Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 16. Apr. 2015 - 5 Sa 165/14

bei uns veröffentlicht am16.04.2015

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 22.01.2014, 5 Ca 987/13, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Änderungskündigung, die der Kläger unter Vorbehalt angenommen hat.

2

Der 1966 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 01.09.2001 bei 40 Stunden in der Woche in Vollzeit beim Beklagten beschäftigt. Die Einstellung erfolgte zunächst zu 100 Prozent der Arbeitszeit als „Leitender Mitarbeiter mit Verantwortung für den Fachbereich Altenhilfe …“. Die Parteien vereinbarten seinerzeit die Einstufung in die Vergütungsgruppe IV b, was der heutigen Entgeltgruppe 11 entspricht. Im Übrigen vereinbarten die Parteien die Geltung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung. Die Parteien schlossen später zum 01.04.2004 einen Änderungsvertrag. Danach war der Kläger ab diesem Zeitpunkt zur 50 Prozent seiner Arbeitszeit als Bereichsleiter Altenhilfe und zu weiteren 50 Prozent seiner Arbeitszeit als Qualitätsbeauftragter beschäftigt. Gleichzeitig vereinbarten die Parteien nun die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IV a, was heute der Entgeltgruppe 12 entspricht. Entsprechend wurde der Kläger auch in den letzten Jahren beschäftigt. Zuletzt erzielte er eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 4.000,00 Euro. Hinsichtlich der Arbeitsaufgaben des Klägers als Bereichsleiter Altenhilfe wird auf die Auflistung des Beklagten im Schriftsatz vom 12.09.2013, dort Seite 3 f (vgl. Blatt 20 f d. A.) verwiesen.

3

Beim Beklagten werden regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinne des § 23 KSchG beschäftigt. Beim Beklagten gibt es organisatorisch mehrere Bereiche. Dies sind die Altenhilfe, deren Leiter der Kläger bisher war, die ambulanten Dienste, die Behindertenhilfe/ Sozialpsychiatrie, die Gefährdetenhilfe und die Kindertagesstätten.

4

Am 30.04.2013 unterbreitete der Beklagte dem Kläger ein Änderungsangebot, wonach er ab dem 01.01.2014 nur noch mit 30 Wochenstunden und dies nur noch als Qualitätsbeauftragter tätig sein solle. Der Kläger hat dieses Angebot nicht angenommen.

5

Am 19.06.2013 ging dem Kläger ein Schreiben des Beklagten vom 17.06.2013 zu, welches die Überschrift „Betriebsbedingte Änderungskündigung Ihres Arbeitsverhältnisses vom 01.09.2001“ trägt. Danach solle der Kläger ab dem 01.01.2014 ausschließlich als Qualitätsbeauftragter mit 50 Prozent der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Mitarbeiters (20 Wochenstunden) beschäftigt werden. Außerdem solle der Kläger in die „Entgeltgruppe 11 Erfahrungsstufe“ eingruppiert werden. Der Kläger nahm das Änderungsangebot am 24.06.2013 unter Vorbehalt an.

6

Die Zustimmung der bei dem Beklagten gebildeten Mitarbeitervertretung zu einer entsprechenden Änderungskündigung war zuvor nicht eingeholt worden.

7

Bei Übergabe des vorgenannten Schreibens an den Kläger unterbreitete man dem Kläger erneut mündlich ein Angebot, auch zu 30 Stunden in der Woche als Qualitätsbeauftragter tätig sein zu können.

8

Mit Schriftsatz vom 24.06.2013, eingegangen beim Arbeitsgericht Rostock am 25.06.2013, begehrt der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Änderungskündigung.

9

Das Arbeitsgericht Rostock gab mit Urteil vom 22.01.2014 der Klage statt. Wegen der Einzelheiten dieses Urteils wird auf Blatt 131 ff der Akte verwiesen.

10

Das Urteil wurde dem Beklagten am 08.07.2014 zugestellt.

11

Der Beklagte legte hiergegen am 15. Juli 2014 Berufung ein. Die Berufungsbegründung erfolgte innerhalb gewährter Fristverlängerung am 08.10.2014.

12

Der Beklagte begehrt auch weiterhin die Abweisung der Klage, da der Beklagte die angegriffene Änderungskündigung für wirksam hält.

13

Soweit dem Kläger außerhalb der schriftlichen Änderungskündigung auch mündlich die Weiterarbeit als Qualitätsbeauftragter mit 30 Wochenstunden angeboten wurde, stehe dies der Wirksamkeit der Änderungskündigung nicht entgegen. Denn dieses erweiterte Angebot im Umfang von 30 Wochenstunden sei trotz der Erkenntnis erfolgt, dass der eigentlich tatsächlich vorhandene Arbeitsumfang überschritten werde. Dieses erhöhte Angebot sei erfolgt, um eine arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Im Übrigen verweist der Beklagte darauf, dass der Kläger bisher auch nur 20 Stunden in der Woche als Qualitätsbeauftragter gearbeitet hatte. Der Kläger lasse jedoch nicht bestreiten, dass nicht mehr Arbeit als Qualitätsbeauftragter anfalle. Daher sei das Angebot von 30 Stunden letztlich über dem eigentlich vorhanden Bedarf erfolgt.

