Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 06. Sept. 2016 - 2 Sa 62/16

bei uns veröffentlicht am06.09.2016

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Zahlung eines einmaligen Entgeltbestandteils in Zusammenhang mit § 18 TVöD (Leistungsentgelt) bzw. in Zusammenhang mit der dazu ergangenen Dienstvereinbarung für den Bereich der beklagten Hansestadt.

2

Die Klägerin ist seit 1986 im Bereich der Hansestadt tätig. Die Arbeitsbedingungen richten sich auch heute noch nach dem Arbeitsvertrag vom 10. Juli 1992, der umfänglich auf das Tarifwerk des öffentlichen Dienstes verweist. Die Klägerin ist als Sachbearbeiterin in der Kernverwaltung tätig. Sie ist eingruppiert in der Entgeltgruppe E 11 des TVöD (VkA). Nach den vorgelegten Entgeltabrechnungen ist sie teilzeitbeschäftigt mit einer Arbeitspflicht von 35 Stunden pro Woche. Sie hat im Jahr 2015 damit etwas unter 4.200 Euro brutto monatlich verdient.

3

Die Beklagte und der bei ihr gebildete Personalrat haben sich mit der Umsetzung des Leistungsentgelts aus § 18 TVöD schwergetan. Letztlich ist die dazu notwendige Dienstvereinbarung erst im Dezember 2013 abgeschlossen worden ("Dienstvereinbarung zur Einführung des leistungsorientierten Entgelts und Vereinbarung eines betrieblichen Systems nach § 18 Absatz 6 Satz 1 TVöD" – hier mit "DV Leistungsentgelt" bezeichnet; wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B 1, hier Blatt 38 ff, verwiesen). Diese Dienstvereinbarung ist am 1. Januar 2014 in Kraft getreten (§ 15 Absatz 2 DV Leistungsentgelt).

4

In den Jahren zuvor wurde wegen der fehlenden Einigung zum Leistungsentgelt an die Beschäftigten mit dem jeweiligen Dezemberentgelt eine Einmalzahlung in Höhe von 6 Prozent des Septemberentgelts auf Grundlage der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 18 Absatz 4 TVöD (VkA) zur Auszahlung gebracht. Der trotz dieser Zahlung übrig gebliebene Anteil aus dem Topf des Leistungsentgelts wurde entsprechend der Regelung in der vorgenannten Protokollerklärung auf das Folgejahr übertragen.

5

Durch die mehrfache Übertragung des in den Jahren 2008 bis 2013 jeweils nicht voll ausgeschöpften Topfs für das Leistungsentgelt auf das Folgejahr hatte sich zum Jahresende 2013 ein Betrag in Höhe von rund 2,83 Millionen Euro aufgebaut, der im Rahmen der DV Leistungsentgelt verteilt wurde. Die Verteilung dieses Topfes erfolgt nach § 10 DV Leistungsentgelt. Die Vorschrift lautet auszugsweise wörtlich:

6

"§ 10 Regelungen zur Auszahlung des Teilbudgets für die Jahre 2008 bis 2013

7

(1) Das Teilbudget 2008 — 2013 beinhaltet alle nicht ausgezahlten Beträge des Leistungsentgelts der Jahre 2008 — 2013.

8

(2) Anspruch auf Auszahlung des Teilbudgets haben alle Beschäftigten, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Dienstvereinbarung mindestens 6 Monate bei der Stadtverwaltung der Hansestadt … beschäftigt sind. § 9 Abs. 1 gilt entsprechend.

9

(3) … Die Auszahlung erfolgt in Form einer erfolgsabhängigen Leistungsprämie an alle Beschäftigten zu gleichen Teilen. ... Die Auszahlung erfolgt spätestens im Mai 2014."

10

Die Auszahlung des Leistungsentgelts nach § 10 DV Leistungsentgelt ist einheitlich im April 2014 erfolgt. Der in § 10 Absatz 2 DV Leistungsentgelt erwähnte § 9 Absatz 1 der Dienstvereinbarung lautet wörtlich wie folgt:

11

"§ 9 Sonderregelungen

12

(1) Bei Abwesenheitszeiten, die 42 Tage des Betrachtungszeitraumes überschreiten, wird Leistungsentgelt entsprechend der Anwesenheit anteilig gewährt. Urlaub nach §§ 26 und 27 TVöD gilt im Sinne dieser Dienstvereinbarung als Anwesenheit.

13

(2) …"

14

Die Durchführung des Arbeitsverhältnisses der Parteien war in den letzten Jahren durch krankheitsbedingte Ausfallzeiten der Klägerin geprägt. So war die Klägerin im Zeitraum vom 28. November 2012 bis zum 25. Mai 2014 nahezu durchgängig arbeitsunfähig erkrankt, Arbeitsfähigkeit bestand lediglich vom 3. bis zum 9. Januar 2013. Nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit im Mai 2014 nahm die Klägerin zunächst Urlaub, um den Zeitraum bis zu ihrer Rehabilitationsmaßnahme zu überbrücken, die sodann in der Zeit vom 1. August 2014 bis zum 9. September 2014 durchgeführt wurde. Sodann wurde die Klägerin im Rahmen des Hamburger Modells wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert. Seit ungefähr Mitte Oktober 2014 geht die Klägerin wieder ihrer Arbeit nach.

15

Die Zahlungen nach § 10 DV Leistungsentgelt sind von der Beklagten mit der Abrechnung April 2014 zur Auszahlung gelangt. Der Klägerin ist mit der Abrechnung April 2014 lediglich ein Betrag in Höhe von 29,75 Euro brutto als Leistungsentgelt zugestanden worden (Entgeltabrechnung überreicht als Anlage zur Klageschrift, hier Blatt 5). Dabei hat die Beklagte von der Kürzungsmöglichkeit nach § 10 Absatz 2 in Verbindung mit § 9 Absatz 1 DV Leistungsentgelt Gebrauch gemacht. – Der volle Auszahlungsbetrag hätte angesichts des Topfes im Umfang von 2,83 Millionen Euro und der rund 1.600 anspruchsberechtigten Beschäftigten bei ungefähr 1.800 Euro liegen müssen, was bei der teilzeitbeschäftigten Klägerin einen Betrag in der Größenordnung von 1.575 Euro ergeben hätte.

16

Die Klägerin hat ihre Ansprüche außergerichtlich mit Mail vom 26. November 2014 (Anlage zur Klageschrift, hier Blatt 6) geltend gemacht. Die Beklagte hat die Zahlung mit Schreiben vom 1. Dezember 2014 abgelehnt (Anlage zur Klageschrift, hier Blatt 7). Dem hat die Klägerin mit Mail vom 4. Dezember 2014 widersprochen (Anlage zur Klageschrift, hier Blatt 8). Aus dieser Mail geht hervor, dass die Klägerin meint, die Beklagte müsste ihr 1.800 Euro brutto Leistungsentgelt zahlen. Die Beklagte ist bei ihrer ablehnenden Haltung geblieben.

17

Die Klage ist beim Arbeitsgericht am 28. April 2015 eingegangen und wurde bei der Beklagten am 7. Mai 2015 zugestellt.

18

Das Arbeitsgericht Rostock hat die Klage mit Urteil vom 2. Dezember 2015 (4 Ca 595/15) als unbegründet abgewiesen. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

19

Mit der rechtzeitig eingelegten und fristgemäß begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel nahezu unverändert fort. Sie hat allerdings ihren Antrag um 29,75 Euro brutto entsprechend der erfolgten Zahlung von Leistungsentgelt reduziert und sie verlangt nunmehr Zinsen ab Rechtshängigkeit und nicht mehr erst – wie im Urteil des Arbeitsgerichts wiedergegeben – ab dem 10. Juli 2015.

20

Die Klägerin geht davon aus, dass ihr der geltend gemachte Betrag schon nach §§ 9, 10 DV Leistungsentgelt zusteht. Der in § 9 Absatz 1 DV Leistungsentgelt erwähnte "Betrachtungszeitraum" seien die Jahre 2008 bis 2013. Während dieser Zeit sei sie überwiegend arbeitsfähig gewesen, weshalb es nicht möglich sei, ihren Anspruch wie geschehen nahezu vollständig zu kürzen.

21

Selbst wenn man die Dienstvereinbarung nicht in ihrem Sinne auslege, stehe ihr der geltend gemachte Betrag zu. Denn zum einen verstoße die Verteilung des aufgelaufenen Volumens nach dem Gießkannenprinzip (§ 10 Absatz 3 DV Leistungsentgelt: "zu gleichen Teilen") gegen die tariflichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Leistungsentgelts. Zum anderen werde sie durch diese Regelung gleichheitswidrig benachteiligt, woraus folge, dass ihr ebenfalls der volle Anspruch zustehe.

22

Die Ansprüche der Klägerin seien entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht verfallen. Sie – die Klägerin – hätte erst im Rahmen der Nutzung des Intranets nach Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit die Möglichkeit der Kenntnisnahme ihrer Ansprüche gehabt. Die Nutzung des Intranets sei ihr erst im Zuge der Wiedereingliederung möglich gewesen, also in der Zeit ab September 2014. Damit sei die Geltendmachung mit der Mail vom 26. November 2014 bzw. der vom 4. Dezember 2014 noch rechtzeitig erfolgt.

23

Die Klägerin beantragt,

24

unter Abänderung des angegriffenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.800 Euro brutto abzüglich gezahlter 29,75 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

25

Die Beklagte beantragt,

26

die Berufung zurückzuweisen.

27

Sie hält den Anspruch der Klägerin für verfallen. Die Verfallfrist habe zu laufen begonnen mit Kenntnisnahme der Verdienstbescheinigung zum Auszahlungsmonat April 2014. Mögliche Ansprüche der Klägerin seien daher Ende Oktober 2014, spätestens jedoch Ende November 2014 nach § 37 TVöD verfallen.

28

Ergänzend verteidigt die Beklagte das angegriffene Urteil auch der Sache nach. Nach der Dienstvereinbarung stünden der Klägerin keine weiteren Zahlungen zu, das habe das Arbeitsgericht richtig erkannt. Die Dienstvereinbarung verstoße auch nicht gegen die tariflichen Vorgaben. Auch ein Verstoß der Dienstvereinbarung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz könne nicht erkannt werden.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages im Berufungsrechtszug wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

30

Die Berufung ist nicht begründet. Für das klägerische Begehren fehlt es an einer passenden Anspruchsgrundlage. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

I.

31

Mit dem Arbeitsgericht geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich der klägerische Anspruch nicht unmittelbar auf § 18 TVöD (VkA) stützen lässt. Die Tarifvorschrift lautet auszugsweise wie folgt:

32

"§ 18 Leistungsentgelt

33

(1) Die leistungs- und/oder erfolgsorientierte Bezahlung soll dazu beitragen, die öffentlichen Dienstleistungen zu verbessern. Zugleich sollen Motivation, Eigenverantwortung und Führungskompetenz gestärkt werden.

34

(2) Ab dem 1. Januar 2007 wird ein Leistungsentgelt eingeführt. Das Leistungsentgelt ist eine variable und leistungsorientierte Bezahlung zusätzlich zum Tabellenentgelt.

35

(3) Ausgehend von einer vereinbarten Zielgröße von 8 v. H. entspricht bis zu einer Vereinbarung eines höheren Vomhundertsatzes das für das Leistungsentgelt zur Verfügung stehende Gesamtvolumen

36

- ab 1. Januar 2010 1,25 v. H.,
- ab 1. Januar 2011 1,50 v. H.,
- ab 1. Januar 2012 1,75 v. H. und
- ab 1. Januar 2013 2,00 v. H.

37

der ständigen Monatsentgelte des Vorjahres aller unter den Geltungsbereich des TVöD fallenden Beschäftigten des jeweiligen Arbeitgebers. Das für das Leistungsentgelt zur Verfügung stehende Gesamtvolumen ist zweckentsprechend zu verwenden; es besteht die Verpflichtung zu jährlicher Auszahlung der Leistungsentgelte.

38

Protokollerklärung zu Absatz 3 Satz 1: …

39

(4) Das Leistungsentgelt wird zusätzlich zum Tabellenentgelt als Leistungsprämie, Erfolgsprämie oder Leistungszulage gewährt; das Verbinden verschiedener Formen des Leistungsentgelts ist zulässig. Die Leistungsprämie ist in der Regel eine einmalige Zahlung, die im Allgemeinen auf der Grundlage einer Zielvereinbarung erfolgt; sie kann auch in zeitlicher Abfolge gezahlt werden. Die Erfolgsprämie kann in Abhängigkeit von einem bestimmten wirtschaftlichen Erfolg neben dem gemäß Absatz 3 vereinbarten Startvolumen gezahlt werden. Die Leistungszulage ist eine zeitlich befristete, widerrufliche, in der Regel monatlich wiederkehrende Zahlung ...

40

Protokollerklärungen zu Absatz 4:

41

1. Die Tarifvertragsparteien sind sich darüber einig, dass die zeitgerechte Einführung des Leistungsentgelts sinnvoll, notwendig und deshalb beiderseits gewollt ist. Sie fordern deshalb die Betriebsparteien dazu auf, rechtzeitig vor dem 1. Januar 2007 die betrieblichen Systeme zu vereinbaren. Kommt bis zum 30. September 2007 keine betriebliche Regelung zustande, erhalten die Beschäftigten mit dem Tabellenentgelt des Monats Dezember 2008 6 v. H. des für den Monat September jeweils zustehenden Tabellenentgelts. Das Leistungsentgelt erhöht sich im Folgejahr um den Restbetrag des Gesamtvolumens. Solange auch in den Folgejahren keine Einigung entsprechend Satz 2 zustande kommt, gelten die Sätze 3 und 4 ebenfalls. Für das Jahr 2007 erhalten die Beschäftigten mit dem Tabellenentgelt des Monats Dezember 2007 12 v. H. des für den Monat September 2007 jeweils zustehenden Tabellenentgelts ausgezahlt, insgesamt jedoch nicht mehr als das Gesamtvolumen gemäß Absatz 3 Satz 1, wenn bis zum 31. Juli 2007 keine Einigung nach Satz 3 zustande gekommen ist.

42

43

(5) …

44

(6) Das jeweilige System der leistungsbezogenen Bezahlung wird betrieblich vereinbart. …"

45

Die sich aus § 18 TVöD unmittelbar ergebenden Ansprüche der Klägerin hat die Beklagte erfüllt. § 18 TVöD beschreibt ein Entgeltvolumen, das für eine Verteilung an die Beschäftigten der Dienststelle nach Leistungsgesichtspunkten zur Verfügung steht. Die Verteilung dieses Topfes erfolgt nach Regelungen, die vor Ort mit dem Personalrat oder dem Betriebsrat abzusprechen sind (§ 18 Absatz 6 TVöD).

46

Wegen dieser Zielrichtung von § 18 TVöD kann die Klägerin eigentlich keine direkten Ansprüche aus der Norm herleiten. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien in der Protokollerklärung zu § 18 Absatz 4 TVöD einen Konfliktlösungsmechanismus für den Fall geschaffen, dass sich Arbeitgeber und Personalrat vor Ort nicht auf Verteilungsgrundsätze verständigen können (Protokollerklärung 1 zu § 18 Absatz 4 TVöD, dort Sätze 3 bis 5). Für diesen Fall, der auf die Beklagte für die Jahre 2008 bis 2013 zutrifft, wird mit dem Dezemberentgelt eine pauschale und nicht leistungsabhängige Auszahlung in Höhe von 6 Prozent der Bezüge aus September des laufenden Jahres vorgenommen (undifferenziertes Leistungsentgelt). Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass diese Zahlungen in den vergangenen Jahren geleistet wurden.

47

Weitere unmittelbare Ansprüche der Beschäftigten lassen sich aus § 18 TVöD nicht ableiten (BAG 10. Mai 2012 - 10 AZR 202/11 - NZA-RR 2012, 497 = AP Nr. 5 zu § 18 TVöD).

II.

48

Der klägerische Anspruch lässt sich auch nicht auf die DV Leistungsentgelt stützen.

49

Die Klägerin gehört zwar zum Kreis der anspruchsberechtigten Beschäftigten. Nach § 10 Absatz 2 DV Leistungsentgelt sind alle Beschäftigte anspruchsberechtigt, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Dienstvereinbarung – also im Dezember 2013 – mindestens 6 Monate bei der Beklagten beschäftigt waren. Das trifft auf die Klägerin zu.

50

Die Klägerin muss jedoch nach § 10 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit § 9 Absatz 1 DV Leistungsentgelt eine weitgehende Kürzung ihrer Ansprüche wegen ihrer Ausfallzeiten im Jahre 2013 hinnehmen. Es ist nicht erkennbar, dass ihr gekürzter Anspruch über das hinausgeht, was die Beklagte ihr als Leistungsentgelt nach § 10 DV Leistungsentgelt gezahlt hat.

1.

51

Nach § 9 Absatz 1 DV Leistungsentgelt wird lediglich ein anteiliges Leistungsentgelt gezahlt, sofern der oder die Beschäftigte im Betrachtungszeitraum mehr als 42 Abwesenheitstage zu verzeichnen hat. Der Betrachtungszeitraum im Sinne dieser Vorschrift ist das Kalenderjahr 2013. Das ergibt sich aus der Auslegung der Vorschrift vor dem Hintergrund von § 18 TVöD.

a)

52

Bei der Auslegung einer Dienstvereinbarung ist vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn auszugehen. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner der Sinn und der Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Unterzeichner ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 2 AZR 32/11 – NZA-RR 2013, 627; LAG Mecklenburg-Vorpommern 27. September 2016 – 5 Sa 232/15; ebenso BAG 13. Oktober 2015 – 1 AZR 853/13 – AP Nr. 109 zu § 77 BetrVG 1972 zu der insoweit vergleichbaren Frage der Auslegung einer Betriebsvereinbarung).

b)

53

Was die Unterzeichner der Dienstvereinbarung unter dem Betrachtungszeitraum im Sinne von § 9 Absatz 1 DV Leistungsentgelt verstanden haben, erschließt sich aus der Stellung und Bedeutung von § 9 DV Leistungsentgelt im Gefüge dieser Dienstvereinbarung. In den §§ 2 bis 8 der DV Leistungsentgelt ist geregelt, wie das Leistungsentgelt in der Hansestadt zukünftig festgestellt und berechnet werden soll. In Übereinstimmung mit § 18 TVöD heißt es dazu in § 2 Absatz 1 DV Leistungsentgelt, dieses werde "einmal jährlich" gezahlt. In § 2 Absatz 2 DV Leistungsentgelt heißt es dazu ergänzend, der "ausschlaggebende Bewertungszeitraum" sei "das Kalenderjahr".

54

§ 9 DV Leistungsentgelt enthält dann eine Reihe von Regelungen für Fälle, in denen nicht das ganze Kalenderjahr als Referenzzeitraum zur Verfügung steht, etwa bei Neueintritt oder bei Austritt im Kalenderjahr (§ 9 Absätze 3 und 4 DV Leistungsentgelt), und für andere Fallgruppen, die eine abweichende oder ergänzende Regelung zu den §§ 2 bis 8 DV Leistungsentgelt erforderlich machen, etwa der Arbeitsplatzwechsel innerhalb des Bereichs der Beklagten (§ 9 Absatz 2 DV Leistungsentgelt) oder die Berechnung des Leistungsentgelts bei Altersteilzeit oder bei Wahrnehmung eines Amtes in der Personalvertretung oder in vergleichbarer Stellung (§ 9 Absätze 5 und 6 DV Leistungsentgelt).

55

In diesem Kontext muss auch § 9 Absatz 1 DV Leistungsentgelt verstanden werden. Auch die dortige Regelung bezieht sich auf die allgemeinen Regelungen in §§ 2 bis 8 DV Leistungsentgelt und ändert diese passend zu dem Regelungszweck ab. Die Regelung in § 9 Absatz 1 DV Leistungsentgelt soll Beschäftigte bevorzugen, die im Referenzzeitraum weniger als 42 Tage gefehlt haben. Da das gesamte Leistungsentgelt auf einer kalenderjährlichen Betrachtungsweise aufsetzt, muss man daher davon ausgehen, dass auch der Betrachtungszeitraum im Sinne von § 9 Absatz 1 DV Leistungsentgelt das Kalenderjahr meint.

56

Dass die Unterzeichner der Dienstvereinbarung auch für die Verteilung des angesparten Volumens für das Leistungsentgelt auf das Kalenderjahr als Referenzzeitraum abgestellt haben, geht mit hinreichender Deutlichkeit aus § 10 Absatz 2 DV Leistungsentgelt hervor. Denn dort ist geregelt, dass die Beschäftigten anspruchsberechtigt sind, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Dienstvereinbarung, also im Dezember 2013, mindestens 6 Monate bei der Beklagten beschäftigt sind. Damit steht fest, dass diese Beschäftigungszeit im Jahre 2013 durchlaufen worden sein muss.

57

Im Übrigen würde die Regelung, wenn man sie im Sinne der Klägerin auslegen würde, sehr arbeitnehmerunfreundlich sein. Denn die Klägerin will, dass sich der Referenzzeitraum auf alle sechs Kalenderjahre 2008 bis 2013 bezieht. Wenn aber die Kürzung des Anspruchs schon dann einsetzt, wenn im Referenzzeitraum 42 Ausfalltage fallen, würde das in der klägerischen Auslegung bedeuten, dass schon Ausfalltage von im Durchschnitt 7 Tagen im Jahr die Arbeitgeberin berechtigen würden, den Anspruch zu kürzen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Arbeitgeber und Personalrat eine derart strenge Regelung zur Kürzung des Anspruchs auf Leistungsentgelt vereinbaren wollten.

c)

58

Das für die Auszahlung des Teilbudget 2008 bis 2013 maßgebliche Kalenderjahr ist das Jahr 2013. Das ergibt sich aus dem Zeitpunkt des Abschlusses der Dienstvereinbarung und es ergibt sich zusätzlich im Rückschluss aus dem Auszahlungszeitpunkt für diesen Entgeltbestandteil.

59

Wie bereits zuvor hervorgehoben, wird der Kreis der anspruchsbeschäftigten Beschäftigten in § 10 Absatz 2 DV Leistungsentgelt dadurch definiert, dass diese 2013 mindestens 6 Monate bei der Beklagten beschäftigt sein mussten. Schon dieser Umstand legt nahe, dass der Referenzzeitraum, auf den in § 9 Absatz 1 DV Leistungsentgelt Bezug genommen wird, für die Fälle aus § 10 DV Leistungsentgelt das Jahr 2013 ist. Dieser Befund wird bestätigt durch den Umstand, dass die Unterzeichner der DV Leistungsentgelt differenziert haben zwischen der Regelung für die Zukunft (§§ 2 bis 8 DV Leistungsentgelt) und der Abarbeitung des Topfes, der aus der Vergangenheit stammt (§ 10 DV Leistungsentgelt). Angesichts der Unterzeichnung der Dienstvereinbarung im Dezember 2013 kann sich die Regelung zur Abarbeitung des Topfes, der in der Vergangenheit entstanden ist, nur auf das Kalenderjahr 2013 beziehen.

60

Dieser Befund wird auch durch die Bestimmung des Auszahlungszeitpunkts in § 10 Absatz 3 DV Leistungsentgelt bestätigt. Denn die Auszahlung erfolgt nachschüssig im Folgejahr, genauso wie das für das allgemeine Leistungsentgelt in § 8 Absatz 1 DV Leistungsentgelt geregelt ist. Wenn aber die Auszahlung wie beim allgemeinen Leistungsentgelt nachschüssig erfolgt, ist dies ein weiteres Indiz dafür, dass der Referenzzeitraum, aus dem sich eine Kürzung der Ansprüche im Sinne von § 9 Absatz 1 DV Leistungsentgelt ergeben kann, für den Anspruch aus § 10 DV Leistungsentgelt das Jahr 2013 ist.

d)

61

Die Beschränkung des Referenzzeitraums auf das Jahr 2013 ist auch tarifvertragskonform.

62

Mit der Klägerin geht das Gericht davon aus, dass es in einem ganz allgemeinen Sinne (auch) gerecht gewesen wäre, den Referenzzeitraum für die Berechnung der Höhe des Leistungsentgelts 2013 wegen der damit verbundenen Auflösung der angesparten Reste aus den Jahren 2008 bis 2013 ebenfalls auf diesen größeren Zeitraum zu beziehen.

63

§ 18 TVöD schreibt allerdings ein solches Vorgehen nicht zwingend vor. Die Protokollerklärung Nr. 1 zu § 18 Absatz 4 TVöD legt sogar eher das Gegenteil nahe. In Satz 4 dieser Protokollerklärung ist geregelt, dass die Anteile des für das Leistungsentgelt zur Verfügung stehenden Topfes, die nicht über die Hilfsregelung aus Satz 3 der Protokollerklärung zur Auszahlung kommen, das Leistungsentgelt für das Folgejahr erhöhen. Diese Reste aus dem Topf für das Leistungsentgelt verlieren also ihren Bezug zu dem Kalenderjahr, in dem sie von der Belegschaft "erwirtschaftet" wurden. Diese Regelung dient dem Ziel, den Druck auf Arbeitgeber und Personalrat zur Verabschiedung einer Dienstvereinbarung zum Leistungsentgelt zu erhöhen und diese Zielsetzung ist legitim (BAG 10. Mai 2012 - 10 AZR 202/11 - NZA-RR 2012, 497 = AP Nr. 5 zu § 18 TVöD).

2.

64

Die Regelungen in §§ 9, 10 DV Leistungsentgelt zur Bemessung des Leistungsentgelts 2013 sind nicht wegen Verstoß gegen das Gesetz unwirksam. Weder die allgemeinen Voraussetzungen für den Erwerb des Anspruchs auf Leistungsentgelt für das Jahr 2013 noch die Beschränkung des Referenzzeitraums auf das Jahr 2013, noch die vorgesehene Anspruchskürzung bei Ausfallzeiten verstoßen gegen den arbeitsrechtlichen oder den personalvertretungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

65

Der Grundsatz der Gleichbehandlung, an den auch Arbeitgeber und Personalrat bei der Schaffung von Dienstvereinbarungen gebunden sind, besagt in einem allgemeinen Sinne, dass unterschiedlich gelagerte Sachverhalte unterschiedlich und gleich gelagerte Sachverhalte gleich zu regeln sind. Vorliegend könnte ein Fall gegeben sein, in dem die Dienstvereinbarung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt, weil sie trotz auffälliger Unterschiede im Sachverhalt zu wenig Differenzierungen vorgenommen hat.

