Landesarbeitsgericht Köln Beschluss, 30. Juli 2015 - 4 Ta 82/15


Gericht
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 08.01.2015 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
1
G r ü n d e
2I. Klarstellend ist zunächst darauf hinzuweisen, dass entsprechend seinem Tenor der angegriffene Beschlusses nicht nur die „Klageerweiterung“ vom 26.11.2014 (Bl. 103 d. A.), die tatsächlich die bereits am 15.07.2014 (Bl. 64 d. Hauptakte) erfolgte Klageerweiterung teilweise wieder einschränkte, sondern auch die Klageerweiterung vom 26.09.2014 (Bl. 92 d. A. – Urlaubsabgeltung) und darüber hinaus die Klageerweiterung vom 08.12.2014 (Bl. 107 d. A. – Entgelt für September, Oktober und November) erfasst. Denn es wird jede über den Beschluss vom 06.10.2014 hinausgehende Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Im Beschluss vom 06.10.2014 war die Prozesskostenhilfe-Bewilligung über den bereits zu Protokoll vom 26.06.2014 verkündeten Beschluss (der die Gegenstände der Klageschrift erfasste) hinaus auch auf die Klageerweiterungen mit den Schriftsätzen vom 23.06. und 04.07.2014 erstreckt worden. Der Schriftsatz vom 23.06.2014 betraf die Kündigungsschutzklage wegen der außerordentlichen Kündigung, der Schriftsatz vom 04.07.2014 das Gehalt für Juni (vgl. Bl. 55 d. A.). Der Prozesskostenhilfebeschluss vom 06.10.2014 (Bl. 92 d. A.) weist die Prozesskostenhilfebewilligung für die Klageerweiterung im Schriftsatz vom 15.07.2014 hingegen bereits zurück. Dagegen wurden Rechtsmittel nicht eingelegt. Im Schriftsatz vom 26.11.2014 wurde der bereits am 15.07.2014 gestellte Klageantrag unter Berücksichtigung des inzwischen gezahlten Arbeitslosengeldes lediglich eingeschränkt.
3Zusammengefasst ist mithin für alle Gegenstände der Klageschrift, für die Klageerweiterung vom 23.06.2014 bezüglich der außerordentlichen Kündigung und für die Klageerweiterung vom 04.07.2014 bezüglich des Junigehaltes Prozesskostenhilfe bewilligt worden, für die geltend gemachten Gehälter für Juli bis November sowie für die geltend gemachte Urlaubsabgeltung hingegen der Prozesskostenhilfe-Antrag abgewiesen worden.
4II. Diese Abweisung erfolgte zu Recht.
51. Auszugehen ist zunächst von dem Grundsatz, dass eine Rechtsverfolgung in der Regel mutwillig ist, wenn eine wirtschaftlich leitungsfähige, also nicht bedürftige Partei bei sachgerechter und vernünftiger Einschätzung der Prozesslage von ihr Abstand nehmen oder ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde, weil ihr ein kostengünstigere Weg offensteht und dieser Weg ebenso erfolgversprechend ist (vgl. dazu z. B. Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg 20.04.2012 – 26 Ta 535/12; Landesarbeitsgericht Hamm 15.01.2013 – 14 Ta 320/12 – mit zahlreichend weiteren Nachweisen).
6Hätte eine bemittelte Partei, die vernünftig abwägt und die möglichen Kostenfolgen berücksichtigt, begründeten Anlass gehabt, neben dem Kündigungsschutzantrag Annahmeverzugsansprüche im Rahmen von Hauptanträgen geltend zu machen, ist diese Möglichkeit auch der unbemittelten Partei zu öffnen. Dafür können sich insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer effektiven Rechtsverfolgung sachliche Gründe ergeben. Mutwilligkeit liegt hingegen regelmäßig vor, wenn eine Partei keine nachvollziehbaren Sachgründe dafür vorbringt, warum sie ihre im Rahmen der Kündigungsschutzklage geltend gemachten Annahmeverzugsansprüche nicht im Wege von den Streitwert im Falle eines Unterliegens mit dem Hauptantrag nicht beeinflussenden uneigentlichen Hilfsanträgen, sondern im Wege von den Streitwert unmittelbar erhöhenden Hauptanträgen geltend macht und sie nicht plausibel erklärt, aus welchen Gründen sie Haupt- statt Hilfsanträge stellt (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg a. a. O.).
72. Dabei geht das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg davon aus, dass vom Ausgang des Kündigungsschutzprozesses abhängige Annahmeverzugsansprüche, die im Wege von uneigentlichen Hilfsanträgen geltend gemacht werden, sich nicht streitwerterhöhend auswirken, wenn die Klage hinsichtlich des Kündigungsschutzantrages abgewiesen wird.
