Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 18. Aug. 2015 - 2 Sa 63/14

published on 18/08/2015 00:00
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 18. Aug. 2015 - 2 Sa 63/14
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Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 29. Januar 2014 (3 Ca 2413/13) wie folgt teilweise abgeändert:

a) Die Kündigungsschutzklage (Urteilstenor zu 1) wird abgewiesen;

b) Die Zahlungsklage (Urteilstenor zu 2) wird abgewiesen, soweit das Arbeitsgericht den Beklagten zur Zahlung von mehr als 1.982,25 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. September 2013 verurteilt hat.

2. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte zu 63 Prozent und im Übrigen der Kläger.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Kündigungsschutz, Lohnzahlung sowie im Wege der Widerklage um einen Schadensersatz- bzw. Vertragsstrafeanspruch des Arbeitgebers.

2

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der, der Arbeitgeberin des Klägers (im Folgenden mit Schuldnerin bezeichnet). Die Gründung der Beklagten geht auf das Jahr 2002 zurück. Die LFW L. Fleisch- und Wurstspezialitäten GmbH & Co. KG (im Folgenden abgekürzt mit LFW bezeichnet) hatte seinerzeit die Gründung der Gesellschaft gefördert oder sogar betrieben, um mit ihr im Anschluss Verträge über die Erbringung von Teilleistungen aus dem gesamten eigenen Produktionsprozess abzuschließen. Diese Ausgliederung betraf zum einen den Bereich der Fleischzerlegung und zum anderen – sozusagen am anderen Ende des Produktionsprozesses – die Verpackung von Fleisch- und Wurstwaren. Sämtliche Leistungen hat die Schuldnerin auf dem Betriebsgelände der LFW mit Hilfe der dort installierten Maschinen erbracht. Basis der Zusammenarbeit waren drei Verträge (Zerlegung einerseits, Wurstverpackung, Fleisch- und SB-Fleisch-Verpackung andererseits), die alle beiderseits mit einer Frist von 3 Monaten kündbar waren. Außerhalb dieser drei Verträge ist die Schuldnerin nicht gewerblich tätig geworden. Die Bezeichnung der Schuldnerin hat in den Folgejahren mehrfach gewechselt, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Kläger trug sie seinerzeit den Namen "LWL GmbH".

3

Der Kläger, polnischer Staatsbürger mit Zweitwohnsitz im hiesigen Bezirk, ist seit dem 1. Juli 2010 auf dem Betriebsgelände der LFW als Mitarbeiter der Schuldnerin als Metzger im Bereich der Fleischzerlegung tätig.

4

Der Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der Schuldnerin lautet auszugsweise wie folgt (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vom Beklagten mit der Klageerwiderung überreichte Kopie, hier Blatt 38 ff Bezug genommen).

5

"§ 5 Vergütung

6

Der/Die Arbeitnehmer(in) erhält einen Brutto-Stundenlohn in Höhe von zur Zeit 7,00 €.

7

Das Arbeitsentgelt wird jeweils zum 10. des Folgemonats angewiesen und erfolgt bargeldlos. Die Gewährung sonstiger Leistungen, soweit diese nicht anderweitig zwingend vorgeschrieben sind, erfolgt freiwillig, mit der Maßgabe, dass auch durch eine wiederholte Zahlung ein Rechtsanspruch für die Zukunft nicht begründet wird.

8

Dem Arbeitnehmer werden die Kosten der doppelten Haushaltsführung bis zu einem Höchstbetrag von 400,- € ersetzt (Nachweis über die Meldung an seinem auswärtigen Wohnsitz muss erbracht werden).

9

Die Erstattung der doppelten Haushaltsführungskosten wird bei Krankheit pro angefangene Woche um je ein Viertel gekürzt.

10

Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge sind durch den gezahlten Brutto-Stundenlohn abgegolten.

11

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, über seine Vergütungen und sonstige Leistungen Stillschweigen zu bewahren.

12

§ 9 Geheimhaltung

13

Der Arbeitnehmer wird über alle Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Arbeitgebers sowie alle sonstigen ihm im Rahmen seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden Angelegenheiten und Vorgänge des Arbeitgebers Stillschweigen bewahren. Der Arbeitnehmer wird dafür sorgen, dass Dritte nicht unbefugt Kenntnis erhalten. Dies gilt insbesondere für Kalkulations- und Verkaufsunterlagen, Kunden-, Personal- und Vertragsverhältnisse jeder Art. Die Geheimhaltungsverpflichtung gilt auch für Angelegenheiten und Vorgänge, die Geschäftspartner des Arbeitgebers betreffen.

14

Die Verpflichtung zur Geheimhaltung sämtlicher Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus.

15

Ein Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht ist ein wichtiger Grund, der den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung dieses Vertrages berechtigt. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es nicht. Übt der Arbeitgeber in einem Fall das Recht zur fristlosen Kündigung nicht aus, so berührt die das Recht zur außerordentlichen Kündigung in einem Wiederholungsfall nicht. Weitergehende Ansprüche des Arbeitgebers, insbesondere die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, bleiben unberührt. Gegenüber den Ansprüchen des Arbeitgebers, wegen Verstößen gegen diese Geheimhaltungspflicht, kann der Arbeitnehmer nicht aufrechnen.

16

§ 11 Arbeits- und Geschäftsunterlagen

17

Die Anfertigung von Aufzeichnungen und Unterlagen aller Art sowie die Überlassung von Arbeitsunterlagen erfolgt ausschließlich zu dienstlichen Zwecken für den dienstlichen Gebrauch. Der Arbeitnehmer wird alle Arbeits- und Geschäftsunterlagen ordnungsgemäß aufbewahren und dafür Sorge tragen, dass Dritte nicht Einsicht – bzw. diese an sich nehmen können. Die vorbezeichneten Gegenstände sind bei Beendigung dieses Vertrages oder bei Freistellung herauszugeben und im Betrieb des Arbeitgebers an diesen zu übergeben. Ein Zurückbehaltungsrecht ist ausgeschlossen. Auf Wunsch des Arbeitgebers wird der Arbeitnehmer ausdrücklich versichern, dass die genannten Gegenstände vollständig herausgegeben und insbesondere keine Abschriften, Kopien oder Mehrstücke behalten zu haben.

18

§ 18 Vertragsstrafe

19

Tritt der Arbeitnehmer seine Tätigkeit vertragswidrig nicht an oder beendet er sie vertragswidrig vorzeitig, so wird für jeden angefangenen Monat, in dem der Arbeitnehmer vertragswidrig nicht tätig ist, eine Vertragsstrafe in Höhe von 1/12 eines Jahresverdienstes unter Berücksichtigung sämtlicher Verdienstbestandteile verwirkt. Zugrunde zu legen sind diejenigen Bezüge, die der Arbeitnehmer in dem Vertragsbruch vorausgegangenen 12 Monaten erhalten hat. Hat das Arbeitsverhältnis noch keine 12 Monate bestanden oder noch nicht begonnen, so ist der Betrag zugrunde zu legen, der vertragsmäßig bis zum Ablauf von 12 Monaten bei ordnungsgemäßer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erzielt worden wäre.

20

Die Verpflichtung zur Zahlung der Vertragsstrafe durch den Arbeitnehmer besteht in gleicher Weise, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos kündigt, weil ein wichtiger Grund von Seiten des Arbeitnehmers vorliegt. Weitergehende Ansprüche des Arbeitgebers und insbesondere die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bleiben unberührt. Gegenüber diesen Ansprüchen des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer nicht aufrechnen.

21

§ 21 Abwerbungsklausel

22

Während der Dauer der Zusammenarbeit und sechs Monate nach der Durchführung des letzten zwischen den Vertragspartnern geschlossenen Vertrages darf der Arbeitnehmer sich nicht direkt oder indirekt durch einen Auftraggeber der [Schuldnerin] oder durch ein für den Auftraggeber tätiges Unternehmen abwerben lassen und ein Dienstverhältnis begründen. Im Falle des Verstoßes gegen diese Verpflichtung zahlt die verletzende Partei der anderen Partei eine Vertragsstrafe in Höhe eines halbes Netto-Jahresgehalts, das der Mitarbeiter zuletzt bei der anderen Partei erhalten hat, oder in seiner letzten Position erhalten hätte. Weitere Schadensersatzansprüche bleiben unberührt, die Vertragsstrafe wird jedoch hierauf angerechnet."

