Landesarbeitsgericht Nürnberg Beschluss, 05. Juni 2019 - 6 Ta 59/19

bei uns veröffentlicht am05.06.2019
vorgehend
Arbeitsgericht Würzburg, 5 Ca 817/17, 20.03.2019

Gericht

Landesarbeitsgericht Nürnberg

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Aschaffenburg - vom 20.03.2019, Az.: 5 Ca 817/17, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe

I.

Mit Urteil vom 05.12.2017 wies das Arbeitsgericht die Klage gegen die Beklagte ab, das Landesarbeitsgericht Nürnberg wies die Berufung des Klägers hiergegen mit Urteil vom 20.11.2018 zurück.

Die Klage und die Berufung waren gerichtet gegen die Firma M… Betriebsgesellschaft H… K… und R… GbR, vertreten durch die Gesellschafter I… H…, A… K…, C… R… und Ri… H… In den Schriftsätzen ist die beklagte Partei immer bezeichnet als „die Beklagte“.

Am 16.01.2019 beantragte die Beklagtenvertreterin die Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten gegen die Klagepartei unter Berücksichtigung einer „0,9 Erhöhungsgebühr gem. Nr. 1008 VV RVG“ in Höhe von 709,20 €. Gegen diese erhöhte Gebühr wandte sich die Klagepartei.

Am 20.03.2019 setzte die Rechtspflegerin die Kosten auf 2.342,00 € nebst Zinsen gegen den Kläger fest (und nicht wie beantragt auf 3.051,20 € mit der erhöhten Gebühr).

Nach Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses legte die Beklagte am 27.03.2019 hiergegen sofortige Beschwerde ein mit der Begründung, es seien nicht nur die GbR, sondern auch die vier Gesellschafter vertreten worden, ohne dass dies explizit ausgeführt sein müsste. Deren persönliche Haftung bestehe, ohne dass dies ausdrücklich einer Erwähnung bedürfe und im Rubrum so bezeichnet sei. Insoweit sei auf den Beschluss des OLG Stuttgart vom 27.03.2006, Az.: 8 W 129/06, zu verweisen.

Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.

Bezüglich näherer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, sowie form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 78 ArbGG, 11 Abs. 1 RPflG, 104, 567, 569 ZPO.

Der Beschwerdewert von mehr als 200,00 € ist erreicht.

Die sofortige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet.

Die Rechtspflegerin hat die der Beklagten zu erstattenden Kosten zu Recht nur auf 2.342,00 € nebst Zinsen festgesetzt.

Den Mehrbetrag zu den begehrten 3.051,20 € = 709,20 € kann die Beklagte nicht vom Kläger erstattet verlangen, denn die Beklagte kann von dem Kläger den begehrten dreimaligen 0,3-fachen Zuschlag für die Vertretung weiterer Personen nicht verlangen (Nr. 1008 VV RVG).

Die Beklagte war nur als BGB-Gesellschaft verklagt und nicht (auch) ihre Gesellschafter zusätzlich. Dies ergibt das oben bezeichnete Klagerubrum zweifelsfrei.

Es beschreibt als Beklagte allein die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Dieses Passivrubrum hat sich durch die Instanzen nie wesentlich verändert. Im Weiteren wird nur die Vertretung der Gesellschaft durch die Gesellschafter angegeben. In den Schriftsätzen geht es immer nur um die Beklagte. Ob mehrere Gesellschafter oder allein die Gesellschaft verklagt sind, richtet sich aber nach dem Rubrum und den Schriftsätzen und nicht, wie die Beklagte offenbar meint danach, wer richtigerweise hätte verklagt werden müssen oder können. Maßgeblich ist die Sicht des Empfängers der prozessualen Erklärung (BGH vom 17.10.2006, NJW 2006, 3715). Die Beklagte konnte im vorliegenden Fall das Passivrubrum und die Schriftsätze nur so verstehen, dass allein die zitierte BGB-Gesellschaft verklagt sein sollte und kein anderer, insbesondere nicht die als Vertreter benannten Gesellschafter selbst.