66

§ 10 DV Leistungsentgelt knüpft für den Erwerb und die Höhe des Leistungsentgelts 2013 allein an die Verhältnisse im Jahre 2013, obwohl der Topf, der damit zur Verteilung gelangt, in den Jahren 2008 bis 2013 aufgebaut wurde. Damit werden Beschäftigte benachteiligt, die – wie die Klägerin – im Jahre 2013 überwiegend oder ganz krankheitsbedingt ausgefallen waren, in den davorliegenden Jahren ab 2008 jedoch ganz oder zu weiten Teilen arbeitsfähig waren und daher den jetzt verteilten Topf mit "erwirtschaftet" haben. Bevorzugt werden durch den engen Referenzzeitraum dagegen Beschäftigte, die erst 2013 oder in den Jahren davor eingestellt wurden, denn sie erhalten 2013 Leistungsentgeltanteile, die – vor ihrer Einstellung – in den Jahren seit 2008 nach und nach "erwirtschaftet" wurden.

67

Rechtlich betrachtet liegt nach Überzeugung des Berufungsgerichts allerdings kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Absatz 1 Grundgesetz zurückzuführende personal- oder betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichstellung von Personen in vergleichbarer Lage sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblicher Sachgrund für eine Gruppenbildung ist vor allem der mit der jeweiligen Regelung verfolgte Zweck (BAG 27. April 2016 – 5 AZR 311/15; BAG 9. Dezember 2014 - 1 AZR 406/13). Dabei ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BAG 27. April 2016 aaO; BAG 8. Dezember 2015 - 1 AZR 595/14). Diese für das Betriebsverfassungsrecht entwickelten Grundsätze gelten entsprechend für die Frage der Gleichbehandlung in Dienstvereinbarungen zwischen dem Personalrat und dem Arbeitgeber.

a)

68

Durch § 10 Absatz 2 DV Leistungsentgelt, der die Voraussetzungen beschreibt, unter denen man einen Anspruch auf Leistungsentgelt für das Jahr 2013 erwerben kann, wird die Klägerin nicht im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes benachteiligt. Denn die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen aus § 10 Absatz 2 DV Leistungsentgelt (6 Monate Beschäftigung bei der Arbeitgeberin). Insoweit wird sie gleich behandelt mit all den anderen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, die auch diese Voraussetzung erfüllen.

69

Allenfalls könnte man die Klägerin dahin verstehen, dass § 10 Absatz 2 DV Leistungsentgelt den Kreis der anspruchsberechtigten Personen zu großzügig beschreibe und sie – die Klägerin – dadurch benachteiligt werde, weil ihr Anspruch auf Leistungsentgelt dadurch verwässert werde. Damit macht die Klägerin aber gerade keine gleichheitswidrige Differenzierung durch die Dienstvereinbarung geltend, sondern wirft den Unterzeichnern der Dienstvereinbarung vielmehr vor, sie hätte eine nach klägerischer Ansicht gebotenen Differenzierung nicht vorgenommen.

70

Es kann dahinstehen, ob der Klägerin insoweit gefolgt werden kann. Denn selbst wenn man davon ausgehen würde, dass § 10 Absatz 2 DV Leistungsentgelt wegen unzureichender Differenzierung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt, könnte das der Klage nicht zum Erfolg verhelfen, denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, wie die Unterzeichner der Dienstvereinbarung dieses Problem gelöst hätten, wenn sie es denn erkannt hätten. Das Ermessen, das den Unterzeichnern der Dienstvereinbarung bei der Frage der richtigen und gerechten Verteilung des Topfes für das Leistungsentgelt nach dem Gesetz zusteht, kann nicht ersatzweise durch das Gericht ausgeübt werden. Wenn die Dienstvereinbarung im klägerischen Sinne unwirksam sein sollte, könnte sich daraus allenfalls eine Verpflichtung von Personalrat und Arbeitgeber ergeben, die entstandene Lücke in der Dienstvereinbarung durch weitere Verhandlung und Regelung zu schließen. Eine Anspruchsgrundlage für eine Auszahlung nach dem Ermessen und Gerechtigkeitsempfinden der Klägerin oder des Gerichts folgt daraus nicht.

b)

71

Durch die Einbeziehung der Kürzungsmöglichkeit des Leistungsentgelts bei Ausfalltagen im Referenzeitraum (§ 9 Absatz 1 DV Leistungsentgelt) mittels der Verweisung in § 10 Absatz 2 Satz 2 DV Leistungsentgelt wird die Klägerin ebenfalls nicht rechtserheblich benachteiligt.

aa)

72

Dazu ist zunächst hervorzuheben, dass alle anspruchsberechtigten Arbeitnehmer mit Ausfallzeiten oberhalb des Schwellenwertes im Referenzeitraum gleich behandelt werden. Eine Ungleichbehandlung findet also nur zwischen den Arbeitnehmern mit und den Arbeitnehmern ohne erhebliche Ausfallzeiten statt. Diese Ungleichbehandlung wird in ihrer rechtlichen Gültigkeit durch die Klägerin gar nicht in Frage gestellt. Es ist auch nicht erkennbar, aus welchem Grunde eine solche Differenzierung unzulässig sein sollte. Sie steht in Einklang mit § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Nach dieser Vorschrift ist es dem Arbeitgeber erlaubt, Regelungen zu treffen, nach denen Sondervergütungen für die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit gekürzt werden. Das Leistungsentgelt nach § 18 TVöD ist eine Sondervergütung im Sinne von § 4a EFZG, da es zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt (so die Formulierung im Gesetz) erbracht wird. Das Gesetz schreibt vor, dass die Kürzung für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag fällt, nicht überschreiten darf.

73

Die gesetzlichen Grenzen der Kürzungsmöglichkeiten bei Sondervergütungen sind vorliegend offensichtlich nicht überschritten. Die Klägerin hat 2015 monatlich rund 4.200 Euro brutto verdient, was einem Wochenverdienst von rund 970 Euro brutto entspricht (3 Monatsgehälter dividiert durch 13 Wochen). Bei einer 5-Tage-Woche entspricht dies einem Tagesverdienst von rund 194 Euro brutto. Ein Viertel des durchschnittlichen Tagesverdienstes beläuft sich bei der Klägerin also auf rund 48 Euro. Auf die Woche umgerechnet ergibt sich also eine gesetzlich zulässige Kürzungsmöglichkeit für Sondervergütungen in Höhe von 240 Euro.

74

Da die Klägerin im Jahre 2013 in Summe 51 von 52 Kalenderwochen arbeitsunfähig erkrankt war, wäre die gesetzliche Grenze für die Kürzung von Sondervergütungen bei Ausfalltagen erst bei deutlich über 10.000 Euro erreicht. Die hier in § 9 Absatz 1 DV Leistungsentgelt vorgesehene Kürzung in Höhe von etwas unter 1.800 Euro bewegt sich also noch weit innerhalb der in § 4a EFZG geregelten Grenzen für derartige Kürzungen.

bb)

75

Die eigentliche Kritik der Klägerin an der Dienstvereinbarung ist auch hier der Vorwurf einer unzureichenden Differenzierung. Die Klägerin meint, es wäre gesetzlich geboten gewesen, bei dem Maßstab für die Kürzung des Leistungsentgelts 2013 wegen Ausfalltagen auf den großen Referenzeitraum 2008 bis 2013 abzustellen und nicht nur auf das Jahr 2013.

76

Es steht außer Frage, dass die Unterzeichner der Dienstvereinbarung den Maßstab für die Kürzung des Leistungsentgelts 2013 auch im Sinne der Klägerin hätten festlegen können. Rechtlich geboten scheint ein solches Vorgehen jedoch nicht zu sein. Hätte die Dienstvereinbarung den Maßstab für die Anspruchskürzung wie von der Klägerin gewünscht gewählt, wäre mit der Feststellung des Kürzungsumfangs jedenfalls ein ungleich höherer Verwaltungsaufwand verbunden gewesen und es hätte flankierender Regelungen bedurft für die Gruppe der Arbeitnehmer, die erst während dieses großen Referenzzeitraums bei der Beklagten eingestellt wurden.

77

Einzelheiten dazu können jedoch dahinstehen, da die Klage selbst dann keinen Erfolg haben könnte, wenn das Gericht hilfsweise mit der Klägerin davon ausgehen würde, dass der Maßstab für die Kürzung des Leistungsentgelts 2013 wegen unzureichender Differenzierung gesetzeswidrig wäre. Denn für diesen Fall wäre § 9 Absatz 1 DV Leistungsentgelt lückenhaft, ohne dass die Dienstvereinbarung einen Regelungsplan erkennen lässt, mit dessen Hilfe die Lücke durch das Gericht geschlossen werden könnte. Wegen der weiteren Einzelheiten kann auf die Ausführungen oben unter a) Bezug genommen werden. Das Ermessen für die richtige und gerechte Verteilung des Topfes für das Leistungsentgelt muss von der Arbeitgeberin gemeinsam mit dem Personalrat ausgeübt werden. Dem Gericht steht es nicht zu, seine Gerechtigkeitsvorstellungen oder die der Klägerin an die Stelle der Gerechtigkeitsvorstellungen der Unterzeichner der Dienstvereinbarung zu setzen.

3.

78

Da die Klägerin im Jahr 2013 überwiegend arbeitsunfähig erkrankt war, muss sie eine weitgehende Kürzung ihres Anspruchs auf Leistungsentgelt hinnehmen.

79

Wie sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung herausgestellt hat, war die Klägerin – entgegen der Darstellung im Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils – nicht an allen Tagen des Jahres 2013 arbeitsunfähig erkrankt. Vielmehr war sie in der Zeit vom 3. bis einschließlich 9. Januar 2013 nicht arbeitsunfähig erkrankt (vgl. Protokoll der Kammerverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht). Da die Klägerin also über 51 Wochen erkrankt und nur 1 Woche arbeitsfähig war, muss der Anspruch auf Leistungsentgelt 2013 – etwas vereinfacht dargestellt – um 51 von 52 Anteilen gekürzt werden. Geht man von der klägerischen Angabe aus, dass voll anspruchsberechtigte Beschäftigte Leistungsentgelt 2013 in Höhe von 1.800 Euro brutto erhalten haben, könnte der Klägerin allenfalls ein Anspruch in Höhe von 34,62 Euro brutto zustehen (1.800 dividiert durch 52). Unter Berücksichtigung der Teilzeitbeschäftigung der Klägerin (35 von 40 Stunden) reduziert sich der Anspruch abermals auf rechnerisch 30,28 Euro brutto.

80

Damit steht für das Gericht fest, dass der der Klägerin für das Jahr 2013 im April 2014 zur Auszahlung gebrachte Betrag in Höhe von 29,75 Euro brutto jedenfalls der Größenordnung nach als Erfüllung des Anspruchs aus § 10 DV Leistungsentgelt anzusehen ist.

81

Da die Klägerin selbst keine genauere Herleitung ihres gekürzten Anspruchs aus § 10 DV Leistungsentgelt für das Jahr 2013 vorgetragen hat, sieht sich das Gericht allerdings auch nicht in der Lage, der Klägerin die kleine rechnerische Differenz aus der überschlägigen Berechnung des Gerichts und aus dem der Klägerin ausgezahlten Betrag als Teilbetrag auf die Klageforderung zuzusprechen.

4.

82

Es kann dahinstehen, ob die DV Leistungsentgelt gegen die tariflichen Vorgaben aus § 18 TVöD verstößt, denn selbst wenn das Gericht einen solchen Verstoß feststellen müsste, würde das der Klage nicht zum Erfolg verhelfen können. Das hat das Arbeitsgericht bereits zutreffend hervorgehoben, ohne das dagegen im Berufungsrechtszug Einwände erhoben wurden.

83

Mit Recht hegt die Klägerin Zweifel daran, ob man das Leistungsentgelt 2013, das nach § 10 Absatz 3 DV Leistungsentgelt – sofern keine Ausfallzeiten zu beklagen sind – undifferenziert an alle Beschäftigten zu gleichen Teilen zur Auszahlung gelangt, noch als leistungsbezogenes Entgelt im Sinne von § 18 TVöD ansehen kann.

84

Die Klägerin dürfte aber nicht bedacht haben, welche Folgen sich daraus ergeben. Denn wenn § 10 DV Leistungsentgelt unwirksam ist, würde das lediglich bedeuten, dass es auch für das Jahr 2013 keine Regelung zum Leistungsentgelt gibt und daher der in den Jahren 2008 bis 2013 angewachsene Topf nach wie vor zur Verteilung ansteht. Eine Auszahlung würde aber nach § 18 TVöD stets voraussetzen, dass es zu einer Regelung zwischen Arbeitgeber und Personalrat über die Grundsätze der Verteilung des Topfes kommt.

III.

85

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen, da ihr Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO).

86

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 ArbGG) sind nicht erfüllt.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 77 Durchführung gemeinsamer Beschlüsse, Betriebsvereinbarungen


(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseit

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Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. Januar 2011 - 13 Sa 1424/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des Leistungsentgelts nach § 18 TVöD(VKA) für das Jahr 2009.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten als Diplomsozialarbeiter beschäftigt. Er ist Mitglied des Personalrats. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der für Gemeinden gültigen Fassung (VKA) jedenfalls kraft vertraglicher Regelung Anwendung. Zum Abschluss einer Dienstvereinbarung über das Leistungsentgelt kam es bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht. Der Kläger erhielt im Dezember 2008 als Leistungsentgelt 6 vH seines Tabellenentgelts (220,93 Euro brutto). Im Dezember 2009 zahlte die Beklagte als Leistungsentgelt wiederum 6 vH seines Tabellenentgelts (227,11 Euro brutto). Mit Schreiben vom 16. März 2010 machte der Kläger für das Jahr 2009 die Zahlung weiterer 6 vH seines Tabellenentgelts aus dem Jahr 2008 als Leistungsentgelt geltend.

3

§ 18 TVöD(VKA) lautete in der 2009 maßgeblichen Fassung auszugsweise:

        

„(1)   

Die leistungs- und/oder erfolgsorientierte Bezahlung soll dazu beitragen, die öffentlichen Dienstleistungen zu verbessern. Zugleich sollen Motivation, Eigenverantwortung und Führungskompetenz gestärkt werden.

        

(2)     

Ab dem 1. Januar 2007 wird ein Leistungsentgelt eingeführt. Das Leistungsentgelt ist eine variable und leistungsorientierte Bezahlung zusätzlich zum Tabellenentgelt.

        

(3)     

Ausgehend von einer vereinbarten Zielgröße von 8 v. H. entspricht bis zu einer Vereinbarung eines höheren Vomhundertsatzes das für das Leistungsentgelt zur Verfügung stehende Gesamtvolumen 1 v. H. der ständigen Monatsentgelte des Vorjahres aller unter den Geltungsbereich des TVöD fallenden Beschäftigten des jeweiligen Arbeitgebers. Das für das Leistungsentgelt zur Verfügung stehende Gesamtvolumen ist zweckentsprechend zu verwenden; es besteht die Verpflichtung zu jährlicher Auszahlung der Leistungsentgelte.

                 

Protokollerklärung zu Absatz 3 Satz 1:

                 

Ständige Monatsentgelte sind insbesondere das Tabellenentgelt (ohne Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers und dessen Kosten für die betriebliche Altersvorsorge), die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen einschließlich Besitzstandszulagen sowie Entgelt im Krankheitsfall (§ 22) und bei Urlaub, soweit diese Entgelte in dem betreffenden Kalenderjahr ausgezahlt worden sind; nicht einbezogen sind dagegen insbesondere Abfindungen, Aufwandsentschädigungen, Einmalzahlungen, Jahressonderzahlungen, Leistungsentgelte, Strukturausgleiche, unständige Entgeltbestandteile und Entgelte der außertariflichen Beschäftigten. Unständige Entgeltbestandteile können betrieblich einbezogen werden.

        

(4)     

Das Leistungsentgelt wird zusätzlich zum Tabellenentgelt als Leistungsprämie, Erfolgsprämie oder Leistungszulage gewährt; das Verbinden verschiedener Formen des Leistungsentgelts ist zulässig. ...

                 

Protokollerklärungen zu Absatz 4:

                 

1.    

Die Tarifvertragsparteien sind sich darüber einig, dass die zeitgerechte Einführung des Leistungsentgelts sinnvoll, notwendig und deshalb beiderseits gewollt ist. Sie fordern deshalb die Betriebsparteien dazu auf, rechtzeitig vor dem 1. Januar 2007 die betrieblichen Systeme zu vereinbaren. Kommt bis zum 30. September 2007 keine betriebliche Regelung zustande, erhalten die Beschäftigten mit dem Tabellenentgelt des Monats Dezember 2008 6 v. H. des für den Monat September jeweils zustehenden Tabellenentgelts. Das Leistungsentgelt erhöht sich im Folgejahr um den Restbetrag des Gesamtvolumens. Solange auch in den Folgejahren keine Einigung entsprechend Satz 2 zustande kommt, gelten die Sätze 3 und 4 ebenfalls. Für das Jahr 2007 erhalten die Beschäftigten mit dem Tabellenentgelt des Monats Dezember 2007 12 v. H. des für den Monat September 2007 jeweils zustehenden Tabellenentgelts ausgezahlt, insgesamt jedoch nicht mehr als das Gesamtvolumen gemäß Absatz 3 Satz 1, wenn bis zum 31. Juli 2007 keine Einigung nach Satz 3 zustande gekommen ist.

                 

2.    

Die Tarifvertragsparteien bekennen sich zur weiteren Stärkung der Leistungsorientierung im öffentlichen Dienst.

                 

…       

        
        

(6)     

Das jeweilige System der leistungsbezogenen Bezahlung wird betrieblich vereinbart.... Die Ausgestaltung geschieht durch Betriebsvereinbarung oder einvernehmliche Dienstvereinbarung, ...

                 

Protokollerklärung zu Absatz 6:

                 

Besteht in einer Dienststelle/in einem Unternehmen kein Personal- oder Betriebsrat, hat der Dienststellenleiter/Arbeitgeber die jährliche Ausschüttung der Leistungsentgelte im Umfang des Vomhundertsatzes der Protokollerklärung Nr. 1 zu Absatz 4 sicherzustellen, solange eine Kommission im Sinne des Absatzes 7 nicht besteht.

        

(7)     

Bei der Entwicklung und beim ständigen Controlling des betrieblichen Systems wirkt eine betriebliche Kommission mit, deren Mitglieder je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Betriebs-/Personalrat aus dem Betrieb benannt werden.“

4

Die Protokollerklärung Nr. 2 zu Absatz 4 lautete bis zum 2. Änderungs-TV vom 31. März 2008 wie folgt:

        

„In der Entgeltrunde 2008 werden die Tarifvertragsparteien die Umsetzung des § 18 (Leistungsentgelt) analysieren und ggf. notwendige Folgerungen (z. B. Schiedsstellen) ziehen. In diesem Rahmen werden auch Höchstfristen für eine teilweise Nichtauszahlung des Gesamtvolumens gemäß Satz 3 der Protokollerklärung Nr. 1 festgelegt; ferner wird eine Verzinsung des etwaigen ab dem Jahr 2008 nicht ausgezahlten Gesamtvolumens geklärt.“

5

§ 38 Abs. 3 TVöD(VKA) lautet:

        

„Eine einvernehmliche Dienstvereinbarung liegt nur ohne Entscheidung der Einigungsstelle vor.“

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe für das Jahr 2009 ein höheres Leistungsentgelt zu. Dies ergebe die Auslegung von Satz 4 der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 18 Abs. 4 TVöD(VKA). Ab Dezember 2009 sei auch der aus dem Vorjahr verbliebene Restbetrag des Gesamtvolumens mit mindestens 12 vH als Leistungsentgelt auszuschütten, ohne dass die Betriebsparteien die Verteilungsgrundsätze geregelt haben müssten. Die Zahlung des zweiten Teils in Höhe von 220,93 Euro brutto werde im Fall der Nichteinigung lediglich um ein Jahr aufgeschoben. Jedenfalls müsse die Beklagte den im Jahr 2008 nicht ausgeschütteten Restbetrag des Gesamtvolumens nach Kopfteilen an die Beschäftigten auszahlen. Daraus ergäbe sich ein Betrag von 219,79 Euro brutto.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 220,93 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2010 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die pauschalierte Sonderzahlung betrage in jedem Jahr, in dem eine betriebliche Vereinbarung zum Leistungsentgelt fehle, nur 6 vH des dem einzelnen Beschäftigten jeweils im September zustehenden Tabellenentgelts. Die darüber hinausgehenden Beträge würden in das Gesamtvolumen des nächsten Jahres übertragen und thesauriert. Damit werde der tarifvertraglich normierte Zweck verfolgt, auf die Betriebsparteien einen entsprechenden Einigungsdruck auszuüben. Tarifvertragliche Intention sei die Vereinbarung von Leistungsentgelten gewesen. Die Ausgestaltung der Zielvereinbarungen und der Auszahlungsmodalitäten sollte den Betriebsparteien überlassen bleiben. Würden mangels entsprechender Vereinbarungen vor Ort jeweils 12 vH auszuzahlen sein, würde dieser Zweck verfehlt.

9

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Kläger hatte im Jahr 2009 keinen Anspruch auf Auszahlung des im Jahr 2008 nicht ausgeschütteten Teils des Leistungsentgelts nach § 18 TVöD(VKA).

11

I. Ein Anspruch auf Auszahlung eines höheren Leistungsentgelts ergibt sich nicht aus § 18 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4, Abs. 6 TVöD(VKA), da es an einer betrieblichen Regelung iSd. Abs. 6 fehlte. Die Verpflichtung zur jährlichen Auszahlung der Leistungsentgelte nach § 18 Abs. 3 Satz 2 TVöD(VKA) steht unter dem Vorbehalt der Existenz einer entsprechenden betrieblichen Vereinbarung. Nur aus diesem Grund bedurfte es überhaupt der Regelungen der Protokollerklärung Nr. 1 zu Absatz 4 (PE Nr. 1).

12

II. Ein Auszahlungsanspruch ergibt sich nicht aus der PE Nr. 1.

13

1. Die Protokollerklärung hat normative Wirkung, sie ist materieller Bestandteil des Tarifvertrags (BAG 23. September 2010 - 6 AZR 338/09 - Rn. 13, BAGE 135, 318) und kann deshalb grundsätzlich einen Anspruch begründen.

14

2. Über das für die Jahre 2008 und 2009 ausgezahlte undifferenzierte Leistungsentgelt (vgl. zum Begriff BAG 23. September 2010 - 6 AZR 338/09 - BAGE 135, 318) in Höhe von jeweils 6 vH des Tabellenentgelts hinaus hatte der Kläger im Jahr 2009 ohne Vorliegen einer entsprechenden betrieblichen Regelung keinen Anspruch auf Auszahlung eines höheren Leistungsentgelts. Dies ergibt eine Auslegung der PE Nr. 1.

15

a) Bereits der Wortlaut der Regelung, von dem bei der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 358/10 - Rn. 15, NZA 2011, 1358), spricht gegen einen höheren Anspruch. Nach Satz 3 der PE Nr. 1 bestand ein Anspruch auf Teilauszahlung in festgelegter Höhe im Dezember 2008, wenn es an einer betrieblichen Vereinbarung fehlte. Nach Satz 4 erhöht sich „das Leistungsentgelt“ im Folgejahr um den Restbetrag des Gesamtvolumens. Satz 5 schreibt diese Regelung für die Folgejahre fort, soweit keine betriebliche Einigung zustande kommt. Der Begriff des Leistungsentgelts wird in der tariflichen Regelung verschieden, keinesfalls aber als pauschale Zahlung an die Arbeitnehmer verwendet.

16

Hauptsächlich handelt es sich - wie die Überschrift zeigt - um einen Oberbegriff für eine bestimmte neue Vergütungsart. § 18 Abs. 2 Satz 2 TVöD(VKA) definiert diese als „variable und leistungsorientierte Bezahlung“. § 18 Abs. 4 Satz 1 TVöD(VKA) benennt wiederum mögliche Formen eines solchen Leistungsentgelts (Leistungsprämie, Erfolgsprämie oder Leistungszulage), wobei eine Verbindung verschiedener Formen zulässig ist. Der Anspruch nach Satz 3 der PE Nr. 1 wird hingegen von den Tarifvertragsparteien nicht als Leistungsentgelt bezeichnet. Es handelt sich auch nicht um eine Leistung nach der tariflichen Definition, sondern um eine Ausschüttung des erwirtschafteten Volumens nach dem „Gießkannenprinzip“ (BAG 23. September 2010 - 6 AZR 338/09 - Rn. 23, BAGE 135, 318). Dieses „undifferenzierte Leistungsentgelt“ stellt lediglich ein Surrogat für den fehlenden originären Leistungsentgeltanspruch dar, es ist nicht das Leistungsentgelt selbst. Die Höhe des Surrogats orientiert sich nicht an dem gemäß § 18 Abs. 3 TVöD(VKA) zur Verfügung stehenden Gesamtvolumen für das Leistungsentgelt, sondern legt eine Leistung in Abhängigkeit vom Tabellenentgelt des jeweiligen Beschäftigten in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes fest. Um Doppelzahlungen zu vermeiden, ist die Zahlung aber aus dem Gesamtvolumen zu leisten. Der nach dieser Regelung nicht ausgeschüttete Restbetrag wird auf das Folgejahr übertragen. Wenn Satz 4 der PE Nr. 1 von Leistungsentgelt spricht, kann vor diesem Hintergrund weder das individuelle Leistungsentgelt bei Vorliegen einer entsprechenden Vereinbarung noch das undifferenzierte Leistungsentgelt ohne Vorliegen einer solchen Vereinbarung gemeint sein. Vielmehr wird der Begriff insoweit als Oberbegriff für das im Folgejahr zur Verfügung stehende Gesamtvolumen verwendet, welches sich um den Restbetrag aus dem Vorjahr erhöht.