8Die erkennende Kammer hat zu diesem Punkt zwar in der Vergangenheit eine andere Auffassung vertreten. Inzwischen aber hat das Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 13.08.2014 – 2 AZR 871/12) – im konkreten Fall zu einem Weiterbeschäftigungsantrag, der als unechter Hilfsantrag gestellt war – entschieden, dass auch ein solcher unechter Hilfsantrag gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG mit dem Hauptanspruch nur dann zusammengerechnet wird, wenn eine Entscheidung über ihn ergeht. Es hat zugleich ebenfalls entschieden, dass die Vorschrift des § 45 Abs. 4 GKG in einer Situation, in der die Parteien sich durch Vergleich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der Kündigung einigen, nicht dazu führt, dass der uneigentliche Hilfsantrag streitwertmäßig berücksichtigt wird. Das hat das Bundesarbeitsgericht damit begründet, dass in diesem Fall es an einer derb Entscheidung über den Antrag entsprechender Situation fehlt. Dem folgt die erkennende Kammer.
93. Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet das, dass der Kläger, hätte er insoweit die Zahlungsanträge wegen Annahmeverzugs als unechte Hilfsanträge gestellt, für die über Juni hinausgehenden Annahmeverzugslohnansprüche ein Kostenrisiko nicht getragen hätte, wenn seine Klage letztlich abgewiesen worden wäre (dabei ist dazu darauf hinzuweisen, dass das erstinstanzliche Teilurteil erst am 29.12.2014 den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zugestellt worden ist und mithin bei Abschluss des Vergleiches noch nicht rechtskräftig war). Ebenso hätte er durch den Vergleich, in dem sich die Parteien auf die Beendigung zum Ablauf der Kündigungsfrist (hier 30.06.2014) einigten, wie mit Beschluss des Arbeitsgerichts vom 08.01.2015 festgestellt worden ist, keine Kosten in Bezug auf diese Anträge getragen, weil sie nicht in den Streitwert hätten einfließen dürfen.
10Es sind auch sonst keine sachlichen Gründe erkennbar, warum diese Anträge als Hauptanträge hätten gestellt werden müssen.
11a. Das Arbeitsgericht hat bereits in seinem Nichtabhilfebeschluss zutreffend darauf hingewiesen, dass nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Klageerhebung bezüglich Annahmeverzugslohnansprüchen zur Wahrung von Ausschlussfristen nicht erforderlich ist, wenn eine Kündigungsschutzklage anhängig ist und die Annahmeverzugslohnansprüche von der Wirksamkeit der Kündigung abhängen. Auf die vom Arbeitsgericht im Nichtabhilfebeschluss angegebene Fundstelle wird Bezug genommen.
12b. Soweit der Kläger in der Beschwerdeschrift desweiteren dahingehend argumentiert, dass die Notwendigkeit einer klageweisen Geltendmachung des Annahmeverzugslohns bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Vergleich vom 08.01.2015 „offensichtlich mehr als notwendig“ gewesen sei, weil zur Zeit der Abfassung des Schriftsatzes vom 29.01.2015 der Vergleich hinsichtlich der Zahlungsansprüche noch nicht erfüllt worden sei, so besagt dieses schon nicht, dass im Jahre 2014 unbedingt eine schnelle Titulierung erforderlich war. Dieses kann jedoch dahinstehen. Denn das gleiche Ziel hätte der Kläger mit uneigentlichen Hilfsanträgen erreicht.
134. Was den – hilfsweise – geltend gemachten Urlaubsabgeltungsanspruch anbelangt, gilt Folgendes: Der Anspruch war frühestens am 01.07.2014 fällig. Damit begann die 3-monatige Ausschlussfrist des § 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrages. Diese hätte ausgeschöpft werden können. Erst nach darauf erfolgter Ablehnung hätte die weitere Frist zur gerichtlichen Geltendmachung von 3 Monaten begonnen. Wie sich aus dem Schriftsatz vom 23.12.2014 ergibt, hatten die Parteien sich spätestens an diesem Tage bereits auf einen Vergleich geeinigt. Bis zu diesem Zeitpunkt war also unter dem Gesichtspunkt von Ausschlussfristen nur eine schriftliche Geltendmachung erforderlich, einer Klageerhebung bedurfte es bis dahin nicht. Eine sachgerecht und wirtschaftlich vernünftig abwägende Partei hätte die hilfsweise Geltendmachung bis dahin nicht vorgenommen. Dabei kann dahinstehen, ob und inwieweit die vertragliche Ausschlussfrist auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts den Anspruch auf Urlaubsabgeltung überhaupt erfasst hätte.
14Das unter Titulierungsinteressen bis dahin eine gerichtliche Geltendmachung erforderlich war, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Zur Vermögenslage der Beklagten hat der Kläger auch im Rahmen seiner Beschwerde nichts Substantiiertes vorgetragen. Dass im Januar noch nicht die Zahlungsansprüche aus dem Vergleich beglichen waren, reicht zur Darlegung einer Dringlichkeit der gerichtlichen Geltendmachung nicht aus.
15Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.


Annotations
(1) In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die Ansprüche im Fall des Satzes 1 oder 2 denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.
(2) Für wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, ist Absatz 1 Satz 1 und 3 entsprechend anzuwenden.
(3) Macht der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend, erhöht sich der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht.
(4) Bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden.