vorgehend
Arbeitsgericht München, 25 Ca 5629/17, 23.11.2017

Gericht

Landesarbeitsgericht München

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München (Az.: 25 Ca 5629/17) vom 23.11.2017 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung restlichen Lohnes, der von der Beklagten im Wege der Aufrechnung wegen eines nach Ansicht der Beklagten bestehenden Schadensersatzanspruchs einbehalten wurde.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 07 .09.2015 als Paketzusteller in Vollzeit mit einem monatlichen Bruttoentgelt i.H.v. € 2.118,00 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag vom 08.12.2014 für die Arbeitnehmer des Speditions-, Transport- und Logistikgewerbes in Bayern vom 27. November 1992, i.d.F. des Änderungsvertrages vom 08. Dezember 2014 (MTV) Anwendung.

§ 24 des MTV beinhaltet unter der Überschrift „Erlöschen von Ansprüchen“ folgende Regelung:

„ 1. Lohn-,Gehalts- und sonstige Ansprüche erlöschen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Entstehung, von oder gegen ausgeschiedene Arbeitnehmer einen Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend gemacht werden.“

2. Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Dies gilt nicht für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen. Für diese Ansprüche beginnt diese Verfallsfrist von 2 Monaten nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens.

3. Ausgenommen hiervon sind Ansprüche aus unerlaubter Handlung.“

Bei der Beklagten existiert, bzw. existierte, ein „Arbeitshandbuch für Paketzustellkräfte“ (vgl. Bl. 106 ff. d. A.), Stand April 2007, in dem die wichtigsten Fragen und Probleme im Zusammenhang mit der Zustellung dargestellt und geregelt sind. Unter dem Stichwort „Empfangsbestätigung“ ist Folgendes angegeben:

„1. Wann erforderlich? Sie dürfen nachzuweisende Sendungen erst ausliefern, nachdem ein Empfangsberechtigter (siehe Tabellen Seite 38 und 39) den Empfang auf dem Unterschriftsdisplay des INCA-Terminals oder gegebenenfalls in der Paketzustellliste durch seine Unterschrift bestätigt hat.

3. Anforderungen an die Empfangsbestätigung

Die Empfangsbestätigung muss mindestens aus dem Familiennamen des Empfangsberechtigten bestehen.“

Unter dem Punkt „Ausweisleistung“ sind Regelungen zur Vorlagepflicht eines Ausweispapiers durch den Empfänger enthalten.

Der Kläger wurde mehrfach darauf hingewiesen, sich den Empfang eines Pakets durch eine ordnungsgemäße und insbesondere individualisierbare Unterschrift bestätigen zu lassen. Entsprechend fanden regelmäßig, d.h. halbjährlich, Schulungen des Klägers statt.

Der Kläger sollte am 28.09.2016 ein Paket für die Empfängerin F. ausliefern. Im Auslieferungsbeleg, der die Auslieferung durch den Kläger dokumentieren soll, ist bezüglich dieses Pakets lediglich ein ca. 2mm langer Strich dokumentiert (Bl. 36 d. A.).

Die Empfängerin erklärte in einer Empfängererklärung vom 25.10.2016 (Bl. 37 d. A.), die Sendung nicht erhalten zu haben.

Mit Schreiben vom 06.12.2016 wurde der Kläger zur Stellungnahme aufgefordert. Der Kläger gab im Wesentlichen an, sich erinnern zu könne, er glaube, dass alles in Ordnung gewesen sei, weil es in diesem Haus viele Ablageorte gebe und Nachbarn Pakete an-nehmen.

Mit Schreiben vom 23.12.2016 teilte die Beklagte mit, dass sie gegen den Kläger eine Forderung i.H.v. € 55,00 geltend mache. Dem Kläger wurde vorgeworfen, am 28.09.2016 ein Paket unter Missachtung der Auslieferungsvorschriften ausgeliefert zu haben. Die Beklagte habe im Rahmen der Garantiehaftung Ersatz an den Absender i.H.v. € 55,00 geleistet. Die Beklagte teilte mit, diesen Betrag vom nächsten Entgelt des Klägers einzubehalten.

Der Kläger reagierte auf das Schreiben nicht. Die Beklagte zog dem Kläger mit der Entgeltabrechnung Januar 2017 € 55,00 netto vom Gehalt ab.

Mit Schreiben vom 15.03.2017 machte der Kläger die Zahlung des Abzuges geltend. Im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits begehrt der Kläger die Zahlung der € 55,00 so-wie die Zahlung einer Schadensersatzpauschale. Er war erstinstanzlich der Auffassung, die Beklagte sei nicht berechtigt, das Entgelt einzubehalten. Dem Kläger könne kein grob fahrlässiges Verhalten zur Last gelegt werden. Er habe die Auslieferungsvorschrift nicht grob fahrlässig missachtet. Die Beklagte habe den Betrag auch nicht von seinem Gehalt abziehen können, da sie nicht die zweite Stufe des § 24 MTV eingehalten habe. Die Beklagte sei aufgrund dieser Regelung verpflichtet, die Forderung auf gerichtlichem Wege geltend zu machen und nicht einfach durch Abzug vom Lohn.

Der Kläger beantragte erstinstanzlich:

1. Die Beklagte wird verurteilt € 55,00 netto nebst Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.01.2017 an den Kläger zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, € 40,00 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragte erstinstanzlich: Klageabweisung.

Die Beklagte war erstinstanzlich der Auffassung, zum Abzug des Lohns berechtigt gewesen zu sein, da der Kläger grob fahrlässig die Auslieferungsvorschriften missachtet habe. Laut Auslieferungsnachweis habe er das Paket an den Empfänger ausgeliefert. Nachdem im Unterschriftfeld des Handscanners lediglich ein Strich vorhanden sei, sei es der Beklagten nicht möglich, die ordnungsgemäße Auslieferung der Paketsendung gegenüber dem Absender nachzuweisen. Der Kläger sei daher verpflichtet, die Auslieferung sich so bescheinigen zu lassen, dass klar und überprüfbar festgestellt werden könne, an wen er die Paketsendung übergeben habe. Ein kleiner Strich genüge diesem Erfordernis nicht. Der Kläger habe sich grob fahrlässig verhalten, da er es unterlassen habe, eine taugliche Unterschriftsleistung einzuholen bzw. die Identität des Empfängers durch Vorlage eines Ausweises zu überprüfen. Wegen der grob fahrlässigen Handlungsweise sei die Beklagte berechtigt, den Kläger bezüglich des entstandenen Schadens in voller Höhe in Haftung zu nehmen.

Die Beklagte sei auch berechtigt, den geltend gemachten Anspruch durch Einbehalt vom Januarlohn im Wege der Aufrechnung zu realisieren. Sie habe die erste Stufe der Ausschlussfrist eingehalten. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, anstelle der Aufrechnung Klage zu erheben, da § 24 MTV kein Aufrechnungsverbot enthalte.

Das Arbeitsgericht München hat mit dem angefochtenen Endurteil vom 23.11.2017 die Klage abgewiesen. Es hat dies damit begründet, dass ein Lohnanspruch des Klägers in Höhe der einbehaltenen Vergütung von € 55,00 netto nicht mehr bestehe, da die Beklagte berechtigt gewesen sei, den Schadensersatz i.H.v. € 55,00, zu dem der Kläger nach § 280 Abs. 1 BGB verpflichtet war, im Wege der Aufrechnung zu realisieren. Der Anspruch des Klägers sei daher erloschen. Der Kläger habe durch die nicht ordnungsgemäße Dokumentation der Auslieferung seine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt, da er sich auf dem Handscanner keine ordnungsgemäße Unterschrift habe geben lassen, so dass eine Nachverfolgung der Auslieferung nicht möglich gewesen sei. Es bestehe sogar die weitergehende Pflicht, sich ein Ausweisdokument vorlegen zu lassen. Auf diese Verpflichtung komme es aber nicht an, da der Kläger bereits keine Unterschriftsleistung eingeholt habe, nachdem ein 2mm langer Strich keine Unterschrift darstelle. Die Pflichtverletzung sei auch kausal für den bei der Beklagten entstandenen Schaden gewesen. Die Beklagte habe den Nachweis, die Empfängerin habe das Paket erhalten, nicht führen können in Ermangelung des Nachweises der ordnungsgemäßen Zustellung. Daher habe sie Ersatz i.H.v. € 55,00 leisten müssen. Der Kläger habe grob fahrlässig gehandelt, da er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den Gesamtumständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt habe. Es habe auf der Hand gelegen, dass ein 2mm langer Strich keine Unterschrift sei, mit dem die Zustellung des Pakets hätte nachgewiesen werden können. Der Kläger habe daher den Schaden in voller Höhe zu tragen, sowohl unter Berücksichtigung des Grades des Verschuldens als auch der sonstigen Gesamtumstände, etwa der Gefahrgeneigtheit der Arbeit oder der Schadenshöhe, eines vom Arbeitgeber einkalkulierten Risikos, der Risikodeckung durch eine Versicherung, der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und der Höhe der Vergütung, die möglicherweise eine Risikoprämie enthalten könne. Auch die persönliches Verhältnisse des Arbeitnehmers und die Umstände des Arbeitsverhältnisses, wie Betriebszugehörigkeitsdauer, Lebensalter, Familienverhältnisse könnten berücksichtigt werden. Unter Abwägung der maßgeblichen Umstände und unter Berücksichtigung eines etwaigen Missverhältnisses des Verdienstes des Arbeitnehmers zum verwirklichten Schadensrisiko, habe der Kläger den vollen Schaden zu tragen. Der Kläger sei erfahrener Paketzusteller, insbesondere habe sich gerade das Risiko verwirklicht, das die Beklagte durch den Sicherheitsmechanismus der Unterschriftsleistung habe verhindern wollen. Die hier geltend gemachte Schadenssumme stehe auch nicht außer Verhältnis zum Gehalt des Klägers, insbesondere unter Berücksichtigung der Vergütung des Klägers und der geltend gemachten Schadenssumme. Die Beklagte sei auch berechtigt gewesen, die Forderung im Wege der Aufrechnung geltend zu machen. Sie sie nicht verpflichtet gewesen, Klage zu erheben, da § 24 MTV den Arbeitgeber nicht an einer Aufrechnung hindere. Da die Forderung im Zeitpunkt der Aufrechnung noch nicht verfallen war und die zweite Stufe der Ausschlussfrist noch lief, sei eine Aufrechnung möglich gewesen. Daher sei die Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB auch nicht geschuldet.

Gegen dieses, dem Kläger am 01.12.2017 zugestellte, Endurteil richtet sich die Berufung des Klägers mit Schriftsatz vom 21.12.2017, am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht München eingegangen.

Der Kläger ist im Rahmen der Berufung weiterhin der Auffassung, dass ein restlicher Lohnanspruch in Höhe des einbehaltenen Betrages bestehe, da das Pflichtenregime, welchem der Kläger mit dem Handbuch unterworfen sei, nicht wirksam dutzende von vertraglichen Leistungspflichten vermitteln könne, bei deren Verstoß jeweils Schadensersatz zu leisten sei. Insoweit sei nach dem vorgelegten Auszug der Beklagten aus dem Arbeitshandbuch in erster Instanz, eine Überprüfung der Identität durch Vorlage eines Ausweispapieres bei jeder Person erforderlich. Dies zeige, dass die Beklagte im Handbuch Paketzustellung ein Pflichtenregime installiert habe, dessen Befolgung nicht nur irreal sei, von der Beklagten auch nicht erwartet werde, da Verstöße bekannt und von der Beklagten toleriert würden, zudem die Einhaltung im Widerspruch zur Menge der täglich zuzustellenden Pakete von ca. 200 und auch im Widerspruch zu jeglicher Lebenserfahrung stünde. Der Paketzusteller könne sich nicht von jeder einzelnen Person den Ausweis aushändigen lassen, insbesondere auch in Situationen, in denen völlig klar sei, dass er den Empfänger persönlich kenne. Dies sei bei der Beklagten auch bekannt und werde von ihr auch als Pflichtverletzung nur in dem Fall geahndet, in dem gegebenenfalls ein Schaden entstehe. Die arbeitsvertragliche Pflicht werde also von der Beklagten nicht ernst genommen, bzw. nur in dem Fall, in dem letztlich ein Schadensersatzanspruch realisiert werden solle. Durch die Pflichten, die dem Kläger auferlegt würden durch das Arbeitshandbuch, sei der Kläger so eng gebunden, dass er die alltägliche Arbeit praktisch nicht erfüllen könne. Insoweit würde es sich auch um AGBs handeln, die zum einen den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen würden. Die Beklagte würde den Kläger zu ihrem Hilfssheriff bestimmen und vertraglich zwingen, anlasslos Ausweise der Empfänger sich vorlegen zu lassen und jeweils Unterschriften zu überprüfen, dahingehend, ob anhand dieser der Empfänger identifiziert werden könne oder nicht. Dies sei zu weitgehend und würde dem Kläger unangemessene Risiken auferlegen im Sinne etwa sogar einer Vertragsstrafe oder einer unzulässigen Beweislastregelung. Darüber hinaus sei die Regelung auch nicht hinreichend transparent. Denn die Beklagte nehme Verstöße in Kauf, so lang sich hieraus keine Schäden ergeben. Dadurch seien die Pflichten aufgeweicht, dem Kläger sei ein entsprechender Dienst nach Vorschrift nicht möglich. Ansonsten würde das Zustellsystem zusammenbrechen. Aufgrund der intransparenten und unklaren Handhabung der Pflichten habe der Kläger gerade nicht gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Des Weiteren würden bei der Beklagten auch mehrere Handbücher für Paketzustellung parallel existieren mit unterschiedlichem Inhalt, was ebenfalls zur Undurchsichtigkeit der Pflichten führe. Dies zeigten die vorgelegten Regelungen hinsichtlich der Verpflichtung zur Vorlage eines Ausweispapiers. Aufgrund der Unklarheit und der Unpraktikabilität könne auch eine grobe Fahrlässigkeit nicht angenommen werden. Jedenfalls sei der Kläger nicht zum Ersatz des gesamten Schadens verpflichtet, sondern sei eine Schadensquotelung, auch aufgrund der vorliegenden Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit, vorzunehmen bzw. die Quotelung sogar so vorzunehmen, dass der Kläger keinen Schaden zu tragen habe. Jedenfalls stehe der Aufrechnung die zweite Stufe der Ausschlussfrist des § 24 MTV entgegen. Die Beklagte habe den Schaden nicht gerichtlich geltend gemacht. Sinn und Zweck zweistufiger Ausschlussklauseln sei es typischerweise Zwang entstehen zu lassen, sich eindeutig zu positionieren und den Anspruch gerichtlich klären zu lassen. Mit der Aufrechnung und Einbehaltung von Lohn umgehe die Beklagte die zweite Stufe der Ausschlussfrist und verlagere im Ergebnis die klageweise Geltendmachung auf den Kläger. Dies sei nicht Sinn und Zweck der zweiten Stufe der Ausschlussfrist und sei von den Tarifvertragsparteien auch so nicht gewollt gewesen. Die Aufrechnung sei auch nicht im Sinne des Tarifvertrages, da der Beklagten insoweit mit der Aufrechnung gegen Lohnansprüche ein Instrument zur Umgehung der zweistufigen Ausschlussfrist zur Verfügung stünde, welches dem Kläger so nicht zustünde.

Der Kläger beantragte zuletzt,

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts vom 23.11.2017, Az.: 25 Ca 5629/17, abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt,

a) an den Kläger € 55,00 nebst Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25.01.2017 zu zahlen.

b) an den Kläger € 40,00 zu zahlen.

Die Beklagte beantragte zuletzt,

Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte ist auch im Rahmen der Berufung weiterhin der Auffassung, dass der Lohneinbehalt zu Recht vorgenommen wurde, da der Kläger seine Pflicht grob fahrlässig verletzt habe. Der Kläger habe sich entgegen der Anweisung und der entsprechenden Schulung eine Unterschrift vom Empfänger nicht geben lassen. Die Verpflichtung hierzu bestehe aufgrund der Unterweisung und auch aufgrund des vorliegenden Arbeitshandbuches, welchen aktuell i.d.F. von 2015 vorliege. Auf die Frage der Ausweispflicht, komme es vor-liegend nicht an, da der Kläger bereits gegen die Unterschriftsleistungsverpflichtung verstoßen habe. Die Ausweispflicht bestehe zudem nur dann, nach klarer Regelung im Arbeitshandbuch, wenn der Inhalt der Paketsendung dies erfordere, nicht aber etwa, wenn der Empfänger bekannt sei. Die Pflicht sei auch grob fahrlässig verletzt, da auch eine Arbeitsbelastung des Klägers einer entsprechenden Unterschriftsleistung jedenfalls nicht entgegenstehe. Die Arbeitsmenge und Paketanzahl werde computergesteuert, so dass eine entsprechende zulässige und machbare Arbeitsbelastung vorliege. Auch auf die Lesbarkeit der Unterschrift komme es nicht an, da der Kläger jedenfalls im vorliegenden Fall überhaupt keine maßgebliche Unterschrift eingeholt habe und dies ihm hätte auch auffallen müssen. Die Tatsache, dass entsprechende Verstöße zum Teil nicht sanktioniert würden, läge lediglich daran, dass diese nicht festgestellt würden. Im Falle von vergleichbaren Verstößen habe die Beklagte jeweils gleiche Maßnahmen ergriffen. Die Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit sei nicht zu erkennen, auch aufgrund sonstiger Aspekte sei eine Quotierung des Schadens nicht vorzunehmen. Die zweite Stufe der Ausschlussfrist des § 24 MTV stünde der Aufrechnung ebenfalls nicht entgegen. Die Aufrechnungsmöglichkeit bestehe auch während des Laufs der Ausschlussfrist. Denn nach Sinn und Zweck der Ausschlussfrist sei der Ausschluss der Aufrechnung nicht gegeben, da auch durch die Aufrechnung letztlich Rechtsfrieden geschaffen werden könne. § 288 Abs. 5 BGB sei nicht anwendbar im Arbeitsrecht.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze vom 24.12.2017, 30.01.2018, 20.03.2018, 22.03.2018 sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

i. Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 und 2, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Sie ist daher zulässig.

Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Insoweit wird zunächst auf die zutreffende Begründung des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Zum weiteren Vorbringen in der Berufungsinstanz sind folgende Ausführungen veranlasst:

1. Der Anspruch des Klägers auf Auszahlung des abgerechneten Nettolohns i.H.v. € 55,00, insoweit die Beklagte diesen abgerechneten Lohn einbehalten hat, ist durch zulässige und wirksame Aufrechnung mit dem der Beklagten zustehenden Schadensersatzanspruch gem. § 389 BGB erloschen. Der Kläger hat daher keinen Anspruch mehr auf Auszahlung des einbehaltenen Betrages i.H.v. € 55,00. Der vorgenommenen Aufrechnung durch Einbehalt des Lohns steht auch nicht § 24 MTV, insbesondere die zweite Stufe der Ausschlussfrist, entgegen.

a) Der Kläger hat durch Verstoß gegen arbeitsvertragliche Verpflichtungen, nämlich gegen die Pflicht zur Einholung einer Unterschrift bei Auslieferung eines Pakets, diese in erheblichem Maße verletzt. Der Kläger ist daher gem. § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. seinen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen verpflichtet, den hieraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

aa) Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Kläger tatsächlich gegen arbeitsvertragliche Verpflichtungen verstoßen. Die hier maßgebliche Verpflichtung des Klägers bestand darin, bei Auslieferung eines Paketes durch den Empfänger eine Empfangsbestätigung in Form einer Unterschrift, bestehend aus dem Familiennamen, einzuholen.

Der Kläger hat sich insoweit darauf berufen, dass diese Verpflichtung zunächst aufgrund unterschiedlicher bestehender Arbeitshandbücher und Vorgaben unklar gewesen sei, insoweit keine wirksame Verpflichtung dahingehend bestanden habe. Dem folgt die Kammer nicht. Die maßgebliche Verpflichtung bestand ausweislich der von Seiten der Beklagten vorgetragenen ausdrücklichen Anweisung und Schulung, welche der Kläger nicht bestritten hat. Die Beklagte hatte insoweit vorgetragen, dass der Kläger entsprechend angewiesen und geschult wurde in regelmäßigen, nämlich halbjährlichen Abständen. Des Weiteren ergibt sich die Verpflichtung schon aus dem vom Kläger selbst vorgelegten Arbeitshandbuch. Die Arbeitshandbücher weisen zwar unterschiedlichen Stand auf, sind aber in der maßgeblichen Verpflichtung und Anweisung identisch. Daher bestehen auch keine unterschiedlichen oder etwa unklaren Anweisungen, da das gerade von Seiten des Klägers selbst vorgelegte Arbeitshandbuch eine entsprechende Verpflichtung zur Einholung einer Unterschrift vorsieht. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass eine entsprechende Verpflichtung in anderen ihm vorliegenden Vorschriften nicht enthalten gewesen wäre und insoweit eine Unklarheit bestanden hätte.

bb) Des Weiteren ergibt sich auch nicht etwa aus den generellen Anweisungen des Arbeitshandbuchs, im Sinne etwa der Menge der vorliegenden Anweisungen, eine Unwirksamkeit oder Unklarheit. Gerade bezüglich der Empfangsbestätigung oder Unterschrift sind die Anweisungen eindeutig. Selbst wenn bezüglich der Anweisung auf Vorlage eines Ausweises eine Unklarheit bestanden hätte im Sinne unterschiedlicher Regelungen, so war jedenfalls die vorliegende Pflicht, die von Seiten der Beklagten reklamiert wird, auf Einholung einer Unterschrift bei Auslieferung des Paketes, eindeutig und klar. Zudem wäre auch die erstinstanzlich von Seiten der Beklagten reklamierte und nachgewiesene Pflicht im Arbeitshandbuch, sich in jedem Fall ein Ausweispapier vorlegen zu lassen, auch insoweit klar.

cc) Die fehlende Klarheit der entsprechenden Anweisung ergibt sich auch nicht etwa dahingehend, dass die Beklagte Verstöße nicht geahndet und insoweit akzeptiert hätte. Selbst wenn im Einzelfall nicht jeder Verstoß geahndet wurde, so beruht dies doch darauf, dass, soweit ein Problemfall nicht auftritt, also die Auslieferung problemlos vonstatten gegangen ist und das Paket beim Empfänger angekommen ist, gar kein Anlass der Beklagten besteht, die entsprechende Unterschriftsleistung zu überprüfen oder eine entsprechende Feststellung zu treffen. Lediglich im Problemfall, nämlich dann, wenn eine Zustellung nicht nachweisbar ist und entsprechender Schaden für die Beklagte entsteht, wird der Vertragsverstoß festgestellt. In diesen Fällen wird er auch geahndet, wie von Seiten des Klägers selbst dargelegt wurde, der sich gerade darauf berufen hat, dass im Schadensfall jeweils eine Reaktion erfolgt, ansonsten hingegen nicht. Insofern musste es dem Kläger klar sein, dass ein entsprechender Verstoß von Seiten der Beklagten nicht geduldet wird und letztlich der Kläger auf eigenes Risiko agiert, wenn er die entsprechende Unterschrift nicht einholt und hierdurch die Gefahr in Kauf nimmt, dass für die Beklagte ein Schaden entsteht.

dd) Eine entsprechende Anweisung scheitert auch nicht an den Vorschriften des § 307 ff. BGB. Es handelt sich nicht um eine unangemessene Benachteiligung des Klägers, da die Regelungen des Arbeitshandbuches, soweit es sich hierbei überhaupt um AGBs handeln sollte und nicht ohnehin bereits durch Anweisung im Rahmen von Schulungen entsprechende Verpflichtungen entstanden seien sollten, jedenfalls Hauptleistungspflichten des Klägers darstellen, welche er verletzt hat, welche einer Überprüfung lediglich auf Intransparenz unterliegen.

Abreden zu den Hauptleistungspflichten sind aus Gründen der Vertragsfreiheit gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB regelmäßig von der gesetzlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgenommen (vgl. BAG, Urteil v. 24.02.2016 - 5 AZR 258/14; Urteil v. 27.11.2003 - 2 AZR 135/03). Denn der eingeschränkten Kontrolle lediglich auf ein Verstoß gegen das Transparenzgebot, § 307 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, unterliegen Klauseln, die den Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistungen festlegen. Im Arbeitsverhältnis sind das vor allem die Arbeitsleistung und das Arbeitsentgelt (vgl. BAG, Urteil v. 14.03.2007 - 5 AZR 630/06; Urteil v. 31.08.2005 - 5 AZR 545/04). Die vertragliche Arbeitsleistung des Klägers besteht aber als Paketzusteller primär daraus, dass dieser das Paket befördert und beim Empfänger abliefert. Maßgeblicher Teil dieser Hauptleistung, die der Kläger zu verrichten hat, ist dabei aber auch, dass er beim Empfang eine entsprechende Empfangsbestätigung einholt, weil nur diese für die Beklagte den maßgeblichen Nachweis dafür liefert, dass das Paket tatsächlich zugestellt wurde.

