in zwölf gleichen monatlichen Raten, und einem jährlichen Bonus bei Erreichen festgelegter Ziele in Höhe von 32.600,00 Euro brutto bei einhundertprozentiger Zielerreichung im Geschäftsjahr (1. Oktober bis 30. September des Folgejahres) zusammen. Nach der Vertragsregelung sollten die Ziele jährlich auf der Grundlage der jeweils geltenden Richtlinie (Bonus & Incentive Guideline) in einer gesonderten Zielvereinbarung festgelegt werden. Weiter heißt es, dass die Höhe des Bonus sich nach dem Grad des Erreichens der in der Zielvereinbarung festgelegten Ziele richtet und der Zielerreichungsgrad jeweils nach Ablauf des Geschäftsjahres ermittelt wird.

3

Am 23. Januar 2009 stellte die Insolvenzschuldnerin Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Das Amtsgericht M - Insolvenzgericht - ordnete am selben Tag die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin an und bestellte den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit der Anordnung, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Am 1. April 2009 eröffnete das Amtsgericht M - Insolvenzgericht - das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.

4

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Anspruch auf das variable Einkommen für die Zeit von Oktober 2008 bis März 2009 ergebe sich als Schadensersatzanspruch, da die Insolvenzschuldnerin ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung, mit dem Kläger eine Zielvereinbarung für das Geschäftsjahr 2008/2009 zu schließen, nicht nachgekommen sei. Demgegenüber habe der Kläger seine Arbeitsleistung in der Zeit von Oktober 2008 bis März 2009 erbracht. Der Kläger meint, es liege insoweit eine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 InsO vor, da es sich um einen Anspruch auf eine Sonderleistung handele, der an besondere Anlässe geknüpft sei und sich nicht einzelnen Monaten oder Zeitabschnitten zuordnen lasse. Dieser Anspruch sei deshalb erst mit Ablauf des 30. September 2009 entstanden.

5

Der Kläger hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 16.300,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die streitige Bonuszahlung betreffe eine einfache Insolvenzforderung im Sinne von § 38 InsO, da der Anspruch des Klägers auf die variable Vergütung ebenso wie der Anspruch auf das Grundgehalt monatlich, also zeitanteilig entstanden sei.

7

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2009 den beiden Vorstandsmitgliedern der Insolvenzschuldnerin den Streit verkündet. Diese sind dem Rechtsstreit auf der Seite des Beklagten beigetreten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem oben genannten Klageantrag entsprochen. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Endurteils.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Endurteils. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger kann keine Zahlung verlangen. Der Anspruch auf den Incentive-Bonus für die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis zum 31. März 2009 ist eine Insolvenzforderung.

9

I. Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass ihm ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 und Abs. 3 iVm. § 283 Satz 1 BGB wegen einer zu vertretenden Pflichtverletzung zusteht, weil keine Zielvereinbarung für das am 1. Oktober 2008 begonnene Geschäftsjahr zustande gekommen ist. Ein solcher Anspruch ist jedoch keine Masseforderung, sondern eine Insolvenzforderung iSd. § 108 Abs. 3 InsO. Der Kläger kann den Anspruch gemäß § 87 InsO nur im Rahmen des Insolvenzverfahrens verfolgen und muss ihn gemäß § 174 InsO beim Insolvenzverwalter anmelden.

10

1. Eine Masseverbindlichkeit iSd. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO liegt nicht vor.

11

a) Masseverbindlichkeiten iSd. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO sind Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss.

12

aa) Die Regelung stellt sicher, dass der Gläubiger, der noch voll zur Masse leisten muss, auch die volle Gegenleistung erhält und die Masse nicht auf seine Kosten bereichert wird (BAG 19. Juli 2007 - 6 AZR 1087/06 - Rn. 19, BAGE 123, 269; 27. April 2006 -  6 AZR 364/05  - Rn. 21, BAGE 118, 115). Soweit Arbeitsverhältnisse betroffen sind, beruht die Vorschrift auf dem Grundgedanken, dass der Arbeitnehmer trotz Insolvenz seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen muss und im Gegenzug seine vertraglich vereinbarten Ansprüche behalten soll. Unter § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO fallen daher alle Lohn- und Gehaltsansprüche, die aus der Beschäftigung von Arbeitnehmern nach der Verfahrenseröffnung durch den Insolvenzverwalter erwachsen, sowie alle sonstigen Ansprüche, die sich aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergeben. Maßgeblich ist, ob die geltend gemachten Ansprüche vor oder nach der Verfahrenseröffnung entstanden sind, wobei nicht auf die Fälligkeit, sondern auf den Zeitpunkt des Entstehens der Forderung abzustellen ist (BAG 19. Juli 2007 - 6 AZR 1087/06 - aaO; 19. Januar 2006 -  6 AZR 529/04  - Rn. 18, BAGE 117, 1).

13

bb) Unter welchen Voraussetzungen jährliche Sonderzuwendungen als Masseverbindlichkeiten iSd. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO anzusehen sind, hängt von dem Zweck der Sonderzuwendung ab.

14

(1) Mit einer Sonderzuwendung kann die vom Arbeitnehmer im Bezugszeitraum erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich honoriert werden. Der Anspruch auf eine solche Sonderzuwendung entsteht regelmäßig während des Bezugszeitraums entsprechend der zurückgelegten Dauer („pro rata temporis“) und wird nur zu einem anderen Zeitpunkt insgesamt fällig (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 10, AP BGB § 307 Nr. 59 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 32; 21. April 2010 - 10 AZR 178/09 - Rn. 14, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 45; 28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - Rn. 17, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 265 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 21). Insolvenzrechtlich sind solche arbeitsleistungsbezogenen Sonderzuwen-dungen dem Zeitraum zuzuordnen, für den sie als Gegenleistung geschuldet sind (für zeitliche Zuordnung nach der KO: BAG 21. Mai 1980 -  5 AZR 441/78 - AP KO § 59 Nr. 10 = EzA KO § 59 Nr. 9; ErfK/Müller-Glöge 12. Aufl. Einf. InsO Rn. 44; Uhlenbruck/Sinz InsO 13. Aufl. § 55 Rn. 67; MünchKommInsO/Hefermehl 2. Aufl. § 55 Rn. 167): Soweit mit ihnen Arbeitsleistungen vergütet werden, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht wurden, handelt es sich um Masseforderungen (für zeitliche Zuordnung nach der KO: BAG 4. Juni 1977 - 5 AZR 663/75 - zu 2 a der Gründe, BAGE 29, 211). Soweit durch sie vor Verfahrenseröffnung erbrachte Arbeitsleistungen honoriert werden, liegen Insolvenzforderungen vor (für zeitliche Zuordnung nach der KO: BAG 21. Mai 1980 - 5 AZR 337/78 - BAGE 33, 113). Für einen ratierlichen Erwerb des Anspruchs in dem hier dargestellten Sinne genügt es, dass der Anspruch - unabhängig von einer gleichmäßigen Zielerfüllung im Geschäftsjahr - kontinuierlich an die Arbeitsleistung anknüpft. Ist die zusätzliche Vergütung dagegen für besondere, zu bestimmten Zeiten während des Geschäftsjahres zu erbringende Leistungen versprochen, kann es allein auf diese Zeiträume ankommen.

15

(2) Sonderzuwendungen können auch anderen Zwecken als der Vergütung erbrachter Arbeitsleistung dienen. Sie können als „Treueprämie“ langfristige oder als „Halteprämie“ kurzfristige bzw. künftige Betriebstreue honorieren ( BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 13, AP BGB § 307 Nr. 59 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 32 ); der Arbeitgeber kann aber auch den Zweck verfolgen, sich an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen seiner Arbeitnehmer zu beteiligen (vgl. BAG 5. Juli 2011 - 1 AZR 94/10 - Rn. 35). Die Zahlung solcher Sonderzuwendungen hängt nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung, sondern regelmäßig nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses ab (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - aaO). Insolvenzrechtlich sind derartige stichtags- oder anlassbezogene Sonderzuwendungen dem Zeitraum zuzurechnen, in den der Stichtag fällt (BAG 11. Dezember 2001 - 9 AZR 459/00 - zu I 1 der Gründe, AP InsO § 209 Nr. 1 = EzA InsO § 210 Nr. 1). Liegt der Stichtag zeitlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit (LAG Nürnberg 3. Februar 2010 - 4 Sa 367/09 - Rn. 42, ZIP 2010, 1189; LAG Schleswig-Holstein 12. März 2008 - 6 Sa 411/07 - Rn. 30, NZA-RR 2008, 594; Uhlenbruck/Sinz § 55 Rn. 67; MünchKommInsO/Hefermehl § 55 Rn. 168). Im anderen Fall ist eine solche Zahlung in voller Höhe als Insolvenzforderung anzusehen. Diese Unterscheidung entspricht auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Einbeziehung von Vergütungsbestandteilen in die Insolvenzgeldberechnung (BSG 21. Juli 2005 - B 11a/11 AL 53/04 R - NZA-RR 2006, 437).

16

(3) Ob der Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich vergütet oder sonstige Zwecke verfolgt, ist durch Auslegung der vertraglichen Bestimmungen zu ermitteln. Der Vergütungscharakter ist eindeutig, wenn die Sonderzahlung an das Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele gebunden ist (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 59 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 32; 7. Juni 2011 - 1 AZR 807/09 - Rn. 41 f., AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 88 Nr. 3).

17

cc) Schadensersatzansprüche eines Arbeitnehmers, die an die Stelle von Vergütungsansprüchen aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis treten, sind insolvenzrechtlich wie die ihnen zugrunde liegenden Vergütungsansprüche zu behandeln, dh. sie sind demjenigen Zeitraum zuzuordnen, auf den sich der ursprüngliche Vergütungsanspruch bezog (BAG 13. August 1980 5 AZR 588/78 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 34, 101; vgl. auch BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 12/78 - SozR 4100 § 141b Nr. 10 ; 17. Juli 1979 -  12 RAr 4/79 - SozR 4100 § 141b Nr. 12 ).

18

b) Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht um eine Masseverbindlichkeit iSd. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO, sondern um eine Insolvenzforderung.

19

aa) Gemäß Ziffer 4 des Arbeitsvertrags setzt die Zahlung des Bonus das Erreichen bestimmter, in einer Zielvereinbarung festzulegender Ziele voraus. Die Höhe des Bonus richtet sich nach dem Grad des Erreichens dieser Ziele. Eine solche erfolgsabhängige Vergütung wird als unmittelbare Gegenleistung für die entsprechend der Zielvereinbarung erbrachte Arbeitsleistung geschuldet (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 10, 15, AP BGB § 307 Nr. 59 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 32; 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 25, BAGE 137, 300). Keine Rolle spielt, dass der Zielerreichungsgrad erst nach Ablauf des Geschäftsjahres ermittelt wird.

20

bb) Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch bezieht sich auf die Monate Oktober 2008 bis März 2009 und damit auf einen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Zeitraum. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es nach der Art der zu vereinbarenden Ziele auf besondere Ergebnisse oder Leistungen außerhalb dieses Zeitraums hätte ankommen können. Der Kläger hat nichts dafür vorgetragen, dass der Incentive-Bonus entgegen der dargestellten Regel überwiegend erst in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres verdient worden wäre. Keinesfalls wäre der Bonus erst nach Abschluss des Geschäftsjahres entstanden.