14

Hintergrund der Änderungskündigung seien betriebsbedingte Gründe. Im Frühjahr 2013 habe der Vorstand den Entschluss gefasst, die Position des separaten Bereichsleiters Altenhilfe ab dem 01.01.2014 aufgeben zu wollen. Es solle nur noch der Qualitätsbeauftragte mit 50 Prozent einer Vollzeitstelle verbleiben. Die Position des Bereichsleiters Altenhilfe werde somit in Zukunft wegfallen. Es werde eine Hierarchieebene abgeschafft. Die jeweiligen Leiter der einzelnen Altenhilfeeinrichtungen würden direkt an den Vorstand angegliedert. Der Vorstand übernehme also künftig die Dienst- und Fachaufsicht über die einzelnen Einrichtungen der Altenhilfe. Auch sollen bisherige Aufgaben des Klägers auf die jeweiligen Einrichtungsleiter übertragen werden. Auf Vorhalt des Klägers meinte der Beklagte, dass er nicht darstellen müsse, wer künftig welche Aufgaben übernehmen werden. Der Beklagte führte ergänzend aus, dass jede Einrichtung in der Altenhilfe mit einer Doppelspitze besetzt ist, die aus der Pflegedienstleitung und der Heimleitung besteht. Ein Großteil der Aufgaben des Klägers als Bereichsleiter Altenhilfe, die bereits auf Blatt 20 f der Akte dargestellt wurden, sei bereits in der Vergangenheit tatsächlich durch die Einrichtungsleiter erledigt worden. Auf Vorhalt des Klägers, dass die Einrichtungsleiter auch als Doppelspitze ausgelastet waren, behauptete der Beklagte, dass er bei den Einrichtungsleitern freie Kapazitäten festgestellt habe. In den anderen Arbeitsbereichen des Beklagten wolle man die Hierarchieebene des Bereichsleiters bestehen lassen, weil es dort jeweils nur einen Leiter der untergeordneten Einrichtungen gibt.

15

Die Entlassung des Klägers sei auch unter hinreichender Beachtung der internen Regelungen des Beklagten beschlossen worden. So sieht § 14 der Satzung des Beklagten die Entlassung eines Bereichsleiters nach Maßgabe der Geschäftsordnung für den Vorstand vor. Diese sehe wiederum die Zustimmung des Verwaltungsrates vor. Letztere sei hier erteilt worden. So habe der Verwaltungsrat am 27.02.2013 beschlossen, den Bereich Altenhilfe vom Qualitätsmanagement zu trennen und dem Kläger nur noch das Qualitätsmanagement zu übertragen. Der Beklagte verweist hierzu auf ein Protokoll der Verwaltungsratssitzung vom 27.02.2013. In diesem Protokoll heißt es: „Der Verwaltungsrat ist in der Tendenz der Auffassung, den Bereich Altenhilfe von der Stabstelle QM zu trennen. Herr K. muss darüber mit Herrn A. reden, wobei der Verwaltungsrat die Tendenz hat, dass Herr A. die Stelle des Qualitätsmanagement wahrnimmt.“ Im Übrigen ergänzt der Beklagte, dass der Verwaltungsrat am 21.11.2013 den vorgenannten Beschluss bestätigt habe, wonach die Stelle Bereichsleiter Altenhilfe entfallen werde und die Einrichtungsleiter direkt dem Vorstand unterstellt werden sollen. In dem vorgelegten Protokoll des Verwaltungsrates heißt es hierzu: „Neben dem schriftlich vorliegendem Bericht geht Herr K. insbesondere auf die Personalangelegenheit Herr A. mündlich ein. Der Verwaltungsrat bestätigt den am 27.02.2013 gefassten Beschluss zum Qualitätsmanagement und dem Bereich der stationären Altenhilfe und präzisiert ihn dahingehend, dass zum 01.01.2014 die Stelle des Bereichsleiters Altenhilfe entfällt. Herr K. wird damit beauftragt, Herrn A. dieses noch einmal deutlich zu machen und dieses vor Gericht zu vertreten. Die Einrichtungsleitungen der Diakonie Pflegeheime werden direkt dem Vorstand unterstellt.“ Der Beklagte meint im Übrigen, dass die Geschäftsordnung für den Vorstand keine Einschränkung für Kündigungen vorsehe.

16

Eine Sozialauswahl des Klägers mit anderen Bereichsleitern sei nicht nötig gewesen. Die Schutzbedürftigkeit des Klägers sei im Hinblick auf die Änderung der Arbeitsbedingungen und nicht mit Blick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu prüfen gewesen. Es sei zu berücksichtigen, dass die anderen Bereichsleiter mit anderen Tätigkeiten beauftragt sind. Für die anderen Bereiche sei der Kläger nicht einsetzbar. Es fehle an der notwendigen Qualifikation. In der ambulanten Altenhilfe könne der Kläger nicht tätig werden, da die dortige Leiterin Prokura hat. Im Bereich Kita könne der Kläger nicht tätig werden, da die dortige Leiterin eine frühförder- und kitaspezifische Ausbildung hat. Im Bereich Behindertenhilfe könne der Kläger nicht tätig werden, da der dortige Leiter eine spezifische Ausbildung hat. In der Gefährdetenhilfe könne der Kläger nicht tätig werden, weil der dortige Leiter eine suchtspezifische Ausbildung hat.

17

Soweit der Kläger meine, dass das schriftliche Änderungsgebot nicht bestimmt genug sei, hat der Beklagte hierzu eine andere Meinung. Wenn der Kläger meine, es sei nicht klar, welche Tätigkeiten er als Qualitätsbeauftragter künftig ausüben solle, sei dies klar, da er diese Tätigkeit bisher auch schon ausgeübt hatte. Soweit die Änderungskündigung nur von der Entgeltgruppe 11 spreche und der Kläger sich frage, welches Vergütungssystem gemeint sei, sei das Vergütungssystem dem Kläger bekannt. Es handele sich um die AVR.

18

Soweit sich der Kläger frage, weshalb er im Rahmen der Änderungskündigung auch von der Entgeltgruppe 12 in die Entgeltgruppe herabgruppiert werden solle, werde dies dadurch gerechtfertigt, dass er nur noch Qualitätsbeauftragter sein solle. Die Tätigkeit als Bereichsleiter habe die Entgeltgruppe 12 gerechtfertigt. Selbst wenn die Kündigung in diesem Punkte unwirksam sei, verbliebe es jedoch bei der Kündigung, dann jedoch künftig mit der Entgeltgruppe 12.

19

Schließlich sei im vorliegenden Fall nicht die Zustimmung der Mitarbeitervertretung nach § 41 Abs. 3 in Verbindung mit § 38 Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche Deutschlands (MVG) erforderlich gewesen. Denn der Kläger sei Teil der Dienststellenleitung im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 2 MVG. Die in § 4 Abs. 2 Satz 2 MVG genannten Voraussetzungen seien im Fall des Klägers erfüllt. Denn der Kläger habe umfassende Personalkompetenz gehabt, wenn auch Arbeitsverträge und Kündigungen grundsätzlich vom Vorstand unterzeichnet wurden. Der Beklagte verweist darauf, dass der Kläger nach dem Arbeitsvertrag als „Leitender Mitarbeiter“ eingestellt wurde. Erstinstanzlich behauptete der Beklagte ergänzend, dass der Kläger zumindest auch gemeinsam mit dem Vorstand Entscheidungen getroffen habe, die der Mitberatung und Mitbestimmung unterliegen. Sodann benannte der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 05.12.2013, dort auf Seite 8 f (vgl. Blatt 98 f d. A.) einige Einzelfallbeispiele von E-Mail-Verkehr bzw. geleisteten Unterschriften des Klägers, aus welchen gefolgert werden könne, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 MVG erfüllt seien. Im Rahmen der Berufung zählte der Beklagte sodann innerhalb eines kurzen Absatzes verschiedene Mitbestimmungstatbestände der §§ 39 ff MVG abstrakt auf. Auf die Berufungsbegründung vom 07.10.2014 Seite 3 (Blatt 178 d. A.) wird verwiesen. Im sodann folgenden Absatz des vorgenannten Schriftsatzes zählte der Beklagte einige der Tätigkeiten des Klägers, die bereits auf Blatt 20 der Akte genannte waren, auf und behauptete, dass der Kläger damit Angelegenheiten der zuvor aufgezählten Mitbestimmungstatbestände ständig erledigt habe. In diesen Bereichen sei er ständig befugt gewesen, Entscheidungen zu treffen.

20

Der Beklagte beantragt:

21

Das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 22.01.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

22

Der Kläger beantragt:

23

Die Berufung zurückzuweisen.

24

Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil.

25

Er geht auch weiterhin von der Unwirksamkeit der Änderungskündigung aus.

26

Für die Kündigung gäbe es keine hinreichenden Gründe, insbesondere keine betriebsbedingten Gründe. Die Leitungstätigkeit der Altenhilfe entfalle nicht. Damit falle sein Arbeitsplatz auch nicht teilweise weg. Je näher die unternehmerische Entscheidung an den Kündigungsentschluss rücke, desto mehr müsse der Arbeitgeber im arbeitsgerichtlichen Prozess vortragen. Hier sei zu berücksichtigen, dass gerade im Bereich Altenhilfe der Bereichsleiter wegfallen solle, obwohl hier vielfältige Aufgaben vorliegen, die nur auf Grund des Organisationstalentes des Klägers zu bewältigen waren. Der Kläger verweist hierzu auf ein Zwischenzeugnis aus dem Jahre 2009, welches dem Kläger bescheinigt, für viele Aufgaben verantwortlich zu sein und dies trotz der hohen Belastungen gut zu organisieren. Es sei unplausibel, dass die vielfältigen Aufgaben des Klägers einfach auf andere Arbeitnehmer verteilt werden sollten, die bisher ebenfalls schon in Vollzeit tätig waren. Es stelle sich die Frage, wer welche Aufgabe übernehme. Allein das Schlagwort Doppelspitze genüge in diesem Zusammenhang nicht. Im Übrigen verweist der Kläger auf den unstreitigen Umstand, dass die Doppelspitze in den Altenpflegeeinrichtungen von ihm selbst schon in den Jahren 2003 bis 2009 initiiert wurde. Dabei war die Doppelspitze schon in der Vergangenheit in Vollzeit tätig und sei nach der Behauptung des Klägers auch ausgelastet gewesen. Das Vorhandensein einer Doppelspitze sei nicht dahingehend zu verstehen, dass dieselben Aufgaben einer früheren Einzelspitze nunmehr auf zwei Personen verteilt worden seien.

27

Auch interne Regelungen beim Beklagten würden gegen das Vorliegen eines Kündigungsgrundes bzw. gegen die Wirksamkeit der Kündigung sprechen. Aus § 11 der Satzung folge, dass der Verwaltungsrat bei der Aufstellung des Stellenplanes mit zu entscheiden habe, ob es in der Altenhilfe einen Bereichsleiter geben solle. Der Vorstand habe dies nicht allein entscheiden dürfen. Aus den Protokollen des Verwaltungsrates folge keine entsprechende Zustimmung zur Abschaffung des Bereichsleiters Altenhilfe und zur Kündigung des Klägers. Von einer Kündigung sei in den Protokollen nicht die Rede. Soweit der Beklagte auf eine Verwaltungsratssitzung vom 21.11.2013 verweise, sei dies unerheblich, da die Zustimmung vor der Kündigung erteilt sein müsse. Im Übrigen sei eine Zustimmung zur Kündigung nach § 14 der Satzung erforderlich. Denn die Entlassung von Bereichsleitern solle sich nach der Geschäftsordnung des Vorstandes richten, welche vom Verwaltungsrat zu erlassen sei. Wenn die Geschäftsordnung einen solchen Fall nicht regele, was hier der Fall sei, dürfe der Vorstand einen Bereichsleiter nicht alleine entlassen.