17

b) Dies entspricht auch der Systematik der tariflichen Regelung. Im Jahr 2007 erfolgte mit 12 vH eine (fast) volle Ausschüttung des angesammelten Gesamtvolumens. Damit war für dieses Jahr sichergestellt, dass der für das Leistungsentgelt zur Verfügung stehende Leistungstopf auch dann ausgeschüttet wird, wenn die Betriebsparteien entgegen der in Satz 1 und Satz 2 der PE Nr. 1 zum Ausdruck gebrachten Intention die zur Einführung einer leistungsorientierten Bezahlung erforderlichen Dienst- bzw. Betriebsvereinbarungen nicht rechtzeitig vereinbart hatten (vgl. BAG 23. September 2010 - 6 AZR 338/09 - Rn. 21, BAGE 135, 318). Im Jahr 2008 (Satz 3 und Satz 4) und in den Folgejahren (Satz 5) steht demgegenüber lediglich etwa die Hälfte dieses Volumens zur undifferenzierten und damit gerade nicht leistungsabhängigen Ausschüttung zur Verfügung. Dabei beschränkt sich die tarifliche Regelung beim undifferenzierten Leistungsentgelt auf die Ausschüttung eines bestimmten Prozentsatzes vom individuellen Tabellenentgelt und schafft damit eine einfache und klare Regelung für den einzelnen Beschäftigten, solange betrieblich keine Verteilungsgrundsätze vereinbart sind. Kommt es hingegen zu einer solchen Vereinbarung, erfolgt die Ausschüttung des nach § 18 Abs. 3 TVöD(VKA) iVm. der entsprechenden Protokollerklärung zu bemessenden Gesamtvolumens nach den betrieblich vereinbarten Kriterien. Schon der Ausgangspunkt für die zu verteilende Leistung ist damit nicht deckungsgleich.

18

c) Die gefundene Auslegung entspricht dem erkennbaren Sinn und Zweck der PE Nr. 1. Aus dem Satz 1 und Satz 2 der PE Nr. 1 wird der Wille der Tarifvertragsparteien deutlich, das Leistungsentgelt zeitnah einzuführen und betrieblich umzusetzen. Dabei bestimmt § 18 TVöD(VKA) für die Dienststellen oder Unternehmen weder einheitlich die genaue Art des Leistungsentgelts noch die Verteilungsgrundsätze. Beides ist vielmehr einer Vereinbarung der Betriebsparteien vorbehalten. Dementsprechend enthält Satz 2 der PE Nr. 1 die klare und eindeutige Aufforderung an diese, sich vor dem 1. Januar 2007 zu einigen. Lediglich im ersten Jahr erfolgt im Fall der Nichteinigung eine fast vollständige Ausschüttung, in den Folgejahren lediglich eine etwa hälftige Ausschüttung des Gesamtvolumens. Dies dient ersichtlich dem Ziel, den Einigungsdruck auf betrieblicher Ebene zu erhöhen. Dieses Ziel würde verfehlt, wenn lediglich eine einmalige Halbierung der Auszahlung im Jahr 2008 erfolgte, aber im Jahr 2009 und in den Folgejahren auch bei Nichteinigung 12 vH des jeweiligen Tabellenentgelts undifferenziert und leistungsunabhängig gezahlt werden würde.

19

d) Besonders deutlich stützt die Tarifgeschichte dieses Ergebnis. Die Tarifvertragsparteien haben mit der ursprünglichen Fassung der Protokollerklärung Nr. 2 zu Absatz 4 des § 18 TVöD(VKA) deutlich gemacht, dass sie das Problem der teilweisen Nichtauszahlung bei Nichteinigung und damit der Thesaurierung gesehen haben. Deshalb wurde für die Entgeltrunde 2008 die Analyse der Situation und die mögliche Festsetzung von Höchstfristen für die teilweise Nichtauszahlung des Gesamtvolumens verabredet. Auch die Frage einer Verzinsung sollte geklärt werden. Diese Protokollerklärung wäre weitestgehend überflüssig gewesen, wenn es jeweils im Folgejahr bereits nach der PE Nr. 1 zu einer fast vollständigen Ausschüttung gekommen wäre. Dass die Tarifparteien in der Entgeltrunde 2008 entgegen ihrer Ankündigung das Problem nicht gelöst, sondern mit dem 2. Änderungs-TV vom 31. März 2008 die PE Nr. 2 in einen allgemeinen Programmsatz umgewandelt haben, führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine Änderung der PE Nr. 1 oder sonstiger relevanter Teile des § 18 TVöD(VKA) ist nicht erfolgt.

20

e) Letztlich spricht für die Auslegung des Senats auch die Praktikabilität in der Anwendung der Vorschrift. Solange keine differenzierte betriebliche Regelung vereinbart wird, besteht ein pauschaler Surrogatanspruch, der aus dem individuellen Tabellenentgelt zu ermitteln ist, ohne dass das insgesamt zur Verfügung stehende Volumen nach bisher nicht bestimmten Kriterien verteilt werden müsste.

21

f) Etwas anderes ergibt sich - entgegen der Auffassung der Revision - nicht aus der Regelung für Dienststellen oder Unternehmen ohne Personal- oder Betriebsrat in der Protokollerklärung zu Absatz 6 des § 18 TVöD(VKA). Es kann dahinstehen, ob dieser Protokollerklärung tatsächlich entnommen werden kann, dass in Dienststellen oder Unternehmen ohne Personal- oder Betriebsrat eine vollständige Ausschüttung des Gesamtvolumens durch den Dienststellenleiter/Arbeitgeber zu erfolgen hat. Selbst wenn diese Annahme richtig wäre, kann nicht aufgrund der Regelung eines Ausnahmefalls darauf geschlossen werden, dass dies im Fall der Existenz von Mitbestimmungsorganen entgegen § 18 Abs. 6 Satz 1 TVöD(VKA) ebenso gehandhabt werden sollte.

22

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Zielke    

        

    Rudolph    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Oktober 2010 - 17 Sa 540/10 - teilweise aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 8. März 2010 - 1 Ca 2434/09 v - wird zurückgewiesen.

3. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 28. Mai 2009 nicht aufgelöst worden ist.

b) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.971,69 Euro brutto abzüglich 3.688,96 Euro netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 3.281,68 Euro seit dem 1. Juli 2009 und dem 1. August 2009, aus 2.971,92 Euro seit dem 1. September 2009 und aus je 2.436,88 Euro seit dem 1. Oktober 2009, dem 1. November 2009, dem 1. Dezember 2009 und dem 29. Januar 2010 zu zahlen.

4. Die weitergehende Revision des Beklagten wird zurückgewiesen.

5. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens haben zu 1/6 der Kläger, zu 5/6 der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Beklagten und Vergütungsansprüche des Klägers.

2

Der 1948 geborene Kläger war seit Juli 1997 bei dem beklagten Verein als Ergotherapeut beschäftigt. Der Beklagte betreibt eine Fachklinik für Suchterkrankungen. In ihr werden insbesondere alkohol-, medikamenten- und drogenabhängige Patienten behandelt. Der Kläger war im Bereich der sog. Arbeits- und Kreativtherapie tätig. In deren Rahmen sollen die Patienten von Suchtmitteln entwöhnt werden. Der Kläger ist selbst „Alkoholiker“. Dies war dem Beklagten bei der Einstellung bekannt. Die Einstellung erfolgte in der Annahme, dass der Kläger „trocken“ sei.

3

Im Herbst 2006 kam es beim Kläger zu einem Rückfall. Am 20. Dezember 2006 wurde während des Dienstes bei ihm Alkoholgeruch festgestellt. Der Kläger gab an, alkoholhaltige Hustentropfen eingenommen zu haben. Ein mit seinem Einverständnis durchgeführter Test ergab eine Atemalkoholkonzentration von 0,76 Promille. Aufgrund dieses Umstands erteilte ihm der Beklagte am 10. Januar 2007 eine Abmahnung. Am 5. Februar 2007 wurde beim Kläger während der Arbeitszeit erneut Alkoholgeruch festgestellt. Am 13. Februar 2007 erteilte ihm der Beklagte eine weitere Abmahnung. Vom 14. März bis 24. April 2007 unterzog sich der Kläger einer stationären Entwöhnungsbehandlung. Anschließend nahm er seinen Dienst wieder auf.

4

Am 16. August 2007 wurde beim Kläger bei einer Teamsitzung abermals Alkoholgeruch festgestellt. Ein Test ergab eine Atemalkoholkonzentration von 0,3 Promille. Mit Schreiben vom 17. August 2007 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Im Gütetermin am 22. Februar 2008 verständigten sich die Parteien auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und die Entfernung der Abmahnungen von Januar und Februar 2007 aus der Personalakte. Der Kläger erklärte sich bereit, sich bei Verdacht auf Alkoholkonsum während der Arbeitszeit einer Alkoholkontrolle zu unterziehen. Entsprechende Tests im März und im September 2008 blieben ohne Befund.

5

Am Vormittag des 22. Mai 2009 - zwischen 10:00 und 12:00 Uhr - stellte eine Mitarbeiterin des Beklagten wiederum Alkoholgeruch beim Kläger fest. Tests ergaben eine Atemalkoholkonzentration von 0,39 Promille und einen Blutalkoholwert von 0,42 Promille. Der Kläger gab an, morgens ab 6:00 Uhr wegen starker Halsschmerzen mehrfach 10 bis 12 Tropfen „Meditonsin“ eingenommen zu haben.

6

Mit Schreiben vom 26. Mai 2009 hörte der Beklagte die im Betrieb gebildete Mitarbeitervertretung zu seiner Absicht an, das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. Dezember 2009 zu kündigen. Die Mitarbeitervertretung stimmte der fristgerechten Kündigung zu. Mit Schreiben vom 28. Mai 2009 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. Dezember 2009.

7

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, der Vorfall vom 22. Mai 2009 vermöge die Kündigungen nicht zu rechtfertigen. Es liege weder ein auf Krankheit beruhender Grund in seiner Person noch ein Grund in seinem Verhalten vor, der die Kündigung bedinge. Er habe nicht Alkohol, sondern Medizin zu sich genommen. Im Übrigen sei er selbst dann, wenn er in privatem Umfeld Alkohol konsumiert habe, als Therapeut von Suchtkranken nicht ungeeignet. Die Mitarbeitervertretung sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Sie sei über die näheren Umstände des gerichtlichen Verfahrens aus dem Jahr 2007 und über seine Bemühungen zur Verlängerung der Entwöhnungstherapie nicht ausreichend unterrichtet worden. Außerdem habe der Beklagte vor Ausspruch der Kündigung eine Eingliederungsmaßnahme versuchen müssen. Überdies sei die zum Umgang mit suchtkranken Beschäftigten abgeschlossene Dienstvereinbarung nicht beachtet worden. Der Kläger hat ferner Vergütung für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und darüber hinaus bis einschließlich Oktober 2010 geltend gemacht. Erhaltenes Arbeitslosengeld lässt er sich anrechnen.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung des Beklagten vom 28. Mai 2009 unwirksam ist;

        

2.    

für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 28. Mai 2009 den Beklagten zu verurteilen, an ihn 22.971,69 Euro brutto abzüglich 3.688,96 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus gestaffelten Beträgen ab unterschiedlichen Zeitpunkten sowie weitere 31.567,60 Euro brutto abzüglich 8.448,00 Euro netto zu zahlen.

9

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, schon die fristlose Kündigung sei wegen schwerwiegender Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen gerechtfertigt. Aufgrund des Rückfalls sei es ihm unmöglich, den Kläger weiter als Therapeuten von Suchtpatienten einzusetzen. Diese könnten auf untrügliche Art feststellen, dass er rückfällig geworden sei. Dieser Umstand gefährde die Therapie. Einer Maßnahme nach § 84 Abs. 2 SGB IX habe es nicht bedurft. Der Kläger weise keine dort vorausgesetzten längeren Fehlzeiten auf. Die Vorgaben der - zwischenzeitlich gekündigten - Dienstvereinbarung seien eingehalten worden. Die Mitarbeitervertretung habe er ordnungsgemäß unterrichtet. Ihr seien die Umstände des früheren Verfahrens bekannt gewesen.

10

Das Arbeitsgericht hat auf die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung erkannt und den Beklagten zur Gehaltszahlung bis zum 31. Dezember 2009 verurteilt. Soweit sie sich gegen die ordentliche Kündigung richtet, hat es die Klage abgewiesen. Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat es die Unwirksamkeit auch der ordentlichen Kündigung festgestellt und dem weitergehenden Zahlungsantrag des Klägers stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers stattgegeben hat. Im Übrigen ist sie weitgehend unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung als unwirksam erachtet (I.). Die ordentliche Kündigung ist dagegen wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Dezember 2009 aufgelöst (II.). Bis dahin kann der Kläger Vergütungszahlung verlangen; allerdings hat schon das Arbeitsgericht ihm zuviel Zinsen zugesprochen. Weitergehende Vergütungsansprüche stehen dem Kläger wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zu (III.).

12

I. Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung für unwirksam gehalten hat. Die fristlose Kündigung des Beklagten vom 28. Mai 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

13

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angesichts der konkreten Umstände des Falls und bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht ( BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13, NZA-RR 2012, 567; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36 ).

14

2. An eine Kündigung, die auf ein Verhalten des Arbeitnehmers gestützt wird, das im Zusammenhang mit einer Alkoholsucht steht, sind grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie an krankheitsbedingte Kündigungen zu stellen (BAG 9. April 1987 - 2 AZR 210/86 - zu B II der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 18). Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit; verstößt ein Arbeitnehmer infolge seiner Abhängigkeit gegen arbeitsvertragliche Pflichten, ist ihm zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung kein Schuldvorwurf zu machen (BAG 9. April 1987 - 2 AZR 210/86 - zu B II 2 der Gründe, aaO). Krankheit ist zwar nicht generell ungeeignet, einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Schon an eine ordentliche Kündigung wegen Erkrankung des Arbeitnehmers ist jedoch ein strenger Maßstab anzulegen. Eine außerordentliche Kündigung kommt daher nur in eng begrenzten Fällen in Betracht, etwa bei einem Ausschluss der ordentlichen Kündigung aufgrund tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen (BAG 16. September 1999 - 2 AZR 123/99 - zu II 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 159 = EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 2; 9. Juli 1998 - 2 AZR 201/98 - zu II 1 c der Gründe, EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 1).

15

3. Danach ist die fristlose Kündigung hier weder aus Gründen im Verhalten noch aus Gründen in der Person des Klägers gerechtfertigt.

16

a) Ein vorwerfbarer Pflichtverstoß liegt nicht vor. Zwar verletzt der Kläger, wenn er unter Alkoholeinfluss seine Tätigkeit ausübt, seine arbeitsvertraglichen Hauptpflichten. Die therapeutische Arbeit in der Entwöhnungsbehandlung von Suchterkrankten erlaubt es nicht, dass der Therapeut selbst unter Alkoholeinfluss steht. Die Vermittlung eines Bewusstseins dafür, die Sucht beherrschen zu können, würde erheblich erschwert. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Zustand einer - merklichen - Alkoholisierung durch den Konsum alkoholhaltiger Getränke oder die Einnahme alkoholhaltiger Medikamente herbeigeführt wurde. Dem Vorliegen einer Pflichtverletzung steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte den Kläger in Kenntnis von dessen Alkoholabhängigkeit eingestellt hat. Die Einstellung erfolgte in der Annahme, dass er „trocken“, also in der Lage sei, stabil abstinent zu leben. Aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit kann dem Kläger aber kein Schuldvorwurf gemacht werden.

17

b) Die fristlose Kündigung ist auch als krankheitsbedingte Kündigung nicht wirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB. Es sind keine Tatsachen festgestellt, aufgrund derer es dem Beklagten unzumutbar gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. Dezember 2009 fortzusetzen.

18

aa) Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses war für den Beklagten nicht ausgeschlossen, eine fristgerechte Beendigung des Arbeitsverhältnisses also grundsätzlich möglich.

19

bb) Die Kündigungsfrist betrug gemäß § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien iVm. § 33 Abs. 1 BAT-KF sieben Monate zum Monatsende. Sie war damit zwar nicht unbeträchtlich. Angesichts der Umstände des Streitfalls war dem Beklagten aber die Weiterbeschäftigung des Klägers bis zu ihrem Ablauf zumutbar. Zum einen war dem Beklagten von Beginn an bekannt, dass der Kläger Alkoholiker ist und damit das Risiko eines Rückfalls bestand. Zum anderen war der Kläger bereits Ende des Jahres 2006 rückfällig geworden, ohne dass dies seiner Weiterbeschäftigung ab sofort entgegengestanden hätte. Der Beklagte beließ es vielmehr zunächst bei Abmahnungen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Alkoholauffälligkeiten des Klägers auch nach seinem Rückfall vereinzelt geblieben sind. Der Kläger war überdies nach der Entwöhnungsbehandlung im Jahr 2007 zunächst für etwa vier Monate, zuletzt für anderthalb Jahre unauffällig. Damit war es dem Beklagten zuzumuten, den Kläger für die begrenzte Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen und solange ggf. etwas häufigere Kontrollen durchzuführen.

20

II. Die Revision ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht auch die fristgerechte Kündigung für unwirksam gehalten hat.

21

1. Die ordentliche Kündigung vom 28. Mai 2009 ist durch Gründe in der Person des Klägers bedingt und deshalb iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt.

22

a) Ist im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt, der Arbeitnehmer biete aufgrund einer Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr, in der Lage zu sein, die vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen, kann eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist, dass daraus eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen folgt, diese durch mildere Mittel - etwa eine Versetzung - nicht abgewendet werden kann und sie auch bei einer Abwägung gegen die Interessen des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss (vgl. zu den Anforderungen an krankheitsbedingte Kündigungen BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 18, EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 55).

23

b) Im Streitfall war im Zeitpunkt der Kündigung die Annahme gerechtfertigt, der Kläger biete aufgrund seiner Alkoholsucht nicht mehr die Gewähr, seine Tätigkeit als Ergotherapeut in der Suchtklinik des Beklagten auf Dauer ordnungsgemäß erbringen zu können.

24

aa) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, der Kläger sei nach Einnahme von Alkohol für die von ihm zu erbringende Tätigkeit als Therapeut von Suchtkranken nicht einsetzbar. Als Ergotherapeut arbeitet er eng mit den Patienten zusammen. Es besteht die Gefahr, dass diese in ihrem eigenen Kampf gegen die Sucht erheblich beeinträchtigt werden, wenn sie bemerken, dass ihr Therapeut unter Alkoholeinfluss steht.

25

bb) Aufgrund der Vorfälle in der Vergangenheit war im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt, beim Kläger sei auch künftig mit Alkoholauffälligkeiten während der Arbeitszeit zu rechnen.

26

(1) Eine Alkoholisierung war beim Kläger erstmals am 20. Dezember 2006 und am 5. Februar 2007 festgestellt geworden. Obwohl er sich im Zeitraum vom 14. März bis 24. April 2007 einer stationären Entwöhnungsbehandlung unterzogen hatte, wurde er am 16. August 2007 erneut alkoholauffällig. Zwar hat der Beklagte die wegen der ersten beiden Auffälligkeiten erteilten Abmahnungen aus der Personalakte entfernt und an der auf den Vorfall vom August 2007 gestützten Kündigung nicht festgehalten. Die zugrunde liegenden Tatsachen bleiben aber berücksichtigungsfähig. Am 22. Mai 2009 versah der Kläger abermals unter Alkoholeinfluss seinen Dienst.

27

(2) Dies rechtfertigte die Prognose, der Kläger habe seine Alkoholkrankheit auch nach der Entwöhnungsbehandlung nicht verlässlich unter Kontrolle. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass zwischen den beiden nach der Behandlung festgestellten Alkoholisierungen ein Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren lag. Er zeigt gerade, dass trotz der längeren „trockenen“ Periode eine günstige Prognose nicht gestellt werden konnte.

28

(3) Nach dem Vorbringen des Klägers ist nicht ersichtlich, warum für die Zukunft gleichwohl mit weiteren Beeinträchtigungen durch seine Alkoholabhängigkeit nicht zu rechnen gewesen sei. Er hat nicht etwa behauptet, dass er vor Ausspruch der Kündigung eine neuerliche, nunmehr möglicherweise erfolgreichere Entwöhnungsbehandlung durchgeführt habe. Unerheblich ist, ob die festgestellten Alkoholisierungen Folge der Einnahme alkoholhaltiger Medikamente oder alkoholhaltiger Getränke waren. Die Tätigkeit eines Therapeuten von Suchtkranken wird durch Alkoholauffälligkeiten während des Dienstes unabhängig davon beeinträchtigt, in welcher Form er den Alkohol zu sich genommen hat.

29

c) Aus dem Umstand, dass eine auf Dauer ordnungsgemäße Leistung des Klägers nicht zu erwarten war, folgt eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen.

30

aa) Der Beklagte musste befürchten, dass bei auch zukünftig zu erwartenden Alkoholauffälligkeiten des Klägers die sachgerechte Behandlung der Patienten beeinträchtigt und ein Therapieerfolg gefährdet würde. Schon eine solche Gefährdung ist für den Beklagten nicht hinnehmbar. Er hat gegenüber Patienten und Leistungsträgern die Pflicht, schädliche Einflüsse auf den Behandlungserfolg möglichst auszuschließen.

31

bb) Eine andere Möglichkeit, den Kläger zu beschäftigen, bestand nach dem Vorbringen des Beklagten nicht. Auch der Kläger hat sich auf eine solche Möglichkeit - etwa eines Einsatzes bei anderen als suchtkranken Patienten oder mit anderen als therapeutischen Tätigkeiten - nicht berufen. Den Beklagten trifft insoweit nicht deshalb eine erhöhte Darlegungslast, weil er vor der Kündigung kein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt hat. Diese Verpflichtung, deren Missachtung zu einer Erweiterung der Darlegungslast des Arbeitgebers hinsichtlich des Fehlens anderer Einsatzmöglichkeiten führen kann (vgl. dazu BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 44, BAGE 123, 234), betrifft nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nur Beschäftigte, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind. Diese Voraussetzung lag im Streitfall nicht vor.

32

d) Die Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt, dass die Belange des Beklagten überwiegen. Die mit der nicht beherrschten Alkoholabhängigkeit des Klägers einhergehenden Belastungen muss der Beklagte auf Dauer nicht hinnehmen.

33

aa) Hierbei kommt es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht entscheidend darauf an, dass mit erheblichen Ausfallzeiten des Klägers nicht zu rechnen war. Die Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen folgt nicht aus der Dauer der zu erwartenden krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers. Sie folgt daraus, dass wegen der beim Kläger auch künftig nicht auszuschließenden Alkoholauffälligkeiten während der Arbeitszeit eine sachgerechte Behandlung der Patienten nicht gewährleistet war. Selbst wenn der Kläger in einem anderen Umfeld auch unter Alkoholeinfluss ergotherapeutische Maßnahmen fachgerecht mag anleiten können, steht seiner weiteren Beschäftigung als Therapeut suchtkranker Patienten die von ihm nicht beherrschte Gefahr neuerlicher Alkoholauffälligkeiten während der Arbeitszeit entgegen.

34

bb) Das betriebliche Interesse des Beklagten, die ihm anvertrauten Suchtkranken nicht in die Behandlung eines Therapeuten zu geben, bei dem die Gefahr besteht, dass er während seiner Arbeit unter Alkoholeinfluss steht, wiegt schwer. Die Beschäftigung persönlich geeigneter Therapeuten liegt nicht nur im unmittelbaren unternehmerischen Interesse des Beklagten. Vielmehr verlangt auch die Verantwortung für die sachgerechte Behandlung der Patienten danach, mit dieser keine persönlich ungeeigneten Therapeuten zu betrauen.

35

cc) Es war dem Beklagten nicht zumutbar, der Gefahr einer Alkoholisierung des Klägers dauerhaft durch verstärkte Kontrollen zu begegnen. Eine effektive Kontrolle hätte stattzufinden, bevor es zu einem Kontakt mit den Patienten kommt. Sie vorzunehmen ist auf Dauer kaum möglich, dem Beklagten jedenfalls nicht zumutbar. Der Kläger war rückfälliger Alkoholiker. Es war davon auszugehen, dass er es darauf anlegen würde, Mittel und Wege zu finden, etwaige Kontrollen zu umgehen.

36

dd) Die Belange der Beklagten werden durch die Dauer der Betriebszugehörigkeit von zwölf Jahren und das Alter des Klägers von über 60 Jahren nicht aufgewogen. Der Beklagte hat dem Kläger nach Alkoholauffälligkeiten im Dienst mehrfach die Chance einer Bewährung gegeben. Er hat die stationäre Entwöhnungsbehandlung im Jahr 2007 abgewartet (vgl. zu diesem für die Interessenabwägung relevanten Gesichtspunkt BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 96) und auch nach einer erneuten Alkoholauffälligkeit im August 2007 an einer Kündigung nicht festgehalten. Er hat damit alles ihm Zumutbare für einen Erhalt des Arbeitsverhältnisses getan. Jedenfalls nach dem erneuten Vorfall im Mai 2009 überwogen seine Interessen an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

37

ee) Ein anderes Ergebnis wäre auch dann nicht gerechtfertigt, wenn - wie der Kläger geltend gemacht hat - die Entwöhnungsbehandlung im Jahr 2007 medizinisch nicht ausreichend gewesen wäre, der Versicherungsträger aber eine Verlängerung abgelehnt hätte. Das Scheitern der Behandlung wäre jedenfalls nicht dem Beklagten zuzurechnen. Der Kläger hat nicht etwa behauptet, dieser habe ihn zu einer unzureichenden oder zu kurzen Therapie gedrängt oder ihm eine längere Therapie verweigert.

38

2. Die Kündigung ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb unwirksam, weil der Beklagte gegen die „Dienstvereinbarung gemäß § 36 MVG zum Umgang mit Sucht“ vom 1. Januar 2004 verstoßen hätte.

39

a) Die Dienstvereinbarung sieht unter den Ziff. 3.1 bis 3.5 ein näher bestimmtes Verfahren für den Umgang mit Beschäftigten mit Suchtproblemen vor. § 36 Abs. 3 des Kirchengesetzes über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland(MVG-EKD) bestimmt, dass Dienstvereinbarungen unmittelbar gelten und im Einzelfall nicht abbedungen werden können.

40

b) Feststellungen zur Anwendbarkeit kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen. Einer Aufklärung bedarf es nicht. Selbst wenn unterstellt wird, dass § 36 Abs. 3 MVG-EKD Anwendung findet und danach die Einhaltung des in der Dienstvereinbarung vorgesehenen Verfahrens Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Kündigung wegen Alkoholabhängigkeit eines Mitarbeiters ist, ist die Kündigung nicht unwirksam. Das Verfahren nach der Dienstvereinbarung wurde eingehalten.

41

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es genüge nicht, dass die in der Dienstvereinbarung vorgesehenen Maßnahmen - Gespräche und Abmahnungen - vor Ausspruch der Kündigung im Jahr 2007 ergriffen worden seien, wenn es danach - wie im Streitfall - zu einer längeren beanstandungsfreien Tätigkeit gekommen sei.

42

bb) Diese Auffassung überzeugt nicht. Die Auslegung der Dienstvereinbarung führt - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - nicht dazu, dass der Beklagte nach der zwischenzeitlich beanstandungsfreien Ausübung der Tätigkeit des Klägers die einzelnen Reaktionsschritte erneut hätte durchführen müssen.

43

(1) Hat die Dienstvereinbarung, wie der Kläger meint, normativen Charakter, ist sie - ebenso wie Betriebsvereinbarungen - wie ein Gesetz auszulegen. Auszugehen ist dementsprechend vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner der Sinn und der Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (vgl. BAG 10. Februar 2009 - 1 AZR 767/07 - Rn. 27, BAGE 129, 302; 26. August 2008 - 1 AZR 346/07 - Rn. 21, EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 28).

44

(2) Wortlaut und Gesamtzusammenhang der Regelungen der Dienstvereinbarung ergeben, dass das dem Ausspruch einer Kündigung vorgeschaltete gestufte Interventionsverfahren jedenfalls nicht schon nach weniger als zwei Jahren Abstinenz erneut Anwendung finden muss. Dies entspricht dem erkennbaren Sinn und Zweck der Regelung. Das unter Ziff. 3 der Dienstvereinbarung geregelte Verfahren abgestufter Reaktionen auf jede weitere Suchtauffälligkeit eines Arbeitnehmers ist ersichtlich auf einen Erhalt des Arbeitsverhältnisses gerichtet. Es nimmt dafür einen längeren Interventionszeitraum in Kauf, sieht jedoch als letzte Maßnahme auch eine Kündigung und damit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor. Nicht vorgesehen ist, dass das Verfahren bei einem längeren Abstand zwischen zwei suchtbedingten Auffälligkeiten erneut und von vorne zu beginnen hätte. Unter Ziff. 5 der Dienstvereinbarung ist zwar bestimmt, dass abstinent lebende Suchtkranke nach zwei Jahren Anspruch darauf haben, Hinweise auf die Abhängigkeit aus der Personalakte zu entfernen. Dies lässt aber erkennen, dass eine Zeit der Abstinenz von weniger als zwei Jahren nach dem Willen der Regelungsgeber noch keine erhebliche Zäsur darstellt.

45

(3) Danach bedurfte es vor Ausspruch der Kündigung im Mai 2009 keiner neuerlichen Durchführung des in der Dienstvereinbarung vorgesehenen Verfahrens bei suchtauffälligen Arbeitnehmern. Seine Einhaltung vor Ausspruch der Kündigung im Jahr 2007 war ausreichend. Bei der Alkoholabhängigkeit des Klägers, die sowohl zur Kündigung im Jahr 2007 als auch zur hier streitgegenständlichen Kündigung führte, handelte es sich um eine im Sinne der Dienstvereinbarung einheitliche Suchtproblematik. Zwischen der Arbeitstätigkeit des Klägers unter Alkoholeinfluss am 16. August 2007 und der Alkoholauffälligkeit am 22. Mai 2009 lag ein Zeitraum von weniger als zwei Jahren. Beanstandungsfrei tätig war der Kläger von der Wiederaufnahme seiner Tätigkeit am 3. März 2008 bis zum Vorfall am 22. Mai 2009 sogar nur knapp 15 Monate.

46

(4) Auch aus dem Umstand, dass der Beklagte die zuvor erteilten Abmahnungen aus der Personalakte entfernt und an der ersten Kündigung nicht festgehalten hat, folgt nicht, dass das Verfahren nach der Dienstvereinbarung in den Stand vor Ausspruch der Abmahnungen zurückversetzt worden wäre. Der Beklagte war nicht gehalten, wegen der erneuten Alkoholauffälligkeit des Klägers wiederum zunächst nur eine Abmahnung auszusprechen. Die freiwillige Entfernung der schon erteilten Abmahnungen aus der Personalakte änderte nichts daran, dass diese im Sinne der Dienstvereinbarung wegen Suchtauffälligkeiten ausgesprochen worden waren. Dass auch die Parteien trotz ihrer Einigung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht davon ausgingen, Belastungen durch die Suchtauffälligkeiten des Klägers seien überwunden, zeigt sich daran, dass sich der Kläger bereit erklärte, sich bei einem Verdacht auf Alkoholkonsum während der Arbeitszeit einer Kontrolle zu unterziehen.

47

3. Die ordentliche Kündigung vom 28. Mai 2009 ist - unterstellt, auch das „Kirchengesetz über die Bildung von Mitarbeitervertretungen in kirchlichen Dienststellen in der Evangelischen Kirche im Rheinland (MVG-EKiR)“ komme zur Anwendung - nicht wegen fehlerhafter Anhörung der Mitarbeitervertretung unwirksam.

48

a) Gemäß § 42 Buchst. b MVG-EKiR hat die Mitarbeitervertretung bei einer ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Probezeit ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht nach §§ 41, 38 MVG-EKiR. Die Ausübung des Mitbestimmungsrechts setzt voraus, dass die Vertretung zuvor von der Dienststellenleitung über alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte informiert worden ist. Auch wenn sich die Unwirksamkeitssanktion nach § 38 Abs. 1 Satz 2 MVG-EKiR ausdrücklich nur auf Kündigungen ohne Beteiligung der Mitarbeitervertretung bezieht, ist sie im Interesse der Möglichkeit einer effektiven Ausübung des Mitbestimmungsrechts - vergleichbar der Situation nach § 102 Abs. 1 BetrVG - auf den Fall der unzureichenden Unterrichtung zu erstrecken(so auch Andelewski in Berliner Kommentar zum Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland § 38 Rn. 74; vgl. ferner Fey/Rehren Kirchengesetz der Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland Stand August 2012 § 38 Rn. 42 f.).

49

b) Der Beklagte hat die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 26. Mai 2009 ausreichend über die Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterrichtet. In dem Schreiben wurde auch auf die bereits 2007 ausgesprochene Kündigung und das im Zusammenhang mit ihr durchgeführte arbeitsgerichtliche Verfahren verwiesen. Damit hat der Beklagte die eine Kündigung aus seiner Sicht bedingenden Umstände hinreichend mitgeteilt. Ergänzender Hinweise auf die Umstände, unter denen das damalige Kündigungsschutzverfahren beendet wurde, bedurfte es nicht. Hierauf kam es aus Sicht des Beklagten für seinen Kündigungsentschluss nicht an. Die Anhörung ist auch nicht deshalb unvollständig, weil der Beklagte der Mitarbeitervertretung nicht den Schriftwechsel über den Versuch des Klägers vorgelegt hat, bei der Deutschen Rentenversicherung eine Verlängerung seiner sechswöchigen Entwöhnungsbehandlung zu erlangen. Für den Kündigungsentschluss des Beklagten war dieser vergeblich gebliebene Versuch ohne Belang. Es handelte sich auch nicht um einen der Mitarbeitervertretung mitzuteilenden entlastenden Umstand. Bei einer personenbedingten Kündigung kommt es nicht darauf an, ob und ggf. in welchem Maße die Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer vorwerfbar sind. Es kommt damit auch nicht darauf an, ob und ggf. welche „entlastenden“ Umstände es gibt. Maßgeblich ist, ob und in welchem Ausmaß auch künftig mit Störungen des Arbeitsverhältnisses zu rechnen ist, welche Beeinträchtigungen für den Arbeitgeber daraus folgen und ob diese ggf. so erheblich sind, dass sie die Interessen des Arbeitnehmers überwiegen.

50

III. Die Revision ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht den Beklagten zur Zahlung von Vergütung für Zeiten nach Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Dezember 2009 und von Zinsen auf die vollen Bruttobeträge der Vergütungen bis zu diesem Zeitpunkt verurteilt hat. Der Kläger hat dagegen Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung - abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes - für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 2009 aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG und § 615 Satz 1 BGB, § 11 Nr. 3 KSchG.

51

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand bis zum 31. Dezember 2009 fort. Soweit der Kläger arbeitsunfähig krank war - nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts vom 22. Mai bis zum 4. Juni 2009 - folgt der Vergütungsanspruch aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Im Übrigen ergibt er sich aus § 615 Satz 1 BGB, § 11 Nr. 3 KSchG. Der Beklagte befand sich nach Ausspruch der unwirksamen außerordentlichen Kündigung vom 22. Mai 2009 im Annahmeverzug iSd. §§ 293 ff. BGB. Der Anspruch des Klägers ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil er über die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit hinaus leistungsunfähig gewesen wäre (§ 297 BGB). Ein Arbeitnehmer ist leistungsunfähig iSv. § 297 BGB, wenn er aus Gründen in seiner Person die vertraglich vereinbarten Tätigkeiten selbst teilweise nicht mehr verrichten kann(BAG 18. März 2009 - 5 AZR 192/08 - Rn. 13, BAGE 130, 29).Dies war auch nach dem Vorbringen des Beklagten beim Kläger nicht der Fall. Die bloße Gefahr neuerlicher Alkoholauffälligkeiten während der Arbeitszeit ließ sein Leistungsvermögen nicht generell entfallen. Der Beklagte hat nicht behauptet, es habe insoweit etwa ein - eindeutiges (vgl. dazu BAG 18. März 2009 - 5 AZR 192/08 - Rn. 15, aaO) - Beschäftigungsverbot bestanden.

52

2. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 291 BGB. Er besteht allerdings nicht in der vom Kläger geltend gemachten und ihm von den Vorinstanzen zugesprochenen, auf die vollen Bruttobeträge abstellenden Höhe. Der Kläger kann im Umfang des von ihm ab August 2009 bezogenen Arbeitslosengeldes keine Zinsen verlangen (vgl. BAG 13. Juni 2002 - 2 AZR 391/01 - zu B II 2 c der Gründe, BAGE 101, 328).

53

IV. Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens waren im Verhältnis von jeweiligem Obsiegen und Unterliegen der Parteien zu teilen (§ 97 Abs. 1 iVm. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Bei einem Streitwert von 30.768,60 Euro in der Berufungs- und 29.127,77 Euro in der Revisionsinstanz - wegen § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG war der mit einem uneigentlichen Hilfsantrag verfolgte Zahlungsanspruch für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 nicht anzusetzen - ist der Kläger mit seinem gegen die ordentliche Kündigung gerichteten Antrag, dh. im Umfang eines Streitwerts von 4.922,52 Euro unterlegen.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    A. Claes    

        

    Sieg    

                 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Stralsund vom 18.08.2015 – 1 Ca 209/14 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung.

2

Die am … 1957 geborene Klägerin schloss am 20.01.2000 mit der Pommerschen Evangelischen Kirche (PEK) einen auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung als Verwaltungsangestellte beim Evangelischen Frauenwerk in Mecklenburg-Vorpommern mit Arbeitsbeginn 15.01.2000. Die regelmäßige Arbeitszeit betrug 20 Wochenstunden. Das Frauenwerk war eine gemeinsame Einrichtung der PEK und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs (ELLM), in der die beiden Landeskirchen ihre jeweilige Frauenarbeit zusammengeführt hatten. Die Zusammenarbeit war zunächst auf zwei Jahre ausgelegt, wurde aber später fortgeführt.

3

Die beiden Landeskirchen regelten die Tätigkeit des Evangelischen Frauenwerks auf der Grundlage einer Satzung. Danach arbeitet das Frauenwerk im Rahmen der Ordnungen beider Landeskirchen inhaltlich selbstständig (§ 1 Satz 2 der zuletzt maßgeblichen Satzung des Evangelischen Frauenwerkes in Mecklenburg-Vorpommern vom 01.03.2006). Das Evangelische Frauenwerk hat die Aufgabe, Frauen in ihren Lebensbezügen, in Familie, Kirche und Gesellschaft zu begleiten und ihnen darin die biblische Botschaft zu verkünden (§ 2 Abs. 1 der Satzung). Es fördert und begleitet die Frauenarbeit in den Kirchengemeinden und auf Kirchenkreisebene und fördert die Weiterbildung ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen. Es initiiert und unterstützt Veranstaltungen und Projekte in beiden Landeskirchen, die es Frauen ermöglichen, persönliche, pädagogische und theologische Kompetenzen zu entwickeln und spirituelle Erfahrungen zu sammeln (§ 2 Abs. 2 der Satzung). Das Evangelische Frauenwerk arbeitet mit anderen Einrichtungen, Diensten und Werken beider Trägerkirchen zusammen (§ 2 Abs. 3 der Satzung). Die Arbeit des Evangelischen Frauenwerks wird von einem Kuratorium verantwortet (§ 3 Abs. 1 Satz 1 der Satzung). Die Referentinnen und Mitarbeiterinnen des Evangelischen Frauenwerks werden im Rahmen des Stellenplans der jeweils dienstgebenden Kirche auf Vorschlag des Kuratoriums angestellt (§ 5 Abs. 1 der Satzung). Das Frauenwerk war in A-Stadt ansässig.

4

Der Arbeitsvertrag der Klägerin ist ebenso wie die drei Nachtragsvereinbarungen vom Konsistorialpräsidenten als Vertreter der PEK unterzeichnet und trägt das Siegel "Pommersche Evangelische Kirche Das Konsistorium". Der Leiter des Konsistoriums ist nach Art. 138 Satz 1 der Kirchenordnung der PEK vom 02.06.1950 (ABl. 1950 S. 29) in der Fassung vom 15.10.2000, zuletzt geändert durch Kirchengesetz vom 18.10.2009 (Abl. 2009 S. 86), unterschriftsberechtigt und befugt zu siegeln. Das Konsistorium besteht aus dem Kollegium und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Konsistoriums (Art. 143 Abs. 1 Kirchenordnung PEK). Zum Kollegium gehören der Bischof, die Superintendenten sowie weitere, in der Regel theologische und juristische Mitglieder, die von der Kirchenleitung im Haupt- und Nebenamt berufen werden (Art. 143 Abs. 2 Satz 1 Kirchenordnung PEK). Die Kirchenleitung bestellt aus den Mitgliedern des Kollegiums (mit Ausnahme des Bischofs) in der Regel einen Juristen zum Leiter des Konsistoriums (Art. 143 Abs. 3 Satz 1 Kirchenordnung PEK). Das Konsistorium führt die laufenden Geschäfte der Pommerschen Evangelischen Kirche; darüber hinaus nimmt es die Geschäfte der laufenden Verwaltung der Kirchenkreise und Kirchengemeinden wahr (Art 139 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 Kirchenordnung PEK). Es ist für alle Angelegenheiten der kirchlichen Verwaltung verantwortlich, die die kirchliche Ordnung nicht einer anderen Stelle überträgt, insbesondere für die Aufsicht über die Kirchengemeinden, Kirchenkreise und kirchlichen Amtsträger (Art 139 Abs. 2 Kirchenordnung PEK).

5

Am 05.02.2009 schlossen die PEK, die ELLM und die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche (NEK) den Vertrag über die Bildung einer Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Fusionsvertrag). In diesem Vertrag heißt es:

6

"…

7

IV.6 Landeskirchenamt

8


IV.6.3 Standort des Landeskirchenamts

9

IV.6.3.1 Das Landeskirchenamt hat seinen Sitz in C-Stadt. Es hat eine Außenstelle in S., in der Aufgaben wahrgenommen werden, deren Erfüllung in der Außenstelle aus funktionalen oder regionalen Gründen sachgerecht ist. Es können weitere Außenstellen - auch mit Sonderzuständigkeiten - gebildet werden.

10

IV.6.3.2 Die Präsidentin bzw. der Präsident des Landeskirchenamtes sowie die weiteren hauptamtlichen Mitglieder des Kollegiums haben ihren Dienstsitz in C-Stadt. Dies gilt auch für die Referentinnen und Referenten, sofern nicht aus regionalen oder funktionalen Gründen der Dienstsitz in der Außenstelle in S. oder einer anderen Außenstelle sachgerecht ist; besondere persönliche Belange sollen berücksichtigt werden. Den anderen Mitarbeitenden werden Aufgaben am bisherigen Dienstort bzw. am Außenstellensitz angeboten, die ihrer bisherigen Tätigkeit adäquat sind.

11

IV.7 Überleitung der Mitarbeitenden

12

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder in einem privatrechtlichen Anstellungsverhältnis zur Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs, Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche oder Pommerschen Evangelischen Kirche stehen, sind mit der Entstehung der gemeinsamen Kirche Mitarbeitende der Landeskirche. Betriebsbedingte Kündigungen aus Anlass des Entstehens der gemeinsamen Kirche sind ausgeschlossen. Änderungskündigungen zur Bestimmung des Dienstortes aus Anlass des Entstehens der gemeinsamen Kirche können ausgesprochen werden; IV.6.3.2 bleibt unberührt.

13

V. Dienste und Werke

14

V.2.1 Dienste und Werke organisieren sich auf der landeskirchlichen Ebene sowie auf der Ebene der Kirchenkreise.

15

V.2.5 Die Struktur der Dienste und Werke auf der landeskirchlichen Ebene wird in Hauptbereichen organisiert. Das Nähere regelt ein einheitliches Werkegesetz, dessen Inhalt sich am Kirchengesetz über die Organisation der Dienste und Werke der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Hauptbereichen kirchlicher Arbeit (GVOBl. 2008 S.110 ff.) orientiert.

16

V.2.6 Die Standorte der Dienste und Werke auf der landeskirchlichen Ebene können zentral oder dezentral lokalisiert sein.
…"

17

Am 27.08.2010 schlossen die PEK und die Mitarbeitervertretung des Konsistoriums, die ELLM und die Mitarbeitervertretung des Oberkirchenrates sowie die NEK und die Mitarbeitervertretung des Nordelbischen Kirchenamtes

18

"… aus Anlass der Neugestaltung der landeskirchlichen Verwaltung auf der Grundlage des Vertrages über die Bildung einer Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland nach § 36 i.V.m. § 40 Buchst. f des Kirchengesetzes über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland folgende Dienstvereinbarung über einen Sozialplan:

19

§ 1
Geltungsbereich

20

(1) Dieser Sozialplan gilt für alle Mitarbeitenden, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrages über die Bildung einer Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland am 15. April 2009 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis im Konsistorium in G., im Oberkirchenrat in S. und im Nordelbischen Kirchenamt (Kirchenverwaltungen) tätig waren.

21

(3) Maßnahmen im Sinne dieser Dienstvereinbarung sind alle Änderungen rechtlicher oder tatsächlicher Art, die sich aus Anlass der Neugestaltung der landeskirchlichen Verwaltung ergeben.

22

§ 3
Ziel des Sozialplanes

23

Ziel des Sozialplanes ist es, Nachteile für Mitarbeitende zu verhindern, zu mindern oder mindestens sozial abzufedern, die sich aus der Neugestaltung der landeskirchlichen Verwaltung ergeben können.

24

§ 4
Arbeitsplatzsicherung

25

Betriebsbedingte Kündigungen aus Anlass des Entstehens der gemeinsamen Kirche sind ausgeschlossen (IV.7 Vertrag über die Bildung einer Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland).

26

§ 5
Übertragung anderer Tätigkeiten

27

Allen Mitarbeitenden gemäß IV.6.3.2. Satz 3 des Vertrages über die Bildung einer Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland ist am bisherigen Dienstort eine adäquate Tätigkeit anzubieten, das heißt die neue Tätigkeit muss hinsichtlich der erforderlichen Qualifizierung, der Eingruppierung und des Beschäftigungsumfangs der bisherigen Arbeitsaufgabe entsprechen.

28

§ 10
Abfindung

29

(1) Mitarbeitende, die wegen der Zusammenlegung der Ämter aus dem Arbeitsverhältnis aufgrund eines Auflösungsvertrages ausscheiden, erhalten eine Abfindung nach Maßgabe der folgenden Tabelle:

30

Beschäftigungszeit

Vor dem vollendeten 45. Lebensjahr
Monatsbezüge

Nach dem vollendeten 45. Lebensjahr
Monatsbezüge

13 Jahre

10

13

 

31

32

§ 15
Rechtsnachfolge

33

Die Verpflichtungen der Dienstgeber aus dieser Dienstvereinbarung gehen bei der Bildung einer Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (§ 1) auf den neuen Dienstgeber über.

34

§ 16
Kündbarkeit

35

Dieser Sozialplan ist nicht kündbar. Er endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, wenn die Mitarbeitenden keine Ansprüche mehr aus dieser Dienstvereinbarung geltend machen können.
…“

36

Am Pfingstsonntag, 27.05.2012, traten die Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) sowie das Einführungsgesetz zur Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, mit dem die Mitarbeiter der einzelnen Landeskirchen auf die Nordkirche übergeleitet wurden, in Kraft.

37

Zum 01.10.2012 nahm die Klägerin eine weitere Teilzeitbeschäftigung in A-Stadt bei einem anderen kirchlichen Rechtsträger auf. Dieses Arbeitsverhältnis mit dem Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis war auf zwei Jahre, d. h. bis zum 30.09.2014, befristet.

38

Anfang 2013 entschied die Beklagte, den Dienstsitz des Evangelischen Frauenwerks in Mecklenburg-Vorpommern von A-Stadt nach R. zu verlegen. Die Standortentscheidung beruht darauf, dass in R. mehrere kirchliche Einrichtungen, wie z. B. die Fachstelle Männerarbeit, das Jugendpfarramt, die Erwachsenenbildung, in einem Gebäude zusammengeführt werden sollten.

39

Unter dem Datum 20./28.06.2013 schloss die Beklagte, vertreten durch die Leiterin des Hauptbereichs "Frauen, Männer, Jugend", mit der Klägerin unter Bezugnahme auf die vorangegangenen Verträge einen Änderungsvertrag, in dem es heißt:

40

"…

§ 1

41

An die Stelle der Pommerschen Evangelischen Kirche ist im Wege der Gesamtrechtsnachfolge mit Wirkung vom 27. Mai 2012 die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland getreten. An die Stelle des Konsistoriums ist der Hauptbereich „Frauen, Männer, Jugend“ Arbeitsbereich Frauenwerk der Nordkirche getreten.

§ 2

42

Für das Arbeitsverhältnis gilt der Kirchliche Arbeitnehmerinnen Tarifvertrag (KAT) vom 1. Dezember 2006 in der jeweils geltenden Fassung und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge nach Maßgabe des Tarifvertrages zur Überleitung der Arbeitnehmerinnen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs (ELLM) und der Pommerschen Evangelischen Kirche (PEK) in den Kirchlichen Arbeitnehmerinnen Tarifvertrag (KAT) vom 7. Dezember 2011.
…"

43

Hauptbereiche sind eigenständige Arbeitseinheiten der Kirche ohne Rechtspersönlichkeit, in denen rechtlich unselbstständige Träger kirchlicher Arbeit sowie rechtlich selbstständige Träger kirchlicher Arbeit aufgabenbezogen zusammenarbeiten (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Hauptbereichsgesetz der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 11.03.2008).

44

Am 24.09.2013 zog die Geschäftsstelle des Frauenwerks von A-Stadt nach R. um. Daraufhin beendeten die Parteien das Arbeitsverhältnis mit Auflösungsvertrag vom 15.10.2013 einvernehmlich zum 31.10.2013 gegen Zahlung einer nach § 1a KSchG berechneten Abfindung in Höhe von € 9.630,- brutto. Die monatliche Bruttovergütung der Klägerin belief sich zuletzt auf € 1.371,75.

45

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihr stehe die höhere Abfindung aus dem Sozialplan vom 27.08.2010 zu, weshalb die Beklagte den Differenzbetrag nachzuzahlen habe. Die Klägerin sei im Konsistorium der PEK beschäftigt gewesen. Die Beklagte habe das indirekt mit dem Änderungsvertrag vom 20./26.06.2013 bestätigt, in dem es heiße, dass an die Stelle des Konsistoriums nunmehr der Hauptbereich "Frauen, Männer, Jugend" getreten sei. Die Klägerin sei wegen der Zusammenlegung der Ämter aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Aufgrund dessen sei ihre Arbeitsstelle in A-Stadt weggefallen. Zumindest sei der Sozialplan nach dem Gleichbehandlungsgebot auf sie entsprechend anzuwenden. Es gebe keinen sachlichen Grund, der Klägerin die Sozialplanabfindung vorzuenthalten, während sie anderen ausgeschiedenen Verwaltungsmitarbeitern gezahlt worden sei.

46

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

47

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 8.202,75 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.01.2014 zu zahlen.

48

Die Beklagte hat beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Sie hat die Ansicht vertreten, der Sozialplan finde auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin keine Anwendung. Die Klägerin habe ihren Arbeitsplatz nicht im Konsistorium, sondern im Frauenwerk gehabt. Von dem Zusammenschluss der drei Kirchen seien nur die Mitarbeiter in den jeweiligen Kirchenverwaltungen, also dem Konsistorium, dem Oberkirchenrat und dem Nordelbischen Kirchenamt, betroffen gewesen, nicht aber die Mitarbeiter der Werke und Dienste. Der Sozialplan gelte nur für die unmittelbar von der Fusion Betroffenen, nämlich die Mitarbeiter in den drei landeskirchlichen Verwaltungen, bei denen ein Personalabbau zu erwarten gewesen sei. Die Entscheidung zur Verlegung der Geschäftsstelle des Frauenwerks von A-Stadt nach R. sei hingegen erst ein Jahr nach der Kirchenfusion getroffen worden.

51

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung angeführt, dass die Klägerin nicht unter den Sozialplan vom 27.08.2010 falle, da sie weder im Konsistorium noch in G. tätig gewesen sei. Das Evangelische Frauenwerk nehme gänzlich andere Aufgaben wahr als das Konsistorium. Die Klägerin habe zwar mit dem Konsistorium zusammengearbeitet, aber nicht im Konsistorium gearbeitet. Soweit der Begriff Konsistorium in den Arbeitsverträgen erscheine, beziehe sich das auf die gesetzlichen Vertretungsverhältnisse. Die Klägerin sei zudem nicht wegen der Zusammenlegung der Ämter ausgeschieden. Die Verlegung der Geschäftsstelle des Frauenwerks von A-Stadt nach R. stehe nicht im Zusammenhang mit der Kirchenfusion. Schließlich sei auch der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt, da es jedenfalls einen sachlichen Grund für eine unterschiedliche Behandlung der Klägerin gebe. Einzelne Entlassungen seien nicht sozialplanpflichtig. Zudem sei der Entscheidungsspielraum der Betriebspartner zu berücksichtigen.

52

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Das Arbeitsgericht habe den Anwendungsbereich des Sozialplans zu eng ausgelegt. Der Sozialplan gelte für alle betroffenen Verwaltungsbeschäftigten. Dass die Geschäftsstelle des Frauenwerks zufällig in A-Stadt gewesen sei, ändere nichts daran, dass die Klägerin dem Konsistorium angehört habe. Sie hätte dieselbe Tätigkeit auch in G. erledigen können. Der Sozialplan habe das Ziel, Nachteile aus der Neugestaltung der landeskirchlichen Verwaltung auszugleichen. Das müsse auch für die Klägerin gelten. Im Übrigen gebe es keinen sachlichen Grund, die Klägerin von den Sozialplanansprüchen auszuschließen. Der Zusammenschluss der Landeskirchen treffe sie genauso wie die in G. tätigen Verwaltungsmitarbeiter. Die Verlagerung ihres Arbeitsplatzes von A-Stadt nach R. hänge ausschließlich mit der Kirchenfusion zusammen. Die Nordkirche sei darauf bedacht, ihre Einrichtungen in zentraleren Lagen anzusiedeln.

53

Die Klägerin beantragt,

54

das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 18.08.2015 - 1 Ca 209/14 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 8.202,75 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.01.2014 zu zahlen.

55

Die Beklagte beantragt,

56

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

57

Sie ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe zutreffend entschieden. Nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck erfasse der Sozialplan nur die von der Fusion unmittelbar betroffenen Mitarbeiter in den einzelnen Kirchenverwaltungen, nicht jedoch alle Arbeitsverhältnisse der Landeskirchen. In der Kirche gebe es zahlreiche Arbeitsbereiche, die gerade nicht Bestandteil der Kirchenverwaltung seien, z. B. Schulen in kirchlicher Trägerschaft, Telefon-, Krankenhaus-, Gefängnisseelsorge, Kirchenmusikalische Arbeit usw. Für all diese Arbeitsbereiche gelte der Sozialplan nicht.

58

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe

59

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Berufungsgericht schließt sich den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts an.

60

Die Klägerin hat keinen Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan vom 27.08.2010, da sie nicht unter dessen Geltungsbereich fällt.

61

Der Sozialplan gilt für alle Mitarbeitenden, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrages über die Bildung einer Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland am 15. April 2009 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis im Konsistorium in G., im Oberkirchenrat in S. und im Nordelbischen Kirchenamt (Kirchenverwaltungen) tätig waren (§ 1 Abs. 1). Eine Abfindung erhalten Mitarbeitende, die wegen der Zusammenlegung der Ämter aus dem Arbeitsverhältnis aufgrund eines Auflösungsvertrages ausscheiden (§ 10 Abs. 1).

62

Bei der Auslegung einer Dienstvereinbarung ist vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn auszugehen. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner der Sinn und der Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 - Rn. 43, juris = NZA-RR 2013, 627).

63

Die Klägerin war weder im Konsistorium in G. noch im Oberkirchenrat in S. noch im Nordelbischen Kirchenamt tätig.

64

Der Sozialplan erstreckt sich seinem Wortlaut nach gerade nicht auf alle Mitarbeiter der drei Landeskirchen, sondern nur auf diejenigen Mitarbeiter der jeweiligen Kirchenverwaltung. Die einzelnen Dienstgeber und die Mitarbeitervertretungen haben den Anwendungsbereich des Sozialplans bewusst auf einen bestimmten Mitarbeiterkreis eingegrenzt. Der Sozialplan gilt nur für solche Mitarbeiter, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in bestimmten Organisationseinheiten tätig waren, also z. B. im Konsistorium. Um diesen begrenzten Anwendungsbereich nochmals zu verdeutlichen, haben es die Verfasser des Sozialplans nicht dabei belassen, die Organisationseinheit zu benennen, sondern haben Ortsangaben hinzugefügt, z. B. "in G.". Zu weiteren Erläuterung haben sie den Klammerzusatz "Kirchenverwaltungen" angehängt.

65

Das entspricht dem Sinn und Zweck des Sozialplans. Die Mitarbeiter in den Kirchenverwaltungen sind diejenige Personengruppe, bei der nicht nur ein rechtlicher Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die neu gebildete Kirche anstand, sondern bei denen Veränderungen ihres Aufgabengebiets bzw. ihres Dienstortes zu erwarten waren. Die Fusion der drei Landeskirchen als solche greift noch nicht in die konkreten Arbeitsbedingungen ein. Ob die sich daran anschließenden organisatorischen Maßnahmen bei den Mitarbeitern zu wirtschaftlichen Nachteilen führen, die es auszugleichen gilt, hängt von der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung ab. Der Sozialplan beruht auf § 40 Buchst. f des Kirchengesetzes über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG.EKD). Danach sind Sozialpläne insbesondere bei Auflösung, Einschränkung, Verlegung und Zusammenlegung von Dienststellen oder erheblichen Teilen von ihnen aufzustellen. Als der Sozialplan vom 27.08.2010 geschlossen wurde, stand bereits fest, dass die bisherigen Kirchenverwaltungen der drei Landeskirchen zusammengelegt und zum Teil verlegt werden. Nach Ziffer IV.6.3.1 des Vertrages über die Bildung einer Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland vom 05.02.2009 ist der zukünftige Sitz des Landeskirchenamtes in C-Stadt, während sich in S. eine Außenstelle befindet. Auf die damit verbundene Ver- und Zusammenlegung von Dienststellen oder Dienststellenteilen bezieht sich der Sozialplan. Dementsprechend knüpft er die Abfindungszahlung an eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses "wegen der Zusammenlegung der Ämter" (§ 10 Abs. 1). Der Sozialplan hat den Zweck, evtl. wirtschaftliche Nachteile derjenigen Mitarbeiter zu mildern oder auszugleichen, bei denen sich eine Änderung ihres Aufgabengebiets oder ihres Dienstortes bereits unmittelbar abzeichnete. Das sind die Mitarbeiter in den Kirchenverwaltungen. Bei den Mitarbeitern der Dienste und Werke standen derart weitreichende Veränderungen zum damaligen Zeitpunkt nicht an. Zwar war es notwendig, die Dienste und Werke in eine neue Organisationsstruktur zu überführen. Damit war aber nicht zwangsläufig eine räumliche Verlagerung von Aufgaben oder eine Zusammenlegung von Dienststellen verbunden (vgl. Ziffer V.2.6 Fusionsvertrag). Soweit in den Diensten und Werken unternehmerische Entscheidungen getroffen werden, ist hierzu ggf. ein weiterer Sozialplan zu schließen. Der Sozialplan vom 27.08.2010 ist jedenfalls nicht auf evtl. zukünftige organisatorische Maßnahmen ausgelegt.

66

Die Klägerin hatte ihren Arbeitsplatz nicht im Konsistorium. Unerheblich ist, wer den Arbeitsvertrag und die Änderungsverträge unterzeichnet hat. Nach § 1 Abs. 1 des Sozialplans vom 27.08.2010 ist allein maßgeblich, in welcher Organisationseinheit der Mitarbeiter zum Stichtag 15.04.2009 tätig war, also tatsächlich seinen Arbeitsplatz hatte. Das Konsistorium führt die laufenden Geschäfte der PEK und nimmt die Geschäfte der laufenden Verwaltung der Kirchenkreise und Kirchengemeinden nach dem geltenden Recht und entsprechend den von der Kirchenleitung aufgestellten Grundsätzen wahr (Art. 139 Abs. 1 und Abs. 3 Kirchenordnung PEK). Die Klägerin hat weder die laufenden Verwaltungsgeschäfte der Landeskirche noch diejenigen der Kirchenkreise oder Kirchengemeinden wahrgenommen. Vielmehr war sie als Verwaltungsangestellte des Evangelischen Frauenwerkes mit den laufenden Verwaltungsgeschäften des Frauenwerkes als gemeinsamer Einrichtung der PEK und der ELLM befasst. Das Evangelische Frauenwerk ist eine eigenständige Einrichtung, die inhaltlich selbstständig arbeitet und eine spezielle Aufgabe verfolgt. Es arbeitet zwar mit anderen Einrichtungen, Diensten und Werken zusammen, ist aber deshalb nicht Bestandteil der landeskirchlichen Verwaltung. Die Klägerin hatte nicht die Aufgabe, Verwaltungsangelegenheiten der Landeskirche, der Kirchenkreise oder der Kirchengemeinden wahrzunehmen. Als Verwaltungsangestellte des Evangelischen Frauenwerks war sie vielmehr dafür zuständig, die dort anfallenden Verwaltungsvorgänge zu erledigen. Die Kontakte mit der landeskirchlichen Verwaltung beschränkten sich auf dieses Aufgabengebiet.

67

Aus § 1 des Änderungsvertrages vom 20./28.06.2013 lässt sich nicht entnehmen, dass die Klägerin zuvor Mitarbeiterin des Konsistoriums (vgl. Art. 143 Abs. 1 Kirchenordnung PEK) war. § 1 des Änderungsvertrages enthält keine Regelung, sondern lediglich eine Feststellung der aktuellen rechtlichen Verhältnisse. Der erste Satz bezieht sich auf den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die jetzige Arbeitgeberin, also die Beklagte. Der zweite Satz beschreibt die aktuellen Vertretungsverhältnisse. Während die PEK vom Konsistorium rechtsgeschäftlich vertreten wurde, wird die Beklagte, was das Arbeitsverhältnis der Klägerin betrifft, rechtsgeschäftlich vertreten durch den Hauptbereich "Männer, Frauen, Jugend". Das Konsistorium war im ursprünglichen Arbeitsvertrag nicht als Beschäftigungsort, sondern nur als vertretungsberechtigtes Organ der PEK genannt. Ihre Arbeit hatte die Klägerin beim Evangelischen Frauenwerk zu leisten (§ 1 des Arbeitsvertrages vom 20.01.2000). Der Hinweis unter § 1 Satz 2 im Änderungsvertrag stellt lediglich klar, dass nach dem Wegfall des Konsistoriums dessen Funktion als Vertretungsorgan nunmehr der Hauptbereich "Frauen, Männer, Jugend" übernommen hat, dem das Frauenwerk organisatorisch zugeordnet ist.

68

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Gleichbehandlung mit Arbeitnehmern, die im Konsistorium, im Oberkirchenrat oder im Nordelbischen Kirchenamt tätig waren. Die Beschränkung des Sozialplans auf eine bestimmte Organisationsmaßnahme und die davon Betroffenen verstößt nicht gegen die Grundsätze von Recht und Billigkeit.

69

Nach § 33 Abs. 1 Satz 3 MVG.EKD haben Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung darauf zu achten, dass alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nach Recht und Billigkeit behandelt werden. Dazu gehört die Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Situationen (vgl. BAG, Urteil vom 10. November 2015 - 3 AZR 576/14 - Rn. 21, juris = AP Nr. 76 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung). Sind für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Rechtsfolgen - insbesondere unterschiedliche Leistungen - vorgesehen, verlangt der Gleichheitssatz, dass diese Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist. Maßgeblich hierfür ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (BAG, Urteil vom 14. Mai 2013 - 1 AZR 43/12 - Rn. 18, juris = AP Nr. 58 zu § 75 BetrVG 1972).

70

Ein Sozialplan verfolgt das Ziel, konkret absehbare oder bereits eingetretene wirtschaftliche Nachteile von Mitarbeitern auszugleichen oder abzumildern (BAG, Urteil vom 01. Februar 2011 - 1 AZR 417/09 - Rn. 22, juris = AP Nr. 211 zu § 112 BetrVG 1972). Dabei geht es um wirtschaftliche Nachteile, die den Dienstnehmern durch bestimmte organisatorische Maßnahmen drohen, insbesondere bei Auflösung, Einschränkung, Verlegung und Zusammenlegung von Dienststellen oder erheblichen Teilen von ihnen (§ 40 Buchst. f MVG.EKD). Die Neugestaltung der landeskirchlichen Verwaltung nach dem Zusammenschluss der drei Landeskirchen ist eine solche Maßnahme, die sich unmittelbar auf die Mitarbeiter in den bisherigen Kirchenverwaltungen auswirkt und zu wirtschaftlichen Nachteilen führen kann. Bei Abschluss des Sozialplans im August 2010 war offenkundig, dass es bei diesem Personenkreis zu einer Veränderung des Dienstortes oder der Arbeitsaufgaben kommen kann. Umstrukturierungen in anderen Bereichen waren seinerzeit nicht konkret absehbar. Der Sozialplan erstreckt sich deshalb nur auf die bevorstehende Neugestaltung der landeskirchlichen Verwaltung und die bislang in diesem Bereich tätigen Mitarbeiter. Eben weil der Sozialplan nur eine begrenzte Maßnahme und einen begrenzten Personenkreis erfasst, war es möglich, eine Kündigung des Sozialplans auszuschließen.

71

Mit diesem Personenkreis ist die Klägerin nicht vergleichbar, worauf bereits das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat. Es handelt sich um unterschiedliche, zeitlich versetzte organisatorische Maßnahmen. Von der Zusammenlegung der Kirchenverwaltungen ist die Klägerin nicht betroffen. Die Verlagerung der Geschäftsstelle des Frauenwerks von A-Stadt nach R. geht nicht auf den Fusionsvertrag der drei Landeskirchen zurück, sondern auf eine spätere eigenständige Organisationsentscheidung des zuständigen Hauptbereichs. Eine solche zeitlich nachfolgende Strukturmaßnahme konnte der Sozialplan nicht erfassen, da sie ihrem Inhalt nach seinerzeit nicht absehbar war.

72

Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Klägerin zu tragen. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. August 2013 - 7 Sa 83/13 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer durch Betriebsvereinbarung geregelten Altersgrenze.

2

Der am 1. Juni 1947 geborene Kläger war seit dem 1. April 1984 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag vom 20./23. März 1984 heißt es:

        

„2.     

Vertragsbeginn und Vertragsdauer

        

…       

        
        

2.2     

Das Arbeitsverhältnis ist als Probezeit zunächst bis zum 31. März 1985 befristet. Hat einer der Vertragspartner nicht die Absicht, das Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortzusetzen, so wird er dies schriftlich bis zum 31. Januar 1985 ankündigen.

        

…       

        
        

5.    

Allgemeine Regelungen

                 

…       

                 

Die Arbeits- und Sozialordnung (ASO), … sowie alle anderen Betriebsvereinbarungen in der jeweils geltenden Fassung sind Bestandteile des Arbeitsvertrages.

                 

…“    

3

In der bei der Beklagten als Betriebsvereinbarung abgeschlossenen „Arbeits- und Sozialordnung“ (ASO) war zu diesem Zeitpunkt bestimmt:

        

14. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

        

14.1 Allgemeine Gründe

        

Das Arbeitsverhältnis wird beendet:

        

…       

        
        

c)    

nach Ablauf des Kalendermonats, in dem der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet,

        

…“    

        
4

Die ASO wurde zum 1. März 2008 teilweise neu gefasst. Nr. 14.1 Buchst. c ASO blieb jedoch unverändert. Nach einer am 20. Dezember 2012 zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten Änderung der Altersgrenzenregelung wird das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats beendet, in dem der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht, ohne dass es einer besonderen Kündigung bedarf.

5

Mit Schreiben vom 18. Januar 2012 äußerte der Kläger gegenüber der Beklagten den Wunsch, nach Vollendung des 65. Lebensjahres seine Berufstätigkeit fortzusetzen. Dies lehnte die Beklagte unter Hinweis auf die nach der ASO eintretende Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. Der Kläger erhält seit Juli 2012 eine gesetzliche Rente sowie Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung der Beklagten.

6

Mit seiner am 3. Juli 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, das Arbeitsverhältnis habe nicht durch die in der ASO enthaltene Altersgrenzenregelung geendet. Diese sei nach § 41 Satz 2 SGB VI sowie wegen einer nach dem AGG unzulässigen Benachteiligung wegen des Alters unwirksam. Sein Arbeitsvertrag sehe keine auf das Erreichen der Regelaltersgrenze bezogene Befristung vor. Diese Abrede gehe als günstigere Absprache der in der ASO enthaltenen Altersgrenzenregelung vor. Wie andere Arbeitnehmer habe auch er nach Erreichen der Altersgrenze weiterbeschäftigt werden müssen. Die darauf gerichtete Weigerung der Beklagten sei rechtsmissbräuchlich. Diese habe seine Bewerbung nicht wegen seines Lebensalters ablehnen dürfen.

7

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung gemäß Nr. 14.1 Buchst. c der Arbeits- und Sozialordnung der Beklagten vom 20. April 1971 idF vom 1. März 2008 zum 30. Juni 2012 beendet worden ist, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 30. Juni 2012 hinaus zu einem monatlichen Gehalt iHv. 6.580,32 Euro brutto als „Manager Business Support/Training Region Emerging Markets EMEA“ zu den sonstigen Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 20./23. März 1984 unbefristet weiterzubeschäftigen.

8

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Befristungskontrollklage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat nach Nr. 14.1 Buchst. c ASO mit Ablauf des 30. Juni 2012 geendet. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

11

I. Die Klage ist zulässig. Bei dem Antrag zu 1. handelt es sich trotz des Antragswortlauts ausschließlich um eine Befristungskontrollklage gemäß § 17 Satz 1 TzBfG. Dies ergibt die Auslegung des Klageantrags unter Berücksichtigung der Klagebegründung. Die Parteien streiten ausschließlich über die Wirksamkeit der Befristung zum 30. Juni 2012. Andere Beendigungstatbestände sind nicht im Streit. Es ist deshalb davon auszugehen, dass dem letzten Halbsatz des Klageantrags keine eigenständige Bedeutung im Sinne einer allgemeinen Feststellungsklage beizumessen ist. Der zu 2. erhobene Beschäftigungsantrag ist nur für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. gestellt. Einen Antrag auf Vertragsfortsetzung oder Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses macht der Kläger nicht geltend.

12

II. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nach Nr. 14.1 Buchst. c ASO mit Ablauf des 30. Juni 2012 geendet. Die dort normierte Altersgrenze ist wirksam. Eine für den Kläger günstigere Vereinbarung über die Dauer seines Arbeitsverhältnisses besteht nicht. Die weiteren von ihm geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe gegenüber der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2012 liegen nicht vor.

13

1. Betriebsvereinbarungen können eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze bestimmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenzen in freiwilligen Betriebsvereinbarungen von der Regelungskompetenz der Betriebsparteien umfasst (grundlegend BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 der Gründe, BAGE 63, 211), müssen aber die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG beachten und mit höherrangigem Recht vereinbar sein(§ 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Das ist im Individualprozess gerichtlich voll überprüfbar (BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 13 ff., 22, BAGE 120, 308).

14

a) Bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen müssen die Betriebsparteien die Bestimmungen des TzBfG beachten (vgl. BAG 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 29, BAGE 136, 270). Von den zwingenden Regelungen in § 14 TzBfG kann nach § 22 Abs. 1 TzBfG nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Demzufolge bedürfen auch Befristungsregelungen in Betriebsvereinbarungen zu ihrer Wirksamkeit eines sie rechtfertigenden Sachgrunds iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG(BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 27).

15

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine mit Erreichen des Regelrentenalters verknüpfte Altersgrenzenregelung in einer Betriebsvereinbarung die Befristung des Arbeitsverhältnisses iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sachlich rechtfertigen. Zwar verfolgt der Arbeitnehmer mit seinem Wunsch nach einer dauerhaften Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses über das Regelrentenalter hinaus legitime wirtschaftliche und ideelle Anliegen. Das Arbeitsverhältnis sichert seine wirtschaftliche Existenzgrundlage und bietet ihm die Möglichkeit beruflicher Selbstverwirklichung. Jedoch hat der Arbeitnehmer bei Erreichen der Regelaltersgrenze regelmäßig ein langes Berufsleben hinter sich. Daneben war er typischerweise von der Anwendung der Altersgrenzenregelung durch seinen Arbeitgeber selbst begünstigt, weil sich seine Einstellungs- und Aufstiegschancen durch das altersbedingte Ausscheiden anderer Arbeitnehmer verbessert haben. Demgegenüber steht das Bedürfnis des Arbeitgebers nach einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung. Dessen Interessen überwiegen das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers, wenn dieser durch den Bezug einer Regelaltersrente wirtschaftlich abgesichert ist. Endet das Arbeitsverhältnis durch die vereinbarte Altersgrenze, verliert der Arbeitnehmer den Anspruch auf die Arbeitsvergütung, die ihm bisher zum Bestreiten seines Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden hat. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Altersgrenzenregelung ist verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt, wenn an die Stelle der Arbeitsvergütung die Möglichkeit eines dauerhaften Bezugs von Leistungen aus einer Altersversorgung tritt. Die Anbindung an eine rentenrechtliche Versorgung bei Ausscheiden durch eine Altersgrenze ist damit Bestandteil des Sachgrunds. Die Wirksamkeit der Befristung ist allerdings nicht von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers bei Erreichen der Altersgrenze abhängig (BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 30).

16

b) Der in einer Betriebsvereinbarung vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des Regelrentenalters steht auch das Verbot der Altersdiskriminierung aus § 75 Abs. 1 BetrVG, § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1, § 1 AGG nicht entgegen. Eine solche Befristung des Arbeitsverhältnisses führt zwar zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters, die aber - abhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung - nach § 10 Satz 3 Nr. 5, Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig sein kann.

17

aa) Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. Die Vorschrift enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote in § 75 Abs. 1 BetrVG übernommen. Die unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen aus einem in § 1 AGG genannten Grund ist daher nur unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig(BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 14).

18

bb) § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG erlauben die in einer Altersgrenzenvereinbarung nach § 10 Satz 3 Nr. 5 Halbs. 1 AGG enthaltene unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber die sich aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) ergebenden Vorgaben in nationales Recht umgesetzt (BT-Drs. 16/1780 S. 1 bis 3 und S. 20 bis 27).

19

cc) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union steht die Regelung über die Zulässigkeit von Altersgrenzen in § 10 Satz 3 Nr. 5 Halbs. 1 AGG wegen des mit ihr verfolgten arbeits- und beschäftigungspolitischen Ziels im Einklang mit Unionsrecht (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 51, Slg. 2010, I-9391). Der Gerichtshof hat Altersgrenzenvereinbarungen iSv. § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG, die an die das Alter und die Beitragszahlung betreffenden Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente anknüpfen, grundsätzlich als solche angesehen, die eine Ungleichbehandlung wegen des Alters iSd. Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG als objektiv und angemessen erscheinen lassen und im Rahmen des nationalen Rechts rechtfertigen können. Bei diesen handele es sich um Instrumente der nationalen Arbeitsmarktpolitik, mit denen über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen der Zugang zur Beschäftigung gefördert werden soll (vgl. EuGH 5. Juli 2012 - C-141/11 - [Hörnfeldt] Rn. 29). Die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente erfüllen, sei seit längerer Zeit Teil des Arbeitsrechts zahlreicher Mitgliedstaaten und in den Beziehungen des Arbeitslebens weithin üblich. Dieser Mechanismus - so der Gerichtshof - beruhe auf einem Ausgleich zwischen politischen, wirtschaftlichen, sozialen, demografischen und/oder haushaltsbezogenen Erwägungen und betreffe die Entscheidung der Mitgliedstaaten über die Dauer der Lebensarbeitszeit der Arbeitnehmer (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 44 f., aaO).

20

dd) Diese Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch für die Beurteilung der Zulässigkeit von auf dem Alter beruhenden Ungleichbehandlungen in betrieblichen Vereinbarungen. Die Betriebsparteien können daher mit ihren Regelungen sozial- und beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Richtlinie 2000/78/EG verfolgen, sofern die zur Erreichung dieser Ziele eingesetzten Mittel angemessen und erforderlich sind und nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgehen (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar] Rn. 43, 46, 49). Der Gerichtshof sieht Arbeitgeber und Betriebsrat als Sozialpartner an (vgl. EuGH 9. Dezember 2004 - C-19/02 - [Hlozek] Rn. 38, Slg. 2004, I-11491), denen bei der Entscheidung über die Verfolgung eines bestimmten sozial- und beschäftigungspolitischen Ziels sowie bei der Festlegung der für seine Erreichung geeigneten Maßnahmen ein weiter Ermessenspielraum zusteht (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 69, Slg. 2010, I-9391).