23

Mit Schreiben vom 19. März 2013 hat die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen beim Amtsgericht Schwerin beantragt. Mit Beschluss vom 20. März 2013 hat das Amtsgericht Schwerin sodann den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt (580 IN 66/13). Der Beklagte hat den Betrieb in Zusammenarbeit mit der Schuldnerin zunächst fortgeführt.

24

Dazu hat der Beklagte, weil die Verträge mit LFW nach seinem Dafürhalten nicht mehr auskömmlich waren, schon in der Insolvenzeröffnungsphase Gespräche zur Preisanpassung mit LFW aufgenommen, die allerdings ohne Erfolg blieben. Um die Preisanpassungsgespräche zu fördern, hat der Beklagte ebenfalls noch in der Insolvenzeröffnungsphase im Auftrag der Schuldnerin mit Schreiben vom 25. April 2013 die Aufträge über die Fleisch- und Wurstverpackungsarbeiten zum 31. Juli 2013 gekündigt und weitere Verhandlungen zur Fortführung des Auftrages angeboten. Statt des erhofften Verhandlungserfolges hatte die LFW dann allerdings mit Schreiben vom 30. Mai 2013 zum 31. August 2013 ihrerseits auch den letzten noch bestehenden Vertrag über die Fleischzerlegung gekündigt (Kopie als Anlage B 6 zur Akte gelangt, hier Blatt 75).

25

Mit Beschluss vom 1. Juni 2013 hat das Amtsgericht Schwerin das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wegen Zahlungsunfähigkeit und wegen Überschuldung eröffnet und den Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt (Kopie des Eröffnungsbeschlusses ist als Anlage B 1 zur Akte gelangt, hier Blatt 34). Der Beklagte hat auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst versucht, den Betrieb fortzuführen, ihm war es aber auch nach Insolvenzeröffnung nicht gelungen, bessere Preise mit LFW auszuhandeln. Im Gegenteil. Mit Mail vom 24. Juli 2013 hat LFW dem Beklagten mitgeteilt, dass eine Fortführung des Auftrages bezüglich der Verpackungsarbeiten über das Monatsende hinaus ausgeschlossen sei, da die Aufgaben in diesem Bereich ab dem 1. August 2013 von der polnischen Firma W. Sp.z.o.o. (im Folgenden abgekürzt als W. bezeichnet) ausgeführt würden. Weitere Verhandlungen über die Zusammenarbeit mit dem Insolvenzverwalter in den anderen Bereichen wurden dabei abgelehnt.

26

Tatsächlich hat W. ab August 2013 statt des Beklagten die Arbeiten im Bereich der Verpackungsarbeiten erbracht. Da W. kein eigenes Personal stellen konnte, wurden die Arbeitnehmer des Beklagten im Bereich der Verpackungsarbeiten in einer Betriebsversammlung, die LFW ohne Zustimmung des Beklagten durchgeführt hatte, über die Situation aufgeklärt und letztlich für W. abgeworben.

27

Ähnlich verliefen die Dinge, als zum Ende August 2013 der Auftrag bezüglich der Fleischzerlegungsarbeiten sein Ende nahm. LFW führte eine Betriebsversammlung ohne Zustimmung des Beklagten mit den betroffenen Arbeitnehmern durch, auf der auch Vertreter von W. anwesend waren. Den Arbeitnehmern wurde angeboten ab September zu den bisherigen Konditionen bei W. weiter zu arbeiten. Von den anwesenden Arbeitnehmern haben wohl nahezu alle die Bereitschaft gezeigt, zukünftig unter Regie von W. die bisherigen Arbeiten weiter fortzuführen; dem Gericht ist jedenfalls kein Name eines Arbeitnehmers mitgeteilt worden, der sich für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Beklagten entschieden hat.

28

W. seinerseits hat bereits mit Schreiben vom 24. Juli 2013 (Kopie als Anlage B 5 zur Akte gelangt, hier Blatt 44) dem Beklagten mitgeteilt, dass man ab September 2013 der neue Subunternehmer für die Fleischzerlegungsarbeiten bei LFW sei und man daran interessiert sei, alle Mitarbeiter des Beklagten in diesem Bereich mit ihren aktuellen arbeitsvertraglichen Bedingungen zu übernehmen. Der Beklagte wurde gebeten, eine Weiterbeschäftigung dieser Arbeitnehmer ab September 2013 durch Abschluss von Aufhebungsverträgen zu ermöglichen.

29

Der Beklagte war zwar grundsätzlich bereit, ein Einvernehmen mit W. zu erzielen, er wollte jedoch, dass W. dafür eine Gegenleistung erbringt, mit der zumindest die Kosten abgegolten werden, die die Schuldnerin in die bei LFW beschäftigten Arbeitnehmer investiert hat (Kosten der Anwerbung und Kosten der Beibringung der Gesundheitszeugnisse und sonstiger Papiere). Ein Einvernehmen konnte nicht erzielt werden, es ist nicht einmal klar, ob es überhaupt ernsthafte Verhandlungen auf das Anschreiben vom 24. Juli 2013 hin gegeben hat.

30

Unter dem 16. August 2013 hat W. dann noch die Arbeitnehmer des Beklagten aus dem Bereich der Fleischzerlegung im Sinne von § 613a Absatz 5 BGB über einzelne Aspekte des nach Auffassung von W. zum 1. September 2013 erfolgenden Betriebsübergangs informiert (Kopie eines solchen Anschreibens einen Kollegen des Klägers betreffend ist als Anlage B 2 zur Akte gelangt, hier Blatt 36, es wird Bezug genommen). Letztlich hat auch der Beklagte für seine Arbeitnehmer im Bereich der Fleischzerlegung am 21. August 2013 eine Betriebsversammlung durchgeführt, auf der er – so der Vortrag im Rechtsstreit – hilfsweise die Betroffenen auch im Sinne von § 613a Absatz 5 BGB belehrt hat.

31

Der Kläger und seine Kollegen haben ihre Tätigkeit im Bereich der Fleischzerlegung wie gewohnt an ihrem bisherigen Arbeitsplatz auch ab September 2013 – nunmehr allerdings für W. – weiter ausgeführt.

32

Der Beklagte hat daraufhin das Arbeitsverhältnis zum Kläger – wie zu allen anderen Mitarbeitern aus dem Bereich der Fleischzerlegung, die ab September 2013 für W. tätig geworden sind – mit Schreiben vom 5. September 2013 außerordentlich und fristlos wegen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot und die Verschwiegenheitspflicht sowie wegen Vertragsbruchs gekündigt. Außerdem ist das Entgelt für den letzten Arbeitsmonat (August 2013) wegen möglicher Gegenansprüche nicht mehr zur Auszahlung gebracht worden.

33

Der Umfang der vergütungspflichtigen Arbeits- und Urlaubszeiten des Klägers im August 2013 steht zwischen den Parteien teilweise in Streit. Der Beklagte gesteht 175 vergütungspflichtige Stunden zu, der Kläger meint, ihm stünde Entgelt für 185 Stunden (147,5 Arbeitsstunden zuzüglich 37,5 Urlaubsstunden) zu. Unstreitig wird im Bereich der Fleischzerlegung an allen Tagen der Woche rund um die Uhr in Schichten gearbeitet. Die Zuteilung der Arbeitnehmer zu den Schichten erfolgt nach einem Schichtplan, den der Beklagte in einem der zahlreichen Parallelverfahren (5 Sa 85/14) auch einmal zur Akte gereicht hatte. Im vorliegenden Verfahren ist der Beklagte der Idee des Kammervorsitzenden, zum Zwecke der weiteren Aufklärung des Sachverhalts bezüglich der Arbeitszeiten, diese Akte beizuziehen, entgegengetreten; die Akte ist deshalb nicht beigezogen worden. Aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts in dem erwähnten Parallelverfahren (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern 14 April 2015 – 2 Sa 85/14; derzeit BAG 8 AZN 478/15 und 8 AZN 507/15) ergibt sich, dass die Schichten im August 2013 stets zur vollen oder halben Stunde begonnen hatten und sie durch stets 30minütige Pausen unterbrochen waren. Unstreitig ist in diesem Zusammenhang weiterhin, dass die Zugänge zur Produktion bei dem Hauptunternehmer LFW und damit auch die Zugänge zu den Arbeitsplätzen des Beklagten – jedenfalls dann, wenn man sich vorschriftsmäßig verhält – nur durch Drehkreuze betreten und verlassen werden können und dass an diesen Drehkreuzen die Gehens- und Kommens-Ereignisse für jeden Arbeitnehmer, auch für die Arbeitnehmer des Beklagten, erfasst werden. Unstreitig ist letztlich, dass Schichtbeginn für den Kläger und seine Kollegen am Arbeitsplatz war, den man erst einige Minuten nach dem Passieren des Drehkreuzes erreicht hat.