28

Im Übrigen spreche gegen das Vorliegen von betriebsbedingten Gründen in dem Umfang der ausgesprochenen Kündigung, dass dem Kläger auch neben der Änderungskündigung noch eine Weiterbeschäftigung im Rahmen des Qualitätsmanagements mit einem Umfang von 30 Wochenstunden angeboten wurde. Offenkundig sei somit eine Beschäftigungsmöglichkeit von 30 Stunden noch vorhanden. Der Beklagte habe damit nicht nur eine geringstmögliche Änderungskündigung ausgesprochen. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, weshalb der Kläger zudem künftig in die Entgeltgruppe 11 herabgruppiert werden solle. Jede einzelne Änderung müsse durch entsprechende Gründe gerechtfertigt sein.

29

Die Änderungskündigung sei auch deshalb unwirksam, da das Änderungsangebot nicht hinreichend bestimmt sei. Es müsse ohne weiteres deutlich sein, was künftig gelten solle. Dies sei hier nicht der Fall. Hier werde dem Kläger nur mitgeteilt, dass er zu 50 Prozent einer Vollzeitkraft als Qualitätsbeauftragter tätig werden solle, mit der Entgeltgruppe 11 Erfahrungsstufe. Seine künftige Tätigkeit sei mit dem Griff Qualitätsbeauftragter somit nur schlagwortartig umrissen worden. Auch sei dem Kläger das Vergütungssystem für die Entgeltgruppe 11 nicht benannt worden. Auch die sonstigen Bedingungen des künftigen Arbeitsverhältnisses blieben offen. Es sei für den Kläger nicht erkennbar, ob die sonstigen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses wie bisher weiter gelten sollten. Eine dahingehende Vermutung reiche nicht.

30

Auch verstoße das Änderungsangebot gegen das Schriftformgebot. § 623 BGB gelte auch für das Änderungsangebot im Rahmen der Änderungskündigung. Problematisch sei in diesem Zusammenhang, dass dem Kläger mündlich noch einmal eine Arbeit im Umfang von 30 Wochenstunden angeboten wurde. Der Kläger habe offenbar die Wahl haben sollen, mit 20 oder aber 30 Wochenstunden als Qualitätsbeauftragter tätig zu sein.

31

Weiterhin sei die Kündigung unwirksam, da die Sozialauswahl nicht hinreichend durchgeführt worden sei. Der Kläger meint, mit den anderen Bereichsleitern vergleichbar zu sein. Er forderte den Beklagten auf, die Sozialdaten dieser Bereichsleiter mitzuteilen. Es sei unerheblich, dass die jeweiligen Bereichsleiter persönlich unterschiedliche Qualifikationen haben. Insbesondere bezüglich der Leiterin Ambulante Altenhilfe verweist der Kläger darauf, dass er selbst unstreitig diesen Bereich vom 01.08.2005 bis 01.03.2010 geleitet hatte, somit seiner Ansicht nach für diese Position geeignet sei.

32

Schließlich geht der Kläger davon aus, dass die Änderungskündigung unwirksam sei, weil eine vorherige Zustimmung der Mitarbeitervertretung nötig gewesen wäre. Der Kläger zähle nicht zur Dienststellenleitung nach § 4 Abs. 2 MVG. Diese Ausnahme müsse der Beklagte darlegen. Die Bezeichnung als Leitender Mitarbeiter im Arbeitsvertrag sei unerheblich. Der Kläger verweist auch darauf, dass sich seine Tätigkeit seit der Einstellung geändert hatte. Der Kläger habe keine umfassenden Personalkompetenzen gehabt. So konnte er unstreitig konkret nicht allein über Kündigungen und Einstellungen entscheiden. Insbesondere sei der Kläger nicht im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 2 MVG entscheidungsbefugt und speziell nicht ständig entscheidungsbefugt gewesen. Aus den wenigen vom Beklagten erstinstanzlich dargestellten Beispielen aus den letzten Jahren folge nicht, dass der Kläger „ständig“ entscheidungsbefugt im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 2 MVG gewesen sei. Der Beklagte hätte abstrakt und generell zu Entscheidungsbefugnissen des Klägers vortragen müssen. Auch der ergänzende Vortrag des Beklagten in der Berufungsschrift zu Entscheidungsbefugnissen bei Mitbestimmungstatbeständen sei falsch. Der Beklagte sage in seinem Schriftsatz ohnehin nur, der Kläger habe Aufgaben nach den §§ 39 ff MVG erledigt und dies auch ständig. Allein die Erledigung von Aufgaben in bestimmten Bereichen genüge jedoch für § 4 Abs. 2 Satz 2 MVG nicht. Eine entsprechende Entscheidungsbefugnis des Klägers fehle hier. Der Kläger stelle sich angesichts des Vortrages des Beklagten die Frage, gegenüber welcher der beim Beklagten vorhandenen acht Mitarbeitervertretungen der Kläger denn aufgetreten sei. Unter anderem hatte jedes Heim eine eigene Mitarbeitervertretung. Unstreitig stellte der Kläger in diesem Zusammenhang dar, dass die jeweiligen Heimleiter selbstständig Mitbestimmungstatbestände mit der jeweiligen Mitarbeitervertretung des Heimes erörtert hatten. So seien auch die vom Beklagten im Rahmen der Berufung kurz aufgezählten Angelegenheiten solche aus dem Bereich der jeweiligen Heimleitung. Die sodann pauschale Behauptung des Beklagten, der Kläger habe auch Entscheidungsbefugnis gehabt, genüge nicht. Im Übrigen bemängelt der Kläger, dass der Beklagte sich in diesem Zusammenhang nur mit Aufgaben aus dem Bereich Bereichsleiter Altenhilfe beschäftige, nichts jedoch zur Tätigkeit als Qualitätsbeauftragter vortrage.