21

cc) Für die insolvenzrechtliche Einordnung ist unerheblich, dass der Kläger nicht einen Erfüllungsanspruch, sondern einen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 und Abs. 3 iVm. § 283 Satz 1 BGB wegen nicht abgeschlossener Zielvereinbarung geltend macht. Ein solcher Schadensersatzanspruch tritt gemäß § 280 Abs. 3 BGB an die Stelle des Anspruchs aus der Zielvereinbarung, weil die Vereinbarung von Zielen mit Ablauf der Zielperiode unmöglich geworden ist, § 275 BGB(vgl. BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 46 f., BAGE 125, 147); er ist daher insolvenzrechtlich demselben Zeitraum zuzuordnen.

22

2. Der Schadensersatzanspruch ist auch nicht nach anderen Vorschriften Masseverbindlichkeit. Die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO liegen nicht vor, weil der Anspruch nicht durch eine Handlung des Beklagten begründet wurde. § 55 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 InsO ist nicht anwendbar, weil auf den Beklagten als vorläufigen Insolvenzverwalter nicht die Verfügungsbefugnis übergegangen 21 Abs. 2 Nr. 2 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO), sondern zu seinen Gunsten lediglich ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet worden war 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO). Eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO auf die Fälle der Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts scheidet mangels Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke aus( BAG 31. Juli 2002 - 10 AZR 275/01 - zu II 1 b cc (2) der Gründe , BAGE 102, 82 ; BGH 24. Januar 2008 - IX ZR 201/06 - Rn. 9 , NJW 2008, 1442; Uhlenbruck/Sinz § 55 Rn. 93 mwN).

23

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger nach § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen. Dazu gehören auch die Kosten der Berufung und der Revision (§ 97 Abs. 1 ZPO) sowie die Kosten der Streithilfe (§ 101 Abs. 1 ZPO).

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    W. Guthier    

        

    A. Effenberger    

        

        

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. März 2011 - 5 Sa 2740/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt Vergütung für sog. Mehrarbeit in der Zeit von März bis Mai 2009 und im August 2009. Er leistete die Arbeit ohne Entgeltausgleich vor Eröffnung der Insolvenz der Schuldnerin aufgrund einer Sanierungsvereinbarung der Tarifvertragsparteien.

2

Der Kläger war seit 1985 bei der Schuldnerin, der Hugo Rossmann Apparatebau GmbH, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die Tarifverträge des Tarifgebiets I der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg Anwendung.

3

Der Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg e. V. und die Gewerkschaft IG Metall vereinbarten am 13. Dezember 2007 für die Schuldnerin eine „Betriebliche Sonderregelung gem. Tarifvertrag zu betrieblichen Sonderregelungen für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg, Tarifgebiet I und II, vom 18.05.2002 in der Fassung vom 09.05.2007“ (SR). Die SR sollte nach der einleitenden Formulierung dazu dienen, eine aktuelle Gefährdung der wirtschaftlichen Bestandsfähigkeit der Schuldnerin abzuwenden und ihre Arbeitsplätze zu sichern. Die SR lautet auszugsweise:

        

㤠2 Entgelte

        

…       

        
        

2.    

…       

                 

Die in Ziffern 2.1.3 und 2.1.5 des Lohntarifvertrages sowie in Ziffern 4.1.3 und 4.1.5 des Gehaltstarifvertrages für die Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg, Tarifgebiet I, jeweils vom 9. Mai 2007, vorgesehenen Pauschal- und Einmalbeträge entfallen ersatzlos.

        

…       

        

§ 4 Wöchentliche Arbeitszeit

        

Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit bleibt unverändert. Je nach Auftragslage können bis zu 4 Stunden wöchentlich ohne Entgeltausgleich mehr gearbeitet werden. Ankündigungsfrist, Lage, Beginn und Ende sowie Verteilung der Arbeitszeiten regeln die Betriebsparteien. Die ohne Entgeltausgleich mehr gearbeiteten Stunden sind für jeden Beschäftigten gesondert zu erfassen und zu dokumentieren.

        

…       

        

§ 6 Beschäftigungssicherung

        

3Scheiden Mitarbeiter während der Laufzeit dieser betrieblichen Sonderregelung aufgrund betriebsbedingter Beendigungskündigungen aus, wird die nach § 4 dieser betrieblichen Sonderregelung mehr geleistete Arbeitszeit für die letzten 12 Monate vor dem Ausscheiden monetär vergütet. ...

        

…       

        

§ 9 Schlussbestimmungen

        

…       

        
        

6.    

Verliert diese betriebliche Sonderregelung ihre Wirkung, weil sie vor Ablauf des 31.12.2010 von einer Seite aus wichtigem Grund gekündigt worden ist, sind die in dieser tariflichen Sonderregelung getroffenen Regelungen … zu der wöchentlichen Mehrarbeit ohne Entgeltausgleich (nach § 4) von Anfang an wirkungslos.

                 

…       

                 

Die nach § 4 geleistete Mehrarbeit ohne Entgeltausgleich ist ebenfalls zum Ende des auf die Kündigung dieser Vereinbarung folgenden Monats fällig.“