34

Mit seiner am 19. September 2013 beim Arbeitsgericht Schwerin eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die außerordentliche Kündigung zur Wehr gesetzt und Vergütungszahlung für den Monat August 2013 in Höhe von 2.052,25 Euro brutto begehrt.

35

Während des Rechtsstreits hat der Beklagte außergerichtlich vom Kläger eine Zahlung in Höhe von 10.192,24 EUR gefordert. Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2013 (hier Blatt 23 ff) hat der Beklagte sodann die Vertragsstrafe im Rahmen einer Widerklage in voller Höhe rechtshängig gemacht.

36

Das Arbeitsgericht Schwerin hat mit Urteil vom 29. Januar 2014 (3 Ca 2413/13) der Kündigungsschutzklage und der Lohnzahlungsklage für August 2013 stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Den Streitwert hat es auf 18.400,00 Euro festgesetzt.

37

Mit der rechtzeitig eingereichten und rechtzeitig begründeten Berufung verfolgt der Beklagte sein Begehren bis auf einen nicht angegriffenen Teilbetrag der Klage bezüglich des Augustentgelts in Höhe von 1.625 Euro brutto in vollem Umfang weiter.

38

Der Beklagte meint, die Kündigungsschutzklage gehe ins Leere, da das Arbeitsverhältnis bereits vor Ausspruch der Kündigung nach § 613a BGB auf W. übergegangen sei. Im Übrigen habe aber auch ein wichtiger Grund zur Kündigung wegen des Vertragsbruchs und der Verletzung der Geheimhaltungspflichten vorgelegen.

39

Das in Höhe von 2.052,25 Euro brutto eingeklagte und ausgeurteilte Entgelt für August 2013 sei überhöht. Der Kläger habe in diesem Monat nicht wie vom Arbeitsgericht zu Grunde gelegt 185 Stunden Arbeit geleistet oder im Urlaub geweilt, sondern nur 175 Stunden. Die weiteren eingeklagten und ausgeurteilten Entgeltelemente stünden dem Kläger – bis auf den zutreffend ausgeurteilten "Heimfahrtenzuschlag" in Höhe von 400,00 Euro – nicht zu. Zuschläge für Sonntagsarbeit und Nachtarbeit seien mit dem Stundenlohn laut Arbeitsvertrag bereits abgegolten. Im Übrigen hätten alle zusätzlichen Entgeltelemente nach § 5 des Arbeitsvertrages unter dem Freiwilligkeitsvorbehalt gestanden und der Beklagte hätte sich entschieden, diese für den Monat August 2013 nicht zahlen zu wollen. Deshalb stünde dem Kläger auch die Pünktlichkeitsprämie in der geltend gemachten Höhe von 100,00 Euro nicht zu.

40

Zur Widerklage trägt der Beklagte vor, durch das kollusive Zusammenwirken von LFW, W. und seinen ehemaligen Arbeitnehmern und durch den gemeinsam provozierten gesetzlichen Übergang der Arbeitsverhältnisse nach § 613a BGB auf W. ab dem 1. September 2013 sei sein Betrieb als wirtschaftliche Einheit sozusagen über Nacht wertlos geworden. Damit sei eine aussichtsreiche Verhandlungsposition gegenüber LFW zerstört worden, denn wenn die Arbeitnehmer zu ihren Arbeitsverhältnissen zum Insolvenzverwalter gestanden hätten, wäre LFW zur Aufrechterhaltung der Produktion gezwungen gewesen, neue Verträge mit dem Insolvenzverwalter zu besseren Konditionen abzuschließen.

41

An diesem Eingriff in den Gewerbebetrieb sei auch der Kläger mit pflichtwidrigem Verhalten beteiligt gewesen. Durch die Weitergabe seines Arbeitsvertrages und seiner Lohnabrechnungen habe er gegen die Geheimhaltungspflicht aus § 9 des Arbeitsvertrages verstoßen. Außerdem habe er gegen die Abwerbungsklausel aus § 21 des Arbeitsvertrages verstoßen. Schließlich und vor allem habe der Kläger Vertragsbruch begangen, indem er seine Arbeit für den Beklagten ohne ordentliche Kündigung und grundlos zum Ende des Monats August 2013 eingestellt habe.

42

Durch die Vertragsverstöße sei dem Beklagten ein großer Schaden entstanden, da die Belegschaft das einziges Geschäftspotential des fortgeführten Betriebes dargestellt habe. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass heutzutage eingespielte Teams für den Bereich der Fleischzerlegung, nur schwer zu finden seien. Hätten der Kläger und seine Kollegen zu den Arbeitsverträgen zum Beklagten gestanden, wäre es ein Leichtes gewesen, mit W. einen Preis für den Wunsch nach Übernahme des Personals auszuhandeln, mit dem zumindest die in diesen Belegschaftsteil investierten Kosten in Form der Anwerbekosten und der Kosten der Gesundheitszeugnisse und sonstigen Papiere, die der Beklagte auf "ein bis zwei Monatsgehälter" bzw. "mehrere Tausend Euro" pro Arbeitnehmer beziffert, für die Masse hätten gewonnen werden können. Durch den Geheimnisverrat und den anschließenden Vertragsbruch habe der Beklagte auch jegliches Druckmittel in den Vertragsverhandlungen mit LFW verloren. Hätten die Arbeitnehmer zu ihren vertraglichen Pflichten zum Beklagten gestanden, wäre LFW wegen der drohenden Engpässe im Bereich der Fleischzerlegung unter Druck geraten und er – der Beklagte – wäre dann in der Lage gewesen, mit LFW bessere Preise für die Leistungen auszuhandeln.

43

Die Vertragsstrafe nach § 21 des Arbeitsvertrages ("Abwerbungsklausel") sei verwirkt, denn der Kläger habe sich durch W., einem für den Auftraggeber (LFW) tätiges Unternehmen, abwerben lassen. Die vertraglich vorgesehene Strafe in Höhe eines halben Jahresnettoentgelts sei auch nicht überhöht, denn der Marktwert des Unternehmens der Schuldnerin beruhe allein auf dem unter Vertrag stehenden Personal. Gerade weil es wegen der modernen Auslegung von § 613a BGB möglich geworden sei, dass es zu Betriebsübergängen auch gegen den Willen des bisherigen Betriebsinhabers kommen kann, habe der Beklagte auch ein anerkennenswertes Interesse, den Wert seinen Unternehmens zu schützen. Das sei durch die Abwerbungsklausel in § 21 des Vertrages geschehen. Selbst wenn das in § 21 des Arbeitsvertrages auch geregelte entschädigungslose nachvertragliche Wettbewerbsverbot unwirksam sein sollte, berühre das nicht die Wirksamkeit des ebenfalls dort vereinbarten Abwerbeverbots während des Arbeitsverhältnisses. Denn beide Teile dieser Klausel stünden eigenständig für sich da, die Unwirksamkeit des einen Teils der Klausel erfasse nicht notwendig den anderen Teil der Klausel.

44

Der Beklagte beantragt unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Schwerin vom 29. Januar 2014 – 3 Ca 2413/13 – sinngemäß:

45

1. Die Kündigungsschutzklage abzuweisen;

46

2. Die Klage auf das Entgelt für August 2013 abzuweisen, soweit das Arbeitsgericht den Beklagen zur Zahlung von mehr als 1.625,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.09.2013 verurteilt hat;

47

3. den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 10.192,24 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 27. November 2013 zu zahlen.

48

Der Kläger beantragt,

49

die Berufung zurückzuweisen.

50

Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts.

51

Die Kündigungsschutzklage sei begründet. Zum Zeitpunkt der Kündigung Anfang September 2013 habe noch ein Arbeitsverhältnis zum Beklagten bestanden. Einen Betriebsübergang habe es nicht gegeben. Auch bei der modernen Auslegung von § 613a BGB bleibe es dabei, dass es keinen Betriebsübergang geben könne, an dem der bisherige Betriebsinhaber nicht wenigstens teilweise und zustimmend beteiligt sei. Die gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe seien haltlos. Sofern man das klägerische Verhalten überhaupt als pflichtwidrig erachten wolle, liege jedenfalls keine erhebliche Pflichtverletzung vor. Die Situation sei für die nahezu ausschließlich polnischen Arbeitnehmer des Beklagten völlig unübersichtlich gewesen. Selbst der Beklagte habe letztlich in der Betriebsversammlung vom 21. August 2013 die Belegschaft noch im Sinne von § 613a Absatz 5 BGB über einen bevorstehenden Betriebsübergang unterrichtet. Im Übrigen habe der Beklagte den Kläger und seine Kollegen ab September 2013 nicht mehr beschäftigen können, da er den Auftrag verloren hatte. In dieser Situation hätte der Kläger auch ein anerkennenswertes Eigeninteresse daran gehabt, sich so zu verhalten, dass er weiter Einkommen erzielen kann.

52

Die Vertragsstrafe nach § 21 des Arbeitsvertrages ("Abwerbungsklausel") sei nicht verwirkt. Die Klausel sei in mehrfacher Hinsicht unwirksam. Das darin enthaltende entschädigungslose nachvertragliche Wettbewerbsverbot sei unwirksam. Damit sei die gesamte Regelung unwirksam, da sich die beiden Teilregelungen (Abwerbeverbot und nachvertragliches Tätigkeitsverbot) nicht sauber trennen ließen. Im Übrigen sei die Vertragsstrafe völlig überhöht.

53

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

54

Die Berufung ist nur teilweise begründet.

I.

55

Die Berufung ist begründet, soweit das Arbeitsgericht dem Kündigungsschutzantrag entsprochen hat, denn zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 5. September 2013 war der Beklagte nicht mehr Arbeitgeber des Klägers. Vielmehr war das Arbeitsverhältnis bereits Anfang September 2013 nach § 613a BGB auf W. als neuen Arbeitgeber übergegangen.

1.

56

Ein Erfolg im Kündigungsschutzprozess setzt nach der der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts voraus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung (noch) ein Arbeitsverhältnis zu dem Kündigenden besteht. Das gilt auch im Falle eines möglichen Betriebsübergangs. Die Kündigung des Altarbeitgebers nach Betriebsübertragung auf einen Neuarbeitgeber geht mangels eines zwischen den Prozessparteien bestehenden Arbeitsverhältnisses ins Leere; eine gleichwohl erhobene Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer solchen Kündigung ist damit unbegründet, denn ein Arbeitsverhältnis besteht nicht mehr (BAG 15. Dezember 2005 – 8 AZR 202/05 – AP Nr. 294 zu § 613a BGB = NZA 2006, 597; BAG 20. März 2003 – 8 AZR 312/02 – NJW 2003, 3581 = NZA 2003, 1338 = ZIP 2003, 1557; BAG 18. April 2002 – 8 AZR 346/01 – AP Nr. 232 zu § 613a BGB = NZA 2002, 1207 = NZI 2002, 620; vgl. auch ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 175 und ErfK-Kiel § 4 KSchG RNr. 19).

2.

57

Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Bereich der Fleischzerlegung, in dem der Kläger tätig ist, ist zum 1. September 2013 im Wege des Teilbetriebsübergangs nach § 613a BGB auf die Firma W. übergegangen. Der Beklagte war daher zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 5. September 2013 nicht mehr Arbeitgeber des Klägers.

a)

58

Nach § 613a Absatz 1 BGB gehen die Arbeitsverhältnisse im Falle der Übertragung des Betriebes von dem bisherigen Arbeitgeber auf einen neuen Arbeitgeber per Gesetz automatisch über (Betriebsübergang).

59

Ein Betriebsübergang kann nicht nur durch einen förmlichen Verkauf eines Betriebes bewirkt werden, sondern auch durch alle anderen denkbaren Rechtsgeschäfte, die dazu führen, dass der neue Inhaber des Betriebes im Ergebnis tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, diesen zu führen (vgl. ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 59). Das Tatbestandsmerkmal „durch Rechtsgeschäft“ aus § 613a BGB wird heute also sehr weit ausgelegt und es dient eigentlich nur noch dazu, hoheitliche Übertragungsakte und Fälle der Gesamtrechtsnachfolge aus dem Anwendungsbereich von § 613a BGB auszuschließen (vgl. BAG 18. August 2011 – 8 AZR 230/10 – AP Nr. 412 zu § 613a BGB = ZInsO 2011, 2083 = NZA 2012, 267). Insbesondere ist es anerkannt, dass § 613a BGB nicht notwendig ein Rechtsgeschäft zwischen dem Betriebsveräußerer und dem Betriebserwerber voraussetzt (BAG 18. August 2011 aaO). Dies ist beispielsweise in der Rechtsprechung bereits anerkannt für den Fall, dass der Betriebserwerber mit dem Verpächter des Betriebes einen Pachtvertrag abschließt und damit den bisherigen Pächter aus der Rolle als Inhaber des Betriebes verdrängt (BAG 25. Februar 1981 – 5 AZR 991/78 – BAGE 35, 104 = AP Nr. 24 zu § 613a BGB = DB 1981, 1140). In diesem Sinne kann es bei bestimmten Betrieben, den sog. betriebsmittelarmen Betrieben, für einen Betriebsübergang auch ausreichen, wenn der neue Arbeitgeber den nach Anzahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft durch Abschluss neuer Arbeitsverträge übernimmt (BAG 21. Juni 2012 – 8 AZR 181/11 – AP Nr. 434 zu § 613a BGB = NZA-RR 2013, 6).

60

Andererseits stellt die bloße Auftragsnachfolge, die hier aus der Sicht von LFW zwischen dem Beklagten und W. stattgefunden hat, für sich genommen noch keinen Betriebsübergang dar (vgl. ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 37). Vielmehr kommt es darauf an, wie der neue Auftragnehmer gedenkt, seinen Auftrag zu erfüllen. Greift er auf die vom alten Auftragnehmer aufgebauten Strukturen einschließlich der Arbeitnehmer zurück, kann ein Betriebsübergang vorliegen, erfüllt er den Auftrag mit seinen eigenen Wirtschaftseinheiten, liegt kein Betriebsübergang vor. Entscheidend wird heute daher darauf abgestellt, ob eine beim alten Auftragnehmer gegebene "wirtschaftliche Einheit" den Inhaber gewechselt hat und der Neuinhaber diese Einheit in gleicher Weise oder zumindest in vergleichbarer Weise wie der Altinhaber für seine wirtschaftlichen Zwecke nutzt, die wirtschaftliche Einheit also ihre Identität, ihren Wiedererkennungswert, wahrt. Entscheidend ist demnach, ob durch die Übernahme des wesentlichen Personals gleichzeitig auch die Arbeitsorganisation und die Betriebsmethoden übernommen werden (vgl. ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 28).

b)

61

Gemessen an diesem Maßstab ist vorliegend die wirtschaftliche Einheit "Fleischzerlegung" vom Beklagten auf W. im Sinne von § 613a BGB übergegangen, weil W. den nach Anzahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft dieser Einheit durch Abschluss neuer Arbeitsverträge übernommen hat.

