Landesarbeitsgericht München Urteil, 21. Nov. 2017 - 7 Sa 399/17

published on 21/11/2017 00:00
Landesarbeitsgericht München Urteil, 21. Nov. 2017 - 7 Sa 399/17
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Previous court decisions
Arbeitsgericht München, 3 Ca 9589/16, 16/05/2017
Subsequent court decisions
Bundesarbeitsgericht, 6 AZR 267/18, 11/04/2019

Gericht

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Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 16.05.2017 - 3 Ca 9589/16 - teilweise abgeändert.

Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten, ob dem Kläger nach dem Tarifvertrag für die Auszubildenden der P. AG eine Unterhaltsbeihilfe zusteht.

Der Kläger war vom 01.09.2013 bis zum 29.02.2016 Auszubildender bei der Beklagten. Auf das Ausbildungsverhältnis fand der Tarifvertrag für die Auszubildenden der P. AG vom 12.01.1976 in der Fassung vom 01.06.2004 (im Folgenden: TV AzB) Anwendung.

In § 13 TV AzB mit der Überschrift „Unterhaltsbeihilfe“ steht ua.:

„Auszubildende deren Eltern, Erziehungsberechtigte oder Ehegatten so weit oder verkehrsmäßig so ungünstig vom Ort der Ausbildungsstätte entfernt wohnen, dass die Auszubildenden nicht täglich zum Wohnort der Eltern, des Erziehungsberechtigten oder des Ehegatten zurückkehren können, erhalten neben der Ausbildungsvergütung nach § 4 eine Unterhaltsbeihilfe. Dies gilt jedoch nicht, wenn von der P. eine Unterkunft bereitgestellt wird.“

In § 15 TV AzB mit der Überschrift „Familienheimfahrten“ steht ua.:

„Auszubildende deren Eltern, Erziehungsberechtigte oder Ehegatten so weit oder verkehrsmäßig so ungünstig vom Ort der Ausbildungsstätte entfernt wohnen, dass sie nicht täglich zum Wohnort der Eltern, des Erziehungsberechtigten oder des Ehegatten zurückkehren können und daher außerhalb wohnen müssen, erhalten auf Antrag monatlich eine bezahlte Familienheimfahrt und unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Urlaub für Familienheimfahrten.“

Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger gemeint, er habe Unterhaltsbeihilfe beanspruchen können, da seine Eltern während der Ausbildung in ... H. gewohnt hätten. Dass er bereits vor Beginn der Ausbildung als Student in Chemnitz gewohnt habe, sei unerheblich. Die Tatbestandsvoraussetzungen des „Zurückkehrens“ in § 13 TV AzB würden nichts über die Dauer des Wegseins von der Familie aussagen. Er hat gemeint, der Regelungszweck der tariflichen Norm liege darin, dass Auszubildende über ein sehr geringes Einkommen verfügten, anders als Studenten kein BAföG beziehen könnten und neben der Ausbildung nicht arbeiten könnten. Weiter hat er darauf verwiesen, dass sein Anspruch auch nicht verwirkt sei, denn er habe im September 2013 bei seiner Ausbildungsreferentin nachgefragt und diese habe gesagt, dass er keinen Anspruch auf die im Tarifvertrag geregelte Unterhaltsbeihilfe habe. Der Kläger hat weiter auch die Abgeltung des tariflichen Zusatzurlaubes für Familienheimfahrten verlangt sowie die Erstattung von Fahrtkosten für Familienheimfahrten.

Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger beantragt,

  • 1.Die Beklagte wird verurteilt, 5.870,00 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25.06.2016 an den Kläger zu zahlen.

  • 2.Die Beklagte wird verurteilt, 1.294,66 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.06.2016 an den Kläger zu zahlen.

  • 3.Die Beklagte wird verurteilt, 8.520,00 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25.06.2016 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat gemeint, ein Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe habe nicht bestanden und hat mit Nichtwissen bestritten, das der Wohnsitz der Familie des Klägers in Havelsee gewesen sei. Sie hat darauf verwiesen, dass der Kläger bereits vor Beginn seiner Ausbildung seinen letzten Wohnsitz in Chemnitz gehabt habe, da er an der dortigen TU studiert habe. Damit habe er den gemeinsamen Wohnsitz mit den Eltern aufgehoben und auch der Tarifwortlaut „zurückkehren“ impliziere, dass der Wohnsitz der Eltern vor Beginn der Ausbildung zugleich der Wohnsitz des Auszubildenden gewesen sein müsse. Zudem decke sich die Wortlautauslegung auch mit dem Regelungszweck der tariflichen Leistung, denn es gehe um eine Unterhaltsbeihilfe und der gemeinsame Wohnsitz mit den Eltern sei regelmäßig günstiger als ein eigenständiger Wohnsitz des volljährigen Kindes, denn es fielen grundsätzlich keine Mietzinsen an und zudem würde durch die Eltern regelmäßig Betreuungsunterhalt geleistet in Form von gemeinsamen Mahlzeiten oder der Wäscheversorgung. Vorliegend habe der Kläger aber den gemeinsamen Wohnsitz mit den Eltern nicht erst durch den Beginn der Ausbildung bei der Beklagten aufgegeben, sondern bereits mit Aufnahme seines Studiums in Chemnitz. Daher habe er schon während des Studiums die typischen Mehraufwendungen, wie etwa Mietzinsen durch einen eigenständigen Wohnsitz gehabt. Der Ausbildungsbeginn bei der Beklagten sei nicht kausal für die ihm auch während der Ausbildung entstehenden Mehraufwendungen für Miete gewesen. Etwaige Ansprüche seien zudem verwirkt, denn der Kläger habe nie einen entsprechenden schriftlichen Antrag auf Unterhaltsbeihilfe gestellt. Nachdem er die mündliche Antwort seiner Ausbildungsreferentin hingenommen habe, sei sie davon ausgegangen, dass er das Thema Unterhaltsbeihilfe nicht weiter verfolge. Daher habe auch kein Anspruch auf Abgeltung zusätzlichen tariflichen Urlaubs für Familienheimfahrten bestanden und hinsichtlich der geltend gemachten Fahrtkosten hat die Beklagte auch bestritten, dass Reisekosten angefallen seien.

Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt ihren Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich einer Unterhaltsbeihilfe iHv. 5870,00 € stattgegeben und hat im Übrigen die Klage abgewiesen, wogegen der Kläger kein Rechtsmittel eingelegt hat. Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, dass sich aus einer Auslegung der einschlägigen Tarifvorschrift der dem Kläger zugesprochene Anspruch ergeben habe. Aus dem Wortlaut des § 13 TV AzB habe sich nicht ergeben, dass es erforderlich sei, dass der gemeinsame Wohnsitz eines Auszubildenden mit seinen Eltern erst bzw. gerade zu Beginn der Ausbildung aufgehoben werde, zumal der Tarifwortlaut davon spreche, dass die „Familie“ des Auszubildenden verkehrsmäßig ungünstig liege. Es hat gemeint, dass sich nach dem Tarifwortlaut das Tatbestandsmerkmal des „Zurückkehrens“ ausschließlich auf eine räumliche Entfernung vom Wohnsitz der „Familie“ zum Ausbildungsort beziehe. Der Regelungszweck des § 13 TV AzB bestehe darin, dass ein Auszubildender in Hinblick auf die geringe Vergütung Unterhaltsbeihilfe erhalte, wenn er nicht die Möglichkeit habe, werktäglich zu seiner Familie heimzukehren, um dort in wirtschaftlicher Hinsicht kostengünstig zu wohnen. Das Auslegungsergebnis werde auch durch den weiteren Tarifwortlaut gestützt, wonach eine Ausbildungsbeihilfe nicht gezahlt werde, wenn die P. eine Unterkunft zur Verfügung stelle, denn dann sei ein Auszubildender eben durch Bereitstellung einer Unterkunft durch den Ausbildungsbetrieb wirtschaftlich abgesichert.

Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Seiten 5 bis 8 des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 84 ff. d. A.) verwiesen.

Gegen dieses Urteil vom 16.05.2017, der Beklagten zugestellt am 09.06.2017, legte diese am 04.07.2017 Berufung ein, welche sie mit einem am 09.08.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Beklagte hält das Urteil, soweit dem Kläger eine Unterhaltsbeihilfe zugesprochen wurde, für rechtsfehlerhaft, denn das Arbeitsgericht lege § 13 TV Azb unzutreffend aus. Entscheidend sei die Bedeutung des Wortes „Zurückkehren“ in § 13 Satz 1 TV Azb. Die Tarifnorm verlange, dass der gemeinsame Haushalt oder Wohnsitz eines Auszubildenden mit seinen Eltern gerade zu dem Zeitpunkt aufgehoben werden müsse, in dem das Ausbildungsverhältnis mit der Beklagten beginne. Es müsse ein Kausalzusammenhang zwischen Ausbildungsbeginn und Aufgabe des gemeinsamen Wohnsitzes bestehen. Denn an einen Wohnort könne man nur „zurückkehren“, wenn man ihn zuvor als gemeinsamen Wohnsitz geteilt habe. Wenn der Tarifvertrag allein auf die räumliche Entfernung hätte abstellen wollen, wäre anstelle des Wortes „zurückkehren“ das Wort „fahren“ oder „gelangen“ verwendet worden. Auch der Begriff „Unterhaltsbeihilfe“ spreche für diese Auslegung. Soweit das Kind in der Familie lebe und die Eltern beiderseits ihrer Pflicht zur Leistung des Familienunterhalts nachkämen, werde der unmittelbare Unterhaltsanspruch des Kindes erfüllt, und an die Stelle des bisher geleisteten Familienunterhalts träten die tariflichen „Unterhaltsbeihilfeansprüche“. Diese Auslegung entspreche auch Sinn und Zweck der Norm. Ein gemeinsamer Wohnsitz mit den Eltern sei regelmäßig kostengünstiger als ein eigenständiger Wohnsitz. Zudem würde Familienunterhalt in Form von gemeinsamen Mahlzeiten oder Wäscheversorgung geleistet. Wenn ein Auszubildender durch die Entfernung seiner Ausbildungsstätte zu seinem Wohnsitz gezwungen werde, den gemeinsamen Wohnsitz mit den Eltern aufzugeben, entstünde ihm ein finanzieller Mehraufwand. Die Unterhaltsbeihilfe solle diesen finanziellen Mehraufwand abmildern. Voraussetzung für den Anspruch auf tarifliche Unterhaltsbeihilfe sei demnach, dass der finanzielle Mehrbedarf durch den Beginn der Ausbildung kausal bedingt sei. Dies setze einen gemeinsamen Wohnsitz mit den Eltern unmittelbar vor Beginn der Ausbildung voraus. Auch die Entstehungsgeschichte spreche für die Auslegung der Beklagten, denn zur Zeit der Entstehung der Tarifnorm Mitte der 70er-Jahre des vorigen Jahrhunderts hätten Auszubildende mit Sicherheit häufiger als heute regelmäßig vor Beginn ihrer Ausbildung noch bei ihren Eltern gewohnt und dann ggf. ihren gemeinsamen Wohnsitz aufgeben müssen, um die Ausbildungsstelle anzutreten. Hierfür solle die Unterhaltsbeihilfe einen finanziellen Ausgleich schaffen und das Arbeitsgericht habe es auch versäumt, bei den Tarifvertragsparteien Auskünfte über die Entstehungsgeschichte der Tarifnorm einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

  • 1.Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 16.05.2017 - Az. 3 Ca 9859/16 - wird in Ziffer 1 abgeändert.

  • 2.Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und hält die von der Beklagten vorgenommene Auslegung für nicht überzeugend, denn das Wort „zurückkehren“ habe keinerlei Bedeutung hinsichtlich der zuvor bestehenden Dauer des Wegseins. Zudem sei es in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation auch nicht ungewöhnlich, dass Auszubildende nach ihrer Ausbildung und Studenten nach ihrem Studium wieder zu ihren Eltern zurückkehren müssten, da finanziell eine andere Möglichkeit nicht bestehe. Insbesondere aus dem Wortlaut der Vorschrift ergebe sich nicht, dass die Trennung unmittelbar mit dem Beginn des Ausbildungsverhältnisses zusammenhängen müsse, vielmehr verdeutliche der Wortlaut, dass es hier lediglich um die faktische Rückkehr ohne ein Zeitmoment gehe. Die tarifvertragliche Regelung gehe eben gerade davon aus, dass Auszubildende oftmals nicht ihre finanzielle Lebensplanung entsprechend einrichten könnten, um eine Ausbildung zu beginnen und deswegen einer Unterhaltsbeihilfe bedürften, wenn sie nicht täglich zum Wohnort der Eltern der Erziehungsberechtigten oder des Ehegatten zurückkehren können. Auch die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages könne nicht zu einem anderen Ergebnis führen, denn die finanziellen Schwierigkeiten dürften auch in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts genauso wie heute durch hohe Lebenskosten und das niedrige Ausbildungsgehalt entstanden sein.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 09.08.2017 (Bl. 108 ff. d. A.) und 02.10.2017 (Bl. 129 ff. d. A.) samt ihren Anlagen verwiesen. Im Übrigen wird insbesondere zur Prozessgeschichte auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Sitzungsniederschrift vom 21.11.2017 (Bl. 136 ff. d. A.) verwiesen.