21

2. Nach diesen Grundsätzen hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nach Nr. 14.1 Buchst. c ASO mit Ablauf des 30. Juni 2012 geendet. Die dort enthaltene Altersgrenzenregelung ist nach den für Betriebsvereinbarungen geltenden Grundsätzen dahingehend auszulegen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des Kalendermonats eintritt, in dem der Arbeitnehmer das für den Bezug einer Regelaltersrente erforderliche Lebensjahr vollendet hat und eine solche beanspruchen kann.

22

a) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 5. Mai 2015 - 1 AZR 435/13 - Rn. 26).

23

b) Bereits der Wortlaut legt ein Verständnis nahe, wonach das in Nr. 14.1 Buchst. c ASO enthaltene Tatbestandsmerkmal „Vollendung des 65. Lebensjahres“ auf das Erreichen des jeweils zum Bezug einer Regelaltersrente erforderlichen Lebensalters abstellt. Das Regelrentenalter wurde seit dem 1. Januar 1916 - und daher auch bei dem erstmaligen Abschluss der ASO bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten - von den in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Beschäftigten mit der Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht. Dies spricht dafür, die Aufnahme der auf diesen Zeitpunkt abstellenden Voraussetzung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Nr. 14.1 Buchst. c ASO als Beschreibung des Zeitpunkts zu verstehen, in dem der Mitarbeiter nach seinem Lebensalter zum Bezug einer Regelaltersrente berechtigt ist.

24

c) Das auf das jeweilige Regelrentenalter bezogene Auslegungsergebnis gibt auch das Gebot der gesetzeskonformen Auslegung vor.

25

aa) In einer Betriebsvereinbarung enthaltene allgemeine Altersgrenzen sind nur sachlich gerechtfertigt iSd. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG, wenn der Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf den Bezug der Regelaltersrente hat. Nach § 235 Abs. 2 Satz 1 SGB VI erreichen nur noch Versicherte, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, die Regelaltersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Für die nach diesem Zeitpunkt geborenen Beschäftigten erhöht sich das Eintrittsalter für den Bezug einer Regelaltersrente entsprechend der Regelung in § 235 Abs. 2 Satz 2, § 35 Satz 2 SGB VI bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres. Auf das 65. Lebensjahr bezogene Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen sind daher regelmäßig dahingehend auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis erst zu einem Zeitpunkt enden soll, ab dem der Arbeitnehmer eine Regelaltersrente beanspruchen kann. Nur so wird dem Willen der Betriebsparteien Rechnung getragen, die im Zweifel Vereinbarungen treffen wollen, die nicht im Widerspruch zu dem von ihnen nach § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu beachtenden höherrangigen Recht stehen. Für ein gegenteiliges Verständnis müssen vielmehr eindeutige Anhaltspunkte bestehen.

26

bb) Daran fehlt es vorliegend. Zwar haben es die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat bis zu der am 20. Dezember 2012 vereinbarten Änderung der ASO unterlassen, die Altersgrenzenregelung in Nr. 14.1 Buchst. c ASO an die durch das am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554) angehobenen Altersgrenzen anzupassen. Dies allein vermag aber ein abweichendes Verständnis der Regelung in Nr. 14.1 Buchst. c ASO nicht zu begründen. Der insoweit darlegungspflichtige Kläger hat keinen Vortrag gehalten, dass die zum 1. März 2008 vorgenommenen Änderungen der ASO im Zusammenhang mit der Anhebung der Altersgrenzen erfolgt sind. Allein die Beibehaltung von deren Nr. 14.1 Buchst. c lässt nicht auf einen Willen der Betriebsparteien schließen, eine Altersgrenze zu vereinbaren, die - ungeachtet des Erreichens des Regelrentenalters durch den Arbeitnehmer - auf den Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres abstellt. Hiermit hätten sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht nur den rentenversicherungsrechtlichen Änderungen verschlossen, sondern auch mit Wirksamwerden der Anhebung des Regelrentenalters die Unwirksamkeit der in Nr. 14.1 Buchst. c ASO normierten Regelung für die nach dem 31. Dezember 1946 geborenen Arbeitnehmer herbeigeführt.

27

3. In der vorgenannten Auslegung steht die Altersgrenzenregelung in Nr. 14.1 Buchst. c ASO in Einklang mit nationalem und dem Recht der Europäischen Union.

28

a) Entgegen der Auffassung des Klägers liegt kein Verstoß gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG vor.

29

aa) Nach dieser Vorschrift können Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (§ 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Eine tarifliche Regelung von Arbeitsbedingungen liegt vor, wenn sie in einem Tarifvertrag enthalten sind und der Betrieb in den räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt. Tarifüblich ist eine Regelung, wenn der Regelungsgegenstand in der Vergangenheit in einem einschlägigen Tarifvertrag enthalten war und die Tarifvertragsparteien über ihn Verhandlungen führen (BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 19).

30

bb) Die für die Betriebe der Beklagten einschlägigen Tarifverträge der chemischen Industrie sehen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Altersgrenze nicht vor. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch die Tarifüblichkeit verneint. Für diese ist ohne Bedeutung, ob in anderen Tarifbereichen Altersgrenzen tariflich normiert sind.

31

b) Das Landesarbeitsgericht hat die Altersgrenze in Nr. 14.1 Buchst. c ASO zu Recht keiner Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB unterzogen. Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB unterliegen Betriebsvereinbarungen keiner Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB (BAG 17. Juli 2012 - 1 AZR 476/11 - Rn. 34, BAGE 142, 294). Ohne Bedeutung ist, ob in ihnen Angelegenheiten der erzwingbaren oder freiwilligen Mitbestimmung ausgestaltet werden. In § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB werden Betriebsvereinbarungen unabhängig von ihrem Regelungsgegenstand von der Inhaltskontrolle ausgenommen.

32

c) Die Altersgrenze genügt den Anforderungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG. Sie sieht eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des Monats vor, in dem der Arbeitnehmer den Bezug einer gesetzlichen Altersrente beanspruchen kann. Die für den befristungsrechtlichen Sachgrund erforderliche rentenrechtliche Anbindung liegt vor.

33

d) Die durch Nr. 14.1 Buchst. c ASO bewirkte, auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der regelrentenbezugsberechtigten Arbeitnehmer ist nach § 10 Satz 3 Nr. 5, Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig.

34

aa) Nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen und den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wollten die Betriebsparteien mit der seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses der Parteien im Jahr 1984 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin geltenden Altersgrenze eine zusätzliche soziale Absicherung der Arbeitnehmer im Zeitpunkt ihres Renteneintritts erreichen sowie einen geordneten Rahmen für die Personalplanung, eine ausgewogene Altersstruktur der Belegschaft und für die Nachwuchsförderung schaffen. Hierbei handelt es sich um beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Richtlinie 2000/78/EG.

35

bb) Die in Nr. 14.1 Buchst. c ASO enthaltene Altersgrenze ist erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG.

36

Die Regelung ist zur Erreichung der mit ihr verfolgten beschäftigungspolitischen Ziele erforderlich. Es ist jedenfalls nicht unvernünftig, wenn die Betriebsparteien davon ausgehen, dass das Ausscheiden von rentenbezugsberechtigten Arbeitnehmern eine sichere Personalplanung ermöglicht, zur Gewährleistung einer ausgewogenen Altersstruktur der Belegschaft beiträgt und die Einstellungschancen von jüngeren Arbeitnehmern fördert. Die Altersgrenze in Nr. 14.1 Buchst. c ASO erweist sich in Bezug auf die von ihr betroffenen Arbeitnehmer auch nicht als unangemessen. Die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses trifft sie nicht unvorbereitet. In der von der ASO erfassten betrieblichen Einheit bestand seit langer Zeit eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze. Die durch diese bewirkte Beendigung der Arbeitsverhältnisse führt nicht zu einer Zwangspensionierung der von ihr erfassten Arbeitnehmer. Die Altersgrenze enthält kein Verbot einer bestimmten beruflichen Tätigkeit, sondern beendet nur das in der Vergangenheit begründete Arbeitsverhältnis. Der mit dem Wegfall des Arbeitsentgelts verbundene wirtschaftliche Nachteil wird durch die Bezugsmöglichkeit der Regelaltersrente zumindest teilweise ausgeglichen.

37

cc) Der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht.

38

Die für die Beurteilung von auf das Regelrentenalter bezogenen Altersgrenzen geltenden unionsrechtlichen Anforderungen sind durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union als geklärt anzusehen. Dies hat der Senat in seiner vom Landesarbeitsarbeitsgericht in den Urteilsgründen zitierten Entscheidung vom 5. März 2013 (- 1 AZR 417/12 - Rn. 52) ausführlich begründet, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.

39

4. Auch die weiteren, vom Kläger gem. § 17 Satz 1 und Satz 2 TzBfG iVm. § 6 Satz 1 KSchG geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe gegenüber der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses aufgrund der Altersgrenze in Nr. 14.1 Buchst. c ASO verhelfen der Revision nicht zum Erfolg.

40

a) Entgegen der Auffassung der Revision verstößt die in der ASO normierte Altersgrenze nicht gegen § 41 Satz 2 SGB VI idF des zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007. Die in der Vorschrift bestimmte Fiktion über den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses betrifft nur einzelvertraglich vereinbarte Altersgrenzen vor Vollendung des Regelrentenalters (BAG 1. Dezember 1993 - 7 AZR 428/93 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 75, 166).

41

b) Unerheblich ist auch, ob anderen Personen nach Erreichen des Regelrentenalters die Begründung eines Vertragsverhältnisses angeboten wurde und sich diese Auswahlentscheidung am Gleichbehandlungsgrundsatz zu orientieren hatte. Ein solches Verhalten wäre nicht geeignet, die Wirksamkeit der in Nr. 14.1 Buchst. c ASO enthaltenen Befristung in Frage zu stellen. Diese hängt ausschließlich davon ab, ob im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG objektiv vorlagen(vgl. BAG 13. August 2008 - 7 AZR 513/07 - Rn. 11, BAGE 127, 239). Dies ist hier der Fall.

42

c) Ebenso führte eine mögliche Verpflichtung der Beklagten, den Kläger bei einer entsprechenden Bewerbung erneut den Abschluss eines Arbeitsvertrags anzubieten, weder zur Unwirksamkeit der Befristung noch begründete eine solche Rechtspflicht einen gegenüber dieser aus § 242 BGB herzuleitenden Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens(BAG 12. Juni 2013 - 7 AZR 917/11 - Rn. 41). Zudem ist ein hierauf gestützter Vertragsfortsetzungsanspruch nicht Gegenstand der Klage, was der Kläger noch in der Revisionsbegründung ausdrücklich klargestellt hat.

43

5. Die Altersgrenzenregelung in Nr. 14.1 Buchst. c ASO wird nicht durch eine für den Kläger günstigere Abrede verdrängt. Nr. 2 des Arbeitsvertrags vom 20./23. März 1984 enthält zwar keine auf das Erreichen des Regelrentenalters bezogene Befristung. Es bedarf aber keiner vertiefenden Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Parteien damit eine für den Kläger gegenüber der ASO günstigere Vereinbarung getroffen haben (dazu BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 57). In Nr. 5 des Arbeitsvertrags ist ausdrücklich ein Vorrang der in der ASO enthaltenen Regelungen vor den vertraglichen Abreden vereinbart worden.

44

6. Der im Jahr 1947 geborene Kläger vollendete am 31. Mai 2012 das 65. Lebensjahr. Nach Nr. 14.1 Buchst. c ASO iVm. der Übergangsregelung in § 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI endete sein Arbeitsverhältnis am 30. Juni 2012.

45

III. Da sich danach der Antrag zu 1. als unbegründet erweist, fällt der nur für den Fall des Obsiegens erhobene Weiterbeschäftigungsantrag dem Senat nicht zur Entscheidung an.

        

    Schmidt    

        

    K. Schmidt    

        

    Koch     

        

        

        

    Hromadka    

        

    Hayen     

                 

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. Januar 2011 - 13 Sa 1424/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des Leistungsentgelts nach § 18 TVöD(VKA) für das Jahr 2009.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten als Diplomsozialarbeiter beschäftigt. Er ist Mitglied des Personalrats. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der für Gemeinden gültigen Fassung (VKA) jedenfalls kraft vertraglicher Regelung Anwendung. Zum Abschluss einer Dienstvereinbarung über das Leistungsentgelt kam es bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht. Der Kläger erhielt im Dezember 2008 als Leistungsentgelt 6 vH seines Tabellenentgelts (220,93 Euro brutto). Im Dezember 2009 zahlte die Beklagte als Leistungsentgelt wiederum 6 vH seines Tabellenentgelts (227,11 Euro brutto). Mit Schreiben vom 16. März 2010 machte der Kläger für das Jahr 2009 die Zahlung weiterer 6 vH seines Tabellenentgelts aus dem Jahr 2008 als Leistungsentgelt geltend.

3

§ 18 TVöD(VKA) lautete in der 2009 maßgeblichen Fassung auszugsweise:

        

„(1)   

Die leistungs- und/oder erfolgsorientierte Bezahlung soll dazu beitragen, die öffentlichen Dienstleistungen zu verbessern. Zugleich sollen Motivation, Eigenverantwortung und Führungskompetenz gestärkt werden.

        

(2)     

Ab dem 1. Januar 2007 wird ein Leistungsentgelt eingeführt. Das Leistungsentgelt ist eine variable und leistungsorientierte Bezahlung zusätzlich zum Tabellenentgelt.

        

(3)     

Ausgehend von einer vereinbarten Zielgröße von 8 v. H. entspricht bis zu einer Vereinbarung eines höheren Vomhundertsatzes das für das Leistungsentgelt zur Verfügung stehende Gesamtvolumen 1 v. H. der ständigen Monatsentgelte des Vorjahres aller unter den Geltungsbereich des TVöD fallenden Beschäftigten des jeweiligen Arbeitgebers. Das für das Leistungsentgelt zur Verfügung stehende Gesamtvolumen ist zweckentsprechend zu verwenden; es besteht die Verpflichtung zu jährlicher Auszahlung der Leistungsentgelte.

                 

Protokollerklärung zu Absatz 3 Satz 1:

                 

Ständige Monatsentgelte sind insbesondere das Tabellenentgelt (ohne Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers und dessen Kosten für die betriebliche Altersvorsorge), die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen einschließlich Besitzstandszulagen sowie Entgelt im Krankheitsfall (§ 22) und bei Urlaub, soweit diese Entgelte in dem betreffenden Kalenderjahr ausgezahlt worden sind; nicht einbezogen sind dagegen insbesondere Abfindungen, Aufwandsentschädigungen, Einmalzahlungen, Jahressonderzahlungen, Leistungsentgelte, Strukturausgleiche, unständige Entgeltbestandteile und Entgelte der außertariflichen Beschäftigten. Unständige Entgeltbestandteile können betrieblich einbezogen werden.

        

(4)     

Das Leistungsentgelt wird zusätzlich zum Tabellenentgelt als Leistungsprämie, Erfolgsprämie oder Leistungszulage gewährt; das Verbinden verschiedener Formen des Leistungsentgelts ist zulässig. ...

                 

Protokollerklärungen zu Absatz 4:

                 

1.    

Die Tarifvertragsparteien sind sich darüber einig, dass die zeitgerechte Einführung des Leistungsentgelts sinnvoll, notwendig und deshalb beiderseits gewollt ist. Sie fordern deshalb die Betriebsparteien dazu auf, rechtzeitig vor dem 1. Januar 2007 die betrieblichen Systeme zu vereinbaren. Kommt bis zum 30. September 2007 keine betriebliche Regelung zustande, erhalten die Beschäftigten mit dem Tabellenentgelt des Monats Dezember 2008 6 v. H. des für den Monat September jeweils zustehenden Tabellenentgelts. Das Leistungsentgelt erhöht sich im Folgejahr um den Restbetrag des Gesamtvolumens. Solange auch in den Folgejahren keine Einigung entsprechend Satz 2 zustande kommt, gelten die Sätze 3 und 4 ebenfalls. Für das Jahr 2007 erhalten die Beschäftigten mit dem Tabellenentgelt des Monats Dezember 2007 12 v. H. des für den Monat September 2007 jeweils zustehenden Tabellenentgelts ausgezahlt, insgesamt jedoch nicht mehr als das Gesamtvolumen gemäß Absatz 3 Satz 1, wenn bis zum 31. Juli 2007 keine Einigung nach Satz 3 zustande gekommen ist.

                 

2.    

Die Tarifvertragsparteien bekennen sich zur weiteren Stärkung der Leistungsorientierung im öffentlichen Dienst.

                 

…       

        
        

(6)     

Das jeweilige System der leistungsbezogenen Bezahlung wird betrieblich vereinbart.... Die Ausgestaltung geschieht durch Betriebsvereinbarung oder einvernehmliche Dienstvereinbarung, ...

                 

Protokollerklärung zu Absatz 6:

                 

Besteht in einer Dienststelle/in einem Unternehmen kein Personal- oder Betriebsrat, hat der Dienststellenleiter/Arbeitgeber die jährliche Ausschüttung der Leistungsentgelte im Umfang des Vomhundertsatzes der Protokollerklärung Nr. 1 zu Absatz 4 sicherzustellen, solange eine Kommission im Sinne des Absatzes 7 nicht besteht.

        

(7)     

Bei der Entwicklung und beim ständigen Controlling des betrieblichen Systems wirkt eine betriebliche Kommission mit, deren Mitglieder je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Betriebs-/Personalrat aus dem Betrieb benannt werden.“

4

Die Protokollerklärung Nr. 2 zu Absatz 4 lautete bis zum 2. Änderungs-TV vom 31. März 2008 wie folgt:

        

„In der Entgeltrunde 2008 werden die Tarifvertragsparteien die Umsetzung des § 18 (Leistungsentgelt) analysieren und ggf. notwendige Folgerungen (z. B. Schiedsstellen) ziehen. In diesem Rahmen werden auch Höchstfristen für eine teilweise Nichtauszahlung des Gesamtvolumens gemäß Satz 3 der Protokollerklärung Nr. 1 festgelegt; ferner wird eine Verzinsung des etwaigen ab dem Jahr 2008 nicht ausgezahlten Gesamtvolumens geklärt.“

5

§ 38 Abs. 3 TVöD(VKA) lautet:

        

„Eine einvernehmliche Dienstvereinbarung liegt nur ohne Entscheidung der Einigungsstelle vor.“

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe für das Jahr 2009 ein höheres Leistungsentgelt zu. Dies ergebe die Auslegung von Satz 4 der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 18 Abs. 4 TVöD(VKA). Ab Dezember 2009 sei auch der aus dem Vorjahr verbliebene Restbetrag des Gesamtvolumens mit mindestens 12 vH als Leistungsentgelt auszuschütten, ohne dass die Betriebsparteien die Verteilungsgrundsätze geregelt haben müssten. Die Zahlung des zweiten Teils in Höhe von 220,93 Euro brutto werde im Fall der Nichteinigung lediglich um ein Jahr aufgeschoben. Jedenfalls müsse die Beklagte den im Jahr 2008 nicht ausgeschütteten Restbetrag des Gesamtvolumens nach Kopfteilen an die Beschäftigten auszahlen. Daraus ergäbe sich ein Betrag von 219,79 Euro brutto.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 220,93 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2010 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die pauschalierte Sonderzahlung betrage in jedem Jahr, in dem eine betriebliche Vereinbarung zum Leistungsentgelt fehle, nur 6 vH des dem einzelnen Beschäftigten jeweils im September zustehenden Tabellenentgelts. Die darüber hinausgehenden Beträge würden in das Gesamtvolumen des nächsten Jahres übertragen und thesauriert. Damit werde der tarifvertraglich normierte Zweck verfolgt, auf die Betriebsparteien einen entsprechenden Einigungsdruck auszuüben. Tarifvertragliche Intention sei die Vereinbarung von Leistungsentgelten gewesen. Die Ausgestaltung der Zielvereinbarungen und der Auszahlungsmodalitäten sollte den Betriebsparteien überlassen bleiben. Würden mangels entsprechender Vereinbarungen vor Ort jeweils 12 vH auszuzahlen sein, würde dieser Zweck verfehlt.

9

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Kläger hatte im Jahr 2009 keinen Anspruch auf Auszahlung des im Jahr 2008 nicht ausgeschütteten Teils des Leistungsentgelts nach § 18 TVöD(VKA).

11

I. Ein Anspruch auf Auszahlung eines höheren Leistungsentgelts ergibt sich nicht aus § 18 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4, Abs. 6 TVöD(VKA), da es an einer betrieblichen Regelung iSd. Abs. 6 fehlte. Die Verpflichtung zur jährlichen Auszahlung der Leistungsentgelte nach § 18 Abs. 3 Satz 2 TVöD(VKA) steht unter dem Vorbehalt der Existenz einer entsprechenden betrieblichen Vereinbarung. Nur aus diesem Grund bedurfte es überhaupt der Regelungen der Protokollerklärung Nr. 1 zu Absatz 4 (PE Nr. 1).

12

II. Ein Auszahlungsanspruch ergibt sich nicht aus der PE Nr. 1.

13

1. Die Protokollerklärung hat normative Wirkung, sie ist materieller Bestandteil des Tarifvertrags (BAG 23. September 2010 - 6 AZR 338/09 - Rn. 13, BAGE 135, 318) und kann deshalb grundsätzlich einen Anspruch begründen.

14

2. Über das für die Jahre 2008 und 2009 ausgezahlte undifferenzierte Leistungsentgelt (vgl. zum Begriff BAG 23. September 2010 - 6 AZR 338/09 - BAGE 135, 318) in Höhe von jeweils 6 vH des Tabellenentgelts hinaus hatte der Kläger im Jahr 2009 ohne Vorliegen einer entsprechenden betrieblichen Regelung keinen Anspruch auf Auszahlung eines höheren Leistungsentgelts. Dies ergibt eine Auslegung der PE Nr. 1.

15

a) Bereits der Wortlaut der Regelung, von dem bei der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 358/10 - Rn. 15, NZA 2011, 1358), spricht gegen einen höheren Anspruch. Nach Satz 3 der PE Nr. 1 bestand ein Anspruch auf Teilauszahlung in festgelegter Höhe im Dezember 2008, wenn es an einer betrieblichen Vereinbarung fehlte. Nach Satz 4 erhöht sich „das Leistungsentgelt“ im Folgejahr um den Restbetrag des Gesamtvolumens. Satz 5 schreibt diese Regelung für die Folgejahre fort, soweit keine betriebliche Einigung zustande kommt. Der Begriff des Leistungsentgelts wird in der tariflichen Regelung verschieden, keinesfalls aber als pauschale Zahlung an die Arbeitnehmer verwendet.

16

Hauptsächlich handelt es sich - wie die Überschrift zeigt - um einen Oberbegriff für eine bestimmte neue Vergütungsart. § 18 Abs. 2 Satz 2 TVöD(VKA) definiert diese als „variable und leistungsorientierte Bezahlung“. § 18 Abs. 4 Satz 1 TVöD(VKA) benennt wiederum mögliche Formen eines solchen Leistungsentgelts (Leistungsprämie, Erfolgsprämie oder Leistungszulage), wobei eine Verbindung verschiedener Formen zulässig ist. Der Anspruch nach Satz 3 der PE Nr. 1 wird hingegen von den Tarifvertragsparteien nicht als Leistungsentgelt bezeichnet. Es handelt sich auch nicht um eine Leistung nach der tariflichen Definition, sondern um eine Ausschüttung des erwirtschafteten Volumens nach dem „Gießkannenprinzip“ (BAG 23. September 2010 - 6 AZR 338/09 - Rn. 23, BAGE 135, 318). Dieses „undifferenzierte Leistungsentgelt“ stellt lediglich ein Surrogat für den fehlenden originären Leistungsentgeltanspruch dar, es ist nicht das Leistungsentgelt selbst. Die Höhe des Surrogats orientiert sich nicht an dem gemäß § 18 Abs. 3 TVöD(VKA) zur Verfügung stehenden Gesamtvolumen für das Leistungsentgelt, sondern legt eine Leistung in Abhängigkeit vom Tabellenentgelt des jeweiligen Beschäftigten in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes fest. Um Doppelzahlungen zu vermeiden, ist die Zahlung aber aus dem Gesamtvolumen zu leisten. Der nach dieser Regelung nicht ausgeschüttete Restbetrag wird auf das Folgejahr übertragen. Wenn Satz 4 der PE Nr. 1 von Leistungsentgelt spricht, kann vor diesem Hintergrund weder das individuelle Leistungsentgelt bei Vorliegen einer entsprechenden Vereinbarung noch das undifferenzierte Leistungsentgelt ohne Vorliegen einer solchen Vereinbarung gemeint sein. Vielmehr wird der Begriff insoweit als Oberbegriff für das im Folgejahr zur Verfügung stehende Gesamtvolumen verwendet, welches sich um den Restbetrag aus dem Vorjahr erhöht.

17

b) Dies entspricht auch der Systematik der tariflichen Regelung. Im Jahr 2007 erfolgte mit 12 vH eine (fast) volle Ausschüttung des angesammelten Gesamtvolumens. Damit war für dieses Jahr sichergestellt, dass der für das Leistungsentgelt zur Verfügung stehende Leistungstopf auch dann ausgeschüttet wird, wenn die Betriebsparteien entgegen der in Satz 1 und Satz 2 der PE Nr. 1 zum Ausdruck gebrachten Intention die zur Einführung einer leistungsorientierten Bezahlung erforderlichen Dienst- bzw. Betriebsvereinbarungen nicht rechtzeitig vereinbart hatten (vgl. BAG 23. September 2010 - 6 AZR 338/09 - Rn. 21, BAGE 135, 318). Im Jahr 2008 (Satz 3 und Satz 4) und in den Folgejahren (Satz 5) steht demgegenüber lediglich etwa die Hälfte dieses Volumens zur undifferenzierten und damit gerade nicht leistungsabhängigen Ausschüttung zur Verfügung. Dabei beschränkt sich die tarifliche Regelung beim undifferenzierten Leistungsentgelt auf die Ausschüttung eines bestimmten Prozentsatzes vom individuellen Tabellenentgelt und schafft damit eine einfache und klare Regelung für den einzelnen Beschäftigten, solange betrieblich keine Verteilungsgrundsätze vereinbart sind. Kommt es hingegen zu einer solchen Vereinbarung, erfolgt die Ausschüttung des nach § 18 Abs. 3 TVöD(VKA) iVm. der entsprechenden Protokollerklärung zu bemessenden Gesamtvolumens nach den betrieblich vereinbarten Kriterien. Schon der Ausgangspunkt für die zu verteilende Leistung ist damit nicht deckungsgleich.