Selbst wenn man in dieser Verpflichtung keine Hauptleistungspflicht sehen würde, sondern eine Nebenpflicht, die gegebenenfalls der vollen Überprüfung unterliegen würde, so ist schon nicht zu ersehen, inwieweit diese Regelung den Kläger unangemessen benachteiligen würde, d.h. inwieweit von gesetzlichen Vorgaben abgewichen würde. Weder sind im Sinne des Klägers hierdurch maßgebliche Risiken auf den Kläger verlagert. Denn der Kläger ist lediglich verpflichtet, eine Unterschrift einzuholen. Die Lesbarkeit hingegen ist nicht Voraussetzung. Dies zeigt die entsprechende Anweisung im Arbeitshandbuch. Soweit nur eine Unterschrift vorliegt, hat der Kläger bereits seiner Verpflichtung Genüge getan. Auch wird dann bei Verstoß nicht mittelbar etwa eine Vertragsstrafe dem Kläger auferlegt. Denn weder wird hier ein pauschaler Schadensersatzanspruch zu Gunsten der Beklagten geschaffen, noch in irgendeiner Form die Beweislast zu Lasten des Klägers verschoben. Die Beklagte ist weiterhin verpflichtet, die Verletzung der Arbeitspflicht durch den Kläger und die Kausalität für den Schaden nachzuweisen. Soweit etwa auch Unklarheit bestehen sollte, dahingehend, ob eine entsprechende Unterschrift ausreichend ist oder nicht, ginge dies zu Lasten der Beklagten, da sie letzten Endes die Beweislast dafür trägt, dass der Kläger gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat. Soweit eine Unterschrift irgendwie noch als solche zu kategorisieren ist, hat der Kläger seine Verpflichtung erfüllt. Daher legt dem Kläger die Verpflichtung zur Einholung einer Unterschrift keine unangemessene Pflicht auf. Er wird nicht unangemessen hierdurch benachteiligt.

Schließlich ist die Regelung auch eindeutig transparent. Der Kläger wird lediglich verpflichtet, eine Unterschrift einzuholen, die aus einem Familiennamen besteht. Der Kläger ist nicht verpflichtet etwa dahingehend zu überprüfen, ob die Unterschrift lesbar ist. es genügt ein Blick auf das Display dahingehend festzustellen, dass etwas geleistet wurde, das als Unterschriftsleistung eingeordnet werden könnte. Diese Regelung ist auch eindeutig und transparent im Arbeitshandbuch vorhanden.

Somit liegt eine wirksame Arbeitspflicht vor, die gegenüber dem Kläger im Rahmen seine vertraglichen Verpflichtungen aufgestellt wurde.

b) Gegen diese Verpflichtung hat der Kläger grob fahrlässig verstoßen. Soweit kann auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts verwiesen werden.

Grobe Fahrlässigkeit ist dann anzunehmen, wenn gegen jegliche, eindeutig auf der Hand liegende und einleuchtende Sorgfaltspflicht verstoßen wird. Im vorliegenden Fall lagen lediglich zwei minimale Striche vor, die auf dem Display auftauchen. Da nach Angabe des Klägers die Auslieferung an den Empfänger erfolgte, wäre es dem Kläger ohne weiteres möglich gewesen, hier mit einem einzigen Blick auf das Display festzustellen, ob der Empfänger eine Unterschrift geleistet hat. Diese lag jedenfalls aufgrund dieser zwei Striche nicht vor. Daher hätte es dem Kläger in jedem Fall einleuchten müssen, dass hierdurch keine Unterschrift geleistet wurde und insoweit nachher nicht mehr feststellbar gewesen wäre, ob die Auslieferung tatsächlich an den Empfänger erfolgt ist oder nicht.

c) Durch das Handeln des Klägers ist der Beklagten ein Schaden entstanden, da diese nach Reklamation des Empfängers, das Paket nicht erhalten zu haben, keine Möglichkeit hatte, einen Nachweis zu führen, dass die Zustellung erfolgt ist. Durch das Unterlassen der Einholung einer ordnungsgemäßen Unterschrift ist daher der Beklagten, die unstreitig Schadensersatz leisten musste gegenüber dem Empfänger, ein entsprechender Schaden entstanden.

d) Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Kläger auch den vollen Schadensersatz auferlegt.

aa) Zunächst ist für die Haftung maßgeblich, die Art des Verschuldens, d.h. die Frage, ob etwa leichteste, einfache oder normale oder grobe Fahrlässigkeit vorliegen. Das Verschulden des Schädigers muss sich dabei sowohl auf die pflichtverletzende Handlung als auch auf den Eintritt des Schadens beziehen (vgl. BAG, Urteil v. 28.10.2007 - 8 AZR 418/09; Urteil v. 18.01.2007 - 8 AZR 250/06). Im vorliegenden Fall und aufgrund der bereits oben geschilderten Umstände, wonach die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den Gesamtumständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet gelassen wurde, was nach der konkreten Situation auch für Jedermann auch erkennbar gewesen ist, ist der Kläger grob fahrlässig auch im Hinblick auf den entstandenen Schaden vorgegangen. Nicht nur, dass es ihm einleuchten musste, dass in jedem Fall zwei Striche keine Unterschriftsleistung darstellen, musste es ihm als erfahrenen Zusteller auch klar sein, dass dann die Beklagten im Falle, dass der Empfänger den Empfang der Leistung leugnen würde, keine Möglichkeit haben würde, einen entsprechenden Nachweis zu führen. Daher hat der Kläger auch grob fahrlässig in kauf genommen, dass ein entsprechender Schaden bei der Beklagten entsteht.

bb) Nach den vom großen Senat des Bundesarbeitsgerichts (v. 27.09.1994-GS 1/89(A)) entwickelten Grundsätzen hat ein Arbeitnehmer vorsätzlich verursachte Schäden in vollem Umfang zu tragen, bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er dagegen nicht. Bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verteilen, bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen. Darüber hinaus sind aber auch Haftungserleichterungen im Rahmen einer Gesamtabwägung mit einzubeziehen. Insoweit ist nach Abwägung zu entscheiden, ob der Schaden voll auferlegt werden soll, wobei insbesondere die Höhe des Arbeitsentgelts, die weiteren mit der Leistungsfähigkeit zusammenhängenden Umstände und der Grad des Verschuldens in die Abwägung einbezogen werden können. Auf Seiten des Arbeitgebers wären auch ein besonders hoher Vermögensverlust und eine Versicherbarkeit einzubeziehen. Des Weiteren sind auch persönliche Umstände wie Betriebszugehörigkeit und Unterhaltsverpflichtungen zu berücksichtigen, gleichermaßen etwa auch eine Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit (vgl. BAG Urt. v. 28.10.2010 - 8 AZR 418/19). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien erscheint es zumutbar, dass der Kläger den vollen Schadensbetrag ersetzen muss. Unter Berücksichtigung des o.g. Verschuldensgrades, der Tatsache, dass der Kläger als erfahrener Paketzusteller aufgrund der Unterweisungen sich darüber klar sein musste, dass die nicht eingeholte Unterschrift im Konfliktfalle mit dem Kunden jedenfalls einen entsprechenden Nachweis, schon auch aufgrund des zeitlichen Abstandes zum tatsächlichen Zustellvorgang, verhindern würde, und angesichts der Tatsache auch, dass eine Versicherung nicht ersichtlich ist und auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers, wie etwa die Dauer der Betriebszugehörigkeit, welche verhältnismäßig kurz ist, auch sein Lebensalter und seine Familienverhältnisse, angesichts der Höhe des Schadens auch im Verhältnis zur Vergütung des Klägers es durchaus als tolerabel erscheinen lassen, hat der Kläger die entsprechende Schadenssumme voll-ständig zu ersetzen. Auch eine Gefahrgeneigtheit, wie von Seiten des Klägers dargelegt, kann die Kammer nicht erkennen. Gerade in Bezug auf die Unterschriftsleistung hat sich nicht etwa eine typische Gefahr, die mit der Tätigkeit des Klägers verbunden ist, realisiert, sondern die Unterschriftsleistung kann von Seiten des Klägers in jedem Fall kontrolliert und eingeholt werden. Wenn der Kläger aber entweder eine Kontrolle durch kurzes Anblicken des Displays oder aber eine Aufforderung des Kunden, zu unterschreiben, unter-lässt, dann realisiert sich nicht eine besonders typische Gefahr der Tätigkeit des Klägers, zumal dieser ja auch nicht vorgetragen hat, dass der Kunde sich etwa geweigert hätte, eine Unterschrift zu leisten, vielmehr liegt schlicht eine Verletzung der Pflichten vor. Auch die Menge der zuzustellenden Pakete verhindert jedenfalls nicht in dieser Form die kurze Unterschriftsleistung. Anders als etwa eine länger dauernde Ausweiskontrolle, kann eine Unterschrift binnen weniger Sekunden eingefordert, durchgeführt und kontrolliert werden. Eine wesentliche Verzögerung des Zustellvorgangs tritt hierdurch nicht ein. Insofern sprechen keine besonderen Umstände dafür, von der üblichen Regelung der Auferlegung des vollen Schadens bei grober Fahrlässigkeit abzuweichen.

e) Die von Seiten der Beklagten durchgeführte Realisierung des Schadens durch Einbehalt vom Lohn des Klägers im Wege der Aufrechnung wird auch nicht durch § 24

MTV gehindert. Dieser beinhaltet kein Aufrechnungsverbot. Vielmehr ist die Aufrechnung auch während laufender Ausschlussfristen möglich (vgl. ebenso Preis in ErfKomm § 218 BGB, Rz. 67; Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. Rz. 2050).

aa) Der Vorschrift des § 24 MTV Ziff. 2 ist auch nicht etwa ein Aufrechnungsverbot zu entnehmen.

Dies ergibt auch etwa die Auslegung des Tarifvertrages.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages erfolgt nach st. Rspr. den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebende Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (vgl. BAG, Urteil v. 19.09.2007 - 4 AZR 670/06).

bb) Nach diesen Auslegungsgrundsätzen ist zunächst festzustellen, dass der Tarifwortlaut an sich eine Aufrechnung nicht ausschließt. Die Aufrechnung wird im § 24 MTV überhaupt nicht angesprochen. Dort ist lediglich die Rede davon, dass nach Ziffer 1. eine Geltendmachung zu erfolgen hat. Nach Ablehnung bzw. Schweigen auf die Geltendmachung wäre ein Anspruch innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend zu machen, um den Verfall des Anspruchs zu verhindern.

Hieraus lässt sich aber schließen, dass der Anspruch zwar verfällt, wenn er nicht innerhalb des Zweimonatszeitraums gerichtlich geltend gemacht wird, dass aber andererseits der Verfall eines Anspruchs dann nicht möglich ist, wenn der Anspruch ohnehin nicht mehr besteht. Soweit also die Aufrechnung durchgeführt wird, welche letzten Endes zum Erlöschen des Anspruchs durch Erfüllung führt, § 389 BGB, ist ein Verfall des Anspruchs schon aus diesem Grund nicht möglich. Insoweit spricht der Wortlaut von § 24 MTV eher dafür, dass die Aufrechnung möglich bleibt. Denn die zweite Stufe der Ausschlussfrist setzt lediglich voraus, dass der Anspruch noch existiert. Nur ein noch vorhandener, also nicht bereits anderweitig erloschener, Anspruch verfällt, wenn er nicht entsprechend geltend gemacht wird. Ein Verbot andererseits, das Erlöschen des Anspruchs anderweitig herbeizuführen, kann § 24 Ziff. 2 MTV nicht entnommen werden.

Insoweit hat das Gericht es auch nicht für erforderlich gesehen, eine Tarifauskunft einzuholen, da schon nicht erkennbar ist, wie etwa ein anderweitiger Wille der Tarifvertragsparteien in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hätte.