4

Der Kläger leistete von März bis Mai 2009 und im August 2009 zusätzliche Arbeitsstunden iSv. § 4 Satz 2 SR, für die er im Fall der Vergütungspflicht 934,46 Euro hätte beanspruchen können. Im März 2009 handelte es sich um 17,5 Stunden (14 Arbeitstage vom 2. bis 5. März 2009, 16. bis 19. März 2009, 23. bis 26. März 2009 sowie am 30. und 31. März 2009 x 1,25 Stunden = 17,5 Stunden à 15,93 Euro brutto = 278,78 Euro brutto). Im April 2009 fielen 18,75 Stunden sog. Mehrarbeit an (15 Arbeitstage am 1. und 2. April 2009, 6. und 7. April 2009, vom 14. bis 16. April 2009, 20. bis 23. April 2009 und 27. bis 30. April 2009 x 1,25 Stunden = 18,75 Stunden à 15,93 Euro brutto = 298,69 Euro brutto). Auf Mai 2009 entfiel sog. Mehrarbeit von 14,94 Stunden (18 Arbeitstage vom 4. bis 8. Mai 2009, 11. bis 15. Mai 2009, 18. bis 20. Mai 2009 und 25. bis 29. Mai 2009 x 0,83 Stunden = 14,94 Stunden à 15,93 Euro brutto = 237,99 Euro brutto). Im August 2009 leistete der Kläger über die tarifliche Arbeitszeit hinaus 7,47 Stunden (neun Arbeitstage vom 19. bis 21. August 2009, 24. bis 28. August 2009 und am 31. August 2009 x 0,83 Stunden = 7,47 Stunden à 15,93 Euro brutto = 119,00 Euro brutto). Mehrarbeit in diesem Sinn war die Arbeitszeit, die nach dem Arbeitszeitkonto des Klägers täglich sieben Stunden oder wöchentlich 35 Stunden überschritt.

5

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 1. September 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und die Beklagte zur Insolvenzverwalterin bestellt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund ordentlicher Kündigung der Beklagten vom 28. November 2009 mit dem 28. Februar 2010. Die Beklagte begründete die Kündigung mit betriebsbedingten Gründen.

6

Der Kläger hat die auf § 6 Satz 3 SR gestützten Ansprüche auf sog. Mehrarbeitsvergütung für Masseverbindlichkeiten iSv. §§ 53, 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO gehalten. Die Ansprüche auf Vergütung der zunächst unentgeltlich geleisteten Sanierungsstunden seien erst mit Wirksamwerden der Kündigung der Beklagten entstanden. Es handle sich nach Wortlaut, Zusammenhang und Zweck des § 6 Satz 3 SR um Ansprüche, die „für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ erfüllt werden müssten. Das synallagmatische Verhältnis von Arbeit und Vergütung sei durch die SR aufgehoben worden. Die Entgeltpflicht sei durch einen begrenzten Kündigungsschutz ersetzt und durch die Ersatzleistung nach § 6 Satz 3 SR abgesichert worden. Die Tarifbestimmung sei in dieser Auslegung nicht unwirksam nach § 119 InsO. Sie setze die Rechtsfolgen des § 108 Abs. 3 InsO nicht außer Kraft. Vielmehr sei der Tatbestand dieser Norm nicht erfüllt. Die Vergütungsansprüche seien erst nach Insolvenzeröffnung entstanden.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn aus der Masse 934,46 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 1. Dezember 2009 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die erhobenen Ansprüche seien Insolvenzforderungen iSv. §§ 38, 108 Abs. 3 InsO. Es komme nicht darauf an, ob § 4 Satz 2 SR einen durch eine betriebsbedingte Beendigungskündigung auflösend bedingten Forderungserlass enthalte oder aber die Fälligkeit der Vergütungsforderung aufschiebe. Entscheidend sei nach dem Zweck des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO allein, dass der Kläger die den Ansprüchen zugrunde liegende sog. Mehrarbeit vor Insolvenzeröffnung geleistet habe. Die Arbeitsleistung komme der Masse deshalb nicht zugute. Die zusätzliche Arbeit und der Kündigungsschutz stünden nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis. Würde § 6 Satz 3 SR iSd. Verständnisses des Klägers ausgelegt, wäre die Bestimmung nach § 119 InsO unwirksam.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, die Klage aber für unbegründet gehalten. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageforderungen weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

11

A. Die Klage ist zulässig.

12

I. Die nach § 260 ZPO objektiv gehäuften Anträge sind hinreichend bestimmt.

13

1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss eine Klage einen bestimmten Antrag enthalten und den Lebenssachverhalt erkennen lassen, aus dem der geltend gemachte Anspruch folgen soll. Fehlen diese Angaben, steht der Umfang der Rechtskraft des erstrebten Urteils nach § 322 Abs. 1 ZPO nicht fest.

14

2. Dem genügt das Klagevorbringen, obwohl der Kläger zwar die Tage, nicht aber die einzelnen Arbeitsstunden, für die er sog. Mehrarbeitsvergütung beansprucht, dargelegt hat. Das Problem stellt sich, obwohl die Stundenzahlen festgestellt und zwischen den Parteien unstreitig sind. Die Prozessvoraussetzung des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist von Amts wegen zu prüfen. Die vom Kläger erhobenen Ansprüche sind für März bis Mai und August 2009 jedoch abschließend geltend gemacht und nach Tagen konkretisiert. Die Reichweite der Rechtskraft des angestrebten Urteils unterliegt daher hinsichtlich der einzelnen Klagegründe keinem Zweifel (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 42, AP AGG § 22 Nr. 2 = EzA AGG § 22 Nr. 2; 13. Dezember 2001 - 6 AZR 127/00 - zu B I 1 a der Gründe, EzBAT BAT SR 2l II Nr. 2 Nr. 10; 4. Mai 1994 - 4 AZR 445/93 - zu I der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arbeiterwohlfahrt Nr. 1 = EzA BGB § 611 Mehrarbeit Nr. 5).

15

3. Die Klage ist zudem wegen der Saldierung der Ansprüche auf einem Arbeitszeitkonto des Klägers ausreichend bestimmt. Wird die Klage dahin verstanden, dass sie auf den Ausgleich des aus dem Arbeitszeitkonto ermittelten monatlichen Guthabens gerichtet ist, brauchten die Arbeitsstunden nicht näher bezeichnet zu werden (vgl. BAG 13. März 2002 - 5 AZR 43/01 - zu I der Gründe, EzA ZPO § 253 Nr. 22; 25. Oktober 2000 - 4 AZR 596/99 - zu I der Gründe, BAGE 96, 189).