33

Abschließend geht der Kläger davon aus, dass die Berufung unzulässig sei, da der Beklagte offenbar nur die Rechtsfrage klären lassen wolle, ob die Mitarbeitervertretung zu beteiligen sei.

34

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erklärte der Beklagte, dass auch angesichts der verschiedenen Risiken hinsichtlich der Wirksamkeit der Kündigung eine Entscheidung durch das Gericht erforderlich sei, da unter anderem der Beklagte ein Interesse an der Fragestellung hätte, ob in Fällen wie der des Klägers die Mitarbeitervertretung zu beteiligen sei.

35

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Verhandlungsprotokolle sowie das erstinstanzliche Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe

36

Die zulässige Berufung des Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil ist unbegründet.

37

Durch die angegriffene Änderungskündigung vom 17.06.2013 tritt keine Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers ein.

I.

38

Das Arbeitsgericht Rostock hatte zu Recht der Klage stattgegeben.

1.

39

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem fraglichen Schreiben vom 17.06.2013 tatsächlich um eine Änderungskündigung handelt. Dies ist bisher auch schon so von beiden Parteien wie auch vom Arbeitsgericht unproblematisch gesehen worden. Soweit das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern mit Schreiben vom 26.01.2015 die Parteien darauf hingewiesen hatte, dass eventuell auch die Überlegung aufkommen könnte, dass es sich bei dem fraglichen Schreiben nicht um eine Änderungskündigung handele, insbesondere eventuell keine Kündigung enthalten sei, handelte es sich um einen vorsorglichen Hinweis gemäß § 138 ZPO, der frühzeitig vor der Kammerverhandlung des Berufungsgerichts ergehen sollte. Der Hinweis wurde erteilt, da die Formulierung des fraglichen Kündigungsschreibens bei genauer Wortlautbetrachtung gegebenenfalls etwas problematisch dahingehend sein könnte, ob überhaupt eine Kündigung vorliegt.

40

Im Rahmen der endgültigen Vorbereitung der Kammersitzung und auch Beratung der Kammer beim Berufungsgericht kam das Berufungsgericht zu dem Schluss, dass auch weiterhin vom Vorliegen einer Änderungskündigung auszugehen ist. Dies ergibt die Auslegung des fraglichen Schreibens. So lautet es schon in der Überschrift „Betriebsbedingte Änderungskündigung“. Wenngleich der Arbeitgeber dem Kläger sodann mitteilt, dass das Arbeitsverhältnis ab dem 01.01.2014 in gewisser Form weitergeführt werde, so hat er doch im selbigen Satz auch mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis zu diesem Datum gekündigt werde. Auch im Folgenden teilt der Arbeitgeber im Rahmen des Kündigungsschreibens mit, aus welchen Gründen seiner Ansicht nach der Arbeitsplatz des Klägers in Teilen wegfalle.

41

Im Ergebnis ergibt sich daher aus Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers, dass hier tatsächlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung nebst Angebot auf Fortsetzung zu geänderten arbeitsvertraglichen Bedingungen vom Arbeitgeber gewollt war. So ist es auch vom Kläger bisher verstanden worden.

42

Entsprechend hatte der Kläger nach den Erörterungen in der Verhandlung des Berufungsgerichts auch nicht mehr den zwischenzeitlich angekündigten Hilfsantrag für den Fall des Nichtvorliegens einer Kündigung gestellt.

2.

43

Die streitige Änderungskündigung ist rechtsunwirksam, weil sie sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 2 KSchG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 KSchG ist.

44

Denn die Kündigung ist nicht, wie es § 1 Abs. 2 KSchG vorgibt, durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt. Dabei ist auch im Falle der Annahme des Änderungsangebotes unter Vorbehalt die mit dem Änderungsangebot verbundene Kündigung als solche zu überprüfen.

45

Es ist im Falle behaupteter betriebsbedingter Gründe zu hinterfragen, ob eine Weiterbeschäftigung des Klägers – jedenfalls unter den bisherigen Bedingungen – nicht mehr möglich ist, weil die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit in Gänze oder in Teilen entfallen ist.

46

Dabei ist der Arbeitgeber für das Vorliegen der sogenannten betriebsbedingten Kündigungsgründe darlegungs- und beweispflichtig.

47

Nach der Rechtsprechung des BAG können sich dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Innerbetriebliche Gründe liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren betrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Diese unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Allerdings ist von den Arbeitsgerichten nachzuprüfen, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich vollzogen wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer auch tatsächlich entfallen ist.