Auch nach dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen ergibt sich keine anderweitige Auslegung. Aus der Zweistufigkeit der Ausschlussfrist, mit der ersten Stufe der Geltendmachung und einer etwaigen anschließenden Pflicht zur gerichtlichen Geltendmachung um das Verfallen eines Anspruchs zu verhindern, ergibt sich nicht zwingend, dass eine anderweitige Beilegung des Streits etwa durch anderweitige Realisierung des Anspruchs dadurch verhindert werden soll. Im Gegenteil sprechen gerade Sinn und Zweck der Ausschlussfristen, möglichst schnell eine Regelung, Befriedung und Klarheit herbeizuführen, dafür, dass die Verschaffung der Klarheit etwa durch Aufrechnung bestehen bleiben soll. Die beiden Ebenen einer zweistufigen Verfallsklausel bezwecken den Sinn, auf der ersten Ebene dahingehend, dass der Schuldner in Kenntnis gesetzt werden soll, dass noch etwaige Ansprüche offen sind, wohingegen mit der zweiten Stufe Druck auf den Gläubiger ausgeübt werden soll, endgültig Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen zu schaffen. Wenn eine Ausschlussfrist noch nicht abgelaufen ist und der Anspruch daher noch nicht verfallen ist, kann der Gläubiger den Anspruch auch durch Aufrechnung zum Erlöschen bringen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aufrechnung im Unterschied zur Geltendmachung, bei der lediglich der Anspruch noch als solcher gegenüber dem Schuldner als bestehend behauptet wird, bereits zum Erlöschen der Forderung durch Erfüllung führt. Die Aufrechnung ist daher auf eine gänzlich andere Rechtsfolge gerichtet. Sie vernichtet den Anspruch zu einem Zeitpunkt, zu dem er noch nicht verfallen ist. Ob später die Ausschlussfrist abläuft, ist daher ohne Bedeutung. Mit dem Sinn und Zweck der Ausschlussfrist, möglichst schnell Klarheit zu erlangen, wäre ein Aufrechnungsverbot nicht zu vereinbaren, da dies letztlich dazu führen würde, dass jede Auseinandersetzung über Ansprüche in ein Gerichtsverfahren münden würde (vgl. entsprechend auch zu arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen: Matthiessen, Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen, Seite 322 f.; Weyand Ausschlussfristen im Tarifrecht, Kap. 6 Rn. 7). Denn der Sinn und Zweck der Ausschlussfristen besteht letztlich darin, innerhalb relativ kurzer Zeit Klarheit darüber herbeizuführen, ob der Gläubiger einen entsprechenden Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend machen wird. Wie die Entscheidung des lag Düsseldorf (10 Sa 430/14) vom 15.08.2014, auf die die klägerische Seite Bezug genommen hat, darlegt, sollen die zweistufigen Ausschlussfristen gerade dazu führen, dass der Schuldner zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem gerichtlich geltend gemachten Anspruch gezwungen werden soll, er soll dabei gerade auch seine Einwendungen und Gegenrechte überdenken und somit seine prozessuale und materiell-rechtliche Verteidigung prüfen (vgl. BAG, Urteil v. 10.05.1995 - 10 AZR 590/94). Durch die Frist soll der Schuldner, möglicherweise auch der Gläubiger, zu einer eindeutigen Positionierung gezwungen werden. Dieser Zweck wird aber auch durch die Aufrechnung erreicht, weil der Gläubiger hierdurch letzten Endes zu erkennen gibt, dass er von der Berechtigung seines Anspruchs ausgeht, andererseits aufgrund der durchgeführten Aufrechnung letztlich der Schuldner gezwungen wird, zu überlegen, ob er seinerseits den Anspruch, der durch die Aufrechnung erloschen ist, nunmehr geltend machen will, oder nicht. Insofern führt die Aufrechnung sogar zu einem schnelleren Vorgehen, gerade weil auch hierdurch die Forderung erfüllt werden kann, als die gerichtliche Geltendmachung, die unter Umständen zu einem langjährigen Rechtsstreit und Auseinandersetzungen führt.

Schließlich stünde auch dem Arbeitnehmer bei Bestehen entsprechender Ansprüche die Möglichkeit einer Aufrechnung gegen den Arbeitgeber zu.

Da somit ein Aufrechnungsausschluss auch aus der Auslegung und der Sinnhaftigkeit einer solcher Regelung nicht zu erkennen ist, war die erfolgte Aufrechnung wirksam.

Wie zu Recht auch das lag Köln (Urteil v. 03.09.2004 - 4 (9) Sa 1338/03) entschieden hat, kann auch die zweistufige Ausschlussfrist nicht dazu führen, dass etwa noch nach erklärter Aufrechnung ein gerichtliches Verfahren eingeleitet werden müsste, da aufgrund des Erlöschens des Anspruchs jegliche gerichtliche Geltendmachung sinnlos wäre.

Da somit auch § 24 Ziffer 2. MTV der Aufrechnung nicht entgegensteht, diese wirksam bleibt, konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

3. Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Frage des Entgegenstehens einer zweistufigen Ausschlussfrist in Bezug auf eine erklärte Aufrechnung bei laufenden Ausschlussfristen war die Revision zuzulassen. Insoweit wird auf die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung verwiesen.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


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Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 389 Wirkung der Aufrechnung


Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 218 Unwirksamkeit des Rücktritts


(1) Der Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung ist unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. Dies gilt auch, wenn der Schuldner nach §

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Feb. 2016 - 5 AZR 258/14

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Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 4. März 2014 - 6 Sa 264/12 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 28. Okt. 2010 - 8 AZR 418/09

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Tenor Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 24. April 2009 - 10 Sa 1402/08 - wird zurückgewiesen.

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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 4. März 2014 - 6 Sa 264/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay.

2

Die 1967 geborene Klägerin war vom 10. Juni 2008 bis zum 30. September 2011 bei der G GmbH & Co. KG (im Folgenden Schuldnerin), die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betrieb, als Helferin beschäftigt und im Beschäftigungszeitraum - jeweils mehrfach - der M GmbH, der V GmbH, der S mbH und der St GmbH überlassen. Sie erhielt einen Bruttostundenlohn von zunächst 5,77 Euro, ab September 2008 von 6,00 Euro, ab August 2009 von 6,15 Euro, ab August 2010 von 6,40 Euro und ab Juni 2011 von 6,89 Euro. Außerdem zahlte die Schuldnerin Zuschläge in unterschiedlicher Höhe für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie für Arbeit an Neujahr, 1. Weihnachtsfeiertag, Ostersonntag und 1. Mai.

3

Grundlage des Arbeitsverhältnisses war zunächst der Arbeitsvertrag vom 9. April 2008, der eine geringfügige Beschäftigung vorsieht und in dem es heißt, er werde „auf Grundlage der Regelungen des Tarifvertrages zwischen der AMP und der Christlichen Gewerkschaft“ geschlossen. Am 21. August 2008 vereinbarten die Parteien - zunächst mehrfach befristet - einen Arbeitsvertrag über ein Vollzeitarbeitsverhältnis, der auszugsweise lautet:

㤠1 Vertragsgegenstand/Tarifanwendung

1. Der Arbeitnehmer wird als Helfer eingestellt. Er verpflichtet sich, bei Kundenunternehmen des Arbeitgebers (Entleihern) an verschiedenen Orten im gesamten Bundesgebiet und ggf. im benachbarten Ausland tätig zu werden.

4. Auf das Arbeitsverhältnis finden die für den Arbeitgeber fachlich einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Dies sind zurzeit die zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. abgeschlossenen Tarifverträge (Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifvertrag und Beschäftigungssicherungstarifvertrag). Im Falle eines Verbandswechsels des Arbeitgebers gelten die Bestimmungen der einschlägigen Tarifwerke in ihrer jeweiligen Fassung. Für den Fall, dass ein Firmentarifvertrag abgeschlossen wird, gilt dessen Inhalt.

5. Soweit die nachfolgenden Regelungen mit den Bestimmungen der in Bezug genommenen Tarifverträge wörtlich übereinstimmen, dient dies der besseren Verständlichkeit dieses Vertrages; Wortlautwiederholungen tariflicher Bestimmungen sind demnach nur deklaratorisch. Ausgenommen hiervon ist § 12 (Geltendmachung und Ausschluss von Ansprüchen) dieses Vertrages; diese Regelung wirkt konstitutiv. Soweit die Regelungen dieses Vertrages den in Bezug genommenen Tarifverträgen derzeit oder künftig widersprechen sollten, gelten vorrangig die jeweils maßgeblichen tariflichen Bestimmungen. Dies gilt nicht, soweit die Tarifverträge eine Abweichung ausdrücklich zulassen oder sich aus den Regelungen dieses Arbeitsvertrages eine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung ergibt.

§ 3 Arbeitszeit, Arbeitszeitkonto

1. Festlegung der arbeitsvertraglichen Arbeitszeit - Monatsdurchschnitt

 Die regelmäßige monatliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers beträgt 151,67 Stunden (tarifliche Mindestarbeitszeit). Dies entspricht einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 35 Stunden.

2. Die vom Arbeitnehmer tatsächlich zu leistende Arbeitszeit sowie ihre Lage und Verteilung richtet sich nach den im Kundenbetrieb vorhandenen betrieblichen Regelungen bzw. nach den Anforderungen des Kundenbetriebes unbeschadet von tariflicher Mindestarbeitszeit und arbeitsvertraglicher Arbeitszeit. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, ggf. auch an Samstagen, Sonn- und Feiertagen, sowie nachts zu arbeiten.

4. Zum Ausgleich der monatlichen Abweichungen zwischen der nach Abs. 1 oder Abs. 2 vereinbarten Arbeitszeit des Arbeitnehmers und der tatsächlichen Arbeitszeit nach Abs. 3 wird ein Arbeitszeitkonto eingerichtet. Soweit nachstehend nichts anderes vereinbart ist, gelten für die Führung des Arbeitszeitkontos die Regelungen des Manteltarifvertrages, derzeit Ziff. 3.7.

9. Bei Ausscheiden des Mitarbeiters werden Guthabenstunden ausgezahlt. Minusstunden werden mit Entgeltansprüchen nur dann verrechnet bzw. sind zurückzuzahlen, wenn und soweit sie auf Veranlassung des Arbeitnehmers entstanden sind. Anderenfalls sind sie zu streichen.

§ 4 Vergütung

6. Die Vergütung wird monatlich nachträglich bis spätestens zum 20. des Folgemonats auf ein von dem Arbeitnehmer anzugebendes Konto überwiesen.

§ 13 Vertragsstrafe

1. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, eine Vertragsstrafe bis zur Höhe eines Bruttolohnes zu zahlen, wenn er das Arbeitsverhältnis vertragswidrig vorzeitig beendet. (…) Gleiches gilt auch, wenn das Arbeitsverhältnis wegen vertragswidrigem Verhalten beendet wird und bei Verstößen gegen die Meldepflicht.

2. Im Falle des unentschuldigten Fernbleibens von der Arbeit (Blaumachen) an einzelnen Tagen oder zusammenhängend verpflichtet sich der Arbeitnehmer zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe des Bruttoentgelts, das er bei tatsächlicher Ausführung der Arbeit erhalten hätte.

3. Mit der Vertragsstrafe kann unter Beachtung der Lohnpfändungsbestimmungen gegen ausstehende oder künftige Lohnforderungen aufgerechnet werden.

§ 14 Geltendmachung und Ausschluss von Ansprüchen

1. Beide Arbeitsvertragsparteien können sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nur schriftlich innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten ab Fälligkeit geltend machen (Ziff. 19.2 MTV).

2. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen, es sei denn, dass der Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutender Sorgfalt verhindert war, diese Frist einzuhalten. Diese Ausschlussfrist gilt nicht für Ansprüche, die auf eine unerlaubte Handlung gestützt werden.

3. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von einem Monat nach der Geltendmachung des Anspruches, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von einem Monat nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.“

4

Eine undatierte Änderungsvereinbarung sieht ua. vor:

„1. Mit Wirkung vom 01.01.2010 erhält § 2 Absatz 1 des Arbeitsvertrages folgende Fassung:

Auf das Arbeitsverhältnis finden die zwischen dem Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) einerseits und der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP), der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM), der DHV - Die Berufsgewerkschaft e.V. (DHV), dem Beschäftigtenverband Industrie, Gewerbe, Dienstleistung (BIGD), dem Arbeitnehmerverband land- und ernährungswirtschaftliche Berufe (ALEB), medsonet. Die Gesundheitsgewerkschaft (medsonet) andererseits abgeschlossenen Tarifverträge, derzeit bestehend aus Manteltarifvertrag, Manteltarifvertrag für die Auszubildenden, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifverträge West und Ost sowie Beschäftigungssicherungstarifvertrag in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung.“

5

Schließlich wurde mit Änderungsvertrag vom 28. Februar 2011 die regelmäßige monatliche Arbeitszeit ab März 2011 auf 120 Stunden reduziert.

6

Mit Anwaltsschreiben vom 6. und 18. Juli 2011 sowie vom 4. November 2011 ließ die Klägerin die Entleiherinnen zu Auskünften nach § 13 AÜG auffordern. Die Entleiherinnen kamen dem mit Schreiben vom 21. Juni 2011, 28. Juli 2011, 25. Juli 2011 und 11. November 2011 nach.

7

Die Klägerin wollte ab 1. Oktober 2011 ein neues Arbeitsverhältnis eingehen und sprach am 15. September 2011 den Geschäftsführer der Schuldnerin wegen einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. In einem Vier-Augen-Gespräch unterhielten sie sich - zumindest - über die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die Abwicklung von Urlaub und den Ausgleich des Arbeitszeitkontos. Im Anschluss daran ließ der Geschäftsführer der Schuldnerin von seiner Sekretärin einen schriftlichen Aufhebungsvertrag fertigen, den er und die Klägerin nach handschriftlicher Hinzufügung von Ort und Datum unterschrieben und der lautet:

„Aufhebungsvertrag

Auf Wunsch von Frau K, geboren 1967, wird der mit der Firma G GmbH & Co. KG geschlossene Arbeitsvertrag im gegenseitigen Einvernehmen zum 30.09.2011 beendet.