18

c) Die gefundene Auslegung entspricht dem erkennbaren Sinn und Zweck der PE Nr. 1. Aus dem Satz 1 und Satz 2 der PE Nr. 1 wird der Wille der Tarifvertragsparteien deutlich, das Leistungsentgelt zeitnah einzuführen und betrieblich umzusetzen. Dabei bestimmt § 18 TVöD(VKA) für die Dienststellen oder Unternehmen weder einheitlich die genaue Art des Leistungsentgelts noch die Verteilungsgrundsätze. Beides ist vielmehr einer Vereinbarung der Betriebsparteien vorbehalten. Dementsprechend enthält Satz 2 der PE Nr. 1 die klare und eindeutige Aufforderung an diese, sich vor dem 1. Januar 2007 zu einigen. Lediglich im ersten Jahr erfolgt im Fall der Nichteinigung eine fast vollständige Ausschüttung, in den Folgejahren lediglich eine etwa hälftige Ausschüttung des Gesamtvolumens. Dies dient ersichtlich dem Ziel, den Einigungsdruck auf betrieblicher Ebene zu erhöhen. Dieses Ziel würde verfehlt, wenn lediglich eine einmalige Halbierung der Auszahlung im Jahr 2008 erfolgte, aber im Jahr 2009 und in den Folgejahren auch bei Nichteinigung 12 vH des jeweiligen Tabellenentgelts undifferenziert und leistungsunabhängig gezahlt werden würde.

19

d) Besonders deutlich stützt die Tarifgeschichte dieses Ergebnis. Die Tarifvertragsparteien haben mit der ursprünglichen Fassung der Protokollerklärung Nr. 2 zu Absatz 4 des § 18 TVöD(VKA) deutlich gemacht, dass sie das Problem der teilweisen Nichtauszahlung bei Nichteinigung und damit der Thesaurierung gesehen haben. Deshalb wurde für die Entgeltrunde 2008 die Analyse der Situation und die mögliche Festsetzung von Höchstfristen für die teilweise Nichtauszahlung des Gesamtvolumens verabredet. Auch die Frage einer Verzinsung sollte geklärt werden. Diese Protokollerklärung wäre weitestgehend überflüssig gewesen, wenn es jeweils im Folgejahr bereits nach der PE Nr. 1 zu einer fast vollständigen Ausschüttung gekommen wäre. Dass die Tarifparteien in der Entgeltrunde 2008 entgegen ihrer Ankündigung das Problem nicht gelöst, sondern mit dem 2. Änderungs-TV vom 31. März 2008 die PE Nr. 2 in einen allgemeinen Programmsatz umgewandelt haben, führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine Änderung der PE Nr. 1 oder sonstiger relevanter Teile des § 18 TVöD(VKA) ist nicht erfolgt.

20

e) Letztlich spricht für die Auslegung des Senats auch die Praktikabilität in der Anwendung der Vorschrift. Solange keine differenzierte betriebliche Regelung vereinbart wird, besteht ein pauschaler Surrogatanspruch, der aus dem individuellen Tabellenentgelt zu ermitteln ist, ohne dass das insgesamt zur Verfügung stehende Volumen nach bisher nicht bestimmten Kriterien verteilt werden müsste.

21

f) Etwas anderes ergibt sich - entgegen der Auffassung der Revision - nicht aus der Regelung für Dienststellen oder Unternehmen ohne Personal- oder Betriebsrat in der Protokollerklärung zu Absatz 6 des § 18 TVöD(VKA). Es kann dahinstehen, ob dieser Protokollerklärung tatsächlich entnommen werden kann, dass in Dienststellen oder Unternehmen ohne Personal- oder Betriebsrat eine vollständige Ausschüttung des Gesamtvolumens durch den Dienststellenleiter/Arbeitgeber zu erfolgen hat. Selbst wenn diese Annahme richtig wäre, kann nicht aufgrund der Regelung eines Ausnahmefalls darauf geschlossen werden, dass dies im Fall der Existenz von Mitbestimmungsorganen entgegen § 18 Abs. 6 Satz 1 TVöD(VKA) ebenso gehandhabt werden sollte.

22

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Zielke    

        

    Rudolph    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 10. April 2015 - 6 Sa 1506/14 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Entgelterhöhung aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung, betrieblicher Übung oder Gleichbehandlung.

2

Die zwischen der nicht tarifgebundenen Beklagten und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat geschlossene „Gesamtbetriebsvereinbarung Vergütungssystem vom 8. April 2010“ (im Folgenden GBV) lautet auszugsweise:

        

„Präambel

        

Arbeitgeberin und Gesamtbetriebsrat stimmen darin überein, die bisherige Vergütungspraxis zu systematisieren.

        

Ziele dieser Gesamtbetriebsvereinbarung sind insbesondere, die Schaffung einer eindeutigen Beziehung zwischen Aufgaben und Anforderungen sowie dem Gehalt und die Definition von Entgeltdifferenzierungen durch Vergütungsgruppen, die als motivierend und leistungssteigernd empfunden werden.

        

Das insoweit dieser Gesamtbetriebsvereinbarung zugrunde liegende Entgeltsystem basiert unter anderem auf Funktionsbewertungen, einer Vergütungsstruktur in Form von Gehaltsbändern und einem Stationsbonus.

        

…       

        

2       

Funktionsbewertungssystem

        

2.1     

Ausgangspunkt für die Definition der individuellen Grundvergütung der Mitarbeiter ist eine Funktionsbewertung aller bei der Arbeitgeberin vorkommenden Funktionen.

                 

Die Funktionen wurden nach den acht Bewertungskriterien

                 

- Fachwissen

                 

- Unternehmenskenntnis

                 

- Soziale Kompetenz und Führungsqualität

                 

- Denkrahmen

                 

- Schwierigkeitsgrad

                 

- Entscheidungsfreiraum

                 

- Einflussgröße

                 

- Einfluss auf Zielerreichung

                 

bewertet.

                 

Jedem Kriterium ist eine Punkteskala zugeordnet, auf der im Bewertungsprozess das jeweilige Anforderungsniveau mit einem Punktwert festgelegt wird (Bewertungstabelle, Anlage 1).

                 

Die Addition der Punktwerte der acht Bewertungskriterien führt zu einer Gesamtpunktsumme. Auf dieser Basis erfolgt eine Zuordnung der Funktionen zu einer der Vergütungsgruppen und den damit verbundenen Gehaltsbändern (Vergütungsgruppen, Anlage 2).

        

…       

        
        

3       

Vergütungsstruktur

        

3.1     

Ausgehend von den Grundsätzen der Funktionsbewertung (vgl. oben 2) erfolgt die individuelle Grundgehaltsermittlung für den einzelnen Mitarbeiter auf der Basis eines Gehaltsbandsystems. Dabei wird unter Grundgehalt das Monatsentgelt oder der Stundenlohn (Stundenlohn multipliziert mit dem durchschnittlichen monatlichen Stundensatz) ohne Zuschläge verstanden.

        

3.2     

Es werden sechs Vergütungsgruppen gebildet. Den Vergütungsgruppen 1 bis 5 sind eine Bandunterlinie und eine Bandoberlinie zugeordnet; der Vergütungsgruppe 6 eine Bandunterlinie.

        

3.3     

Die Bandober- und -unterlinien werden jährlich angepasst. Sie werden um den Erhöhungsprozentsatz der Gehaltsanpassungen des Vorjahres angepasst.

        

4       

Ermittlung und Festlegung des individuellen Grundgehalts

        

4.1     

Alle Mitarbeiter werden grundsätzlich in die Vergütungsgruppe eingestuft, die für die von ihnen ausgeübte Funktion ermittelt wurde. Mitarbeiter, die die Funktion, die sie besetzen, noch nicht vollständig ausfüllen, werden zunächst im unteren Bereich der Vergütungsgruppe eingestuft und werden schrittweise in Abhängigkeit von ihrer Leistung gehaltlich in der Vergütungsgruppe entwickelt (Funktionseinsteiger).

        

4.2     

Durch die Bandunterlinie und die Bandoberlinie ist jeweils der Entgeltkorridor vorgegeben, innerhalb dessen das individuelle Grundgehalt liegen kann. Die tatsächliche Festlegung des Grundgehalts erfolgt durch den Vorgesetzten.

        

4.3     

Das Grundgehalt wird jährlich am dritten Donnerstag im Oktober überprüft. Der Grundgehaltsanpassungsprozentsatz wird zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat abgestimmt. Für die Bestimmung werden die Entwicklung der Lebenshaltungskosten (Verbraucherpreisindex gemäß statistischem Bundesamt in den letzten 12 Monaten) und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens herangezogen.

        

…       

        
        

9       

Besitzstandsregelung und Einmalzahlungen

        

…       

        
        

9.2     

Mitarbeiter, deren Grundgehaltserhöhung nach 4.3 zum Überschreiten der Bandoberlinie führen würde, erhalten eine Erhöhung bis zur Bandoberlinie. Der gegebenenfalls verbleibende Betrag wird, multipliziert mit 12, als Einmalzahlung gewährt.

        

9.3     

Lag das Grundgehalt bereits vor der Erhöhung über der Gehaltsoberlinie wird anstelle einer Grundgehaltserhöhung eine Einmalzahlung gewährt. Deren Höhe bemisst sich nach dem berechnetem Erhöhungsbetrag nach 4.3, multipliziert mit 12.

        

…“    

        
3

Der Kläger ist seit Jahren bei der Beklagten angestellt. Er ist als Shiftleader der Vergütungsgruppe 5 zugeordnet. Die Beklagte erhöhte sein Gehalt im Jahr 2011 um 1,5 %, im Jahr 2012 um 2,5 % und im Jahr 2013 um 2,0 %. Im Jahr 2014 erhielt weder der Kläger noch ein anderer Arbeitnehmer der Beklagten eine Gehaltserhöhung.

4

Die Bandunter- und Bandoberlinien wurden im Jahr 2011 um 1,5 %, im Jahr 2012 um 1,5 %, im Jahr 2013 um zumindest 2,0 % - nach dem Behaupten der Beklagten um 2,5 % - und im Jahr 2014 um 2 % erhöht.

5

Mit der vorliegenden, mehrfach erweiterten Klage hat der Kläger die Erhöhung seines Grundgehalts ab 1. Januar 2014 entsprechend der im Jahr 2014 vorgenommenen Erhöhung der Bandlinien verlangt. Des Weiteren begehrt er die Feststellung, die Beklagte sei verpflichtet, künftig Gehaltserhöhungen im jeweiligen Umfang der Bandlinienerhöhung vorzunehmen. Er hat geltend gemacht, nach den Regelungen der GBV habe einer Bandlinienerhöhung zwingend eine Anhebung der Grundgehälter in gleicher Höhe zu folgen. Bei einem anderen Verständnis verstießen die Regelungen der GBV gegen § 2 KSchG und § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, weil sich die Lage seines Grundgehalts innerhalb der Bandlinien verschlechtere. Dies stelle einen Eingriff in das arbeitsvertragliche Synallagma dar. Zudem führe eine andere Sichtweise zur Ungleichbehandlung gegenüber Mitarbeitern, die nach einer Gehaltserhöhung neu eingestellt und auf der Bandunterlinie eingestuft würden. Solche Mitarbeiter würden besser behandelt, weil ihr Gehalt entsprechend der Bandlinienerhöhung anzupassen sei, um ein Herausfallen aus der Bandlinie zu vermeiden. Der Anspruch auf Gehaltserhöhung folge zudem aus betrieblicher Übung. Die Beklagte habe durch die wiederholte Anhebung des Grundgehalts entsprechend der Erhöhung der Bandlinien einen Vertrauenstatbestand gesetzt, künftig in gleicher Weise zu verfahren.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 698,88 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Grundgehalt des Klägers ab dem Monat Februar 2015 um 53,76 Euro brutto zu erhöhen;

        

3.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Grundgehalt des Klägers zukünftig jeweils in der Höhe zu erhöhen, in welcher die Beklagte die Bandlinien erhöht.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die GBV sehe lediglich eine jährliche Überprüfung der Grundgehälter vor. Aus einer Erhöhung des Grundgehalts folge zwar die Verpflichtung, die Bandlinien zu erhöhen, aus einer Bandlinienerhöhung ergäben sich aber keine Konsequenzen für die Entwicklung der Gehälter.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen und die Klage, wie zwar nicht ausdrücklich tenoriert, aber den Entscheidungsgründen zu entnehmen, im Übrigen insgesamt abgewiesen.

10

I. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf eine Erhöhung seiner Vergütung ab 1. Januar 2014 um 2 % und auf künftige Gehaltserhöhungen im Umfang der jeweiligen Erhöhung der Bandlinien. Er kann deshalb weder weitere Zahlungen für den Zeitraum Januar 2014 bis Januar 2015 noch die beantragten Feststellungen verlangen.

11

1. Die Gesamtbetriebsvereinbarung Vergütungssystem begründet keine Verpflichtung der Beklagten, das Gehalt des Klägers entsprechend der Bandlinienerhöhung anzuheben. Ein Anspruch folgt weder aus 3.3 GBV noch aus 4.3 GBV. Dies ergibt die Auslegung der GBV (zu den Auslegungsregeln vgl. st. Rspr.: BAG 5. Mai 2015 - 1 AZR 435/13 - Rn. 26; 13. Oktober 2015 - 1 AZR 853/13 - Rn. 22).

12

a) Nach 3.3 Satz 1 und Satz 2 GBV sind die Bandober- und Bandunterlinien jährlich um den Erhöhungsprozentsatz der Gehaltsanpassungen des Vorjahres anzupassen. Damit steht der Wortlaut der Regelung der vom Kläger vertretenen Auslegung entgegen, Gehaltserhöhungen seien im jeweiligen Umfang der Erhöhung der Bandlinien vorzunehmen. Das Gegenteil ist der Fall. 3.3 Satz 2 GBV regelt ausdrücklich die Erhöhung der Bandlinien in Abhängigkeit von der Erhöhung der Grundgehälter. Bandlinienerhöhungen sind als Folge von Gehaltserhöhungen zu vollziehen, nicht aber umgekehrt, Erhöhungen der Grundgehälter als Folge von Bandlinienerhöhungen. Dem entspricht die Formulierung in 3.3 Satz 1 GBV, Bandober- und Bandunterlinien sind jährlich anzupassen. Bezugsgröße der Bandlinienanpassung ist nach 3.3 Satz 2 GBV stets der Erhöhungsprozentsatz der Gehaltsanpassungen des Vorjahres. Unterbleibt eine Gehaltserhöhung, ist eine „Anpassung“ der Bandlinien hinfällig. Ein anderes Verständnis führte nicht zu einem sachgerechten und praktisch brauchbaren Ergebnis. Die vom Kläger vertretene Auslegung setzte bei einmaliger Erhöhung der Grundgehälter einen Kreislauf in Gang, indem die Bandlinien entsprechend der Erhöhung der Grundgehälter und die Grundgehälter entsprechend den Bandlinien zu erhöhen wären. Hierfür bietet die GBV keinen Anhaltspunkt.

13

b) Aus 4.3 Satz 1 GBV ließe sich allenfalls ein Anspruch auf Überprüfung der Gehaltssituation herleiten, nicht aber auf Erhöhung der Grundgehälter (vgl. BAG 16. September 1998 - 5 AZR 598/97 - zu I 1 b der Gründe). Ebenso wenig folgt ein Anspruch aus 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV.

14

aa) Der - wie die Beklagte - nicht tarifgebundene Arbeitgeber bestimmt autonom das Volumen der zur Vergütung aller Mitarbeiter bereitgestellten Mittel und entscheidet über zukünftige Aufstockungen dieses Volumens. Mangels Tarifgebundenheit leistet er sämtliche Vergütungsbestandteile „freiwillig“, dh. ohne hierzu normativ verpflichtet zu sein (vgl. BAG 26. August 2008 - 1 AZR 354/07 - Rn. 21, BAGE 127, 297). Lediglich für die Ausgestaltung, also den Verteilungs- und Leistungsplan nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, bedarf es der Mitbestimmung des Betriebsrats. Daher ist die Entscheidung, ob Gehälter erhöht werden sollen, mitbestimmungsfrei. Allerdings kann der Arbeitgeber freiwillig gegenüber dem Betriebsrat eine Verpflichtung zur Gehaltserhöhung eingehen oder insoweit ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats begründen. Dies kann in einer eigenen freiwilligen Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG oder im Rahmen einer ansonsten nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmten Betriebsvereinbarung geschehen. Die Übernahme einer derartigen, gesetzlich nicht gebotenen und in der Praxis ungewöhnlichen Verpflichtung muss aber gerade im letztgenannten Fall deutlich zum Ausdruck kommen (BAG 21. Januar 2003 - 1 ABR 5/02 - zu B II 2 b aa der Gründe; 18. Oktober 2011 - 1 AZR 376/10 - Rn. 13).

15

bb) Ein Wille der Beklagten, sich bei der Gehaltshöhe ihrer unternehmerischen Entscheidungsfreiheit zu begeben, kommt in der GBV nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck. 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV bestimmen lediglich, dass der Grundgehaltsanpassungsprozentsatz zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat abzustimmen sei. Die Regelung lässt sich nahtlos in die betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben einfügen, indem angenommen wird, die Abstimmung nach 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV sei nur im Fall einer von der Beklagten zuvor getroffenen Erhöhungsentscheidung vorzunehmen und diene lediglich ihrer Umsetzung. Hierfür spricht auch die Unbestimmtheit des nach 4.3 Satz 3 GBV bei der Abstimmung ua. heranzuziehenden Kriteriums „wirtschaftliche Lage des Unternehmens“ (vgl. BAG 21. Januar 2003 - 1 ABR 5/02 - zu B II 2 b bb der Gründe). Wie diese Lage zu bestimmen ist und bei welcher Lage eine Gehaltserhöhung vorzunehmen wäre, regelt die GBV nicht.

16

cc) Erst Recht ergibt sich aus 4.3 GBV kein Zusammenhang zwischen der Erhöhung der Bandlinien und der Erhöhung der Grundgehälter. Die Erhöhung der Bandlinien ist in 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV nicht als Kriterium genannt.

17

c) § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erfordert keine Erhöhung der Grundgehälter als Folge einer Bandlinienanpassung. Diese Bestimmung schützt den einzelnen Arbeitnehmer nicht davor, dass sich bei gleichbleibender Vergütungshöhe die Lage seines Grundgehalts innerhalb der Bandlinien ändert.

18

aa) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung mitzubestimmen, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen. Sie bestimmen das System, nach welchem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. Sie sind damit die allgemeinen Vorgaben, aus denen sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs in abstrakter Weise ergibt (BAG 22. Juni 2010 - 1 AZR 853/08 - Rn. 21, 23 mwN, BAGE 135, 13).

19

bb) Die GBV regelt Entlohnungsgrundsätze. Sie stellt in 3.3 GBV und 4.3 GBV mit der Zuordnung bestimmter Funktionen zu Gehaltsbändern abstrakt-generelle Grundsätze zur Lohnfindung auf (vgl. BAG 22. Juni 2010 - 1 AZR 853/08 - Rn. 21, 23 mwN, BAGE 135, 13). Die Entgeltordnung selbst ordnet die Anpassung des Gehaltsbands als Folge der Entgelterhöhung des Vorjahres an. Damit steht die Position des Grundgehalts des einzelnen Arbeitnehmers innerhalb der Bandlinie unter dem Vorbehalt der Anpassung der Bandlinien an Gehaltserhöhungen. Die Entscheidung, ob Gehälter erhöht werden sollen, unterliegt, wie bereits ausgeführt, nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats. Deshalb kann sich eine Verletzung von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht aus dem Fehlen einer die Beklagte verpflichtenden Regelung ergeben.

20

d) Die Regelungen der GBV sind mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG) vereinbar.

21

aa) Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichstellung von Personen in vergleichbarer Lage sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblicher Sachgrund für eine Gruppenbildung ist vor allem der mit der jeweiligen Regelung verfolgte Zweck (BAG 18. Mai 2010 - 1 AZR 187/09 - Rn. 15; 9. Dezember 2014 - 1 AZR 406/13 - Rn. 24). Dabei ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 43/12 - Rn. 18; 8. Dezember 2015 - 1 AZR 595/14 - Rn. 20).

22

bb) Eine Gruppenbildung, die zwischen neu eingestellten und länger beschäftigten Arbeitnehmern differenziert, nimmt die GBV nicht vor. Sonderregelungen enthält die GBV lediglich in 4.1 Satz 2 für „Funktionseinsteiger“ und 9.1 bis 9.3 für Überschreiter. Unterstellte man zugunsten des Klägers, die GBV sähe bei nach einer Gehaltserhöhung auf der Bandunterlinie eingestuften Mitarbeitern, wenn diese als Folge der Bandlinienanpassung nach 3.3 GBV aus der Bandlinie „herausfielen“, eine Gehaltserhöhung vor, gölte dies gleichermaßen für alle hiervon betroffenen Arbeitnehmer. Mitarbeiter deren Gehalt, wie das des Klägers, auch nach der Bandlinienanpassung im Rahmen des Entgeltkorridors liegt, befänden sich mit diesen Mitarbeitern nicht in einer vergleichbaren Lage. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz kommt deshalb nicht in Betracht.

23

e) Die in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehene Erhöhung der Bandlinien ohne entsprechende Erhöhung der Grundgehälter verstößt weder gegen § 2 KSchG noch führt sie zu dessen Umgehung.

24

aa) 3.3 GBV und 4.3 GBV haben keine Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers zur Folge. Eine Änderung von „Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 KSchG tritt allein bei einer Veränderung der Vertragsbedingungen ein. § 2 Satz 1 KSchG greift nur ein, wenn die Änderung auf Basis der bestehenden vertraglichen Regelungen nicht zu erreichen ist. Unter „geänderten Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 Satz 1 KSchG sind folglich andere Arbeitsvertragsbedingungen zu verstehen(BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 14, BAGE 140, 328). Eine bestimmte Position der Vergütung des Klägers innerhalb der Bandlinien haben die Parteien nicht vereinbart. Sie ergibt sich lediglich als Reflex der GBV und hat nicht den Status einer Vertragsbedingung.

25

bb) § 2 KSchG wird durch 3.3 GBV und 4.3 GBV nicht umgangen. Diese Regelungen greifen nicht in das arbeitsvertragliche Synallagma ein. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wird durch das Verhältnis von geschuldeter Arbeitsleistung und Vergütung bestimmt. Die nach den Bestimmungen der GBV unter dem Vorbehalt künftiger Anpassungen stehende Position des Klägers innerhalb der Bandlinien berührt das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht.

26

2. Ein Anspruch auf Gehaltserhöhung ergibt sich nicht aus betrieblicher Übung.

27

a) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Erbringt der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar aufgrund einer anderen Rechtspflicht, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden (BAG 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 43).

28

b) Die Voraussetzungen der Entstehung einer betrieblichen Übung sind danach nicht erfüllt.

29

aa) Es sind keine Umstände gegeben, aus denen geschlossen werden könnte, die Beklagte habe in der Vergangenheit Gehaltserhöhungen als Folge von und gekoppelt an Bandlinienerhöhungen vorgenommen. Allein die Übereinstimmung der Erhöhungssätze in einzelnen Jahren lässt einen solchen Schluss nicht zu. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte musste der Kläger Bandlinienerhöhungen als Umsetzung der Regelungen in 3.3 Satz 1 und Satz 2 GBV verstehen, dh. als Folge von Gehaltserhöhungen, nicht aber umgekehrt, Erhöhungen der Grundgehälter als Folge von Bandlinienerhöhungen.

30

bb) Die vom Kläger vertretene Auslegung der GBV, nach 3.3 GBV, 4.3 GBV seien Gehaltserhöhungen im jeweiligen Umfang der Erhöhung der Bandlinien vorzunehmen, führte zu keinem anderen Ergebnis. Hätte die Beklagte, wie vom Kläger behauptet, Gehaltserhöhungen gekoppelt an Bandlinienerhöhungen vorgenommen, stellte dies lediglich einen vermeintlichen Normenvollzug dar, der nicht zum Entstehen einer betrieblichen Übung führte (vgl. BAG 17. September 2013 - 3 AZR 300/11 - Rn. 60; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 43).

31

cc) Mit den Gehaltserhöhungen der Jahre 2011 bis 2013 für sich genommen, hat die Beklagte ebenfalls keine betriebliche Übung begründet.

32

(1) Gewährt ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern wiederholt eine Erhöhung der Löhne und Gehälter, kann eine betriebliche Übung selbst bei über Jahre gleichbleibender Gehaltserhöhungspraxis nur entstehen, wenn deutliche Anhaltspunkte in seinem Verhalten dafür sprechen, er wolle die Erhöhungen auch ohne Bestehen einer Verpflichtung künftig, dh. auf Dauer vornehmen (vgl. zur Weitergabe von Tarifentgelterhöhungen: BAG 19. Oktober 2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 14; 24. Februar 2016 - 4 AZR 990/13 - Rn. 21). Der nicht tarifgebundene Arbeitgeber will seine Entscheidungsfreiheit über die künftige Lohn- und Gehaltsentwicklung behalten. Mit den freiwilligen Entgeltsteigerungen entsteht regelmäßig lediglich ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Fortzahlung des erhöhten Entgelts, nicht aber zugleich eine Verpflichtung des Arbeitgebers, Erhöhungen künftig überhaupt oder nach einem bestimmten Schema vorzunehmen (vgl. BAG 19. Oktober 2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 15; 24. Februar 2016 - 4 AZR 990/13 - Rn. 22).

