Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 27. März 2006 - 8 W 129/06

published on 27/03/2006 00:00
Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 27. März 2006 - 8 W 129/06
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Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Ravensburg vom 16.2.2006 wird

z u r ü c k g e w i e s e n.

2. Der Kläger trägt die mit der Zurückweisung seiner sofortigen Beschwerde angefallene Gerichtsgebühr und die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Streitwert des Beschwerdeverfahrens: 3.146,19 EUR

Gründe

 
I.
Der Kläger hatte im vorliegenden Zivilprozess neben der Beklagten 1, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter als weitere Beklagte in Anspruch genommen. Im Berufungsverfahren vor dem OLG Stuttgart, AZ: 14 U 42/05, schlossen die Parteien einen das Verfahren abschließenden Prozessvergleich, in dem zu den Kosten vereinbart wurde, dass der Kläger 85 % der Kosten des Rechtsstreits und die Beklagten 15 % zu tragen haben mit Ausnahme der Vergleichsgebühren und der Auslagen für die Terminswahrnehmung, die jede Partei selbst trägt.
Auf die wechselseitigen Kostenanträge hat die Rechtspflegerin nach Kostenausgleich mit Beschluss vom 16.2.2006 die vom Kläger den Beklagten zu erstattenden Kosten mit 16.055,23 EUR festgesetzt.
Gegen den am 23.2.2006 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 9.3.2006 ein als Erinnerung bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt, mit der er sich gegen die Berücksichtigung einer Mehrvertretungsgebühr von mehr als 0,3 wendet. Die neben der Gesellschaft verklagten Gesellschafter der GbR hätten gleich gerichtete Interessen gehabt, weshalb die Beklagten Ziffer 2 bis 7 in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit zu betrachten seien, so dass für diese zusammen lediglich eine Erhöhungsgebühr von 0,3 angefallen sei.
Die Beklagten sind der sofortigen Beschwerde des Klägers entgegengetreten.
Am 21.3.2006 hat die Rechtspflegerin des Landgerichts Ravensburg die sofortige Beschwerde ohne Abhilfe dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die als sofortige Beschwerde statthafte (§ 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO) sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, aber in der Sache unbegründet.
1.
Neben der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind hier als Beklagte 2 bis 7 die Gesellschafter der Beklagten 1 verklagt worden. Sämtliche Beklagten wurden im Verfahren von einem Prozessbevollmächtigten vertreten. Werden mehrere Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts von einem Prozessbevollmächtigten im Zivilprozess vertreten, fällt hierdurch für jeden Gesellschafter bis zur gesetzlichen Obergrenze eine Erhöhungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO/Nr. 1008 VV/RVG an (vgl. BGH NJW 2002, 2958: 20/10tel bei 400 Gesellschaftern; JurBüro 2004, 145: 20/10tel Erhöhungsgebühr; JurBüro 2004, 375 zur Erbengemeinschaft; Senat, Die Justiz 2000, 341 = Rpfleger 2000, 427: 20/10tel bei 400 Gesellschaftern; KG JurBüro 2005, 419).
Die vom Kläger zitierte Entscheidung des Senats vom 29.5.1979 (Die Justiz 1979, 297, 298) betrifft einen anderen Sachverhalt, weil dort neben der Gesellschaft nicht mehrere Gesellschafter, sondern lediglich eine Komplementärin mitverklagt war.
2.
Für die Frage der Gebührenerhöhung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO/Nr. 1008 VV/RVG ist nicht entscheidend, ob die mehreren Auftraggeber an den Rechtsanwalt aufgrund einheitlicher Willensbildung herantreten oder im Prozess als Einheit auftreten (BGH JurBüro 2004, 375; a. A. OLG Hamm NJW-RR 2002, 1219). Angesichts der typisierenden und generalisierenden gesetzlichen Regelung kommt es allein darauf an, ob an der betreffenden Angelegenheit, in der der Rechtsanwalt tätig wird, mehrere rechtsfähige oder doch im Rechtsverkehr so behandelte natürliche oder juristische Personen beteiligt sind (BGH a.a.O.). Angesichts der verschiedenen Haftungsmassen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und jedes einzelnen ihrer Gesellschafter verbietet es sich angesichts dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die Gesellschafter als Einheit anzusehen. Vielmehr sind sie angesichts ihrer jeweiligen persönlichen Haftung selbständige Rechtssubjekte, die im Passivprozess jeweils persönlich ihre Interessen wahrnehmen dürfen. Die mit der Vertretung der jeweils eigenständig verklagten Gesellschafter verbundene Mehrarbeit für den Rechtsanwalt rechtfertigt die Gewährung der Erhöhung der Gebühr nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO/Nr. 1008 VV/RVG (BGH NJW 2002, 2958) in Passivprozessen (vgl. auch KG, a.a.O.).
3.
10 
Die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen zum Anfall einer Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO/Nr. 1008 VV/RVG oder deren Erstattungsfähigkeit beim Aktivprozess einer Sozietät von Steuerberatern und Rechtsanwälten (BGH NJW-RR 2004, 489) und bei Aktivprozessen anderer BGB-Gesellschaften können auf die vorliegende Situation im Passivprozess nicht zur Anwendung kommen. Im Passivprozess können neben der Gesellschaft bürgerlichen Rechts trotz ihrer Rechts- und Parteifähigkeit im Zivilprozess die einzelnen Gesellschafter daneben zur Verwirklichung der persönlichen Gesellschafterhaftung in Anspruch genommen und verklagt werden (vgl. BGHZ 146, 341, 356). Es ist deshalb zur zweckentsprechenden Verteidigung notwendig im Sinn des § 91 ZPO, dass sich die Gesellschafter selbst neben der Gesellschaft von einem Rechtsanwalt im Zivilprozess vertreten lassen und ihre Rechte wahrnehmen.
4.
11 
Die Kostenentscheidung beruht auf Nr. 1811 KV/GKG und § 97 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert errechnet sich aus 85 % einer 1,5-Erhöhungsgebühr zuzüglich 6/7tel der Mehrwertsteuer aus diesem Betrag.
12 
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 ZPO ist nicht veranlasst, nachdem die abweichende Entscheidung des OLG Hamm (NJW-RR 2002, 1219) nach Auffassung des Senats mit der späteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht im Einklang steht und es deshalb angesichts der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einer Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht bedarf.
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um
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published on 05/06/2019 00:00

Tenor Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Aschaffenburg - vom 20.03.2019, Az.: 5 Ca 817/17, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. Gründe
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Annotations

(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind. Die Entscheidung ist, sofern dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen. Dem Antragsteller ist die Entscheidung nur dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird; im Übrigen ergeht die Mitteilung formlos.

(2) Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.

(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Das Beschwerdegericht kann das Verfahren aussetzen, bis die Entscheidung, auf die der Festsetzungsantrag gestützt wird, rechtskräftig ist.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.