Frau K erhält bis zum 30.09.2011 ihren Urlaub. Der restliche Urlaubsanspruch gilt als genommen.

Überstunden aus dem Arbeitszeitkonto werden mit der letzten ordentlichen Lohnzahlung zum 20.10.2011 abgerechnet und bezahlt.

Frau K beräumt ihren Schrank und gibt ihre Arbeitssachen, ein Messer sowie den Spindschlüssel vom Milchwerk bis zum 20.10.2011 ab.

Beiden Parteien verzichten auf darüberhinausgehende Forderungen.“

8

Mit der am 9. Dezember 2011 anhängig gemachten Klage hat die Klägerin unter Berufung auf § 10 Abs. 4 AÜG für die Zeiträume der Überlassungen an die Entleiherinnen die Differenz zwischen der von der Schuldnerin erhaltenen Vergütung und dem Arbeitsentgelt, das die Entleiherinnen jeweils vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährt haben sollen, verlangt. Sie hat geltend gemacht, dem stehe der Aufhebungsvertrag nicht entgegen. Die darin enthaltene Verzichtsklausel beziehe sich nur auf die vorangestellten Regelungen des Aufhebungsvertrags, jedenfalls halte sie einer Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB nicht stand. Die Klausel sei überraschend, unklar und benachteilige sie unangemessen. Zudem habe sie die Verzichtserklärung wegen Irrtums und den Aufhebungsvertrag wegen arglistiger Täuschung in Form des Unterlassens einer Aufklärung wirksam angefochten.

9

Die Klägerin hat - soweit die Klage in die Revisionsinstanz gelangt ist - in den Tatsacheninstanzen sinngemäß beantragt,

die Schuldnerin zu verurteilen, an die Klägerin 21.206,31 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter Staffelung zu zahlen.

10

Die Schuldnerin hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, etwaige Ansprüche der Klägerin seien jedenfalls aufgrund des Verzichts im Aufhebungsvertrag erloschen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin zunächst ihren Klageantrag weiterverfolgt. Über das Vermögen der Schuldnerin ist am 1. Januar 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Revisionsbeklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Dieser hat eine von der Klägerin zur Tabelle angemeldete Forderung über 25.866,00 Euro bestritten mit der Begründung „es liegt kein Urteil vor“. Daraufhin hat die Klägerin den Rechtsstreit gegen den Insolvenzverwalter aufgenommen und begehrt nunmehr die Feststellung der bestrittenen Forderung zur Tabelle.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

13

I. Die Klage ist zulässig.

14

1. Die Klägerin hat den durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin nach § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreit wirksam gegen den Insolvenzverwalter aufgenommen, § 87 iVm. § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 2 InsO. Bei der ursprünglich eingeklagten Differenzvergütung handelt es sich um eine Insolvenzforderung iSd. § 38 InsO. Sie resultiert aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

15

2. Der Übergang von dem ursprünglichen Leistungsantrag zum Antrag auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle ist keine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung (§ 263 ZPO), sondern gemäß § 264 Nr. 3 ZPO statthaft(BAG 19. März 2014 - 5 AZR 299/13 (F) - Rn. 14).

16

II. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat auf die streitgegenständlichen Ansprüche wirksam verzichtet.

17

1. Die Klägerin hat für jede Überlassung für deren jeweilige Dauer Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG. Eine nach § 9 Nr. 2 AÜG zur Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung berechtigende Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen. Der Arbeitsvertrag vom 9. April 2008 nimmt keinen bestimmten oder bestimmbaren Tarifvertrag in Bezug, § 1 Nr. 4 des Arbeitsvertrags vom 21. August 2008 verweist in seiner ursprünglichen Fassung auf wegen der fehlenden Tariffähigkeit der CGZP unwirksame Tarifverträge. In ihrer geänderten Fassung ist die Bezugnahmeklausel intransparent (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), weil es an einer Kollisionsregel hinsichtlich der mehreren in Bezug genommenen eigenständigen Tarifwerke fehlt (st. Rspr. seit BAG 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 26 ff., BAGE 144, 306).

18

2. Die Ansprüche der Klägerin sind nicht aufgrund von Ausschlussfristen verfallen.

19

a) Die Klägerin musste Ausschlussfristen aus unwirksamen Tarifverträgen der CGZP oder aus nicht wirksam in das Arbeitsverhältnis einbezogenen Tarifverträgen nicht beachten. Derartige „tarifliche“ Ausschlussfristenregelungen sind auch nicht kraft Bezugnahme als Allgemeine Geschäftsbedingung Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden (vgl. BAG 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 34 f., BAGE 144, 306; 19. Februar 2014 - 5 AZR 1046/12 - Rn. 19).

20

b) Ob § 14 Arbeitsvertrag eine eigenständige, bei Unwirksamkeit der in Bezug genommenen „Tarifverträge“ zum Tragen kommende vertragliche Ausschlussfristenregelung(zu den Voraussetzungen BAG 28. Januar 2015 - 5 AZR 122/13 - Rn. 16 f. mwN) enthält, kann dahingestellt bleiben. Als solche würde sie einer AGB-Kontrolle nicht standhalten. Die Kürze der Fristen auf beiden Stufen benachteiligte die Klägerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB(vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - BAGE 115, 19; 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - BAGE 116, 66).

21

3. Die Ansprüche der Klägerin auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG sind durch die Verzichtsklausel im Aufhebungsvertrag vom 15. September 2011 erloschen.

22

a) Diese Klausel ist wie eine Allgemeine Geschäftsbedingung anhand von § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu beurteilen. Die Beklagte hat unstreitig die Verzichtsklausel vorformuliert, der Klägerin in dieser Form angeboten und damit im Rechtssinne gestellt. Ob es sich dabei um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung handelte (§ 305 Abs. 1 BGB) bedarf keiner weiteren Aufklärung, denn wie der Arbeitsvertrag ist auch der zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses geschlossene Aufhebungsvertrag Verbrauchervertrag iSd. § 310 Abs. 3 BGB(BAG 24. September 2015 - 2 AZR 347/14 - Rn. 13; Schaub/Linck Arbeitsrechts-Handbuch 16. Aufl. § 122 Rn. 13; Däubler in Däubler/Bonin/Deinert AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht 4. Aufl. Einl. Rn. 156; Krause in Clemenz/Kreft/Krause AGB-Arbeitsrecht Einf. Rn. 110, jeweils mwN). Die Klägerin hat die Verzichtsklausel unstreitig nicht in den Auflösungsvertrag eingeführt (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB), dass sie auf deren Inhalt Einfluss nehmen konnte (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), hat die Schuldnerin nicht substantiiert dargelegt.

23

aa) Die Möglichkeit der Einflussnahme, die sich auf die konkrete Klausel beziehen muss, ist nur gegeben, wenn der Verwender einer Allgemeinen Geschäftsbedingung deren Kerninhalt ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verwendungsgegner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen einräumt. Dies setzt zumindest voraus, dass sich der Verwender deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklärt und dies dem Verwendungsgegner bei Abschluss des Vertrags bewusst war. Ist die Möglichkeit der Einflussnahme streitig, muss der Verwender nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast den Vortrag des Verwendungsgegners, er habe keine Einflussmöglichkeit gehabt, qualifiziert bestreiten, indem er konkret darlegt, wie er die Klausel zur Disposition gestellt hat und aus welchen Umständen darauf geschlossen werden kann, der Verwendungsgegner habe die in Streit stehende Klausel freiwillig akzeptiert (BAG 19. August 2015 - 5 AZR 500/14 - Rn. 17 mwN).

24

bb) Gemessen daran hat die Schuldnerin unzureichend vorgetragen. Sie hat noch nicht einmal behauptet, dass in dem Gespräch über die Konditionen des Aufhebungsvertrags die Verzichtsklausel zur Sprache gekommen sei, geschweige denn dargelegt, dass und in welcher Weise sie die von ihr in den Aufhebungsvertrag eingeführte Klausel zur Disposition der Klägerin gestellt habe.

25

b) Die Verzichtsklausel umfasst auch Ansprüche auf equal pay. Das ergibt ihre Auslegung.

26

aa) Für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen kommt es darauf an, wie die Klausel - ausgehend vom Vertragswortlaut - nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei unterliegt die Auslegung der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (st. Rspr., BAG 16. Dezember 2015 - 5 AZR 567/14 - Rn. 12 mwN).

27

bb) Ausgehend von ihrem Wortlaut hat die Verzichtsklausel als Bestandteil des Aufhebungsvertrags rechtsgeschäftlichen Erklärungswert, denn die Parteien wollten mit dem Aufhebungsvertrag ihr Arbeitsverhältnis konstitutiv beenden und die Modalitäten dieser Beendigung regeln.

28

Mit dem Gebrauch des Verbs „verzichten“ halten die Parteien - anders als bei einer anlässlich der Herausgabe von Arbeitspapieren unterzeichneten „Ausgleichsquittung“ (dazu BAG 23. Oktober 2013 - 5 AZR 135/12 - Rn. 16 ff., BAGE 146, 217) oder einer anlässlich des Abschlusses eines neuen Arbeitsvertrags vereinbarten „Erledigungsklausel“ (vgl. BAG 28. Januar 2015 - 5 AZR 122/13 - Rn. 21; 27. Januar 2016 - 5 AZR 277/14 - Rn. 13- nicht lediglich eine übereinstimmende Auffassung darüber fest, alle Ansprüche seien nunmehr „erledigt“ oder „abgegolten“. Vielmehr machen sie - entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch - deutlich, dass sie sich dessen begeben, auf was sie verzichten. Zu Recht hat deshalb das Landesarbeitsgericht der streitgegenständlichen Verzichtsklausel die Bedeutung eines konstitutiven negativen Schuldanerkenntnisses beigemessen.

29

Die Formulierung „darüberhinausgehende Forderungen“ nimmt Bezug auf die der Klausel voranstehenden Vereinbarungen der Parteien zu den Konditionen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und erfasst alle Ansprüche, die dort keiner Regelung zugeführt wurden.

30

Auf die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB kann deshalb nicht zurückgegriffen werden, es bestehen keine nicht behebbaren Zweifel an der richtigen Auslegung(vgl. BAG 16. Dezember 2015 - 5 AZR 567/14 - Rn. 28 mwN). Allein die entfernte Möglichkeit, auch zu einem anderen Auslegungsergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung von § 305c Abs. 2 BGB nicht(BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 80 mwN).

31

c) Auf § 305c Abs. 1 BGB verweist § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht(zu Überlegungen, die Norm im Wege richtlinienkonformer Auslegung anzuwenden vgl. Palandt/Grüneberg 75. Aufl. § 310 BGB Rn. 18; Deinert in Däubler/Bonin/Deinert 4. Aufl. § 310 BGB Rn. 20; ErfK/Preis 16. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 23, jeweils mwN). Selbst wenn - woran es an Feststellungen fehlt - die Verzichtsklausel zur Mehrfachverwendung bestimmt gewesen wäre, scheiterte ihre Einbeziehung in den Aufhebungsvertrag nicht an § 305c Abs. 1 BGB.

32

Nach dieser Vorschrift werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht. Dieses setzt objektiv eine ungewöhnliche Klausel voraus, mit der der Arbeitnehmer subjektiv nicht zu rechnen brauchte (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 331/11 - Rn. 16 mwN, BAGE 141, 324).

33

Gemessen an diesen Anforderungen ist eine Verzichtsklausel in einem Aufhebungsvertrag nicht überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB. Die Vereinbarung derartiger Klauseln in Aufhebungsverträgen entspricht einer weit verbreiteten Übung im Arbeitsleben (vgl. nur HWK/Gotthardt 6. Aufl. § 305c BGB Rn. 5; Hoefs in Clemens/Kreft/Krause § 305c BGB Rn. 32) und trägt dem Bedürfnis der Parteien Rechnung, mit dem Aufhebungsvertrag - ähnlich wie bei außergerichtlichen und gerichtlichen Vergleichen (zu letzteren BAG 27. Mai 2015 - 5 AZR 137/14 - Rn. 21) - ihre Rechtsbeziehungen abschließend zu regeln und umfassend zu bereinigen (vgl. BAG 22. Oktober 2008 - 10 AZR 617/07 - Rn. 30). Die Regelung findet sich auch nicht an einer irgendwo im - kurzen - Aufhebungsvertrag versteckten Stelle, sondern schließt diesen unmittelbar vor der Unterschriftenzeile ab.