33

(2) Danach hat die Beklagte durch die freiwilligen Gehaltserhöhungen in der Vergangenheit, selbst wenn man unterstellt, sie habe diese parallel zu den Bandlinienerhöhungen vorgenommen, keine betriebliche Übung begründet, auf die der Kläger die geltend gemachten Ansprüche stützen könnte. Es fehlt an den erforderlichen - über die bloße Erhöhungspraxis der vergangenen Jahre hinausgehenden - deutlichen Anhaltspunkten im Verhalten der Beklagten, aus denen sich für den Kläger erkennbar der Wille ergäbe, sich unter Aufgabe ihrer Entscheidungsfreiheit auf Dauer zu Erhöhungen zu verpflichten. Gegen einen Verpflichtungswillen der Beklagten spricht zudem 4.3 GBV. Aufgrund der Regelung konnte der Kläger nicht annehmen, sein Gehalt würde fortlaufend jährlich erhöht. Er musste vielmehr davon ausgehen, die Beklagte habe sich von Jahr zu Jahr nach einer Überprüfung zu Erhöhungen entschlossen.

34

3. Ein Anspruch auf Gehaltserhöhung folgt nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

35

a) Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln. Damit verbietet er nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb der Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes setzt eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers voraus. Im Bereich der Vergütung findet der Grundsatz Anwendung, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben werden und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt (BAG 3. September 2014 - 5 AZR 109/13 - Rn. 22, BAGE 149, 78; 3. September 2014 - 5 AZR 6/13 - Rn. 19, BAGE 149, 69). Der Gleichbehandlungsgrundsatz beschränkt die Gestaltungsmacht des Arbeitgebers (BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 57, BAGE 140, 291). Wird er verletzt, muss der Arbeitgeber die von ihm gesetzte Regel entsprechend korrigieren. Der benachteiligte Arbeitnehmer hat Anspruch auf die vorenthaltene Leistung (BAG 3. September 2014 - 5 AZR 109/13 - Rn. 22, aaO; 3. September 2014 - 5 AZR 6/13 - Rn. 18, aaO).

36

b) Danach ist der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht eröffnet.

37

aa) Die Beklagte hat im Jahr 2014 ihren Arbeitnehmern, auch den neu eingestellten, keine Gehaltserhöhungen gewährt. Eine Ungleichbehandlung, die einen Anspruch des Klägers begründen könnte, scheidet deshalb aus.

38

bb) Selbst wenn man unterstellt, nach den Regelungen der GBV sei das Gehalt von Mitarbeitern, die nach einer Gehaltserhöhung neu eingestellt und auf der Bandunterlinie eingestuft wurden, anzupassen, um ein Herausfallen aus der Bandlinie zu vermeiden und die Beklagte habe entsprechende Erhöhungen vorgenommen, wäre der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht eröffnet. Der bloße - ggf. vermeintliche - Normvollzug enthält keine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers. Eine solche trifft der Arbeitgeber erst dann, wenn er freiwillig, dh. ohne rechtliche Verpflichtung über die Vertragserfüllung hinaus Leistungen gewährt (BAG 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 20, BAGE 148, 139; 3. September 2014 - 5 AZR 6/13 - Rn. 21, BAGE 149, 69).

39

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Busch     

        

    Mandrossa     

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 7. Dezember 2012 - 12 Sa 119/12 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Zinsen auf den Betrag iHv. 800,00 Euro seit dem 5. Dezember 2011 und auf den Betrag iHv. 600,00 Euro seit dem 15. Februar 2012 zu zahlen sind.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Treueprämie.

2

Die Beklagte vertrieb ihre Ware teilweise über einen Frischdienst. Der Kläger war bei ihr seit dem 18. September 2006 als Frischdienstverkäufer aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge beschäftigt. Der vorletzte Vertrag war bis 31. März 2011 befristet. Im Januar 2011 beschloss die Beklagte, den Frischdienst zum 31. März 2012 zu schließen. Mit Schreiben vom 22. Februar 2011 bot sie dem Kläger an, ihn „bis zum Abschluss der Reorganisation des Außendienstes weiterhin befristet bis zum 31.03.2012“ zu beschäftigen. Der Kläger nahm das Angebot an.

3

Am 18. Juli 2011 schlossen die Beklagte und der in ihrem Unternehmen bestehende Gesamtbetriebsrat eine „Vereinbarung über einen Sozialplan“ (SP 2011). Diese lautet auszugsweise:

        

Präambel

        

Die Geschäftsleitung von I hat beschlossen, die Frischdienstorganisation mit Wirkung zum 31. März 2012 zu schließen. Dieser Sozialplan dient dem Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die auf der Stilllegung der Frischdienstorganisation beruhen.

        

Die Betriebsparteien haben sich im Zuge der Betriebsänderung auf verschiedene Module auf Basis von 240 betroffenen Mitarbeitern geeinigt. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Module wird auf Basis von 240 Mitarbeitern eine maximale Gesamtzahllast von 10,1 Mio. EUR inklusive einer Prämie nicht überschritten werden.

        

§ 1     

        

Geltungsbereich

        

1.    

Diese Vereinbarung findet auf alle Mitarbeiter im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG Anwendung, die am 1. März 2011 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis standen und von der Stilllegung der Frischdienstorganisation zum 31. März 2012 betroffen sind.

        

2.    

Keinen Anspruch aus diesem Sozialplan haben Mitarbeiter,

                 

…       

        
                 

d)    

die lediglich ein befristetes Arbeitsverhältnis haben, sofern deren Arbeitsverhältnis nicht vorzeitig auf Veranlassung der Firma I betriebsbedingt beendet wird.

                 

…       

        
        

…       

                 
        

§ 2     

        

Abfindungen bei betriebsbedingtem

        

Arbeitsplatzverlust

        

1.    

Mitarbeiter, die betriebsbedingt auf Veranlassung des Arbeitgebers ihren Arbeitsplatz verlieren, haben einen Anspruch auf eine Abfindung, die nach folgender Formel berechnet wird:

                 

Betriebszugehörigkeit x Monatsentgelt x Faktor = Abfindung

                 

…       

        

…       

        
        

6.    

Eigenkündigungen und Aufhebungsvertrag

                 

Die Betriebsparteien haben das gemeinsame Verständnis, dass der Geschäftsbetrieb in der Frischdienstorganisation möglichst bis zum 31. März 2012 uneingeschränkt aufrecht erhalten werden soll.

                 

Mitarbeiter, die eine Eigenkündigung aussprechen, durch die das Arbeitsverhältnis vor dem 01. Januar 2012 beendet wird, oder mit denen auf deren Veranlassung ein Aufhebungsvertrag mit Wirkung vor dem 01. Januar 2012 geschlossen wird, erhalten keine Abfindung oder sonstige Sozialplanleistungen nach den vorstehenden Absätzen.

                 

Mitarbeiter, die eine Eigenkündigung aussprechen, die zwischen dem 01. Januar 2012 und dem 31. Januar 2012 wirksam wird, oder mit denen auf deren Veranlassung ein Aufhebungsvertrag mit Wirkung zwischen dem 01. Januar 2012 und dem 31. Januar 2012 geschlossen wird, erhalten eine Sozialplanabfindung in Höhe von 40 % der nach Ziffer 1 zu berechnenden Abfindung.

        

…       

        
        

§ 4     

        

Treueprämie und Urlaubssperre

        

1.    

I hat ein hohes Interesse an einer Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der Frischdienstorganisation bis zum 31. März 2012 und lobt daher eine Treueprämie für den Zeitraum vom 01. August 2011 bis zum 31. März 2012 aus, die nach folgenden Bestimmungen an die Mitarbeiter ausbezahlt wird.

        

2.    

Jeder Mitarbeiter erhält zwischen dem 01. August 2011 und dem 30. November 2011 eine Treueprämie in Höhe von brutto EUR 200,00 (in Worten: Zweihundert Euro) für jeden Monat, in dem er in einem Vollzeit-Arbeitsverhältnis mit I steht.

        

3.    

Jeder Mitarbeiter erhält zwischen dem 01. Dezember 2011 und dem 31. März 2011 eine Treueprämie in Höhe von brutto EUR 300,00 (in Worten: Dreihundert Euro) für jeden Monat, in dem er in einem Vollzeit-Arbeitsverhältnis mit I steht.

        

…       

        
        

5.    

Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass im Dezember wegen des in der Branche relevanten Weihnachtsgeschäfts eine Urlaubssperre greift. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommener Urlaub wird unter Beachtung der tarifvertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen abgegolten.

        

…       

        
        

§ 6     

        

Aufstockung der Abfindung

        

1.    

Mitarbeiter, die …, erhalten von I zusätzlich zu ihrer Abfindung nach § 2 eine weitere Abfindung nach folgender Staffel:

                 

…“    

4

Mit seiner Anfang Dezember 2011 erhobenen Klage und deren späteren Erweiterungen hat der Kläger die Zahlung der Treueprämie nach § 4 Nr. 1 bis 3 SP 2011 für die Zeit vom 1. August 2011 bis 31. März 2012 iHv. insgesamt 2.000,00 Euro geltend gemacht. Er hat gemeint, als befristet Beschäftigter werde er ungerechtfertigt benachteiligt, wenn er keine Treueprämie beanspruchen könne, obwohl er bis 31. März 2012 für die Beklagte gearbeitet habe.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.000,00 Euro zuzüglich 5 % Zinspunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat angenommen, der Kläger unterfalle nicht dem Geltungsbereich des SP 2011 und könne daher auch die darin ausgelobte Treueprämie nicht verlangen. Eine Benachteiligung befristet Beschäftigter liege hierin nicht. Die Treueprämie habe die Abfindungszahlung zum Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile ergänzen sollen. Solche erleide der Kläger nicht, da sein Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung am 31. März 2012 geendet habe.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.

9

I. Die Revision ist zulässig, insbesondere genügt sie den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO an ihre Begründung. Entgegen der Auffassung des Klägers setzt sie sich inhaltlich hinreichend mit den Erwägungen des Landesarbeitsgerichts auseinander.

10

II. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Treueprämie für den Zeitraum 1. August 2011 bis 31. März 2012 iHv. 2.000,00 Euro. Der Anspruch folgt aus § 4 Nr. 2 und 3 SP 2011. Der Kläger unterfällt dem Geltungsbereich des SP 2011 nach dessen § 1 Nr. 1. Sein Anspruch scheitert nicht an dem in § 1 Nr. 2 Buchst. d) SP 2011 geregelten Anspruchsausschluss. Dieser umfasst nicht die Auslobung der Treueprämie, bei der es sich nicht um eine Sozialplanleistung zum Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile infolge eines Arbeitsplatzverlustes handelt. Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass der die Treueprämie in seinem § 4 Nr. 1 bis 4 regelnde SP 2011 vom Gesamtbetriebsrat abgeschlossen worden ist.

11

1. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 1 Nr. 1 SP 2011. Er stand am 1. März 2011 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis. Er ist iSv. § 1 Nr. 1 SP 2011 von der Stilllegung der Frischdienstorganisation zum 31. März 2012 „betroffen“. Nach der gemäß § 559 Abs. 1 ZPO bindenden und von der Beklagten nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellung des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger das Angebot der Beklagten angenommen, ihn „bis zum Abschluss der Reorganisation des Außendienstes weiterhin befristet bis zum 31.03.2012“ zu beschäftigen. Die Befristungsabrede nach Grund und Dauer beruht damit auf dem Umstand, dass der Frischdienst zum 31. März 2012 geschlossen wurde.

12

2. Unstreitig erfüllt der Kläger auch die tatsächlichen Voraussetzungen für den Erhalt der Treueprämie nach § 4 Nr. 2 und 3 SP 2011. Er stand bis zum 31. März 2012 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Dass es sich um kein „Vollzeit-Arbeitsverhältnis“ gehandelt hätte, hat die Beklagte nicht eingewandt. Gemäß § 4 Nr. 2 SP 2011 kann er damit die Zahlung einer Treueprämie für den Zeitraum 1. August 2011 bis 30. November 2011 iHv. 800,00 Euro und gemäß § 4 Nr. 3 SP 2011 für den Zeitraum 1. Dezember 2011 bis 31. März 2012 iHv. 1.200,00 Euro - insgesamt 2.000,00 Euro - verlangen.

13

3. Der Anspruch auf Treueprämie ist nicht nach § 1 Nr. 2 Buchst. d) SP 2011 ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift haben Mitarbeiter keinen Anspruch aus dem Sozialplan, die lediglich ein befristetes Arbeitsverhältnis haben, sofern deren Arbeitsverhältnis nicht vorzeitig auf Veranlassung der Beklagten betriebsbedingt beendet wird. Der Kläger ist ein solcher Mitarbeiter. Sein Arbeitsverhältnis war befristet; es hat nicht vor Ablauf der Befristung betriebsbedingt auf Veranlassung der Beklagten geendet. Der Anspruchsausschluss des § 1 Nr. 2 Buchst. d) SP 2011 bezieht sich aber nicht auf die Auslobung der Treueprämie nach § 4 Nr. 1 bis 4 SP 2011.

14

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Sozialpläne als Betriebsvereinbarungen eigener Art wegen ihrer normativen Wirkungen (§ 77 Abs. 4 Satz 1, § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG) wie Tarifverträge auszulegen. Ausgehend vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Darüber hinaus sind Sinn und Zweck der Regelung von besonderer Bedeutung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG 15. Oktober 2013 - 1 AZR 544/12 - Rn. 12 mwN).

15

b) Danach regelt § 1 Nr. 2 Buchst. d) SP 2011 für die dort näher benannten Mitarbeiter keinen Ausschluss des Anspruchs auf Treueprämie nach § 4 Nr. 1 bis 4 SP 2011.

16

aa) Der Wortlaut und der durch ihn vermittelte Wortsinn gebieten kein bestimmtes Verständnis. Einerseits sind die Formulierungen bei den Bestimmungen zum Geltungsbereich und zum Anspruchsausschluss im SP 2011 zwar unterschiedlich. In § 1 Nr. 1 SP 2011 ist festgelegt, auf wen „diese Vereinbarung“ Anwendung findet; in § 1 Nr. 2 Eingangssatz SP 2011 ist geregelt, wer keinen Anspruch aus „diesem Sozialplan“ hat. Das könnte darauf deuten, dass sich der Anspruchsausschluss nicht auf alle in der „Vereinbarung“ festgelegten Leistungen bezieht. Jedenfalls schließt der Wortlaut des § 1 Nr. 2 SP 2011 ein solches Verständnis nicht aus. Andererseits deutet aber die Bezeichnung des Gesamtregelwerks als Abschluss einer „Vereinbarung über einen Sozialplan“ darauf, den Begriffen „Vereinbarung“ und „Sozialplan“ inhaltlich keinen Unterschied beimessen zu müssen.

17

bb) Ein Normverständnis von § 1 Nr. 2 Buchst. d) SP 2011 dahin, dass er die Treueprämie des § 4 Nr. 1 bis 4 SP 2011 nicht erfasst, entspricht jedoch dem im Gesamtzusammenhang des SP 2011 vermittelten Regelungszweck.

18

(1) Die in § 4 SP 2011 nach Maßgabe der folgenden Nummern ausgelobte Treueprämie ist keine Sozialplanleistung, sondern eine von den Betriebsparteien zusätzlich vereinbarte (freiwillige) Leistung. Zweck von Sozialplanleistungen ist es, die durch eine Betriebsänderung entstehenden künftigen wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder abzumildern (vgl. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Einem solchen Nachteilsausgleich dient die Treueprämie nicht. Es ist nicht ersichtlich, welche wirtschaftlichen Nachteile von der Betriebsänderung betroffene Arbeitnehmer dadurch erleiden sollen, dass sie möglichst nicht vor dem 31. März 2012 ausscheiden. Außerdem ergibt sich aus § 4 Abs. 1 SP 2011 ausdrücklich, dass die Treueprämie den Zweck hat, den Geschäftsbetrieb der Frischdienstorganisation bis zum 31. März 2012 aufrechtzuerhalten. Mit ihr ist ein Anreiz für die von der Schließung der Frischdienstorganisation betroffenen Arbeitnehmer geregelt, das Arbeitsverhältnis möglichst nicht vor der Stilllegung des Frischdienstes zu beenden. Das dient allein dem - auch in § 2 Satz 1 SP 2011 niedergelegten - betrieblichen Interesse der Beklagten.

19

(2) Für die von der Beklagten vertretene Ansicht, die Treueprämie ergänze lediglich die Abfindungsregelungen, finden sich im SP 2011 keine Anhaltspunkte.

20

(a) Dagegen spricht der systematische Zusammenhang des SP 2011. Dieser legt nach seinem § 2 unter der Überschrift „Abfindungen bei betriebsbedingtem Arbeitsplatzverlust“ und nach seinem § 4 unter der Überschrift „Treueprämie und Urlaubssperre“ verschiedene Leistungen fest, ohne dass die Bestimmungen aufeinander Bezug nehmen. Bei anderen Bestimmungen haben die Betriebsparteien ihren Regelungswillen zur Ergänzung des Abfindungsanspruchs hingegen ausdrücklich kenntlich gemacht, vgl. § 6 SP 2011. Auch die im systematischen Regelungszusammenhang stehende Norm des § 4 Nr. 5 SP 2011 zur Urlaubssperre - von der bis zum 31. März 2012 im Arbeitsverhältnis stehende Arbeitnehmer offensichtlich unabhängig von einem Abfindungsanspruch nach dem SP 2011 betroffen sein sollten - belegt, dass in § 4 SP 2011 insgesamt keine Kompensation wirtschaftlicher Nachteile festgelegt ist. Es drängt sich auch nicht auf, dass die Betriebsparteien mit der Regelung einer sozialversicherungsbeitragspflichtigen Leistung wie der Treueprämie die in der Sozialversicherung beitragsfreie Abfindung „aufstocken“ wollten.

21

(b) Ein Verständnis der Treueprämie als Abfindungserhöhung oder -ergänzung führte außerdem nicht zu einem gesetzeskonformen Ergebnis. Betriebliche Interessen, die personelle Zusammensetzung der Belegschaft bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu sichern, sind grundsätzlich nicht geeignet, Differenzierungen bei der Höhe von Sozialplanabfindungen zu rechtfertigen (vgl. BAG 6. November 2007 - 1 AZR 960/06 - Rn. 19 mwN, BAGE 124, 335). Ihnen kann nur durch andere zusätzliche Leistungen im Rahmen freiwilliger Betriebsvereinbarungen Rechnung getragen werden (vgl. zu einer Bleibeprämie Fitting BetrVG 27. Aufl. §§ 112, 112a Rn. 169 mwN). Um eine solche freiwillige Regelung handelt es sich bei § 4 Nr. 1 bis 4 SP 2011.

22

(3) Ist die im SP 2011 geregelte Treueprämie damit keine Sozialplanleistung, bietet es sich an, sie nicht als von § 1 Nr. 2 Buchst. d) SP 2011, der einen Anspruch aus diesem „Sozialplan“ ausschließt, erfasst anzusehen.

23

cc) Dieses Verständnis von § 1 Nr. 2 Buchst. d) SP 2011 ist vor allem nach dem Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung auch geboten. Eine Regelung, nach der von der Betriebsänderung betroffene Arbeitnehmer nur deshalb von einer Treueprämie nach § 4 Nr. 1 bis 4 SP 2011 ausgeschlossen sind, weil sie lediglich in einem befristeten Arbeitsverhältnis stehen, das nicht vorzeitig auf Veranlassung der Beklagten betriebsbedingt beendet wird, wäre mit dem von den Betriebsparteien bei Sozialplänen ebenso wie bei - und sei es freiwilligen - Betriebsvereinbarungen zu beachtenden betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG und damit auch dem Differenzierungsverbot des § 4 Abs. 2 TzBfG unvereinbar.

24

(1) Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichstellung von Personen in vergleichbarer Lage sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblicher Sachgrund für eine Gruppenbildung ist vor allem der mit der jeweiligen Regelung verfolgte Zweck (BAG 18. Mai 2010 - 1 AZR 187/09 - Rn. 15).

25

(2) Entfiele der Anspruch auf Treueprämie nach § 4 Nr. 1 bis 4 SP 2011 in den Fällen des § 1 Nr. 2 Buchst. d) SP 2011, läge eine gleichheitswidrige, sachlich nicht zu rechtfertigende Gruppenbildung vor. Es würde bei den von der Stilllegung des Frischdienstes betroffenen Arbeitnehmern unterschieden zwischen denjenigen, die in unbefristeten - oder auf Veranlassung der Beklagten betriebsbedingt vorzeitig beendeten befristeten - Arbeitsverhältnissen stehen, und denjenigen, deren befristetes Arbeitsverhältnis (spätestens) am 31. März 2012 endet. Der mit § 4 Nr. 1 bis 4 SP 2011 verfolgte Zweck rechtfertigte diese Gruppenbildung nicht. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis aufgrund Fristablaufs am 31. März 2012 (oder zu einem früheren Zeitpunkt) endet, tragen bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen für die Zahlung der Treueprämie in gleicher Weise zu der allein im Interesse der Beklagten liegenden Aufrechterhaltung des Frischdienstes bei wie die anderen Arbeitnehmer. Die unterschiedliche Behandlung wäre auch nicht im Hinblick auf ein von der Beklagten angeführtes typischerweise höheres Abwanderungsrisiko bei unbefristet bzw. über den Stilllegungszeitpunkt hinaus befristet beschäftigten Arbeitnehmern wegen deren kürzeren Planungshorizontes gerechtfertigt. Für die pauschalierend-typisierte Annahme eines solchen höheren Risikos ist nichts ersichtlich. Diejenigen von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer, deren befristetes Arbeitsverhältnis - wie beim Kläger - am 31. März 2012 aufgrund Fristablaufs endet, sind ebenso wie unbefristet oder über den 31. März 2012 befristet Beschäftigte gehalten, sich um ein Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber zu bemühen. Ob sie ein solches noch vor der Stilllegung des Frischdienstes eingehen, hängt nicht von kürzeren oder längeren Planungshorizonten ab, sondern vor allem davon, zu welchen arbeitsvertraglichen Bedingungen ihnen eine neue Beschäftigung angeboten wird. Dem Ausgleich eben jener „Attraktivität“ eines vor dem 31. März 2012 eingegangenen neuen Arbeitsverhältnisses dient die Treueprämie. Sie will „Abwanderungsbestrebungen“ bremsen und bezweckt das „Halten“ der Belegschaft bis zur Beendigung der Frischdienstorganisation. Zu dieser Belegschaft gehören auch Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis - wie beim Kläger - durch Fristablauf am 31. März 2012 endet.

26

(3) Es stellte zugleich einen Verstoß gegen § 4 Abs. 2 TzBfG dar, wenn befristet beschäftigten Arbeitnehmern iSv. § 1 Nr. 2 Buchst. d) SP 2011 Ansprüche auf Zahlung einer Treueprämie nach § 4 Nr. 1 bis 4 SP 2011 vorenthalten blieben. Bei einem solchen Verständnis von § 1 Nr. 2 Buchst. d) SP 2011 bewirkte der Anspruchsausschluss, dass ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer wegen der Befristung schlechter behandelt würde als ein iSd. § 3 Abs. 2 TzBfG vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer. Ein sachlicher Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung läge nicht vor. Es würden die gleichen Maßstäbe wie bei dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gelten (vgl. [zu § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG] BAG 22. September 2009 - 1 AZR 316/08 - Rn. 26, BAGE 132, 132).

27

4. Entgegen der Ansicht der Revision ist der aus § 4 Nr. 2 und 3 SP 2011 folgende Anspruch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Treueprämie von dem nach § 50 BetrVG nicht zuständigen Gesamtbetriebsrat vereinbart worden ist. Die Treueprämienregelung ist nach § 88 BetrVG nur freiwillig möglich. Erzwingbar ist sie nicht. Sie beschränkt nicht die betriebsverfassungsrechtlichen Handlungsmöglichkeiten der örtlichen Betriebsräte. Sie begründet aber normative Ansprüche zugunsten von Arbeitnehmern typischerweise für den Fall, dass eine Regelung auf betrieblicher Ebene unterbleibt (vgl. zu einem vom Gesamtbetriebsrat geschlossenen vorsorglichen Sozialplan BAG 17. April 2012 - 1 AZR 119/11 - Rn. 23 mwN, BAGE 141, 101). Dass eine die freiwillige Gesamtbetriebsvereinbarung des § 4 Nr. 1 bis 4 SP 2011 verdrängende Betriebsvereinbarung über die Ausgestaltung von Treueprämien abgeschlossen worden ist, hat die Beklagte nicht behauptet.

28

III. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Prozesszinsen ist nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, § 187 Abs. 1 BGB begründet, allerdings hinsichtlich der die Klage umfassenden Treueprämie für die Monate August bis November 2011 (800,00 Euro) ab 5. Dezember 2011 und hinsichtlich der die Klageerweiterung umfassenden Treueprämie für die Monate Dezember 2011 und Januar 2012 (600,00 Euro) ab 15. Februar 2012. Die Verzinsungspflicht beginnt ab dem auf den Zustellungstag folgenden Tag (vgl. BAG 23. März 2011 - 5 AZR 153/10 - Rn. 25 mwN). Bei der Treueprämie für die Monate Februar und März 2012 (600,00 Euro) folgt der Zinsanspruch aus § 291 Satz 1 Halbs. 2, § 614 Satz 2 BGB, weil insoweit die Fälligkeit erst nach Rechtshängigkeit der am 14. Februar 2012 und am 13. März 2012 zugestellten Klageerweiterungen eingetreten ist. Der Kläger meint mit „Zinspunkte“ ersichtlich „Prozentpunkte“.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    K. Schmidt    

        

        

        

    Benrath    

        

    Sibylle Spoo    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.