Der Kläger konnte auch die BGB-Gesellschaft verklagen. Nach der rechtsfortbildenden Entscheidung des BGH vom 29.01.2001 (NJW 2001, 1056; ihm folgend BAG vom 01.12.2004 NJW 2005, 1004) ist die nach außen bestehende BGB-Gesellschaft rechtsfähig und - jedenfalls insoweit - im Zivilprozess partei- und prozessfähig.

Gebührenrechtliche Konsequenz dieser Rechtsprechung ist, dass im Prozess gegen eine BGB-Gesellschaft eine Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren wegen der Vertretung mehrerer Auftraggeber nicht stattfindet (vgl. Gerold/Schmidt, 23. Auflage, 2017, Rn. 65 ff. zu Nr. 1008 VV RVG m.w.N.).

Nichts anderes besagt die angegebene Entscheidung des OLG Stuttgart, denn dort wurden neben der GbR ausdrücklich die Gesellschafter zusätzlich als Beklagte bezeichnet und mit verklagt. Im vorliegenden Fall war dies gerade nicht so.

Zu Recht hat also die Rechtspflegerin die fraglichen Mehrbeträge nicht festgesetzt.

Sonstige Mängel der Kostenfestsetzung sind nicht erkennbar und auch nicht gerügt.

III.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter erfolgen, § 78 Satz 3 ArbGG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Absatz 2 GKG. Danach hat die Beklagte als Unterlegene die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 3 Höhe der Kosten


(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 78 Beschwerdeverfahren


Hinsichtlich der Beschwerde gegen Entscheidungen der Arbeitsgerichte oder ihrer Vorsitzenden gelten die für die Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte maßgebenden Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Für die Zulassung der Rech

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Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 27. März 2006 - 8 W 129/06

bei uns veröffentlicht am 27.03.2006

Tenor 1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Ravensburg vom 16.2.2006 wird z u r ü c k g e w i e

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Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Ravensburg vom 16.2.2006 wird

z u r ü c k g e w i e s e n.

2. Der Kläger trägt die mit der Zurückweisung seiner sofortigen Beschwerde angefallene Gerichtsgebühr und die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Streitwert des Beschwerdeverfahrens: 3.146,19 EUR