62

Die Abteilung Fleischzerlegung im Betrieb der Schuldnerin, der vom Beklagten fortgeführt wurde, stellt in diesem Sinne eine wirtschaftliche Einheit dar, da mit der Abteilung innerhalb des Betriebes ein eigenständiger Zweck verfolgt wurde, der gegenüber dem Zweck der übrigen Abteilungen (Verpackung von Fleischprodukten) abgrenzbar ist. Die Abteilung war auch organisatorisch eigenständig gewesen, denn sie wurde von einem nur für diese Abteilung zuständigen Vorgesetzten geführt (zuletzt Herrn A.), was sich unter anderem in dem von ihm aufgestellten Dienstplänen, die nur für diese Abteilung galten, ausdrückt. Dem Bereich der Fleischzerlegung war auch ein fester Mitarbeiterstamm zugeordnet, der im Regelbetrieb auch nur dort eingesetzt wurde. Ein regelmäßiger Personalaustausch mit den anderen Abteilungen des Betriebes scheiterte schon an den speziellen Kenntnissen und Fähigkeiten, die für die Mitarbeit im Bereich der Fleischzerlegung benötigt werden.

63

W. als Auftragsnachfolger des Beklagten hat auch den nach Anzahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft dieser Einheit übernommen. Das folgt schon daraus, dass W. alle dort eingesetzten Fachkräfte übernommen hat. Das Gericht hat allerdings weder positiv noch negativ festgestellt, ob auch der Vorgesetzte Herr A. von W. übernommen wurde. Die Frage kann aber auch dahinstehen. Denn der Wert dieser Einheit besteht auch nach der Auffassung des Beklagten, die er in Zusammenhang mit dem von ihm geltend gemachten Schaden vertritt, nicht in der – auswechselbaren – Führungskraft des Teams, sondern in dem funktionsfähigen und eingespielten Team an sich. Damit steht auch fest, dass mit der Übernahme der Fachkräfte dieser Abteilung der nach Sachkunde wesentliche Teil der Belegschaft nunmehr unter dem neuen Inhaber der Einheit arbeitet.

64

Obwohl dazu nur wenige Informationen vorliegen, muss das Gericht auch davon ausgehen, dass W. diese Einheit in gleicher oder vergleichbarer Weise nutzt wie der Beklagte. Darauf deutet schon der Umstand hin, dass die Arbeit dieser Einheit in den Produktionsprozess bei LFW eingebettet ist und LFW seine Produktionsabläufe mit Eintritt von W. in den Auftrag nicht abgeändert hat. Ergänzend stellt das Gericht darauf ab, dass der Kläger – und auch die Kläger in den zahlreichen Parallelverfahren – ohne Widerspruch des Beklagten schildern, dass sich an der Art und Weise der Arbeit vor und nach dem ersten Arbeitstag bei W. am 2. September 2013 nichts geändert hat.

65

Der damit nach § 613a BGB gegebene Betriebsübergang der Abteilung Fleischzerlegung vom Beklagten auf W. kann nicht dadurch ausgeschlossen sein, dass der Betriebsübergang – wenn man den Vortrag des Beklagten zu Grunde legt – von der Belegschaft im Bereich der Fleischzerlegung durch ihr möglicherweise sogar vertragswidriges Verhalten mit provoziert worden ist. Dass durch die heutige Auslegung des § 613a BGB, die durch die europarechtliche Sichtweise und durch Entscheidungen des EuGH dazu vorgeprägt ist, dazu führen kann, dass es der Betriebserwerber gelegentlich in der Hand hat, durch sein Verhalten ein Betriebsübergang zu bewirken oder auszuschließen, ist bereits mehrfach Gegenstand juristischer Betrachtung gewesen (vgl. nur die Nachweise bei ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 39). Dies ist die unausweichliche Folge der Anerkennung des Umstandes, dass ein Betriebsübergang bei den sog. betriebsmittelarmen Betrieben – hier vorliegend – auch allein durch Übernahme des wesentlichen Teils der Belegschaft erfolgen kann. Da diese Übernahme im Regelfall durch den Abschluss von Arbeitsverträgen erfolgt, an denen auch die Arbeitnehmer beteiligt sind, gehört es auch zu den vielleicht unerwünschten aber unvermeidlichen Nebeneffekten dieser neuen Rechtsprechung, dass eine Belegschaft, die sich einig ist und auf einen willigen Auftragsübernehmer trifft, tatsächlich in der Lage ist, einen Betriebsübergang zu provozieren. Soweit damit anerkennenswerte Geschäftsinteressen des Altarbeitgebers beeinträchtigt werden, kann dieses Problem nicht auf der Ebene des § 613a BGB gelöst werden.

3.

66

Da der Beklagte zum Zeitpunkt des Ausspruchs seiner Kündigung schon nicht mehr Arbeitgeber des Klägers war, geht seine Kündigung vom 5. September 2013 ins Leere. Der Kündigungsschutzantrag des Klägers ist schon aus diesem Grunde abzuweisen. Für die Entscheidung des Falles kommt es daher nicht darauf an, ob die vom Beklagten vorgebrachten Gründe für seine Kündigung, diese zu rechtfertigen geeignet sind.

II.

67

Hinsichtlich des Zahlungsantrages (Arbeitsentgelt August 2013) ist die nur teilweise eingelegte Berufung nur zu einem kleinen Teil begründet. Der Urteilsspruch des Arbeitsgerichts, der auf 2.052,25 Euro brutto lautet, ist bezüglich des Teilbetrages in Höhe von 1.625,00 Euro brutto nicht angegriffen worden, so dass nur zu entscheiden ist, ob dem Kläger für diesen Monat weitere 427,25 Euro brutto zustehen.

68

Von diesem noch rechtshängigen Teilbetrag stehen dem Kläger 357,25 Euro brutto zu. Im Übrigen ist die Berufung begründet (70,00 Euro brutto). Der dem Kläger über das Zugeständnis hinaus zustehende Betrag setzt sich zusammen aus 152,25 Euro Nachtarbeitszuschlag, 105,00 Euro Sonntagszuschlag sowie 100,00 Euro "Pünktlichkeitsprämie".

1.

69

Dem Kläger steht für seine Arbeit im August 2013 ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 152,25 Euro brutto zu.

70

Aus den vom Kläger abgereichten Lohnabrechnungen für das Jahr 2013 (hier Blatt 64 ff) ergibt sich, dass der Kläger bei Nachtarbeit stets einen Zuschlag in Höhe von 25 Prozent auf seinen Stundenlohn erhalten hat. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ihm dieser Zuschlag im August 2013 nicht zustehen sollte. Der Arbeitgeber ist nach § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz verpflichtet, dem Nacharbeitnehmer zusätzliche Urlaubstage oder einen angemessenen Aufschlag auf den Lohn für Nachtarbeit zu zahlen. Da nicht ersichtlich ist, dass der Beklagte oder zuvor die Schuldnerin Zusatzurlaub gewährt hat, hat der Beklagte mit der Zahlung des Zuschlags einer gesetzlichen Pflicht entsprochen. Von einer freiwilligen Leistung, die der Beklagte im August 2013 einstellen konnte, kann daher keine Rede sein. Da es sich um einen gesetzlichen Anspruch handelt, kann insoweit aber auch keine betriebliche Übung entstanden sein.

71

Zur Anzahl der im August 2013 geleisteten Nachtarbeitsstunden hat der Beklagte nicht Stellung genommen. Das Gericht legt seiner Entscheidung die klägerische Angabe von 87 Nachtarbeitsstunden zu Grunde, da eine überschlägige Prüfung der Anzahl der Nachtarbeitsstunden anhand der Aufzeichnungen der Kommens- und Gehens-Ereignisse an den Drehkreuzen bei Zugrundelegung des Nachtarbeitsbegriffs aus § 2 Absatz 3 Arbeitszeitgesetz eine Zahl in dieser Größenordnung ergeben hat.

2.

72

Dem Kläger steht für seine Arbeit im August 2013 auch ein Sonntagsarbeitszuschlag in Höhe von 105,00 Euro brutto zu.