Gründe

i. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

ii. Die Berufung ist auch begründet. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ergibt sich aus der Auslegung der einschlägigen Tarifvorschrift kein Anspruch des Klägers auf eine Unterhaltsbeihilfe. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts war daher dementsprechend abzuändern.

1. Tarifverträge sind wegen ihres normativen Charakters wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei einem unbestimmten Wortsinn sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit dies im Text seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (vgl. BAG, 25.04.2017 - 3 AZR 668/15; 08.12.2015 - 3 AZR 267/14; 09.10.2012 - 3 AZR 539/10).

Lassen Wortlaut und tarifvertraglicher Gesamtzusammenhang zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen (vgl. BAG, 25.04.2017 - 3 AZR 668/15; 09.12.2015 - 10 AZR 731/14).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze gebührt einer Auslegung, dass zum Zeitpunkt des Beginns der Ausbildung der Auszubildende noch einen gemeinsamer Wohnsitz mit den Eltern gehabt haben muss, um eine Unterhaltsbeihilfe nach § 13 TV AzB zu erhalten, der Vorrang.

a) Bereits der Wortlaut des § 13 TV AzB mit der Überschrift „Unterhaltsbeihilfe“ lässt erkennen, dass zum Zeitpunkt des Beginns der Ausbildung der Auszubildende mit den Eltern, Erziehungsberechtigten oder Ehegatten einen gemeinsamen Wohnsitz haben muss. Denn ansonsten macht die Formulierung „täglich zum Wohnort der Eltern, des Erziehungsberechtigten oder des Ehegatten zurückkehren“ keinen Sinn. „Zurückkehren“ bedeutet, worauf die Beklagte zutreffend verweist, nicht nur einfach „fahren“ oder „gelangen“, sondern dass zunächst von einem bestimmten Ort aufgebrochen und sodann zu diesem Ort zurückgekehrt wird. Wenn der Kläger aber, wie hier der Fall, keinen Wohnsitz mehr bei seinen Eltern hatte und diesen bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgrund einer Studienaufnahme in Chemnitz aufgegeben hatte, kann er nicht mehr im Sinne der Tarifvorschrift an den Wohnsitz der Eltern zurückkehren. Zudem ist er, nachdem er seinen Wohnsitz in Chemnitz aufgegeben hat, auch nicht zum Wohnsitz seiner Eltern zurückgekehrt, sondern hat sodann in München wiederum einen neuen Wohnsitz begründet. Dies steht aber einem „Zurückkehren“ im Sinne der einschlägigen Tarifvorschrift entgegen. Dieses Auslegungsergebnis findet seine Bestätigung auch in dem Unterfall in § 13 TV AzB wonach Anspruch auf eine Unterhaltsbeihilfe dann besteht, wenn der Ehegatte des Auszubildenden so weit oder verkehrsmäßig so ungünstig vom Ort der Ausbildungsstätte entfernt wohnt, dass der Auszubildenden nicht täglich zum Wohnort des Ehegatten zurückkehren kann. Gerade dies Fallkonstellation verdeutlicht, dass zum Zeitpunkt des Eingehens des Ausbildungsverhältnisses bereits ein gemeinsamer Wohnort, bestanden haben muss. Zudem schweigt die tarifvertragliche Regelung, ohne dass damit eine Lücke im Tarifvertrag ersichtlich wäre, zu der Konstellation des Wiederauflebens eines gemeinsamen Wohnortes, was vorliegend im Übrigen zu keinem Zeitpunkt der Fall war.