16

II. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist die Klage auch dann nicht unzulässig, wenn es sich bei den erhobenen Ansprüchen um Insolvenzforderungen handelt. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

17

1. Geht der Arbeitnehmer nicht von einer Masseverbindlichkeit, sondern lediglich von einer Insolvenzforderung iSv. §§ 38, 108 Abs. 3 InsO aus, ist die auf eine Leistung des Insolvenzverwalters gerichtete Klage unzulässig. Der Arbeitnehmer kann diese Ansprüche nach § 87 InsO nur im Rahmen des Insolvenzverfahrens verfolgen und muss sie gegenüber dem Insolvenzverwalter nach § 174 InsO anmelden(vgl. BAG 27. April 2006 - 6 AZR 364/05 - Rn. 13, BAGE 118, 115). Beruft sich der Arbeitnehmer dagegen auf eine vorweg zu berichtigende Masseverbindlichkeit iSv. § 55 InsO, ist die Klage nicht unzulässig, sondern unbegründet, wenn es sich in Wirklichkeit um eine Insolvenzforderung handelt(vgl. BAG 27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - Rn. 14, BAGE 124, 150; 19. Januar 2006 - 6 AZR 529/04 - Rn. 15, BAGE 117, 1).

18

2. Der Kläger hat die Ansprüche auf sog. Mehrarbeitsvergütung stets für Masseverbindlichkeiten iSv. §§ 53, 55 InsO gehalten. Die Leistungsklage ist deswegen statthaft und zulässig. Die Frage, ob es sich tatsächlich um Masseverbindlichkeiten handelt, stellt sich erst bei der Prüfung, ob die Klage in der Sache Erfolg hat.

19

B. Die Klage ist unbegründet. Die geltend gemachten Ansprüche auf sog. Mehrarbeitsvergütung sind keine Masseverbindlichkeiten iSv. § 53 iVm. § 55 Abs. 1 Nr. 1 oder § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO. Sie sind Insolvenzforderungen iSv. §§ 38, 108 Abs. 3 InsO.

20

I. Bei der sog. Mehrarbeit, die vergütet werden soll, handelt es sich nicht um Mehrarbeit im engeren Sinn. Mit Mehrarbeit wird die durch das Arbeitszeitgesetz vorgegebene Höchstarbeitszeit überschritten. Der Kläger macht der Sache nach Vergütung für Überarbeit geltend, die die tarifliche Arbeitszeit von 35 Wochenstunden überstieg.

21

II. Die erhobenen Ansprüche sind keine Masseverbindlichkeiten.

22

1. Das Landesarbeitsgericht hat sich zu Recht nicht mehr mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Forderungen Masseverbindlichkeiten iSv. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind. Das rügt der Kläger auch nicht, obwohl er sich in erster Instanz auf diese Regelung gestützt hat.

23

a) Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören. Von dieser Vorschrift werden insbesondere Arbeitsverhältnisse erfasst, die der Insolvenzverwalter in seiner Funktion als Partei kraft Amtes selbst begründet. Werden Ansprüche durch Vereinbarungen des Schuldners vor Insolvenzeröffnung begründet, handelt es sich demgegenüber auch für den Zeitraum nach Insolvenzeröffnung nicht um Masseverbindlichkeiten iSv. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO(vgl. BAG 27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - Rn. 16, BAGE 124, 150; 27. April 2006 - 6 AZR 364/05 - Rn. 15, BAGE 118, 115; 19. Januar 2006 - 6 AZR 529/04 - Rn. 16, BAGE 117, 1).

24

b) Hier scheidet ein Fall des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO aus. Das Arbeitsverhältnis wurde nicht von der beklagten Insolvenzverwalterin begründet, sondern bestand zwischen dem Kläger und der Schuldnerin seit 1985. Der Bestand des Vertragsverhältnisses blieb durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO unberührt.

25

2. Die geltend gemachten Ansprüche sind auch keine Masseverbindlichkeiten iSv. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO.

26

a) Danach sind Masseverbindlichkeiten Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss.

27

aa) § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO unterfallen alle Entgeltansprüche, die aus der Beschäftigung von Arbeitnehmern durch den Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung erwachsen, und alle sonstigen Ansprüche, die sich aus dem bloßen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergeben. Ist im Arbeitsverhältnis ein regelmäßiges Arbeitsentgelt vereinbart, entstehen die Entgeltansprüche mit den Zeitabschnitten, nach denen die Vergütung zu bemessen ist (§ 614 Satz 2 BGB). Fallen die Zeitabschnitte in die Zeit nach Insolvenzeröffnung, handelt es sich um Masseverbindlichkeiten iSv. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO (vgl. BAG 27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - Rn. 18, BAGE 124, 150; 19. Januar 2006 - 6 AZR 529/04 - Rn. 18, BAGE 117, 1).

28

bb) Die Regelung der Insolvenzforderungen in §§ 38, 108 Abs. 3 InsO beruht auf dem in § 1 Satz 1 InsO ausgedrückten Ziel des Insolvenzverfahrens, alle Gläubiger des Schuldners im Regelfall gemeinschaftlich zu befriedigen. Die Regelung der Masseverbindlichkeiten in §§ 53, 55 InsO hat im Unterschied dazu Ausnahmecharakter. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO bringt mit dem Wort „für“ zum Ausdruck, dass es bei den nach § 53 InsO vorweg aus der Insolvenzmasse zu berichtigenden Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen nicht allein auf die vereinbarte Leistungszeit, sondern auf die Zwecksetzung ankommt. Es genügt nicht, dass die Verbindlichkeiten „in der Zeit“ nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt werden müssen (vgl. BAG 27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - Rn. 19, BAGE 124, 150; 18. Oktober 2006 - 2 AZR 563/05 - Rn. 25, BAGE 120, 27).