73

Aus den vom Kläger abgereichten Lohnabrechnungen für das Jahr 2013 ergibt sich, dass der Kläger bei Sonntags- und Feiertagsarbeit stets einen Zuschlag in Höhe von 50 Prozent auf seinen Stundenlohn erhalten hat. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ihm dieser Zuschlag im August 2013 nicht zustehen sollte. Diese Leistung ist im Arbeitsvertrag zwar nicht vorgesehen, durch die regelmäßige Zahlung ist allerdings eine vertragsähnliche betriebliche Übung entstanden, aus der sich der Anspruch ergibt.

74

Selbst wenn man mit dem Beklagten davon ausgehen will, dass er sich durch den Freiwilligkeitsvorbehalt in § 5 Absatz 2 des Arbeitsvertrages wirksam gegen das Entstehen einer betrieblichen Übung abgesichert habe, steht dem Kläger der Zuschlag für August 2013 dennoch zu. Denn auch wenn der Beklagte den Zuschlag nur freiwillig und ohne Rechtsbindung gezahlt hat, kann er sich davon nur mit Wirkung für die Zukunft befreien. Der Arbeitnehmer muss für die laufende Abrechnungsperiode wissen, welche Gegenleistung er für seine Tätigkeit erwarten kann. Damit ist es unvereinbar anzunehmen, der Arbeitgeber sei berechtigt, nach Entgegennahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ohne vorherigen Hinweis auf die Einstellung der freiwilligen Entgeltbestandteile im Rahmen der nachträglichen Abrechnung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers die freiwilligen Leistungen zu kürzen.

75

Zur Anzahl der im August 2013 geleisteten Sonntagsarbeitsstunden hat der Beklagte nicht Stellung genommen. Das Gericht legt seiner Entscheidung die klägerische Angabe von 30 Sonntagsarbeitsstunden zu Grunde, da eine überschlägige Prüfung der Anzahl der Stunden anhand der Aufzeichnungen der Kommens- und Gehens-Ereignisse an den Drehkreuzen eine Zahl in dieser Größenordnung ergeben hat.

3.

76

Dem Kläger steht schließlich für August 2013 die Pünktlichkeitsprämie in Höhe von 100,00 Euro brutto zu.

77

Aus den vom Kläger abgereichten Lohnabrechnungen für das Jahr 2013 ergibt sich, dass der Kläger in jedem Monat eine Pünktlichkeitsprämie in Höhe von 100,00 Euro brutto erhalten hat. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ihm dieser Zuschlag im August 2013 nicht zustehen sollte. Diese Leistung ist im Arbeitsvertrag zwar nicht vorgesehen, durch die regelmäßige Zahlung ist allerdings eine vertragsähnliche betriebliche Übung entstanden, aus der sich der Anspruch ergibt.

78

Der Vortrag des Klägers zu diesem Entgeltbestandteil ist auch schlüssig. Wenn der Beklagte die Pünktlichkeitsprämie mit dem Hinweis auf eine klägerische Unpünktlichkeit kürzen oder streichen will, muss er zu Tagen, an denen es Kritik an der Pünktlichkeit des Klägers gab, konkret vortragen. Das ist nicht erfolgt.

79

Soweit sich der Beklagte wegen der Pünktlichkeitsprämie auch auf den Freiwilligkeitsvorbehalt aus § 5 des Arbeitsvertrages beruft, kann auf die obigen Ausführungen zu den Sonntagszuschlägen verwiesen werden. Die Ausführungen gelten hier entsprechend.

4.

80

Die Berufung ist allerdings erfolgreich, soweit das Arbeitsgericht den Beklagten dazu verurteilt hat, Stundenlohn in Höhe von 7,00 Euro brutto für die 176. bis 185. Stunde im August 2013 zu zahlen. Der klägerische Vortrag zu den geleisteten Stunden ist jenseits der zugestanden 175 Stunden nicht schlüssig.

81

Der Kläger hat nur pauschal behauptet, er habe im August 2013 insgesamt 185 Arbeits- und Urlaubsstunden erbracht. Nachdem der Beklagte diese Angabe bestritten hatte, wäre es eigentlich am Kläger gewesen, im Einzelnen darzulegen, an welchen Tagen und um welche Uhrzeiten er seine Arbeitsleistungen erbracht hat. Das hat der Kläger nicht gemacht. Stattdessen hat der Kläger nur Ausdrucke der von einem Computer registrierten Kommens- und Gehens-Ereignisse an den Toren des Fabrikgeländes eingereicht (hier Blatt 59 ff).

82

Berücksichtigt man die Erkenntnisse, die die erkennende Kammer in dem Parallelverfahren 2 Sa 85/13 im Urteil vom 14 April 2015 (juris.de) zur Aussagekraft der Torprotokolle zu Papier gebracht hat, ist von einer hohen Aussagekraft der Torprotokolle bezüglich der tatsächlichen Arbeitszeit auszugehen. Die Besonderheit in jenem Verfahren lag darin, dass der Beklagte dort den Dienstplan für August 2013 in den Rechtsstreit eingeführt hatte, aus dem sich die Arbeitszeit aller Mitarbeiter der Abteilung Fleischzerlegung für diesen Monat unschwer ermitteln ließen. Da der Kläger jenes Verfahrens noch weit mehr Stunden geleistet zu haben behauptet hatte, hatte sich das Gericht in jenem Verfahren die Mühe gemacht, das dort ebenfalls vorgelegte Torprotokoll mit dem Dienstplan abzugleichen. Dabei ergab sich eine weitgehende Deckungsgleichheit zwischen den am Tor protokollierten Ereignissen und dem Dienstplan.

83

Will man diese Erkenntnisse auf den vorliegenden Fall, in dem sich der Beklagte unverständlicherweise dagegen gewehrt hat, dass das Gericht den Dienstplan aus der Akte 2 Sa 85/13, in dem auch die Zeiten des Klägers erfasst sind, beizieht, anwenden, muss lediglich beachtet werden, dass der Dienstplan für August 2013 Arbeitsbeginn immer zur vollen oder halben Stunde vorgesehen hatte und in den Schichten immer 2 oder 3 jeweils halbstündige Pausen eingeplant waren (vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern 14. April 2015 aaO). Unter Berücksichtigung des zeitlichen Versatzes zwischen den Protokollereignissen am Tor und dem dienstplanmäßigen Beginn und Ende der Schicht, lässt sich aus den im vorliegenden Rechtsstreit vom Kläger eingeführten Protokollereignissen der Dienstplan weitgehend rekonstruieren.

84

Das Gericht geht danach davon aus, dass der Kläger am 4. August 11 Stunden gearbeitet hat. Am 5. August hat er 8 Stunden gearbeitet, am 6. August hat er 9 Stunden gearbeitet, am 7. August hat er 8 Stunden gearbeitet, am 8. August hat er 7,5 Stunden gearbeitet. Die Folgetage hat er nicht gearbeitet, woraus das Gericht den Schluss zieht, dass er in dieser Zeit im genehmigten Erholungsurlaub war. Am 18. August hat er 7 Stunden gearbeitet, am 19. August hat er 8 Stunden gearbeitet, am 20. August hat er 8,5 Stunden gearbeitet, am 21. August hat er 8,5 Stunden gearbeitet, am 22. August hat er 3,5 Stunden gearbeitet, am 25. August hat er 10,5 Stunden gearbeitet, am 26. August hat er 11,5 Stunden gearbeitet, am 27. August hat er 8 Stunden gearbeitet, am 28. August hat er 9 Stunden gearbeitet und am 29. August seinem letzten Arbeitstag in dem Monat hat er 9 Stunden gearbeitet. Insgesamt hat der Kläger damit die Ableistung von 127 Arbeitsstunden schlüssig dargelegt. Zugunsten des Klägers kann man möglicherweise noch weitere 3,5 Stunden für den 1. August anerkennen, sowie jeweils 3 Stunden für den 27. und 28. August. Für alle drei Tage beginnen die Torprotokolle mit einem Gehens-Ereignis gegen 3:30 Uhr bzw. 3:00 Uhr nachts, ohne dass es vorausgehende Kommens-Ereignisse dokumentiert sind. Es liegt nahe, dass auch an diesen Tagen die klägerische Schicht nachts um 24:00 Uhr begonnen hatte, sein Kommen aber nicht ordnungsgemäß protokolliert wurde. Aber selbst dann, wenn man zu Gunsten des Klägers auch diese Stunden noch zu Grunde legt, kommt man insgesamt nur auf 136,5 Arbeitsstunden des Klägers in diesem Monat. Zählt man dazu die unstreitigen Urlaubsstunden (laut Klageschrift 37,5 Stunden) erhält man trotzdem nur 174 vergütungspflichtige Stunden, bleibt also unter dem vom Beklagten zugestandenen Wert.