48

Konkret für die Fälle des Abbaus einer Hierarchieebene bzw. des Abbaus eines konkreten Arbeitsplatzes, wie es auch hier einschlägig ist, führt das BAG in ständiger Rechtsprechung wie folgt aus: „Allerdings kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber vielmehr konkrete Angaben dazu machen, wie sich seine Organisationsentscheidung auf die Einsatzmöglichkeiten der Arbeitnehmer auswirkt. Läuft die unternehmerische Entscheidung letztlich nur auf den Abbau einer Hierarchieebene hinaus verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, bedarf es dementsprechend näherer Darlegungen, damit geprüft werden kann, ob der Beschäftigungsbedarf für den betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich entfallen und die Entscheidung weder offensichtlich unsachlich noch willkürlich ist. Der Arbeitgeber muss konkret erläutern, in welchem Umfang und auf Grund welcher Maßnahmen die bisher von dem betroffenen Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Er muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben auf die zukünftige Arbeitsmenge anhand einer schlüssigen Prognose konkret darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistung erledigt werden können.“ (vgl. BAG, Urteil vom 16.12.2010, 2 AZR 770/09, Rz. 14, 15, zitiert nach juris).

49

Unter Berücksichtigung vorgenannter Maßstäbe, denen sich die Kammer auch weiterhin anschließt, konnten im vorliegenden Fall keine betriebsbedingten Gründe festgestellt werden. Diese ergaben sich nicht in hinreichendem Maße aus dem Vortrag des Beklagten.

50

Der Beklagte behauptete, die Entscheidung getroffen zu haben, allein die Teilposition des Klägers als Bereichsleiter Altenhilfe abzuschaffen, indem diese Hierarchieebene gestrichen werden solle. Die darunter liegenden Einrichtungsleiter der jeweiligen Altenheime sollten nach dem Vortrag des Beklagten direkt an den Vorstand angegliedert werden.

51

Bei dieser vom Arbeitgeber behaupteten unternehmerischen Entscheidung ist genau diese im Kern deckungsgleich mit dem nachfolgenden Kündigungsentschluss gegenüber dem Kläger. Denn der Beklagte hatte nach seinem Vortrag entschieden, den Kläger im Teilbereich Bereichsleiter Altenhilfe nicht mehr einsetzen zu können.

52

Diese vom Arbeitgeber vorgetragene unternehmerische Entscheidung führte nun dazu, dass der Arbeitgeber entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BAG konkret hätte vortragen müssen, welche verschiedenen Arbeitsaufgaben der Kläger mit welchen Zeitanteilen bisher ausgeübt hat. Sodann hätte der beklagte Arbeitgeber vortragen müssen, inwieweit welche dieser Arbeitsaufgaben künftig vollständig entfallen sollen oder aber weiterhin auszuführende Aufgaben in welchem Umfang auf welche anderen Personen verteilt werden sollen. Der Arbeitgeber hätte weiter darstellen müssen, dass die Arbeitnehmer, die künftig Arbeitsaufgaben des Klägers mit übernehmen sollen, durch diese Arbeitsaufgaben, deren Zeitanteil zuvor vorgetragen worden war, nicht überobligationsmäßig belastet werden, weil diese Arbeitnehmer noch hinreichende Freiräume hinsichtlich der mit ihnen vertraglich vereinbarten Arbeitszeit haben.

53

Ein solcher Vortrag ist seitens des Beklagten nicht im Ansatz erfolgt. Der Beklagte behauptete pauschal, dass Arbeitsaufgaben des Klägers entweder vom Vorstand oder aber von den Heimleitern selbst wahrgenommen werden sollten, wobei angeblich einige frühere Aufgaben des Klägers schon bisher von den Heimleitern wahrgenommen wurden. Es gibt jedoch keinerlei konkreten Vortrag dahingehend, welche konkreten Aufgaben mit welchen konkreten Zeitanteilen auf welche Personen übertragen werden und welche konkreten zeitlichen Freiräume diese Personen bisher hatten. Insbesondere war zwischen den Parteien auch streitig, dass die Heimleiter überhaupt entsprechende zeitliche Freiräume hatten. Auch hier beließ es der Beklagte bei der pauschalen Behauptung, er habe Freiräume ausgemacht. Dies ist völlig unzureichend.

54

Eines weiteren Hinweises des Gerichtes bezüglich des nicht ausreichenden arbeitgeberseitigen Vortrages bedurfte es nicht. Denn schon der Kläger hatte den Beklagten schriftsätzlich auf die – im Übrigen ständige - Rechtsprechung des BAG und die daraus folgende Darlegungslast hingewiesen.

55

Kann das Gericht somit keine betriebsbedingten Gründe mangels hinreichenden Vortrages des Arbeitgebers feststellen, so ist die ausgesprochene Änderungskündigung unwirksam.

56

Aus vorgenannten Gründen bedurfte es auch nicht einer Entscheidung dahingehend, ob die Kündigung auch wegen nicht erfolgter Beteiligung der Mitarbeitervertretung rechtsunwirksam ist. Diese Fragestellung kann somit dahinstehen.

57

Das Arbeitsgericht Rostock hat dem Klageantrag zu 1 mithin zu Recht stattgegeben.

3.

58

Aus dem Obsiegen mit dem Klageantrag zu 1 folgt auch der Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Vertragsbedingungen über den 01.01.2014 hinaus.

II.

59

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

60

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Die Entscheidung erfolgte unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

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Tenor 1. Die Berufung wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 In Streit steht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien in Folge einer vom beklagten Arbeitgeber ausgesproc

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(1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach den Sätzen 2 und 3 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.

(2) Die Vorschriften des Dritten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten Rechts sowie für Betriebe, die von einer öffentlichen Verwaltung geführt werden, soweit sie wirtschaftliche Zwecke verfolgen.

Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Juli 2009 - 11 Sa 278/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten auf betriebliche Gründe gestützten Kündigung.

2

Der Kläger war seit dem 1. September 2006 als Hauswirtschaftsleiter bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte versorgt Seniorenstifte und beliefert deren Küchen. Sie beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer. Der Kläger war zuständig für sechs Seniorenstifte, die von insgesamt drei Produktionsstätten der Beklagten beliefert werden.