34

d) Die Verzichtsklausel ist nicht mangels hinreichender Transparenz unwirksam, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

35

Die Klausel regelt klar und deutlich, dass die Vertragsschließenden auf alle Forderungen, die über das im Aufhebungsvertrag Geregelte hinausgehen, verzichten; ungerechtfertigte Spielräume können für den Verwender nicht entstehen (vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 13 ff., BAGE 139, 44). Die Rechtsfolge hat die Klägerin auch verstanden, sie war sich allenfalls über die Reichweite ihres Verzichts im Unklaren.

36

e) Die Klausel hält der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand. Nach dieser Vorschrift sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Diese Voraussetzung liegt im Streitfall nicht vor.

37

aa) Die Verzichtsklausel ist kontrollfähig. Zwar sind formularmäßige Abreden zu den Hauptleistungspflichten aus Gründen der Vertragsfreiheit gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB regelmäßig von der gesetzlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgenommen(st. Rspr., vgl. nur BAG 27. November 2003 - 2 AZR 135/03 - zu B IV 3 der Gründe mwN, BAGE 109, 22). Deshalb unterliegt in einem Aufhebungsvertrag die Beendigungsvereinbarung als solche ebenso wenig einer Angemessenheitskontrolle (BAG 8. Mai 2008 - 6 AZR 517/07 - Rn. 22) wie eine als Gegenleistung für die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses vorgesehene Abfindung (BAG 12. März 2015 - 6 AZR 82/14 - Rn. 23 mwN).

38

Bei der Verzichtsklausel im Aufhebungsvertrag vom 15. September 2011 handelt es sich jedoch um eine kontrollfähige Nebenabrede, denn sie ist keine irgendwie geartete Gegenleistung, steht also nicht in einem Synallagma zur vereinbarten Aufhebung des Arbeitsverhältnisses. Sie regelt lediglich eine im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehende Frage und unterliegt damit als Nebenabrede der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, bei der die Besonderheiten des Arbeitsrechts gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB angemessen zu berücksichtigen sind(BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 203/10 - Rn. 42, BAGE 138, 136; 12. März 2015 - 6 AZR 82/14 - Rn. 24, jeweils mwN; zur Kontrollfähigkeit des Verzichts auf eine Kündigungsschutzklage vor Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 KSchG unabhängig von der Einordnung als Haupt- oder Nebenabrede s. BAG 24. September 2015 - 2 AZR 347/14 - Rn. 15 mwN).

39

bb) Eine unangemessene Benachteiligung iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wird angenommen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren(vgl. BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 203/10 - Rn. 46, BAGE 138, 136; 19. Februar 2014 - 5 AZR 920/12 - Rn. 20; ErfK/Preis 16. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 45; HWK/Gotthardt 6. Aufl. § 307 BGB Rn. 22, jeweils mwN). Welche Anforderungen danach konkret an die Angemessenheit einer Verzichtsklausel in einem vom Arbeitnehmer angestrebten Aufhebungsvertrag zu stellen sind, ist nicht abschließend geklärt.

40

(1) Vielfach wird - anknüpfend an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur unangemessenen Benachteiligung einseitiger Ausschlussfristen (BAG 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - zu I 5 b dd der Gründe, BAGE 115, 372) - angenommen, ein einseitiger Verzicht des Arbeitnehmers bzw. dessen Verzicht ohne angemessene Gegenleistung benachteilige ihn unangemessen (etwa BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 203/10 - Rn. 48 ff., BAGE 138, 136; 19. Februar 2014 - 5 AZR 920/12 - Rn. 24; 27. Mai 2015 - 5 AZR 137/14 - Rn. 28; ebenso für den Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage: BAG 25. September 2014 - 2 AZR 788/13 - Rn. 22, 24; 24. September 2015 - 2 AZR 347/14 - Rn. 16 ff.). Im Streitfall führte dies nicht zur Unangemessenheit der Klausel, denn es haben beide Vertragspartner auf weitergehende Ansprüche verzichtet. Als Gegenleistung hat die Klägerin zudem für ihren Wunsch, das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden, die Zustimmung der Schuldnerin und damit den Verzicht auf eine etwaige Vertragsstrafe erhalten.

41

(2) Ein beiderseitiger Forderungsverzicht schließt aber nicht von vornherein eine unangemessene Benachteiligung iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB aus. Denn der Verzicht des Klauselverwenders kann ein „Scheinverzicht“ sein, etwa, wenn er keine Forderungen gegen den Arbeitnehmer (mehr) hat oder solche nur „auf dem Papier stehen“, weil sie rechtlich nicht durchsetzbar sind.

42

Andererseits lässt sich der „Wert“, den die jeweilige Vertragspartei einem pauschalen Forderungsverzicht im Zeitpunkt des Abschlusses eines Aufhebungsvertrags beimisst, weder ex post objektiv ermitteln, geschweige denn irgendwie gewichten (ähnlich - für den formularmäßigen Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage - HWK/Gotthard 6. Aufl. Anh. §§ 305 - 310 BGB Rn. 58, wenn er darauf hinweist, dass für einen solchen Klageverzicht jeder Maßstab dafür fehle, welche Kompensation angemessen ist).

43

(3) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verbietet dem Klauselverwender nicht die Verfolgung eigener Interessen und verpönt nicht jede Benachteiligung des Vertragspartners. Mit dem Verweis auf die Gebote von Treu und Glauben und dem Gebrauch des Adjektivs „unangemessen“ macht das Gesetz - unterhalb der Schwelle der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB - ein Unwerturteil zur Voraussetzung und verbietet (erst) die Benachteiligung, der ein verwerflicher Charakter anhaftet. Dementsprechend hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts bei der Beurteilung der Unangemessenheit des Klageverzichts in einem Aufhebungsvertrag, der zur Vermeidung einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers geschlossen wurde, darauf abgestellt, ob ein verständiger Arbeitgeber die angedrohte Kündigung ernsthaft in Erwägung ziehen durfte (BAG 12. März 2015 - 6 AZR 82/14 - Rn. 27 ff.).

44

In einem auf Wunsch des Arbeitnehmers zustande gekommenen Aufhebungsvertrag ist daher eine Verzichtsklausel - unter der nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB gebotenen Mitberücksichtigung der Begleitumstände - unangemessen iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn der Arbeitgeber die Situation des Arbeitnehmers entgegen den Geboten von Treu und Glauben zur Durchsetzung eigener Interessen ausgenutzt hat.

45

cc) Gemessen daran hat die Schuldnerin die Klägerin nicht unangemessen benachteiligt.

46

Die Schuldnerin hat zwar mit der Verzichtsklausel primär eigene Interessen verfolgt, sie konnte und wollte auf diese Weise verhindern, von der Klägerin auf Differenzvergütung nach § 10 Abs. 4 AÜG in Anspruch genommen zu werden. Der Sachvortrag der für die Tatbestandsmerkmale des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin(vgl. Deinert in Däubler/Bonin/Deinert 4. Aufl. § 307 BGB Rn. 72; Klumpp in Clemenz/Kreft/Krause § 307 BGB Rn. 91, jeweils mwN) bietet aber keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dieser Interessenverfolgung verwerflichen Charakter beizumessen.

47

(1) Die Klägerin hatte nach ihrem Vorbringen die Schuldnerin bereits geraume Zeit vor dem Gespräch über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags davon in Kenntnis gesetzt, sie beabsichtige, Ansprüche auf gleiches Arbeitsentgelt zu verfolgen. Sie musste damit rechnen, dass die Schuldnerin den von der Klägerin angestrebten Aufhebungsvertrag zum Anlass einer „Gesamtbereinigung“ nehmen würde. Eine Pflicht der Schuldnerin, darauf hinzuweisen, bestand im Streitfall nicht, weil die Klägerin über das Bestehen ihrer Ansprüche nicht im Unklaren war.

48

(2) Der Sachvortrag der Klägerin rechtfertigt auch nicht den Schluss, sie sei bei Abschluss des Aufhebungsvertrags in einer Situation gewesen, in der sie zur Herbeiführung der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gleichsam alles ihr Angesonnene hinnehmen musste. Es ist schon nicht ersichtlich, dass das neue Arbeitsverhältnis nicht zustande gekommen wäre, wenn die Klägerin selbst kündigen und die ordentliche Kündigungsfrist hätte einhalten müssen. Zudem war das neue Arbeitsverhältnis, worauf die Klägerin selbst aufmerksam gemacht hat, wiederum ein solches in der Leiharbeitsbranche und nur geringfügig besser dotiert als das mit der Schuldnerin.

49

f) Die Wirkungen des Verzichts sind nicht durch Anfechtung entfallen.

50

aa) Es kann dahingestellt bleiben, ob die im Aufhebungsvertrag vom 15. September 2011 enthaltene Verzichtsklausel überhaupt isoliert anfechtbar ist und die Klägerin - wie das Landesarbeitsgericht meint - die Anfechtungsfrist des § 121 Abs. 1 BGB versäumt hat. Jedenfalls liegen die Voraussetzungen des Inhaltsirrtums nach § 119 Abs. 1 BGB nicht vor. Danach kann eine Willenserklärung anfechten, wer bei der Abgabe über deren Inhalt im Irrtum war und sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde. Die Klägerin wollte den erklärten Verzicht, sie war sich - folgt man ihrem Vorbringen - lediglich über die Tragweite des Verzichts im Unklaren. Eine Fehlvorstellung über die Rechtsfolgen berechtigt aber nicht zur Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB(vgl. BAG 24. April 2014 - 8 AZR 429/12 - Rn. 22).

51

bb) Auch die Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB greift nicht durch. Die Schuldnerin hat die Klägerin nicht im Sinne dieser Norm durch Unterlassen arglistig getäuscht.

52

Grundsätzlich hat innerhalb eines Vertrags jede Partei für die Wahrnehmung ihrer Interessen selbst zu sorgen (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 161/08 - Rn. 28; BGH 19. Juli 2012 - III ZR 71/12 - Rn. 21 mwN). Inwieweit der Arbeitgeber aufgrund der Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB)gehalten sein kann, dem Arbeitnehmer zur Vermeidung von Rechtsnachteilen geeignete Hinweise zu geben (dazu BAG 13. November 2014 - 8 AZR 817/13 - Rn. 22), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn die Schuldnerin durfte wegen der Kenntnis der Klägerin von dem Anspruch auf equal pay davon ausgehen, die Klägerin werde insoweit ihre Interessen selbst wahrnehmen. Über die Tragweite der Verzichtsklausel musste die Schuldnerin schon wegen deren Transparenz keine weiteren Hinweise geben oder sich vergewissern, ob sich die Klägerin über die Reichweite der Klausel im Klaren war.

53

4. § 9 Nr. 2 AÜG steht der Vereinbarung einer Verzichtsklausel in einem vom Arbeitnehmer veranlassten Aufhebungsvertrag nicht entgegen.

54

Die Vorschrift verbietet es, durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung die Entstehung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt auszuschließen oder zu beschränken. Ist der Anspruch entstanden, bildet er einen Teil des Vermögens des Arbeitnehmers über das er frei verfügen (BAG 27. Mai 2015 - 5 AZR 137/14 - Rn. 26; Böhm Anm. AP AÜG § 10 Nr. 53)und auch durch Verzicht zum Erlöschen bringen kann. Das AÜG enthält keine Bestimmung wie zB in § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG, § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG, der zufolge ein Verzicht auf bereits entstandene Ansprüche auf equal pay unzulässig oder nur unter Einschränkungen möglich wäre.

55

5. Der Senat kann die Sache entscheiden, ohne nach Art. 267 AEUV den Gerichtshof der Europäischen Union einschalten zu müssen.

56

Für den Rechtsstreit ist keine Frage des Unionsrechts entscheidungserheblich, was Voraussetzung für eine Vorlage wäre (vgl. BVerfG 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14 - Rn. 23). Keine Bestimmung der RL 2008/104/EG oder sonstigen Unionsrechts untersagt Vereinbarungen, die zum Erlöschen bereits entstandener Ansprüche auf gleiches Arbeitsentgelt führen. Auch stehen derartige Vereinbarungen nicht im Widerspruch zu dem mit Art. 5 RL 2008/104/EG verfolgten Ziel, sicherzustellen, dass dem Leiharbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis zumindest die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gewährt werden, die für ihn gelten würden, wenn er vom Entleiher für eine vergleichbare Tätigkeit eingestellt worden wäre(vgl. BAG 27. Mai 2015 - 5 AZR 137/14 - Rn. 31 ff.).

57

III. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Volk    

        

        

        

    A. Christen    

        

    Ernst Bürger    

                 

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 24. April 2009 - 10 Sa 1402/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens und der Nebenintervention haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen der Beschädigung eines Diagnosegeräts.