29

cc) Um einen Anspruch als Insolvenzforderung iSv. §§ 38, 108 Abs. 3 InsO oder als Masseforderung iSv. §§ 53, 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO einordnen zu können, ist entscheidend, ob die Forderung eine Leistung mit Entgeltcharakter zum Gegenstand hat. Das ergibt sich aus dem Zweck des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO und seinem Zusammenhang mit § 108 Abs. 3 InsO. Grundsätzlich können nur solche Leistungsansprüche, die in einem zumindest teilweise synallagmatischen Verhältnis zu den nach Insolvenzeröffnung erbrachten Arbeitsleistungen stehen, als Masseverbindlichkeiten anerkannt werden. Ihre vorweg vorzunehmende Berichtigung ist eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung, die der Masse nach Insolvenzeröffnung zugutegekommen ist. Entscheidend ist, ob Entgelt im weitesten Sinn für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschuldet wird (vgl. nur BAG 14. November 2012 - 10 AZR 793/11 - Rn. 12, EzA-SD 2013 Nr. 4, 12; 27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - Rn. 20, BAGE 124, 150; Henssen jurisPR-ArbR 33/2008 Anm. 1 zu C).

30

b) Nach diesen Grundsätzen sind die vom Kläger erhobenen Ansprüche keine Masseverbindlichkeiten iSv. §§ 53, 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO. Das folgt schon daraus, dass die Forderungen weder synallagmatisch mit Arbeitsleistungen nach Insolvenzeröffnung verknüpfte Ansprüche auf Arbeitsentgelt noch sonstige Ansprüche sind, die sich aus dem bloßen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergeben (vgl. BAG 27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - Rn. 18, 20, BAGE 124, 150; 19. Januar 2006 - 6 AZR 529/04 - Rn. 18, BAGE 117, 1). Nur diese beiden Anspruchsgruppen unterfallen der Ausnahmeregelung des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO.

31

aa) Die Revision räumt selbst ein, dass ein Vergütungsanspruch aus § 6 Satz 3 SR ohne sog. Mehrarbeit iSv. § 4 Satz 2 SR nicht entstehen konnte. Sie nimmt jedoch an, das ursprüngliche Gegenseitigkeitsverhältnis von Arbeit und Vergütung sei durch die SR aufgehoben und umgestaltet worden. Die Entgeltpflicht sei durch einen begrenzten Kündigungsschutz ersetzt und durch die Ersatzleistung des § 6 Satz 3 SR gesichert worden.

32

bb) Der Kläger geht also zu Recht nicht davon aus, die Ansprüche knüpften an den reinen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über die Insolvenzeröffnung hinaus an. Er erkennt vielmehr, dass eine Wechselbeziehung von geleisteter Arbeit und Arbeitsentgelt besteht. Diese Auslegung trifft nach dem klaren Wortlaut und Zusammenhang von § 4 Satz 2 und § 6 Satz 3 SR zu. Sie wird entscheidend von dem Zweck der Entgeltsicherung durch die Rückfallklausel in § 6 Satz 3 SR gestützt. Die Rückfallregelung soll die Entgelteinbuße des Arbeitnehmers aufheben, wenn das Ziel des Arbeitsplatzerhalts im Rahmen des Sanierungsprozesses nicht erreicht werden kann und eine betriebsbedingte Kündigung wirksam wird (vgl. Bayreuther ZIP 2008, 573, 578 f.).

33

(1) Bei der SR handelt es sich um einen (Sanierungs-)Tarifvertrag.

34

(a) Nicht jede schriftliche Vereinbarung zwischen tariffähigen Parteien (§ 2 Abs. 1 TVG), die dem Schriftformerfordernis in § 1 Abs. 2 TVG, § 126 BGB entspricht, ist ein Tarifvertrag iSd. Tarifvertragsgesetzes. Als Tarifvertrag ist nur ein zwischen einer Gewerkschaft und einem oder mehreren Arbeitgebern oder einer Vereinigung von Arbeitgebern geschlossener schriftlicher Vertrag anzusehen. Er muss - abgesehen von schuldrechtlichen Vereinbarungen - dazu dienen, Rechtsnormen zur Regelung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen festzulegen sowie tarifliche Rechte und Pflichten der tarifunterworfenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch Inhaltsnormen iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Halbs. 2 TVG unmittelbar zu begründen. Unerheblich ist, ob die Vereinbarung als Tarifvertrag benannt ist (vgl. BAG 16. Mai 2012 - 4 AZR 366/10 - Rn. 24 mwN, EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 48).

35

(b) Danach ist die SR ein Tarifvertrag. Sie wurde schriftformgerecht von tariffähigen Parteien iSv. § 2 Abs. 1 TVG geschlossen, dem Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg e. V. sowie der IG Metall. Mit der SR wurden Rechtsnormen zur Regelung der Rechte und Pflichten im Verhältnis der Schuldnerin als damaliger Arbeitgeberin und der bei ihr beschäftigten tarifunterworfenen Arbeitnehmer geschaffen. Das ergibt sich aus der Auslegung der SR. Sie regelt in §§ 2 und 3 ua. Erhöhungen und Streichungen von tariflichen Entgeltbestandteilen. § 4 Satz 2 SR lässt sog. Mehrarbeit von vier Stunden über die tarifliche Wochenarbeitszeit hinaus ohne Entgeltausgleich zu. § 6 Satz 3 SR enthält eine Rückfallklausel für den Fall gescheiterter Sanierungsbemühungen. Nach dieser Bestimmung wird die zunächst ohne Entgeltausgleich geleistete sog. Mehrarbeitszeit iSv. § 4 SR für die letzten zwölf Monate vor dem Ausscheiden vergütet, wenn der Arbeitnehmer während der Laufzeit der SR aufgrund betriebsbedingter Beendigungskündigung ausscheidet.