5.

85

Die Berufung ist bezüglich des Zahlungsantrages also nur im Umfang von 70,00 Euro brutto begründet. Statt der vom Arbeitsgericht ausgeurteilten 2.052,25 Euro brutto stehen dem Kläger nur 1.982,25 Euro brutto zuzüglich Zinsen zu.

III.

86

Die Berufung des Beklagten gegen die Abweisung seiner Widerklage ist nicht begründet. Dem Beklagten ist es nicht gelungen, die Voraussetzungen für einen Zahlungsanspruch gegen den Kläger aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes oder aus dem Gesichtspunkt einer verwirkten Vertragsstrafe schlüssig darzulegen.

1.

87

Die Widerklage lässt sich nicht auf arbeitsvertragliche Ansprüche gründen.

a)

88

Der Anspruch lässt sich nicht auf das Vertragsstrafeversprechen aus § 18 Satz 1 des Arbeitsvertrages stützen. Nach § 18 Satz 1 des Arbeitsvertrags ist der Arbeitnehmer unter anderem zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe 1/12 eines Jahresverdienstes verpflichtet, wenn er die Tätigkeit vertragswidrig vorzeitig beendet. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger seine Tätigkeit für den Beklagten vertragswidrig vorzeitig beendet hat.

89

Der Kläger hat zwar ab September 2013 keine Arbeitsleistungen für den Beklagen mehr erbracht, er war dazu jedoch auch nicht mehr verpflichtet, da sein Arbeitsverhältnis zum selben Zeitpunkt nach § 613a BGB auf W. übergegangen ist. Wegen der Einzelheiten kann auf die Ausführungen oben zum Kündigungsschutzantrag Bezug genommen werden (oben I.) Dadurch hatte der Kläger keine Arbeitspflicht mehr gegenüber dem Beklagten, die er durch Nichtantritt der Arbeit hätte verletzen können.

b)

90

Der Anspruch lässt sich nicht auf das Vertragsstrafeversprechen aus § 18 Satz 4 des Arbeitsvertrages stützen. Nach § 18 Satz 4 des Arbeitsvertrags soll der Arbeitnehmer auch dann zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe 1/12 eines Jahresverdienstes verpflichtet sein, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos kündigt, weil ein wichtiger Grund von Seiten des Arbeitnehmers vorliegt.

91

Die Vertragsstrafenabrede in § 18 Satz 4 des Arbeitsvertrages ist unwirksam, da sie den Kläger als Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt; das hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 307 Absatz 1 Satz 1 BGB). Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (§ 307 Absatz 1 Satz 2 BGB). Letzteres ist hier der Fall.

92

Wie dem Gericht aus den zahlreichen Parallelverfahren bekannt ist, ist der Arbeitsvertrag der Parteien von der Schuldnerin vorformuliert worden und er wurde in vielen Arbeitsverhältnissen der Schuldnerin zu Grunde gelegt. Bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrages sind daher die §§ 305 ff BGB heranzuziehen.

93

Globale Strafversprechen, die auf die Absicherung aller arbeitsvertraglichen Pflichten zielen, sind wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot unwirksam (BAG 21. April 2005 – 8 AZR 425/04 – AP Nr. 3 zu § 307 BGB = NZA 2005, 1053 unter Verweis auf BAG 14. Dezember 1988 - 5 AZR 10/88 – und Müller-Glöge in ErfK §§ 339 bis 345 BGB Rn. 15). Eine wirksame Vertragsstrafen-Regelung muss erkennen lassen, welche konkreten Pflichten durch sie tatsächlich gesichert werden sollen. Nur so kann der Arbeitnehmer erkennen, was gegebenenfalls "auf ihn zukommt" (BAG 21. April 2005 aaO; BAG 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - NZA 2005, 465). Soll beispielsweise die Vertragsstrafe verwirkt sein bei "schuldhaft vertragswidrigem Verhalten" handelt es sich um eine unwirksame Klausel, da sie ohne nähere Konkretisierung der Pflichtenlage nicht die nötige Warnfunktion enthält und im Übrigen wegen des Strafcharakters der Vertragsstrafe auch rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht genügt (BAG 21. April 2005 aaO).

94

Gemessen an diesem Maßstab ist die vorliegende Vertragsstrafenabrede mangels ausreichender Bestimmtheit unwirksam. Die Verwirkung der vereinbarten Vertragsstrafe, "wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos kündigt, weil ein wichtiger Grund von Seiten des Arbeitnehmers vorliegt", ist nicht klar und verständlich, weil die Pflichtverletzungen, die die Vertragsstrafe auslösen, nicht hinreichend bestimmt sind. Die vereinbarte Vertragsstrafe muss nämlich nicht nur die zu leistende Strafe, sondern auch die sie auslösende Pflichtverletzung so klar bezeichnen, dass sich der Versprechende in seinem Verhalten darauf einstellen kann (BAG 21. April 2005 aaO).

95

Im Übrigen ist die vorliegende Vertragsstrafenregelung hinsichtlich des Verwirkungsgrundes zu weit gefasst und damit auch als solche inhaltlich unangemessen. Da die Vertragsstrafenregelung einseitig nur an Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers zu Gunsten des Arbeitgebers anknüpft, muss die Verwirkung der Vertragsstrafe nach Treu und Glauben den Interessen beider Arbeitsvertragsparteien gerecht werden. Ist erkennbar, dass die Vertragsstrafe in erster Linie zur bloßen Schöpfung neuer, vom Sachinteresse des Verwenders losgelöster Geldforderungen eingesetzt wird, fehlt es am berechtigten Interesse des Arbeitgebers (BAG 21. April 2005 aaO unter Verweis auf Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag II V 30 Rn. 28 und im Anschluss an BGH 23. Januar 2003 - VII ZR 210/01 - BGHZ 153, 311, 324 = NJW 2003, 1805; 18. November 1982 - VII ZR 305/81 - BGHZ 85, 305, 313 f. = NJW 1983, 385).

c)

96

Der Anspruch lässt sich auch nicht auf das weitere Vertragsstrafeversprechen in § 21 des Arbeitsvertrages ("Abwerbungsklausel") stützen.

97

Nach § 21 des Arbeitsvertrages soll der Arbeitnehmer ein halbes Netto-Jahresgehalt Vertragsstrafe zahlen, wenn er sich durch den Auftraggeber der Schuldnerin – hier also LFW – oder durch ein für den Auftraggeber tätiges Unternehmen – hier beispielsweise W. – abwerben lässt und dort ein Dienstverhältnis begründet.

98

Das Vertragsstrafenversprechen aus § 21 des Arbeitsvertrages ist unwirksam, weil darin ein entschädigungsloses nachvertragliches Wettbewerbsverbot vorgesehen ist, was nicht wirksam vereinbart werden kann. Entgegen der Auffassung des Beklagten lässt sich das Vertragsstrafeversprechen aus § 21 des Arbeitsvertrages nicht in die zwei Elemente "Abwerbungsklausel" und "nachvertragliches Wettbewerbsverbot" aufteilen. Beide Elemente gehören vielmehr zusammen, so dass die Teilunwirksamkeit wegen des entschädigungslosen nachvertraglichen Wettbewerbsverbots zur Gesamtunwirksamkeit der Vertragsstrafenabrede führt.