2

Die Kläger betreiben als Fachärzte eine Gemeinschaftspraxis für radiologische Diagnostik und Nuklearmedizin. Etwa 2/3 des durchschnittlichen Umsatzes der Praxis werden mit einem Magnetresonanztomographen (MRT) erwirtschaftet. Die Beklagte ist in der Praxis langjährig als Reinigungskraft beschäftigt, zuletzt gegen ein monatliches Bruttoentgelt iHv. 320,00 Euro. Die Nebenintervenientin ist das Versicherungsunternehmen, bei dem die Beklagte eine Privathaftpflichtversicherung abgeschlossen hat.

3

Am Sonntag, 8. Januar 2006, besuchte die Beklagte ihre über den Praxisräumen der Kläger wohnende und mit ihr befreundete Arbeitskollegin Frau B. Bei Besuchsende nahmen die beiden Frauen auf dem Weg zur Haustür in der Praxis einen Alarmton wahr. Die Beklagte ging in die nicht verschlossenen Praxisräume, stellte fest, dass der Alarm vom MRT ausging und wollte an der Steuereinheit des Geräts den Alarmton ausschalten. Die fest an der Wand montierte Steuereinheit besitzt fünf Schaltknöpfe, vier davon sind in blauer Farbe gehalten und mit „host standby“, „alarm silence“, „system off“ und „system on“ überschrieben. Oberhalb von diesen im Quadrat angeordneten blauen Schaltknöpfen befindet sich ein deutlich größerer roter Schaltknopf, der mit der weißen Aufschrift „magnet stop“ versehen ist. Dieser rote Schalter ist hinter einer durchsichtigen Plexiglasklappe, die vor der Betätigung des Schalters angehoben werden muss, angebracht.

4

Um den Alarm auszuschalten, drückte die Beklagte statt des hierfür vorgesehenen blauen Knopfes „alarm silence“ den roten Schaltknopf „magnet stop“ und löste hierdurch einen so genannten MRT-Quench aus. Dabei wird das im Gerät als Kühlmittel eingesetzte Helium in wenigen Sekunden ins Freie abgeleitet, was das elektromagnetische Feld des Gerätes zusammenbrechen lässt. Die nach dieser Notabschaltung fällige Reparatur dauerte bis einschließlich Mittwoch, 11. Januar 2006, und kostete netto 30.843,01 Euro. Unter Berücksichtigung des vertraglich vereinbarten Selbstbehalts zahlte die Betriebsunterbrechungs-Schadensversicherung der Kläger für einen Ausfalltag Schadensersatz iHv. 10.289,34 Euro.

5

Die Kläger haben behauptet, der rote Knopf für die Notabschaltung sei zusätzlich durch zwei über dem Plexiglasdeckel angebrachte Klebestreifen gesichert gewesen, die beschriftet gewesen seien. Auf dem oberen Streifen habe „bei Alarm alarm silence drücken“ und auf dem unteren habe „nicht mag stop. Es wird teuer!“ gestanden. Neben den Reparaturkosten sei ein weiterer, von der Versicherung nicht abgedeckter Nutzungsausfallschaden iHv. 18.390,00 Euro netto entstanden. Sie haben die Auffassung vertreten, das Handeln der Beklagten, die nicht einmal im Rahmen ihrer Aufgaben mit der Reinigung des MRT beauftragt gewesen sei, stelle sich als gröbst fahrlässig dar. Obgleich das Handeln betrieblich veranlasst gewesen sei, scheide wegen der besonders groben Fahrlässigkeit eine Haftungsprivilegierung aus. Da die Privathaftpflichtversicherung der Beklagten einstandspflichtig sei, wirke sich die Geltendmachung des vollständigen Schadensersatzanspruchs für die Beklagte nicht existenzgefährdend aus. Die Kläger seien bei Begründung des Arbeitsverhältnisses selbstverständlich davon ausgegangen, dass die Beklagte über eine private Haftpflichtversicherung verfüge.

6

Soweit für die Revision von Bedeutung beantragen die Kläger,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gläubiger weitere 46.775,81 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. Mai 2006 zu zahlen.

7

Auf der Beklagtenseite hat die Nebenintervenientin ihren Antrag auf Klageabweisung damit begründet, dass die Beklagte sich im angenommenen Interesse der Kläger verpflichtet gefühlt habe, den Alarmton auszuschalten. Dass sie dabei den falschen Knopf betätigt habe, sei versehentlich erfolgt, wobei sie in der Vergangenheit schon einmal einen MRT-Alarm erfolgreich abgeschaltet habe. Grob fahrlässig habe die Klägerin nicht gehandelt, da sie nicht einmal die Möglichkeit des eingetretenen Schadens gesehen habe. Somit scheide eine Haftung der Beklagten aus. Als Haftpflichtversicherer der Beklagten sei die Nebenintervenientin nur in dem Umfang wie die Beklagte selbst einstandspflichtig.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 1.920,00 Euro, dh. iHv. sechs Bruttomonatsbezügen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Kläger hatte vor dem Landesarbeitsgericht insoweit Erfolg, als weitere 1.920,00 Euro zugesprochen wurden. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Kläger weiter den Ersatz ihres gesamten Schadens.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet. Rechtsfehlerfrei haben die Vorinstanzen den Schadensersatzanspruch der Kläger in der Höhe auf ein Bruttojahresgehalt der Beklagten begrenzt.

10

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beklagte habe schuldhaft ihre vertragliche wie gesetzliche Pflicht, das Eigentum der Kläger nicht zu beschädigen, verletzt. Die schädigende Handlung der Beklagten sei betrieblich veranlasst gewesen. Sie habe dabei besonders grob fahrlässig gehandelt, weil sie wahllos einen der Knöpfe auf der MRT-Steuereinheit gedrückt habe, ohne dessen Funktion zu kennen. Das Verschulden der Beklagten beziehe sich auch auf den Schadenseintritt, weil sie sich der Einsicht verschlossen habe, dass die Handlung einen Schaden unbekannter Art zur Folge haben könnte. Trotz des hohen Verschuldensgrades beim Handeln der Beklagten komme ihr aber eine Haftungserleichterung aufgrund einer Abwägung im Einzelfall zugute. In die Abwägung sei nicht nur der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, sondern auch die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes oder durch Versicherung abdeckbares Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe des Arbeitsentgelts, in dem möglicherweise eine Risikoprämie enthalten sei, einzustellen. Es könne entscheidend darauf ankommen, dass der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum Schadensrisiko der Tätigkeit steht. Bei Berücksichtigung all dieser Umstände hafte die Beklagte mit einem vollen Jahresbruttoeinkommen. Dies stelle für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer eine enorme Belastung dar, was aber wegen des hohen Verschuldensgrades der Beklagten noch vertretbar sei. Eine höhere Haftung sei in Anbetracht des uneigennützigen Handelns der Beklagten, das von dem Willen getragen gewesen sei, den Klägern zu helfen, unbillig. Die von der Beklagten abgeschlossene Haftpflichtversicherung erhöhe die Haftungsobergrenze nicht.

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B. Die dagegen gerichteten Angriffe der zulässigen Revision bleiben ohne Erfolg.

12

I. Die besondere persönliche Bindung der Vertragspartner im Arbeitsverhältnis (BAG 7. September 1995 - 8 AZR 828/93 - BAGE 81, 15 = AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 24 = EzA BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 4) bewirkt für beide Parteien des arbeitsvertraglichen Schuldverhältnisses, dass ihre Verpflichtung zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB) zu einer Vielzahl von Nebenleistungspflichten wie Unterlassungs- und Handlungspflichten führt. Allgemeine Sorgfalts-, Obhuts-, Fürsorge-, Aufklärungs- und Anzeigepflichten dienen dazu, die Erbringung der Hauptleistung vorzubereiten und zu fördern, die Leistungsmöglichkeit zu erhalten und den Leistungserfolg zu sichern (ErfK/Preis 10. Aufl. § 611 BGB Rn. 707 ff.). Die Beklagte hat, als sie statt des Schaltknopfes „alarm silence“ fehlerhaft den Schaltknopf „magnet stop“ drückte, ihre arbeitsvertragliche Nebenpflicht, den Arbeitgeber nicht zu schädigen, verletzt (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dadurch, dass der bestimmungsgemäße Gebrauch des Diagnosegeräts für die Dauer der Reparatur aufgehoben wurde, wurden die Kläger auch in ihrem absolut geschützten Rechtsgut des Eigentums durch die Handlung der Beklagten verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB). Da die Beklagte schuldhaft, nämlich zumindest fahrlässig handelte und die fehlerhafte Bedienung unstreitig kausal für den entstandenen Schaden war, sind die Kläger grundsätzlich als Mitgläubiger berechtigt, von der Beklagten Schadensersatz zu verlangen (§ 432 Abs. 1 Satz 1 BGB). Anhaltspunkte für eine die Mitgläubigerschaft ausschließende Gesamtgläubigerschaft, etwa auf vertraglicher Grundlage, haben die Kläger nicht vorgetragen. Daher ist von einer gemeinsamen Empfangszuständigkeit der Kläger für den in Geld zu leistenden Schadensersatz und daher iSd. § 432 Abs. 1 Satz 1 BGB von einer unteilbaren Leistung auszugehen(Palandt/Grüneberg 69. Aufl. § 432 Rn. 1).

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II. Das Handeln der Beklagten war durch den Betrieb der Kläger veranlasst und geschah aufgrund des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien.

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1. Der Begriff der betrieblich veranlassten Tätigkeit ist der gesetzlichen Regelung des § 105 Abs. 1 SGB VII entlehnt und wird von der Rechtsprechung in diesem Sinne ausgelegt(ErfK/Preis § 619a BGB Rn. 12 unter Hinweis auf BAG GS 27. September 1994 - GS 1/89 (A) - BAGE 78, 56 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 103 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 59; 18. April 2002 - 8 AZR 348/01 - BAGE 101, 107 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 122 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 70; HWK/Krause 4. Aufl. § 619a BGB Rn. 21). Als betrieblich veranlasst gelten solche Tätigkeiten, die arbeitsvertraglich übertragen worden sind oder die der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt. Das Handeln braucht dabei nicht zum eigentlichen Aufgabengebiet des Beschäftigten gehören, ausreichend ist, wenn er im wohl verstandenen Interesse des Arbeitgebers tätig wird (BGH 2. März 1971 - VI ZR 146/69 - AP RVO § 637 Nr. 6; BAG 14. März 1974 - 2 AZR 155/73 - AP RVO § 637 Nr. 8 = EzA RVO § 637 Nr. 5). Das Handeln ist betrieblich veranlasst, wenn bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Schädigers im Betriebsinteresse zu handeln war, sein Verhalten unter Berücksichtigung der Verkehrsüblichkeit nicht untypisch war und keinen Exzess darstellte (BAG 22. April 2004 - 8 AZR 159/03 - BAGE 110, 195 = AP SGB VII § 105 Nr. 3 = EzA SGB VII § 105 Nr. 4). Der betriebliche Charakter der Tätigkeit geht nicht dadurch verloren, dass der Arbeitnehmer bei der Durchführung der Tätigkeit grob fahrlässig oder vorsätzlich seine Verhaltenspflichten verletzt, auch wenn ein solches Verhalten grundsätzlich nicht im Interesse des Arbeitgebers liegt (BAG 18. April 2002 - 8 AZR 348/01 - aaO).

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2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt, dass das Handeln der Beklagten betrieblich veranlasst war. Die Beklagte handelte zwar außerhalb ihrer Arbeitszeit und nicht in direkter Verfolgung ihrer Hauptleistungspflicht, aber um ihren allgemeinen Sorgfalts- und Obhutspflichten als Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis (§ 241 Abs. 2 BGB) nachzukommen, Schaden von den Klägern abzuwenden und die Leistungsmöglichkeit der Praxis und damit auch ihren eigenen Arbeitsplatz zu erhalten. Die Beklagte erkannte, als sie aus der Praxis den Alarmton wahrnahm, dass sie verpflichtet war, Schaden von ihren Arbeitgebern abzuwenden und ihnen bei der Betriebsstörung zu helfen. Dass sie im Folgenden falsch handelte und ihr dabei ein Verschulden anzulasten ist, ändert nichts daran, dass zwischen der beabsichtigten Schadensverhinderung oder -minderung durch die Beklagte und dem wohl verstandenen Interesse der Kläger ein enger innerer Zusammenhang besteht, wie er für eine betrieblich veranlasste Tätigkeit typisch ist.

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III. Das betrieblich veranlasste Handeln der Beklagten ist nach den Grundsätzen über die beschränkte Arbeitnehmerhaftung zu beurteilen. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt.

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1. Nach den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätzen (27. September 1994 - GS 1/89 (A) - BAGE 78, 56 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 103 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 59) hat ein Arbeitnehmer vorsätzlich verursachte Schäden in vollem Umfang zu tragen, bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er dagegen nicht. Bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verteilen, bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen, jedoch können Haftungserleichterungen, die von einer Abwägung im Einzelfall abhängig sind, in Betracht kommen.