36

(2) Die erhobenen Vergütungsansprüche stehen nach § 6 Satz 3 SR in einem zumindest teilweise synallagmatischen Verhältnis mit der in den Monaten März bis Mai und August 2009 geleisteten Überarbeit.

37

(a) Der Kläger verneint allerdings ein unmittelbares Gegenseitigkeitsverhältnis mit dem Argument, § 4 Satz 2 SR sehe vor, dass die sog. Mehrarbeit ohne Entgeltausgleich geleistet werde. Werde eine betriebsbedingte Kündigung wirksam, sichere der erst dann entstandene Vergütungsanspruch das Entgeltinteresse anstelle des weggefallenen besonderen Kündigungsschutzes. Der Kläger sieht aber selbst, dass die erhobenen Forderungen Vergütungsansprüche sind, die im Ausgangspunkt auf geleisteter Arbeit beruhen. Die Entgeltansprüche sind trotz der weiteren Voraussetzung einer wirksam gewordenen betriebsbedingten Kündigung nicht von dem Erfordernis geleisteter Überarbeit gelöst. Damit besteht eine zumindest teilweise synallagmatische Verknüpfung von Arbeit und Entgelt. Die Forderungen gehören demnach - wie anderes laufendes Arbeitsentgelt und Jahressonderzahlungen mit Arbeitsleistungs- oder Betriebstreueaspekt - zu den Ansprüchen mit Entgeltcharakter (vgl. schon BAG 21. Mai 1980 - 5 AZR 441/78 - zu B II 2 a der Gründe, AP KO § 59 Nr. 10 = EzA KO § 59 Nr. 9; Uhlenbruck/Sinz 13. Aufl. § 55 InsO Rn. 67 ). Sie sind keine Ansprüche, die an den bloßen Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, wie das zB für Gratifikationsansprüche, die nur an Stichtage gebunden sind, und Urlaubsabgeltungsforderungen anzunehmen ist (vgl. BAG 27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - Rn. 20 mwN, BAGE 124, 150; 25. März 2003 - 9 AZR 174/02 - zu A II 2 a bb der Gründe, BAGE 105, 345).

38

(b) Die Argumentation der Revision lässt zudem außer Acht, dass nach dem Zweck des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO und seinem systematischen Zusammenhang mit § 108 Abs. 3 InsO grundsätzlich nur solche Leistungsansprüche mit Entgeltcharakter als Masseforderungen anzuerkennen sind, die in einem zumindest partiellen Gegenseitigkeitsverhältnis zu der erbrachten Arbeitsleistung stehen(vgl. BAG 27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - Rn. 20, BAGE 124, 150). § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO setzt die vom Kläger für die streitgegenständlichen Rückfallforderungen abgelehnte jedenfalls teilweise synallagmatische Verknüpfung von Arbeit und Entgelt gerade voraus.

39

cc) Der Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit spricht entscheidend dagegen, die geltend gemachten Ansprüche als Masseverbindlichkeiten iSv. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO einzuordnen. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

40

(1) Das Erfordernis des zumindest teilweise synallagmatischen Verhältnisses von Arbeit und Entgelt dient dazu, den Zweck des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO zu verwirklichen.

41

(a) Der Zweck der Bevorrechtigung besteht darin, dass derjenige, der seine vertragsgemäßen Leistungen nach Insolvenzeröffnung zugunsten der Masse weiter erbringt, die vollen Rechte auf die Gegenleistungen behalten soll (vgl. Uhlenbruck/Sinz 13. Aufl. § 55 InsO Rn. 46). Die Ausnahme vorweg zu berichtigender Vergütungsforderungen als Masseverbindlichkeiten ist lediglich dann gerechtfertigt, wenn die Verbindlichkeiten Gegenleistungen für Arbeitsleistungen sind, die der Masse nach Insolvenzeröffnung zugutegekommen sind (vgl. BAG 27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - Rn. 20, BAGE 124, 150). Ansprüche mit Entgeltcharakter entstehen im insolvenzrechtlichen Sinn mit den Zeitabschnitten, nach denen die Vergütung zu bemessen ist (vgl. BAG 19. Januar 2006 - 6 AZR 529/04 - Rn. 18, BAGE 117, 1).

42

(b) Die Ansprüche auf Überarbeitsvergütung entstanden hier in diesem insolvenzrechtlichen Sinn in den Monaten März bis Mai und August 2009, die vor Insolvenzeröffnung am 1. September 2009 lagen. Kommen der Masse die Arbeitsleistungen, wie im Streitfall, nicht zugute, weil sie vor Insolvenzeröffnung erbracht wurden, handelt es sich um einfache Insolvenzforderungen, dh. um Ansprüche auf Arbeitsentgelt „für“ die Zeit vor Insolvenzeröffnung iSv. § 108 Abs. 3 InsO. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Entgeltansprüche aufschiebend bedingt waren, wie es die Beklagte noch in den Vorinstanzen angenommen hat, oder aber aufgrund von § 6 Satz 3 SR ein durch das Wirksamwerden der betriebsbedingten Beendigungskündigung auflösend bedingter Erlass der Forderung zustande kam, wovon der Kläger ausgeht(vgl. zu der Unterscheidung BAG 19. Januar 2006 - 6 AZR 529/04 - Rn. 21 ff., BAGE 117, 1).

43

(2) Eine andere Einordnung der Forderungen benachteiligte die Gesamtheit der anderen Gläubiger und verletzte den Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit. Die Insolvenzordnung sieht nicht vor, dass Arbeitnehmer generell gegenüber anderen Gläubigern bevorzugt werden. Die Entstehung von Masseverbindlichkeiten soll begrenzt werden (vgl. BVerfG 19. Oktober 1983 - 2 BvR 485/80, 2 BvR 486/80 - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 65, 182; BAG 27. April 2006 - 6 AZR 364/05 - Rn. 23, BAGE 118, 115).