3

Mit Schreiben vom 23. Juni 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen zum 30. September 2008. Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben und - soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse - beantragt

        

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. Juni 2008 nicht aufgelöst worden ist.

4

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, sie habe am 30. Mai 2008 die Entscheidung getroffen, die Stelle des Klägers als Hauswirtschaftsleiter zum 30. Juni 2008 ersatzlos zu streichen. Hierfür seien sowohl außer- als auch innerbetriebliche Gründe maßgeblich gewesen. Negative wirtschaftliche Ergebnisse hätten sie zur Personalreduzierung gezwungen. Die bisher vom Kläger wahrgenommenen Aufgaben seien auf die jeweiligen Küchenleiter der einzelnen Produktionsküchen verteilt worden. Diese hätten die Aufgaben bereits vor ihrer Entscheidung entweder gänzlich oder doch zu einem großen Teil selbständig erbracht. Zur Erledigung der vom Kläger übernommenen Aufgaben seien sie ohne überobligatorische Leistungen in der Lage.

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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist zulässig (I), aber unbegründet (II). Die Kündigung vom 23. Juni 2008 hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgelöst.

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I. Die Revision ist zulässig. Die Revisionsbegründung genügt den Anforderungen des § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Von den als einzige geltend gemachten Verfahrensrügen ist zumindest die Rüge einer Verletzung der Hinweispflicht zulässig erhoben.

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1. Ob von mehreren erhobenen Verfahrensrügen zumindest eine zulässig ist, ist eine Frage der ausreichenden Revisionsbegründung (§ 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO) und damit der Zulässigkeit der Revision (vgl. BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 4 der Gründe, BAGE 109, 145).Verfahrensrügen müssen nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO die Bezeichnung der Tatsachen enthalten, die den Mangel ergeben, auf den sich die Revision stützt.

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2. Danach ist die Revision zulässig. Die Beklagte hat jedenfalls die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe die Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO verletzt, ausreichend begründet und damit zulässig erhoben.

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a) Wird gerügt, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, weil es der Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO nicht nachgekommen sei, muss der Revisionskläger konkret darlegen, welchen Hinweis das Gericht hätte geben müssen und wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert, insbesondere welchen tatsächlichen Vortrag er gehalten oder welche für die Entscheidung erheblichen rechtlichen Ausführungen er gemacht hätte(vgl. BAG 23. September 2008 - 6 AZN 84/08 - Rn. 13, BAGE 128, 13; 14. März 2005 - 1 AZN 1002/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 114, 67).

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b) Die Beklagte meint, das Gericht habe den Hinweis geben müssen, es halte ihre unternehmerische Entscheidung für nicht hinreichend konkretisiert, gehe von einer Sollarbeitszeit des Klägers von 40 Stunden pro Woche aus und könne nicht ausschließen, dass dieser durch seine Tätigkeiten voll ausgelastet gewesen sei. Die Beklagte hat im Einzelnen ausgeführt, welchen Vortrag sie auf einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis gehalten hätte.

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II. Die Revision ist unbegründet. Dabei kann dahinstehen, ob die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht schon deswegen unberechtigt ist, weil die Beklagte nach dem Prozessverlauf auch ohne gerichtlichen Hinweis hätte erkennen können, dass ihr Sachvortrag zu den betrieblichen Gründen für die Kündigung vom 23. Juni 2008 nicht ausreichend war. Der mögliche Verfahrensfehler war jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens der Beklagten aus der Revisionsbegründung ist die Kündigung vom 23. Juni 2008 nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt und damit sozial ungerechtfertigt.

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1. Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Innerbetriebliche Gründe liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren betrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Diese unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist ( Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 24 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 18. Oktober 2006 - 2 AZR 434/05 - Rn. 31, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 151 ). Von den Arbeitsgerichten nachzuprüfen ist dagegen, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich vollzogen wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - aaO; 17. Juni 1999 -  2 AZR 522/98 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 92, 61 ).

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a) Allerdings kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber vielmehr konkrete Angaben dazu machen, wie sich seine Organisationsentscheidung auf die Einsatzmöglichkeiten der Arbeitnehmer auswirkt (Senat 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 20, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).

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b) Läuft die unternehmerische Entscheidung letztlich nur auf den Abbau einer Hierarchieebene hinaus verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, bedarf es dementsprechend näherer Darlegungen, damit geprüft werden kann, ob der Beschäftigungsbedarf für den betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich entfallen und die Entscheidung weder offensichtlich unsachlich noch willkürlich ist. Der Arbeitgeber muss konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher von dem betroffenen Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Er muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben auf die zukünftige Arbeitsmenge anhand einer schlüssigen Prognose konkret darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können (Senat 13. Februar 2008 - 2 AZR 1041/06 - Rn. 16 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 174 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 598/01 - zu C I 4 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122).

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2. Im Streitfall liegt der Entschluss der Beklagten, die Stelle des Hauswirtschaftsleiters zu streichen, nahe an der Kündigungsentscheidung. Er hat allein den Abbau einer Leitungsebene zum Gegenstand und geht einher mit der Umverteilung der dem Kläger bisher zugewiesenen Aufgaben auf andere Beschäftigte. Es bedurfte daher der beschriebenen näheren Erläuterung dieses Entschlusses.

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3. Dem wird der Vortrag der Beklagten auch unter Berücksichtigung ihres Vorbringens in der Revisionsbegründung nicht gerecht. Die Beklagte hat nicht schlüssig dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt war, die bisher vom Kläger wahrgenommenen Aufgaben könnten vom verbliebenen Personal im Rahmen seiner regulären Verpflichtungen erledigt werden.