18

Die Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen ist durch eine Abwägung der Gesamtumstände zu bestimmen, wobei insbesondere Schadensanlass, Schadensfolgen, Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen. Eine möglicherweise vorliegende Gefahrgeneigtheit der Arbeit ist ebenso zu berücksichtigen wie die Schadenshöhe, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes Risiko, eine Risikodeckung durch eine Versicherung, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe der Vergütung, die möglicherweise eine Risikoprämie enthalten kann. Auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers und die Umstände des Arbeitsverhältnisses, wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten können zu berücksichtigen sein.

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2. Die Haftung der Beklagten ist mithin entscheidend davon abhängig, welcher Verschuldensgrad ihr zur Last zu legen ist.

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a) Der Begriff des Verschuldens und die einzelnen Arten des Verschuldens - leichteste, einfache oder normale und grobe Fahrlässigkeit - sind Rechtsbegriffe. Die Feststellung einer „Fahrlässigkeit“ ist durch die Revision nachprüfbar (BAG 19. März 1959 - 2 AZR 402/55 - BAGE 7, 290, 301 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 8 = EzA BGB § 276 Nr. 3). Dabei steht dem Tatsachenrichter ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu, da die Feststellung der Voraussetzungen im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegt. Das Revisionsgericht kann lediglich prüfen, ob der Tatsachenrichter von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und Denkgesetze, Erfahrungssätze und Verfahrensvorschriften nicht verletzt hat (BAG 18. April 2002 - 8 AZR 348/01 - zu II 3 b der Gründe mwN, BAGE 101, 107 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 122 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 70). Das Verschulden des Schädigers muss sich dabei sowohl auf die pflichtverletzende Handlung als auch auf den Eintritt des Schadens beziehen (BAG 18. Januar 2007 - 8 AZR 250/06 - AP BGB § 254 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 2).

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b) Hinsichtlich der Schädigungshandlung ist das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Beklagte objektiv die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den Gesamtumständen in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und unbeachtet gelassen hat, was in der konkreten Situation für jedermann erkennbar gewesen ist. Der Beklagten musste klar sein, dass sie in die Bedienung des MRT nicht eingewiesen war, über keine sonst erworbene Sachkunde verfügte und die Bedeutung der einzelnen Schaltknöpfe nicht kannte. Die wahllose Bedienung eines zumindest durch einen Plexiglasdeckel besonders gesicherten Schalters musste die Gefahr bergen, dass dadurch mehr passiert als das einfache Abschalten des Alarmtons. Die Beklagte konnte keine vernünftigen Zweifel daran hegen, dass die richtige Vorgehensweise in einer Verständigung der Kläger oder anderer für die Bedienung des Geräts kompetenter Personen gelegen hätte. Insoweit ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht für das Handeln der Beklagten ein Höchstmaß an grober Fahrlässigkeit festgestellt hat.

22

c) Hinsichtlich des Schadenseintritts hat das Landesarbeitsgericht vom äußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge und deren gesteigerte Vorwerfbarkeit geschlossen und auch insofern grobe Fahrlässigkeit angenommen. Dies ist zwar grundsätzlich zulässig (BAG 18. Januar 2007 - 8 AZR 250/06 - AP BGB § 254 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 2). Der Senat sieht aber hinsichtlich des Schadenseintritts nach den besonderen Umständen des Einzelfalls keinen Anlass, von einer „gröbsten“ Fahrlässigkeit auszugehen. Auch insoweit handelte die Beklagte grob fahrlässig, weil sie sich der aufdrängenden Erkenntnis verschloss, dass ihr Handeln einen Schaden verursachen kann, wenn sie irgendeinen Knopf, dessen Funktion sie nicht kennt, betätigt. Dass die Beklagte hinsichtlich des eingetretenen „MRT-Quench“ ebenfalls mit „gröbster“ Fahrlässigkeit gehandelt hat, setzte allerdings voraus, dass sie nach ihren individuellen Fähigkeiten die objektiv gebotene Sorgfalt hätte beachten können. Dafür gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte. Die Klägerin musste damit rechnen, dass ein Schaden, womöglich ein erheblicher Schaden, eintritt und hat insofern auch diesbezüglich grob fahrlässig gehandelt. Dass sie durch Betätigen des roten Knopfes eine Notabschaltung auslöst, die einer partiellen Selbstzerstörung des Geräts gleichkommt, kann ihr ohne weiteres Vorbringen nicht unterstellt werden. Nur dann aber wäre ihr auch insoweit besonders grobe (gröbste) Fahrlässigkeit vorzuwerfen.

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d) Im Übrigen kann es entgegen der mit der Revision vertretenen Auffassung dahinstehen, ob der Beklagten vorliegend grobe oder „gröbste“ Fahrlässigkeit sowohl hinsichtlich ihres Handelns als auch des eingetretenen Schadens vorzuwerfen ist. Denn auch bei „gröbster“ Fahrlässigkeit scheiden Haftungserleichterungen für den Arbeitnehmer nicht grundsätzlich aus. Auch in der von der Revision angeführten Entscheidung des Senats vom 25. September 1997 (- 8 AZR 288/96 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 111 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 63) wurde auf den konkret entschiedenen Einzelfall abgestellt und eine Haftungsmilderung nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung auch im Hinblick auf die Höhe des eingetretenen Schadens „im konkreten Fall“ für nicht angezeigt gehalten.

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3. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht die Haftung der Beklagten trotz der grob fahrlässigen Beschädigung des MRT auf ein Jahresgehalt iHv. 3.840,00 Euro beschränkt.

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a) Bei grober Fahrlässigkeit ist im Einzelfall eine Entlastung des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen. Ob sie in Frage kommt und wie weit sie zu gehen hat, ist nach einer Abwägung zu entscheiden, die grundsätzlich dem Tatrichter nach Feststellung aller dafür maßgebenden Umstände obliegt (§§ 286, 287 ZPO). Auf Seiten des Arbeitnehmers müssen insbesondere die Höhe des Arbeitsentgelts, die weiteren mit seiner Leistungsfähigkeit zusammenhängenden Umstände und der Grad des Verschuldens in die Abwägung einbezogen werden. Auf Seiten des Arbeitgebers wird ein durch das schädigende Ereignis eingetretener hoher Vermögensverlust um so mehr dem Betriebsrisiko zuzurechnen sein, als dieser einzukalkulieren oder durch Versicherungen ohne Rückgriffsmöglichkeit gegen den Arbeitnehmer abzudecken war (BAG 12. Oktober 1989 - 8 AZR 276/88 - BAGE 63, 127 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 97 = EzA BGB § 611 Gefahrgeneigte Arbeit Nr. 23). Die Entscheidung ist nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen. Eine feste, summenmäßig beschränkte Obergrenze der Haftung gibt es nicht, sie festzulegen wäre dem Gesetzgeber vorbehalten (BAG 23. Januar 1997 - 8 AZR 893/95 - NZA 1998, 140).

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b) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht vorliegend den Grad des Verschuldens der Beklagten ebenso haftungserhöhend berücksichtigt wie die Tatsache, dass die Beklagte bei den Klägern als Reinigungskraft beschäftigt ist, was für die Verursachung eines hohen Schadens, wenigstens der eingetretenen Art, wenig gefahrgeneigt ist. Ob dagegen das Fehlverhalten der Beklagten für die Kläger kaum vorhersehbar war, wie das Landesarbeitsgericht in seine Überlegungen einbezogen hat, begegnet gewissen Zweifeln, kann aber letztlich dahinstehen. Immerhin mussten die Kläger bei einem Gerät, das offenbar auch außerhalb der Praxisöffnungszeiten und über das Wochenende im „Stand-By-Modus“ bleiben musste, damit rechnen, dass nicht in die Bedienung des MRT eingewiesene Kräfte mit einem Alarm oder Fehlalarm konfrontiert werden. In der Gesamtabwägung ergäbe sich allerdings bei einer anderen Auffassung gleichwohl kein anderes als das vom Landesarbeitsgericht gefundene Ergebnis. Denn zu Recht haben die Berufungsrichter vor allem die Ursachen und Motive der Beklagten berücksichtigt, als sie handelte. Die Beklagte erkannte ihre Pflicht zum Handeln, löste die Aufgabe allerdings völlig falsch. Dieser Ausgangssituation stellt das Landesarbeitsgericht zu Recht haftungsbegrenzend die geringe Vergütung der Beklagten gegenüber. Der eingetretene Schaden beläuft sich auf mehr als das Hundertfache eines Monatslohns der Beklagten, stellt sich mithin als ganz ungewöhnlich groß dar. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass bereits eine Haftungsbeschränkung auf zwölf Monatsgehälter für die Beklagte eine sehr große finanzielle Belastung darstellt, weil bei „Mini-Jobs“ regelmäßig der gesamte Verdienst zur Existenzerhaltung gebraucht wird und Reserven, Rücklagen oder Sparquoten, auf die verzichtet werden könnte, nicht bestehen. Damit hat das Landesarbeitsgericht bei zutreffenden rechtlichen Beurteilungsmaßstäben alle wesentlichen Umstände des Sachverhalts angemessen berücksichtigt und bei der Begründung seiner Entscheidung nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstoßen.

27

4. Rechtlich zutreffend hat das Landesarbeitsgericht schließlich die von der Beklagten abgeschlossene Privathaftpflichtversicherung, die vorliegend möglicherweise einstandspflichtig ist, nicht für entscheidungserheblich gehalten.

28

a) Ein Arbeitnehmer kann sich dann nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen, wenn zu seinen Gunsten eine gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung, etwa eine Kfz-Haftpflichtversicherung, eingreift (BAG 25. September 1997 - 8 AZR 288/96 - mwN, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 111 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 63). Bei Bestehen einer Pflichtversicherung liegen Risiken vor, die der Gesetzgeber als so gefahrträchtig erachtet hat, dass er den Handelnden im Hinblick auf mögliche Gefahren für andere ohne Versicherungsschutz nicht tätig sehen wollte. Dieser Grund für eine gesetzliche Pflichtversicherung überlagert gleichsam die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung.

29

b) Eine freiwillig abgeschlossene Privathaftpflichtversicherung wirkt sich dagegen grundsätzlich auf die interne Betriebsrisikoverteilung nicht aus. Insbesondere darf auch beim Bestehen einer solchen Privathaftpflichtversicherung zu Gunsten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, dass das gezahlte Entgelt im Verhältnis zu dem von ihm zu tragenden Risiko unangemessen gering ist. Etwas anderes kann dann gelten, wenn der Arbeitgeber vor Einstellung des Arbeitnehmers wegen der Risiken der gefahrgeneigten Tätigkeit den Abschluss einer solchen privaten Haftpflichtversicherung verlangt und zur Einstellungsbedingung gemacht hatte, erst recht, wenn dafür zusätzliche Vergütungsbestandteile vereinbart wurden (BAG 14. Oktober 1993 - 8 AZR 242/92 - EzA BGB § 611 Gefahrgeneigte Arbeit Nr. 28). Wie bei einer gesetzlichen Pflichtversicherung kann auch zwischen den Parteien eines Arbeitsvertrages wegen bestehender Risiken der Abschluss einer Haftpflichtversicherung zwingend vereinbart werden mit der Folge, dass bei einem Schadenseintritt das Bestehen einer solchen Versicherung für Schäden im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen ist.

30

c) Dafür gibt es aber vorliegend keine hinreichenden Anhaltspunkte, was das Landesarbeitsgericht rechtlich zutreffend erkannt hat. Die Kläger räumen ein, das Bestehen einer privaten Haftpflichtversicherung für beruflich verursachte Schäden nicht zur ausdrücklichen Bedingung für den Abschluss des Arbeitsvertrages gemacht zu haben. Um eine beiderseitige Geschäftsgrundlage handelte es sich unstreitig ebenfalls nicht. Die Beklagte hat zudem eine Haftpflichtversicherung für „privat“ verursachte Schäden abgeschlossen, die für das „betrieblich veranlasste“ Handeln der Klägerin bislang nur aus Kulanz einzutreten bereit ist.

31

5. Da der Schaden allein am MRT fast das 10-fache eines Jahresgehalts der Beklagten beträgt, bedürfen die weiteren von den Klägern geltend gemachten Schadenspositionen keiner Erörterung.

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C. Die Kläger haben nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.

        

Hauck 

        

Böck   

        

Breinlinger

        
                 

Burr   

        

F. Avenarius

                          

(1) Der Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung ist unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. Dies gilt auch, wenn der Schuldner nach § 275 Absatz 1 bis 3, § 439 Absatz 4 oder § 635 Absatz 3 nicht zu leisten braucht und der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt wäre. § 216 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) § 214 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.

Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)