Gründe

 
I.
Der Kläger hatte im vorliegenden Zivilprozess neben der Beklagten 1, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter als weitere Beklagte in Anspruch genommen. Im Berufungsverfahren vor dem OLG Stuttgart, AZ: 14 U 42/05, schlossen die Parteien einen das Verfahren abschließenden Prozessvergleich, in dem zu den Kosten vereinbart wurde, dass der Kläger 85 % der Kosten des Rechtsstreits und die Beklagten 15 % zu tragen haben mit Ausnahme der Vergleichsgebühren und der Auslagen für die Terminswahrnehmung, die jede Partei selbst trägt.
Auf die wechselseitigen Kostenanträge hat die Rechtspflegerin nach Kostenausgleich mit Beschluss vom 16.2.2006 die vom Kläger den Beklagten zu erstattenden Kosten mit 16.055,23 EUR festgesetzt.
Gegen den am 23.2.2006 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 9.3.2006 ein als Erinnerung bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt, mit der er sich gegen die Berücksichtigung einer Mehrvertretungsgebühr von mehr als 0,3 wendet. Die neben der Gesellschaft verklagten Gesellschafter der GbR hätten gleich gerichtete Interessen gehabt, weshalb die Beklagten Ziffer 2 bis 7 in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit zu betrachten seien, so dass für diese zusammen lediglich eine Erhöhungsgebühr von 0,3 angefallen sei.
Die Beklagten sind der sofortigen Beschwerde des Klägers entgegengetreten.
Am 21.3.2006 hat die Rechtspflegerin des Landgerichts Ravensburg die sofortige Beschwerde ohne Abhilfe dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die als sofortige Beschwerde statthafte (§ 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO) sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, aber in der Sache unbegründet.
1.
Neben der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind hier als Beklagte 2 bis 7 die Gesellschafter der Beklagten 1 verklagt worden. Sämtliche Beklagten wurden im Verfahren von einem Prozessbevollmächtigten vertreten. Werden mehrere Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts von einem Prozessbevollmächtigten im Zivilprozess vertreten, fällt hierdurch für jeden Gesellschafter bis zur gesetzlichen Obergrenze eine Erhöhungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO/Nr. 1008 VV/RVG an (vgl. BGH NJW 2002, 2958: 20/10tel bei 400 Gesellschaftern; JurBüro 2004, 145: 20/10tel Erhöhungsgebühr; JurBüro 2004, 375 zur Erbengemeinschaft; Senat, Die Justiz 2000, 341 = Rpfleger 2000, 427: 20/10tel bei 400 Gesellschaftern; KG JurBüro 2005, 419).
Die vom Kläger zitierte Entscheidung des Senats vom 29.5.1979 (Die Justiz 1979, 297, 298) betrifft einen anderen Sachverhalt, weil dort neben der Gesellschaft nicht mehrere Gesellschafter, sondern lediglich eine Komplementärin mitverklagt war.
2.
Für die Frage der Gebührenerhöhung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO/Nr. 1008 VV/RVG ist nicht entscheidend, ob die mehreren Auftraggeber an den Rechtsanwalt aufgrund einheitlicher Willensbildung herantreten oder im Prozess als Einheit auftreten (BGH JurBüro 2004, 375; a. A. OLG Hamm NJW-RR 2002, 1219). Angesichts der typisierenden und generalisierenden gesetzlichen Regelung kommt es allein darauf an, ob an der betreffenden Angelegenheit, in der der Rechtsanwalt tätig wird, mehrere rechtsfähige oder doch im Rechtsverkehr so behandelte natürliche oder juristische Personen beteiligt sind (BGH a.a.O.). Angesichts der verschiedenen Haftungsmassen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und jedes einzelnen ihrer Gesellschafter verbietet es sich angesichts dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die Gesellschafter als Einheit anzusehen. Vielmehr sind sie angesichts ihrer jeweiligen persönlichen Haftung selbständige Rechtssubjekte, die im Passivprozess jeweils persönlich ihre Interessen wahrnehmen dürfen. Die mit der Vertretung der jeweils eigenständig verklagten Gesellschafter verbundene Mehrarbeit für den Rechtsanwalt rechtfertigt die Gewährung der Erhöhung der Gebühr nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO/Nr. 1008 VV/RVG (BGH NJW 2002, 2958) in Passivprozessen (vgl. auch KG, a.a.O.).
3.
10 
Die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen zum Anfall einer Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO/Nr. 1008 VV/RVG oder deren Erstattungsfähigkeit beim Aktivprozess einer Sozietät von Steuerberatern und Rechtsanwälten (BGH NJW-RR 2004, 489) und bei Aktivprozessen anderer BGB-Gesellschaften können auf die vorliegende Situation im Passivprozess nicht zur Anwendung kommen. Im Passivprozess können neben der Gesellschaft bürgerlichen Rechts trotz ihrer Rechts- und Parteifähigkeit im Zivilprozess die einzelnen Gesellschafter daneben zur Verwirklichung der persönlichen Gesellschafterhaftung in Anspruch genommen und verklagt werden (vgl. BGHZ 146, 341, 356). Es ist deshalb zur zweckentsprechenden Verteidigung notwendig im Sinn des § 91 ZPO, dass sich die Gesellschafter selbst neben der Gesellschaft von einem Rechtsanwalt im Zivilprozess vertreten lassen und ihre Rechte wahrnehmen.
4.
11 
Die Kostenentscheidung beruht auf Nr. 1811 KV/GKG und § 97 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert errechnet sich aus 85 % einer 1,5-Erhöhungsgebühr zuzüglich 6/7tel der Mehrwertsteuer aus diesem Betrag.
12 
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 ZPO ist nicht veranlasst, nachdem die abweichende Entscheidung des OLG Hamm (NJW-RR 2002, 1219) nach Auffassung des Senats mit der späteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht im Einklang steht und es deshalb angesichts der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einer Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht bedarf.

Hinsichtlich der Beschwerde gegen Entscheidungen der Arbeitsgerichte oder ihrer Vorsitzenden gelten die für die Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte maßgebenden Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gilt § 72 Abs. 2 entsprechend. Über die sofortige Beschwerde entscheidet das Landesarbeitsgericht ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter, über die Rechtsbeschwerde das Bundesarbeitsgericht.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.