99

Die Einheit der Regelung ergibt sich schon aus der einheitlich festgelegten Rechtsfolge und der sprachlichen Verbindung der beiden die Strafe auslösenden Elemente durch das Bindewort "und" im Text ("Während der Zusammenarbeit und sechs Monate nach der Durchführung …" sowie "… abwerben lassen und ein Dienstverhältnis begründen").

100

Selbst wenn man hilfsweise darauf abstellen würde, dass sich beide Elemente trennen ließen, wäre die sich ergebende Vertragsstrafe offensichtlich viel zu hoch. Denn dann würde § 21 des Arbeitsvertrages vorsehen, dass der Arbeitnehmer, wenn er von seiner Vertragsfreiheit Gebrauch macht und den Arbeitgeber wechseln will, mit einem halben Nettojahresentgelt Strafe belastet wäre. Das stellt eine offensichtliche Übersicherung des Arbeitgebers dar. Selbst wenn man zu Gunsten des Beklagten seine vagen und variierenden Andeutungen zu den notwendigen Kosten, die durch die Anwerbung des Personals und die Besorgung der notwendigen Papiere entstehen, als substantiierten Parteivortrag zu Grunde legt, gelangt man nach den eigenen Angaben des Beklagten allenfalls zu Kosten in Höhe von ein bis zwei Bruttomonatsgehältern pro Arbeitnehmer. Bei den im Arbeitsverhältnis der Parteien gezahlten Lohn können diese Kosten also maximal mit rund 4.000 Euro zu Buche geschlagen haben. Die in § 21 des Arbeitsvertrages vorgesehene Vertragsstrafe in Höhe einen halben Netto-Jahresgehalts ist demgegenüber unverhältnismäßig zu hoch. Erstinstanzlich hatte der Beklagte diesen Betrag auf rund 10.190 Euro beziffert und entsprechend eingeklagt. Das wäre mehr als doppelt so viel wie das freundlich geschätzte legitime Kosteninteresse des Arbeitgebers allenfalls betragen haben kann.

101

Unabhängig davon ist § 21 des Arbeitsvertrages aber auch unwirksam, weil durch diese Regelung der Arbeitnehmer im Sinne von § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligt wird. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch steht es dem Arbeitnehmer jederzeit frei, sein Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen oder gegebenenfalls der vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen zu beenden. Das gilt insbesondere auch dann, wenn er für sich entschieden hat, zukünftig für den Auftraggeber seines Arbeitgebers tätig zu werden oder für ein Unternehmen, das mit dem Auftraggeber des Arbeitgebers Geschäftsbeziehungen pflegt. Diese Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers ist Ausdruck seiner grundgesetzlich verbürgten Berufsausübungsfreiheit (Artikel 12 GG).

102

Von diesem Modell eines Arbeitsvertrages weicht § 21 des hier streitigen Arbeitsvertrages unangemessen zu Lasten des Arbeitnehmers ab, denn dort wird dem Arbeitnehmer eine Einschränkung seiner Freiheit, sich seinen Arbeitgeber frei auszusuchen, vorgesehen, ohne dass der Arbeitnehmer für diese Einschränkung seiner Freiheit angemessen entschädigt wird. Die Vorstellung des Beklagten, er habe sozusagen ein Anrecht darauf, dass er die bei ihm tätigen Arbeitnehmer an den Auftragsnachfolger – man muss es wohl so ausdrücken – verkaufen können müsse, findet in der Rechtsordnung keine Stütze.

2.

103

Der Beklagte hat gegen den Kläger auch keinen Anspruch auf Schadensersatz.

104

Für diese Feststellung kann hier zu Gunsten des Beklagten unterstellt werden, dass der Kläger gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers (§ 241 Absatz 2 BGB) verstoßen hat, indem er sich bereit erklärt hat, ohne Einhaltung der Kündigungsfrist, die Arbeitsleistung für den Beklagten mit Ablauf des August 2013 einzustellen. Denn es ist nicht erkennbar, welcher Schaden dem Beklagten dadurch entstanden sein soll.

105

Bereits gegen Ende Juli 2013 hatte LFW unmissverständlich klar gemacht, dass weitere Verhandlungen über bessere Preise sinnlos seien. Seit Ende Juli 2013 wusste der Beklagte auch, dass die Firma W. ihn aus den Aufträgen bei LFW verdrängt hatte. In dieser Situation hätte der Beklagte den Kläger ab September 2013 vergüten müssen, ohne dass er ihn sinnvoll hätte einsetzen können. Diese Kosten sind dem Beklagten durch den vom Kläger mit bewirkten Betriebsübergang auf W. erspart worden. Es ist nicht erkennbar, dass ein möglicher Schaden des Beklagten durch den aus seiner Sicht nicht gewollten Betriebsübergang die ihm dadurch ersparten Kosten übersteigt.

106

Der Beklagte sieht sich dadurch geschädigt, dass ihm durch das Verhalten der Arbeitnehmer Gewinn entgangen ist, den er ansonsten hätte erzielen können. Als entgangen gilt ein Gewinn nach § 252 BGB jedoch nur dann, wenn er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden könnte. Derartige Feststellungen können vorliegend nicht getroffen werden.

107

Bei allem Respekt für den Einsatz des Beklagten für eine bessere Vergütung der erbrachten Leistung durch LFW muss doch festgehalten werden, dass der Kampf um bessere Preise unabhängig von der Entwicklung, die schließlich den Betriebsübergang bewirkt hat, bereits seit etwa Mitte Juli 2013 verloren war. LFW hatte die Verhandlungen über die Weiterführung des Auftrages als beendet erklärt, was angesichts der Gesamtumstände auch nicht zu verwundern vermag. Das unternehmerische Konzept, Teilleistungen aus dem eigenen Produktionsprozess auszugliedern und per Werk- oder Dienstvertrag von Dritten erledigen zu lassen, dient bekanntermaßen in erster Linie dem Ziel, die unternehmerischen Kosten zu senken. Und diese Kostensenkung wird auch dadurch ermöglicht, dass man versucht, die für den Hauptunternehmer tätigen Subunternehmer austauschbar zu halten, damit deren Erwartungen an die eigenen Einkommensmöglichkeiten nicht zu optimistisch werden. Wenn nun ein Insolvenzverwalter in der Position des Subunternehmers die Regeln des Marktes ignorierend den Mut zeigt, sich den Preisvorgaben des Hauptunternehmers entgegen zu stellen, darf er sich nicht wundern, wenn dieser – vielleicht sogar kurzfristig gegen die eigene wirtschaftliche Vernunft handelnd – auf jeden Fall versuchen wird, diese Rechtsbeziehung schnellstmöglich und endgültig zu beenden.

108

Damit steht für das Gericht fest, dass jedenfalls nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge der beklagte Insolvenzverwalter nicht auf gewinnbringende Nachverhandlungen hoffen durfte. Es sind aber auch keine getroffenen Anstalten und Vorkehrungen erkennbar, die den erhofften Gewinn hätten einbringen können, wenn nur die Arbeitnehmer alle beim Beklagten geblieben wären.

IV.

109

Die Kostenentscheidung berücksichtigt das Obsiegen und Unterliegen der Parteien (§ 92 ZPO).

110

Der Beklagte hat hinsichtlich des Kündigungsschutzantrages obsiegt, was wirtschaftlich mit 6.150,00 Euro zu bewerten ist (3 x 2.050,00 Euro), sowie hinsichtlich des Augustentgelts mit 70,00 Euro. Bei einem Gesamtstreitwert von 17.972,75 Euro ergibt sich ein Obsiegensanteil des Klägers in Höhe von rund 63 Prozent. Dementsprechend ist auch die Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts abzuändern.

111

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG liegen nicht vor.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

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published on 23/01/2003 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL VII ZR 210/01 Verkündet am: 23. Januar 2003 Fahrner, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGB
published on 14/04/2015 00:00

Tenor 1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 13. März 2014 zum Aktenzeichen 6 Ca 1621/13 teilweise wie folgt abgeändert. a) Der Kündigungsschutzantrag (Urteilstenor zu 1) wird abgewiesen; b) die Kl
published on 18/08/2011 00:00

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 25. Februar 2010 - 5 Sa 1567/09 - aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das
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Annotations

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.