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a) Zwar stellt die Beklagte die vom Kläger im letzten halben Jahr vor Ausspruch der Kündigung ausgeübten Tätigkeiten und wahrgenommenen Aufgaben monatsweise dar und konkretisiert sie im Hinblick auf die dafür im Einzelnen aufgewendete Arbeitszeit. In gleicher Weise trägt sie für die drei Mitarbeiter vor, denen sie die Aufgaben des Klägers übertragen habe, soweit diese nicht an Drittfirmen vergeben oder von ihrer Geschäftsführung übernommen worden seien.

19

b) Unklar ist aber, wann die Beklagte welche Aufgaben des Klägers auf die Küchenleiter übertragen und wann sie einen Teil der Tätigkeiten an Drittfirmen vergeben oder die Geschäftsführung diese übernommen hat. Hatte sie ursprünglich vorgetragen, sie habe sämtliche Aufgaben des Klägers als Hauswirtschaftsleiter auf die Küchenleiter in den einzelnen Produktionsstätten übertragen, legt sie nunmehr dar, eine Reihe der Tätigkeiten seien von Drittfirmen und von ihrer Geschäftsführung übernommen worden.

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c) Unklar ist zudem das Schicksal der Aufgaben des Klägers als Personaleinsatzleiter uä. Dazu gehören die von der Beklagten selbst als Beispiele genannten Tätigkeiten wie die Erstellung von Dienst- und Urlaubsplänen, die Beratung der Geschäftsführung und die Öffentlichkeitsarbeit, die Planung und Organisation einer wirtschaftlichen Beschaffung von Ver- und Gebrauchsgütern, die Durchführung von Warenbestandsaufnahmen sowie die Umsetzung und Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften. Die Beklagte hat insoweit weder eine Übertragung auf die Küchenleiter noch eine Vergabe nach außen oder Übernahme durch die Geschäftsführung behauptet.

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d) Die Beklagte hat außerdem die Umverteilung von Tätigkeiten im Umfang eines Arbeitszeitbedarfs von insgesamt lediglich 98,39 Stunden monatlich dargelegt. Sie geht indessen selbst von einer durchschnittlichen monatlichen Soll-Arbeitszeit des Klägers von 174 Stunden aus. In dem ihrer Aufstellung zugrunde liegenden Halbjahreszeitraum sind lediglich für die Monate Februar bis Mai 2008 Minusstunden im Umfang von zweimal 4, einmal 6,5 und einmal 7,5 Stunden ausgewiesen. Aus den angegebenen arbeitsfreien Zeiten wegen Urlaubs, krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und Feiertagen ergibt sich nicht, dass und weshalb der Kläger auch während der verbliebenen Arbeitszeit nicht ausgelastet gewesen wäre.

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e) Der Vortrag der Beklagten ist ferner deshalb unschlüssig, weil die Aufstellung der Arbeitszeiten ihrer drei Küchenleiter ergibt, dass zwei von ihnen über keinerlei freie Arbeitszeitkapazität verfügten und der dritte nur in einem geringen Maße. Damit erscheint eine Übernahme der Aufgaben des Klägers nicht ohne überobligationsmäßige Leistungen der neuen Aufgabenträger möglich.

23

aa) Keinerlei freie Kapazitäten ergeben sich aus den Arbeitszeiten der Küchenleiterin. Diese leistete von Januar bis April 2008 sogar monatlich zwischen 40 und 50 Überstunden. Soweit die Beklagte darauf verweist, diese seien durch die vorübergehende Einarbeitung zweier Mitarbeiter angefallen, folgt daraus nicht, dass und in welchem Umfang die Küchenleiterin ohne diese Mehrbelastung freie Kapazitäten gehabt hätte, um innerhalb ihrer regulären Arbeitszeit weitere Aufgaben zu übernehmen. Einer der Küchenleiter leistete nach der Aufstellung der Beklagten insgesamt mehr Überstunden als Minusstunden anfielen.

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bb) Lediglich für den dritten Küchenleiter sind für nahezu jeden Monat fünf Minusstunden verzeichnet. Doch reicht auch diese Kapazität nicht aus, um die fraglichen, nach dem Vorbringen der Beklagten im Umfang von monatlich etwa 12 Stunden angefallenen Aufgaben des Klägers zu übernehmen. Weitergehende Erläuterungen lassen sich dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen.

25

4. Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe sich ausschließlich mit den innerbetrieblichen Gründen für die Kündigung befasst und sich nicht mit dem erstinstanzlich vorgetragenen Umsatzrückgang auseinandergesetzt, ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO.

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a) Rügt der Revisionskläger, das Landesarbeitsgericht habe von ihm gehaltenen Vortrag übergangen, muss er im Einzelnen unter Angabe des Schriftsatzes nach Datum und bei entsprechendem Umfang auch Seitenzahl darlegen, um welchen Vortrag es sich handeln soll (vgl. BAG 23. September 2008 - 6 AZN 84/08 - Rn. 19, BAGE 128, 13), es sei denn, dies wäre ohne Weiteres klar ( BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 d bb der Gründe, BAGE 109, 145).

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b) Diesen Anforderungen wird die Rüge der Beklagten nicht gerecht. Die Beklagte verweist lediglich pauschal auf erstinstanzlich vorgetragene außerbetriebliche Gründe. Sie legt nicht dar, welche konkreten tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen das Landesarbeitsgericht übergangen haben soll, ohne dass dies auf der Hand läge.

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III. Als unterlegene Partei hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    Sieg    

        

    Jan Eulen    

                 

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.