44

(a) Besonders deutlich wird der Ausnahmecharakter von Masseverbindlichkeiten in der Blockaltersteilzeit. Obwohl der Arbeitnehmer während der Arbeitsphase mit seinen vollen Arbeitsleistungen für die spätere Freistellungsphase vorleistet, sind die in der Fälligkeit aufgeschobenen - zumeist hälftigen - Vergütungsansprüche nur dann Masseverbindlichkeiten iSv. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO, wenn die Arbeitsleistung der Masse noch zugutekommt (vgl. etwa BAG 19. Dezember 2006 - 9 AZR 230/06 - Rn. 19, AP ATG § 3 Nr. 19; 19. Oktober 2004 - 9 AZR 645/03 - zu I 3 der Gründe, NZA 2005, 527; Froehner NZA 2012, 1405, 1406 mwN). Es kommt nicht darauf an, wann der Arbeitnehmer die (Gegen-)Leistung der Vergütung verlangen kann (st. Rspr., vgl. BAG 19. Dezember 2006 - 9 AZR 230/06 - Rn. 20, aaO; 23. Februar 2005 - 10 AZR 602/03 - zu II 1 der Gründe mwN, BAGE 114, 13; 23. Februar 2005 - 10 AZR 672/03 - zu II 1 der Gründe, DB 2005, 1227; 19. Oktober 2004 - 9 AZR 647/03 - zu II 3 der Gründe, BAGE 112, 214; BGH 6. Dezember 2007 - IX ZR 284/03 - Rn. 10 f., NZA 2008, 306). Beim kontinuierlichen Teilzeitmodell der Altersteilzeit, in dem noch nach Insolvenzeröffnung Arbeit geleistet wird, erlangt der Arbeitnehmer dagegen Masseforderungen iSv. §§ 53, 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO. Die Arbeitsleistung kommt der Masse zugute (vgl. BAG 19. Oktober 2004 - 9 AZR 645/03 - zu I 3 der Gründe, NZA 2005, 527; Berscheid jurisPR-InsR 18/2005 Anm. 3 zu C).

45

(b) Für eine Rückfallklausel für den Fall des Scheiterns von Sanierungsbemühungen, wie sie in § 6 Satz 3 SR enthalten ist, gilt nichts anderes als für Arbeit, die in der Blockaltersteilzeit vor Insolvenzeröffnung geleistet wurde. Da diese Auslegung der Rückfallklausel in § 6 Satz 3 SR nicht von § 108 Abs. 3 InsO abweicht, findet § 119 InsO keine Anwendung(vgl. BAG 23. Februar 2005 - 10 AZR 600/03 - zu II 4 der Gründe, AP InsO § 108 Nr. 1 = EzA InsO § 55 Nr. 7).

46

(3) Der Senat setzt sich damit nicht in Widerspruch zu der vom Kläger zitierten Entscheidung vom 19. Januar 2006 (- 6 AZR 529/04 - Rn. 14 ff., BAGE 117, 1). Dort sind Masseverbindlichkeiten iSv. §§ 53, 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO für Vergütungsansprüche aufgrund einer höheren Arbeitszeit bejaht worden, auf die die Klägerin nach gescheiterten Sanierungsbemühungen Anspruch hatte.

47

(a) Die dortige Klägerin hatte eine zeitweilige Verringerung ihrer Arbeitszeit und eine damit verbundene Entgelteinbuße akzeptiert, um zur Sanierung des Betriebs beizutragen. Der Verzicht sollte nur bis zu dem Zeitpunkt wirken, in dem die Sanierungsbemühungen scheiterten. Bei Konkurs, Schließung des Betriebs oder betriebsbedingter Kündigung sollte die Klägerin für die zwölf Monate vor ihrem Ausscheiden hinsichtlich ihrer monatlichen Vergütung so gestellt werden, wie sie ohne die Teilzeitvereinbarung gestanden hätte (vgl. BAG 19. Januar 2006 - 6 AZR 529/04 - Rn. 22, BAGE 117, 1).

48

(b) Die Klägerin machte in der herangezogenen Entscheidung jedoch anders als im Streitfall keine Vergütungsansprüche für Arbeit geltend, die vor Insolvenzeröffnung geleistet worden oder ausgefallen war. Die Insolvenz war am 1. März 2003 eröffnet worden. Die Klägerin verlangte Differenzvergütung für die Monate März bis Juni 2003 (vgl. BAG 19. Januar 2006 - 6 AZR 529/04 - Rn. 4 f., BAGE 117, 1). Der Senat hat auch in dieser Entscheidung betont, die Entgeltansprüche entstünden mit den Zeitabschnitten, nach denen die Vergütung zu bemessen sei. Er hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass diese Zeitabschnitte in die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fielen (vgl. BAG 19. Januar 2006 - 6 AZR 529/04 - Rn. 18, aaO).

49

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    M. Jostes    

        

    Augat    

                 

(1) Ist ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, so kann der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen.

(2) Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, so kann der andere Teil eine Forderung wegen der Nichterfüllung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Fordert der andere Teil den Verwalter zur Ausübung seines Wahlrechts auf, so hat der Verwalter unverzüglich zu erklären, ob er die Erfüllung verlangen will. Unterläßt er dies, so kann er auf der Erfüllung nicht bestehen.

(1) Der Handlungsgehilfe darf ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweige des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen.

(2) Die Einwilligung zum Betrieb eines Handelsgewerbes gilt als erteilt, wenn dem Prinzipal bei der Anstellung des Gehilfen bekannt ist, daß er das Gewerbe betreibt, und der Prinzipal die Aufgabe des Betriebs nicht ausdrücklich vereinbart.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

(1) Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt (Wettbewerbsverbot), bedarf der Schriftform und der Aushändigung einer vom Prinzipal unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Gehilfen.

(2) Das Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.