b) Diese zunächst am Wortlaut orientierte Auslegung führt auch nach Sinn und Zweck der tariflichen Regelung zu einem zutreffenden Ergebnis, denn der Tarifvertrag für die Auszubildenden der P. AG stammt vom 12.01.1976. Jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt war es offensichtlich, dass Auszubildende in aller Regel - zumal sie oftmals auch noch minderjährig waren - bei ihren Eltern wohnten. Die Aufgabe dieser Wohnsituation durch die Aufnahme einer Ausbildung mit der Folge eines Ortswechsels sollte durch die tarifvertragliche Regelung einer Unterhaltsbeihilfe sozialverträglich abgefedert werden in der Form, dass für die jeweilige Rückkehr zum Wohnort der Eltern eine Unterhaltsbeihilfe gezahlt wird. Auslöser für die Zahlung der Unterhaltsbeihilfe ist aber nicht allein eine Rückkehr, sondern die vorherige Aufgabe des Wohnsitzes des Auszubildenden mit dem seiner Eltern. Die sozialverträgliche Absicherung im Rahmen der tarifvertraglichen Regelung wird konsequenterweise dann obsolet, wenn von der Beklagten gem. § 13 S. 2 TV AzB eine Unterkunft bereitgestellt wird, denn dann entfallen finanzielle Belastungen durch Miete für den Auszubildenden und eine Heimfahrt zu den Eltern ist ihm finanziell zumutbar. Insofern kommt es auch nicht darauf an, dass der Auszubildende keinen Anspruch auf BaFöG hat oder angeblich nicht nebenher arbeiten könnte, denn dass darauf abzustellen sei, lässt sich der Regelung des 13 S. 2TV AzB nicht entnehmen und zudem ist auch nicht ausgeschlossen, dass der Auszubildende Wohngeld beanspruchen kann.

c) Weiter gibt es im Zusammenhang mit der tarifvertraglichen Regelung in § 13 TV AzB keine Gründe dafür, dass wenn ein Auszubildender bereits den Wohnsitz mit seinen Eltern - aus welchen Gründen auch immer - aufgegeben hat, Besuchsfahrten zu den Eltern finanziell zu privilegieren. Letztlich wäre dies eine Subvention ohne Anlass, denn ein Auszubildender hat zunächst einmal, wenn er bereits einen eigenen Hausstand bzw. Wohnsitz hat, keinen Anspruch darauf, dass ihm die Besuchsfahrten zu seinen Eltern gezahlt werden. Es kommt nicht ausschließlich darauf an, dass der Auszubildende zu seinen Eltern fährt, sondern maßgeblich ist gleichzeitig, dass der Auszubildende bei Beginn des Ausbildungsverhältnisses noch mit seinen Eltern einen gemeinsamen Wohnsitz hatte. Und die Aufgabe dieses gemeinsamen Wohnsitzes muss kausal mit der Aufnahme der Ausbildung an einem weiter weggelegen Ort sein. Ansonsten könnten beispielsweise auch Auszubildende, die bereits vor Beginn der Ausbildung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ihren Wohnsitz haben, bei Aufnahme der Ausbildung auch die Erstattung von Fahrtkosten verlangen, für Fahrten zu ihren im Ausland ansässigen Eltern. Dass § 13 TV AzB eine solche Konstellation nicht regeln wollte, ist offensichtlich und verdeutlicht, dass es nicht darauf ankommen kann, dass der Auszubildende lediglich zu seinen Eltern zurückfährt, sondern dass bei Beginn der Ausbildung bereits ein gemeinsamer Wohnsitz bestanden haben muss, der lediglich wegen der Aufnahme der Ausbildung an einem verkehrsmäßig ungünstigen Ort der Ausbildungsstätte aufgegeben wird.

III.

Der Kläger hat als Unterlegener des Rechtsstreits dessen Kosten gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen.

IV.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung bestand gem. § 72 Abs. 2 ArbGG Veranlassung, die Revision zum Bundesarbeitsgericht gemäß der folgenden Rechtsmittelbelehrungzuzulassen.

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei
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published on 25/04/2017 00:00

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Juli 2015 - 16 Sa 1952/14 - aufgehoben, soweit es der Berufung der Beklagten stattgeg
published on 09/12/2015 00:00

Tenor I. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 9. Oktober 2014 - 7 Sa 607/14 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben.
published on 08/12/2015 00:00

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published on 09/10/2012 00:00

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 25. März 2010 - 7 Sa 1117/09 - aufgehoben.
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Annotations

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.